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Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins Abt. Remscheid - Hückeswagen - Radevormwald - Wermelskirchen GESCHICHTE & EIMAT September 2004 Nr. 5 / 71. Jahrgang EscbkssaafiinimtzaDik Eine Beilage des rga Das alte Wermelskirchener Amtsgericht an der Telegrafenstraße. Das neue Gerichtsgebäude steht am Brückenweg. Foto: Archiv Rechtspflege im Bergischen Land RÜCKBLICK ' 1879 kam die Rechtseinheit / 125 Jahre Amtsgericht Wermelskirchen or 125 Jahren wurden durch Verordnung Kö— nig Wilhelms von Preu- ßen vom 26. Juli 1878 im Rheinland als Nachfolger der Friedensgerichte die Amtsgerich- te eingerichtet. Die Reichsjustiz- gesetze traten am 1. Oktober 1879 in Kraft: Neue, reichseinheitliche Gerichtsverfassung wurden ge- schaffen und die Amtsgerichte er— richtet. Dazu gehörten damals auch die beiden Amtsgerichte Wermelskirchen und Remscheid. Bereits zum 100. Jubiläum des Amtsgerichts Wermelskirchen am 1. Oktober 1879 hatte Herbert Musall einen interessanten Rück- blick auf die Rechtspflege im Ber- gischen Land im Laufe der Jahr- hunderte gegeben (Hubert Mu- sall: „Vom Blutgericht zur mo- dernen Justiz Die Rechtspflege im Bergischen Land im Laufe der Jahrhunderte", Rheinisch-Bergi- scher Kalender 1980; S. 164 ff). Er ist hier in Auszügen zu lesen. „Am 1. Oktober 1879 traten die Reichsjustizgesetze in Kraft. Die Reichszersplitterung in den deutschen Bundesländern hatte ein Ende. Die Gerichtsverfassung des Deutschen Reiches war ge- schaffen. Sie gilt auch heute noch. Durch die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland ging ein jahrhundertealter Traum in Erfüllung, den bereits 1529 die Richter eines bergischen schäk- fengerichts auf dem Titelblatt-des Protokollbuches mit den Worten zum Ausdruck brachten: „Hätten wir all’ einen Glauben, Gott und Gemeinnutz vor Augen, ein'ElI’, ein Maß und ein Gewicht, ein Recht, ein' Münz und gutes Geld, 0 stünd' es wohl in ganzer Welt. Anfänge einer öffentlichen Ge- richtsbarkeit gab es bereits bei den westgermanischen Stämmen, die vor rund zweitausend Jahren im Bergischen Land lebten. Die Rechtsprechung lag in der Hand der Volksversammlung Die hö- here, insbesondere die Blutge- richtsbarkeit, wurde vom Volks- ding, der Landgemeinde, unter dem Vorsitz eines Priesters aus— geübt. Rechtshändel von unterge— ordneter Bedeutung wurden von der Hundertschaftsversammlung unter der Leitung eines ehren- amtlichen Hundertschaftsbeam- ten entschieden. In fränkischer Zeit, als der Kampf um den Lebensraum zwi- schen den Sippen und Stämmen den Zusammenschluss unter ei— nem Führer erforderlich machte, übernahm dieser bald als herr- schender König die Gerichtsbar- keit von der Volksversammlung und ließ sie später durch seine Beamten ausüben. Von besonde- rer Bedeutung wurde hierbei das Amt der Grafen, aus deren Amts— bezirken die fränkischen Gaue entstanden. Die Grafen zogen von einem Hundertschaftsgericht ih- res Games zum anderen und lei- teten die Gerichtstage im Namen des Königs.

MitteilungsblattdesBergischenGeschichtsvereins—Abt ... · orge Nygard, Mätti Berben, die Schauspieler Hans Dinghaus, Karlsumalvico,AlfredBohl,Ruth Poelzig,HeinrichOckel,dertech-nische

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Page 1: MitteilungsblattdesBergischenGeschichtsvereins—Abt ... · orge Nygard, Mätti Berben, die Schauspieler Hans Dinghaus, Karlsumalvico,AlfredBohl,Ruth Poelzig,HeinrichOckel,dertech-nische

Mitteilungsblatt des Bergischen Geschichtsvereins — Abt. Remscheid - Hückeswagen - Radevormwald - Wermelskirchen

GESCHICHTE & EIMATSeptember 2004 — Nr. 5 / 71. Jahrgang EscbkssaafiinimtzaDik Eine Beilage des rga

Das alte Wermelskirchener Amtsgericht an der Telegrafenstraße. Das neue Gerichtsgebäude steht am Brückenweg.

Foto: Archiv

Rechtspflege im Bergischen LandRÜCKBLICK ' 1879 kam die Rechtseinheit / 125 Jahre Amtsgericht Wermelskirchen

or 125 Jahren wurdendurch Verordnung Kö—nig Wilhelms von Preu-ßen vom 26. Juli 1878

im Rheinland als Nachfolger derFriedensgerichte die Amtsgerich-te eingerichtet. Die Reichsjustiz-gesetze traten am 1. Oktober 1879in Kraft: Neue, reichseinheitlicheGerichtsverfassung wurden ge-schaffen und die Amtsgerichte er—richtet. Dazu gehörten damalsauch die beiden AmtsgerichteWermelskirchen und Remscheid.

Bereits zum 100. Jubiläum desAmtsgerichts Wermelskirchenam 1. Oktober 1879 hatte HerbertMusall einen interessanten Rück-blick auf die Rechtspflege im Ber-gischen Land im Laufe der Jahr-hunderte gegeben (Hubert Mu-

sall: „Vom Blutgericht zur mo-dernen Justiz — Die Rechtspflegeim Bergischen Land im Laufe derJahrhunderte", Rheinisch-Bergi-scher Kalender 1980; S. 164 ff).Er ist hier in Auszügen zu lesen.

„Am 1. Oktober 1879 tratendie Reichsjustizgesetze in Kraft.Die Reichszersplitterung in dendeutschen Bundesländern hatteein Ende. Die Gerichtsverfassungdes Deutschen Reiches war ge-schaffen. Sie gilt auch heute noch.Durch die Herstellung der

Rechtseinheit in Deutschlandging ein jahrhundertealter Traumin Erfüllung, den bereits 1529 dieRichter eines bergischen schäk-fengerichts auf dem Titelblatt-desProtokollbuches mit den Wortenzum Ausdruck brachten:

„Hätten wir all’ einen Glauben,Gott und Gemeinnutz vor Augen,ein'ElI’, ein Maß und einGewicht,ein Recht, ein' Münz und gutesGeld,

0 stünd' es wohl in ganzer Welt. ”

Anfänge einer öffentlichen Ge-richtsbarkeit gab es bereits beiden westgermanischen Stämmen,die vor rund zweitausend Jahrenim Bergischen Land lebten. DieRechtsprechung lag in der Handder Volksversammlung Die hö-here, insbesondere die Blutge-richtsbarkeit, wurde vom Volks-ding, der Landgemeinde, unterdem Vorsitz eines Priesters aus—geübt. Rechtshändel von unterge—ordneter Bedeutung wurden vonder Hundertschaftsversammlung

unter der Leitung eines ehren-amtlichen Hundertschaftsbeam-ten entschieden.

In fränkischer Zeit, als derKampf um den Lebensraum zwi-schen den Sippen und Stämmenden Zusammenschluss unter ei—nem Führer erforderlich machte,übernahm dieser bald als herr-schender König die Gerichtsbar-keit von der Volksversammlungund ließ sie später durch seineBeamten ausüben. Von besonde-rer Bedeutung wurde hierbei dasAmt der Grafen, aus deren Amts—bezirken die fränkischen Gaueentstanden. Die Grafen zogen voneinem Hundertschaftsgericht ih-res Games zum anderen und lei-teten die Gerichtstage im Namendes Königs.

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In geringfügigen Sachen tagtendie Hundertschaftsgerichte ohneihn unter der Leitung einesSchultheißen. Der König übte nurnoch die oberste Gerichtsbarkeitim Königsgericht aus, das an diestelle der Landsgemeinde getre-ten war. Bereits in fränkischerZeit wurden aus den königlichenBeamten, insbesondere den Gra-fen, erbliche Grundherren. Sie lie-ßen nun ihrerseits die ihnen vomKönig übertragene Gerichtsbar—keit durch Vögte ausüben, denenvom König der Königsbann ver-liehen wurde. In Bagatellsachenentschieden weiterhin die von ei-nem Schultheiß geleiteten Hun-dertschaftsgerichte, die auch fürdie Streitigkeiten zwischen denGutsherren und deren Leuten zu- -ständig waren.

Zentralgewalt

zerfiel

Im Mittelalter setzte sich dieseEntwicklung und die Abstufungder einzelnen Gerichte fort. DieZentralgewalt zerfiel. Das Kö-nigsgericht, jetzt Reichshofge-richt, dann Reichskammergerichtgenannt, verlor mit dem Schwin-den der Macht des Königs immermehr an Bedeutung, zumal derVorsitz nicht mehr vom Königselbst, sondern von einem seinerBeamten geführt wurde.

Die bedeutendsten Grundher-ren, die durch Erwerb umfang-reicher Ländereien und durch Le-hen des Königs für Wahl- undKriegshilfe zu besonderer Machtgekommen waren, schwan ensich zu Landesherren auf. Die 6-here Gerichtsbarkeit behielten siesich nun selbst vor und ließen sievon eigenen Hofgerichten aus-üben, soweit nicht noch die Zu—

ständigkeit des Reichshof— bzw.Reichskammergerichts des Kö-nigs erhalten geblieben war. Ausden Grafengerichten wurden aufdiese Weise Hofgerichte der Lan-desherren. Die niedere Gerichts-barkeit verblieb den nachgeord-neten Schultheißgerichten, diesich jetzt Landgerichte nannten.

In den Städten entwickeltensich Markt- oder Standgerichte.Zur Schlichtung der Streitigkeitenzwischen den Gutsherren und de-ren Leuten entstanden die Hofes-gerichte. Auch die Herren vonBerg waren zu Landesfürsten auf-gestiegen, zunächst als Grafen,dann als Herzöge. Ihr Hofgerjchtwar das Rittergericht in Opladen,das später als Hofgericht undOberappellationsgericht an denherzoglichen Hof in Düsseldorfverlegt wurde.

Die untere Gerichtsbarkeitwurde von den Landgerichten mitden Hauptgerichten in Portz undKreutzberg (bei Kaiserswerth),von den Stadtgerichten mit denHauptgerichten in Siegburg undLennep sowie schließlich von denHofesgerichten ausgeübt. DenHofesgerichten war die Regelungder Rechtsbeziehungen zwischenden Gutsherren und deren Ho-fesleuten vorbehalten. Sie warenmit Schöffen besetzt und tagtenunter dem Vorsitz des Amtmannsdes jeweiligen bergischen Amtesoder unter einem von diesem be-stellten Amtsrichter.

Die Landgerichte und dieStadtgerichte waren für die übri-gen bürgerlichen Rechtsstreitig-keiten und für die Angelegenhei-ten der freiwilligen Gerichtsbar-keit zuständig. Sie waren mit ei-nem beamteten Richter und etwafünf bis elf auf Lebenszeit bestellteSchöffen besetzt. Sie tagten allezwei'Wochen.Da es damals ein geschriebenes

Recht nebst Erläuterungsbüchemkaum gab, andererseits man zueinstimmigen Urteilen kommenmusste, wurden in Zweifelsfällendie Hauptgerjchte konsulüert:Kreutzberg von den Landgerich-ten und Lennep von den Stadtge-richten des hiesigen Raumes. Ka-men die Hauptgerichte mit derSache auch nicht zu Rande, muss-ten das Rittergericht in Opladen,später das Hofgericht des Herzogsvon Berg bzw. das Oberappella-tionsgericht in Düsseldorf ange-rufen werden.

Landesherr hatte die

hohe Gerichtsbarkeit

Die hohe Gerichtsbarkeit standnur dem Landesherrn, dem Her-zog von Berg, selbst zu. Im Ein-zelfall konnte er sie einem Land-oder Stadtgericht übertragen, diejedoch ihren Spruch seinem Hof-rat zur Bestätigung vorlegenmussten. Vollstreckt wurden dieUrteile stets am Ort der Tat.Im hiesi en Bezirk gab es da-

mals Lan gerichte in Dabring-hausen, Dhünn und Wermelskir-chen, die zum bergischen AmtBomefeld gehörten. Das Landge-richt Wermelskirchen, auch‚Dingstuhl’ genannt, war mit ei-nem Amtsrichter und fünf aufLebenszeit bestellten schöffen be-setzt, von denen einer aus derDorfhonschaft und je zwei ausder Ober- und Niederhonschaftstammten — Namen, die nochheute als Gemarkungsbezeich-nungen im Grundbuch geläufigsind. Die Richtstätte soll sich imOrtsteil Schwanen (von Wer-melskirchen) befunden haben.

Als das Bergische Land 1806von den Franzosen besetzt wurde,beseitigte Napoleon die bergischeAmter- und Gerichtsverfassung

Im alten Rathaus von Wermeslkirchen tagte einstmals das Friedensgericht

Foto: Archiv

und führte ein Gerichtswesennach französischem Vorbild ein.Das zum Rhein-Departement ge-hörige nunmehrige Großherzog-tum Berg wurde in vier Arrondis-sements gegliedert (Düsseldorf,Elberfeld, Mülheim und Essen)und in 26 cantone eingeteilt Diebergischen Gerichte wurden auf-gehoben, In den Cantonen wurdeje ein Friedensgericht und für dieArrondissements Düsseldorf undElberfeld ein gemeinsames Tri-bunal 1. Instanz in Düsseldorf er-richtet, das gleichzeitig Appella-tionsgen'cht für die nachgeordne-ten Friedensgerichte war. Derweitere Rechtsweg ging an denOberappellations- und Kassa-tionsgerichtshof in Paris.Wermelskirchen erhielt als Sitz

eines Cantons ein Friedensge-richt. Dabringhausen und Dhünnverloren ihre Gerichte. Nach den -Befreiungskriegen wurde das Ber-gische Land 1815 Teil des König-reichs Preußen. Sein höchstes Ge-richt war nunmehr der Revisions—und Kassationsgerichtshof für dieRheinlande in Berlin, der späternach Köln verlegt wurde. An dieStelle der Tribunale 1. Instanz tra—ten sechs Landgerichte.

Als Gerichte der unteren Ins-tanz wurden wiederum Friedens-gerichte gebildet. Auch Wermels-kirchen erhielt wieder ein Frie-densgericht. Das übergeordneteLandgericht war zunächst das LGDüsseldorf und nach seiner Er-richtung im Jahre 1834'das Land-gericht Wuppertal.

Friedensgericht tagte

zunächst im Gasthof

Das Preußische Friedensge-richt Wermelskirchen war zu-ständig für die Gemeinden Wer-melskirchen, Dabringhausen undBurg. Es war besetzt mit demFriedensrichter clostermann unddem Gerichtsschreiber Busch. DieSitzungen fanden zunächst in ei-nem Gasthof statt, bis das Frie-densgericht 1840 im Oberge-schoss des neu errichteten Rat-hauses an der Remscheider stra-ße eigene Diensträume erhielt.Nach der Gründung des Deut-

schen Reiches 1871 wurde dieGerichtsverfassung in Deutsch—land neu und einheitlich gestaltet.An die Stelle der Friedensgerichtetraten die Amtsgerichte. Am 1.Oktober 1879 nahm auch dasAmtsgericht Wermelskirchen sei-ne Tätigkeit in dem neu errichte-ten Gerichtsgebäude an der Tele-grafenstraße auf. Es blieb dembestehen gebliebenen LG Wup-pertal zugeordnet. GemeinsamesObergericht wurde zunächst das »ebenfalls neu errichtete OLG Kölnund ab 1905 das OLG Düsseldorf.Damit war die aus dem Mittelal-ter überkommene Gerichtsord-nung für diesen Teil des Bergi-schen Landes wieder hergestellt.

Mit der Umgliederung desAmtsgerichts Wermelskirchen inden Landgerichtsbezitk Köln am1. Januar 1981 endet die im Laufeder Jahrhunderte gewachseneund bewährte Verbindung zwi-schen Wermelskirchen und Wup—pertal auch auf gerichtsverfas-sungsrechtlichem Gebiet."

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Ein Blick in das aufwändig und stilvoll renovierte Teo Otto Theater, das am 3. Oktober 50 Jahre alt wird. Foto: Michael Sieber

Vom Nichts zum Teo Otto TheaterKULTURLEBEN ' Zwischen Trümmern und Wiederaufbau — Von Walter Haug

er Bombenangriff inder Nacht vom 30. aufden 31. Juli 1943 zer-störte die Remscheider

Innenstadt und damit auch dasSchauspielhaus an der Brüder-straße. Nach Instandsetzung dernun beschädigten stadtparkhallekonnte dort der spielbetrieb vonOper, Operette und Schauspielfortgesetzt werden, bis es dannein Jahr später zur ,,Erklärung destotalen Krieges" durch den Pro-pagandaminister Dr. Goebbelsund damit zur völligen Stillset-zung aller deutschen Theater imAugust 1944 kam.

Unter den 1943/44 Stadtbe-kannten Künstlern waren die Di-rigenten Horst-Tanu Margraf, Fe-lix Rabe, Bruno Frings, die Opern-sängerin Martha Mödl, die späterweltberühmt wurde, Cily Mauer-hofer, Margarete Wirwahn, Ge—orge Nygard, Mätti Berben, dieSchauspieler Hans Dinghaus,Karl sumalvico, Alfred Bohl, RuthPoelzig, Heinrich Ockel, der tech-nische Bühnenmeister Leo Bu-benzer, die Gewandmeisterin Sy-billa Mushoff und so mache an-dere. Alle diese Künstler musstennun ab September 1944 nachWeisung des Arbeitsamtes in derIndustrie arbeiten, Bruno Fringsgar als Straßenbahnführer.

Kaum war der Krieg mit derdeutschen Kapitulation am 8. Mai

1945 beendet, da suchte der rüh-rige Kapellmeister Frings trotzHunger, Wassemot, Strom— undGas-Sperre sowie katastrophalemWohnungsmangel nach Möglich-keiten zum Wiederautleben desTheaterbetriebes. Es gelang ihm,bei der britischen Militärregie-rung in Düsseldorf eine der erstenGenehmigungen in Westdeutsch-land für ein Theater zu erhalten,lautend „Performance Certificate

Diese Aufnahme stammt aus dem Mai 1963: Bruno Frings (re.) mitSänger Alfons Holte und Pianistin Doris Konrad.

for Plays, Operas and Operettes".Das war bereits im Juni 1945.Nach und nach holte Frings

nun die etwa siebzig Schauspieler,Sänger, Tänzer und Bühnenar-beiter zusammen und begann mitProben für Aufführungen in allendrei Sparten sowie Konzerten mitden noch auffindbaren Musikerndes Orchesters. Die Stadtverwal-tung sah keine Möglichkeit zueiner finanziellen Unterstützung,

Foto: Archiv

während Solingen bereitwillig dienicht zerstörte Stadthalle zur Ver-fügung stellte. So konnte die vonFrings gegründete „Spielgemein-schaft Bergischer Künstler" dortbereits am 1. August 1945 mitdem ersten Opern- und Operet-ten-Konzert beginnen. Schau-spiele und Operetten folgten, so-gar die Opem „Der Waffen-schmied" und „Die verkaufteBraut" wurden 1945/46 aufge-führt.

Gespielt wurde in Hallen, sälenund auf Kino-Bühnen im ganzenBergischen Land: in Solingen undOhligs, in Leverkusen, Gum-mersbach, Radevormwald, Hü-ckeswagen, Wipperfürth, Honnefund Haan. Jede Aufführung dortwar ein heute unvorstellbarschwieriges Benzin- und Trans-portproblem, alle Künstler undMitarbeiter hatten härteste Ein-schränkungen und minimale Ver-gütungen in Kauf zu nehmen. DieReichsmark verlor von Monat zuMonat an Wert, der schwarzeMarkt blühte: Kein Wunder, dassalle Aufführungen bei den noch '„normalen” Eintrittspreisen im-mer ausverkauft waren.

Im Herbst 1946 beschloss So-lingen die Gründung der „Städti-schen Bühnen Solingen“ und en-gagierte Frings mit einer großenZahl seiner bisherigen Künstler-schar zu festen Jahresverträgen

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In Remscheid hatte der Kinobe-sitzer Ekert das beschädigte Hausder Gesellschaft Concordia ge-kauft und wieder instandgesetzt,es stand auf dem Platz des heuti-gen Theaters. Ab etwa 1948 stellteEkert das Haus — eben ein Film-theater — dem Kulturamt der Stadtzehn Tage im Monat für Theater-Gastspiele zur Verfügung. Dortgastierten die Bühnen von Düs-seldorf und Wuppertal mit Dra-men von Tennessee Williams,John Priestley, Thomton Wilder,Jean-Paul sartre, Jean Giraudoux,Eugene O'Neill und anderen inder Nazi-Zeit verbotenen franzö—sischen, englischen und amerika-nischen Autoren·

Teo Otto

war begeistert

Die solinger Bühnen produ-zierten damals klassische Opernwie Fidelio, Tiefland, Bajazzo, Ri-goletto, Madame Butterfly undandere — auch Figaros Hochzeit,bei deren Premiere der weltbe-rühmte Bühnenbildner und ge- . :bürtige Remscheider Teo Otto zuGast war und die Künstler nachder Aufführung begeistert be—glückwünschte. Von einigenOpern erfolgten auch Gastspielein der Remscheider Concordia.Aus dieser Zeit ist auch die von

Klaus Günther siebecke gegrün-dete ‚Junge Bühne" in Erinne-rung, die mit begabten jungenSchauspielern wie Ellen und Lon—ny Kellner, Günther F1esch, HeinzGrimmig-Fabry, Karl Wirz unddem Regisseur Paul Pörtner ein-drucksvolle schauspiele vor allemin der Aula des Emst-Moritz-Arndt-Gymnasiums aufführte,darunter sogar den Urfaust.Anfang der Bock-Jahre gab es

unter den Remscheider stadtver-ordneten immer wieder Diskus-sionen über ein Wiederautlebendes Remscheider Stadttheaters.Schließlich verfügte die Stadt im-mer noch über ein bedeutendesOrchester. Außerdem war der ge-samte Kostüm- und Perücken-Fundus erhalten geblieben.

Eine entscheidende Rolle beiallen Gedanken für das Rem-scheider Theaterleben spielte der1949 neu zum Leiter des Kultur-amtes berufene Heinz L. Roux,

Weltberühmter Bühnenbildner:

Teo Otto. Foto: Archiv

Cily Mauerhofer und Albert Zell in „Rigoletto“.

der in jüngeren Jahren selbst amTheater groß geworden war. Am11. Februar 1953 fiel im Rathausdie Entscheidung zum Neubaueines Theaters, und zwar nichtam früheren Platz an der Brüder—straße, sondern nach Abriss dervon der Stadt gekauften Concor-dia dort im Mittelpunkt der Stadt.Man dachte an ein eigenes En-semble wie in früheren Zeiten.

Gründung der

„Remscheider Bühne"

Schon 1950 weckte der Berichtin einer Kulturzeitschrift über,,Theater auf Fischkisten" in Cux-haven bei Heinz L. Roux die Ideezur Frage an den dortigen Inten-danten Wilhelm Michael Mund:„Wären Sie bereit zur-Leitung ei-nes Theaters in Remscheid?" Dasführte zu Verhandlungen undschließlich zu einem Vertrag ab1. September 1950 und zur Grün-dung der „Remscheider Bühne"für das schauspiel, deren Nameschliesslich zum heutigen WTI‘ ge-führt hat. Schon in der erstenSpielzeit brachte diese 175 Auf-führungen zustande, darunterKlassiker wie Schiller, Shaw, Goe-the, Hofmannsthal, Lessing,Hauptmann, Goetz und Klabund.

Teo Otto, damals Chefbühnen-bildner am Züricher Schauspiel—haus, sagte bei einem Besuch inseiner Heimatstadt: „Das hat mirsehr gefallen, in Remscheid einenSpielplan vorzufinden, der einklares Programm darstellt. So einSpielplan setzt Idealismus voraus.Der Aktivität und Initiative Wil-helm Michael Munds verdient je-de denkbare Unterstützung, sie

Foto: Haug

kann den Keim eines idealen kul-turellen Lebens in Remscheid bil—den." Unvergesslich aus diesererstens spielzeit ist die stim-mungsvolle Aufführung in denRuinen des alten Stadttheatersvon Franz Werfels Drama »DieTroerinnen“, in dem symbolischder Wille zum Wiederaufbau zumAusdruck kam. Damals begannIntendant Mund auch mit derWiederaufnahme von Gastspie-len im Bergjschen Land und aufschloss Burg. Und Bruno Fringsgründete damals die „BergischeMusikbühne", die in der Halledes Remscheider Turnvereins un-ter anderem Mozarts „Hochzeitdes Figaro" und seine eigene Ope-rette „Glück im Frack“ mit gro-ßem Erfolg herausbrachte

Während der Bauzeit des Thea-ters gab es immer wieder im Rat-haus streitgespräche: Können wiruns überhaupt ein eigenes En-semble finanziell leisten? Schau—spieler, Sänger, Tänzer, Regisseu-re, Inspizienten, dazu ein Chor,sowie die Technik mit Bühnen-meister, Bühnenbildner, Schrei—ner, Maler, Elektriker usw.? Odersollen wir uns mit künstlerisch'vermutlich besseren und durchprominente Stars attraktiverenGastspielen begnügen und finan-zielle Risiken vermeiden?

Die Entscheidung fiel am 23.November 1953 zugunsten einesGastspielbetriebes, und das warfür die Bühne von W. MichaelMund eine bittere Enttäuschung.Am 3. Oktober 1954 konnte danndas neue Stadttheater — heute TeoOtto Theater genannt — eröffnetwerden. Damit war Remscheiddie erste westdeutsche stadt miteinem Theater-Neubau.

BGV-PROGRAMM «

RemscheidSamstag, 16. Oktober: 13 Uhr,Fahrt ins Rheinische Landes-museum Bonn mit Führungdurch die Ausstellung ,,Wikin-ger am Rhein“. Kosten: 3 Euro.Mittwoch, 3. November: 19.30Uhr, „Hier gibt es weder Moni- -polium oder Zunft", Vortrag ’von Dr. Kurt Wesoly, Amt fürrheinische Landeskunde desLandschaftsverbandes Rhein-land, Foyer der stadtbibliothek,scharffstr. 4.Samstag, 20. November: 15Uhr, Gemütliches Beisammen-sein und Jahresabschluss, His-torisches Zentrum, Cleffstraße.Weitere Informationen beiAlexander Drügg, @ 0 21 91 /5 42 14, oder bei Claudia Holt—schneider, ‚©? 0 21 91 /5 91 22 43.

WermelsklrchenMontag, 11. Oktober: 19.30Uhr, „Flugzeugabstürze wäh-rend des Zweiten Weltkriegsim Bergischen Land“, Berichtvon Reinhardt Baades, ehren-amtlicher Mitarbeiter der Au—ßenstelle Overath des Rheini-schenAmtes für Bodendenk-malpflege, Hotel „Zur Eich".Samstag, 16. Oktober: 8.45Uhr, Loches—Platz, start zurstudienfahrt nach Freudenberg(sauerland) mit stadtführung,Anmeldung bei Waltraud sau-re, @ 0 21 96/ 47 31), Klaus—Dieter Buse, @ O 21 96/88 84 28, oder Ingo Schaffus,@02196/84611.Montag, 15. November: 19.30Uhr, „Das 'hillige’ Köln im Spät-mittelalter", Vortrag von Dr.Jürgen Stohlmann, Hotel „ZurEich".Weitere Informationen bei IngoSchaffus, @ 0 21 96 / 8 46 11.

HückeswagenFreitag, 19. November: Vortragim Heimatmuseum.Freitag, 10. Dezember: Jahres-schlussveranstaltung im Hei-matmuseum.Weitere Inforrnationen bei KarlReiner Illgen, @ O 21 92 /73 81.

RadevormwaldFreitag, 5. November: 19.30Uhr, „Radevormwald — einebergische stadt im Spätmittel-alter", Vortrag von Dr. AlbrechtBrendler, Haus Burgstraße 8.Freitag, 26. November: 19.30Uhr, „Radevormwald — DieJah-re Zwischen 1919 und 1932",Vortrag von Wolfgang Motte,Haus Burgstr. 8.Weitere Informationen beiWolfgang Motte, @ O 21 95/70 40.

Die nächste Ausgabe von „Ge-schichte & Heimat“ erscheint amSamstag, 27. November 2004.

Druck und Verlag: J. F. Ziegler KG, RemscheidVerantwortlich: Dr. Andrea Kargus