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80 HMD 291 Anna Hoberg, Christian Piele, Jörg Veit Mobiles Lernen für Smart Home/Smart Grid Smart-Home-/Smart-Grid-Komponenten und deren Verwendung in energieeffizienten Elektro- installationen sind nicht zuletzt angesichts der Energiewende ein Wachstumsmarkt. Diese kom- plexen und neuartigen Produkte verlangen gut geschulte Fachkräfte. Im Berufsalltag wird be- troffenen Elektro-Planern, Vertriebsmitarbeitern sowie Handwerkern und Technikern immer wie- der zurückgespiegelt, wo Wissenslücken beste- hen. Die Herausforderung liegt darin, dieses Wis- sen schnell und anwendungsorientiert aufzu- bauen und unterschiedlich große Lücken eines differenzierten Anwenderkreises möglichst be- darfsgerecht zu schließen. Eine individualisierba- re Weiterbildung und arbeitsplatznahes Lernen ist daher unabdingbar. Das dargestellte Konzept zeigt Lösungsansätze auf, wie speziell mittels mobilen Lernens Produkt-, Vertriebs- und Arbeits- prozesswissen schneller und erfolgreicher vermit- telt werden kann. Inhaltsübersicht 1 Akteure und ihr Lernbedarf im Bereich smarter Technologien 2 Nutzertypen und Angebotsformate 3 Unterstützungsbedarfe im Arbeitsumfeld und Voraussetzungen potenzieller Teilnehmer 4 Technische Anforderungen an eine mobile Lernanwendung 5 Neuartige technische Trends für die Umsetzung 6 Organisatorische Ausgestaltung mobilen Lernens 7 Fazit: Potenziale mobilen Lernens im Smart Home/Smart Grid 8 Literatur 1 Akteure und ihr Lernbedarf im Bereich smarter Technologien Den Begriff »Internet der Dinge« prägte Kevin Ashton, Pionier am Massachusetts Institute of Technology (MIT), 1999 zum ersten Mal [Ashton 2009]. Damit verbunden war seine Vision, phy- sische Dinge mit dem Internet zu verschmelzen. Zehn Jahre später ist diese Vision näher gerückt. Das Internet ist dank WLAN und dLAN vollflä- chig im Haus verfügbar und die komplette Haustechnik (Heizung, Klima, Lüftung) inklusi- ve »autonomer« Haushaltsgeräte wird mehr und mehr über das Internet angebunden und vernetzt. Mit Smart Home oder Ambient Intelli- gence sollen Kunden in eine neue Dimension des Wohnens vordringen und dabei spielen das Smartphone und ausgeklügelte Smart-Home- Technologien eine wesentliche Schlüsselrolle. Am Markt entstehen Angebote, die Geräte nach Energieangebot und Wetterprognose selbsttä- tig ein- oder ausschalten und dabei das Smart- phone zum Steuern und Überwachen des Ge- bäudes nutzen. Mittlerweile kann mit dem Smartphone das komplette Haus und dessen gesamte technische Ausstattung bedient und überwacht werden. Smart-Home-Technik wird zum Ausdruck eines modernen Lebensstils und hilft, das Leben und Arbeiten in Wohn- und Ge- schäftsgebäuden angenehmer, effizienter und behaglicher zu gestalten. Dabei sorgt das Smart Grid für eine umfassende kommunikative Ver- netzung und Steuerung von Stromerzeugern, Speichern, elektrischen Verbrauchern und Netz- betriebsmitteln in Energieübertragungs- und -verteilungsnetzen der Elektrizitätsversorgung. So produziert die Photovoltaik-(PV-)Anlage Strom vom eigenen Dach und das gebäudeinte- grierte Energiemanagement sorgt dafür, dass

Mobiles Lernen für Smart Home/Smart Grid

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Anna Hoberg, Christian Piele, Jörg Veit

Mobiles Lernen für Smart Home/Smart Grid

Smart-Home-/Smart-Grid-Komponenten undderen Verwendung in energieeffizienten Elektro-installationen sind nicht zuletzt angesichts derEnergiewende ein Wachstumsmarkt. Diese kom-plexen und neuartigen Produkte verlangen gutgeschulte Fachkräfte. Im Berufsalltag wird be-troffenen Elektro-Planern, Vertriebsmitarbeiternsowie Handwerkern und Technikern immer wie-der zurückgespiegelt, wo Wissenslücken beste-hen. Die Herausforderung liegt darin, dieses Wis-sen schnell und anwendungsorientiert aufzu-bauen und unterschiedlich große Lücken einesdifferenzierten Anwenderkreises möglichst be-darfsgerecht zu schließen. Eine individualisierba-re Weiterbildung und arbeitsplatznahes Lernenist daher unabdingbar. Das dargestellte Konzeptzeigt Lösungsansätze auf, wie speziell mittelsmobilen Lernens Produkt-, Vertriebs- und Arbeits-prozesswissen schneller und erfolgreicher vermit-telt werden kann.

Inhaltsübersicht1 Akteure und ihr Lernbedarf im Bereich

smarter Technologien2 Nutzertypen und Angebotsformate3 Unterstützungsbedarfe im Arbeitsumfeld

und Voraussetzungen potenzieller Teilnehmer

4 Technische Anforderungen an eine mobile Lernanwendung

5 Neuartige technische Trends für die Umsetzung

6 Organisatorische Ausgestaltung mobilen Lernens

7 Fazit: Potenziale mobilen Lernens im Smart Home/Smart Grid

8 Literatur

1 Akteure und ihr Lernbedarf im Bereich smarter Technologien

Den Begriff »Internet der Dinge« prägte KevinAshton, Pionier am Massachusetts Institute ofTechnology (MIT), 1999 zum ersten Mal [Ashton2009]. Damit verbunden war seine Vision, phy-sische Dinge mit dem Internet zu verschmelzen.Zehn Jahre später ist diese Vision näher gerückt.Das Internet ist dank WLAN und dLAN vollflä-chig im Haus verfügbar und die kompletteHaustechnik (Heizung, Klima, Lüftung) inklusi-ve »autonomer« Haushaltsgeräte wird mehrund mehr über das Internet angebunden undvernetzt. Mit Smart Home oder Ambient Intelli-gence sollen Kunden in eine neue Dimensiondes Wohnens vordringen und dabei spielen dasSmartphone und ausgeklügelte Smart-Home-Technologien eine wesentliche Schlüsselrolle.Am Markt entstehen Angebote, die Geräte nachEnergieangebot und Wetterprognose selbsttä-tig ein- oder ausschalten und dabei das Smart-phone zum Steuern und Überwachen des Ge-bäudes nutzen. Mittlerweile kann mit demSmartphone das komplette Haus und dessengesamte technische Ausstattung bedient undüberwacht werden. Smart-Home-Technik wirdzum Ausdruck eines modernen Lebensstils undhilft, das Leben und Arbeiten in Wohn- und Ge-schäftsgebäuden angenehmer, effizienter undbehaglicher zu gestalten. Dabei sorgt das SmartGrid für eine umfassende kommunikative Ver-netzung und Steuerung von Stromerzeugern,Speichern, elektrischen Verbrauchern und Netz-betriebsmitteln in Energieübertragungs- und-verteilungsnetzen der Elektrizitätsversorgung.So produziert die Photovoltaik-(PV-)AnlageStrom vom eigenen Dach und das gebäudeinte-grierte Energiemanagement sorgt dafür, dass

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der Eigenverbrauch durch das Hybridspeicher-system stets auf optimalem Level arbeitet.Die Klima- oder Wärmepumpenanlage sowieWasch- und Spülmaschine warten darauf, bisausreichend PV-Strom zur Verfügung steht.Mangelt es an eigenem PV-Strom, sorgt SmartMetering und Smart Grid dafür, dass günstigerStrom für energieintensive Verbraucher ausrei-chend zur Verfügung steht, ohne dass der Kom-fort darunter leidet und der Kunde etwas davonbemerkt.

Der Endkunde spielt in der Nutzung von in-telligenter Gebäude- und Haustechnik sowieMediensteuerung eine ganz wesentliche Rolle.Er entscheidet letztlich mit Kauf und Einsatz, obdie neuen Technologien sich auf dem Markt zueiner breiten Innovation entwickeln. Technikaf-fine Konsumenten werden zu Innovationsmul-tiplikatoren und Wachstumstreibern [TNS Infra-test 2012]. Sie zu erreichen und zu begeisternliegt in der Hand vieler verschiedener Akteure,die entlang der gesamten Wertschöpfungsket-te einzubeziehen sind (vgl. auch Tab. 1):

1. Energieversorger: Als wichtige Akteure derEnergiewende integrieren sie erneuerbareEnergien in die vorhandene Stromerzeuger-struktur und stellen durch überregionaleSteuerzentralen die Versorgungssicherheitim Smart Grid her.

2. Versorgungs- und IKT-Netzbetreiber: Sie ver-sorgen nachfolgende Marktakteure hinrei-chend gut mit Zugang zu Energie- und Da-tennetzen, um effiziente Prozessabläufeüber alle Wertschöpfungsstufen zu ermögli-chen, damit die Versorgungssicherheit desgesamten Energiesystems wirtschaftlichund umweltverträglich gewährleistet wer-den kann.

3. Hersteller/Industriebetriebe: Sie entwickelnund stellen intelligente Haustechnik und-geräte her und haben die Herausforderung,die Interoperabilität der technischen Lösungund der damit verbundenen Angebotsviel-falt in allen Preisklassen zu gewährleisten.

Smart Home und Smart Grid muss bezahlbarsein, wenn Deutschland sich zu einem Leit-markt entwickeln soll.

4. Bildungseinrichtungen: Sie sorgen dafür,dass Planer und Handwerk das notwendigeKnow-how erwerben können, damit die Pro-dukte und Technologien funktionssicher in-stalliert werden.

5. Planer und Systemintegratoren: Sie stellen si-cher, dass die Systeme kundengerecht undnach normativen Vorgaben geplant und rea-lisiert werden.

6. Elektro- und IT-Handwerk: Gut ausgebildeteElektro- und IT-Handwerker sind für denfachgerechten und sicheren Einbau der In-frastruktur sowie deren Programmierung er-forderlich, um neben Sicherheit und Komfortauch Effizienz- und Ressourcenschutz sicher-zustellen.

7. Handel und Industrie-Vertrieb: Er gewährleis-tet, dass technische Lösungen und Produkteder Industrie eine angemessene Verbreitungerfahren, und klärt das Handwerk und nichtzuletzt auch den Endkunden über die Pro-duktvielfalt und die Funktionen auf.

8. Politik: Sie schafft die notwendigen Rahmen-bedingungen und Anreize, dass »smarte«Lösungen hinsichtlich Energieeffizienz undRessourcenschutz auch ihren Platz in der Ge-sellschaft finden.

Alle involvierten Akteure tragen im starkwachsenden Technologiefeld intelligenter Ener-giesysteme Verantwortung, dass Energie-ströme und Informationstechnik miteinandertechnologisch verschmelzen. Technologien wieSmart Home, Smart Meter und Smart Gridsind für viele Marktplayer ein komplett neuesThemenfeld und mit hohem Wissenserwerbverbunden. Zur erfolgreichen Verbreitung undEtablierung von neuen Technologien sind einbreit gefächertes Know-how und ein intensi-ver Austausch beginnend bei der Entwicklungüber Vertrieb bis hin zur Planung und Installa-tion erforderlich.

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Tab. 1: Akteure im Themenfeld Smart Home, Smart Meter, Smart Grid

Hier setzt das im Folgenden dargestellte mobileLern- und Wissensmanagementkonzept an. Esbegegnet gezielt der Herausforderung neuerTechnologiefelder, die Renkel wie folgt be-schreibt: »Technolgy is not like water; it doesnot flow effortlessly from high levels to low le-vels until the levels are equalized« [Renkel 1985].Deshalb werden organisatorische Rahmenpro-zesse geschaffen, über die medial aufbereiteteLerninhalte mittels innovativer mobiler Ver-mittlungsformen Wissen in den Akteursmarktflächendeckend diffundieren können. MobilesLernen unterstützt die Verbreitung des notwen-digen Wissens über die technologischen Neue-rungen durch Hersteller- und Wiederverkäufer.Gleichzeitig ermöglicht der Einsatz mobilerEndgeräte arbeitsprozessnahes und kollaborati-ves Lernen und unterstützt damit problemlö-sungsorientiert die Arbeitserfüllung für Mitar-beiter aus Industrie und Handwerk. Außerdemkönnen auftretende Wissenslücken bedarfsge-recht, zeitnah und unter Verwendung von Er-fahrungswissen geschlossen werden. Eineschnelle Ausbreitung des notwendigen Wissenswird beispielsweise mit der Möglichkeit unter-stützt, konkrete Installations- und Einsatzerfah-rungen sowie Kundenbedürfnisse jederzeit zuerfassen und unmittelbar zu teilen. Anhandeines Anwendungsbeispiels zum mobilen Ler-nen in einer Bildungseinrichtung1 werden die

Grundzüge des Konzepts für das Technologie-feld Smart Home und Smart Grid vorgestellt.

2 Nutzertypen und AngebotsformateDas Technologiefeld Smart Home, Smart Meterund Smart Grid ist sehr umfassend, sodass dieim ersten Abschnitt aufgeführten Akteursgrup-pen differenzierte Wissensspektren für ihre Ar-beit beherrschen müssen. Beispielsweise mussErfahrungswissen bei Auszubildenden und Be-schäftigten erst aufgebaut werden, sie benöti-gen eine Qualifikation, die von Grund auf in dasThemenfeld einführt. Auch bei erfahrenen Be-schäftigten sind Erweiterungen und Modifika-tionen im Wissensspektrum zu den neuartigenSmart-Home-/Smart-Grid-Technologien sehr wahr-scheinlich. Auch die Gruppe der Erfahrenenmuss sich von Zeit zu Zeit auf einen aktuellenStand bringen.

Ein Lernangebot zur Smart-Home- undSmart-Grid-Thematik bietet optimalerweise fürjede Zielgruppe einen dem jeweiligen Wissens-stand entsprechenden Einstieg und individuellangepasste Angebotsformate. Drei idealtypi-

Akteure Politik sorgt für RahmenbedingungenEnergiewirtschaft (Energieversorger/Versorgungsnetzbetreiber) stellt Versorgung sicher und IKT-Netzbetreiber stellt IT-Infrastruktur (IT-Vernetzung)Bildungseinrichtungen unterstützt Know-how-Erwerb der weiteren MarktakteureHersteller/Industrie

Großhandel System-integratoren

Elektro- und IT-Handwerk

Wertschöpfungs-stufe

Entwicklung/Herstellung/Vertrieb

Vertrieb Planung; Programmie-rung

Installation/Service,Konfiguration, Programmierung

Reichweite in Deutschland

7-10 große Hersteller

1.200 100 45.000 Handwerks-betriebe, 350.000 Mitarbeiter

1. Im Elektro Technologie Zentrum Stuttgart in Ko-operation mit dem Institut für Arbeitswissen-schaft und Technologiemanagement (IAT) derUniversität Stuttgart und der Hager Vertriebsge-sellschaft mbH & Co. KG.

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sche Fallbeispiele sollen anschaulich die unter-schiedlichen Nutzertypen mit den damit ver-bundenen Lern- und Unterstützungsbedarfenaufzeigen.

Beispiel 1: Ein 50-jähriger Elektroinstalla-teurmeister möchte in das Themenfeld SmartHome einsteigen und für sein Unternehmendieses Marktsegment erschließen. Er besitztkeinerlei Kenntnisse, seine Meisterfortbildungliegt 15 Jahre zurück und seither hat er die Firmaausschließlich mit Standardaufträgen versorgt.Doch die Anforderungen der Kunden hinsicht-lich Komfort und Sicherheit steigen und ihmfehlt das notwendige Firmen-Know-how. Er be-nötigt ein komplettes Weiterbildungsangebotim Themengebiet Smart Home. Die ihm ange-botenen Kurse sind in Lernmodule strukturiertund setzen sich aus drei Lernformen zusam-men: Selbstlerneinheiten für die Nutzung aufmobilen Endgeräten, tutorielle Begleitung viaOnlinekonferenz (ebenfalls mobil nutzbar) undPraxistrainings in Präsenz (Blended Learning).Er bucht die kompletten Weiterbildungsmodulezu den Themenbereichen:

! Modul 1: Infrastruktursysteme für Smart-Home-Technologien

! Modul 2: Planung und Projektierung vonSmart-Home-Technologien

! Modul 3: Netzwerke und Systeme für Smart-Home-Technologien

! Modul 4: Systemintegration im Smart Home! Modul 5: Visualisierungssysteme für Smart-

Home-Technologien

Mit diesen Fachkenntnissen ausgestattet ist derMeister in der Lage, die ersten Aufträge imSmart Home zur Zufriedenheit seiner Kundenauszuführen. Lernende mit einem so umfassen-den Bildungsbedarf werden dem Nutzertyp»Kurs-Lerner« zugeordnet.

Beispiel 2: Ein junger Informationselektroni-ker hat durch seine Ausbildung in der Bildungs-einrichtung bereits ausreichend Kenntnisse imBereich Modul 1, 2 und 3. Er kann diese sogardurch Zertifikate nachweisen. Außerdem hat er

schon Aufträge in diesem Bereich für seine Fir-ma durchgeführt. Leider besitzt er keine Kennt-nisse in der Systemintegration und hat keine Er-fahrung im Aufbau von Visualisierungssyste-men für Touchpanels oder Smartphones. Erwählt daher aus dem Kursangebot nur dieModule 4 und 5 aus, für die in seiner Arbeit kon-kreter Qualifikationsbedarf besteht. Um denStoff in seinem Zusammenhang erfassen zukönnen, besteht innerhalb der von ihm besuch-ten Kursmodule noch ein methodisch-didakti-scher Verbund (roter Faden). Lernende, die be-reits über Basis- oder Fachkenntnisse verfügen,gehören zum Nutzertyp »Modul-Lerner«.

Beispiel 3: Ein 30-jähriger Techniker aus derIndustrie verfügt durch seine bisherige Tätigkeitbereits über Spezialistenwissen zu Smart Home/Smart Grid. Doch er wechselt jetzt in den Ver-trieb und muss sich stärker mit Kundenanfra-gen zu Projektierung und Planung beschäfti-gen. Die eingesetzten Produkte sind ihm ver-traut, doch aus konkreten Kundenbeschreibun-gen eine fachgerechte und normkonformeAusführungsplanung abzuleiten, fällt ihmschwer. Zudem benötigt er Grundwissen überkonkurrierende Systeme am Markt, damit erseine Beratungskompetenz weiter ausbauenkann. Er nutzt über eine Onlinebibliothek Lern-granulate aus dem Modul 1 und 2 zum Schlie-ßen diverser Wissenslücken. Eine Kursstrukturist nicht mehr vorhanden und wird durch seinErfahrungswissen auch nicht mehr benötigt. Erkann durch die Wissensnuggets und sein Vor-wissen selbst Zusammenhänge im Wissensge-biet herstellen. Dieser Nutzertyp besitzt wert-volles technisches Erfahrungswissen – ein Ge-winn für die Community. Aus seinen Beiträgenkönnen zusätzliche Lerngranulate für andereNutzer entstehen. So wie der vorgestellte Tech-niker werden Nutzer mit teilweise bestehen-dem Expertenwissen dem Nutzertyp »Granulat-Lerner« zugeordnet.

Um den individuellen Lern- und Unterstüt-zungsbedarfen gerecht zu werden, sind bei derBildungseinrichtung drei in den Nutzertyp-

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Bezeichnungen bereits erwähnte Angebotsfor-mate realisiert. Hierbei können die kleinerenFormate in ein größeres Format integriert oder– mit entsprechendem Aufwand – zu einemgrößeren Format aggregiert werden.

Den Lernern werden als kleinstes Lernfor-mat sogenannte Lerngranulate angeboten.Hierbei handelt es sich um kleine unabhängigeWissensbausteine, die keine Verbindung zuweiteren Lernmaterialien aufweisen müssen.So können sie ein Bestandteil von Lernmodulendarstellen oder vom Nutzertyp »Granulat-Ler-ner« als Ergänzungswissen konsumiert werden.Das nächstgrößere Format sind die sogenann-ten Lernmodule. Sie charakterisieren sich da-durch, dass Lerninhalte mit Aufgaben und Kom-munikationsmaßnahmen kombiniert werdenund so für den Lerner ein roter didaktischer Fa-den erkennbar wird. Die Lerner, die sich daskomplette Themenspektrum erschließen wol-len, können den kompletten Kurs besuchen. Da-bei bilden dann die zusammengestellten Mo-dule den Blended-Learning-Kurs.

Für individuell und effizient geschnürte Lern-angebotspakete bedeutet das für die Aufberei-tung von Lerninhalten: Granulierung und Se-quenzierung. Durch die Granulierung ist zum ei-nen die Aufbereitung zur mobilen Rezipierbarkeitund zum anderen das Schnüren eines individuel-len Lernangebotspakets möglich. Die Sequenzie-rung von Lerninhalten ist für die Sicherstellungeines roten Fadens im Gesamtzusammenhangnotwendig. Die technische und organisatorischeTragweite dieser Angebotsformate wird in denfolgenden Abschnitten dargestellt.

3 Unterstützungsbedarfe im Arbeitsumfeld und Voraussetzungen potenzieller Teilnehmer

Die Erfordernis und Nützlichkeit eines mobilen,technisch-unterstützten Zugriffs auf Wissenund zum Wissensaustausch im Arbeitsalltaglässt sich an Anwendergeschichten veran-schaulichen, in denen die Bezüge zu den kon-

kreten Arbeitsherausforderungen erkennbarsind. Drei konkrete Arbeitsbeispiele erläuternauszugsweise die Anforderungen, die sich ausdiesen Situationen an die notwendige techno-logische Unterstützung ergeben:

! In ein Badezimmer soll ein Touchpanel einge-baut und mit einer Netz- sowie Kommunika-tionsleitung versorgt werden. Der Elektroni-ker muss wissen, ob an der vom Architektausgewählten Stelle dieses Touchpanel mon-tiert werden darf und in welcher Installa-tionszone die erforderlichen Leitungen verlegtwerden dürfen. Der Elektroniker soll mobilgezielt auf Lerneinheiten und Normen zugrei-fen können, damit er die Anlage betriebssi-cher aufbauen kann.

! Ein 10 Jahre alter defekter Bus-Ankoppler(Sensor) muss ausgetauscht werden. DasAustauschgerät hat neue Applikationen undist für den Systemintegrator völlig neu. DerElektroniker soll den QR-Code (QR – QuickResponse) am Gerät scannen können und da-durch Zugang zu Datenblättern und zu einerLernsequenz erhalten, wie er dieses Gerät zuprogrammieren hat.

! Ein neuer Vertriebsmitarbeiter muss für denAußendienst geschult werden. Sein ersterProbeeinsatz steht bevor. Er soll mobil einenGesprächsleitfaden (Modul Planung und Pro-jektierung) nutzen können, um sich auf dasKunden-/Verkaufsgespräch vorzubereiten. Erkann Checks und Funktionslisten wählen, umden Kundenbedarf vor Ort aufzunehmen undin Funktionserfordernisse zu übertragen(Funktionsmatrix). Gleichzeitig soll diese Do-kumentation beim Kunden als beispielhaftesDokument (User Generated Content) für dieLern-Community dienen. Über seinen Tablet-PC soll er zudem Videos oder Charts einspie-len können, die den Verkaufsprozess unter-stützen.

Anhand der beispielhaft aufgezeigten Anwen-dergeschichten werden die vielfältigen Einsatz-

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möglichkeiten mobiler Endgeräte deutlich. Dasdabei stattfindende mobile Lernen erfülltlängst nicht mehr nur die Erwartung, sich Lern-materialien anzuschauen und durchzulesen. Esumfasst ein modernes Lernverständnis [Hoberg& Gohlke 2011], das Lernformen mit einschließt,bei denen der Lernende Wissen direkt anwen-det und Wissen zu Kollegen und Mitlernendentransferiert.

Technologisch gegebene Strukturen auf der AnwenderseiteBei dem anvisierten, technisch-unterstützen-den Lösungsansatz ist der gegebene technischeZugang der Zielgruppe mit zu berücksichtigen.Mit dem Zugang sind Verfügbarkeit von mobi-len Endgeräten, eingesetzte Betriebssystemeund mobile Zugriffsmöglichkeiten aufs Internetgemeint. Eine Kenntnis, welche Ausstattung beiLernenden üblicherweise vorausgesetzt werdenkann, ist unerlässlich, da dieses Wissen eineGrundlage und den Ausgangspunkt bei derAusgestaltung der Medienaufbereitung und-bereitstellung darstellt.

Eine Grundvoraussetzung bei der Umset-zung mobiler Lernlösungen ist eine gute Ab-deckung der Zielgruppe mit mobilen Endgeräten.Aus eigenen Analysen2 [Hoberg & Fischbein2012] unter potenziellen Teilnehmern geht her-vor, dass jeder Befragte mindestens ein mobilesEndgerät besitzt. Nur 3% der Befragten habenzum Zeitpunkt der Umfrage lediglich ein Handy.Anfang 2012 benutzen bereits 84% der Zielgrup-pe ein Smartphone. 75% der Befragten besitzenneben einem Smartphone noch ein weiteresmobiles Endgerät mit einem größeren Display(Tablet-PC oder Laptop).

Ein weiteres Erfordernis für die örtlich un-gebundene Nutzung von Lernangeboten stel-len Mobilfunktarife dar, die eine Internetnut-zung erlauben. Aus der durchgeführten Umfra-

ge geht hervor, dass Anfang 2012 89% derZielgruppe bereits mobilen Zugriff aufs Internethaben und nutzen. Bei den Smartphone-Besit-zern verfügen bereits 96% über mobiles Inter-net. Darüber hinaus ist auch WLAN zu Hauseein etablierter Standard bei der Zielgruppe.90% der Befragten nutzen WLAN von zu Hauseund/oder auf der Arbeit.

Außerdem belegt die Studie eine rasanteVerbreitung mobiler Endgeräte in der berufli-chen Praxis. Bereits 82% der Zielgruppe nutzenberuflich mobile Endgeräte. Smartphones, Lap-top und Tablets etablieren sich zusehends auchals Arbeitsgeräte. Die Zielgruppe der Handwer-ker und Techniker gehört im Anwendervergleichzu den Early Adopters in Sachen Ausstattung undNutzung mobiler Endgeräte [Bitkom 2011]. Dasbelegen auch die genutzten Funktionalitäten aufHandys und Smartphones. In Abbildung 1 sinddie Ergebnisse der Befragung dargestellt, welcheFunktionalitäten zum Zeitpunkt der Umfragemobil genutzt werden. Kurze Informationshap-pen sind in der Nutzung »en vogue«. BisherigeNutzungsmuster bieten gute Anschlussmöglich-keiten für mobile Lernangebote.

Auch die Markentwicklungen hinsichtlichNetzausbau und Preisentwicklung von Endge-räten und Mobilfunktarifen werden den zu-künftigen Anstieg mobiler Internetzugänge be-fördern. Die Voraussetzungen auf Anwender-seite sind geschaffen, um zukünftig mobileWeiterbildung und mobiles Wissensmanage-ment anbieten zu können. Die Rahmenbedin-gungen entwickeln sich rasant und mit ihnendie technischen Anforderungen an die mobileLernanwendung.

4 Technische Anforderungen an eine mobile Lernanwendung

Ausschlaggebend für die technischen Anforde-rungen sind dabei sowohl gesellschaftliche alsauch technologische Treiber. Aus den heutigenNutzungsgewohnheiten ergibt sich ein hohertechnischer Anspruch:

2. Zugriff auf die Ergebnisse der Absatzmarktana-lyse über: http://blog.iao.fraunhofer.de/home/archives/1471.html. Abgerufen am 29.04.2013.

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! Der unkomplizierte Download von Applika-tionen und der allgegenwärtige Medienkon-sum (vom E-Book bis zum Video) werden zurSelbstverständlichkeit und damit impliziertsich der Anspruch auch auf mobile Lernum-gebungen, möglichst schnell und unkompli-ziert auf Content zugreifen zu können.

! Mobile Anwendungen wie E-Mail, Suchma-schinen, SMS, Video-Streaming, soziale Netz-werke, Wikipedia und RSS-Feeds spielen heu-te schon eine ausgeprägte Rolle in derNutzung von Tablets oder Smartphones.Durch zusätzliche Widgets, die als Helfer inder grafischen Oberfläche eingebunden sind(z.B. zur integrierten Nutzung der Kamera),kann der Nutzer selbst Beiträge posten undzum Content-Produzenten werden, es entste-hen interessante Mehrwerte für Endkunden,die zusätzlich auch ihren Niederschlag im Bil-dungskontext finden. Die technische Heraus-forderung besteht darin, die unterschied-lichen Anwendungen in eine sinnvolle

Lernapplikation zu überführen. Vor allem des-halb, weil es für den Nutzer sehr einfach ge-worden ist, Informationen über mobile End-geräte – just in time – zu beziehen oder neueInformationen zu generieren, und das mög-lichst ohne Einbußen bei der Usability.

! Die Nutzer mobiler Endgeräte haben täglichenund – je nach Datentarif – unlimitierten Zu-gang zum digitalen Datenstrom. Neben denangeführten Anwendungen können Lerncon-tents komfortabel transportiert werden, siemüssen aber inhaltlich und grafisch entspre-chend den zur Verfügung stehenden Datenra-ten und dem Betriebssystem des Endgerätsaufbereitet sein. Lernumgebungen und Con-tent sind auf die eingeschränkte Bedienbarkeitder Endgeräte hin auszulegen. Damit die Ler-ner nicht die Lust am Lernen verlieren, mussdie Usability und Haptik der Lernoberflächeden Anforderungen mobilen Lernens ange-passt sein. Dabei kommt es vor allem aufschnelle und unkomplizierte Zugriffe an.

88%

78%

75%

56%

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19%

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E-MailsSuche/Recherche

SMSVideos

Soziale Netzwerke Wikipedia

Nachrichten bzw. RSS-FeedsSpiele

ChatForen/Blogs

Bücher (E-Books) Video-/Audiokonferenzen

Hörbücher/AudiopodcastseLearning

n = 155 Anteil der Befragten

Abb. 1: Mobil genutzte Funktionalitäten

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! Die neu zu entwickelnde Technik und der auf-bereitete Content müssen so ausgestaltetwerden, dass Lernangebote ohne weiterenEntwicklungs- und Implementierungsauf-wand immer wieder aktualisiert und zu neu-en Lernarrangements zusammengestelltwerden können. Ungeachtet dessen müssendazu noch spezifische Anforderungen vonLernplattformen wie z.B. Nutzerauthentifi-zierung, Datenverschlüsselung sowie die Do-kumentation des Lernfortschritts etc. bei derNeuentwicklung Berücksichtigung finden.

5 Neuartige technische Trends für die Umsetzung

Diese Aspekte sind Treiber und technische Heraus-forderung zugleich. Sie haben die neuartige tech-nische Entwicklung der Lernanwendung nachhal-tig geprägt. Dabei haben im Bildungsmarkt ins-besondere die nachfolgend aufgeführtentechnischen Trends Einzug in die Ausgestaltungvon Lernanwendungen gehalten [Zillner 2012].

Entwicklung interoperabler mobiler LernanwendungenFür die Entwicklung mobiler Anwendungensind die bei den Lernenden vorherrschenden Be-triebssysteme ihrer mobilen Endgeräte zu be-rücksichtigen. Aktuelle Betriebssysteme unter-scheiden sich in Programmiersprachen (zu-meist C++, Objective-C, C, Java oder VisualBasic), in den Distributionskanälen für nativeApps, in unterschiedlichen Bestimmungen fürSoftwareentwickler hinsichtlich der jeweiligenHardware der Geräte und der Gebühren, die fürdie Bereitstellung der Programme fällig werden.

Bei homogenen bzw. heterogenen Voraus-setzungen kommen jeweils unterschiedlicheUmsetzungsvarianten infrage. Für die Entwick-lung von mobilen Anwendungen lassen sichgrundsätzlich native Apps, Web-Apps und hyb-ride Apps unterscheiden. Native Apps eignensich vornehmlich für homogene technische Vo-raussetzungen und zeichnen sich dadurch aus,

dass sie speziell für eine gewünschte Plattformin der jeweiligen Programmiersprache ent-wickelt worden sind. Dies bedeutet im Um-kehrschluss, dass Anwendungen, die für eineweitere Plattform verfügbar gemacht werdensollen, zumeist von Grund auf neu erstellt wer-den müssen. Web-Apps dagegen sind univer-selle Entwicklungen auf Basis von HTML, CSSund JavaScript, die über den Browser des Gerätsaufgerufen werden. Web-Apps zeichnen sichdurch die folgenden Vor- und Nachteile aus:

! In der Regel einfacher zu realisieren, da Web-technologien verwendet werden.

! Plattformunabhängig, einzige Vorausset-zung ist ein Webbrowser.

! Zugriff auch von Desktop-Rechnern möglich.! Durch HTML5 und CSS3 viele neue Funktionen

und Gestaltungsmöglichkeiten.! Keine Bereitstellung im Marktplatz der Gerä-

teplattform, Zugriff oft nur über eine URL,Vorteil jedoch: Updates sofort für alle Nutzerverfügbar.

! Kostenpflichtige Apps nur schwer umsetzbar.! Quellcode ist sehr leicht einsehbar, dadurch

evtl. Nachahmer.! Nur rudimentäre Unterstützung von Geräte-

funktionen durch HTML5.

Bei der Umsetzung einer Lernanwendung alsWeb-App kann ein möglichst einheitlicher Pro-zess der Softwareentwicklung realisiert undSchnittstellen an bestehende Plattformen (z.B.Learning Management System – LMS) genutztwerden. Dieses Vorgehen ermöglicht zudemauch noch zu einem späteren Zeitpunkt eineUmsetzung als hybride App. Dazu kann je nachgewünschtem Betriebssystem die bestehendeWeb-App anschließend in eine entsprechendenative App transformiert werden.

Auf Basis der Entwicklungsphilosophie»Web-App« kommen für die mobil nutzbarenLernmaterialien folgende neue Softwareproduktezum Einsatz und es werden weitere unumgäng-liche Entwicklungs- und Implementierungsar-beiten realisiert.

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Produktion der Lerninhalte mit einfachen AutorentoolsDer Lernende soll und möchte mit vielfältigenmodernen Lernmaterialien unterstützt wer-den, wobei diese sowohl Audio- und Videose-quenzen als auch Animationen oder Software-demonstrationen beinhalten können. Um Auto-ren und Dozenten eine rasche Entwicklung vonLernmaterialien zu ermöglichen, bieten sicheinfache Autorentools (Powerpoint, Captivateund Presenter) an, die eine intuitive und einfa-che Nutzung ermöglichen. Daraus lassen sichals Basismaterial viele andere Medien wie z.B.E-Books, PDF, Audio-/Videosequenzen, klassi-sches Web Based Training (WBT), Quiz, Multiple-Choice-/Single-Choice-Fragen usw. generieren.Eine große Herausforderung stellt jedoch derschnelle Fortschritt von Betriebssystemen mo-biler Endgeräte dar. Jährliche Updates unter-schiedlicher Betriebssysteme verursachen eineständige Anpassung in der Aufbereitung vonMedien und deren Formate. Um diesen schnel-len Entwicklungen Rechnung zu tragen, ist einCMS/LMS-gestütztes Angebot unumgänglich.Neben den Anpassungen von Transcodierungund diverser Austauschformate erschließt derEinsatz von CMS/LMS auch die Steuerung vonInhalten nach Nutzergruppen und vieles anderemehr.

Ausgabe von E-Books statt PDFDas PDF-Format hat sich als plattformübergrei-fendes Austauschformat für Dokumente etab-liert, um diese exakt so darstellen und druckenzu können, wie dies der Autor vorsah. Zwar gibtes für mobile Endgeräte viele Anwendungen,die PDF-Dokumente anzeigen können, doch hatdies zur Folge, dass auf kleinen Bildschirmen oftmehr Zeit mit Scrollen und Zoomen verbrachtwird als mit dem eigentlichen Lesen. Unter an-derem führten diese Umstände im Markt zurEntwicklung des EPUB-Formats (EPUB – ElectronicPublication). Dieses Format erlaubt eine dyna-mische Anpassung des Texts an die Bildschirm-

größe bzw. die Wünsche des Lesers, damit Usa-bility-Probleme, wie sie von PDF-Dokumentenbekannt sind, vermieden werden. Anwendun-gen zur Darstellung solcher E-Books existierenfür alle gängigen Mobilplattformen, die oftmalsnoch nützliche Zusatzfeatures wie Synchronisa-tion der Lesezeichen über mehrere Geräte hin-weg unterstützen. E-Books bieten über dasEPUB-Format eine Lösung, wie beispielsweiseSkripte, die den Lernenden bisher als Ausdruckoder digital als PDF zur Verfügung gestellt wor-den sind, in ein mobil konsumierbares Formatumgesetzt werden können.

Transcodierung von Audio- und VideodateienDes Weiteren können multimediale Inhalte, diestellenweise sehr bandbreiten- und volumenin-tensiv sind, für die Bedürfnisse mobiler Nutzerohne größere Qualitätsverluste komprimiertwerden. Dies steigert nicht nur die Geschwin-digkeit des mobilen Seitenabrufs, sondernschont auch die oftmals volumenbeschränktenDatentarife, sodass nur in seltenen Fällen mitMehrkosten durch eine erhöhte Mobilfunkrech-nung zu rechnen ist. Ziel ist es, den Teilnehmerneine für ihr Gerät optimierte Version der Seiteanzuzeigen. Dies betrifft nicht nur die Schrift-größe der Textinhalte oder etwa die Abmessun-gen von Bildern, sondern auch die zugrunde ge-legten Formate und Qualitätsstufen.

Definitionen aus Style-Guide und techni-sche Spezifikationen bestimmen dabei die Artund Weise, wie und in welchem Umfang Rohda-ten abgespeichert werden, aus denen im Ein-satz befindliche Content-Management-Systeme(CMS) selbstständig optimierte Medien erzeu-gen können. Hierzu bietet es sich an, vor allemVideosequenzen vollautomatisch in mehrerenüblichen Formaten und Auflösungen zu über-tragen, sodass einerseits ein schnell startendesAbspielen auf verschiedenen Endgeräten er-möglicht wird, andererseits die Qualität nichtzu sehr unter der Transcodierung leidet. Ein Ein-führungsvideo in ein neues Lernthema kannbeispielsweise mithilfe des frei erhältlichen

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Pakets »FFmpeg/avconv« automatisch in ver-schiedene Zielformate transcodiert werden.Nach eigenen Erfahrungen können Videos miteiner Laufzeit von ca. zwei Minuten, die mitAdobe Presenter in HD-Qualität erstellt wordensind, von über 90 MB auf ca. 11 MB komprimiertwerden, ohne dass es auf dem Gerät zu signifi-kanten Einbußen kommt. Im Workflow könnenAutoren ihre Inhalte auf ein Content-Manage-ment-System laden, das im Hintergrund auto-matisch den Konvertierungsvorgang durch-führt. Da vor allem die Videokonvertierung einsehr zeitintensiver Vorgang ist, der nur schlechtin Echtzeit erledigt werden kann, werden im Be-trieb Videosequenzen in den gängigen HTML5-Videoformaten (MP4, WebM und Ogg) vorge-halten. Im Anschluss daran wird ein Code er-zeugt, der den gerätespezifischen Abruf von In-halten erlaubt.

Nutzertypgerechter Zugriff auf Lernmaterialien über LernmanagementsystemUm den Anspruch der unterschiedlichen Nut-zertypen gerecht zu werden, lassen sich aufgängigen Lernmanagementsystemen (im An-wendungsbeispiel ist die Lernplattform Moodleim Einsatz) sogenannte Klassenzimmer anle-gen, über die ein lernerspezifischer Zugriff aufLernmaterialien und -aufgaben geregelt wer-den kann. Das modularisierte und granulierteLernangebot erfordert dabei eine differenzierteNutzung. Für jedes angebotene Blended-Learning-Modul wird ein eigenes Klassenzim-mer angelegt. Der Komplettpaket-Lernende(Nutzertyp »Kurs-Lerner«) erhält so Zugriff zu

allen Zimmern, der Lernende mit bestehendenBasiskenntnissen (Nutzertyp »Modul-Lerner«)erhält seinem Qualifikationsbedarf entspre-chende Module im Zugriff. Für den Lernenden,der nur mit spezifischen Granulaten lernenmöchte (Nutzertyp »Granulat-Lerner«), ist einweiteres Klassenzimmer angelegt, das quasi alsOnlinebibliothek dient. Die dort eingestelltenMaterialien bauen wie oben beschrieben nichtdidaktisch aufeinander auf, sind aber besserdurchsuchbar.

6 Organisatorische Ausgestaltung mobilen Lernens

In diesem Abschnitt stehen die notwendigenorganisatorischen Prozesse für die Entwicklungund Umsetzung mobilen Lernens im Fokus. DaReferenzmodelle zum mobilen Lernen bis datonicht existieren, seien hier Prozesse in Anleh-nung an ein bestehendes Modell aus demeLearning-Kontext (Rostocker Modell zur syste-matischen Entwicklung von eLearning-Angebo-ten [Hambach 2008]) vorgestellt. Die folgendeProzesskette in Abbildung 2 beinhaltet von derProduktidee bis zur konkreten Leistungserbrin-gung acht Teilprozesse.

In der Umsetzung mobilen Lernens ergebensich diverse neue Prozesse im Vergleich zumherkömmlichen eLearning, die entweder we-sentlich wichtiger sowie umfangreicher werdenoder die speziell gemanagt werden müssen.

Zielgruppen- und Inhaltsanalyse (1): Die starkeIndividualisierung des Lernangebots macht esnotwendig, die Bedürfnisse der potenziellen

1) Zielgruppen-und

Inhaltsanalyse2) Kurs-

entwicklung3) Curriculum-, Lernkonzept-Entwicklung

4) Bereitstel-lung, Wartung

Lerninfra-struktur

5) Medien-produktion

6) Zusammen-stellung

Kursangebot

7) Kurs-management

& -betrieb

8) Personal-entwicklung(fortlaufend)

Abb. 2: Wertschöpfungskette zu mobilem Lernen

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Kunden sowie die technischen Rahmenbedin-gungen präzise zu erheben und zu analysieren.Um eine möglichst optimale Kundenorientie-rung zu erreichen, kommt insbesondere derIdentifikation und Priorisierung der Lerneran-forderungen eine Schlüsselrolle zu [Baier 2009].Da im konkreten Fall unterschiedlichste Akteureaus differenzierten Aufgabenfeldern mit unter-schiedlich großem Vorwissen in unterschiedli-chen Lernszenarien ein individuell zugeschnit-tenes Lernangebot rezipieren sollen, ist die Eru-ierung der jeweiligen Belange von nicht nurinhaltlichen, sondern auch funktionalen Anfor-derungen an ein mobiles Lernangebot sowiediesbezügliche Mehrwerteinschätzung gegen-über einem konventionellen Lernangebot vonhohem Interesse. So sprachen sich z.B. laut derdurchgeführten Zielgruppen- und Inhaltsanaly-se über 88% für das Thema »Planung und Pro-jektierung von Smart-Home-Systemen« aus[Hoberg & Fischbein 2012]. Inwiefern diese Lern-inhalte im Arbeitskontext unterstützend wirken

können und somit Mehrwert durch eine mobileKonsumierbarkeit bieten, wird an diesem Bei-spiel im nachfolgenden Abschnitt aufgezeigt.

Kursentwicklung (2): Bei der Kursentwicklungwerden die nutzerfreundliche mobile Vermitt-lung von Lerninhalten, das problembezogeneAd-hoc-Lernen und die Individualisierung desAngebots vorgedacht und verankert. Um Lern-inhalte in den situativen Arbeitskontext zu inte-grieren, sind geeignete Lernszenarien zu identi-fizieren und Aufgaben zu entwickeln. Für denLerninhalt der »Planung und Projektierung vonSmart-Home-Systemen« sind diese beispielhaftin Tabelle 2 aufgeführt.

Curriculum- und Lernkonzept-Entwicklung (3):Durch die knappe, aber prägnante Form der In-haltsvermittlung über Lerngranulate ist ein spe-zifisches Detailkonzept für Lerninhalte zu er-stellen und ein Lernkonzept zu entwickeln. Sobeinhaltet dieser Schritt die Zerlegung der Lern-inhalte auf eine granulare Ebene, die in sich ab-

Lernszenario Aufgaben1 Auf aktuelle Nachrichten und

Informationen zugreifenNeue fachliche und inhaltliche Contents des Kurses wie Normänderungen, Vorschriften, Gesetzeslagen

2 QR-Code über neues Produkt scannen und darüber lernen

Anleitungen im Video veranschaulichen wie z.B. Programmieranleitung bei der Umsetzung abfilmen: Energiedaten-Gateway in die Automation einbinden, sodass ein Gerät in Bus-Hierarchie aufgenommen und logisch verknüpft wird.

3 Komplexe Arbeitshilfen in der Arbeit nutzen

Anforderungslisten wären denkbar, um Kundenbedarfe aufzunehmen und in Funktionserfordernisse zu übertragen (Funktionsmatrix). Zudem können mobile Funktionalitäten auch gleichzeitig zur Dokumentation beim Kunden genutzt werden. Beispiel: Lösungsberatung zur Systemtechnik »Smart Home«, dort bestehen komplexe Anforderungen zur Energieeffizienz gemäß DIN 15232: Übertragung der Funktionen (z.B. Belüftung, Beleuchtung, Automation...) in Ampelsystematik. Mehrwert ist die sofortige Transparenz für den Kunden: »Wenn wir hier sparen, dann kollidieren sie mit gesetzlichen Anforderungen im Rahmen der Energieeinsparverordnung.«

4 Mobile/Smarte Lerninhaltekonsumieren

Mobiler Zugriff auf Smart-Home-WBT-Trainings

Tab. 2: Verknüpfung mobiler Lernszenarien mit Aufgaben im Modul »Planung und Projektierung von Smart-Home-Systemen«

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geschlossene sinnvolle Lernsequenzen bildenund zeitgleich untereinander möglichst unab-hängig und überschneidungsfrei sind. Ein be-sonderer Charme mobilen Lernens ist es, unter-schiedliche Formen von User Generated Con-tent (UGC) in den Lernablauf zu integrieren. Dasaktiviert die Lernenden und intensiviert dieLernprozesse. Damit dies gut gelingt, sind imuntenstehenden Fenster mobile Lernsequenzenskizziert, um einen konkreten Einblick in denAblauf des mobilen Lernens der unterschiedli-chen Nutzertypen »Kurs-Lerner« oder »Modul-Lerner« zu erhalten. Solche Lernsequenzen wer-den in einem Leitfaden mit konkreten Hinweisenzur Methodik und Didaktik sowie Handreichun-gen für Dozenten und Lerner dokumentiert.

Lernsequenz aus einem Didaktik-Leitfaden:

1. In einem 8-minütigen WBT-Training werdenerste Grundlagen zu dem Nutzen und denFunktionen von Assistenzfunktionen gemäßVDI 3812 im Kontext Smart Home vermittelt.

2. Darauf aufbauend analysiert der Lernerdurch eine Aufgabenstellung Problemfelder(Budget, mangelnde Beratungskompetenz,Baufortschritt, Normenkenntnisse …), diegegen den Einsatz im Smart Home sprechen.Im Forum werden diese Problemfelder auf-gedeckt und diskutiert. Die Teilnehmer re-flektieren eigene Erfahrungen, die in derPraxis zu einem Scheitern von Automations-projekten im Smart Home geführt haben.

3. In einem Tutorium teilt der Tutor drei Grup-pen jeweils eine Aufgabe in Form einer Funk-tionsmatrix zu, die mittels Gruppenarbeitbearbeitet werden soll. Dabei entwickeln dieTeilnehmer Lösungen, indem sie den Nutzenund die Funktionen der Gebäudeautomationim Smart Home herausarbeiten. Dadurchwird ein Gegengewicht zu den Problemfel-dern aufgebaut und die Beratungskompe-tenz der Teilnehmer erweitert. Nach Ab-schluss des Tutoriums wird die Session alsMitschnitt in der Lernanwendung einge-stellt.

4. Nachdem die Gruppenarbeiten vorliegenund durch den Dozenten kommentiert wur-den, schaltet dieser ein E-Books zu den»Assistenzfunktionen nach VDI 3812« imSmart Home frei. In einer etwa 30-minüti-gen Lernsequenz lernt der Teilnehmer denZusammenhang von Nutzen und Funktio-nen aus der Gruppenarbeit mit den normati-ven Anforderungen der VDI 3812 zu verbin-den und kann dadurch Praxisbezügeherstellen. Es folgen weitere Lernimpulse ge-mäß den Punkten 1-4 mit der Hinführung zuweiteren Normen wie z.B. DIN EN 15232 [DINEN 15232:2012-09] oder DIN V 18 599 Teil 11[DIN V 18599-11:2011-12]. Nebenbei zeigt hierUGC aus Foren oder Tutorien auch neue in-haltliche Teilnehmerbedarfe auf, die durchein erweitertes oder neues Lernangebot ge-zielt bedient werden können.

5. In einer nachgelagerten Praxisphase lernendie Teilnehmer, wie man Assistenzfunktio-nen gemäß VDI 3812 in einem Smart Homenormkonform programmiert und dabei auchgesetzliche Vorgaben zur Energieeinsparungund -effizienz erfüllt.

Bereitstellung und Wartung der Lerninfrastruk-tur (4): Bei der Konzeption eines mobilen Lern-angebots ist im Vorfeld zu eruieren, ob das An-gebot auf unterschiedlichen Endgeräten mitverschiedenen Displaygrößen und Betriebssys-temen zu konzipieren ist (vgl. Abschnitt 3). Diesbedeutet einen erheblich größeren program-miertechnischen Arbeitsumfang. Dieser betrifftsowohl die Implementierung als auch diedurchzuführenden Tests der Funktionalitätender Lerninfrastruktur. Aufgrund der Heterogeni-tät von Geräten und Betriebssystemen sowieder schnellen Veränderungen von Anforderun-gen und Möglichkeiten durch neue Hard- undSoftware im mobilen Bereich potenzieren sichauch Fehlerquellen und Möglichkeiten zur Ver-besserung der Lerninfrastruktur. Dazu kommt,dass die Anwender oftmals selbst keine hilfrei-che Fehlerbeschreibung liefern. Daher ist der

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Wartungsprozess stärker als bisher zu systema-tisieren und zu formalisieren.

Medienproduktion (5): Die Überführung von Lern-inhalten in ein granulares, für die mobile Nut-zung aufbereitetes Format ist mit hohem Zeit-aufwand bei der Medienproduktion verbunden(vgl. Abschnitt 3). Durch den hohen Aufwand derErzeugung mobil nutzbarer kleiner Lerneinhei-ten ist darauf zu achten, den Aufwand bei derMedienerstellung zu minimieren. Durch die Fest-legung einheitlicher Medienarten und -formatesowie Gestaltungsrichtlinien zum Content-Erstellungsprozess und eine gezielte Aufgaben-zuweisung an die Beteiligten der Lernangebots-konzeption wird der Medienerstellungsprozessstandardisiert und damit rentabler.

Zusammenstellung Kursangebot (6): Entspre-chend den im Kurs zum Einsatz kommendenLernszenarien sind die benötigten Funktionali-täten einzurichten. Dies können z.B. Onlinetu-torien, Chat-Funktionalitäten oder Abstim-mungstools sein. Danach sind die Lerngranula-te auf der Plattform zusammenzufügen. Dazuwerden zunächst die Module innerhalb desKlassenzimmers angelegt. Diesen sind dann dieentsprechenden Lerngranulate in der vorgese-henen Struktur zuzuordnen. In diesem Prozess-schritt ist ebenso die Frage zu klären, ob ein On-line-Assessment zur Eignungsdiagnostik derTeilnehmer eingesetzt werden soll, was bei ei-nem derartigen Lernangebot ratsam ist (siehenachfolgend Punkt 7). Nach erfolgter Einstel-lung des Kurses auf dem Lernmanagementsys-tem bzw. der Granulate in einer Onlinebiblio-thek ist das gesamte Angebot abschließenddurch Dozenten und IT zu überprüfen.

Kursmanagement und -betrieb (7): Aus der ange-strebten Individualisierung und Flexibilisierungdes Lernens resultieren erhöhte Aufwände imBereich Kursmanagement und -betrieb. Es be-steht die Notwendigkeit einer fundierten Lern-begleitung. Diese kann teilweise durch einOnline-Assessment unterstützt werden. Ein

technischer Support für den laufenden Betriebunterstützt die Lernenden und Dozenten.

Personalentwicklung (8): Die Personalentwick-lung läuft parallel zu den übrigen dargestelltenProzessschritten (deshalb gestrichelt darge-stellt) und muss frühzeitig begonnen werden,um ein zeitnahes Anlaufen des Lernangebots zugewährleisten. Die Personalentwicklung ist zustarten, wenn ein wirtschaftlich tragfähigesGrobkonzept des Angebots erstellt ist (Zeit-punkt der Curriculum- und Lernkonzeptent-wicklung (3)).

Um den organisatorischen Aufwand konti-nuierlich zu optimieren, ist es ratsam, einedurchgängige Qualitätssicherung in alle Pro-zessschritte zu integrieren.

7 Fazit: Potenziale mobilen Lernens im Smart Home/Smart Grid

Die Untersuchung bisheriger Umsetzungspro-jekte zeigte, dass sich bislang keine mobile Lern-anwendung als umfassendes Weiterbildungs-konzept beweisen konnte. Das vorgestellte An-wendungsbeispiel erschließt als erstes Projektdie volle Breite vorhandener Potenziale im mobi-len Lernen. Durch die granulierten Medien- undLerninhalte können kurz- wie langfristige Quali-fikationsziele mit passgenauen Weiterbildungs-formaten bedient werden. Mit dem Lernange-bot kann nicht nur im formalen Rahmen, son-dern darüber hinaus jederzeit und an jedem Ortim irrelevanten Kontext gelernt werden, wobeider physische und sozialisierende Kontext situa-tiv erschlossen werden kann (vgl. Tab. 3).

Einen besonders hohen Stellenwert nimmtder »physische Kontext« beim Thema SmartHome / Smart Grid ein, da gerade der Umge-bungskontext der Arbeit situiertes, problemorien-tiertes und arbeitsprozessnahes Lernen er-möglicht. Mit Zugriff auf und Suche in der On-linebibliothek wird selbstgesteuertes Lernen imArbeitsprozess praktikabel. Im Anwendungsbei-spiel stößt die Erschließung des physischen

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Kontexts bei der Durchführung von Modulenund Kursen jedoch an Grenzen. Denn nicht im-mer sind Arbeitszusammenhänge zu Lernzwe-cken geeignet. Teilweise lassen sich durch Auf-gaben didaktisch geplante mobile Lernszenarienerschließen. Häufig aber bietet die aktuelleArbeitssituation der Teilnehmenden keine fach-lich adäquaten Lernchancen. Manchmal ist esaus Haftungsgründen fraglich, zu gefährlichoder auch zu kostspielig, direkt im Arbeitspro-zess zu lernen. Deshalb kann es für formalesarbeitsprozessorientiertes Lernen notwendigsein, die Arbeitswirklichkeit durch handlungs-orientierte Lernsituationen in Praxispräsenzenzu ersetzen und so ein situatives und systemati-sches Lernen miteinander zu verbinden, wasgleichzeitig auch einen schonenden Umgangder zeitlichen Ressourcen der Lernenden er-möglicht [Meyser 2009].

Die kollaborativen Funktionalitäten derLernanwendung (sozialisierender Kontext) tra-gen dazu bei, gezielt alle Interessengruppen(Kurs-, Modul- und Granulat-Lernende) zu ver-

binden und den Austausch zwischen Anwen-dern und Herstellern zu befördern.

Während mobiles Lernen als »Lern«-Konzept für einen formal gegebenen Rahmendurchaus Grenzen in der Erschließung desArbeitskontexts aufgezeigt hat, bietet es als»Wissensmanagement«-Konzept Potenzial. ZumBeispiel kann eine echte Arbeitsprozessintegra-tion einer mobilen Anwendung für eine lücken-lose Dokumentation von Störungen gelingen.So müssen vorgenommene Wartungsarbeitengesetzlich durchgeführt und durch Dokumen-tation belegt werden. Bei regelmäßiger Pflegelässt sich per Knopfdruck dem Kunden eine Be-scheinigung zu Einhaltung der DIN EN 15232oder DIN V 18 599 Teil 11 erzeugen. Damit be-kommt z.B. der Endkunde ein wichtiges Doku-ment in die Hand, das die Einhaltung der EnEV(Energie-Einspar-Verordnung) bestätigt.

Insgesamt lässt sich über das Anwendungs-beispiel hinaus formulieren, dass »die Verbrei-tung und Übernahme von Innovationen ein kol-lektiver Lernprozess ist, der an die Beteiligten

Irrelevanter Kontext

Formalisierter Kontext

Physischer Kontext

Sozialisierender Kontext

Kategorie Funktion des Umgebungs-kontextes

Keine Organisatorische Funktion

Kognitive Funktion Sozialisierende Funktion

Typisierter Kontext

Schreibtisch, Bus, Baggersee

Klassenraum Museum, Zoo, Stadtführung, Arbeit

Community, Peers

Lernformen Selbstgesteuertes, individuelles Lernen

Kollektives Lernen

Situiertes, problem-orientiertes und arbeitsprozessnahes Lernen

SozialesLernen

Ziel von mobilem Lernen

Zugang zu Daten, Inhaltsvermittlung

Aktivierung Lernender

Kontextanreicherung,Moderation

Zugang zu Personen, Moderation, Awareness

Relativer Komplexitäts-grad in der didaktischen Gestaltung

Sehr gering Gering Hoch Sehr hoch

Tab. 3: Übersicht über die Kategorien mobilen Lernens [Frohberg 2008, S.42]

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kaum geringere Anforderungen stellt als die ei-gentliche Schaffung der zu verbreitenden Neue-rung« [Durth 2000]. Mobiles Lernen kann ins-besondere im physischen und sozialen Umge-bungskontext einen hohen Wertbeitrag für dieDiffusion des Technologiewissens leisten. Her-steller und Installationsunternehmen könnendie Wissensdiffusion in ähnlicher Weise umset-zen und über Kommunikationskanäle zu eige-nen Mitarbeitern und Kunden einen Beitragzum kollektiven Lernprozess leisten.

8 Literatur[Ashton 2009] Ashton, K.: That 'Internet of Things'

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[DIN V 18599-11:2011-12] DIN V 18599-11:2011-12:Energetische Bewertung von Gebäuden – Be-rechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebe-darfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trink-warmwasser und Beleuchtung – Teil 11:Gebäudeautomation, 2011.

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Anna HobergChristian Piele M.A.Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und OrganisationBusiness Performance ManagementNobelstr. 1270569 Stuttgart{anna.hoberg, christian.piele}@iao.fraunhofer.dewww.iao.fraunhofer.de

Jörg VeitElektro Technologie Zentrum (etz) StuttgartKrefelder Str. 1270376 [email protected]

Hoberg, A.; Piele, C.; Veit, J.: Mobiles Lernen für Smart Home/Smart Grid. HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 50 (2013), 291, S. 80-94.