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Mobiliarsachenrecht, 18.10.2013 PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.)

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Gliederungsübersicht§ 1: Einführung: I. Begriff des Sachenrechts und historische GrundlagenII. Sachenrechtliche Grundbegriffe im BGBIII. Dingliche Rechte, dingliche Ansprüche, dingliches RechtsgeschäftIV. Prinzipien des deutschen Sachenrechts § 2: Besitz und Besitzschutz I. Begriff, Funktionen und Formen des BesitzesII. Erwerb und Verlust des BesitzesIII. Schutz des Besitzes

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§ 3: Eigentum und Eigentumsschutz I. Begriff und Inhalt des EigentumsII. Der Erwerb des Eigentums

1. Der rechtsgeschäftliche Erwerb vom Berechtigten2. Der Erwerb vom Nichtberechtigten3. Der gesetzliche Eigentumserwerb

III. Anspruchsgrundlagen zum Schutz des EigentumsIV. Das Eigentümer-Besitzerverhältnis

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§ 4: Beschränkte dingliche RechteI. Sicherungsrechte

1. Pfandrecht2. Sicherungsübereignung3. Sicherungszession4. Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht5. Leasing als Finanzierungsmittel (Überblick)6. Globale Sicherungsrechte7. Das Zusammentreffen verschiedener

SicherungsrechteII. Weitere beschränkte dingliche Rechte und ihre Relevanz für Mobilien (Nießbrauch)

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§ 1 EinführungI. Begriff des Sachenrechts und historische Grundlagen1. Das Römische Recht:

a. Das Institutionenschema des Gaius: Personen (personae), Sachen (res), Klagen (actiones)

b. actiones in rem/actiones in personam2. Das mittelalterliche Ius commune:

c. Iura in re (Recht an einer Sache)/iura ad rem oderin personam (Recht auf eine Leistung)

d. Sachenrecht und Schuld- oder Obligationenrechti. Absolute/relative Wirkung der Rechteii. Beschränkte/unbeschränkte Anzahl der Rechteiii. Übertragbarkeit/Unübertragbarkeit der Rechte

3. Das englische Common law:e. real actions/personal actionsf. real property/personal property (chattels)

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4. Das BGB:a. Weiter und enger Begriff des Sachenrechts• Eng: Das Recht der Rechtsverhältnisse an

körperlichen Gegenständen (Sachen iSd. § 90 BGB)• Weit: Das Recht der Rechtsverhältnisse an allen

Gegenständen (res im Sinne des römischen Rechts)

b. Normen des Sachenrechts:• §§ 90ff., 398 ff., Buch 3 BGB; siehe auch §§ 1362,

1416, 1424 BGB• Bundesrechtliche Vorschriften außerhalb des

BGB: WEG, ZPO, ZVG, GBO u.a.• Landesrechtliche Vorschriften (Artt. 55 ff. EGBGB)

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c. Überblick über das Dritte Buch des BGB• Abschnitt 1: Besitz• Abschnitt 2: Allgemeine Vorschriften über

Rechte an Grundstücken• Abschnitt 4: Dienstbarkeiten• Abschnitt 5: Vorkaufsrecht• Abschnitt 6: Reallasten• Abschnitt 7: Hypothek, Grundschuld,

Rentenschuld• Abschnitt 8: Pfandrecht an beweglichen Sachen

und Rechten

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5. Das Sachenrecht und das Öffentliche Rechta. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff:

Art. 14 GG (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden

gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

b. Das öffentlich-rechtliche Nachbarrecht und weitere Beschränkungen des Eigentumsrechts; BVerfGE 58, 300 (Naßauskiesungsbeschluss)c. Das öffentlich-rechtliche Sachenrecht

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II. Sachenrechtliche Grundbegriffe im BGB1. Der Begriff der Sache

a. Weiter Begriff des ABGB: § 285 ABGB: Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.

b. Enger Begriff des BGB: § 90 BGB: Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.

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Beispiel (nach BGHZ 124, 52):Der 31jährige K litt an einem Harnblasenkarzinom. Vor einer dringend notwendigen Operation, die zur Zeugungsunfähigkeit führen musste, ließ K bei der B Sperma einlagern, um auch später noch Kinder zeugen zu können. Nach ein paar Jahren vernichtete die B das eingelagerte Sperma des K, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Als K nun sein Sperma nutzen will, erfährt er von der Vernichtung und ist schwer enttäuscht. Er verlangt Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens in Geld. Zurecht?Problem: § 253 BGB gewährt keine Entschädigung in Geld bei Eigentumsverletzungen.

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II. Sachenrechtliche Grundbegriffe im BGB1. Der Begriff der Sache

a. Weiter Begriff des ABGB: § 285 ABGB: Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.

b. Enger Begriff des BGB: § 90 BGB: Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.

c. § 90a: Tiere sind keine Sachen. „Gefühlige Deklamation ohne wirklichen rechtlichen Inhalt“ (Palandt)?

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Rechtsobjekte

(Sach-)Gesamtheiten

Gegenstände

RechteSachen (§ 90

BGB)

Bewegliche Sachen

UnbeweglicheSachen

Tiere (§90a BGB)

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2. Arten von Sachena. Bewegliche (z.B. § 929 BGB) und unbewegliche

Sachen (Grundstücke)b. Vertretbare (§ 91 BGB) und unvertretbare Sachen; • Sonderregeln für vertretbare Sachen etwa in §§ 607,

651 S. 3, 700, 783 BGB. • Bedeutung also vor allem im Schuldrecht!• Objektiv zu verstehen, Parteivereinbarungen ohne

Bedeutung. • Definition: Vertretbar ist eine Sache, wenn sie sich

von anderen der gleichen Art nicht durch ausgeprägte Individualisierungsmerkmale abhebt und daher ohne weiteres austauschbar ist (BGH NJW 1966, 2307).

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c. Verbrauchbare Sachen (§ 92 BGB); vgl. etwa §§ 1067, 1075 Abs. 2, 1086 S. 2 BGB; auch lediglich rechtlich verbrauchbare Sachen (Geld)§ 92 BGB (1) Verbrauchbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen, deren bestimmungs-mäßiger Gebrauch in dem Verbrauch oder der Ver-äußerung besteht.(2) Als verbrauchbar gelten auch bewegliche Sachen, die zu einem Warenlager oder zu einem sonstigen Sachin-begriff gehören, dessen bestimmungsmäßiger Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht.• Abs. 1: objektive Zweckbestimmung entscheidend• Abs. 2: subjektive Zuordnung entscheidend• Geringe Bedeutung des Begriffs. Ein

Nutzungsberechtigter ist in der Regel zum Verbrauch verbrauchbarer Sachen gegen Wertersatz berechtigt.

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3. Funktionseinheiten von SachenUnterscheide: Bestandteile und Zubehöra. Wesentliche, einfache und Scheinbestandteile

(§§ 93 ff. BGB)• Maßgebend für die Unterscheidung sind die

Verkehrsauffassung und eine natürliche Betrachtung unter Zugrundelegung eines technisch-wirtschaftlichen Standpunkts (BGHZ 20, 154)

• Automotor?• Entscheidend ist nicht der Einfluß der Trennung auf die

Gesamtsache, sondern ob der eine oder der andere Bestandteil nach der Trennung noch genutzt werden kann.

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3. Funktionseinheiten von Sachenb. Zubehör (§ 97 BGB)

i. Es muß eine Hauptsache gebenii. Die Hauptsache muß eine wirtschaftlichen

Zweck habeniii. Das Zubehör muß diesem Zweck dienen könneniv. Es muß diesem Zweck gewidmet seinv. Diese Widmung muß auf eine gewisse Dauer

gerichtet seinvi. Es ist eine gewisse räumliche Nähe erforderlichvii. Ggf. Korrektur durch die Verkehrsauffassung

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4. Nutzungen und Früchte (§§ 99f. BGB)a. Früchte (§ 99 BGB)• Sachfrüchte (§ 99 Abs. 1 BGB),

Bsp.: Eier, Küken, Kälber, Bäume, auch Sand, Kohle, Erz usw. Nach h.M. auch Raubbau. Keine Früchte sind aber Dinge, die unter Verbrauch der Sachsubstanz gewonnen werden, etwa das Fleisch eines Schlachttiers.

• Rechtsfrüchte (§ 99 Abs. 2 BGB), Bsp. Jagdbeute beim Jagdrecht

• mittelbare Sach- und Rechtsfrüchte (§ 99 Abs. 3 BGB), Bsp. Mietzins bei Mietshäusern; Lizenzgebühren bei Immaterialgüterrechten

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III. Dingliche Rechte, dingliche Ansprüche, dingliches Rechtsgeschäft1. Das dingliche Recht• Dingliche (absolute) und persönliche (relative) Rechte• Umfassende und beschränkte dingliche Rechte2. Dingliche Ansprüche• Ansprüche, die sich aus der Verletzung eines

dinglichen Rechts ergeben (Herausgabe, Schadensersatz, Abwehr, Beseitigung, Unterlassung, Grundbuchberichtigung)

• Weitere Anspruchsgrundlagen im Sachenrecht (Duldung der Zwangsvollstreckung, Durchsetzung einer Vormerkung)

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3. Das dingliche Rechtsgeschäft (Verfügung)• Die dingliche Rechtslage kann grundsätzlich nur durch

ein Rechtsgeschäft verändert werden. Dies Rechtsgeschäft heißt Verfügung.

Begriff der Verfügung: Ein Rechtsgeschäft, durch das unmittelbar auf ein bestehendes Recht eingewirkt wird, sei es durch Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung oder Aufhebung.• Ausnahmen, in denen die dingliche Rechtslage anders als

durch Rechtsgeschäft verändert wird: Gesetzlicher Eigentumserwerb; Erwerb vom Nichtberechtigten

• Vorschriften des Allgemeinen Teils sind grundsätzlich anwendbar, da dingliches Rechtsgeschäft ein Vertrag ist.

• Vorschriften des Schuldrechts sind grundsätzlich nicht anwendbar, da kein Verpflichtungsvertrag vorliegt.

• Stets zu prüfen, ob es sachenrechtliche leges speciales gibt!

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IV. Prinzipien des deutschen Sachenrechts1. Trennungs- und Abstraktionsprinzipa. Trennung von dinglichem Rechtsgeschäft und zugrundeliegender schuldrechtlicher causa

Beispielsfall: Student S geht zum Bäcker B und kauft zwei Brezeln zum Preis von je 90 Cent. Er bezahlt mit einer 2 €-Münze und erhält ein Rückgeld von 20 Cent sowie die beiden Brezeln. Wieviele Rechtsgeschäfte sind vorgenommen worden?

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b. Abstraktheit des dinglichen RechtsgeschäftsDas dingliche Rechtsgeschäft und das schuld-rechtliche Rechtsgeschäft sind hinsichtlich ihrer Rechtswirksamkeit jeweils für sich zu beurteilen.

Beispielsfall: S hat etwas mehr Geld gespart und möchte ein Fahrrad von F kaufen. S und F einigen sich auf einen Preis von 400 Euro. Am Abend desselben Tages treffen sich S und F zufällig in einer Kneipe. F hat das Fahrrad dabei, und S ist auch gut bei Kasse. So wickeln S und F den Kaufvertrag ab. Allerdings hatte S bereits soviel getrunken, dass er nicht mehr zurechnungsfähig war. Wie ist die Rechtslage?

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2. Spezialitäts- und BestimmtheitsgrundsatzDingliche Rechtsgeschäfte müssen sich auf bestimmte individualisierte Gegenstände beziehen; keine „Gattungsgeschäfte“

Beispielsfall:B ist der Inhaber eines Bücherladens und schon ziemlich alt. Der Laden befindet sich in der Passauer Altstadt in gemieteten Räumen. Da B sich zur Ruhe setzen möchte, verkauft er sein Geschäft an K. Wie können B und K den Kaufvertrag durchführen?

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3. Publizitätsprinzip• Dingliche Rechtslage soll möglichst

offenkundig sein• Verfügungen über dingliche Rechte erfordern

deshalb grundsätzlich einen Publizitätsakt (Übergabe, Eintragung und Anzeige)

• Vermutungswirkung des Besitzes (§ 1006 BGB)

• Besitz als Grundlage des gutgläubigen Erwerbs• Durchbrechungen des Publizitätsprinzips durch

„besitzlose Pfandrechte“?

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4. Absolutheit dinglicher Rechte• (Nur) Dingliche Rechte verleihen ihrem Inhaber Schutz

gegenüber jedermann• Erste Gegentendenz:

Verdinglichung obligatorischer RechteBeispielsfall: S wohnt zur Miete im Wohnheim des Studentenwerks W. W soll nun privatisiert werden, und deshalb wird das Wohnheim an den Investor I veräußert. I möchte das Wohnheim zu Luxuswohnungen umbauen und fordert daher auch S auf auszuziehen. Zurecht?§ 566 BGB (1) Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

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• Zweite Gegentendenz:Relativierung dinglicher Rechte (Treuhand; Veräußerungsverbote)

Beispielsfall:Der reiche V ist sterbenskrank. Um seine Kinder zu versorgen, übereignet er seinem Freund F ein großes Zinshaus, das dieser für die Kinder verwalten und ihnen bei Volljährigkeit übereignen soll. V stirbt, und F hält sich auch einige Jahre an die Abmachung. Dann aber bietet ihm der I, der genau um die Verhältnisse weiß, viel Geld für das Zinshaus. F wird schwach und verkauft und übereignet das Haus. Wie ist die Rechtslage?

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5. Prioritätsgrundsatz• Prior in tempore, potior in iureBeispielsfall: K steckt in großen finanziellen Schwierigkeiten. Er besitzt nur noch eine goldene Uhr. Diese Uhr verpfändet er an den W zur Sicherheit für ein Darlehen von 300 Euro. Freilich reichen auch die 300 Euro nur kurze Zeit, dann ist K wieder pleite. Er geht deshalb zu B, von dem er weitere 200 Euro bekommt. Auch B wird durch ein Pfandrecht an der Uhr gesichert. Als K die Darlehen nicht zurückzahlen kann, wird die Uhr öffentlich versteigert. Dabei wird ein Erlös von 400 Euro erzielt. Wer bekommt wie viel von diesem Erlös?• §§ 185 II, 1209 BGB; für Grundstücke: § 879 BGB

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6. Numerus clausus der dinglichen RechteBedeutung des numerus clausus• Typenzwang:

Nur die rechtlich vorgesehenen Typen können verwendet werden.Beispiele: Dingliche Rechte im Sachenrecht; Ehe und Lebenspartnerschaft im Familienrecht; Gesellschaftsformen im Gesellschaftsrecht

• Typenfixierung:Der Inhalt der Typen ist vom Gesetz verbindlich, dh. nicht abänderbar, ausgestaltet.Beispiel: Inhalt eines Pfandrechts; Satzung einer AG

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V. Grundsätze der Fallbearbeitung im Sachenrecht1. Mögliche FallfragenKann K X von B verlangen? • Normaler Anspruchsaufbau• Obersatz muss antworten auf die Frage:

Wer will was von wem woraus?Hat K das Recht X?• Der mögliche Rechtserwerb (und –verlust) des K

müssen diskutiert werden.• Zwei Aufbaumöglichkeiten:– Chronologisch vom Ursprung bis zur Gegenwart– Rückwärts von der letzten (möglichen)

Rechtsänderung bis zum Ursprung

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2. Bearbeitungstechniken• Sachverhalt gründlich lesen• Fallfrage notieren• Sachverhalt noch einmal lesen und dabei

mögliche Änderungen der dinglichen Rechtslage und Probleme markieren

• Skizze aller Beteiligten erstellen• Dingliche und schuldrechtliche

Rechtsgeschäfte in die Skizze eintragen• Zeitstrahl erstellen• Lösungsskizze anfertigen• Lösung ausarbeiten

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Beispielsfall:Der Student S hat bei dem Fahrradverleih V ein Mountainbike für eine Woche gemietet. Als ihn sein Kumpel K auf das coole neue Rad anspricht, bietet S dem K das Rad spontan zum Kauf an, weil er gerade dringend ein bisschen Bargeld benötigt. S und K werden sich einig, und S händigt dem auch sogleich das Rad aus. Als V später am Tag den K auf dem Rad sieht, stellt er ihn zur Rede. V ist gar nicht amüsiert von dem Geschäft zwischen S und K und verlangt sein Rad von K zurück. Zurecht?

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Skizze:

Zeitstrahl:

V S

K

Mietvertrag (§ 535)

Kaufvertrag(§ 433) Übereignung

(§§ 929, 932)

Anspruch? § 985?

Mietvertrag zwischen V und S

Übergabe des Rads von V an S

Kaufvertrag zwischen S und K

Übergabe des Rads von S an K

Herausgabe-begehren des V von K

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Literaturhinweise:• Bayerle, Trennungs- und Abstraktionsprinzip in der

Fallbearbeitung, JuS 2009, 1079 ff.• Erbguth, Recht der öffentlichen Sachen, Jura 2008, 193 ff.• Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, 2006 (umfangreiche

Habilitationsschrift)• Haedicke, Der bürgerlich-rechtliche Verfügungsbegriff, JuS

2011, 966 ff.• Lieder, Die Anwendung schuldrechtlicher Regeln im

Sachenrecht, JuS 2011, 874 ff.• Jauernig, Trennungs- und Abstraktionsprinzip, JuS 1994,

721 ff.• Kaulbach, Typenzwang im BGB?, JuS 2011, 397 ff.• Löhnig/Becker, Das Akzessionsprinzip, JA 2011, 650 ff.

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• Marotzke, Erster Kontakt mit dem Sachenrecht, JuS 1993, 916 ff.

• Schreiber, Die Grundprinzipien des Sachenrechts, Jura 2010, 272 ff.

• Strack, Hintergründe des Abstraktionsprinzips, Jura 2011, 5 ff.

• Walz, Sachenrechtliches Systemdenken im Wandel, KritV 1990, 374 ff.

• and, Frankreich und England)• Wiegand, Die Entwicklung des Sachenrechts im Verhältnis

zum Schuldrecht, AcP 190 (1990), 112 ff.• Zwalve/Sirks, Grundzüge der europäischen

Privatrechtsgeschichte – Einführung und Sachenrecht, 2012 (ausführliche Darstellung der historischen Hintergründe der gegenwärtigen Regelungen in Deutschl

• Lorenz, Abstrakte und kausale Rechtsgeschäfte, JuS 2009, 489 ff.