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www.die-bank.de efw-special ó 2011 die bank ZEITSCHRIFT FÜR BANKPOLITIK UND PRAXIS G 8790 universalbanken Zeitalter der „Neuen Realität“ großfusion Erfolgreiche Integration in 1.000 Tagen technologie Digitale Agenda für das Finanzgeschäft bankenwelt Modelle – Strategien – Perspektiven

Modelle – Strategien – Perspektiven

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www.die-bank.defl efw-special ó 2011

diebankZEITSCHRIFT FÜR BANKPOLITIK UND PRAXIS

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Modelle – Strategien – Perspektiven

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fl editorial

fl inhalt

fl impressum

euro Finance Week 2011

04 Leadership und Management einer großen universalbank: Zeitalter der „neuen realität“ | Theodor Weimer

08 commerzbank & Dresdner Bank: Erfolgreiche integration in 1.000 Tagen | Frank Annuscheit | Ulrich Sieber

12 Die eigenen kunden besser verstehen: Was retail-Banken aus der krise lernen können | Stefan Jütte

16 Multichannel advisory Banking: Privatkundengeschäft der Deutschen Bank in Europa | Rüdiger Schmidt

22 Technologietrends: Digitale agenda für das Bankgeschäft | Ibrahim Karasu

28 Testimonial Dirk nowitzki: Wie die kirsche auf der Sahne | Katharina Herrmann

32 Go-to-Market-Strategie: Erfolgsfaktor kundensegmentierung | Jürgen Lieberknecht

38 retail Banking: Der Wettbewerb wird zunehmend im Web entschieden | Thomas Bahlinger

42 Finanzinnovationen: immer ein Gewinn? | Bernd Skiera | Lisa Schöler

46 Evolution und konvergenz: Vertriebsstrategie in der Post-Pc-Ära | Franz Nees

4.824.000.000.000 euro – die Deutschen haben in den vergangenen Jahrzehnten ein privates Geldvermögen in beachtlicher Dimension aufge­baut. Der Reiz der 4,8 Billionen wirkt wie ein Mag­net auf alle, deren Metier die Anlageberatung res­pektive Vermögensverwaltung ist: Banken, Asset Manager, Versicherungen und andere Finanz­dienstleister liefern sich einen verschärften Wett­bewerb im Privatkundengeschäft mit seinen verlockenden Ertragspotenzialen. Diese zu er­schließen, ist freilich nicht allein wegen des har­ten Konkurrenzkampfes ein ambitioniertes Ziel, auch durch andere Herausforderungen ist der Weg zum Erfolg steiniger geworden. Stichwörter sind: Kundenzufriedenheit, Produktattraktivität und Digitalisierung.

Gerade im Bereich der Geldanlage ist die Kunde­Bank­Beziehung einer enormen Belastungsprobe ausgesetzt. Durch die Kapitalmarktturbulenzen erlitten die Anleger schmerzliche Verluste bei In­vestments in Aktien, Zertifikate und Fonds. Fühl­ten sich Kunden schlecht beraten, ging Vertrauen verloren. Die daraus abzuleitende Botschaft ist klar: Jene Institute werden im Wettbewerb vorne liegen, die die Kundenzufriedenheit als elemen­tare Komponente in ihrem Geschäftsmodell ver­

ankert haben und entsprechende Best Practice bieten. Hinsichtlich der Qualität der Anlagepro­dukte ist es eine etablierte Erkenntnis, dass diese auf die jeweiligen Lebensphasen der Kunden zu­geschnitten sein müssen. Indessen kommt ein wichtiger neuer Aspekt hinzu: Der Trend zu immer komplizierteren Produktkreationen muss korrigiert werden. Nunmehr ist es geboten, die Komplexität zu reduzieren, denn sie verdeckt Risi ken und erzeugt Unsicherheit. Komplexe Pro dukte wecken bei den Anlegern die Furcht vor Fehlentscheidungen. Ver­einfachung dagegen schafft Vertrauen.

Vertrauensbildend wirkt insbesondere auch die seriöse persönliche Beratung – speziell in Zeiten ausgeprägter Verunsicherung an den Finanzmärk­ten. Gleichzeitig jedoch gehören Information und Kommunikation via Internet mittlerweile zum All­tag vieler Anleger. Längst durchdringt das Web die gesamte Finanzwelt und alle gesellschaftlichen Be­reiche. Diese technische Revolution erhöht den Handlungsdruck in der Bankenbranche. Wer Schritt halten will, braucht eine „digitale Agenda“, in der die Ziele und Maßnahmen auf dem Weg in eine digitale Zukunft aufgezeigt werden. Diese und an­dere aktuelle Trends beleuchtet die vorliegende Sonderausgabe zur Euro Finance Week 2011.

Werner karsch, Chefredaktion die bank, Berlin

Der Reiz der großen Zahl

chefredaktion Iris Bethge | Werner Karsch

Herausgeber Bundesverband deutscher Banken Berlin | Burgstraße 28 | 10178 Berlin Telefon: 030/1663-1296

Verlag Bank-Verlag Medien GmbH Wendelinstraße 1 | 50933 Köln Telefon: 0221/5490-0

Geschäftsführung Wilhelm Niehoff | Sebastian Stahl

Bereichsleitung Zeitschriften Dr. Stefan Hirschmann

Druck Moeker Merkur GmbH & Co. KG 50 968 Köln

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Zeitalter der „Neuen Realität“leadership und manaGement einer Grossen uniVersalBank Universalbanken stehen im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts vor ungewöhnlich großen Herausforderungen. Das liegt an übergeordneten Themen, die Banken ebenso wie die übrige Wirtschaft betreffen und die sich unter dem Begriff eines Zeitalters der „Neuen Realität“ zusammenfassen lassen. Dieses Zeitalter verstärkt den bereits seit einiger Zeit erfahrbaren gesellschaftlichen Wandel, der wichti-ge Implikationen für die Führung und das Management einer Universalbank mit sich bringt.

keywords: Geschäftspolitik, universalbank-modell, Finanz-krise

Das vergangene Jahrzehnt war geprägt von einer Reihe von Krisen, die sich welt­weit ausgedehnt und beinahe lähmend auf alle Bereiche gelegt haben – Finanz­wirtschaft sowie Wirtschaft und Politik insgesamt.

Zeitenwende und eine „neue realität“

Der Subprime­Hypothekenkrise des Jah­res 2007 in den USA folgte eine weltweite Banken­ und Wirtschaftskrise, die Kredit­institute bis heute stark beeinflusst. Ins­titute mussten mit milliardenschweren Hilfspaketen gerettet werden. Zeitgleich führte eine Politik der Verschuldung ein­zelne Volkswirtschaften an den Rand des Zusammenbruchs, was wiederum eine tiefe Vertrauenskrise in die politische Führung bewirkte – und in eine Schwä­chung wichtiger Währungen mündete.

Die Heftigkeit der Ausschläge verdeut­lichte, dass sich Schocks in einer globali­sierten und vernetzten Welt stark verbrei­ten. Die Reaktionen darauf sind viel­schichtig. Um die unmittelbare Vertrau­enskrise – auch innerhalb des Banken­systems – zu lösen, haben Notenbanken den Wirtschaftskreislauf mit massivem

Zuschuss von Liquidität am Leben erhal­ten. Zugleich rekapitalisierten, stützten und übernahmen Regierungen mit Steu­ergeldern Banken und Versicherungen. Mittlerweile bemühen sich die Regulato­ren und Politik darum, systemische Risi­ken durch höhere Anforderungen an Ka­

pitalausstattung für Banken (Basel III) und Versicherungen (Solvency II) – und in Deutschland etwa durch einen nationa­len Krisenmanagement­Rechtsrahmen und die Bankenabgabe – zu verringern.

Solche Schritte können nur der An­fang sein, oder besser gesagt: Die aktu­ell gewählten Instrumente müssen noch präzisiert werden. Da denke ich vor al­lem an adäquate Liquiditätsvorgaben, die einerseits stabilisieren und anderer­seits nicht das Finanzsystem und damit das Wachstum abwürgen. Wir müssen in naher Zukunft (wieder) Lösungen mit Augenmaß finden, um Banken, Volks­wirtschaften und die Märkte insgesamt

wieder auf gesunde Beine stellen zu können.

Wie das aussehen könnte, lässt sich skizzenhaft darstellen: Die Banken müs­sen ihre Geschäftsmodelle mehr als bis­her auf Wettbewerbsfähigkeit und Nach­haltigkeit prüfen und – wo erforderlich

– ändern. Latente Systemrisiken – Stich­worte sind unregulierte Finanzmärkte und Schattenbanken – müssen weiter entschärft werden. Staaten müssen ihre Schulden dauerhaft reduzieren – sei es ganz einfach durch Sparen oder in Form eines Schuldenschnitts. Die Politik muss wieder glaubhaft Wachstumsimpulse ge­nerieren – für Europa am besten in Form einer koordinierten Wirtschaftspolitik innerhalb der EU. Ein langfristiges Ziel wird sein, einheitliche Regeln für das Handeln am Kapitalmarkt aufzustellen.

Solange niemand weiß, wie lange die Phase der aktuellen Unsicherheit währt oder ob die Beteiligten die richtigen Rezep­

fl Die Phase der aktuellen unsicherheit bietet uns allen auch Möglich-keiten. So können wir strukturelle Fehler (etwa die Geburtsfehler des Euro) beheben und damit die Basis schaffen, um mit wirtschaftlich solideren Grundstrukturen zukünftige Herausforderungen besser zu bewältigen.

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te gewählt haben, bleiben die Märkte ner­vös. Ich persönlich bin zuversichtlich, dass wir diese Phase erfolgreich überwin­den werden – und sogar gestärkt aus ihr hervorgehen. Auf dem Weg dorthin wird es sicher zu schmerzhaften Anpassungen kommen, ja kommen müssen. Um es po­sitiv auszudrücken: Die aktuelle Phase bietet uns allen auch Möglichkeiten. So können wir strukturelle Fehler (etwa die Geburtsfehler des Euro) beheben und da­mit die Basis schaffen, um mit wirtschaft­lich solideren Grundstrukturen zukünfti­ge Herausforderungen besser zu bewälti­gen.

Langfristig, davon bin ich überzeugt, wird sich aus dieser Zeitenwende eine komplett „Neue Realität“ entwickeln. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass es nach der Krise ein „Weiter so“ wie bisher nicht mehr geben wird. Es brechen andere Zeiten an, mit denen sich alle Be­teiligten aus Politik und Wirtschaft aus­einandersetzen müssen. „Neue Realität“ steht dabei für mehrere Aspekte: Ein vo­latiles Umfeld, das Bemühen um den Ab­bau der langfristigen Verschuldung der westlichen Welt sowie eine noch weitere Verlagerung des ökonomischen Gewichts in Richtung der heutigen „Emerging Mar­kets“. Auf Banken bezogen bedeutet dies: Die Suche nach Rendite wird noch schwie­riger als bisher. Und die Kunden bleiben ebenso kritisch wie risikoscheu.

entwicklung der universalbanken im neuen umfeld

Vor dem Hintergrund dieser „Neuen Rea­lität“ ergeben sich wichtige Fragen für Banken: Wie sehen unter den veränder­ten Rahmenbedingungen tragfähige, dau­erhaft ertragreiche Geschäftsmodelle aus? Anders gesagt: Wie müssen Banken aufgestellt sein, um mit vernünftiger Ri­sikokultur unter dem neuen Eigenkapi­talregime nachhaltige Ertragsströme zu generieren? Wer darauf eine Antwort sucht, muss nach Institutstypen differen­zieren. Grob gesagt lassen sich drei Clus­

ter bilden: Erstens die überwiegend regi­onalen Häuser wie Sparkassen und Ge­nossenschaftsbanken, die sich der Grund­versorgung mit Bankdienstleistungen widmen. Sie haben sich auch über die Krise hinweg eine weitgehend stabile Kunden­ und Ertragsbasis bewahrt. Von Seiten ihrer Eigentümer haben sie den ge­ringsten Veränderungsdruck, aber wei­sen auch die niedrigsten Renditen aus.

Die zweite Gruppe bilden Hochrisiko­spieler, die auch künftig hohe Risiken eingehen. Im besten Fall können sie über­durchschnittlich verdienen, im schlimms­ten Fall, und das ist ein Merkmal der „Neuen Realität“, müssen sie auch in eine geordnete Insolvenz geführt werden. Ein solches Geschäftsmodell setzt ein effekti­ves Risikomanagement voraus sowie die Fähigkeit, die besten Mitarbeiter an sich zu binden. Sollte es zu Verlusten kom­men, müssen die Anteilseigner den Scha­den tragen. Da die Kunden der Hochrisi­kospieler vor allem institutionelle Anle­ger sind, waren und sind sie sich der um­fangreichen Risiken bewusst.

Die dritte Gruppe ist die spannendste: Die breit aufgestellten Universalbanken, die als Intermediäre zwischen Unterneh­menswelt und Kapitalmarkt sowie als Fi­nanzierungspartner oder Vermögensver­walter ihrer privaten Kunden eine zent­rale volkswirtschaftliche Rolle spielen. Anders gesagt: Diese Gruppe zeichnet ei­nerseits ihre breite Aufstellung – nach Kunden und Produkten – aus und ande­rerseits der Fokus auf das Kunden­Ge­schäft (Agent). Sie mussten in der Krise die eine oder andere Lektion schmerzhaft lernen – etwa, dass ein Engagement in hochspezialisierten Produkten mit hohen Rendite­Hoffnungen teilweise teuer be­zahlt werden muss.

Die „Neue Realität“ deutet sich bei den Universalbanken jetzt schon an, sie führt zu einem Wandel in den Ansprüchen der Kunden, der sich schon seit einiger Zeit abzeichnet. Kunden – vermögende Priva­te und Firmenkunden – werden zuneh­

mend kritischer. Sie hinterfragen sehr ge­nau den Anteil, den Banken zur aktuellen Situation beigetragen haben. Noch wich­tiger: Sie fragen sich, ob ein Institut ihnen (noch) die richtigen Lösungen bieten kann.

Vor diesem Hintergrund bin ich über­zeugt, dass die Zukunft der Universalban­ken nur dann ertragreich gestaltet wer­den kann, wenn drei Kern­Voraussetzun­gen erfüllt sind:

ó Universalbanken müssen Kunden noch stärker in den Mittelpunkt ihres Han­delns stellen. Langfristig tragfähige Be­ziehungen sind nur möglich, wenn Bank und Kunde davon profitieren. Dazu gehö­ren eine vernünftige Risikokultur und hohe Transparenz in allen Geschäftsbe­reichen. Das oft überstrapazierte Wort von der „Nachhaltigkeit“ passt in diesem Zusammenhang sehr gut. Das Geschäfts­modell einer Universalbank verlangt, Nachhaltigkeit eine hohe Priorität einzu­räumen – nur so werden sich die Banken

dr. theodor Weimer ist Vorstandsspre-cher der UniCredit Bank AG (ehemals Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG), München.

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langfristig das Vertrauen der Kunden wieder erobern. Kurz: Moderne Univer­salbanken müssen sich konsequente Kundenorientierung auf die eigenen Fah­

nen schreiben, und zwar über alle Ge­schäftssegmente und bezogen auf alle Be­re iche , etwa in ze i tgemäßen Anreiz­Systemen für die Mitarbeiter.

ó Universalbanken werden akzeptieren müssen, dass ihre Renditen in Zukunft geringer ausfallen als früher. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Phase der Unsicherheit nur vorübergehend ist, ha­ben sich in der „Neuen Realität“ wichtige Bedingungen für die Banken geändert. Das Marktumfeld bleibt volatil, das Zins­niveau niedrig, die Regulatoren bleiben streng. Hohe Renditen werden nur mit deutlich höherem Risiko erkauft. Dieses Risiko werden Kunden der Universalbank nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zu tragen bereit sein. Das heißt nicht, dass das Bankgeschäft nicht mehr profi­tabel ist. Es bedeutet nur, dass es weniger profitabel sein wird.

ó Die dritte Voraussetzung folgt aus den beiden ersten. Wirtschaften in der „Neuen Realität“ für eine Universalbank heißt, dass sie ihre Geschäftsmodelle anpassen muss, und zwar sowohl was Vertrieb und Beratung angeht (Frontoffice), als auch Administration und Prozesse (Backoffice). Schon heute ist es Realität, dass Firmen sich über die Ausgabe eigener Anleihen zum Teil günstiger refinanzieren als Ban­ken. Höhere Eigenkapitalanforderungen und stärkere regulatorische Standards werden zwangsläufig dazu führen, dass es weniger zu einer Kreditvergabe kommt als eher zu einer Kreditvermittlung. An­ders gesagt: Die Kreditinstitute überneh­men künftig stärker die Rolle eines Inter­mediärs – Anbahner des Kontakts zum

Kapitalmarkt, Vermittler von Finanzie­rungslösungen oder Strukturierer von Produkten. Die angestammte Rolle als Ka­pitalgeber rückt in den Hintergrund – so

wie das bei den Kredit instituten in den USA bereits seit längerem der Fall ist.

Die stärkere Individualisierung bei Ver­trieb und Beratung wird aber nicht ver­hindern, dass der Druck auf die Margen deutlich höher wird. Aus diesem Grund müssen sich die Universalbanken im Backoffice noch effektiver aufstellen. Ih­nen bleibt keine andere Wahl, als Kosten zu senken. Das erreichen sie durch eine effektive Standardisierung der Prozesse im Abwicklungsbereich.

strategie der hypoVereinsbank

Die HypoVereinsbank (HVB) hat die ver­änderten Bedingungen der „Neuen Reali­tät“ frühzeitig antizipiert und sich schon jetzt darauf eingestellt. Sie hat ihre Bi­lanzsumme in den vergangenen Jahren angepasst und die Kosten deutlich ge­senkt (Verringerung der Verwaltungsauf­wendungen um fast 20 % im Geschäfts­jahr 2010) und sich zu eigenen strategi­schen Leitlinien verpflichtet. In diesen heißt es ausdrücklich, dass die Bank und alle ihre Mitarbeiter „Wert für unsere Kunden (...) schaffen“ und „Bestleistun­gen“ erbringen will. Das Ziel ist dabei ein­deutig: Wir wollen die HypoVereinsbank zur Top­Kundenbank in Deutschland aus­bauen.

Um es gleich vorweg zu sagen: Nur zu­friedene und motivierte Angestellte leis­ten die sehr gute Arbeit, die zur Errei­chung solcher ehrgeiziger Ziele erforder­lich ist. Wir kümmern uns daher intensiv um unsere Mitarbeiter. Um nur ein Bei­spiel zu nennen: Mit unserem Projekt

„Healthy Company“ fördert die HVB an­gesichts der Belastungen im Arbeitsalltag den achtsamen Umgang der Mitarbeiter mit sich selbst und mit den Kollegen.

Unsere Verantwortung bei gesell­schaftlichen Themen nehmen wir eben­falls sehr ernst – nachzulesen in unse­rem regelmäßig veröffentlichten Nach­haltigkeitsbericht. In allen Geschäftsbe­reichen handlungsleitend sind die in der Integrity Charter der UniCredit festge­schriebenen Werte (Fairness, Transpa­renz, Respekt, Gegenseitigkeit, Freiheit, Vertrauen). Im Investment Banking er­füllt die Bank für alle Projektfinanzie­rungen seit 1998 die strengen Umwelt­ und Sozialstandards der Weltbank als Mindeststandards.

Im Zentrum unserer Aktivitäten steht bei all dem natürlich auch weiterhin un­sere breite Kundenbasis im UniCredit­Netzwerk mit rund 40 Mio Kunden in 22 Ländern. Wir arbeiten jeden Tag daran, diese besser zu bedienen. Die neuen He­rausforderungen für eine moderne Uni­versalbank haben wir bereits in der Grundstruktur der Bank dargestellt. So haben wir drei Bereiche geschaffen: „Cor­porate & Investment Banking“, „Privat­kunden – Kleine und mittlere Unterneh­men“ und „Private Banking“.

Im Bereich Corporate & Investment Banking (CIB) haben wir den Gedanken des integrierten Ansatzes umgesetzt. Wir haben das Investment Banking kon­sequent an den Bedürfnissen der Kun­den ausgerichtet, Betreuung und Pro­duktentwicklung eng verzahnt und den Eigenhandel eingestellt. Der Kredit bleibt das Ankerprodukt, aber CIB er­möglicht den Firmenkunden die effizien­te Nutzung maßgeschneiderter Kapital­marktprodukte aus einer Hand – kombi­niert mit einem lösungsorientierten Be­ratungsansatz. Damit sind wir heute mehr denn je strategischer Partner un­serer Kunden. Kurz gesagt: Das Corpo­rate & Investment Banking ist ein wich­tiger Wachstumsmotor der Gruppe.

fl Das Marktumfeld bleibt volatil, das Zinsniveau niedrig, die regulierung streng. Das Bankgeschäft wird künftig weniger profitabel sein.

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Der Bereich CIB steht exemplarisch für das Erfolgsmodell einer modernen Uni­versalbank. Die Antwort auf die Kernfra­ge nach dem Banking der Zukunft ist in diesem Sinne also eine Renaissance von Werten, die mancherorts vorübergehend vernachlässigt worden sind.

Das Segment Privatkunden – Kleine und mittlere Unternehmen (PKMU) ist aus den beiden ursprünglichen Bereichen „Privatkunden“ und „Kleine und mittlere Unternehmen“ entstanden. Wir haben auf diese Weise eine strategisch interes­

sante Einheit gebildet, deren Marktanteil momentan noch relativ gering ist, uns je­doch die große Chance bietet, Weiterent­wicklungen schneller und konsequenter anzugehen. So können wir den Kunden über mehrere Kanäle und auch mit Hilfe neuer Ansätze aus dem Social­Media­Be­reich bedienen.

kunden im Zentrum des denkens

Wir bleiben der vertrauenswürdige, zu­verlässige Bankpartner unserer Kunden, sie stehen im Zentrum unseres Denkens und Handelns. Die Produktpalette wird konsequent an den Bedürfnissen unserer Kunden ausgerichtet. Wir achten sehr stark darauf, dass Kundenzufriedenheit in unseren Vertriebs­ und Vergütungssys­temen eine wichtige Rolle spielt. Diese evaluieren wir regelmäßig und merken, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Darüber hinaus sind wir führend bei der Entwicklung innovativer und zukunfts­weisender Produkte und Dienstleistun­gen.

Im Segment Private Banking (PB) ha­ben wir uns in den vergangenen Jahren eine gute Ausgangsposition für weiteres Wachstum erarbeitet. Die HypoVereins­bank ist heute einer der Top­3­Anbieter

im deutschen Private­Banking­Markt. Un­ser Ziel der Qualitätsführerschaft kommt den kritisch hinterfragenden Kunden ent­gegen, ebenso wie die Tatsache, dass das Private Banking der HypoVereinsbank Vorreiter für transparente und faire Ge­bührenmodelle ist.

Alle drei Bereiche stehen konsequent für die neue Ausrichtung einer modernen Universalbank. Gelebte Kundenorientie­rung und feste Erdung in der Realwirt­schaft ermöglichen stabile Ertragsströme. Der Erfolg gibt uns Recht. Wir wollen und

wir werden auch in Zukunft wachsen – dies gilt für alle Marktsegmente und alle Vertriebsdivisionen. Unser Ziel ist es, im laufenden Jahr in jedem unserer Ge­schäftsfelder über fünf Prozent zuzule­gen. Gleichzeitig arbeiten wir laufend an der Optimierung unseres Risikomanage­ments.

Durch die konsequente Fokussierung der Gruppe auf unsere Kunden und das damit verbundene Cross­Selling­Potenzi­al steigt die Intensität auch unserer lang­jährigen Kundenbeziehungen noch ein­mal deutlich an – wie auch die Profitabi­lität. Was die Kunden selbst betrifft: Sie schätzen unseren Ansatz. Das wissen wir aus Befragungen. Es lässt sich auch daran ablesen, dass wir Marktanteile und zahl­reiche attraktive Mandate gewinnen.

Wir gehen fest davon aus, dass wir mit diesem Ansatz sehr gut für die Herausfor­derungen der „Neuen Realität“ aufgestellt sind und wir als HypoVereinsbank auf ei­nem guten Weg sind, die beste Kunden­bank in Deutschland zu werden. Damit wird die Bank einen wichtigen Beitrag leisten, das Ziel der UniCredit Group ins­gesamt zu erreichen: Beim Thema Kun­denzufriedenheit die Nummer eins in Eu­ropa zu werden. ó

fl Wir achten sehr stark darauf, dass kundenzufriedenheit in unseren Vertriebs- und Vergütungssystemen eine wichtige rolle spielt.

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Integration in 1.000 TagencommerZBank & dresdner Bank Im Mai 2011, 1.000 Tage nach Ankündigung der Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank konnte „Zusammen Wachsen“, das bis dato größte Integra- tionsprojekt in der deutschen Bankengeschichte erfolgreich abgeschlossen werden. In weniger als drei Jahren ist aus dem Zusammenschluss von Deutschlands ehemals zweit- und viertgrößter Bank eine der führenden Banken für Privatkunden und Firmenkunden in Deutschland mit einer internationalen Präsenz in über 50 Ländern und mit mehr als 50.000 Mitarbeitern entstanden.

keywords: Fusionen, projekt-management, it-integration

Durch die Übernahme der Dresdner Bank ist die Commerzbank nunmehr in Deutschland mit 11 Mio Privatkunden und einem dichten Vertriebsnetz von über 1.200 Filialen vertreten. Im Geschäft mit dem Mittelstand ist sie klarer Markt­führer – über ein Drittel des deutschen Außenhandels wird über die Commerz­bank abgewickelt.

Aufgrund der vergleichbaren Marktpo­sitionierung im Privat­ und Mittelstands­kundensegment, der ähnlichen internati­onalen Präsenz sowie der annähernd glei­chen Größe wurde frühzeitig die Ent­scheidung für eine vollständige Integrati­on beider Banken getroffen. Diese um­fasste personalwirtschaftliche, IT­techni­sche sowie standortbezogene Komponen­ten. Die Vollintegration führte im Ver­gleich zu einer Teilintegration zu einem größeren Potenzial zur Realisierung von Kostensynergien und steigerte zugleich die Komplexität der Umsetzung.

Die Integration der Dresdner Bank wurde zudem in einem herausfordern­den Marktumfeld bewältigt, denn weni­ge Tage nach Ankündigung der Über­nahme meldete die US­Investment­Bank Lehman Brothers Insolvenz an. In der Folge erlebte das globale Finanzmarkt­system die größte Krise in der Nach­kriegsära ” 1.

integrationsansatz & steuerung

Die Prozesse und das Geschäftsmodell der Commerzbank mit seiner ausgegli­chenen Gewichtung von Privat­ und Fir­menkundengeschäft sowie Investment Banking dienten als Zielbild für die neue Commerzbank. Hinsichtlich der IT­Platt­form fiel die Grundsatzentscheidung auf die Commerzbank­Plattform, da diese dem zukünftigen Geschäftsmodell am nächsten war. Aufbauend auf einer Wirt­schaftlichkeitsanalyse wurde die Wieder­eingliederung der auf Seiten der Dresd­ner Bank ausgelagerten Zahlungsver­kehr­ und Wertpapierabwicklung be­schlossen.

Um den unterschiedlichen Integrati­onsanforderungen der Inlandsbank, des Investment Banking sowie der internati­onalen Standorte gerecht werden zu kön­nen, wurden drei weitestgehend getrenn­te Umsetzungspfade aufgesetzt. Das früh­zeitige, von der Integration der IT­Syste­me unabhängige, Etablieren der neuen Organisationsstruktur und Einführen der neuen Marke hat die Komplexität weiter reduziert.

Zur effektiven Steuerung der Integrati­on wurde eine Projektgovernance mit kla­ren Rollen und Verantwortlichkeiten eta­bliert. Der Vorstand agierte als oberstes Entscheidungsorgan für die Integration. Die Projektplanung und ­steuerung er­folgte durch ein zentrales Gremium auf der ersten Führungsebene, das so ge­

nannte Integrationsmanagementteam, wobei die Verantwortung für die Umset­zung der beschlossenen Maßnahmen bei den einzelnen Geschäftseinheiten lag. Da­rüber hinaus dienten verschiedene Len­kungsausschüsse der Koordination bank­übergreifender Themen sowie dem Ma­nagement von Engpassfaktoren. In Summe waren circa 4.500 Projektmitarbeiter aktiv in die Integration eingebunden.

Dank der stringenten Projektsteuerung wurden die finanziellen Integrationsziele zum Teil bereits früher als geplant reali­siert und der Budgetrahmen für die Inte­grationsaufwendungen eingehalten. Die finanziellen Integrationsziele wurden und werden hauptsächlich durch geringe­re Personal­, IT­ und Raumkosten sowie durch Preis­ und Mengeneffekte bei der konzernweiten Zusammenführung von Verträgen mit Dienstleistern und Liefe­ranten erreicht.

integration im inland

Die Integration von zwei Schwergewich­ten im Privat­ und Firmenkundengeschäft mit insgesamt rund 1.600 Standorten und knapp 25.000 Mitarbeitern führte zu ei­ner signifikanten Stärkung der Marktpo­sition der neuen Commerzbank. So ver­fügt die neue Commerzbank über das dichteste Filialnetz im Privatkundenge­schäft mit rund 1.200 Filialen im Zielbild, wodurch ein Zugang zu über 80 % der deutschen Bevölkerung sichergestellt ist.

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Darüber hinaus baut die neue Commerz­bank ihre Marktposition im Wealth Ma­nagement bzw. Firmenkundengeschäft durch ihre künftig rund 40 beziehungs­weise 150 Standorte weiter aus.

Der Zusammenschluss von Commerz­bank und Dresdner Bank war nicht nur für Kunden und Marktumfeld bedeutsam, sondern führte auch zu tiefgreifenden Veränderungen für die Mitarbeiter. Früh­zeitig, im November 2009 bzw. Juli 2010, wurde die Zielorganisation in der Zentra­le bzw. in den Filialen implementiert. Aus personalwirtschaftlicher Sicht lassen sich drei Kernherausforderungen für den Er­folg der Integration benennen: Zum einen musste die Stabilität der Dresdner Bank im Anschluss an die Bekanntgabe der Übernahme sichergestellt werden. Zum zweiten mussten die Mitarbeiter beider Institute in ihre Zielfunktion innerhalb der neuen Commerzbank überführt wer­den. Und schließlich galt es, die beiden Kulturen der ehemaligen Wettbewerber erfolgreich zu integrieren.

Um die Stabilität der Dresdner Bank nach der Übernahme zu gewährleisten, hat die Commerzbank zeitnah die Manage­ment­Kontrolle durch die Übernahme von Vorstandsmandaten, das Etablieren dop­pelter Reportinglinien sowie das selektive Delegieren von Mitarbeitern sichergestellt. Darüber hinaus erfolgten die rasche Beset­zung der ersten und zweiten Führungsebe­ne der neuen Commerzbank sowie die De­finition der zukünftigen Organisations­struktur. Durch diese Maßnahmen und eine gezielte Kommunikation konnte die Unsicherheit bei den Mitarbeitern bezüg­lich ihrer zukünftigen Aufgaben und Pers­pektiven reduziert werden.

Parallel zur personalwirtschaftlichen Umsetzung wurde ein flächendeckendes Change­Management­Programm initi­iert, um den kulturellen Zusammen­schluss zu unterstützen. Dieses Pro­gramm resultierte aus der Einsicht, dass eine Vielzahl von Unternehmenszusam­menschlüssen an kulturellen Barrieren

scheitert. Es wurden bisher mehr als 4.000 „Zusammen Wachsen“­Workshops durchgeführt, um kulturelle Unterschie­de zu identifizieren und das gemeinsame Werteverständnis zu vermitteln. Darüber hinaus wurde der Prozess des kulturel­len Zusammengehens durch den Einsatz aller Führungskräfte als „Change Agents“ unterstützt ” 2.

Im Juni 2010 wurde der Startschuss für die knapp dreimonatige Phase der Mar­kenmigration gegeben, in Folge derer die Commerzbank und die ehemalige Dresd­ner Bank auch nach außen als eine Bank wahrgenommen wurden. Die Entwick­lung der Marke der neuen Commerzbank war der erste große Meilenstein der Mar­kenmigration. Es wurde ein neues Mar­kenzeichen gestaltet, das die Stärken der beiden Marken Commerzbank und Dresd­ner Bank verbindet. Durch die Beibehal­tung der Wortmarke „Commerzbank“ wird ein klares Zeichen für Souveränität und Klarheit sowie Stabilität und Qualität gesetzt. Darüber hinaus steht die Weiter­entwicklung der Bildmarke der Dresdner Bank, im bekannten Commerzbank­Gelb, für Leistungskraft und Partnerschaftlich­

keit, zugleich aber auch für die Kontinu­ität der bestehenden Beziehungen. Die neue Marke charakterisiert somit tref­fend das Selbstverständnis und den An­spruch der neuen Commerzbank.

Nach dem erfolgreichen Etablieren der neuen Organisationsstruktur und dem er­folgreichen Abschluss der Markenmigra­tion stand die technische Zusammenfüh­rung im Mittelpunkt des Integrationspro­jekts. Vor Ankündigung der Übernahme verfolgten Commerzbank und Dresdner Bank grundsätzlich verschiedene Ansät­ze hinsichtlich ihrer Zahlungsverkehrs­ und Wertpapierabwicklung. Während die Commerzbank ihren Zahlungsverkehr so­wie ihre Wertpapiergeschäfte intern ab­wickelte, kaufte die Dresdner Bank diese Prozesse von externen Anbietern ein. Wirtschaftlichkeitsanalysen ergaben, dass die Commerzbank durch interne Ei­genabwicklung von niedrigeren Stück­kosten profitieren kann. Nach Wiederein­gliederung der Zahlungsverkehrs­ und Wertpapierabwicklung werden intern im Jahr rund 2,8 Mrd Zahlungsverkehrs­ so­wie über 5,5 Mio Wertpapiertransaktio­nen abgewickelt.

Frank annuscheit ist im Vorstand der Commerzbank AG, Frankfurt/Main, für die Bereiche Information Technology, Operations, Organisation und Commerz-bank Exzellenz verantwortlich.

ulrich sieber ist im Vorstand der Com-merzbank AG, Frankfurt/Main, zuständig für Central & Eastern Europe, Human Resources und Commerzbank Exzellenz.

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In Vorbereitung auf die Überführung der Kunden­ und Produktdaten der Dresdner Bank in die Systeme der Commerzbank wurden im August 2010 die IT­Systeme der Commerzbank im größten Software­Re­lease der Firmengeschichte, dem Harmo­nisierungs­Release, angepasst. Die Anpas­sungen umfassten die Vorbereitung der Systeme auf das höhere Datenvolumen der integrierten Bank, selektive funktionale Erweiterungen sowie Vorkehrungen, damit Kunden der ehemaligen Dresdner Bank ihre Kontonummer beibehalten konnten. Einen weiteren wichtigen Meilenstein mar­kierte die Migration der Kunden­ und Pro­duktdaten an Ostern 2011. An diesem Wo­chenende wurden mehr als 5 Mio Kunden und circa 1 Mrd Datensätze der Dresdner Bank in die Systemwelt der Commerzbank überführt. Um die Konsistenz der Kunden­ und Produktdaten sicherzustellen, wurden die Daten nicht phasenweise, sondern in einem Schritt in die Systeme der Com­merzbank übertragen.

Der übergreifende Erfolg der Datenmi­gration wurde insbesondere durch die enge Verzahnung der Fach­ und IT­Abtei­lungen sichergestellt. Die operative Steu­erung erfolgte in einem gemeinsamen zentralen und diversen dezentralen Leit­ständen. Über 2.500 Mitarbeiter arbeite­ten am Osterwochenende erfolgreich im 3­Schicht­Betrieb am reibungslosen Ver­lauf der Datenmigration. Bis Ende des Jahres 2011 werden die Daten der ehema­ligen Dresdner Bank archiviert, und durch das Abschalten der nicht mehr be­nötigten IT­Systeme werden große Teile der Sachkostensynergien realisiert. Zu­dem werden durch das Zusammenlegen nah beieinander liegender Filialen sowie die Optimierung der je Mitarbeiter ge­nutzten Flächen und die Reduktion von Leerständen die Raumkosten des Kon­zerns reduziert.

integration des investment Banking

Im Investment Banking wurde im Zuge der Integration das kundenorientierte Invest­

change-Management-architektur der commerzbank entwickelt

2

! Definition eines gemeinsamen Werterahmens ! Verantwortung aller Führungskräfte als

Change Agents ! Dezentrale Umsetzungsverantwortung für

Change Management

Grundprinzipien des Change Managements … … als Basis für den Change-Kreislauf

1

2

3

Einsatz von Diagnoseinstrumenten

4

Umsetzung von Maßnahmen

Con- trolling

5

6

7

„Betroffene zu

Beteiligten machen“

Identi-fikation von Hand- lungs- feldern

Größtes integrationsprojekt in der deutschen Bankengeschichte

Differenzierter iT-integrationsansatz für internationale Standorte, investment Banking und inland

1

3

Hohes Synergiepotenzial, aber auch hohe Umsetzungskomplexität bei Vollintegration von zwei annähernd gleichgroßen Banken mit ähnlichem Geschäftsmodell.

+ Kunden Inland 5 Mio

26 Tsd

Nr. 4

1.000

6 Mio

43 Tsd

Nr. 2

1.000

625 Mrd 421 Mrd

Mitarbeiter

Anzahl IT Anwendungen

Marktposition Deutschland

Commerzbank Dresdner Bank

Auslandspräsenz 41 Länder53 Länder

Bilanzsumme (!)

Stand: 2008.

Inlandsbank

Aufgrund der hohen Schnitt-stellenkomplexität der hochintegrierten Plattformen gilt:„Mischen Impossible“

„Gelbe“ Zielplattform aufgrund Übernahme des „gelben“

Geschäftsmodells

Integration von Handelplatt-formen eBond und eFx der

DKIB in „gelbe“ System-landschaft

Maßgebliche Vereinheitlichung der Zielplattform jeweils für

PWM und Mittelstandsbank mitIBS Phoenix als Zielsystem

Investment Banking

Weniger hoch integrierte Systemlandschaft auf BasisKaufsoftware

Erweiterung des „gelben“Geschäftsmodells in FIC

Internationale Standorte

Separate Systemland-schaften

Unterschiede in Cash Concentrating und Payment Routing

EquitiesCorporateFinance Treasury

FixedIncome

Page 11: Modelle – Strategien – Perspektiven

ment Banking der Commerzbank mit dem umfassenden Produktangebot und der gro­ßen Erfahrung der Dresdner Bank im ins­titutionellen Geschäft und Fixed Income kombiniert. Diese Kombination war letzt­lich das Resultat des Zusammenführens der Investment­Banking­Aktivitäten dreier Häuser ­ Commerzbank, Dresdner Bank und Dresdner Kleinwort. Im Ergebnis ist hierdurch ein Geschäftszweig mit einem erweiterten Kunden­ und Produktportfolio bei gleichzeitiger Verbesserung des beste­henden Kundenservice entstanden.

Die neue Commerzbank sieht den zu­künftigen Schwerpunkt ihrer Geschäfts­beziehungen in Deutschland und Europa, insbesondere in den Feldern „Equity Mar­kets and Commodities“, „Corporate Fi­nance“ sowie „Fixed Income and Curren­cies“.

Im Gegensatz zum zuvor skizzierten „Big Bang“­Ansatz bei der Datenmigrati­on im Inland erforderten die spezifischen Anforderungen im Investment Banking eine phasenweise Kunden­ und Positi­onsmigration. Die Notwendigkeit für ein solches phasenweises Vorgehen ergab sich aus der hohen Komplexität der exis­tierenden Systemlandschaften sowie dem hohen Anteil nicht­standardisierter Produkte und manueller Tätigkeiten.

integration der internationalen standorte

Zum Zeitpunkt der Übernahme waren Commerzbank und Dresdner Bank ge­meinsam mit rund 17.000 Mitarbeitern in 60 Ländern vertreten. Für die Integration der internationalen Standorte waren zwei wesentliche Herausforderungen zu bewäl­tigen: die Erfüllung unterschiedlicher re­gulatorischer Anforderungen in den ein­zelnen Länder sowie die Migration beste­hender Kunden­ und Produktdaten aus einer Vielzahl heterogener IT­Systemwel­ten auf eine harmonisierte Plattform ” 3.

Darüber hinaus musste der Integrati­onsansatz den erhöhten Anforderungen im Ausland gerecht werden: Stärkung der

lokalen Verantwortung in den jeweiligen Ländern und klarer Fokus auf das lokale Geschäft.

Um dies zu erreichen, wurde die Rolle eines lokalen Integrationsmanagers ein­geführt, der für den Integrationserfolg vor Ort verantwortlich war. Die übergreifende Steuerung und Koordination der Aktivitä­ten erfolgte durch einen Lenkungsaus­schuss, der an das Gesamtintegrations­programm berichtete.

Die Planung der Integration in den in­ternationalen Standorten erfolgte parallel zu jener im Inland. Die Umsetzung muss­te jedoch vor der Migration der Kunden­ und Produktdaten im Inland abgeschlos­sen werden, um doppelte Ressourcenbe­lastungen zu vermeiden und die Auswir­kungen auf die Integrationsaktivitäten im Inland zu beschränken. Aufgrund des en­gen Zeitplans musste eine geeignete Pri­orisierung gewählt werden. So wurden die Länder nach der unterschiedlich ho­hen Komplexität der Integrationsumset­zung klassifiziert.

Ähnlich wie im Inland standen neben der personalwirtschaftlichen Umset­zung, den Umzugsaktivitäten in die Zielstandorte und der Markenmigration im Wesentlichen die folgenden Aufga­ben im Fokus der internationalen Inte­grationsaktivitäten: Harmonisierung der IT­Systeme sowie Migration der Kunden­ und Produktdaten. Dies waren wesentliche Voraussetzungen für das Abschalten der nicht mehr benötigten Systeme in den internationalen Stand­orten und die Realisierung der IT­Syn­ergien im Ausland.

Trotz der skizzierten Herausforderun­gen konnte die Integration der interna­tionalen Standorte Ende 2010 nach we­niger als zwei Jahren erfolgreich abge­schlossen werden. Darüber hinaus konnte der sozialverträgliche Stellenab­bau wie geplant durchgeführt werden, wodurch die internationalen Standorte ihren Beitrag zur Erfüllung der ehrgei­zigen Synergie­Ziele leisteten.

lessons learned

Das größte Integrationsprojekt in der deutschen Bankengeschichte konnte in 1.000 Tagen planmäßig abgeschlossen werden. Rückblickend lässt sich hierfür eine Vielzahl von Kernfaktoren identifi­zieren, die für den Erfolg der Integration verantwortlich zeichnen:

ó Handlungssicherheit durch frühzeitige Benennung des Vorstands und Besetzung der ersten und zweiten Führungsebene, um direkte Kontrolle zu etablieren und die Organisation im Anschluss an die Ankün­digung der Übernahme zu stabilisieren.

ó Eindeutige und schnelle Richtungsent­scheidungen, beispielsweise hinsichtlich des zukünftigen Geschäftsmodells sowie der Zielprozesse, und entsprechende Kommunikation dieser Entscheidungen zur Sicherstellung einer klaren Pro­jektausrichtung.

ó Kombination einer zentralen Planung und Steuerung mit dezentraler Umset­zung, um eine planmäßige Umsetzung so­wie Steuerung der Ressourcenengpass­faktoren bei enger Begleitung der Integrationsarbeit im gesamten Integra­tionsverlauf sicherzustellen.

ó Entkopplung der Umsetzungspfade und zeitliche Entzerrung der Umsetzung, um die Komplexität insbesondere in der IT so­wie das Migrationsrisiko zu reduzieren.

ó Schnelle Klarheit und Transparenz für die Mitarbeiter, um frühzeitig Sicherheit zu ge­ben und Schlüsselmitarbeiter für die Integ­ration und darüber hinaus zu binden.

ó Vorziehen der Markenmigration vor die IT­Integration, um ein frühzeitiges Kun­denerlebnis der neuen Commerzbank für die Kunden zu ermöglichen.

ó Information und Aufnahme von Mitar­beiter­Feedback durch Top­down­ und Bottom­up­Kommunikationsansätze, um den Erfolg der kulturellen Integration zu unterstützen.

Mit dem Erfolg der Integration im Rü­cken ist die neue Commerzbank nun we­sentlich besser aufgestellt, um den Heraus­forderungen der Zukunft zu begegnen. ó

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Was Retail-Banken aus der Krise lernen können die eiGenen kunden Besser Verstehen Angst vor Vermögensverlust, höheres Qualitätsbewusstsein und geringere Bedeutung der persönlichen Beratung – dies sind zurzeit entscheidende psychologische Para-meter im Geschäft mit Privatanlegern. Dieser Befund hat zwangsläufig den Charakter einer Momentaufnahme. Es kommt deshalb darauf an, die längerfristigen Trends darin zu erkennen und daraus Folgerungen für das Angebot von Bankdienstleistungen abzuleiten. Wie das praktisch und konkret aussehen könnte, lässt sich an drei Beispielen illustrieren: Produkte, Preisgestaltung, Services.

keywords: retail Banking, kundenorientierung, Geschäfts-politik

Retail Banking gilt als krisenfest. Und in der Tat: Verglichen mit anderen Ge­schäftsmodellen ist das Geschäft mit Gi­rokonten, Sparbüchern, Privat­ und Ei­genheimkrediten ein eher ruhig fließen­der Strom ­ ohne gefährliche Strudel und Stromschnellen. Die gelassene Reaktion vieler Kunden auf die Finanzmarktkrise

scheint das auf den ersten Blick zu bestä­tigen. In einer Studie von TNS Infratest gaben Mitte 2010 zwei Drittel der befrag­ten Erwachsenen an, sie selbst seien „von der Krise nicht wirklich betroffen“. Bei den Gutverdienern lag dieser Anteil sogar noch höher. Dieser Eindruck wird bestä­tigt durch eine repräsentative Umfrage, die der Bankenverband im Frühjahr 2011 unter wahlberechtigten Deutschen durch­führen ließ: Befragt zum Verhältnis ge­genüber ihrer eigenen Bank sagten 90 %,

ihr Vertrauen habe überhaupt nicht oder nicht so stark gelitten. Demnach wäre das Vertrauensverhältnis der Kunden zu ih­rer eigenen Bank auch nach der Finanz­marktkrise weitgehend intakt.

Auch die Zufriedenheit der Kunden ist unverändert hoch. In der bereits genann­ten Umfrage des Bankenverbandes gaben 88 % der Befragten an, sie seien mit den Leistungen ihrer eigenen Bank zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Dieser hohe Wert entspricht exakt demjenigen des Jahres 2006, dem Jahr vor Ausbruch der Finanzmarktkrise.

spuren der krise: Wie Bankkunden sich verändert haben

Können Retail­Banken jetzt also die Krise abhaken und zur Tagesordnung überge­hen? Sicher nicht. Denn wenn man etwas genauer hinsieht, erkennt man deutliche Spuren, die die Finanzmarktkrise im Be­wusstsein und im Verhalten der Kunden hinterlassen hat. Vor allem die Kunden von Anlage­Produkten sind nicht mehr die, die sie vor der Krise noch waren. Bei ihnen zeigt sich am deutlichsten, was bei Giro­, Baufinanzierungs­ und Kreditkun­den weniger stark sichtbar wird: ein Ver­trauensverlust gegenüber der Finanz­branche insgesamt.

stefan Jütte ist Vorsitzender des Vorstands der Deutsche Postbank AG, Bonn.

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Auch wenn das Vertrauen gegenüber der eigenen Bank nach wie vor hoch ist, muss man die Skepsis gegenüber der Branche insgesamt als besorgniserregend einstufen. Hatten die Menschen in der ge­nannten Studie des Bankenverbandes zwar ihrer eigenen Bank das Vertrauen ausgesprochen, so sagten 43 % der Be­fragten aber auch, ihr Vertrauen zu „den Banken“ habe angesichts der Finanz­marktkrise stark gelitten.

Zugenommen hat auch die Inflations­angst. Jeder dritte Berufstätige in Deutsch­

land befürchtet inzwischen, dass seine Er­sparnisse immer mehr an Wert verlieren, weil die hohe Staatsverschuldung die Prei­se treibt. 41 % glauben nach den Erfahrun­gen der Finanzkrise sogar, dass es eine wirklich sichere Altersvorsorge gar nicht gibt – für die Zukunft der privaten Alters­vorsorge ist das ein alarmierendes Ergeb­nis (Allensbach­Studie 2011/12 zur Alters­vorsorge im Auftrag der Postbank).

Getrieben durch die Staatsschuldenkri­se richtet sich die Inflationsangst der An­leger nicht mehr nur auf den schleichen­den Wertverfall infolge kontinuierlicher Geldentwertung. Sie ist zur generalisier­ten Angst vor Vermögensverlust gewor­den. Eine Folge ist die schnell steigende Nachfrage nach Sachwerten wie Gold und Immobilien. Vor allem Immobilien erle­ben seit Mitte 2011 als „Beton­Gold“ ei­nen Nachfrage­Boom, der durch die güns­tigen Zinsen zusätzlich befeuert wird. Zeitweise trug der Run auf Immobilien derart irrationale Züge, dass ein großer Anbieter von Immobilienfinanzierungen sich genötigt sah, vor „überstürztem Im­mobilienkauf“ zu warnen.

Deutlich gestiegen ist auch das Quali­tätsbewusstsein: 60 % der Befragten ach­

teten 2010 beim Abschluss von Bank­dienstleistungen stärker auf Qualität und Leistung als auf den Preis – auch bei Standardprodukten. 2004 war dagegen die Qualität nur für 52 % das entscheiden­de Kriterium. Dem entspricht, dass die Zahl der Schnäppchenjäger, für die der Preis die entscheidende Rolle bei einer Bankdienstleistung spielt, sich im glei­chen Zeitraum fast halbiert hat (TNS Inf­ratest). In dieses Bild passt auch, dass Bankkunden derzeit deutsche, renom­mierte Marken bevorzugen und dass die

Kundenbindung im Bankensektor ten­denziell zugenommen hat, während sie in anderen Branchen weiterhin abnimmt.

Die persönliche Beratung wird zuneh­mend durch andere Informationsquellen ergänzt. Nach TNS Infratest werden Foren, Blogs und Newsgroups im Internet für An­leger immer wichtiger. Bereits jeder Zehn­te nutzt diese Informationsquellen, um sich über Finanzprodukte zu informieren. Dazu passt, dass Kunden seltener persön­lich eine Bankfiliale besuchen. Laut aktu­eller Befragung des Bankenverbandes ge­hen heute nur noch 33 % der Kunden min­destens einmal pro Woche zu ihrer Bank. Vor zehn Jahren waren es noch 42 %. Die Zahl der Kunden, die Online Banking nut­zen, hat sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt. Heute erledigen 44 % der Bankkunden ihre Bankgeschäfte ganz oder teilweise am Computer.

handlungsoptionen für retail-Banken

Angst vor Vermögensverlust, höheres Qualitätsbewusstsein und geringere Be­deutung der persönlichen Beratung ­ dies sind zurzeit entscheidende psychologi­sche Parameter im Geschäft mit Privatan­legern. Dieser Befund hat zwangsläufig

den Charakter einer Momentaufnahme. Es kommt deshalb darauf an, die länger­fristigen Trends darin zu erkennen und daraus Folgerungen für das Angebot von Bankdienstleistungen abzuleiten. Wie das praktisch und konkret aussehen könnte, lässt sich an drei Beispielen illustrieren: Produkte, Preisgestaltung, Services.

Produkte einfach machen: Der Erfolg der Apple­Produktfamilie liegt zu einem gro­ßen Teil an ihrer Einfachheit für den Be­nutzer. Meistens klappt es ohne Ge­brauchsanweisung. Was jedoch bei Ge­brauchselektronik vom Nutzer lediglich als komfortabel erfahren wird, hat bei Bankprodukten eine zusätzliche, psycho­logische Dimension, zumal in Krisenzei­ten: Komplexität erzeugt Unsicherheit. Komplexe Produkte erwecken die Furcht, etwas falsch zu machen, etwas Wichtiges zu übersehen (was dem Kunden später schaden könnte). Vereinfachung dagegen schafft Vertrauen.

Ein Produkt, das der Kunde ohne Ge­brauchsanweisung verstehen kann, ver­ringert seine Angst vor einer Fehlent­scheidung. Als Nebeneffekt reduzieren einfache Produkte den Bedarf an Bera­tung. Was dabei gern übersehen wird: Auch die Vielfalt des Angebots bestimmt den Grad an Komplexität, mit dem der Kunde umgehen muss. „Produkte einfach machen“ bedeutet deshalb auch: die Pro­duktauswahl übersichtlich halten. Im Ide­alfall deckt die Palette der angebotenen Produkte die wesentlichen Bedarfssitua­tionen der meisten Kunden ab und bleibt trotzdem auf wenige Einzelprodukte bzw. Produktvarianten beschränkt.

Produkte, die ganz ohne „Gebrauchsan­leitungen“ selbsterklärend funktionieren, wird es im Bankgeschäft kaum geben können: Selbst bei einem so einfachen Produkt wie dem Girokonto braucht man einen Eröffnungsantrag mit Identitäts­prüfung, die Allgemeinen Geschäftsbe­dingungen und eine Bedienungsanlei­tung für das Online Banking. Bei Anlage­

fl komplexität erzeugt unsicherheit. komplexe Produkte erwecken die Furcht, etwas falsch zu machen, etwas Wichtiges zu übersehen. Verein- fachung dagegen schafft Vertrauen.

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produkten kommen noch Produktinfor­mationsblätter dazu. Gerade hier liegt je­doch eine große Chance zur Vereinfa­chung. Noch immer sind viele Informati­onstexte von Banken so schwer verständ­lich wie eine Doktorarbeit. Spricht irgend­etwas dagegen, dass auch ein rechtlich bindender Text verständlich formuliert wird? Steht irgendwo geschrieben, dass Informationstexte für Bankkunden ge­spickt sein müssen mit Fremdwörtern, Schachtelsätzen und Bürokratendeutsch? Hier müssen wir stetig dazulernen.

Faire konditionen mit transparenten chancen und risiken: Kunden sind be­reit, für eine gute Dienstleistung einen fairen Preis zu bezahlen. Doch nur wenn man das Produkt und seinen Nutzen ver­steht, kann man überhaupt beurteilen, ob es seinen Preis wert ist. Dies war ein gra­

vierendes Manko einiger Anlageprodukte der Vorkrisenzeit. Zur Transparenz ge­hört allerdings auch, unrealistische Er­wartungen auf Seiten des Kunden nicht zu befördern. Banker sind keine Alchi­misten. Hohe Ertragschancen bei null Ri­siko und sofortiger Verfügbarkeit sind keine realistische und damit auch keine faire Produktbeschreibung. Dennoch gibt es auch gegen die Angst vor Inflation gute Argumente: den Zinseszinseffekt, den Cost­Average­Effekt und die Erkenntnis, dass ein langer Anlagehorizont über die Zyklen hinweg ein Volatilitätsrisiko ver­ringert. Die passenden Produkte dafür gab es schon lange vor der Krise.

Serviceerfahrung: Service ist nicht zwangsläufig an Dienstleistungen physi­scher Personen geknüpft. Die Bedie­

nungsfreundlichkeit und Sicherheit von Internet­Services, einfache Handhabung beim Anlegen und Auflösen von Geldan­lagen, verständliche Produktinformatio­nen, Tools zur Bedarfsermittlung und Er­folgsberechnung von Geldanlagen, kun­denfreundliche Haftungsregelungen – all dies sind Services, die von den Kunden als positiv und vertrauensbildend erlebt werden. Im Nebeneffekt unterstützen sie den Beratungsprozess und helfen zumin­dest teilweise, verloren gegangenes Ver­trauen gegenüber der persönlichen Bera­tung zurückzugewinnen.

kundendialog unter retailbedingun-gen – Quadratur des kreises?

Besonders intensiv erfahren Kunden „Service“ als persönliche Hinwendung zu ihrer individuellen Situation. Ein gelun­genes Gespräch mit dem Berater, die Er­

fahrung des Kunden „der hat sich Zeit für mich genommen und mich wirklich ver­standen“ ist durch kein Online Tool und keinen noch so modernen Automaten zu ersetzen. Ohne Frage ist ein derartiges Gespräch für die Bindung eines Kunden an seine Bank von hohem Wert. Doch ge­rade darin liegt für Retail­Banken eher eine Problemanzeige als ein Lösungsan­satz. Denn die simple Ausweitung der persönlichen Beratung ist für Retail­Ban­ken keine ernsthafte Option. Die ökono­mischen Spielräume, innerhalb derer man Retail Banking erfolgreich betreiben kann, sind dafür zu eng.

Da im Retail­Geschäft Margen und Vo­lumen den üblichen Grenzen unterliegen, braucht man viele Kunden mit gleich ge­lagerten Bedürfnissen, um belastbare Er­träge zu erzielen. Größe allein im Sinn

von vielen Kunden ist es aber auch nicht. Vielmehr ist Effizienz gefragt sowie Qua­lität und Konstanz.

Zahlreiche Versuche der vergangenen Jahre, die Ertragsbasis im Kundengeschäft zu steigern, muss man inzwischen als ge­scheitert betrachten. Insbesondere der eins­tige Hoffnungsträger „Cross Selling“ hat in der Praxis die Erwartungen nicht erfüllt. Auch die zahlreichen Anstrengungen, neue Produkte zu entwickeln, mit denen man zu­sätzliches Geld verdienen kann, waren nur mäßig erfolgreich: Sie haben entweder das bestehende Sortiment kannibalisiert oder waren schwer verkäuflich, weil die Kunden keinen Bedarf für Neuheiten sahen.

lernen von den eigenen kunden: kundenbeirat als think tank

Wenn aber die persönliche Beratung an Budgetgrenzen stößt und wenn die Suche nach neuen, erfolgreichen Angeboten im­mer wieder scheitert ­ wie will man dann vermeiden, dass das Verhältnis zwischen dem Kunden und seiner Bank zum insti­tutionalisierten Missverständnis wird – frustrierend für beide Seiten? Die klassi­sche Antwort auf diese Frage heißt Markt­forschung: Indem eine Bank versucht, he­rauszufinden, was ihre Kunden wollen, vermeidet sie fehlgesteuerte Angebote. Das Instrumentarium dafür hat sich in den vergangenen Jahren rasant verbes­sert. So gut die Marktforschung aber auch funktioniert, lässt sie doch ein gewaltiges Potenzial brachliegen: die Erfahrung der eigenen Kunden mit ihrer Bank. Dieser Erfahrungsschatz ist in einem doppelten Sinn „unschätzbar“: Positiv, weil niemand die Stärken und Schwächen seiner Bank so gut kennt wie langjährige Kunden, aber auch negativ, weil es schmerzhaft sein kann, mit den Erfahrungen der eige­nen Kunden konfrontiert zu werden.

Derartige Überlegungen haben dazu ge­führt, dass viele Banken die Erfahrung ih­rer Kunden mit der eigenen Bank „neu entdeckt“ haben. Ein institutioneller Rah­men dafür sind Kundenbeiräte, Arbeits­

fl Zahlreiche Versuche der vergangenen Jahre, die Ertragsbasis im kunden-geschäft zu steigern, muss man inzwischen als gescheitert betrachten. insbesondere der einstige Hoffnungsträger „cross Selling“ hat in der Praxis die Erwartungen nicht erfüllt.

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gruppen, in denen engagierte Kunden ge­meinsam mit ihrer Bank an Verbesserun­gen des Ange bots arbeiten. Die Resonanz darauf ist so gut, dass Kundenbeiräte in­zwischen zum positiven Imagefaktor von Banken geworden sind.

Doch das ist kein Selbstläufer. Es wäre ein Fehler anzunehmen, dass auch eine nicht ernst gemeinte Interaktion mit Kun­denbeiräten der Imagepflege dienen könn­te: Kunden, die sich für eine Mitarbeit in einem Beirat entscheiden, haben ein star­kes Interesse daran, sich aktiv einzubrin­gen und reagieren sehr sensibel, wenn ih­nen statt einer Diskussion auf Augenhöhe lediglich ein schönes Abendessen serviert wird. Im Idealfall erfüllt ein Kundenbeirat zwei wichtige Aufgaben:

ó Er spiegelt die Kundenwahrnehmung in Hinblick auf Produktqualität, Service­leistungen und Image. Er hilft dadurch der Bank, „mit den Augen des Kunden zu sehen“.

ó Er unterstützt bei der Entwicklung und Bewertung von Ideen zur Verbesserung des Angebots. Dadurch wird der Kunden­beirat zu einem zusätzlichen „Think Tank“, der das Produktdesign, das Marketing, das Corporate Design und weitere Entwick­lungseinheiten wirksam flankiert.

Bei der Postbank war der Kundenbeirat beispielsweise aktiv in die Neugestaltung der Filialen eingebunden. Das Ergebnis waren unter anderem barrierefreie Ein­gangsbereiche mit großen, automatisch öffnenden Türen, matte Bodenflächen zur Verhinderung von Lichtreflexen und eine spezielle Bestuhlung mit Armlehnen für den besseren Halt beim Hinsetzen und Aufstehen von älteren Kunden. Auch in die Usabilty­Tests der künftigen Selbstbe­dienungsterminals war der Kundenbeirat eingebunden. Dadurch konnte das Ober­flächendesign und die Menüführung der Terminals deutlich verbessert werden.

Beschwerden unzufriedener Kunden galten lange Zeit als eine Art „Kollateral­schaden des Retail Banking“: So wie ein

Mensch mit zu langen Armen sich nicht beschweren soll, dass ihm der Anzug von der Stange nicht passt, so soll auch der Retailkunde mit dem zufrieden sein, was seine Bank ihm bietet. Wenn er Sonder­wünsche hat, möge er bitteschön zu einer Bank gehen, die auf Maßanfertigungen spezialisiert ist. Die ökonomische Grund­entscheidung, die hinter dieser Position steckt, hat zwar ihre Berechtigung – ver­gleiche die Ausführungen zur Beratungs­intensität weiter oben – und doch lohnt es sich, wesentlich differenzierter hinzu­schauen.

reklamation als chance

Zunächst ist ein Kunde mit einer Be­schwerde ein gefährdeter Kunde. Er hat sich geärgert, und wenn er sich noch mehr ärgert, besteht die Gefahr, dass er seiner Bank den Rücken kehrt. So para­dox es zunächst klingt: Alle Beobachtun­gen deuten darauf hin, dass ein Kunde, dessen Beschwerde zu seiner Zufrieden­heit erledigt wurde, sich seiner Bank we­sentlich stärker verbunden fühlt, als ein Kunde, der nie Grund zum Klagen hatte. Darin liegt die eigentliche Chance der Re­klamation: Gut organisiert kann sie zu ei­nem Motor der Kundenbindung werden.

Unter Retailbedingungen ergibt sich daraus eine ähnliche organisatorische Herausforderung wie in der Frage der In­dividualberatung: Wie kann man den Pro­zess der Reklamationsbearbeitung so steuern, dass die Kosten nicht ausufern und der Kunde dennoch ein intensives Serviceerlebnis hat? Und wie bei der Be­ratung liegt auch hier der Schlüssel in der Vereinfachung.

Vereinfachung, das bedeutet auf kunden-seite: Es gibt eine zentrale Anlaufstelle für Kundenanliegen. Sie ist das Eingangs­tor für alle Reklamationen und Beschwer­den. Sie ist Tag und Nacht über verschie­dene Kanäle erreichbar. Dort sitzen Men­schen, die im Umgang mit Beschwerden geschult sind. Denen zum Beispiel klar

ist, dass es für die Annahme einer Be­schwerde unerheblich ist, ob der Kunde einen Fehler gemacht hat oder die Bank. Nichts ist schlimmer, als wenn ein Kunde mit seiner Beschwerde zuerst von Pontius zu Pilatus geschickt wird und dann er­fährt, dass er ja selbst schuld ist an seiner Misere. Bei einer Reklamation entschei­det der erste Kontakt darüber, ob der Kun­de Qualität erlebt oder Inkompetenz.

Vereinfachung, das bedeutet auf Bank-seite: Hinter dem Eingangstor gibt es ei­nen IT­unterstützten Bearbeitungspro­zess für Reklamationen unterschiedlichs­ter Art. Schriftliche Dokumente werden digitalisiert, um Medienbrüche zu ver­meiden. Doppelbearbeitungen derselben Beschwerde werden durch ein eindeuti­ges Kodierverfahren vermieden. Service­level Agreements regeln, wie lange eine Beschwerde bis zum Abschluss dauern darf. Alle verwendeten Textbausteine werden systematisch auf Verständlichkeit und Serviceorientierung geprüft. Für komplexe Sachverhalte gibt es Argumen­tationshilfen, die von den Fachabteilun­gen zugeliefert werden müssen. Eine zen­trale Datenbank erschließt den Pool der Textbausteine und Argumentationshilfen und stellt zugleich eine geregelte Aktua­lisierung dieser Materialien sicher.

resümee

Fassen wir zusammen: Die Finanzmarkt­krise hat das Verhalten unserer Kunden verändert. Besonders stark sind die Aus­wirkungen auf private Anleger. Doch was wir heute als Irritation und Desillusionie­rung unserer Kunden erleben, beinhaltet auch eine große Chance: Die Chance, aus der Kritik unserer Kunden zu lernen. Es kommt darauf an, ihnen Angebote zu ma­chen, die sie als verständlich, fair und im Wortsinn preiswert erleben. Und es kommt darauf an, unsere Kunden besser zu verstehen. Kundenbeiräte und ein gu­tes Management von Reklamationen spie­len dabei eine wichtige Rolle. ó

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Privatkundengeschäft der Deutschen Bank in Europamultichannel adVisory BankinG Die Kunden von heute wünschen sich eine individuelle Beratung, ein auf sie zugeschnittenes Produktangebot und Vielfalt bei den Zugangswegen zur Bank. Dem muss mit dem Aufbau eines konsistenten Multikanal-Angebots entsprochen werden. Der Kunde selbst bestimmt, auf welchem Weg er mit der Bank in Kontakt tritt und auf welche Weise er mit Informationen versorgt werden möchte. Moderne Multichannel-Konzepte haben direkten Einfluss auf die IT Architektur. Die Herausforderung besteht darin, Altsysteme in die Zielarchitektur zu integrieren.

keywords: privatkunden, Vertriebskanäle, informations-technologie

Der Bereich Private & Business Clients (PBC) der Deutschen Bank ist neben Deutschland in fünf weiteren europäi­schen und zwei asiatischen Ländern ak­tiv: in Belgien, Italien, Spanien, Portugal und Polen sowie in China und Indien. Das internationale Privatkundengeschäft von PBC umfasst 4,5 Mio Kunden, etwas über 8.000 Mitarbeiter und mehr als 800 Filialen.

In Belgien hat sich die Deutsche Bank auf vermögende Privatkunden speziali­siert. In 31 Filialen betreut die Bank hier rund 310.000 Kunden ­ verglichen mit an­deren Ländern, insbesondere mit Deutsch­land, ein recht kleines Filialnetz.

Darin liegt die Herausforderung, der sich die Deutsche Bank Belgien gestellt hat: Um im Advisory Banking ohne flä­chendeckendes Filialnetz die führende Position weiter auszubauen, ist ein Mul­tikanal­Vertrieb strategisch notwendig. In diesem Rahmen hat die Deutsche Bank Belgien das erste Projekt für das Topsegment ihrer Kunden erfolgreich umgesetzt. Ein Ausbau des Multikanal­Vertriebs ist für weitere Kundenseg­mente und auch für weitere europäische

Länder auf einer einheitlichen Plattform in Realisierung.

Ein weiterer Grund dafür, dass Belgien der ideale Ausgangspunkt für die Ent­wicklung einer Multikanal­Plattform ist, zeigt sich in einer Studie von McKinsey und EFMA.1 Danach befinden sich euro­päische Banken in Bezug auf Multikanal­

Vertrieb in unterschiedlichen Stadien. Das Stadium wird hauptsächlich durch die Online­Affinität der jeweiligen Länder definiert und nicht so sehr durch die Ak­tivität der Banken vor Ort. Belgien ist laut dieser Studie in der Gruppe der Länder, in denen die Kunden offen für Multikanal­Banking sind.

kundenbedürfnisse und -erwartungen im Wandel

Kundenbedürfnisse und ­erwartungen sind in der heutigen Zeit einem ständigen Wandel unterworfen. Haupttreiber des Wandels sind auf der einen Seite die im­mer schneller aufkommenden technolo­

gischen Innovationen, die von der Mehr­heit der Kunden schnell adaptiert wer­den, wie etwa iPhone und iPad. Auf der anderen Seite haben aber auch die Erfah­rungen aus der Finanzkrise deutliche Spuren im Kundenverhalten hinterlas­sen. Der Kunde von heute ist kritischer geworden, er trifft Entscheidungen lieber

eigenständig und hat eine deutlich nied­rigere Hemmschwelle, das Institut zu wechseln, sollte er mit den Produkten und Services unzufrieden sein. Durch das Internet kann er sich mit anderen Verbrauchern austauschen und schnell einen Überblick über das Angebot der Wettbewerber verschaffen. Wir haben es mit einem selbstbewussten Bankkunden zu tun, der bei unpassenden Angeboten und schlechtem Service innerhalb von Sekunden zur Website des Konkurrenten wechselt.

Was erwarten die Kunden von ihrem Fi­nanzinstitut? Die Deutsche Bank Belgien hat hierzu ihre Kunden befragt.

fl Bankgeschäfte werden dort getätigt, wo der kunde es möchte. Damit hat sich auch die Bedeutung der Filiale verändert. und es ist ein klarer Trend hin zu „nicht physischen“ Schnittstellen (im internet, mobil, am Geldautomat) mit dem kunden erkennbar.

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Sie wollen: ó Produkte, die für ihre Bedürfnisse re­levant sind,

ó proaktives Vorgehen der Bank, ins­besondere bei der Information über Risiken,

ó ein klares Bild davon, was von einer Geldanlage zu erwarten ist,

ó individuelle Beratung, ó klare, relevante und konsistente Infor­mation.

Auch andere Studien kommen zu ähnli­chen Schlussfolgerungen, so etwa Ernst & Young:2 „Personalization, proactive ser­vice and quality of advice at a competitive price are the key elements to rebuild con­fidence with affluent consumers.“

Was heißt „alternative kanäle“?

„Customer Experience is the new holy grail of retail financial services, but the key lessons are not so much about pre­sence and service, as they are about un­derstanding the core needs of the custo­mer.“3 Das Kundenerlebnis findet heute nicht mehr nur in der Filiale statt, son­dern in jedem Kanal, über den der Kunde mit seiner Bank in Kontakt tritt.

Früher wurden sämtliche Bankgeschäf­te in der Filiale getätigt. Für andere, im Laufe der Zeit hinzukommende Kanäle wie zum Beispiel Internet, Mobiltelefon, Geldautomat etc. wurden Begriffe wie Re­mote Banking oder Alternative Channels geprägt, die ausdrücken sollten, dass je­dem dieser Kanäle nur eine begrenzte Be­deutung zukam. Eine solche Betrach­tungsweise verliert jedoch zunehmend an Bedeutung. Denn auch die Filiale ist heu­te einer von mehreren Kanälen. Bankge­schäfte werden dort getätigt, wo der Kun­de es möchte. Damit hat sich auch die Be­deutung der Filiale im alltäglichen Bank­geschäft verändert. Und es ist ein ganz deutlicher Trend hin zu „nicht physi­schen“ Schnittstellen (im Internet, mobil, am Geldautomaten etc.) mit dem Kunden erkennbar. Eine Umfrage von McKinsey

zeigt, dass im Jahr 2015 rund 43 % der Be­fragten ein Kontokorrentkonto über einen Direktkanal (Internet, Geldautomat, Mo­biltelefon) abschließen würden, 59 % so­gar ein Sparkonto.4

Die Filiale hat natürlich gegenüber al­len anderen Kontaktpunkten den Vorteil, ein Ort persönlicher und vertraulicher Begegnungen zu sein. In keinem anderen Kanal ist es einfacher, eine persönliche Beziehung zu dem Kunden aufzubauen.

„So the one lesson bankers need to take away (...) is that your branch is not sacred. It is just a channel and your customers may choose an alternate channel to work with you. They may even prefer an alter­nate channel. Don’t penalise them for that. Use it to your advantage.“5 Banken müssen ein entsprechendes breites An­gebot an Zugangsmöglichkeiten bieten, um den Ansprüchen ihrer Kunden ge­recht zu werden. Der Kunde erwartet ein Multikanal­Angebot, das über das derzeit existierende Angebot der meisten Banken hinausgeht, wie ” 1 zeigt.

Daraus ergibt sich für eine zukunftsorien­tierte Bank zwingend die Implementierung eines Multikanal­Konzepts. Die entspre­chende Strategie variiert nach Ausgangsla­ge und ist in erster Linie abhängig von Kun­denstruktur, Kundenverhalten und der Ent­wicklungsstufe des lokalen Markts (siehe hierzu auch McKinsey & Efma, die in „Face­to­Face: A €15­20Bn Multichannel opportu­nity“, die Märkte weltweit diesbezüglich un­tersucht haben). Weitere Einflussfaktoren auf die Multikanal­Strategie ist die Kapazi­tät des Filialbetriebs, die Ressourcen der Bank (Mitarbeiter, Technologie und Know­how), Service­ und Produktkomplexität so­wie der Wettbewerb.

dbpersonal – ein erfolgreiches multichannel-Beratungskonzept

Die Deutsche Bank Belgien hat mit dbPer­sonal einen neuen Multikanal Advisory Service zunächst für das Top­Segment der Kunden eingeführt und wird diesen in den nächsten Monaten auch auf weitere

Kundengruppen und Länder in Europa ausweiten. dbPersonal ist die Antwort der Deutschen Bank in Belgien auf die verän­derten Kundenerwartungen und ­bedürf­nisse. Es bietet dem Kunden:

ó eine auf seine Bedürfnisse zuge­schnittene Beratung (Individualität) mit einem entsprechenden Produkt­angebot,

ó proaktive Information über aufkom­mende Anlagerisiken und ­möglich­keiten,

ó ein klares Bild von den zu erwarten­den Erträgen,

ó relevante und konsistente Informatio­nen, um Entscheidungen auch selbst treffen zu können.

Im ersten Schritt legt der Kunde ­ entwe­der in der Filiale gemeinsam mit seinem Berater oder selbstständig im Internet ­ sein „Investmentprofil“, also seine indivi­duellen Anlageziele, fest. Er entscheidet,

rüdiger schmidt leitet den Bereich PBC International IT für den Bereich Private & Business Clients (Privat & Geschäftskun-den, PBC) der Deutsche Bank AG, Frank-furt/Main.

Page 18: Modelle – Strategien – Perspektiven

ó E u r o F i n a n c E W E E k 2 011

18 diebank 11.2011

welchen Betrag er zurücklegt, der jeder­zeit verfügbar sein muss („Liquidity“), welcher Betrag definitiv sicher angelegt werden muss („Protection“), und mit wel­cher Summe er sich an potenziell ertrag­reicheren, aber auch risikoreicheren An­lagen beteiligt („Growth“).

Im nächsten Schritt kann er für alle drei Anlageziele die entsprechenden Pro­dukte auswählen und erwerben. Die drei resultierenden Unterdepots werden real­

time überwacht und ständig neu bewer­tet, die Anlageziele des Kunden werden dabei permanent den aktualisierten Be­wertungen, Renditemöglichkeiten und Ri­siken gegenübergestellt. Der Kunde kann sich darüber jederzeit im Internet infor­mieren und seine Anlageschwerpunkte ändern oder die Depots umschichten. Der zusätzliche, ausführliche vierteljährliche Portfolioreport hält ihn über die Entwick­lung seiner Vermögensanlage und der Er­

träge auf dem Laufenden. Mit individuell einstellbaren „Alerts“ kann der Kunde sein eigenes Risikomonitoring aufsetzen. Auf Wunsch wird er über wichtige Ereig­nisse wie zum Beispiel schlechte Ratings für einen Anleihenemittenten, sich än­dernde Marktbedingungen oder ein Aus­einanderstreben von Anlagestrategie und Zielen per SMS oder E­Mail informiert.

dbPersonal ist ein Service, der sowohl vom Kunden als auch vom Berater ge­nutzt wird, unabhängig davon, ob der Bankmitarbeiter in der Filiale oder im te­lefonischen Kundenservice tätig ist. An jeder Stelle stimmen die Informationen zu 100 % überein. Der Kunde hat die Mög­lichkeit, seine Entscheidungen völlig ei­genständig zu treffen und umzusetzen oder im Bedarfsfall einen Ansprechpart­ner bei der Bank hinzuziehen.

dbPersonal ist ein neues, kanalüber­greifendes Beratungskonzept mit dem der Kunde über den präferierten Kanal das für ihn geeignetste Produkt finden und kaufen kann. Die Vorteile eines Mul­tikanal­Angebots für den Kunden liegen auf der Hand:

ó konsistenter Service in allen Kanälen, ó individualisierte Services verbessern die Customer Experience,

ó relevante, zeitnahe und personalisier­te Beratung.

Aber auch die Bank profitiert von dem ei­genen Angebot. So hat sie zu jedem Zeit­punkt eine 360°­Grad­Sicht auf den Kun­den, die es erlaubt, die Kundenansprache zu optimieren.

anforderungen an die it-architektur

Aus IT­Sicht basieren die neuen Möglich­keiten einer Multikanal­Bank auf den ra­pide gestiegenen Kapazitäten bei Compu­ting Power und Netzwerkbandbreite (so­wohl in der Bankinfrastruktur wie auch beim Kunden) und, wie oben erwähnt, in der stetig wachsenden Bedeutung mobi­ler Geräte. Die Anforderungen an die IT­Architektur einer Bank, um eine effizien­

Bedürfnispyramide

1

Basiszugang

Erweiterungen imTransaktionsbereich

Inter-aktive

Beratung

Tools zur Entscheidungsfindung

PersönlicheEmpfehlungen&

Benachrichtigungen

NEXT GENERATIONBanken mit kunden-

orientiertem Ansatz

HerkömmlicheBank

– Relevante, zeitnahe und proaktive Empfehlungen

– Persönliches Finanzmanagement – Planungstools – Simulationstools

– Handel mit Wertpapieren – Versicherungsprodukte

– Kontoinformationen – Zahlungsverkehr – Sicher, verlässlich, performant

– Interaktive Beratung durch professionelle Berater

referenzarchitektur eines Multikanal Bankensystems

2

Produktfabrik

Vertrieb & Kanäle

Unternehmenssysteme

Kontokorrent & Spar

Kredit Wertpapiere

Kanäle

Gemeinsame Services

Kanalintegration

BeratungCRM Produktkonfigurator

Prozesssteuerung

Kanal-spezifisch(Channel Specific)

Kanal-übergreifend(Channel Aware)

Kanal-unabhängig(Channel Agnostic)

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ó E u r o F i n a n c E W E E k 2 011

20 diebank 11.2011

24/7 Zugriff ermöglichen, mit der Folge, dass die Filialen und der Kunde oft unter­schiedliche Salden zum gleichen Zeit­punkt angezeigt bekommen.

channel Specific: Ein weit verbreiteter Irrglaube in den frühen Tagen der alter­nativen Kanäle lag darin, dass die Lösung für alle Kanäle die einheitliche Nutzung eines Internet Browsers auf den jeweili­gen Endgeräten darstellt. So wurde zum Beispiel viel darüber diskutiert, ob auf Geldautomaten nicht auch der Internet­browser als Oberfläche eingesetzt werden sollte. Dies ist zwar möglich, wenn man aber bedenkt, dass über 90 % der Soft­ware eines Geldautomaten sich damit be­schäftigt, in Echtzeit die mechanischen und elektronischen Komponenten zu überwachen, scheint die Eignung der Browsertechnologie zumindest fraglich.

Neben der Eignung der Anwendungs­technologie muss man bei der Oberflä­chengestaltung bedenken, dass Geldauto­maten oder Kundenterminals in Foyers in der Regel im Stehen bedient werden, mit dem Ziel, möglichst schnell und einfach Services abzuwickeln, nicht zuletzt, um lange Schlangen zu vermeiden. Im Inter­net hingegen möchte die Bank den Kun­den gerne länger auf ihrer Website behal­ten und ihn umfassend über Produkte und Services informieren.

Die kanalspezifischen Komponenten ei­ner Multikanal­Architektur sollten also die ideale Technologie und Präsentations­form für das jeweilige Endgerät nutzen, jedoch möglichst wenig Geschäftslogik beinhalten. Besonders eindrucksvoll wird dies deutlich, wenn man die Benutzer­freundlichkeit und Funktionalität einer speziellen App für einen iPad oder ein iPhone, welche sowohl die Touchscreen­Bedienung als auch zusätzliche Funktio­nalitäten des Endgeräts wie zum Beispiel Geolocation oder Push­Service berück­sichtigt, mit der Nutzung der Internetsei­te des gleichen Anbieters auf dem mobi­len Gerät vergleicht.

channel aware: Diese Architekturschicht dient dazu, nahtlos zwischen Kanälen zu wechseln, Prozesse in Abhängigkeit des jeweiligen Kanals zu steuern („Workflow Management“) sowie kanalabhängige In­formationen bereitzustellen (zum Bei­spiel kanalabhängige Preise oder Marke­tinghinweise).

Eine moderne Multikanal­Architektur sollte dem Kunden nicht nur erlauben, ei­nen beliebigen Kanal für einen Geschäfts­vorfall zu nutzen, sondern nahezu belie­big zwischen Kanälen zu wechseln („Channel Hopping“), um sein Anliegen zu erfüllen. Dabei muss gewährleistet sein, dass beim Wechsel eines Kanals kei­ne Information verloren geht, die der Kunde zuvor gegeben hat. Die wohl ein­fachste und noch am weitesten verbreite­te Form ist der „Call me back“­Link auf einer Internetseite. Zukünftig werden On­line Chat und Video Conferencing mit Be­ratern und Anlageexperten den Maßstab setzen.

Nicht jeder Geschäftsvorfall kann in je­dem Kanal innerhalb einer Benutzersit­zung abgeschlossen werden, bestes Bei­spiel dafür sind Kreditprozesse oder An­fragen, die nicht realtime durch Chat oder Conferencing beantwortet werden kön­nen. Ferner kann es Unterschiede in Pro­zessen in Abhängigkeit des Kanals geben (zum Beispiel Wegfall des Vier­Augen­Prinzips bei einer vom Kunden selbst er­fassten Order). Hierfür ist ein Workflow­Management­System erforderlich, das si­cherstellt, dass Prozesse kanalübergrei­fend gesteuert und überwacht werden.

Und schließlich erfolgt auch die Integ­ration der CRM­Systeme der Bank in die­ser Schicht ­ dem Kunden müssen konsis­tent und individuell für ihn relevante Pro­dukte über alle Kanäle hinweg angeboten werden. Zusätzlich werden in dieser An­wendungsschicht kanalabhängige Ange­bote (zum Beispiel Online­only­Produkte) sowie Ad­hoc­Empfehlungen aufgrund des Benutzerverhaltens in der aktuellen Session (analog Amazons Paradigmen

te und flexible Multikanal­Bank zu unter­stützen, lassen sich konzeptionell in drei Architekturebenen gliedern:

ó kanalspezifische Lösungen („Channel Specific“) für die optimale Unterstüt­zung des jeweiligen Kanals bzw. der jeweiligen Endgeräte,

ó eine Schicht, welche die verschiede­nen Kanäle orchestriert, zum Beispiel die Überführung wesentlicher Infor­mationen aus einer Internet Session in einen Call­Center­Dialog („Channel Aware“) sowie

ó die Backend­Systeme, die unabhängig von Kanälen Geschäftsvorfälle abwi­ckeln („Channel Agnostic“) ” 2.

Auch wenn diese Unterscheidung trivial und einleuchtend erscheint, so liegen die Herausforderungen einer Umsetzung von Multikanal­Projekten hauptsächlich dar­in, dass bestehende Altsysteme nicht die­ser klaren Abgrenzung folgen. Vor allem, weil die Produktlogik, die eigentlich „Channel Agnostic“ sein sollte, in den Frontend­Systemen für die Filialen imple­mentiert wurde, teils weil es schneller und billiger war als die Anpassung der Backend­Systeme, teils noch als Altlast des Client/Server­Paradigmas der 1990er Jahre. Da die verwendete Technologie in der Regel nicht dafür geschaffen ist, Ser­vices für andere Kanäle bereitzustellen, ist entweder eine Duplizierung der An­wendungslogik für andere Kanäle erfor­derlich, was die Komplexität und War­tungskosten weiter erhöht, oder aber ein aufwändiges Reengineering oder sogar die Neuimplementierung der bestehen­den Backend­Systeme hin zu einer Ser­vice Orientierten Architektur (SOA), was erhebliche Kosten und Implementie­rungsrisiken mit sich bringt.

Ein weiteres, häufig anzutreffendes Beispiel für die Nichteinhaltung dieser Architektur entstand durch die Notwen­digkeit, Schattenbestände der kontofüh­renden Systeme für den Onlinekanal zu erstellen, da die Backend­Systeme keinen

Page 21: Modelle – Strategien – Perspektiven

„Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch…“ und „Was kaufen Kunden, nachdem sie die­sen Artikel angesehen haben?“) zur Verfügung ge­stellt.

channel agnostic: Die Ausführung von Transaktio­nen sowie die Bereitstellung von Informationen be­züglich Salden, Transaktionen und Portfolio­Informa­tionen sollte zentral und kanalunabhängig in den Backend­Systemen erfolgen („Single Source of Truth“). Schattenbestände für die Zeiten der Nicht­verfügbarkeit der Backend­Systeme sowie Middlewa­re­Systeme, die den Zugriff auf Backend­Systeme ver­einfachen, gehören ebenfalls zu dieser Schicht, da sie letztendlich nur die fehlende Verfügbarkeit bzw. fehlende Wiederverwendbarkeit von Funktionen der Backend­Systeme übernehmen. Die Wiederverwend­barkeit von Funktionen für verschiedene Kanäle wird durch eine Service Oriented Architecture (SOA) sichergestellt.

Fazit

Kundenbedürfnisse haben sich nicht zuletzt durch technologische Innovationen deutlich verändert. Nicht nur die Kunden im Top­Segment wünschen eine individuelle Beratung und ein auf sie zuge­schnittenes Produktangebot. Wichtig ist ihnen vor allem eine klare Aussage, was sie etwa von einer Ver­mögensanlage in Bezug auf Ertrag und Risiken er­warten können, um auch eigenständig und ohne die Hilfe des Beraters Entscheidungen zu treffen. Diesen Bedürfnissen kann nur mit dem Aufbau eines kon­sistenten Multikanal­Angebots begegnet werden. Der Kunde selbst bestimmt, über welchen Kanal er mit der Bank in den Kontakt tritt und über welchen Ka­nal er mit Informationen versorgt werden möchte.

Der Aufbau eines Multikanal­Angebots hat direk­ten Einfluss auf die IT­Architektur. Die Herausforde­rung in der Implementierung dieser Architektur be­steht darin, bestehende Altsysteme in die Zielarchi­tektur zu integrieren. ó

1 Face­to­Face: 3A €15­20Bn Multichannel opportunity – McKinsey/EMFA, April 2011.

2 Ernst & Young – A new era of customer expectation – Global Consumer Banking Survey 2011.

3 Brett King – How customer behaviour and technology will change the future of financial services.

4 Face­to­Face: 3A €15­20Bn Multichannel opportunity – McKinsey/EMFA, April 2011.

5 Brett King – How customer behaviour and technology will change the future of financial services.

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Mission Zukunft:ICT 203245 Thesen für den Weg ins Morgen

In 22 Jahren wird es die IT in klassischer Form nicht mehr geben. Doch welche Konsequenzen leiten sich daraus ab? Wie wirken sich die ICT-Entwick lungen auf die Gesellschaft, Individuen und Unternehmen aus? Wie beeinflussen nicht-technologische Faktoren die ICT-Landschaft 2032? Welche Nutzen bieten diese technologischen und nichttechnolo-gischen Veränderungen? Und wo liegen die Chancen und Risiken?

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ó E u r o F i n a n c E W E E k 2 011

22 diebank 11.2011

Digitale Agenda für das BankgeschäfttechnoloGietrends Die Digitale Wirtschaft und die digitale Gesellschaft sind durch die umfassende Vernetzung aller Akteure – Privatpersonen, Unternehmen, öffentliche Verwaltungen – gekennzeichnet. Information, Kommunikation und Wissen werden neben Rohstoffen, Industrie-produkten und Dienstleistungen zunehmend zum eigenständigen Wirtschaftsgut. Wer im Wett-bewerb bestehen will, muss daher die aktuellen Trends stets kennen und über die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden genau Bescheid wissen. Denn der Kunde wird nicht nur immer stärker durch den Informationsaustausch im Netz beeinflusst, sondern nimmt auch selbst Einfluss auf andere. Damit wird immer mehr derjenige wahrgenommen, der sich in diesem Umfeld artikuliert.

keywords: electronic commer-ce, internet, Geschäftspolitik

Seit dem Start des ersten Web­Servers 1991 hat das Internet eine beispiellose Vernetzung mit heute über 2 Mrd Nutzern weltweit erzeugt.1 Ebenso rasant wie die Nutzerzahlen haben sich deren techni­sche Möglichkeiten und die Vielfalt der Anwendungen weiterentwickelt ” 1. Die Schwelle zum Web 3.0, geprägt durch die Nutzung mobiler Endgeräte und ortsab­hängiger Dienste (Geolokalisierung), ist bereits überschritten. Etwa jeder sechste Deutsche setzt heute sein Mobiltelefon im Internet ein,2 Tendenz steigend. Der jeder­zeit mögliche Zugriff auf das Web und an­dere mobile Dienste verleiht zusätzliche Schubkraft in bis dato nicht gekannter Geschwindigkeit. Quasi über Nacht ent­stehen neue Internet­Anwendungen und Cloud­Dienstleistungen. Innovationen im Bereich der künstlichen Intelligenz sowie die Nutzung biometrischer Verfahren werden weitere Treiber sein.

In diesem Sog entsteht ein neues gigan­tisches Wirtschaftsgefüge mit eigenen Spielregeln und besonderen Anforderun­gen, das auch in bestehende Wirtschaft­kreisläufe hineinwirkt. Denn das Internet

ist längst im Alltag angekommen: Hierzu gehören der Konsum und Behördengänge ebenso wie die Erledigung von Bankge­schäften. Nach Berechnungen des Bera­tungsunternehmens McKinsey werden mittlerweile 3,4 % des weltweiten Brutto­sozialprodukts im Web erzielt. In absolu­ten Zahlen entspricht das 1,67 Bio US­$.

Wer diese rasanten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu seinem Vorteil nutzen will, muss sich frühzeitig damit auseinandersetzen und seine Geschäftsprozesse den neuen Gege­benheiten anpassen. Es bedarf also einer digitalen Agenda, in der die Ziele und Maßnahmen auf dem Weg in die digitale Zukunft aufgezeigt werden. In einer durch globalen Wettbewerb bestimmten Welt gilt dies gleichermaßen für einzelne Unternehmen wie für ganze Volkswirt­schaften.

aktuelle initiativen der europäischen und nationalen politik

Diese Notwendigkeit hat auch die EU­Kommission erkannt und in ihrer Digita­len Agenda für Europa aufgegriffen. Dar­in hat sie sich zum Ziel gesetzt, einen di­gitalen Binnenmarkt zu schaffen, der auf einem leistungsstarken Internet und in­

dr. ibrahim karasu ist Mitglied der Geschäftsführung des Bundesver -bandes deutscher Banken, Berlin.

Page 23: Modelle – Strategien – Perspektiven

teroperablen Anwendungen beruht und einen nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Nutzen schafft. Die Digitale Agenda ist in der Strategie Europa 2020 verankert und soll insbesondere das dort festgelegte Ziel „Intelligentes, nachhalti­ges und integratives Wachstum“ durch die Entwicklung einer auf Wissen und In­novation gestützten Wirtschaft fördern.

Mit der Digitalen Agenda sollen unter anderem die heute noch bestehenden Hindernisse für einen vollständig harmo­nisierten digitalen Binnenmarkt beseitigt werden. Eine wesentliche Barriere ist die Fragmentierung der Märkte, auch im E­Commerce. Denn „Europa bildet noch im­mer einen Flickenteppich aus nationalen Online­Märkten, in denen die Europäer durch eigentlich lösbare Probleme daran gehindert werden, sich die Vorteile eines digitalen Binnenmarkts zunutze zu ma­chen. Kommerzielle und kulturelle Inhal­te und Dienste müssen über Grenzen hin­weg fließen können, was durch die Besei­tigung rechtlicher Schranken, die Erleich­terung der elektronischen Zahlung und Rechnungsstellung, eine bessere Streit­beilegung und ein höheres Vertrauen der Verbraucher auch erreicht werden kann.“3 Weitere Problembereiche sind beispiels­weise die Zunahme der Cyberkriminalität und mangelndes Vertrauen in Netze so­wie unzureichende Forschung und Inno­vation.

Im Hinblick auf das Dienstleistungsan­gebot der Banken sieht die Digitale Agen­da der EU­Kommission folgenden Schlüs­selaktionen vor, die allesamt bis 2015 um­gesetzt werden sollen:

ó die Vollendung des einheitlichen Eu­ro­Zahlungsverkehrsraums, insbesonde­re die Verbreitung von Internetbezahl­verfahren und mobilen Bezahlverfahren,

ó den Aufbau eines interoperablen eu­ropäischen Rahmens für elektronische Rechnungsstellung,

ó die gegenseitige Anerkennung der elektronischen Identität und Authentifi­zierung,

ó eine Überprüfung des EU­Rechtsrah­mens für den Datenschutz, um das Ver­trauen der Bürger und ihre Rechte zu stärken,

ó die Bekämpfung von Cyberangriffen auf Informationssysteme sowie

ó die Festlegung einer EU­Strategie zum Cloud Computing.

In Deutschland wird der Prozess hin zur digitalen Gesellschaft im Rahmen der Strategien der Bundesregierung zu Infor­mations­ und Kommunikationstechnolo­gien („Deutschland Digital 2015“) und zum E­Government vorangetrieben. Mit der 2010 begonnenen Einführung des

neuen Personalausweises soll ein wichti­ger Beitrag zur Sicherung und Vereinfa­chung des elektronischen Rechts­ und Ge­schäftsverkehrs im Internet geleistet wer­den. Der darin enthaltene elektronische Identitätsnachweis kann für E­Commer­ce­ und E­Government­Anwendungen, aber auch beispielsweise für die Kontoer­öffnung genutzt werden. Einen weiteren Baustein und eine zusätzliche Möglich­keit für die rechtsverbindliche elektroni­sche Kommunikation bildet die so ge­

fl Mittlerweile werden 3,4 % des weltweiten Bruttosozialprodukts im Web erzielt. in absoluten Zahlen entspricht das 1,67 Bio uS-$.

nannte „De­Mail“ zum verbindlichen und vertraulichen Versenden von Dokumen­ten und Nachrichten über das Internet. Weitere Initiativen der Bundesregierung zu Cloud Computing, kritischen Infra­strukturen oder zur Sicherheit im Netz sollen die Voraussetzungen für eine wett­bewerbsfähige und moderne Gesellschaft im Informationszeitalter schaffen.

chancen und herausforderungen für das Bankgeschäft

Banken sind in vielfacher Hinsicht von diesen Entwicklungen betroffen. Mit der Verbreitung sozialer Medien ändern sich das Kommunikationsverhalten des Kun­

den und damit auch seine Erwartungen an den Kontakt mit seiner Bank. Chancen für neue Vertriebskanäle entstehen, wäh­rend bestehende an die veränderten Nut­zungsgewohnheiten sowie die wachsen­den technischen und rechtlichen Mög­lichkeiten des digitalen Geschäftsver­kehrs angepasst werden müssen. Eine Differenzierung von Produkten und Dienstleistungen kann zunehmend nur noch auf der kommunikativen Ebene er­reicht werden. Im Zahlungsverkehr stel­

11.2011 diebank 23

E u r o F i n a n c E W E E k 2 011 ó

Technologische Entwicklungsstufen des internets

1

Web 1.0 E-Commerce, Online Banking, Portale

Elektronische Datenverarbeitung ZV, EBICS, FinTS …

Social Media, Facebook, YouTube, Twitter Web 2.0

Internet der Dinge, mobile Endgeräte,ortsabhängige Dienste

Web 3.0

Page 24: Modelle – Strategien – Perspektiven

ó E u r o F i n a n c E W E E k 2 011

24 diebank 11.2011

len die Bedürfnisse der Kunden nach ein­fachen und mobilen Internetbezahlver­fahren die etablierten Zahlungssysteme der Banken vor die Herausforderung, sich gegenüber neuen globalen Wettbewer­bern zu behaupten und den Zahlungsver­kehr als ein zentrales Geschäftsfeld und Instrument der Kundenbindung für die Banken zu erhalten.

Die zunehmende Verbreitung offener, vernetzter Systeme hat aber auch Auswir­kungen auf IT­Strukturen, heute ein we­sentlicher Kostentreiber in den Banken. Cloud­Strategien, also die Flexibilisie­rung der Ressourcennutzung durch Vir­tualisierung von IT­Prozessen und An­wendungen, können Banken die Möglich­keit bieten, auf der einen Seite IT­Kosten zu senken und sich stärker auf ihr Kern­geschäft zu fokussieren. Auf der anderen Seite können sie auch dazu dienen, wei­tere Geschäftsfelder zu erschließen.

digitale medien als neue Vertriebska-näle nutzen

Für die Kunden der Banken wird es zur Selbstverständlichkeit, unterschiedliche Medien wie Film und Fernsehen, Radio, Printmedien oder auch Twitter überall und jederzeit nutzen zu können. Daher muss auch die Bank der Zukunft in die Hosentasche passen.

Der voranschreitende Kulturwandel wirkt sich massiv auf die Art und Weise aus, wie – insbesondere die jüngere Ge­neration – mit digitalen Medien umgeht. Unter den Internetnutzern sind bereits drei von vier Deutschen heute in sozialen Netzwerken vertreten. Soziale Medien zeichnen sich dadurch aus, dass die Agie­renden nicht mehr anonym sind, sondern das persönliche Profil darüber entschei­det, wer mit wem kommuniziert. Diese Ei­genschaft steht in direktem Gegensatz zu dem herrschenden Geschäftsansatz des letzten Jahrzehnts im Retail Banking, nämlich Kostenreduktion durch Standar­disierung und Automatisierung zu erzie­len. Als Folge daraus unterscheiden sich

die Dienstleistungsangebote der Banken gegenüber dem Privatkunden heute nur noch marginal. Hier bieten soziale Medi­en die Chance, das Markenimage zu schärfen und beim Dienstleistungsange­bot an Profil zu gewinnen.

Integrative Medien wie die sozialen Netzwerke schaffen zusätzliche Möglich­keiten, mit dem Kunden in Kontakt zu tre­ten und mehr über seine persönlichen Be­dürfnisse zu erfahren. Auf der Grundlage eines standardisierten Baukastens von Dienstleistungsmodulen könnte dann in Zukunft im Dialog mit dem Kunden ein genau auf ihn zugeschnittenes Profiling vorgenommen werden. Auch wäre denk­bar, den Ansatz des Crowd Sourcing zu nutzen und Kunden aktiv in die Pro­duktentwicklung einzubinden. Auf diese Weise können nicht nur innovative Ideen für neue Produkte entstehen, es wird auch das Risiko minimiert, dass diese später vom Markt nicht angenommen werden.

konvergenz von Bezahlverfahren

Geschäftsbeziehungen werden immer mehr über das Internet abgewickelt. Vom gesamten Einzelhandel in Deutschland wurden 2010 bereits 6 % im E­Commerce umgesetzt. Das entspricht einem Umsatz für Waren und digitale Dienstleistungen von 25 Mrd €.4 Auch wenn der Geschäfts­abschluss in der realen Welt noch über­wiegend vor Ort erfolgt, wird dennoch ein zunehmender Teil des gesamten Konsum­prozesses durch das Internet unterstützt. Seien es die Informationsbeschaffung, der Preisvergleich, die Produktbewertung im Austausch mit anderen Kunden oder der Support durch Anbieter und andere Nut­

zer. Die Grenzen zwischen realer und vir­tueller Welt verschwinden zusehends.

Der zunehmende Trend des mobilen In­ternet wirkt sich bereits heute auf den Einsatz von Bezahlverfahren aus. So kön­nen lokale Bezahlvorgänge am Händler­

terminal mit der Geolokalisierung und personalisierten Internetdiensten kombi­niert werden. Dabei stellt man fest, dass ein hoher Anteil des persönlichen Kon­sums in einem relativ kleinen Umkreis stattfindet. Mit diesem Wissen können neue Geschäftsmodelle entwickelt wer­den, die das Gesamtbild des Konsumen­ten im Blick haben und entsprechende Dienstleistungen für Kunden und Händ­ler anbieten. Damit entstehen Geschäfts­modelle, die über die reine Zahlungs­transaktion hinausgehen.

Heute müssen Online­Händler mehrere Zahlverfahren anbieten, wollen sie ihren Umsatz optimieren. Dahinter verbergen sich unterschiedliche Interessenlagen – zum einen die Zahlungssicherheit für den Händler und zum anderen die Gewähr ei­ner ordnungsgemäßen und schnellen Wa­renlieferung für den Kunden. Die heute anzutreffenden Bezahlverfahren sind in dieser Hinsicht zumeist statisch und un­terstützen nur eine, durch das jeweilige Verfahren vorgegebene Ausprägung auf dieser Interessenskala. Künftige Bezahl­verfahren müssen es hingegen erlauben, abhängig von dem Status der Kundenbe­ziehung, dem Vertriebskanal oder der Be­wertung des Händlers die Eigenschaften des jeweiligen Bezahlvorgangs individu­ell zwischen Kunde und Händler auszu­handeln.

In punkto Nutzerfreundlichkeit (Usabi­lity) haben Apple & Co. neue Standards

fl Für die kunden der Banken wird es zur Selbstverständlichkeit, unter-schiedliche Medien wie Film und Fernsehen, radio, Printmedien oder Twitter überall und jederzeit nutzen zu können. Daher muss auch die Bank der Zukunft in die Hosentasche passen.

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26 diebank 11.2011

gesetzt, die künftig auch für Bezahlsyste­me gelten werden. Gerade bei der Nut­zung des mobilen Internet basieren viele Geschäftsmodelle auf der einfachen und schnellen Handhabung durch den Nutzer (maximal zweifacher Klick), beispielswei­se zum Download eines kostenpflichtigen Inhalts. Die von Banken heute für das In­ternet angebotenen Verfahren verlangen dem Kunden vergleichsweise aufwändige Authentifizierungsprozeduren ab, zum Teil unter Eingabe von Passwörtern und Transaktionsnummern. Daher werden al­ternative Sicherheitsmechanismen benö­tigt, die den Bezahlvorgang so einfach wie möglich für den Kunden gestalten. Diese Erkenntnis schlägt sich in den Sicher­heitsarchitekturen der zahlreichen neuen Internetbezahlsysteme mit einfachen und kundenfreundlichen Authentisierungs­verfahren nieder, die das Risiko durch an­

dere Strategien begrenzen, wie zum Bei­spiel die Betrugserkennung durch Profi­ling des Kunden in den Hintergrundsys­temen.

Mit der mobilen Verfügbarkeit des In­ternet auf der Kundenseite ist es vermut­lich nur eine Frage der Zeit, wann die klassische Bankkarte aus Plastik, heute wichtigstes Zahlungsinstrument im Ein­zelhandel, mit anderen Technologien kon­vergiert. Eine Möglichkeit, an der bereits intensiv gearbeitet wird, liegt in der si­cheren Speicherung der Kartenanwen­dung auf dem Mobiltelefon als Trägerme­dium. Dann kann die Zahlung am Point­of­Sale (POS) weiterhin über das Händler­terminal unter Nutzung der bestehenden Zahlungsinfrastrukturen erfolgen.

Eine Alternative dazu wären rein inter­netbasierte Bezahlverfahren, die von Händlern im Internet genauso wie am

Zahlungssysteme wachsen mit fortschreitender technologischer Entwicklung zusammen

2

Bankkarten-Infrastruktur

POS

E-Payment M-Payment

Internet-Technologie Mobilfunk-Technologie

Stand der Technologieentwicklung, Marktentwicklung und Gesetzgebung im Vergleich zur jeweiligen Web-Generation

3

Web 3.0Web 2.0Web 1.0

Technologieentwicklung

Marktentwicklung

Gesetzgebung

Point­of­Sale genutzt werden können und auch von Privatpersonen als Zahlungs­empfänger. Denn Internet­basierte Per­son­zu­Person­Zahlungen sind längst eta­bliert. Künftig könnten die traditionellen POS­Akzeptanzterminals durch konfekti­onierte Shop­Systeme auf der Basis von Internettechnologien, zum Beispiel als Fertiglösung aus der Cloud, ersetzt wer­den. Welche Alternative sich am Ende durchsetzen wird, ist derzeit noch unge­wiss und wird von einer Vielzahl von Fak­toren abhängen. Eines lässt sich aber schon heute voraussagen: Bezahlverfah­ren der Zukunft müssen gleichermaßen am Point­of­Sale wie im Internet einge­setzt werden können. Dies trägt der Ent­wicklung Rechnung, dass auch im Handel die Grenzen zwischen E­Commerce und stationärem Handel zunehmend ver­schwinden, dadurch dass Anbieter den Internethop um ein reales Ladengeschäft ergänzen und umgekehrt ” 2.

Vertrauen in den digitalen Binnenmarkt

Banken stehen vor der Herausforderung, auf diese neuen Kundenbedürfnisse ein­zugehen, ohne ihr traditionell hohes Si­cherheitsniveau in Frage zu stellen. Denn das Vertrauen der Kunden ist nach wie vor höchste Prämisse im Bankgeschäft. Wie können Banken in diesem Umfeld also ihr Produktportfolio im Hinblick auf ihre Wettbewerber im elektronischen Ge­schäftsverkehr erneuern, ohne die Grund­werte wie Vertrauen und Zuverlässigkeit zu gefährden?

Für eine Antwort spielt der Umgang mit sensiblen Kundendaten eine zentrale Rolle. Insbesondere Portaldienstleister wie Google und Facebook, die als Anbie­ter von Cloud­Services die Kundendaten auf ihren Systemen speichern, nutzen diese Daten, um Informationen über ihre Kunden, ihre Präferenzen und ihr Verhal­ten zu erlangen. Dies erklärt, warum Nut­zer diese Dienstleistungen kostenlos in Anspruch nehmen können, obwohl im­mense Investitionen für deren Angebot

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erforderlich sind. Nutzer stellen diesen Dienstleistern Daten über ihre Person und ihre Interessen zur Verfügung, die eigentliche Währung, mit der sie bezah­len. Doch häufig sind sie sich über dieses Geschäftsmodell nicht im Klaren, denn die Datenschutzdiskussionen über die Rechtmäßigkeit stehen noch am Anfang.

Für die Banken stellt sich damit die He­rausforderung, Geschäftsmodelle zu ent­wickeln, die im Vergleich zu den Angebo­ten der Wettbewerber bestehen können. Letztere bieten im direkten Wettbewerb zu der Kreditwirtschaft auch zunehmend Bankdienstleistungen wie Bezahlverfah­ren, Absatzfinanzierung oder Factoring

Services an. Damit Finanzdienstleister diese Geschäftsmodelle in gleicher Weise nutzen können, ist noch eine Vielzahl technischer, organisatorischer und vor al­lem rechtlicher Fragen zu klären. Denn während die Geschäftsmodelle häufig aus den USA kommen, unterliegen hiesige Banken nationalem oder europäischem Recht. Eine wesentliche Frage ist bei­spielsweise, inwieweit auch in Europa Ge­schäftsmodelle toleriert werden, bei de­nen die Daten der Nutzer in großem Stil erfasst, ausgewertet und auf dieser Grundlage Mehrwertdienste angeboten werden – auch durch eine Bank. Der Ge­setzgeber steht also vor der Herausforde­rung, die rasanten technologischen Ent­wicklungen und zunehmend globalen Marktkräfte durch adäquate Rahmenbe­dingungen zu begleiten, die einen fairen Wettbewerb unter den Anbietern sicher­stellen ” 3.

Ein erster richtiger Schritt in diese Richtung könnte das von der Bundesre­gierung und der Europäischen Kommis­sion verfolgte Ziel sein, einen einheitli­

fl Die allgegenwärtige Präsenz des internet und die damit einhergehenden wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen hin zu einer digitalen Gesellschaft stellen bewährte Geschäftsmodelle auf den Prüfstand.

chen Rechtsrahmen für Cloud Computing in Europa zu definieren. Dies wäre ein wichtiger Baustein zur weiteren Harmo­nisierung des europäischen digitalen Bin­nenmarkts, von dem Verbraucher, Unter­nehmen und Verwaltung profitieren könnten.

Fazit

Die allgegenwärtige Präsenz des Internet und die damit einhergehenden wirt­schaftlichen und sozialen Veränderungen hin zu einer digitalen Gesellschaft stellen bewährte Geschäftsmodelle auf den Prüf­stand. Zugleich bietet sich gerade für Ban­ken eine Vielzahl von Ansätzen, diesen

technologischen und gesellschaftlichen Wandel als Chance zu sehen und für ihre eigenen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse nutzbar zu machen. Beispiele hierfür sind Entwicklungen von univer­sellen und zugleich flexiblen Zahlungs­verfahren, der Einsatz von Cloud­Techno­logien in den IT­Prozessen oder eine neue Qualität des Dialogs mit den Kunden, der wiederum Potenziale für neue Geschäfts­ansätze generiert. Dabei ist zu beachten, dass die digitale Gesellschaft keine nati­onalen Grenzen kennt, auch nicht im Pri­vatkundengeschäft. Banken, Wirtschaft und Politik müssen an einem Strang zie­hen, um optimale Voraussetzungen für eine digitale Agenda zu schaffen und da­mit Wachstumspotenziale zu heben. Die privaten Banken werden diesen Prozess aktiv fördern. ó

1 Internet World Stats, März 2011.2 Statistisches Bundesamt, Private Haushalte in der Infor­

mationsgesellschaft – Nutzung von Informations­ und Kommunikationstechnologien, 2011, S. 25.

3 KOM(2010)245, S. 6.4 Bundesverband des deutschen Versandhandels, 2011.

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Wie die Kirsche auf der Sahnetestimonial dirk noWitZki Geschafft. Dirk Nowitzki hat als Basketballstar Sportgeschichte geschrieben. Als erster Ausländer führte der deutsche Hüne die US-Basketballmannschaft Dallas Mavericks kürzlich im NBA-Finale zum Sieg. Er selbst wurde mit einem Pokal als wertvollster Spieler in der Finalserie ausgezeichnet. In der härtesten Profi-Liga der Welt hat er es damit ganz nach oben geschafft und wird in einer Reihe mit Sportikonen wie Boris Becker, Michael Schumacher oder Franz Beckenbauer genannt. Ein Glücksfall auch für die ING-DiBa, die seit 2003 als Hauptsponsor des Deutschen Basketballs nicht nur mit dem Basketballverband, sondern auch mit Nowitzki als zentra-lem Werbeträger eng verbunden ist.

keywords: Werbung, marken-strategie, retail Banking

Der Aufstieg von Dirk Nowitzki zeigt durchaus Parallelen zur Entwicklung der ING­DiBa. Die Bank selbst schrieb in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls eine große Erfolgsgeschichte, die sie heute als größte deutsche Direktbank mit mehr als 7 Mio Kunden auf Platz vier unter den Privatbanken in Deutschland geführt hat. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war dabei ne­ben dem Schritt für Schritt aufgebauten attraktiven Produktangebot eine sehr er­folgreiche Werbestrategie. Ein im letzten Jahr erfolgter Werberelaunch mit erwei­terten Werbebotschaften soll diese Posi­tion gemeinsam mit dem Testimonial Dirk Nowitzki für die Zukunft weiter festigen. Erfolge und Zahlen sprechen für sich.

das markenbild

Ein kurzer Rückblick: Die Bank selbst be­steht seit 45 Jahren, aber als Marke ING­DiBa ist sie erst seit 2004 unterwegs. In dieser Zeit ist es gelungen, ein Marken­bild zu zeichnen, das einerseits stark leis­tungsgeprägt ist und von den Kunden mit überdurchschnittlich guten Zinsen und Konditionen in Zusammenhang gebracht

wird. Andererseits steht die Marke für einfache und transparente Produkte mit attraktiven Konditionen. Ohne Schnick­schnack also, oder wie es in der Bank manchmal locker heißt „ohne Schmuck am Nachthemd“. Zudem werden wir als junge, dynamische und innovative Bank wahrgenommen.

Angefangen hat der erfolgreiche Mar­ken­ und Werbeauftritt der Bank zur Jahr­tausendwende mit dem berühmten Jingle

„DiBaDiBaDu“. Damit waren und sind wir die einzige Bank in Deutschland, die ge­sungen wird! Parallel dazu entstand un­ser Werbespot mit einem Baby, das als erstes Wort „DiBa“ zu seiner Mutter sag­te, und der uns bis heute in der Marktfor­schung als Kult zurückgespielt wird. Im Jahr 2003 folgte die Leistungssport­Kam­pagne mit dem Basketballspieler Dirk No­witzki, die bis Mitte vergangenen Jahres lief. Diese hat unsere Marken­Bekannt­

Katharina Herrmann ist Mitglied des Vor-stands der ING-DiBa AG, Frankfurt/Main.

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fl Der nBa-Gewinn und die damit verbundene öffentliche aufmerksamkeit für Dirk nowitzki ist so etwas wie „die kirsche auf der Sahne“ der lang-jährigen Zusammenarbeit.

heit entscheidend mit aufgebaut. Zusätz­lich zu den werblichen Aktivitäten trug der Auf­ und Ausbau der Produktpalette zum Erfolg bei. Was mit dem Extra­Konto als Einstiegsprodukt im Tagesgeldbereich begann, wurde sukzessive über die Jahre – über die Immobilienfinanzierung, das Wertpapierangebot und Girokonto – bis hin zum Angebot einer Vollbank er­gänzt.

Die Strategie, den Basketballsport zu sponsern, kam seinerzeit aus der Mar­kenführung. Seit dem Jahr 2001 wurde intern intensiv darüber diskutiert, auf welchem Weg die Bank am deutschen Markt so richtig Vollgas geben könnte. Denn in einem durch zu viele Institute geprägten deutschen Retailmarkt wartete niemand auf eine neue Marke. Aus unse­rem Geschäftsmodell als Direktbank lei­teten wir ab, dass unser größter Hebel die auf der Basis einer hohen Effizienz und niedriger Kosten darstellbaren sehr at­traktiven Produktkonditionen waren.

Das trug zu der Entscheidung bei, die Bank in der Werbung als Leistungsbank zu positionieren, die es besser als jede andere schafft, beste Zinsen und Konditi­onen zu bieten. Bei der Frage, wie sich diese Leistungsbotschaft am besten in ei­nen Marken­ oder Unternehmensauftritt transportieren ließe, waren wir ganz schnell beim Sport, speziell natürlich dem Spitzensport.

leistung und team-sport als credo

Doch bereits bei der Frage nach der Sportart schieden sich zunächst die Geister. Die Markt­ und Wettbewerbsana­lysen führten dann recht schnell zum Basketballsport, einer Sportart, die Lead und Zukunftsorientierung ausdrückte. Einer dynamischen Teamsportart von morgen, die ihren Zenit noch nicht er­reicht hatte. Unser Credo: Jung, dyna­misch, konditionsstark und zukunftsge­richtet. Alles Merkmale, die mit dem Selbstverständnis der ING­DiBa korres­pondierten.

Sehr reizvoll war zudem die Vorstel­lung, mit Dirk Nowitzki jemanden als per­sonalisierten Markenbotschafter ins Boot zu holen, der noch frisch und unver­braucht und auf einem guten Weg war. Wir haben darauf gesetzt, dass er seinen Weg macht. Aus heutiger Sicht eine durchaus mutige Entscheidung. Das ein­gegangene Risiko und das langfristige

Festhalten an der eingegangenen Verbin­dung wurde aber gerade in diesem Jahr reichlich belohnt. Bei allen vorherigen Er­folgen ist der NBA­Gewinn und die damit verbundene öffentliche Aufmerksamkeit für Dirk Nowitzki so etwas wie „die Kir­sche auf der Sahne“ der langjährigen Zu­sammenarbeit.

Die Kernbotschaften im Jahr 2003 wa­ren: Leistung, Leistung, Leistung! Eine be­wusst zugespitzte und mit sehr attrakti­ven Zinskonditionen untermauerte Aus­sage, um die Bank im Markt klar zu posi­tionieren und zu etablieren. Visualisiert wurde die Botschaft vor allem über Dirk Nowitzki in einem rein sportlichen Um­feld. Bis Mitte 2010 ­ dem Zeitpunkt des Relaunchs ­ wurde diese Strategie im Kern weiterverfolgt ” 1.

Frühzeitige neuorientierung

Anfang 2008 begannen die Überlegun­gen, im Markenauftritt eine neue Ent­wicklung einzuleiten. Und das ohne Not oder einen fest vorgegebenen Zeitpunkt für den Start eines neuen Werbeauftritts. Wir hatten den Luxus eines erfolgreichen Markenauftritts und ausreichend Zeit, da­rüber nachzudenken, was wir ändern könnten, bevor wir vom Markt darauf ge­stoßen würden. Denn selbst die erfolg­reichste Kampagne, der erfolgreichste Werbeauftritt ist nicht davor gefeit, zu al­

tern. Wir wollten deshalb rechtzeitig ver­hindern, dass die Zahlen irgendwann eine rückläufige Tendenz einschlugen.

Der damalige Auftritt war farblich dun­kelblau gehalten und fand örtlich meist in einer Turnhalle mit einem sehr auf den Aspekt Höchstleistung reduzierten Dirk Nowitzki statt. Das transportierte einer­seits zwar sehr viel Leistung, anderer­

seits aber auch Kühle und Distanz, mit der sich „Otto Normalverbraucher“ weni­ger identifizieren konnte. Trotz allen Er­folgs erkannten wir vor allem eine Hürde beim Zugehen auf breitere Bevölkerungs­schichten: Von unseren Kunden bekamen wir ein sehr viel stärkeres und positive­res Markenbild zurückgespielt als von Nichtkunden. Uns wurde bewusst, dass die positive Erfahrung, die unsere Kun­den haben, auf jene übertragen werden muss, die mit uns in Kontakt treten sol­len.

Das Fazit der ist-aufnahme: Diese Bank erbringt tolle Leistungen hinsichtlich Zin­sen und Konditionen. Jingle und Ikone Dirk Nowitzki sind bekannt, aber für den Verbraucher blieb die Frage offen, ob er für eine Geschäftsverbindung mit der ING­DiBa nicht besondere Kenntnisse mitbringen muss und wie zugänglich wir für Fragen und Servicebedürfnisse sind. Genau da wollten wir ansetzen, um das starke Pfund der Marke und des immer bedeutender werdenden Basketball­Idols Nowitzki nach außen zu transportieren.

Doch zunächst setzten wir uns analy­tisch mit der Fragestellung auseinander, wo die Reise hingehen sollte. Eine große und spannende Herausforderung, denn die alte Kampagne war so gut, dass es schwerfiel, etwas Neues zu machen, ohne

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ó E u r o F i n a n c E W E E k 2 011

das Bisherige wegzuwerfen. Denn es ging nicht um eine Neupositionierung, son­dern um eine evolutionäre Weiterent­wicklung der Marke. Der Spagat also, die alte Welt mit der bestehenden Kundschaft mitzunehmen und sich trotzdem deutlich weiterzuentwickeln und potenzielle neue

Kunden zu erreichen. Am Ende einer lan­gen Pitch­Phase entschieden wir uns im Herbst 2009 für eine Agentur, die unse­ren Ansprüchen entsprach, und entwi­ckelten gemeinsam mit dieser das neue DiBaDu­Konzept. In nur vier Monaten wurde das Konzept dann umgesetzt.

raus aus den kurzen hosen: neuposi-tionierung des testimonials

Ziel der Kampagne ist es, den eindimen­sionalen Leistungsaspekt um weitere Di­mensionen zu erweitern, insbesondere um emotionale Aspekte. Neudeutsch: Zum Best Deal soll Best Feel hinzukommen.

anzeigenmotiv 2003 bis Mitte 2010 und aktuelle kampagne

1

fl Ziel der kampagne ist es, den eindimensionalen Leistungsaspekt um weitere Dimensionen zu erweitern, insbesondere um emotionale aspekte. Zum Best Deal soll Best Feel hinzukommen.

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˚ 2003 bis Mitte2011

aktuelle kampagne ˘

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fl Die spontane Markenbekanntheit, die in den letzten Jahren stagnierte, erfuhr innerhalb von zwölf Monaten ein Plus von zwölf Prozentpunkten auf jetzt beachtliche 49 %.

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Das „DiBaDu“ fasst ­ gepaart mit dem Claim „Die Bank und Du“ ­ das gute Ge­fühl zusammen, das Kunden haben, wenn sie bei uns sind und damit eine kluge Bank­Entscheidung getroffen haben. Da­bei stimmt die Leistung, aber auch der Umgang mit den Kunden, also das Mitein­ander von Kunde und Bank.

Dirk Nowitzki als Testimonial spielte in dieser Strategie wieder eine wichtige Rolle. Allerdings anders als bisher. Denn die Abkehr vom reinen Leistungsgedan­ken hatte auch hier Konsequenzen. Über­tragen auf Dirk Nowitzki bedeutete sie: Raus aus den kurzen Hosen und der Turnhalle und hin zu einer wesentlich stärkeren Konzentration auf den Men­schen Dirk Nowitzki. Denn dessen sym­pathische Ausstrahlung und charakterli­che Stärken passen ideal zum Marken­bild der ING­DiBa: trotz großer Erfolge auf dem Teppich geblieben und nah bei den Menschen.

Bei der Umsetzung des Konzepts gab es allerdings eine zentrale Herausforde­rung. Dass der Vollblutsportler Nowitzki vor der Kamera Basketball darstellen konnte, war bekannt. Aber wie würde er sich in einem völlig anderen Umfeld schlagen, noch dazu mit eigenen Textpas­sagen? Dass diese Bedenken völlig unnö­tig waren, zeigen die seit dem letzten Jahr laufenden sehr erfolgreichen Werbespots mit ihm. Obwohl er das Spiel vor der Ka­mera eigentlich nicht liebt, ist es gelun­gen, bei den Drehs ein Umfeld zu schaf­fen, in dem er Spaß am Schauspielern und den sympathisch und augenzwin­kernd angelegten Spots gewonnen hat. Das Erfolgsrezept: Dirk Nowitzki darf da­bei so sein, wie er ist. Wir geben keine exakten Texte vor, sondern beschreiben lediglich eine Szenerie, eine Geschichte, in der er sich ohne enges Drehbuch bewe­gen darf.

erfolgreicher relaunch

Die neu ausgerichtete Markenkampagne kommt beim Verbraucher gut an. Nach

nunmehr einem Jahr ergeben sich belast­bare Ergebnisse bei den üblichen Erfolgs­parametern. Die spontane Markenbe­kanntheit beispielsweise, die in den letz­ten Jahren stagnierte, erfuhr innerhalb von zwölf Monaten ein Plus von zwölf Prozentpunkten auf jetzt beachtliche 49

%. Das ist eine Entwicklung, die Marke­tingexperten, die uns in der Marktfor­schung begleiten, am meisten überrascht hat. Denn so massiv dreht sich die spon­tane Markenbekanntheit in der Regel nicht. Zumal dann, wenn das Budget nicht deutlich erhöht wird.

In der spontanen Werbeerinnerung ­ für uns eine wichtige Größe, weil sie di­rekt mit der Kaufbereitschaft korreliert ­ verbuchten wir ebenfalls einen Zuwachs von zwölf Prozentpunkten auf jetzt 32 %. Das berühmte Relevant Set, also die Tat­sache, in Erwägung gezogen zu werden, wenn eine Finanzentscheidung ansteht, hat aktuell ein Plus von sechs Prozent­punkten auf insgesamt 51 % und beim First Choice als letzte zu erwähnende Größe haben wir immerhin ein Plus von drei Prozentpunkten. Das sind hervorra­gende Werte, die unsere Erwartungen deutlich übersteigen. Denn eigentlich war erst für Ende 2011 vorsichtig anvisiert, den Altauftritt zu übertrumpfen.

Familiäre partnerschaft

Ein wichtiger Faktor für diesen Erfolg be­steht in der geglückten Neupositionie­rung des Testimonials Dirk Nowitzki. Möglich war dies auf der vertrauensvol­len Basis einer über die Jahre gewachse­nen engen Partnerschaft mit Dirk Nowitz­ki selbst und dessen Management und fa­miliärem Umfeld. Dabei respektieren wir stets seine persönlichen Wünsche nach

Privatsphäre und konzentrieren unsere gemeinsame Präsenz auf wenige, wichti­ge und intensive Termine.

Fest gekoppelt mit dieser Partnerschaft ist auch die breite finanzielle Unterstüt­zung des Basketballs in Deutschland durch die ING­DiBa, sowohl auf der Ebene

der Nationalmannschaften als auch der Nachwuchsförderung – eines der wich­tigsten Anliegen des NBA­Superstars. Das beginnt vor Ort mit sozialen Sportprojek­ten in Schulen (BasKidBall) und reicht bis hin zur Förderung sämtlicher National­mannschaften inklusive der sehr erfolg­reichen Rollstuhlmannschaft des Deut­schen Basketballbundes. Dabei färbt die Begeisterung für den Sport und Dirk No­witzki nicht zuletzt auch auf die Mitarbei­ter der Bank ab. Bei internen Events erle­ben sie den Star als lockeren, sympathi­schen Zeitgenossen ohne jegliche Allü­ren, der auch nach einer Stunde uner­müdlichen Autogrammschreibens noch genauso freundlich wie am Anfang ist.

Frei nach dem Motto „Never change a winning team“ werden wir als ING­Diba auch künftig auf dem erfolgreichen Weg weitergehen. Denn für uns ist Kontinuität ein wichtiger Erfolgsfaktor, und zwar im Kundenservice und beim Produktportfo­lio genauso, wie in der Zusammenarbeit mit unserem Testimonial Dirk Nowitzki. Dass es sich dabei nicht nur um Lippen­bekenntnisse handelt, hat die ING­DiBa erst kürzlich dokumentiert ­ durch einen Verlängerung des Kooperationsvertrags mit dem Deutschen Basketballbund und Dirk Nowitzki bis zum Jahr 2015. ó

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Erfolgsfaktor Kunden-segmentierungGo-to-market-strateGie Im Detail betrachtet ist jeder Bankkunde einzigartig. Er oder sie zeigt individuelle Verhaltensweisen, hat individuelle Einstellungen und individuelle finanzielle Bedürfnisse, die wiederum von multiplen Faktoren wie Alter, Einkommen, Lebenssituation usw. abhängen. Theoretisch wäre es daher wünschenswert, jeden Kunden ebenso individuell behan-deln zu können. Praktisch ist dies aber sowohl unter technischen als auch unter Profitabilitäts-aspekten nicht möglich. Stattdessen trägt eine ausdifferenzierte Kundensegmentierung wesent-lich zur Lösung bzw. Minderung dieses Zielkonflikts bei.

keywords: marketing, Zielgrup-pen, kundenanalyse

Zunächst geht es darum, klarzustellen, was Kundensegmentierung eigentlich be­deutet und welche Ziele mit einer markt­gerechten Kundensegmentierung verfolgt werden: Kundensegmentierung beinhal­tet die Bestimmung von Kundengruppen, die den folgenden Anforderungen genü­gen:

ó Die Ähnlichkeit der Kunden innerhalb eines Segments ist möglichst hoch.

ó Die Unterschiedlichkeit der Kunden zwischen den Segmenten ist mög­lichst groß.

ó Die Daten zur Beschreibung eines Segments sind mit vertretbarem Auf­wand aus verfügbaren Datenquellen zu ermitteln.

ó Die Segmente dürfen nicht „synthe­tisch“ sein. Das heißt: Die ausgewähl­ten Segmente lassen sich im Vertrieb oder Marketing nutzen und besitzen Marktrelevanz.

ó Die Gesamtzahl der Segmente bleibt überschaubar.

Wenn man die Entwicklung der Finanz­dienstleistungsbranche in den letzten 15 Jahren betrachtet, so stellt man fest, dass

sich die Rahmenbedingungen entschei­dend verändert und die Herausforderun­gen sich auf mehreren Ebenen wesentlich erweitert haben.

So ist die Komplexität des Marktes stark gewachsen. Während es vor einigen Jahren lediglich Filialen als Vertriebska­nal gab, gibt es heute durch die Entwick­lung und Zusammenführung des Internet und der mobilen Telefonie wesentlich mehr Möglichkeiten, Produkte zu bewer­ben und zu vertreiben. Zudem sind „Non Financial Player“ wie C&A, Tchibo und Automobilhersteller durch die Gründung neuer Banken in den Markt gedrängt. Und auch die wachsende Anzahl der an­gebotenen Produkte, insbesondere im An­lagebereich, stellt den Vertrieb und das Marketing vor immer größere Herausfor­derungen.

Schaut man auf die Kundenseite, so stellt man fest, dass es auch hier gravie­rende Veränderungen gegeben hat. Wäh­rend es früher für Kunden schwer war, eine Transparenz in den Preisen und Ge­bühren von Banken herzustellen, so hat sich durch die Online­Medien und Ver­gleichsportale eine völlig klare Angebots­ und Preistransparenz entwickelt.

Durch all die genannten Faktoren ist ein „hybrides Kauf­ und Informationsver­

halten“ der Kunden entstanden, das keine eindeutige Zuordnung von Kunden auf einzelne Vertriebskanäle mehr zulässt. Als Beispiel sei hier der “ROPO“­Effekt (Resarch online, Purchase offline) ge­nannt. Weiterhin hat das stark an Bedeu­

Jürgen lieberknecht ist im Vorstand der Targobank, Düsseldorf, für Marketing und Produktplanung verantwortlich.

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tung gewonnene Social­Media­Umfeld dazu geführt, dass differenzierte Markt­bearbeitungsstrategien von „Above the Line“ zu „Below the Line“ zu „Social Me­dia“ die Verzahnung unterschiedlichster Segmentierungsansätze zu einer konsis­tenten, integrierten Strategie erfordern.Neben diesen im Wesentlichen den Markt betreffenden Herausforderungen führt die immer weiter fortschreitende techni­sche Entwicklung auch dazu, dass immer mehr Informationen über Kunden verfüg­bar sind. Es ist nicht mehr möglich aus dieser Fülle von Informationen „manuell“ Handlungsstrategien abzuleiten, sondern man muss häufig auf mathematisch­sta­tistische Verfahren zurückgreifen, um ei­nen möglichst hohen Individualitätsgrad in der Angebotslogik erreichen zu kön­nen.

Aus diesen Herausforderungen, denen die gesamte Finanzdienstleistungsbran­che gegenübersteht, lassen sich klare Zie­le für eine ausdifferenzierte Kundeseg­mentierung ableiten. Im Einzelnen sind dies:

ó Wachstum durch differenzierte Markt­bearbeitung,

ó Steigerung/Sicherstellung eines marktgerechten Kundenerlebnisses (wo immer der Kunde mit der Bank in Kontakt tritt, sollte er kompetent be­dient werden),

ó Ausschöpfung der Kunden­Potenziale entlang des Kundenlebenszyklus,

ó Steigerung der Kundenzufriedenheit/ Net Promoter Score,

ó Optimierung der Allokation des Mar­keting­Budgets und Effizienzsteige­rung in internen Prozessen,

ó Steigerung der Profitabilität.

marktsegmentierung und positionie-rung

Bevor man mit der eigentlichen Kunden­segmentierung startet, sollte die Positio­nierung im Markt klar definiert und das gesamte Corporate Image darauf abge­stimmt sein. ” 1 skizziert die Vorgehens­

weise. Die Targobank hat sich im Rah­men der Umbenennung und der Neu­positionierung in einem Koordinaten­system mit den Achsen „Preisorientiert/Prestige“ und „Tradition/Fortschritt“ ein Zielfeld definiert, auf das sämtliche nachfolgenden Aktivitäten abgestimmt werden.

Nachdem man das Zielfeld definiert hat, muss ermittelt werden, welche Kun­den für dieses Feld infrage kommen und wie hoch das quantitative Potenzial ist. In

der Targobank hat man unter anderem mit Hilfe der Sinusmilieus das Potenzial an wechselwilligen Kunden mit einer si­gnifikanten Abschlusswahrscheinlichkeit geschätzt. Außerdem hat man für das Hauptkundensegment eine obere Grenze für das Nettovermögen festgesetzt.

Nachdem die Positionierung und das Potenzial festgelegt sind, ist der entschei­dende Schritt die Festlegung der Anspra­che­ oder Kontaktstrategie. Das heißt: Welche Kunden werden wie, auf was und mit welcher Frequenz angesprochen. Die im ersten Abschnitt beschriebenen, durch den Markt gestellten Herausforderungen und die allgemeinen Ziele der Kunden­segmentierung machen deutlich, dass man nicht mit nur einer Segmentierungs­art arbeiten kann. Vielmehr müssen un­terschiedliche Segmentierungsansätze si­multan verknüpft werden.

Die grundsätzliche Aufgabe der Kun­densegmentierung besteht nun darin, die verschiedenen Methoden der Segmentie­rung über die gesamte Wirkungskette von Relevanz und allgemeinem Produkt­bedarf über den spezifischen Produkt­ oder Beratungsbedarf bis hin zur Hand­lungsabsicht so zu verbinden, dass Um­

satz­ und Ertragsziele auf der einen Seite, aber auch eine hohe Kundenzufrieden­heit auf der anderen Seite möglichst kostenoptimiert erreicht werden. Um die­ses zu realisieren, müssen die Segmen­tierungsmethoden den Stufen der Wir­kungskette zugeordnet werden ” 2.

segmentierung von internen und externen kunden

Die Struktur der Kundensegmentierung, das heißt, welches Verfahren angewandt

wird, hängt zunächst davon ab, ob es sich um einen Bestandskunden oder um einen Nicht­Kunden handelt, den es zu gewin­nen gilt. Die Herausforderung bei Nicht­Kunden besteht im Wesentlichen darin, dass die individuelle Informationsdichte aufgrund des Datenschutzes sehr gering ist. Es stehen nur Daten (wie zum Beispiel Kaufkraft, sozioökonomische und sozio­demografische Daten, Typologien sowie die Entfernung zur nächsten Filiale) auf aggregierter Ebene zur Verfügung, die keine Rückschlüsse auf Individuen zulas­sen. Bündelt man aber diese Daten in ei­ner zentralen Datenbank, so lassen sich auch auf dieser Ebene wertvolle Kunden­segmente herausarbeiten und verschie­dene Marketinginstrumente optimal ein­setzten. Der Prozess lässt sich allgemein wie folgt beschreiben:

ó Berechnung einer Responsewahr­scheinlichkeit, also der Wahrschein­lichkeit, dass ein Nicht­Kunde auf ein Angebot reagiert, auf der kleinst­möglichen Ebene (zum Beispiel Haus).

ó Aggregierung auf verschiedene Geographien (PLZ, Wohnquartiere, Straßenabschnitt …).

fl Durch die immer schnellere Entwicklung der informationstechnologie nimmt der automatisierungsgrad von Geschäftsprozessen und damit auch die Verfügbarkeit von kundendaten sowohl quantitativ als auch qualitativ zu.

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ó Auswahl der auf ein Angebot bezogen affinsten Gebiete für unterschiedliche Marketingmaßnahmen (zum Beispiel Mailings, Postwurf, Plakatwerbung, Filialmarketing).

Mittels dieses Prozesses erhält man die Möglichkeit, Gebiete zu finden, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Nicht­Kun­den leben, die zum definierten Zielseg­ment passen. So lassen sich gezielte Mar­

ketingmaßnahmen für beliebige Geogra­phien planen ” 3.

segmentierung von Bestandskunden

Im Gegensatz zur Segmentierung von Nicht­Kunden kann die Segmentierung von Bestandskunden aufgrund der hohen Informationsdichte wesentlich exakter gestaltet werden. Allerdings hat die große Anzahl der Informationen, die über einen Kunden verfügbar sind, auch Nachteile:

Zum einen besitzen nicht alle Informati­onen den gleichen Informationswert. Zum anderen macht die Informationsfül­le ein selektives Vorgehen bei der Merk­malsauswahl für eine erfolgreiche Seg­mentierung notwendig.

In der Targobank hat man fünf Haupt­dimensionen herausgearbeitet, mit denen die Bestandskunden beschrieben werden. Entlang dieser Hauptdimensionen wer­den zunächst eindimensionale Cluster ge­bildet. Nachfolgend werden diese Cluster dann multivariat verknüpft, so dass diese einen fünfdimensionalen Raum aufspan­nen und man im übertragenen Sinne von einer „Kundenlandkarte“ sprechen kann. ” 4 veranschaulicht dieses Vorgehen.

Wenngleich die fünf Dimensionen in der Anwendung als gleichberechtigt an­gesehen werden können, gibt es doch er­hebliche Unterschiede in der Komplexität der methodischen Ermittlung der Dimen­sionen. Dieses leuchtet unmittelbar ein, wenn man die Dimensionen „Lebenszyk­lus“ und „Produktnutzung“ bzw. „Preis­elastizität“ vergleicht. Während der Le­benszyklus eines Kunden, also im We­sentlichen Alter und Familienstand, sehr einfach deskriptiv zu bestimmen ist, ist die Vorhersage der zukünftigen Produkt­nutzung oder der Preiselastizität wesent­lich komplexer. Will man in diesem Be­reich brauchbare Ergebnisse erzielen, kommt man ohne die Verwendung ma­thematisch­statistischer Verfahren nicht aus. Im Folgenden wird daher beispiel­haft die Ermittlung der zukünftigen Pro­duktnutzung umrissen.

Vorhersage von zukünftiger produkt-nutzung

Durch die immer schnellere Entwicklung der Informationstechnologie nimmt der Automatisierungsgrad von Geschäftspro­zessen und damit auch die Menge der über Kunden zur Verfügung stehenden Daten sowohl quantitativ als auch quali­tativ zu. Die manuelle Analyse dieser Da­tenmengen ist entweder nicht möglich

Marktentwicklung und strategische ErfolgsfaktorenFachkonferenz am 30. November 2011 in der Frankfurt School of Finance & Management

Private Banking und Wealth Management

Im Rahmen der Konferenz wirken u.a. mit: Dr. Peter Clouth, Rechtsanwalt, Partner,

Sernetz Schäfer Rechtsanwälte Joachim Häger, Vorsitzender der Geschäftsleitung,

Private Wealth Management Deutschland, Deutsche Bank AG Jens Christian Hagel, Principal,

McKinsey & Company, Inc. Austria Axel Hörger, CEO Wealth Management und Vorsitzender

des Vorstands, UBS Deutschland AG Horst Schmidt, Vorsitzender des Vorstandes,

Bethmann Bank AG

Folgende Themen stehen im Mittelpunkt: Entwicklung des Private-Wealth-Management-Marktes Wachstumsstrategien im Private Banking und Wealth

Management Strategische Konsequenzen des Margenverfalls Auswirkungen der Regulierungstendenzen Qualifi kation im Private Banking Regulierung von Offshore-Finanzplätzen

Programm und Anmeldung unter: www.frankfurt-school-verlag.de

Kooperationspartner: Medienpartner:

Das Segment „Private Banking und Wealth Management“ ist für Kreditinstitute aufgrund seiner Marktgröße und seiner Wachstumschancen weiterhin sehr attraktiv. Doch haben sich seine Rahmenbedingungen in den letzten Jahren fundamental verändert: Vertrauensverlust beim Kunden, Margenverfall bei erhöhtem Wettbewerb und zunehmende Regulierung bringen weitreichende Konsequenzen für die Anbieter mit sich. Letztlich summieren sich diese Entwick-lungen zu einer grundlegenden Herausforderung für alle Finanzdienstleister, die in diesem Segment erfolgreich sein möchten: die Transformation des eigenen Geschäftsmodells, um profi tabel zu bleiben, und – für den Private Banker selbst – die Neudefi nition seiner Rolle dem Kunden gegen-über. Die diesjährige Konferenz „Private Banking und Wealth Management“ am 30. November 2011 in der Frankfurt School of Finance & Management möchte vor dem Hinter-grund der genannten Herausforderungen strategische Optionen für Führungskräfte aus der Finanzbranche aufzeigen.

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Service Profit chain

1

Positionierung

Wie möchten wir uns im Wettbe-werbsumfeld positionieren?

Wer ist die strategische Zielgruppe?

Wie viele Ziel-kunden sind über welche Kanäleerreichbar?

Wie viele haben eine hohe Wahr-scheinlichkeit, Finanzdienstleis-tungsprodukte abzuschließen?

Wie kann das Potenzial ausgeschöpft werden?

Einstellung &Interesse

Abschluss-bereitschaftErreichbarkeit Ansprache

Quelle: Targo Bank.

Modell des kundennutzen-Managements

2

Kunde

Spezifischer Produkt-/Beratungsbedarf

Relevant Set Allgemeiner Bedarf

Handlungsabsicht

Angebot

– Einstellungs- und Segmentreagibilität– Erreichbarkeit– Geografische Segmentierung

– Aktueller Produktbesitz– Kaufverhalten (Transaktionshäufigkeit)– Vertriebskanalnutzung

– Preiselastizität– Erkennen der situativen Dynamik

– Lebenszyklus – Einkommen/Vermögen– Soziodemographie– Kundenwert

Quelle: Targo Bank.

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Marktentwicklung und strategische ErfolgsfaktorenFachkonferenz am 30. November 2011 in der Frankfurt School of Finance & Management

Private Banking und Wealth Management

Im Rahmen der Konferenz wirken u.a. mit: Dr. Peter Clouth, Rechtsanwalt, Partner,

Sernetz Schäfer Rechtsanwälte Joachim Häger, Vorsitzender der Geschäftsleitung,

Private Wealth Management Deutschland, Deutsche Bank AG Jens Christian Hagel, Principal,

McKinsey & Company, Inc. Austria Axel Hörger, CEO Wealth Management und Vorsitzender

des Vorstands, UBS Deutschland AG Horst Schmidt, Vorsitzender des Vorstandes,

Bethmann Bank AG

Folgende Themen stehen im Mittelpunkt: Entwicklung des Private-Wealth-Management-Marktes Wachstumsstrategien im Private Banking und Wealth

Management Strategische Konsequenzen des Margenverfalls Auswirkungen der Regulierungstendenzen Qualifi kation im Private Banking Regulierung von Offshore-Finanzplätzen

Programm und Anmeldung unter: www.frankfurt-school-verlag.de

Kooperationspartner: Medienpartner:

Das Segment „Private Banking und Wealth Management“ ist für Kreditinstitute aufgrund seiner Marktgröße und seiner Wachstumschancen weiterhin sehr attraktiv. Doch haben sich seine Rahmenbedingungen in den letzten Jahren fundamental verändert: Vertrauensverlust beim Kunden, Margenverfall bei erhöhtem Wettbewerb und zunehmende Regulierung bringen weitreichende Konsequenzen für die Anbieter mit sich. Letztlich summieren sich diese Entwick-lungen zu einer grundlegenden Herausforderung für alle Finanzdienstleister, die in diesem Segment erfolgreich sein möchten: die Transformation des eigenen Geschäftsmodells, um profi tabel zu bleiben, und – für den Private Banker selbst – die Neudefi nition seiner Rolle dem Kunden gegen-über. Die diesjährige Konferenz „Private Banking und Wealth Management“ am 30. November 2011 in der Frankfurt School of Finance & Management möchte vor dem Hinter-grund der genannten Herausforderungen strategische Optionen für Führungskräfte aus der Finanzbranche aufzeigen.

rz_private_banking_210x280_2011_1006.indd 1 06.10.11 16:55

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oder sehr kostenintensiv. Daher sind im­mer schnellere und komplexere Analyse­verfahren notwendig, um die Daten in wertvolle Informationen zu verwandeln und daraus einen Nutzen zu ziehen.

Eine zentrale Fragestellung, um die es im Zusammenhang mit der Kundenseg­mentierung geht, ist die Zuordnung von Kunden in vordefinierte Gruppen. Insbe­

sondere wenn die Zugehörigkeit zu einer Gruppe nur mit einer gewissen Wahr­scheinlichkeit eintritt, lassen sich Data­Mining­Modelle sehr effektiv einsetzen. Als sehr gutes Beispiel eignet sich die Vorhersage der zukünftigen Produktnut­zung. In diesem Fall gibt es zwei Grup­pen: Kunden, die ein Produkt in einem festgelegten Zeitraum abschließen wer­

den, und Kunden, die dieses nicht tun. Es ist evident, dass die Zuordnung eines Kunden zu einer dieser Gruppen nicht de­terministisch, sondern nur stochastisch erfolgen kann.

Ziel ist also, ein Modell zu entwickeln, das einem auf Basis einer mathemati­schen Funktion die Wahrscheinlichkeit dafür liefert, dass ein Kunde ein Produkt abschließen wird. Basierend auf der er­mittelten Wahrscheinlichkeit kann man dann entscheiden, ob man den Kunden der einen oder der anderen Gruppe zuord­net. Bei der Erklärung von Gruppenunter­schieden geht es darum, Variablen zu identifizieren, die als Prädiktoren für die­se Unterschiede geeignet sind und darum, die Stärke und Richtung ihres Einflusses zu bestimmen. Bleibt man bei den Grup­pen zukünftige Käufer bzw. Nicht­Käufer, werden die bisherigen Käufer mit ihren typischen Produkt­ und sonstigen Merk­malskombinationen modelliert. Mit die­sem Modell können dann Kaufprognosen für die bisherigen Nicht­Käufer erstellt werden, für die diese Merkmale ebenfalls erhoben wurden.

Ein Verfahren, das sich für diese Frage­stellung hervorragend eignet ist die Lo­gistische Regression. Sie ist häufig besser geeignet, Verhalten zu beschreiben, als eine lineare Regression. Denn für sie gilt nicht die Modellannahme, dass eine Ver­änderung der unabhängigen Variable stets eine proportionale Veränderung der abhängigen Variable bewirkt.

Weitere in der Targobank verwendete Fragestellungen, bei denen dieses Verfah­ren angewendet wird, sind zum Beispiel die Bestimmung der Preiselastizität, die Vorhersage einer hohen Stornowahr­scheinlichkeit oder die Vorhersage der Nutzung eines Vertriebskanals.

segmentspezifisches performance marketing

Nachdem jede der fünf Dimensionen her­geleitet wurde, gilt es nun, klar definierte Zielgruppen für Marketing­ und Ver­

Geographische Segmentierung von Berlin

3

Fünf-dimensionaler Segmentierungsansatz der Targobank für Bestandskunden

4

– Die Herausforderung ist, verschiedene Dimensionen simultan zu nutzen, um Kunden-segmente zu definie-ren

– Mehrdimensionale Segmentierung des Kundenportfolios ermöglicht passende Angebote und effektive Kommunikation

Quelle: Targo Bank.

Fünf Dimensionender Analyse

Kernaufgaben der Dimensionen

– Zentrale Dimension– Ansprache der Kunden basierend auf den Lebensphasen

– Clusterung der Kunden mit Hilfe des Einkommens und Vermögens

– Ermittlung von Produktlücken unter Nutzung des „Next Best Product“ Ansatzes

– Clusterung der Kunden basierend auf deren Preiselastizität

– Erstellung einer kanalgerechten Kommunikation

Herausforderung und Gesamtziel

Lebenszyklus

Kundenwert

Produktnutzung

Preiselastizität

Vertriebskanal

In den dunkelgrünen Gebieten leben Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Zielgruppe der Targobank gehören.

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Das Strategiethema für Banken

triebsmaßnahmen sowie für das Produkt­management festzulegen. Dabei ist dar­auf zu achten, dass diese Gruppen mög­lichst disjunkt sind und die Gesamtan­zahl der Gruppen nicht zu groß wird. Nachfolgend wird für jede Gruppe die Kontaktstrategie, also das Marketingbud­get, die Kontaktmedien, die Kontaktfre­

quenz und der Individualitätsgrad des Angebots festgelegt. Bei der Durchfüh­rung der Kampagnen ist darauf zu ach­ten, dass bei allen neuen Maßnahmen sinnvolle Kontrollgruppen gebildet wer­den, mit denen sich der reale Erfolg ablei­ten lässt.

Um zukünftige Fehlentscheidungen auszuschließen, kommt dem letzten Schritt, dem „Lernen aus den Ergebnis­sen und der Rückkopplung auf die Kun­densegmente“, eine zentrale Bedeutung zu. Entscheidend ist, dass man ein Kenn­zahlensystem definiert, das geeignet ist, die aus den Gesamtbankzielen abgeleite­ten Marketingziele zu reflektieren. Die wichtigsten Kennziffern sind:

ó die Response­ und Buchungsrate, das heißt der Anteil, der auf die Gesamt­zahl aller Kontaktierten bezogenen Reagierer bzw. Produktbucher;

ó der Return on Marketing Invest, also der bezogen auf das eingesetzte Mar­ketingbudget erzielte Ertrag;

ó die Kosten pro abgeschlossenem Pro­dukt.

Systematisch und vergleichbar für alle Marketing­ und Vertriebsmaßnahmen er­hoben und dargestellt liefern diese Kenn­ziffern die Grundlage für die Bestimmung des optimalen Marketing Mix und damit auch die Grundlage für eine Profitabiliäts­steigerung.

Zusammenfassung

ó Insbesondere durch neue Medien und den technischen Fortschritt hat die Kom­plexität bei der (Kunden­)Segmentierung zugenommen.

ó Grundsätzlich basiert die Kundenseg­mentierung auf der eigenen Position im Markt und den strategischen Zielen.

ó Die Hauptaufgabe der Kundensegmen­tierung besteht darin, die verschiedenen Methoden der Segmentierung über die gesamte Wirkungskette von Relevanz bis hin zur Handlungsabsicht sinnvoll zu ver­binden.

ó Die Segmentierung der Nicht­Kunden wird mit Hilfe von Geomarketingansätzen durchgeführt, die zum Ziel haben, geo­graphische Gebiete zu finden, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Menschen leben, die zur definierten Zielgruppe gehören.

ó Die Segmentierung der Bestandskunden erfolgt durch die multivariate Verknüpfung der Dimensionen Lebenszyklus, Kunden­wert, Produkt nutzung, Ver triebskanal und Preiselastizität. Bei den Dimensionen, die Vorhersagecharakter besitzen, greift man auf geeignete mathematisch­statistische Verfahren zurück.

ó „Segmentspezifisches Performance Mar­keting“ ist ein auf der Kundensegmentie­rung aufbauender vierstufiger Kreislauf, bestehend aus der Festlegung der Kunden­segmente, der Definition der Kontaktstra­tegie, der Durchführung und Erfolgsmes­sung der Kampagnen und dem Lernen aus den Ergebnissen.

ó Durch die Anwendung des beschriebe­nen Segmentierungsvorgehens soll eine nachhaltige Ertragsverbesserung durch eine stärkere Kundenbindung und eine Senkung der Kosten durch eine effizientere Kundenansprache erreicht werden. ó

fl Das Ziel professioneller Segmentierung ist eine nachhaltige Ertragsver-besserung durch eine effizientere kundenansprache.

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Der Wettbewerb wird zuneh-mend im Web entschiedenretail BankinG Die deutschen Finanzinstitute werden ihre Angebote immer mehr dem Ideal des Internet Banking annähern. Sogar die Beratung wird künftig selbstverständlicher Teil des Webangebots sein, weil für das Retail Banking keine anderen Regeln gelten als für viele andere Dienstleistungsbereiche der Wirtschaft, die heute schon vollständig elektronisch abgebildet sind. Das heißt aber auch: Die Funk tion der Bankfiliale muss neu definiert werden.

keywords: electronic Banking, privatkunden, Geschäftspolitik

Internet Banking ist nicht das Vorhalten von Produkt­ und Kampagneninformatio­nen im Internet, sondern die Übertra­gung des gesamten Retail­Dienstleis­tungsspektrums einer Bank in das Netz.

internet Banking

Vor diesem Hintergrund gibt es nur we­nige Banken, die Internet Banking anbie­ten – oder je nach Definition auch keine, wenn man das eingeschränkte Angebot der Direktbanken als nicht vollständig be­trachtet. Die meisten Anbieter verharren noch in der Position des Informationslie­feranten und versuchen mit ihren Web­sites den Kunden und Interessenten et­was mitzuteilen – meist Werbebotschaf­ten. Rückkanäle für die Antworten der so Angesprochenen oder gar Andockstellen für die nutzerinitiierte Kommunikation sind selten. Mit dem Online Banking, also dem Angebot, den Zahlungsverkehr und einfache Wertpapiertransaktionen online abzuwickeln, ist für viele Banken das Banking im Internet bereits erschöpft. Selbst so naheliegende Interaktionsmög­lichkeiten, wie der Online­Abschluss von Finanzprodukten werden nicht von allen Banken und nicht für alle Produkte ange­boten.

Zweitens wird die Beratung von vielen Banken als entscheidende vertriebliche Kundensituation betrachtet und man traut offenbar nur dem Menschen zu, durch persönliche Beratung zum Ab­schluss zu kommen.

trend zur Beratung via internet

Sollten Banken vor diesem Hintergrund dann überhaupt anstreben, Internet Ban­king vollumfänglich, also inklusive der Beratung zu betreiben? Ja, denn die Ent­wicklung der nächsten Jahre wird genau

in diese Richtung gehen. Banken werden ihre Angebote immer mehr dem Ideal des Internet Banking annähern. Künftig wird die Beratung auch selbstverständlicher Teil des Webangebots sein, weil für das Retail Banking auch keine anderen Re­geln gelten, als für viele andere Dienst­leistungsbereiche der Wirtschaft, die heu­te schon vollständig elektronisch abgebil­det sind.

Wird es dann noch Filialen geben? Auch hier ist kein wesentlicher Unter­schied zu anderen Branchen ersichtlich:

Technische Hürden sind diesbezüglich nicht zu beklagen; vielmehr steht die hausinterne Vertriebspolitik einem kon­sequenten Angebot aller Leistungen im Internet entgegen. Etliche Filialbanken haben den parallelen Betrieb zweier Ver­triebskanäle nicht im Griff, und es gelingt ihnen nicht, den Online­Kanal vertriebs­politisch und organisatorisch richtig zu integrieren. Das merken Kunden immer dann, wenn sie auf der Banken­Website nach umfassender Information über die Vorzüge der dargebotenen Finanzproduk­

te zum Abschluss in die Filiale gebeten werden. Wenn sie dann dort das vorab im Internet gewählte Produkt gar nicht er­halten, ist die Kundenorientierung gründ­lich misslungen.

Vom gesamten Dienstleistungsspekt­rum des Retail Banking sind Beratungs­leistungen heute am wenigsten im Web vorzufinden. Dies liegt im Wesentlichen an zwei Gründen: Erstens stellt die Fi­nanzberatung die höchsten – auch tech­nischen – Anforderungen an die Gestal­tung der Interaktion mit dem Kunden.

fl Der Wettbewerb im retail Banking wird zunehmend im internet entschie-den. Gerade für Filialbanken ist es wichtig, den konflikt zwischen Filiale und Web endlich aufzulösen.

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Wie es weiterhin stationären Handel, Fernsehen und Zeitungen zum Anfassen gibt, wird es auch in der Zukunft Men­schen in Bankfilialen geben, die andere Menschen zu Finanzprodukten beraten und ihnen Finanzdienstleistungen erklä­ren, anbieten und verkaufen.

kunden- und prozessorientierung

Die Orientierung am Kunden folgt heute vielfach gängigen Marketingprinzipien. Häufig wird zunächst eine Segmentie­rung (eigentlich besser „Sektorisierung“) der Kunden vorgenommen und darauf die Ansprache der Kunden ausgerichtet. Ge­legentlich erarbeiten Banken auch ein segmentspezifisches Dienstleistungsan­gebot. Diese Vorgehensweise eignet sich auch für das Internet Banking. Insofern bestünde die erste Tugend zunächst dar­in, das gesamte Angebot auch im Internet – in geeigneter Weise ebenso für mobile Endgeräte – verfügbar zu machen. Auf die spezifischen Anforderungen, die hier­bei im Zusammenhang mit Finanzbera­tungsleistungen bestehen, wird weiter unten gesondert eingegangen.

Die Webauftritte vieler Banken müss­ten demgemäß transferiert werden von einer reinen Informationsdarstellung und Bühne für Marketingbotschaften zu einer Transaktionsplattform. Kundenorientie­rung bedeutet, die Finanzdienstleistungs­bedarfe der Kunden zu antizipieren und dafür benutzerfreundliche Angebote be­reitzuhalten. Heute werden vordringlich Produkte erklärt, vor allem aber ange­priesen. Dies ist eher an den Vertriebszie­len der Bank als am Kundenbedarf orien­tiert.

Aber welche Erwartung dürfen Kunden berechtigterweise an das Leistungsange­bot einer Bank und damit an das Internet Banking haben? Neben der Abwicklung des regulären Zahlungsverkehrs gehören dazu Angebote, die typische Kundensitu­ationen abbilden wie zum Beispiel

ó die vorübergehende verzinsliche An­lage eines Geldbetrags,

ó langfristiges Sparen zur Ergänzung der gesetzlichen Altersvorsorge,

ó kurzfristiger Bedarf eines Geldbetrags für eine Anschaffung,

ó die Limitierung des täglichen Verfü­gungsrahmens der „girocard“,

ó die Änderung des Überweisungsli­mits im Online Banking auf einen bestimmten Betrag mit Ausnahme bestimmter Empfänger,

ó die Erhöhung des Freistellungsauf­trags,

ó die Kontrolle der Wertentwicklung einer Aktie,

ó das Erteilen einer Stop­Loss­Order, ó das Sperren der Kreditkarte für be­stimmte Länder,

ó der einfache und sichere Zugang zum Online Banking (zum Beispiel durch den neuen E­Personalausweis oder TAN­ Generatoren in Scheckkartengröße).

Für diese und alle anderen so genannten Use Cases müssen Banken Angebote zur

Verfügung stellen. Diese dürfen im einfa­chen Fall auch mit den banküblichen Be­zeichnungen benannt werden (Konsu­mentenkredit, Tagesgeld usw.). Entschei­dend sind jedoch zwei Aspekte, die für die Orientierung am Kunden zu beachten sind: Erstens müssen alle Serviceangebo­te benutzerfreundlich präsentiert wer­den. Kunden müssen den Service schnell und einfach finden und anwenden kön­nen. Vielfach besteht hier noch erhebli­cher Verbesserungsbedarf: Kunden su­chen mitunter nur kurz und erfolglos und sind dann frustriert, weil sie annehmen, der Service würde nicht angeboten wer­den. Die Bank zeigt sich enttäuscht über die geringe Entlastungswirkung des On­lineservices für den telefonischen Sup­port und die damit einhergehende gerin­ge Kosteneinsparung.

Zweitens müssen die Serviceangebote prozessual durchgängig gestaltet werden. Das bedeutet, dass die Bank ausgehend von der Kundensituation einen Prozess gestaltet, der über den Wirkungskreis der Bank zurück zum Kunden ohne Brüche und für den Kunden jederzeit einfach er­kennbar und beeinflussbar abläuft. Der Prozess darf also nicht nur aus Banksicht optimiert werden, er sollte vor allem aus Kundensicht optimiert werden. Hin und wieder sind dabei Trade­offs aufzulösen – im Zweifel muss der Kundennutzen ei­nes kundenorientierten Prozesses bewer­tet und den höheren Prozesskosten ge­genübergestellt werden.

Die Ausrichtung von Prozessen an Kun­den – seit langer Zeit ein selten wirklich konsequent realisiertes Ideal – erfordert unter Umständen einen organisatori­schen Umbau auch der Strukturen der Bank. Allgemeingültige Aussagen hierzu können aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituationen jedoch nicht getrof­fen werden.

Keinesfalls muss die konsequente Ori­entierung an typischen Bedarfssituatio­nen der Kunden eine Ausweitung der Pro­duktpalette bedeuten. Im Gegenteil: Viel­

dr. thomas Bahlinger ist Professor für Organisation und Wirtschaftsinformatik an der Fakultät Betriebswirtschaft der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg mit dem Spezialgebiet E-Finance.

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fach beinhaltet die Reduzierung der An­gebotsvielfalt Vorteile für die Kunden, so zum Beispiel mehr Klarheit und ein leich­teres Produktverständnis. Komplexe, in­transparente Produkte sind nicht kun­denorientiert. Einfache, modular vom Kunden selbst konfigurierbare Leistun­gen hingegen schon.

online-Beratung: nachfrage wird steigen

Die größte Schwierigkeit bei der Erfül­lung der vollumfänglichen Anforderun­gen des Internet Banking stellt die im Web durchzuführende Finanzberatung gegenüber Kunden und Interessenten

dar. In der Branche ist vielfach die Aussa­ge zu hören, Beratung wäre nur im per­sönlichen Kontakt mit dem Berater mög­lich, insofern könne die Beratung aus­schließlich in der Filiale stattfinden (vom mobilen Vertrieb einmal abgesehen). Im Wesentlichen zwei Gründe werden dafür angeführt: Es sei erstens sehr schwierig, die konkrete Situation eines Kunden, sei­ne wahren Beweggründe, seine Ziele, sei­ne Einstellung zum Risiko und seine Er­wartungshaltungen zu erfassen. Dafür bedürfe es eines ausführlichen Gesprächs mit einem für solcherlei Gesprächsfüh­rung speziell ausgebildeten Experten. Zweitens sei die Überführung der so er­fassten Ausgangssituation in eine kon­krete finanzwirtschaftliche Handlungs­empfehlung eine zu komplexe Aufgabe, als dass sie der Kunde allein mit Hilfe ei­ner webgestützter Interaktionsmöglich­keit bewältigen könnte.

Einer näheren Betrachtung hält diese Argumentation jedoch nicht stand. Es stimmt, dass die Erfassung der Kunden­situation schwierig und vor allem lang­

wierig ist. Im Markt existiert bis dato on­line keine Anwendung, die eine solche Aufgabe befriedigend löst. Auch in der Wissenschaft sind allenfalls Teilbereiche der Problemstellung andiskutiert – zum Beispiel die Frage der Messung der Risi­kobereitschaft von Kunden. Insofern be­steht zunächst weiterer Forschungsbe­darf und die Finanzbranche ist aufgefor­dert, mit Innovationen dieses Feld zu be­arbeiten. Andererseits ist auch in der Fi­liale beim Beratungsgespräch zwischen Bankmitarbeiter und Kunde keineswegs sichergestellt, dass die Situationserfas­sung in jedem Fall bedarfsgerecht gelingt. Was wäre also naheliegender, als dass

insbesondere die Direktbanken in den Be­reich der Finanzberatung im Internet vor­stießen – getreu dem Motto: Wir können es noch nicht perfekt, aber mindestens so gut wie im Durchschnitt der Filialbera­tung.

Die komplexe Aufgabe, eine finanzielle Ausgangssituation in eine konkrete Pro­dukt­ bzw. Produktkombinationsempfeh­lung zu transferieren, wird bereits heute von computerbasierten Beratungswerk­zeugen unterstützt, auf die Bankmitarbei­ter im Kundengespräch Zugriff haben. Sie bieten meist eine schematische Situati­onserfassung mit regelbasierter Empfeh­lungsableitung. Richtig ist, dass diese Werkzeuge nicht ohne weiteres bedient werden können und die Nutzer neben fi­nanzwirtschaftlicher Kenntnis auch einer Einweisung in die Tools bedürfen. Solche Werkzeuge müssten somit weiterentwi­ckelt werden, um online eingesetzt wer­den zu können.

Dem Berater kommt heute noch die Aufgabe zu, die Dateneingabe mit dem Kunden interaktiv zu gestalten. Insbeson­

dere die erforderlichen Eingaben zur Si­tuationserfassung müssen interpretiert und dem Kunden erklärt werden. Auch bei der Übertragung der Kundenantwor­ten ist häufig Interpretationsgeschick not­wendig. Wo immer das Tool Lücken auf­weist oder das zugrundeliegende Schema zu grob oder auf andere Weise unpassend für die Kundensituation ist, muss der Be­rater auf der Basis seiner Fachkenntnis und seines sonstigen Wissens über den Kunden das Regelwerk des Tools ergän­zen. Nicht selten werden die Toolentschei­dungen auch überstimmt, weil der Bera­ter eine andere Auffassung vertritt und insofern andere Regeln bevorzugt als das Tool. Und mitunter kommt es vor, dass das Beratungsergebnis maßgeblich von Vertriebszielen und Provisionssätzen be­einflusst wird.

Sprechen der aufgezeigte Interpretati­onsbedarf bei der Toolnutzung und die gegebenen Interpretationsmöglichkeiten des menschlichen Beraters nun eher für oder eher gegen die Ausweitung des An­wendungsbereichs eines Beratungswerk­zeugs hin zur Selbstbedienung durch den Internetkunden? Der Interpretationsbe­darf wird kleiner durch die Weiterent­wicklung der Beratungswerkzeuge, in­dem diese selbsterklärend werden. Die Interpretationsmöglichkeiten geben Raum für die subjektive Färbung des Er­gebnisses und werden nicht selten mani­pulativ genutzt.

Studien zeigen, dass Kunden bei kom­plexen Finanzfragen bereit sind, Zeit und Einarbeitung zu investieren und dass sie starkes Interesse an einer unabhängigen und objektiven Beratung haben. Es darf also erwartet werden, dass selbsterklä­rende Beratungswerkzeuge, die eine ein­fache Interaktion erlauben und objekti­ven Regeln folgend zu einem Beratungs­ergebnis kommen, in der Zukunft auf wachsende Nachfrage stoßen. Vieles spricht somit dafür, dass Beratungswerk­zeuge zunehmend auch in Selbstbedie­nung für den Kunden angeboten werden

fl Die größte Schwierigkeit bei der Erfüllung der vollumfänglichen anforderungen des internet Banking stellt die im Web durchzuführende Finanzberatung dar.

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und das Internet Banking komplettieren. Die größten Schwierigkeiten bei der Ent­wicklung solcher Werkzeuge sind:

ó Vollständigkeit bei der Erfassung der finanziellen und persönlichen Situati­on des Kunden,

ó Verständlichkeit der Datenabfragen für den Kunden und intuitive Bedien­barkeit,

ó Einbezug weicher Faktoren (zum Bei­spiel Risikoneigung, Wunsch nach Flexibilität),

ó Erklärung des Ergebnisses inklusive der Bedeutung der Konsequenzen (zum Beispiel Nichtliquidierbarkeit ei­ner Geldanlage für einen bestimmten Zeitraum),

ó rechtssichere Beratungsdokumentati­on (auch für Interessenten).

strategische erfolgsfaktoren

In den nächsten Jahren werden die Leis­tungen der Banken im Internet Banking mit hoher Wahrscheinlichkeit immer mehr dem Ideal angenähert – vor allem aufgrund des weiter steigenden Wettbe­werbs im Retail Banking und aufgrund der Vorreiterrolle einiger Anbieter, insbe­sondere der Direktbanken. Daher tritt auch die Frage, über welchen Vertriebs­kanal (Filiale oder Internet) heute welche Erträge erwirtschaftet werden können, in den Hintergrund. Direktbanken halten sich ohnehin mit solchen Fragen nicht auf, sondern setzen ihren Weg des voll­umfänglichen Internet Banking konse­quent fort und fordern damit die klassi­schen Filialbanken immer mehr heraus.

Ein Erfolgsfaktor ist damit die richtige Verschränkung der unterschiedlichen Zu­gangswege. Für Filialbanken wirft die Ka­nalintegration zwei strategische Fragen auf. Erstens: Wie können die vertriebspo­litischen Ziele der Kanäle zu einem Ge­samtoptimum miteinander verbunden werden? Zweitens: Welche Rolle spielt die Filiale in einer Zukunft, in der grundsätz­lich alle Bankleistungen auch online an­geboten werden? Welchen Mehrwert kön­

fl Die Webauftritte vieler Banken müssen umgestaltet werden von einer reinen Marketingbühne zu einer echten Transaktionsplattform.

nen die Mitarbeiter in der Filiale den Kunden bieten?

Die beiden Fragen müssen natürlich für jede Filialbank individuell beantwor­tet werden. Dabei ist jedoch eines klar: Vertriebszielstrukturen, die dazu führen, dass Filialmitarbeiter das Internetange­bot der Bank als Bedrohung der eigenen Einkommensmöglichkeiten wahrnehmen

und dieses insofern vom Kunden eher ab­schotten, sind sicher nicht zukunftstaug­lich – gleichwohl heute weit verbreitet. Die zweite Frage erfordert eine grundle­gende Umorientierung in der Denkweise und im Selbstverständnis vieler Filialban­ken. Sie ist insofern zunächst eine Zumu­tung, die aber unumgänglich ist. Für die Beantwortung ist einerseits viel Kreativi­tät nötig; es dürfen in diesem Bereich auch echte Innovationen erwartet wer­den. Andererseits bedeutet es eine klare Konzentration auf die typischen Eigen­heiten und Möglichkeiten der Filiale und damit die Fortführung eines bisherigen Erfolgsmodells:

ó Unterstützung der Kunden bei der Nutzung des Internet Banking (per­sönlich, gegebenenfalls auch telefo­nisch),

ó Alternative zum Internet Banking für Kunden, die das Web nicht als Zu­gangsweg wünschen, bzw. in Kunden­situationen, in denen auch onlineaffi­ne Kunden ein persönliches Gespräch vorziehen.

Fazit

Bedarf für Filialangebote wird es vermut­lich immer geben, auch wenn Banken in der Zukunft verstärkt das Modell des ech­ten und damit vollständigen Internet Ban­king anstreben. Zusammenfassend las­

sen sich drei strategische Erfolgsfaktoren im Internet Banking ausmachen:

ó Konsequente Übertragung aller Bank­leistungen in das Internet inklusive der Geldanlage­ und Finanzierungsbe­ratung (auch für mobile Endgeräte) und damit Transformation der Websi­te von einer reinen Werbebühne zu ei­ner Transaktionsplattform.

ó Orientierung aller Bankleistungen (Produkte, Prozesse) an typischen Kundensituationen und den sich da­bei manifestierenden Kundenbedar­fen – keine Orientierung am provisi­onsorientierten Verkauf komplexer und intransparenter Produkte.

ó Auflösen der vertriebspolitisch moti­vierten Gegnerschaft zwischen Filiale und Internet.

In einem umkämpften Markt wie dem Retail Banking wird es immer Anbieter geben, die diese drei Erfolgsfaktoren für sich richtig umsetzen und damit langfris­tig anderen Marktanteile abnehmen. Kurzfristige Vertriebserfolge einer eher verkaufs­ jedoch weniger kundenorien­tierten Herangehensweise zum Beispiel durch Auslobung von Prämien für die Kontoeröffnung sind kein Gegenargu­ment dazu.

service

Die weitere Entwicklung des Themas be­obachtet und diskutiert der Autor unter www.bankenversicherungen.de. ó

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Immer ein Gewinn?FinanZinnoVationen Anhand einer empirischen Studie gibt das Autorenteam einen Überblick darüber, welche Finanzinnovationen existieren, wie sich diese auf verschiedene Produktgruppen sowie die USA und Westeuropa verteilen und wie sich diese Verteilung in den letzten zehn Jahren verändert hat. Außerdem wird analysiert, ob sich die Einführung einer Finanzinnovation für Banken auszahlt und welche Rolle dabei die Komplexität, das finanzielle Risiko und der Innovationsgrad spielen.

keywords: Finanzwirtschaft, innovationen, produktanalyse

Innovationen sind notwendig für das Wachstum und so hat sich die Forschung schon seit langer Zeit mit Innovationen beschäftigt. Der Bereich der Finanzinno­vationen ist bislang aber vernachlässigt worden. Diese Vernachlässigung ist auf­grund der wichtigen Bedeutung von Fi­nanzinnovationen aber wenig verständ­lich. Erstens spielen Finanzprodukte eine große Rolle im Leben von Konsumenten und sind heute allgegenwärtig. Zweitens machen Finanzinnovationen einen gro­ßen Teil der Weltwirtschaft aus. Drittens wurde die Finanzkrise in den vergange­nen Jahren durch Finanzinnovationen ausgelöst, die wahrscheinlich finanziell sehr riskant und komplex waren. Daher beantworten wir mit Hilfe einer Studie folgende Fragen:

ó Wie sind die verschiedenen Finanzin­novationen auf die Produktgruppen und Länder verteilt?

ó Wie hoch sind die Aktienkursreaktio­nen auf die Ankündigung von Finanz­innovationen?

ó Welchen Einfluss haben die Komplexi­tät, das finanzielle Risiko und der In­novationsgrad der Finanzinnovation auf die Aktienkursreaktionen?

Die Stichprobe, auf der die Studie basiert, enthält börsennotierte Banken aus fünf verschiedenen Ländern: USA, Deutsch­

land, Großbritannien, Schweiz und Frank­reich. Die Stichprobe enthält alle Ankün­digungen der Finanzinnovationen im Zeitraum 2001 bis 2010, die auf der jewei­ligen Webseite der Bank als Pressemittei­lung bekannt gegeben wurden oder die über andere Medien verbreitet und in den Datenbanken Dow Jones Factiva und Le­xisNexis erfasst wurden. ” 1 zeigt die An­zahl an Finanzinnovationen pro Bank. Im Durchschnitt hat jede Bank elf Finanzin­novationen auf den Markt gebracht, zu­

sammen also 428. Spitzenreiter sind die beiden amerikanischen Banken US Ban­corp und Citigroup, gefolgt von den bei­den deutschen Banken HypoVereinsbank und Comdirect.

einteilung der Finanzinnovationen

Finanzinnovationen können in fünf Grup­pen eingeteilt werden: Wertpapierge­schäft, Fondsgeschäft, Kredite, Kontofüh­rung und Versicherungen. Ein Beispiel für eine Innovation im Bereich Wertpa­

prof. dr. Bernd skiera, E-Finance Lab und Professor für BWL, insbesondere Electronic Commerce an der Goethe-Uni-versität, Frankfurt/Main.

lisa schöler ist Mitarbeiterin an der Pro-fessur für BWL, insbesondere Electronic Commerce an der Goethe-Universität, Frankfurt/Main.

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piergeschäft ist ein „Commercial Mort­gage Backed Security“, eingeführt im Jahr 2005 von der Deutschen Bank. Die Kredi­te sind durch eine Vielzahl von Gewer­beimmobilien, wie Büros, Hotels und Bars, besichert. Das innovative an dieser Verbriefung ist die Vereinigung einer at­traktiven Rendite mit der Flexibilität des traditionellen Balance Sheet Lendings. Goldman Sachs hat einen „U.S. Equity Fond“ im Jahr 2005 auf den Markt ge­bracht, der auf Investoren abzielt, die hohe Wachstumschancen suchen. Dieser Fond nutzt als innovatives Element regel­mäßig Call­Optionen auf den S&P 500. Um Familien mit niedrigem Einkommen einen Hauskauf zu ermöglichen, hat Citi­group im Jahr 2003 eine Innovation ein­geführt, die darauf abzielt, an Familien mit niedrigem Einkommen Kredite zu vergeben.

Die Bank of America hat das „Keep the Change“­Programm für Kunden mit eige­nem Konto im Jahr 2005 eingeführt. Da­bei rundet Bank of America bei jeder Be­zahlung mit der „Debit­Karte“ zum vollen Dollar­Betrag auf. Diese Differenz wird dann auf einem Sparkonto angesammelt. Ein Beispiel für eine Innovation aus dem Bereich Versicherung ist ein neues Le­bensversicherungsprodukt von HSBC, ge­nannt „Proteski Pinjaman Mitra“, die im Jahr 2009 eingeführt wurde. Diese Inno­vation deckt den Kredit im Todesfall des Kreditnehmers.

Drei Experten beurteilten den Innova­tionsgrad jeder Finanzinnovation anhand der Frage: „Wie innovativ finden Sie die­ses Produkt? Die 7er­Antwortskala reich­te von „wenig innovativ“ bis „komplett neu“. Im Mittel wurden die Finanzinno­vation als wenig innovativ eingestuft (μ = 1,7). Die drei als am innovativsten einge­stuften Innovationen sind dabei „Keep the Change“ von Bank of America, „Isla­mic Pension Fund“ von HSBC und ein „Temperature Certificate“ von Merrill Lynch. Der „Islamic Pension Fund“ ist ein Pensionsfond, der die Anforderungen

(keine Zinsen zu zahlen oder zu erhalten) der Sharia (islamisches Gesetz) erfüllt. Das „Temperature Certificate“ ist ein Zer­tifikat, das eine jährliche Rendite auf Ba­sis des Wetters in Roma­Ciampino, Ita­lien, zahlt.

” 2 zeigt darüber hinaus die Verteilung der Finanzinnovationen auf die verschie­denen Produktgruppen. Wertpapier­, Fonds­ und Kreditinnovationen sind am häufigsten vertreten, wohingegen Versi­cherungsinnovationen in der Stichprobe am seltensten vorkommen. Der Anteil von Wertpapier­ und Kontoführungsinnovati­onen an den Finanzinnovationen ist wäh­rend der Finanz krise stabil geblieben. Der Anteil von Fondsinnovationen ist in den Jahren 2004 bis 2007 im Vergleich zu den Jahren 2001 bis 2003 signifikant ge­sunken. Interessanterweise ist der Anteil von Kreditinnovationen in den Jahren der Finanzkrise (2008 bis 2010) im Vergleich zu den Jahren 2004 bis 2007 signifikant gesunken. Ein Grund hierfür könnte die Beliebtheit von Subprime­Krediten vor der Finanzkrise und die Unbeliebtheit von Subprime­Krediten nach dem Platzen der Immobilienblase sein. Der Anteil von Fondsinnovationen und Versicherungsin­novationen ist während der Finanzkrise im Vergleich zu den Jahren 2004 bis 2007 signifikant angestiegen. Ein Grund für den Anstieg von Fondsinnovationen könnte das Bestreben von Banken sein, mehr Fonds mit stärkerer Risikostreuung einzuführen.

” 3 zeigt die Verteilung der Finanzinno­vationen auf die beiden Regionen und Produktgruppen. Westeuropa hat in 2004 bis 2007 und 2008 bis 2010 signifikant mehr Wertpapierinnovationen und 2004 bis 2007 signifikant mehr Fondsinnova­tionen als die USA auf den Markt ge­bracht. Die USA hat in 2001 bis 2003, 2004 bis 2007 und 2008 bis 2010 signifi­kant mehr Kreditinnovationen und 2001 bis 2003 signifikant mehr Kontofüh­rungsinnovationen auf den Markt ge­bracht als Westeuropa.

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Finanzinnovationen pro Bank

Bank Anzahl Land

US Bancorp 38 USA

Citigroup 30 USA

HypoVereinsbank 24 D

Comdirect 22 D

Barclays 20 GB

AIB Group 18 GB

Société Générale 18 F

Royal Bank of Scotland 17 GB

Bank of America 16 USA

HSBC 16 GB

Hypo Real Estate 16 D

BNY Mellon 14 USA

Deutsche Bank 13 D

Eurohypo 13 D

Morgan Stanley 13 USA

National Westminster Bank

12 GB

UBS 12 CH

Commerzbank 11 D

Bank of Ireland 7 GB

Suntrust 7 USA

Wachovia 7 USA

Wells Fargo 7 USA

Credit Suisse 6 CH

Jefferies 6 USA

JP Morgan Chase 6 USA

Lloyds 6 GB

Postbank 6 USA

BB&T 5 USA

Fifth Third 5 USA

Goldman Sachs 5 USA

BNP Paribas 4 F

Lazard 4 USA

Merrill Lynch 4 USA

Sarasin 4 CH

Standard Chartered Bank 4 GB

Bardford & Bingley 3 GB

Crédit Agricole 3 D

ING Diba 3 D

Northern Trust 3 USA

1

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ó E u r o F i n a n c E W E E k 2 011

44 diebank 11.2011

” 4 zeigt die Anzahl an Finnanzinnova­tionen für die Zeiträume 2001 bis 2003, 2004 bis 2007 und 2008 bis 2010.

Vorgehensweise bei der analyse des innovationserfolgs

Mit Hilfe einer Event­Studie analysieren wir, ob und wie sich die Einführung einer Finanzinnovation auf den Unternehmens­wert einer Bank auswirkt und wie sich dabei Komplexität, finanzielles Risiko und Innovationsgrad auswirken. Die Event­Studie misst die Veränderung des Aktien­kurses als Reaktion auf eine Ankündi­gung einer Finanzinnovation, die über die durchschnittliche Marktentwicklung hin­ausgeht. Die Event­Studie basiert dabei auf der Annahme, dass jede neue Infor­mation im Aktienkurs berücksichtigt wird. Daher spiegelt die Veränderung des Aktienkurses den Wert der neuen Infor­mation wider.

Die Aktienkursreaktion auf die An­kündigung einer Finanzinnovation ist im Durchschnitt positiv (0,24 %) und führt zu einer Aktienkurssteigerung im Wert von 148 Mio US­$. Die drei erfolg­reichsten Innovationen im Beobach­tungszeitraum sind „2012 3 year mort­gage“ (Lloyds in 2009; 4,9 % Aktien­kursreaktion), „Local Emerging Markets Debt Fund“ (Goldman Sachs in 2008; 4,7 % Aktienkursreaktion) und „Ha­rewood Quant© Guru Europe Equity Fund“ (BNP Paribas in 2009; 4,4 % Ak­tienkursreaktion).

Die „2012 3 year mortgage“ ist eine Hypothek, die einen festen Zinssatz bis 2012 hat und als innovatives Element gleichzeitig eine Spende an das Britische Paralympics Team enthält. Der „Local Emerging Markets Debt Fund“ bietet hohe Gewinnchancen durch eine innova­tive Investitionsstruktur, indem er in verschuldete Unternehmen in Entwick­lungsländern investiert. Der „Harewood Quant© Guru Europe Equity Fund“ ba­siert auf einer innovativen Fundamental­analyse, die betriebswirtschaftliche Da­

ten und das ökonomische Umfeld der Un­ternehmen analysiert.

Die drei am wenigsten erfolgreichen Fi­nanzinnovationen sind „Sapphire Gua­ranteed Fund“ (Société Générale in 2002; ­2,9 % Aktienkursreaktion), „three year fixed rate savings bond“ (Barclays in 2009; ­2,9 % Aktienkursreaktion) und „domestic fund in India“ (Morgan Stanley in 2008; ­2,9 % Aktienkursreaktion). Der „Sapphire Guaranteed Fund“ besitzt ei­nen innovativen, vierteljährlichen Cou­ponmechanismus (wenn eine Aktie über dem Wert am Ausgabetag des Fonds no­tiert, wird diese Aktie aus dem Fond ge­nommen und der Coupon der Aktie am Ende der Laufzeit ausgezahlt), einen in­novativen Mechanismus zur erhöhten Partizipationsrate (falls keine Aktie über dem Wert am Ausgabetag des Fonds no­tiert, wird die Partizipationsrate (Aus­gang 100 %) um den vierteljährlichen Coupon erhöht) und einen innovativen Mechanismus zur erhöhten Kapitalgaran­tie (falls der Wert aller im Fond enthalte­nen Aktien am Ende eines Jahre gleich oder über 115 % des Ausgabepreises liegt, wird die Kapitalgarantie des Fonds am Ende der Laufzeit um alle Coupons des Jahres erhöht). Der „three year fixed rate savings bond“ zielt auf Konsumenten ab, die ihr Geld lediglich für drei Jahre anle­gen wollen (vergleichbar mit einer 5­Jah­res­Anleihe). Falls die Konsumenten den Bond bis zum Ende der Laufzeit halten, wird ihnen eine innovative Wachstums­garantie zugesichert. Der „domestic fund in India“ zielt auf langfristiges Kapital­wachstum ab, indem in ein aktiv gema­nagtes, innovatives Portfolio aus Wertpa­pieren, Aktien und Aktien­Derivate in­vestiert wird.

einflussfaktoren auf den innovations-erfolg

Wir haben zudem analysiert, welchen Einfluss die drei Eigenschaften der Finanz innovationen, Komplexität, finan­zielles Risiko und Innovationsgrad, auf

Verteilung der Finanzinnovationen pro Produktgruppe über die Zeit

Produkt- gruppe

2001–2003

2004– 2007

2008– 2010

Gesamt 01–10

Wert- papiere 38 % 43 % 36 % 40 %

Fonds 27 % 13 % 34 % 23 %

Kredite 27 % 30 % 18 % 25 %

Konto- führung 8 % 13 % 9 % 11 %

Versiche-rungen 0 % 0 % 3 % 1 %

n=37 n=223 n=168 n=428

Verteilung der Finanzinnovationen pro region und Produktgruppe

Produktgruppe2001–2003

2004–2007

2008–2010

Wertpapiere in den USA 36 % 15 % 16 %

Wertpapiere in Westeuropa 64 % 85 % 84 %

Fonds in den USA 30 % 30 % 49 %

Fonds in Westeuropa 70 % 70 % 51 %

Kredite in den USA 90 % 63 % 83 %

Kredite in Westeuropa 10 % 37 % 17 %

Kontoführung in den USA 100 % 43 % 40 %

Kontoführung Westeuropa 0 % 57 % 60 %

Versicherun- gen in den USA 0 % 0 % 20 %

Versicherungen Westeuropa 0 % 0 % 80 %

n=37 n=223 n=168

2

3

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deren Erfolg haben. Dazu haben die drei Experten zudem die Komplexität und das finanzielle Risiko jeder Finanzinnovati­on anhand der Fragen: „Dieses Produkt ist… nicht komplex/komplex“ (9er­Skala) und „In Anbetracht des Investments, das mit dem Kauf von … assoziiert wird, wie riskant würde der Kauf dieses Produktes sein? (nicht riskant/riskant; 7er­Skala) beurteilt. Im Durchschnitt wurde die Komplexität als „mittel“ eingestuft (μ = 4,75), das finanzielle Risiko aber als hoch eingestuft (μ = 5,08). Die Korrelati­onen der Antworten der drei Experten waren dabei sehr hoch ( = 0,92)“.

Die in ” 5 dargestellten Ergebnisse der Analysen zeigen, dass das finanzi­elle Risiko und der Innovationsgrad ei­ner Finanzinnovation einen positiven Einfluss auf den Aktienkurs haben. Je höher also das finanzielle Risiko bzw. der Innovationsgrad, umso höher die positive Aktienkursreaktion. Die Kom­plexität einer Finanzinnovation hat da­gegen einen negativen Einfluss auf die Aktienkurse: je höher die Komplexität, umso höher die negative Aktienkursre­aktion. Der Einfluss der Komplexität ist dabei so stark, dass er die beiden posi­tiven Einflüsse von finanziellem Risiko und Innovationsgrad überwiegt.

11.2011 diebank 45

Verteilung der Finanzinnovationen über die Zeit

Einfluss von komplexität, finanziellem risiko und innovationsgrad einer Finanzinnovation auf den aktienkurs

4 5

2001–2003

35

2004–2007

225

2008–2010

170

-0,4 -0,3 -0,2 -0,1 0 0,1 0,2 0,3 0,4

Komplexität

Finanzielles Risiko

Innovationsgrad

Aktienkursreaktion (in %)

implikationen

Es existiert eine Vielzahl an Finanzinno­vationen, die fünf verschiedenen Pro­duktgruppen zugeordnet werden kön­nen. Banken führten mehr Fondsinnova­tionen und weniger Kreditinnovationen während der Finanzkrise ein. Dies spie­gelt wider, dass Konsumenten in der Fi­nanzkrise eine Präferenz für sichere Fi­nanzinnovationen hatten. Zudem schaf­fen höhere Sparquoten von Konsumen­ten in Westeuropa und höhere Kredite in den USA einen Anreiz für Banken mehr Wertpapierinnovationen in Westeuropa und mehr Kreditinnovationen in den USA einzuführen. Das zeigt, dass Ban­ken auf die jeweiligen Bedürfnisse in den lokalen Märkten reagieren.

Die durchschnittliche Aktienkursre­aktion auf eine Ankündigung einer Fi­nanzinnovation ist signifikant positiv, und der Wert der dazugehörenden Stei­gerung der Marktkapitalisierung be­trägt 148 Mio US­$. Demzufolge beur­teilt der Markt Finanzinnovationen im Durchschnitt als vorteilhaft. Dieses Er­gebnis sollte Banken bestärken weiter­hin Finanzinnovationen zu entwickeln. Außerdem sind die Aktienkursreaktio­nen stärker für radikale Innovationen, was vermutlich darauf zurückzuführen

ist, dass Banken höhere Margen für ra­dikale Finanzinnovationen erzielen können.

Die Komplexität einer Finanzinnova­tion hat hingegen einen negativen Ein­fluss auf den Aktienkurs, was die The­orie belegt, dass Konsumenten komple­xe Innovationen eher ablehnen. Dies könnte mit dem hohen kognitiven Auf­wand zur Beurteilung der Finanzinno­vation und einer Überforderung des Konsumenten durch zu viele Produkt­merkmale begründet sein. Dieser nega­tive Einfluss ist so groß, dass er den po­sitiven Einfluss von finanziellem Risiko und Innovationsgrad überwiegt. Daher sollen Banken generell komplexe Inno­vationen vermeiden.

Die Aktienkursreaktionen auf finan­ziell riskante Innovationen sind positiv. Dieses Resultat zeigt den positiven Ef­fekt von finanziell riskanten Innovatio­nen, die in der Regel auch mit einer hö­heren Rendite einhergehen. Konsumen­ten scheinen folglich eine Präferenz für eher risikoreiche und damit auch rendi­testärkere Finanzprodukte zu haben. Ebenso könnten Konsumenten das Pres­tige schätzen, das mit dem Besitz von finanziell riskanten Produkten einher­geht. ó

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Vertriebsstrategie in der Post-PC-ÄraeVolution und konVerGenZ Im interaktiven Web 2.0 steigt der Einfluss des Kunden auf den Content. Dies führt zu neuen Informationen und zu neuem Wissen. Die Banken müssen sich in dieser Welt positionieren. Ansonsten laufen sie Gefahr, an den Rand gedrängt zu werden und damit dem Risiko ausgesetzt zu sein, auf attraktiven Geschäftsfeldern Marktanteile an Newcomer zu verlieren. Entscheidend ist eine stringente Vertriebsstrategie im Rahmen angepasster Geschäftsmodelle.

keywords: Vertriebsstrategie, non-Banks, social media

Mit dem Vormarsch der Social Media und der steigenden Interaktion der Teilneh­mer am Web 2.0 entstehen eine Reihe neuer Herausforderungen für etablierte Marktteilnehmer, vor allem wenn letzt­lich ein virtuelles Produkt zu vermarkten ist, wie das bei Finanzdienstleistungen der Fall ist.

social media verändern die online-Welt

Finanzdienstleister sind bereits in der vergangenen Dekade durch das Internet regelrecht auf den Präsentierteller gera­ten. Vor allem ihre Konditionen und Prei­se wurden transparenter und vergleich­barer, damit intensivierte sich der Preis­wettbewerb und in der Folge wurden die Margen, die bereits in der vorangegange­nen Dekade unter Druck geraten waren, weiter reduziert. Gleichzeitig wurden auch die Risiken im Hinblick auf die Re­putation zunehmend größer.

Dabei waren die Banken in dieser Zeit ein Vorreiter bei der kommerziellen Nut­zung der Online­Medien. Vor allem durch die Verlagerung einfacher Transaktionen konnten Kosten reduziert werden, außer­dem waren die geringen Grenzkosten bei Erhöhung der Transaktionszahlen und die

große Reichweite des Vertriebskanals wei­tere Argumente, die für das Online Ban­king sprachen. Quasi nebenbei wurden da­bei auch entsprechende Sicherheitsverfah­ren entwickelt und etabliert. Insgesamt ge­hört Online Banking bis heute zu den er­folgreichsten Spielarten des E­Business.

Ihre Vorreiterposition haben die Ban­ken jedoch in der Zwischenzeit einge­büßt. Was aber bedeutet dies für die Zu­kunft? Bereits vor mehr als drei Jahren hat das Analystenhaus Gartner die Ban­ken davor gewarnt, den Trend zum So­cial Banking nicht zu verpassen. Kon­kret wurde der Verlust von Teilen des klassischen Bankgeschäfts an Non­Banks als Konsequenz verpasster Ent­wicklungen prognostiziert. Ernst ge­nommen wurde dies von den deutschen Banken nicht wirklich. Die Mentalität der Deutschen stünde der Abkehr von den Banken bei Geldgeschäften entge­gen, wurde argumentiert. Als dann der anfängliche Hype um das virtuelle Le­ben in „Second Life“ doch relativ schnell wieder verebbte, sah sich so mancher bestätigt.

Doch seither hat sich viel getan. Vor al­lem etablierten sich die sozialen Netzwer­ke im Internet, getrieben durch eine unge­wöhnliche ökonomische Logik, bei der nicht mehr die Knappheit eines Gutes, son­dern vielmehr die Masse der Nutzer den

Wert bestimmt ” 1. In der ökonomischen Theorie gibt es verschiedene Sonderfälle dieser Art. Sie treten zum Beispiel immer dann auf, wenn für Güter eine Nichtrivali­tät im Konsum gilt, wenn also der Konsum bzw. Gebrauch eines Gutes nicht dazu führt, dass andere Wirtschaftssubjekte dasselbe Gut nicht mehr konsumieren kön­nen. Diese Bedingung ist bei den Social Media eindeutig erfüllt.

Die Netzwerke sind geprägt durch die Möglichkeit zur Interaktion ­ können aber auch passiv genutzt werden ­ sowie gerin­ge Beitrittshürden und Ubiquität. Mittler­weile befinden wir uns bei den Online­Netzwerken in einer Phase der Konkur­renz um das erfolgreichste Netzwerk un­ter verschiedenen Wettbewerbern. Die Frage lautet also nicht mehr, ob sich diese Netzwerke dauerhaft etablieren, sondern vielmehr, welche Netzwerke sich als die erfolgreichsten erweisen.

der Verlust von marktpositionen droht nicht nur

Mittlerweile haben die Banken die ersten Positionsverluste zu beklagen. Im Inter­netzahlungsverkehr hat sich mit Paypal, einer Ebay­Tochtergesellschaft, ein neuer Konkurrent aus dem Non­Bank­Bereich nicht nur etabliert, sondern ist auf dem besten Weg zur Marktführerschaft. Auf der Auktionsplattform Ebay ergibt sich

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11.2011 diebank 47

das fast naturgemäß. Weil aber heute fast alle „Onliner“ auch „Ebayer“ sind, ist die­ses Bezahlverfahren mittlerweile so be­kannt (Paypal Deutschland führt per Ende August über 15 Mio Kundenkonten), dass es vielfach auch außerhalb von Ebay für Online­Geschäfte genutzt wird. So kön­nen beispielsweise bereits Online­Tickets großer internationaler Airlines mit Pay­pal bezahlt werden. Die dabei generierten Provisionszahlungen gehen natürlich zu Lasten der Banken, die aus ihren eigenen Zahlungsverkehrsprodukten entspre­chend geringere Erträge erzielen.

Paypal ist dabei durchaus ein gutes Bei­spiel, um die Problematik zu beleuchten. Zunächst wurde das Bezahlverfahren für solche Zahlungsempfänger angeboten, die nicht zur klassischen Bankenkund­schaft gehören: Privatverkäufer, Garagen­händler, Kleingewerbetreibende. Mit der steigenden Kunden­ und Transaktionsan­zahl wird dann der Kreis der Kunden suk­zessive erweitert, bis am Ende auch Groß­kunden gewonnen werden.

Was zu Anfang wie ein Geschäft mit ei­ner unattraktiven Nischenkundschaft aus­sah, wird am Ende zu einem Verlust von wertvollen Marktanteilen bei wichtigen Kunden. Bedauerlicherweise ist es aber längst zu spät, wenn man auf die neue He­rausforderung durch eine Non­Bank erst dann reagiert, wenn diese die interessan­ten Marktsegmente erreicht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Lawine bereits im Rollen und nicht mehr aufzuhalten.

Gefahren im kreditgeschäft

Ähnliches könnte sich im Kreditsegment wiederholen. Auf dem digitalen Markt für Finanzdienstleistungen treffen traditio­nelle Banken nicht nur auf Online­Ban­ken, sondern auch auf neuartige Wettbe­werber, die ebenfalls klassische Finanz­produkte anbieten. Online­Plattformen wie Fidor oder Smava, die sich auch als Online­Intermediatoren verstehen, über­tragen die Prinzipien des Web 2.0 auf Fi­nanzdienstleistungen.

Sie ermöglichen über die Vernetzung von interessierten Teilnehmern ein Peer­to­Peer Banking (P2P­Banking) zwischen den Beteiligten. Diese kennen sich und können interagieren, beginnend mit dem Austausch von Informationen über den Meinungsdialog bis eben zum gegenseiti­gen Verleihen von Geld. Manche dieser Plattformen kombinieren dabei sogar den P2P­Ansatz mit der Möglichkeit des klas­sischen Bankkredits, das heißt, die Kun­den können wählen, ob sie ihren Finan­zierungsbedarf Peer­to­Peer mit anderen Usern des Netzwerks oder doch über ei­nen klassischen Bankkredit abdecken wollen.

Klassischerweise geht es im Kreditge­schäft um Fristentransformation, Losgrö­ßentransformation und Risikotransfor­mation. Wenn die Online­Plattformen mit ihrem neuen Ansatz diese Transformati­onsleistungen kostengünstiger bereitstel­len können, dann erwächst daraus eine nachhaltige Herausforderung für die Ban­ken in einem Kerngeschäftsfeld. Kurzfris­tig werden die Plattformen jedenfalls für Kreditsuchende attraktive Konditionen hervorbringen und gleichzeitig den In­vestoren attraktive Renditen ermögli­chen, solange es nicht zum Ausfall von Kreditnehmern kommt.

Die interessante Frage ist an dieser Stelle, ob diese Plattformen durch ihr neu­artiges Kommunikationsmodell tatsäch­lich zu einer effizienteren Ermittlung von angemessenen Risikoprämien beitragen, oder ob die Risikoprämien schlicht und einfach unterschätzt werden. Dann han­delt es sich bei diesem Geschäftsmodell um ein Strohfeuer, das verglühen wird, sobald die ersten gravierenden Ausfälle zu beklagen sein werden und die Investo­ren entdecken, dass sie selbst die Risiken des Geschäfts tragen, das ansonsten im Kreditgeschäft eben von institutionellen Finanzintermediären geschultert wird.

Für die Banken indes wäre es aus den oben bereits genannten Gründen ein schwer kalkulierbares Risiko, darauf war­

ten zu wollen. Denn falls diese Entwick­lung so nicht eintritt, etabliert sich hier ein alternativer Markt für Geldausleihe und Geldanlage, der auf der Kreditnehmerseite vor allem die guten Risiken anziehen wird, die auf diesen Plattformen mit niedrigen Risikoprämien bewertet werden und güns­tige Konditionen erhalten.

Voraussetzung hierfür wäre, dass es den sozialen Netzwerken gelingt, die Pro­blematik der Informationsassymetrie, die auf Kreditmärkten gegeben ist, dauerhaft zu lösen. Dies ist dann denkbar, wenn in diesen Communities ein implizites Wis­sen entsteht. Bei normalen Verkaufsbör­sen wie Ebay ist das bekanntlich einge­treten. Warum sollte es für eine Kredit­plattform nicht auch möglich sein?

Die Konsequenz wäre dann eine Art „Zitronenmarkt“ für das Kreditgeschäft der Banken (siehe Akerlof G.A., The Mar­ket for Lemons, QJoE Vol. 84 (1970) S. 488 ­ 500), eine Adverse Selection, bei der die guten Kreditkunden auf die interaktiven Vermittlungsplattformen zurückgreifen,

Franz nees ist Professor für Wirtschafts-informatik an der Hochschule Karlsruhe.

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48 diebank 11.2011

auf denen sie nur niedrigere Risikoprä­mien für Kredite zahlen müssen, wäh­rend die schlechteren Kreditkunden dort keine Verträge abschließen können.

Für das Kreditgeschäft der Banken blie­be damit nur der weniger attraktive Rest des Marktes übrig. Es ist momentan si­cher spekulativ, ob diese Entwicklung so eintreten wird. Es wäre aber fatal, wenn man auf Bankenseite lediglich darauf warten würde, ob es so kommt. Denn hier kann ein Prozess in Gang kommen, der ab einem bestimmten Zeitpunkt genü­gend Dynamik gewonnen hat und nicht mehr reversibel ist.

chancen für eine neue Ära der kundenbeziehungen

Gardner prognostizierte in der eingangs schon zitierten Studie aus dem Jahr 2008

bereits für die Gegenwart einen Marktan­teil von 10 % für Kredite im Privatkunden­geschäft über Internetplattformen. Dies ist zwar so noch nicht Realität geworden, aber wir haben es mit einer nachhaltigen Veränderung der Kommunikationsge­wohnheiten der Menschen zu tun.

Die neuen Medien zeichnen sich durch Offenheit, Transparenz, Authentizität und Dialogbereitschaft aus. Betrachtet man die vergangenen drei Jahre realis­tisch, dann haben die Banken durch die Finanzmarktkrise und zum Teil auch durch die Staatsschuldenkrise bei den oben genannten wesentlichen Kriterien der Social Media in den Augen ihrer Kun­den deutlich an Ansehen eingebüßt. Hier besteht also ein deutlicher Handlungsbe­darf. Im Fokus steht dabei nicht nur das Kreditgeschäft, wie dies im vorangegan­

genen Abschnitt diskutiert wurde. Auch das Anlagegeschäft ist betroffen.

Wenn Banken bei ihren privaten Kun­den das verlorene Vertrauen zurückge­winnen wollen, muss nicht zuletzt auch ihre Beratung top sein. Und sie muss von den Kunden so empfunden werden. Gera­de hier liegt aber auch ein Ansatzpunkt für eine Verbesserung der Leistung durch eine Intensivierung des Online­Vertriebs. Dieser kommt dem Wunsch nach Trans­parenz und Authentizität insofern entge­gen, als sich über diesen Vertriebskanal nur Produkte verkaufen lassen, die dort für den Kunden nachvollziehbar vorge­stellt werden können. Wenn die subjekti­ve Überzeugungskraft eines Verkaufspro­fis nicht im Spiel ist, wird niemand sich auch nur näher für ein Produkt interes­sieren, das er nicht versteht, geschweige denn es kaufen.

Dies gilt insbesondere für Anlagepro­dukte. Da heute auch breitere Kunden­schichten aus dem Retail Banking kom­plette Problem­ statt simple Produktlö­sungen für ihr mitunter nicht besonders großes Vermögen erwarten, sind im Bankvertrieb Herangehensweisen ge­fragt, die beim Kunden den Eindruck hin­terlassen, dass sich die Bank der Lösung seiner Probleme widmet.

Für eine objektive Kundenberatung in gleich bleibender Qualität bei Kosten, die mit dem Geschäft auch wieder verdient werden können, ist es notwendig, mit der Industrialisierung der Finanzwirtschaft auch in den Bereichen der Beratung vor­anzukommen. Nur mit einer Standardi­sierung in den Workflows und einer grö­ßeren Automatisierung in den Abläufen kann eine individualisierte Beratungs­leistung wirtschaftlich sinnvoll erbracht werden. Dies ermöglicht nicht nur eine Einbeziehung des Online­Kanals, es for­dert sie sogar regelrecht heraus. Die Gründe hierfür sind die folgenden:

ó Online­Vertrieb ist objektiv in dem Sinn, dass die Fakten und Zusammen­hänge im Vordergrund stehen.

Masse verdrängt knappheit als Werttreiber

Herausforderung Multikanal-Vertrieb

1

2

Neue Nutzer werden angezogen

Nutzerzahl des Netzwerks steigt

Nutzen des Netzwerks steigt

Nur Darstellung relevanter Informationen

Aktueller Informationsstand in allen Kanälen

Freie Wahl des Kanals für den Kunden

Jederzeitige Erreichbarkeit der Bank

Mobile Banking Online Banking SB-Geräte Filiale

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50 diebank 11.2011

Funktionsweise ist im Grunde eine zu­tiefst demokratische. Statt zentraler Bot­schaften, die von einer Stelle aus als Broadcast verbreitet werden, erstellen und beeinflussen die Mitglieder des Netz­werks die Inhalte selbst.

Dies ist ein Paradigmenwechsel und unter Umständen ein wichtiger Grund da­für, dass zwar in Bankkreisen dieses The­ma bereits seit Jahren diskutiert wird, aber die Innovationen eben von Non­ und Nearbanks vorangetrieben werden. Ein weiteres Problem liegt sicher auch in der begrenzten Möglichkeit, dezentrale Ent­stehungsprozesse von Inhalten zu beein­flussen. Ein Meinungsaustausch unter Gleichgesinnten kann im Falle von Com­munities von Bankkunden auch dazu füh­ren, dass sich eine Konsensmeinung he­rausbildet, die sich gegen die Bank rich­tet. Im ungünstigsten Fall kann daraus ein dauerhafter Imageschaden resultie­ren. Wie mit diesem Risiko umgegangen werden kann, dazu gibt es noch keine Er­fahrungen, sie müssten erst noch ge­macht werden.

technologische konvergenz als herausforderung

Die Entwicklung der Social Media wird begleitet und überlagert durch eine Kon­vergenz bei den Zugangsgeräten zum In­ternet. Waren vor zehn Jahren noch Mobil Banking und Online Banking verschiede­ne Vertriebskanäle, so hat die Weiterent­wicklung bei den Smartphones und die Einführung von Tablet­Computern die Grenzen verwischt. Mittlerweile wird be­reits vom so genannten Post­PC­Zeitalter gesprochen, die Bedeutung des Standard­PC wird in den nächsten Jahren kontinu­ierlich zurückgehen.

Damit verschwindet auch die bisherige Trennung in Hardware, Betriebssystem, Anwendungssoftware und Daten, die die PC­Ära geprägt hat. In der neuen Welt verschmelzen Hardware und Betriebssys­tem zum Zugangsdevice, während An­wendung und Daten zum Content zusam­

menwachsen. Wo es ursprünglich vier Märkte für vier disjunkte Produkte gab, wird nur noch ein integrierter Service zur Verfügung gestellt, auf den der Kunde mit dem Device seiner Wahl zugreift.

resümee

Fassen wir die wesentlichen Punkte noch einmal zusammen.

ó Im interaktiven Web 2.0 steigt der Ein­fluss des Kunden auf den Content. Dies führt zu neuen Informationen und zu neuem Wissen. Die Banken müssen sich in dieser Welt positionieren. Ansonsten laufen sie Gefahr, an den Rand gedrängt zu werden und damit dem Risiko ausge­setzt zu sein, auf weiteren Geschäftsfel­dern attraktive Marktanteile an Newco­mer zu verlieren.

ó Wenn die Kunden den Inhalt selbst mit­gestalten, besteht außerdem die Gefahr, dass diese Inhalte sich auch gegen die Banken selbst richten können. Der Um­gang mit diesem Risiko erfordert neue Kommunikationskonzepte, die bislang nur rudimentär vorhanden sind.

ó Der Kunde ist souverän in der Wahl des Vertriebskanals, den er benutzen möchte. Dies erfordert von Seiten der Bank eine konsistente Informationsbewirtschaftung im Hinblick auf die Transaktionsdaten des Kunden. Wegen der Ten denz zu ei­nem individualisierten Marke ting gilt dies auch unter CRM­Aspekten.

ó Im Post­PC­Zeitalter führt die Konver­genz bei den Zugangsdevices zum Inter­net zu neuen Geschäftsmodellen. Die Kunden wollen nicht nur Zugriff auf ihre Daten, sondern erwarten integrier­te Informations­ und Transaktionsser­vices.

Den veränderten Kommunikationsmög­lichkeiten und Kommunikationsgewohn­heiten der Kunden muss in Zukunft Rech­nung getragen werden. Dabei beginnt die Zeit zu drängen, denn die Wettbewerber in Form von Non­ und Near Banks warten nicht, sondern handeln längst. ó

ó Online­Vertrieb bietet die größte Reichweite und damit die beste Aus­sicht auf einen Return der zu tätigen­den Investitionen.

ó Online­Vertrieb bedient die Kunden in stets gleich bleibender Qualität.

ó Online­Vertrieb ermöglicht eine Nut­zung von implizitem Wissen in Social Media Networks zur Beseitigung von Informationsassymetrien.

neupositionierung der Filiale

Zwar ist die Filiale nach wie vor ein ge­eigneter Ort, um eine Verbindung zwi­schen Kundenanforderungen und den Zielen der Banken herzustellen. Die Frage ist aber, ob es heute noch in dem nötigen Maße möglich ist, den Kunden in die Fili­ale zu bekommen. Es zeigt sich jetzt auch ein Nachteil der Verlagerung von Trans­aktionen ins Online Banking: Die direk­ten und persönlichen Kundenkontakte haben abgenommen.

Perspektivisch muss die Filiale in einer multikanalorientierten Vertriebswelt neu positioniert werden ” 2. Dies gilt auch für die Marketingkonzepte, die ebenfalls indi­vidualisiert werden müssen. An die Stelle zentraler Kampagnen tritt das 1:1­Marke­ting, das individualisierte Online­Marke­ting als Pendant zum P2P­Banking. Weil die Nutzer von Social Media viele Informa­tionen selbst ins Netzwerk einsteuern und damit auch manches über sich selbst preis­geben, kann und sollte die Werbung unter sozioökonomischen und psychografischen Aspekten auf den einzelnen Kunden zuge­schnitten werden.

Den Erwartungen und Anforderungen der Bestandskunden muss zu vertretba­ren Kosten Rechnung getragen werden. Im Idealfall kann dabei auch verloren ge­gangenes Vertrauen wieder zurück ge­wonnen werden. Gleichzeitig müssen neue Kunden begeistert werden. Diese neuen Kunden wiederum sind, soweit es sich um die nachwachsende jüngere Ge­neration handelt, geprägt von der Nut­zung der sozialen Netzwerke. Deren

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