160
Institut für Verbundwerkstoffe GmbH - 1995 Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von Faserverbundwerkstoffen mittels der Methode der Finiten Elemente --------------------------------------------------------------------------------- vom Fachbereich Maschinenwesen der Universität Kaiserslautern genehmigte Dissertation zur Erlangung des Grades Doktor-Ingenieur vorgelegt von: Dipl.-Phys. Wieland Beckert aus Dresden Fachgutachter: Prof. Dr.-Ing. K. Friedrich PD Dr. rer. nat. habil. B. Lauke

Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Institut für Verbundwerkstoffe GmbH - 1995

Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von Faserverbundwerkstoffen mittels der

Methode der Finiten Elemente ---------------------------------------------------------------------------------

vom Fachbereich Maschinenwesen

der Universität Kaiserslautern

genehmigte Dissertation

zur Erlangung des Grades

Doktor-Ingenieur

vorgelegt von:

Dipl.-Phys. Wieland Beckert

aus Dresden Fachgutachter:

Prof. Dr.-Ing. K. Friedrich

PD Dr. rer. nat. habil. B. Lauke

Page 2: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Für die Nutzung dieser Dissertationen gelten folgende rechtlichen Bestimmun-gen

- Die vorliegende Dissertation darf von der Universität Kaiserslautern frei im In-ternet angeboten werden. Eine weitere Verbreitung oder öffentliche Wieder-gabe ist nicht gestattet und kann nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Au-tors (Promovierten) geschehen.

- Die Vervielfältigung ist nur im Rahmen des privaten und eigenen wissen-schaftlichen Gebrauchs (§ 53 UrhG) erlaubt.

- Die Publikation darf nicht bearbeitet oder in anderer Weise verändert werden.

- Der Autor hat das Recht, sein Werk, auch auszugsweise, anderweitig verfüg-bar zu machen und zu verbreiten.

- Für den Inhalt des Dokuments ist allein der Autor verantwortlich.

This publication (dissertation) is subject to the following terms of use:

- The University of Kaiserslautern is entitled to give open access to this publica-tion. Further publication or public broadcasting needs explicit authorization of the copyright owner (doctor).

- Copying is permitted only for private or the own scientific purposes of the per-son who performs copying (according to § 53 of the German Copyright Act). The copyright owner grants production of complete single copies of this publi-cation by means of a print on demand service.

- This publication may not be edited or changed otherwise.

- The copyright owner has got the right to publish or broadcast this publication as a whole or parts thereof elsewhere.

- The author is exclusively responsible for the content of this publication.

Page 3: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Kurzfassung und Abstract

Zusammenfassung

Das Verständnis der mikroskopischen Mechanismen und ihre Umsetzung in makroskopische Materialgesetze sind eine Voraussetzung für die bewußte Optimierung der mechanischen Eigenschaften faserverstärkter Verbundwerkstoffe. Die dazu notwendige, modellmäßige Beschreibung der Deformation erweist sich wegen ihrer inhomogenen Struktur, ihrer Anisotropie und ihrer speziellen Einsatzgeometrien als problematisch und übersteigt häufig die Möglichkeiten mathematisch-analytischer Lösungsverfahren. Numerische Methoden, wie die Finite-Elemente-Modellierung, ermöglichen eine realistische Berücksichtigung auch kompli-zierter Einflußgrößen und ergänzen die analytischen Verfahren gut. Dies wird an zwei Beispielen zum makro- und mikromechanischen Versagensverhalten faserverstärkter Werkstoffe demonstriert.

Ausgehend von einer makroskopischen, bruchmechanischen Betrachtung werden die Deformation und das Versagen beim ‘Curved Cantilever Beam Test’ mit einem Finite-Elemente-Modell untersucht. Der Test wird zur Charakterisierung der Delaminationszähigkeit von gekrümmten Probekörpern aus faserverstärkten Verbundwerkstoffen verwendet. Derartige Formen ergeben sich z.B. im Resultat von Wickelverfahren für faserverstärkte Thermoplastmaterialien. Die Interpretation der experimentellen Testergebnisse wird erschwert durch die gekrümmte Geometrie, das Auftreten von starker Biegung und von bruchmechanischen ‘Mixed-Mode’-Zuständen. Aufgrund dieser Schwierigkeiten existierte bisher kein spezielles Deformationsmodell für den Versuch. Die vorgestellte Finite Elemente Modellierung liefert eine gesicherte Basis für die Ermittlung der kritischen Energiefreisetzungsrate Gc der Delamination aus dem CDCB-Test. Mit ihrer Hilfe wird gezeigt, daß sich ein einfaches und genaues empirisches Verfahren zur Bestimmung von Gc aus den experimentellen Ergebnissen anwenden läßt, obwohl die Deformation der Probe nichtlinear ist und aufgrund der wirkenden Scherdeformationen auch mit aufwendigen analytischen Modellen nicht befriedigend beschrieben werden kann. Trotz der unsymmetrischen Geometrie der CDCB-Probe ist der Mode-II-Anteil der Belastung bei mittiger Lage der Rißebene in der Probe vernachlässigbar. Allerdings ergeben sich starke Mode-II-Beiträge bei bereits geringen Abweichungen der Rißlage von der Mittelebene der Probe. In den Experimenten muß daher vom Auftreten ausgeprägter, aber kaum einschätzbarer ‘Mixed-Mode’-Situationen bei der Delamination ausgegangen werden. Durch Normierung und Rechnungen über einen weiten Parameterbereich wurden Hilfsmittel in Diagrammform geschaffen, die in Abhängigkeit von der Materialsteifigkeit eine Dimensionierung der CDCB-Proben vor der Herstellung der Probekörper hinsichtlich ihrer Anfangsrißlänge und der Dicke ermöglichen. Die theoretische Untersuchung wird durch experimentelle Ergebnisse an Glasfaser/ Polyamid 6-Proben untersetzt.

Das zweite Beispiel befaßt sich mit der mikromechanischen Beschreibung des spröden Versagens der Faser-Matrix-Grenzfläche beim Einzelfaser-Auszugsversuch. Zielstellung der Finite-Elemente-Modellierung war es, die bislang vorherrschende Grenzflächenscherfestigkeit durch ein bruchmechanisches Debonding-Kriterium zu ersetzen. Ein besonderer Schwerpunkt wurde auf die Berücksichtigung der Überlagerung von Radial- und Scherspan-nungskomponenten in der Grenzfläche gelegt, gegenüber denen die Haftung mit sehr unterschiedlicher Empfindlichkeiten reagiert. Ein einziger, lediglich auf die Scherbelastung bezogener, Parameter erscheint zur Charakterisierung der Grenzfläche nicht ausreichend. Dem wurde durch die Nutzung eines ‘Mixed-Mode’-Versagenskriteriums für die kritische

Page 4: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Energiefreisetzungsrate in der Analyse Rechnung getragen. Besonders die Anfangsphase der Grenzflächenrißausbreitung ist durch dominante und sich mit der Rißlänge stark ändernde Mode-I-Anteile gekennzeichnet. In diesem Bereich tritt auch die maximale Debondingkraft auf. Sie ist zwar das signifikanteste Ergebnis der experimentellen Tests, wird jedoch unter wenig reproduzierbaren ‘Mixed-Mode’-Bedingungen erreicht. Ihr Wert ist zum Vergleich mit anderen Belastungsituationen daher wenig geeignet. Für mittlere Rißlängen durchläuft die Rißausbreitung eine Plateauphase, in der sich die Belastungssituation nur wenig ändert und für welche die Energiefreisetzungsrate durch ein einfaches analytisches Modell beschrieben werden kann. Sie bietet daher verläßlichere Bedingungen für die Bestimmung und den Vergleich der Grenzflächeneigenschaften. In der Praxis ist stabile Rißausbreitung bis in diese Zone nur für sehr steife Versuchsanordnungen und sehr kurze freie Faserlängen zu erreichen und konnte erst kürzlich von HAMPE realisiert werden. Der Vergleich mit den dabei erhaltenen experimentellen Ergebnissen erfordert die Einbeziehung von Grenzflächenreibung, die durch eine einfache analytische Erweiterung des FE-Modells näherungsweise erfaßt werden kann. Dabei wird das in der Modellierung erhaltene Bild vom Grenzflächenversagen bestätigt, insbesondere was den Prozeß der Grenzflächenrißinitiierung an der Matrixoberfläche und die geringe Widerstandsfähigkeit der Haftung gegenüber Normalbelastungen betrifft. Ein empirisches Verfahren zur getrennten Abschätzung der Reibungs- und der Haftungsanteile aus den Belastungskurven der stabilen Rißausbreitung des Faserauszugs wird vorgeschlagen. Die vorgestellten Methoden zur Berechnung der bruchmechanischen Kenngrößen und zur Charakterisierung des ‘Mixed-Mode’-Zustandes können unmittelbar auf ähnliche makro-mechanische oder mikromechanische Testgeometrien übertragen werden. Eine Erweiterung der Modelle hinsichtlich der Beschreibung inelastischen Materialverhaltens ist geplant.

Abstract

The understanding of the microscopic mechanisms and its formulation in macroscopic material laws is essential for a conscious optimization of the mechanical properties of fibre-reinforced composite materials. The necessary modeling of the deformational behavior is complicated because of the inhomogeneous structure, the anisotropy and the high endurance of this materials. It often exceeds the possibilities of mathematical-analytical methods. This is demonstrated in this work on two examples for the micromechanical and macromechanical failure behavior of fibre-reinforced materials.

The deformation and fracture of a ‘Curved-Double-Cantilever-Beam’-Specimen are investigated with a finite element analysis by a macroscopic, fracture mechanics approach. This test is used for characterization of delamination toughness of curved thermoplastic composite samples, that are the result of a filament winding technology. The interpretation of the experiments is complicated by the curved geometry, large deflection and fracture-mechanical mixed-mode-conditions. No particular deformational model for this geometry has been known until now. The presented finite element analysis provides a reliable basis for the estimation of the critical debonding energy release rate Gc from the experimental results. For this purpose a simple, empirical data reduction scheme could be confirmed, though the sample shows a nonlinear deformation that cannot be satisfactory described by closed mathematical expressions. In spite of the asymmetrical geometry and loading of the CDCB-test, the mode-II-contribution of the loading has been proven to be neglectable for a central position of the crack plane with regard to specimen thickness. But large mode-II-contributions occur for small deviations of the crack from the specimens middle-plane. The real loading state in the CDCB-experiments will therefore be ruled by mixed-mode conditions, rarely to judge. Diagrams are presented as a result of the FE-analysis, that can be used as a tool for the dimensioning of the

Page 5: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

CDCB-specimens with regard to sample thickness and initial crack length. The theoretical investigation is complemented with an experimental study for glass-fibre/ polyamid 6 samples.

The second example refers to a micromechanical description for brittle failure of the fibre-matrix-interface in the single-fibre-pull-out-test. The intention of the finite element analysis was to replace critical interface-shear-strength by a fracture-mechanical debonding criterion. Special emphasis was laid on the mixed mode state due to the radial- and axial stress components at the interface. The adhesion is expected to respond with different sensitivities to the miscellaneous modes of loading and a single parameter will not be sufficient for characterization of the interfacial quality. This has been taken into consideration in the analysis by help of mixed-mode-criterion for critical energy release rate. Particularly the initial phase of interface-crack-extension is characterized by dominant and quickly changing mode-I-contributions. Maximum debonding force is observed in this range as the most significant experimental result. But owing to its rarely reproducible mixed-mode-conditions this value seems not suitable for the purpose of comparison. For medium crack lengths the energy release rate G of interface crack extension passes a plateau with only small changes in loading state. In this range the value of G can be approximated by the free fibre contribution with a very simple analytic expression. This plateau should offer more reliable conditions for the experimental estimation and the comparison of interfacial properties from different material systems. Stable crack extension can be maintained into this zone for very stiff test conditions and short free fibre lengths. That has been realized in experiment only recently by HAMPE. The comparison of his results requires the inclusion of interface friction into the predictions of the FE-analysis, which is possible in an approximate way by help of an analytical extension to the FE-results. The experiments confirm the view of interfacial failure, supplied by the model. That especially applies for its explanation of the crack-initiation process and the importance of the high interface sensitivity towards normal loading for the stability of crack extension. An empirical method is proposed to split up the experimental results for pull-out into the contribution of interface friction and of pure debonding.

The presented procedures for computation of fracture mechanics parameters with FE-models can be transferred directly to similar macromechanical and micromechanical test-geometries. An extension of the model is planned toward the consideration of inelastic material properties.

Page 6: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

1.1 Makromechanische und mikromechanische Beschreibung von Verbundwerkstoffen

1

1.2 Zum Versagensverhalten faserverstärkter Kunststoffe 2

1.3 Konzepte für Versagenskriterien 6

1.4 Grenzen der mathematisch-analytischen Modellierung 9

1.5 Zielstellung der Arbeit 11

2. Makromechanische Modellierung: Charakterisierung des Delaminationswiderstandes gekrümmter Probekörper

13

2.1 Thermoplastwickeltechnologie 13

2.2 Charakterisierung der Delaminationzähigkeit 15

2.2.1 'Double Cantilever Beam'-(DCB)-Test für ebene Materialien 16

2.2.2 'Curved Double Cantilever Beam'-(CDCB)-Test für gekrümmte Materialien 17

2.3 Modellierung DCB-Test 19

2.3.1 FE-Modell der DCB-Geometrie 19

2.3.2. Analytische Modelle des DCB-Tests 22

2.3.3. Ermittlung der Energiefreisetzungsrate G aus den FE-Ergebnissen 25

2.3.3.1 Compliance-Methode und Energie-Methode 26

2.3.3.2 Bestimmung von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern 28

2.3.4 Ergebnisse der FE-Modellierung 35

2.3.5 Schlußfolgerungen 40

2.4 Modellierung CDCB-Test 42

2.4.1 FE-Modell der CDCB-Geometrie 42

2.4.2 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate 44

2.4.2.1 Berechnung der Energiefreisetzungsrate für nichtlineare Deformation aus dem Last-Verschiebungs-Zusammenhang und der Änderung der elastischen Energie

44

2.4.2.2 Berechnung der ‘Mixed-Mode’-Anteile von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern

46

2.4.3 Analytisches Modell für Biegung gekrümmter Stäbe 49

2.4.4 Verfahren nach WILLIAMS 55

3. Ergebnisse der FE-Modellierung für CDCB-Test 59

3.1 Einfluß von Probekörpergeometrie, Materialeigenschaften und nichtlinearer Deformation

60

3.2. ‘Mixed-Mode’-Beanspruchung 64

3.3 Gültigkeit analytischer und empirischer Modelle 66

Page 7: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

3.4 Konsequenzen für Gestaltung der CDCB-Prüfkörper 70

4. CDCB-Experimente 75

4.1 Versuchsdurchführung und Materialien 75

4.2 Ergebnisse 75

4.3 Vergleich der Experimente mit FE-Rechnungen 81

5. Mikromechanische Modellierung des Grenzflächenversagens beim Einzelfaser-Auszugstest

84

5.1 Mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung der Qualität von Faser-Matrix-Grenzflächen

84

5.2 Kurzer Überblick über mikromechanische Modellierung der Faser-Auszugs-Problematik

89

5.3 Modellierung des Einzelfaser-Auszugstests 96

5.3.1 Geometrie 96

5.3.2 FE-Modell des Einzelfaser-Auszugstests 97

5.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen 99

5.3.3.1 Compliance- und Energiemethode 99

5.3.3.2 Bestimmung der ‘Mixed-Mode’-Anteile aus den Rißspitzennahfeldern 100

5.3.4 Berechnung der Last-Verschiebungs-Kurven 104

5.3.5 ‘Mixed-Mode’-Kriterium für Grenzflächenversagen 105

6. Ergebnisse der mikromechanischen Modellierung 110

6.1 Ergebnisse der FE-Modellierung 110

6.1.1 Einfluß der geometrischen Abmessungen und elastischen Materialeigenschaften auf die Energiefreisetzungsrate

110

6.1.2 Einfluß der ‘Mixed-Mode’-Belastung 113

6.1.3 Schlußfolgerungen 121

6.2 Vergleich mit experimentellen Ergebnissen 123

7. Schlußfolgerungen für Einsatz der FE-Methode zur Modellierung des Versagens faserverstärkter Verbundwerkstoffe

130

I Anhang I: Transformation der Rißuferverschiebungen auf mitbewegtes Rißspitzen-Koordinatensystem für geometrisch nichtlineare FE-Analyse

133

II Anhang II: Differentialgleichung für starke Biegung gekrümmter Balken

135

III Anhang III: Koeffizienten des analytischen Stabmodells der CDCB-Probe

139

Page 8: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Literatur 141

Danksagung 151

Lebenslauf 152

Page 9: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

1

1. Einleitung

1.1 Makromechanische und mikromechanische Beschreibung von Verbund-

werkstoffen

Verbundwerkstoffe sind in inhomogener Weise aus verschiedenen Materialkomponenten mit in

der Regel stark unterschiedlichen Eigenschaften aufgebaut. Zielstellung ihrer Entwicklung ist

die Kombination der für einen bestimmten Einsatzzweck vorteilhaften Eigenschaften jeder

Komponente. Unter dem Gesichtspunkt der mechanischen Eigenschaften bedeutet dies meist,

die gute Zähigkeit und Verarbeitbarkeit eines ökonomisch günstigen Matrixmaterials mit der

hohen Steifigkeit und Festigkeit eines Verstärkungsmaterials zu verbinden. Neben den reinen

Materialeigenschaften der Komponenten haben auch die geometrischen Verhältnisse, wie

Größe, Packungsdichte und Orientierung der Verstärkungskomponenten sowie die Herstel-

lungsbedingungen großen Einfluß auf das Verhalten des Verbundwerkstoffes. Parallel zu den

vorteilhaften Wirkungen ergeben sich durch eine Kombination auch häufig negative Einflüsse

auf die Eigenschaften des Verbundwerkstoffes. Aufgabe der Materialwissenschaft ist es, durch

Einsatz geeigneter Materialkomponenten, Strukturgeometrien und Prozeßführung, das

ökonomische und technische Optimum für die verschiedenen Anwendungen zu finden.

Die Verstärkungskomponenten partikel- und faserverstärkter Materialien auf Kunststoffbasis

zeichnen sich im allgemeinen durch mikroskopische Abmessungen und dichte Packung aus.

Der Durchmesser der dafür häufig verwendeten Glasfasern liegt im 10 µm-Bereich. Die aus

den Materialien aufgebauten technischen Bauteile haben im Vergleich dazu wesentlich größere

(„makroskopische“) Abmessungen in Größenordnungen von Millimetern bis Metern. Für den

Anwender und Konstrukteur sind in erster Linie die technischen Eigenschaften der Materialien

auf dieser makroskopischen Strukturebene interessant. Sie ergeben sich nicht einfach aus der

Summe oder dem Mittel der Eigenschaften der mikroskopischen Strukturelemente, sondern

sind Ergebnis komplizierter Wechselwirkungen und Mechanismen. Das Verhalten von ver-

stärkten Materialien kann ausgehend von zwei verschiedenen Sichtweisen beschrieben werden.

Die mikromechanische Betrachtungsweise beschränkt ihren Horizont auf einen kleinen aber

repräsentativen Ausschnitt des Verbundwerkstoffes und untersucht auf dieser Ebene die Wech-

selwirkungen zwischen den mikroskopischen Verstärkungskomponenten [1]. Das Material

wird als inhomogen betrachtet und die unterschiedliche Geometrie und Eigenschaften der

Strukturelemente werden explizit in die Betrachtung einbezogen. Die Zielsetzung ist, den

Zusammenhang zwischen den Eigenschaften und Mechanismen der mikroskopischen Struktur-

komponenten und den makroskopischen, technischen Eigenschaften und Vorgängen

Page 10: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

2

experimentell und theoretisch aufzuklären. Das Verständnis der mikroskopischen Prozesse ist

notwendig für eine bewußte Optimierung der Konstruktionseigenschaften der Verbund-

werkstoffe. Ihre vollständige Beschreibung ausgehend, von einem mikroskopischen Modell, ist

jedoch nicht möglich.

Die makroskopische Betrachtungsweise untersucht und beschreibt das Verhalten und die

Eigenschaften der Materialien in Bezug auf die aus ihnen aufgebauten technischen Bauteile

(z.B. Laminattheorie [2]). Sie verzichtet auf eine Unterscheidung der mikroskopischen

Strukturkomponenten und behandelt die Materialien als homogen. Dies ist akzeptabel, solange

ein homogenes Volumenelement ausreichend viele mikroskopische Strukturkomponenten für

eine statistische Interpretation enthält. Die vielfältigen Wechselwirkungen auf der mikro-

skopischen Strukturebene werden in integraler Weise in makroskopischen Materialgesetzen

widergespiegelt, die oft einen komplizierteren Charakter (Anisotropie, Inelastizität,

Schädigungsverhalten) als für unverstärkte Materialien haben. Die dafür verwendeten

Beziehungen sind nur empirischer Natur und hängen von den mikroskopisch induzierten

Mechanismen ab. Sie können sich für verschiedene Belastungssituationen und Bauteil-

geometrien stark unterscheiden. Die mikromechanische Modellierung versucht diese Vorgänge

aufzuklären und die Grundlagen zu ihrer makromechanischen Beschreibung bereitzustellen.

Wichtigste Quelle für die Bestimmung der Konstruktionseigenschaften und ihrer konkreten

Materialgesetze und die Verifizierung der Modelle ist indes das Experiment, das sich am

konkreten Einsatzfall der Materialien orientiert. Deshalb gibt es zur makroskopischen

Charakterisierung der Verbundwerkstoffe eine Fülle verschiedener Prüfverfahren, welche die

mechanischen Eigenschaften und das Versagensverhalten unter den unterschiedlichen,

technisch relevanten Belastungssituationen bestimmen sollen.

Eine makromechanische Modellierung ist daher nicht nur für die Konstruktion und

Dimensionierung der Bauteile notwendig, sondern dient auch als Grundlage zur Auswertung

der experimentellen Prüfverfahren.

Die Beschreibung der Verbundwerkstoffe auf beiden Betrachtungsebenen gehört daher zum

Aufgabengebiet der Materialwissenschaft.

1.2 Zum Versagensverhalten faserverstärkter Kunststoffe

Faserverstärkte Verbundwerkstoffe zeigen aus makroskopischer Sicht anisotrope

Eigenschaften, in Orientierungsrichtung der Fasern sind z.B ihre Steifigkeit und Festigkeit viel

höher als in den Querrichtungen. Davon wird auch ihr Versagensverhalten wesentlich

beeinflußt. Bei langfaserverstärkten Materialien oder Schichtverbunden ist dies ganz besonders

ausgeprägt: Versagen in der Matrix oder in der Grenzfläche parallel zu den Fasern tritt

Page 11: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

3

bevorzugt gegenüber Faserbruch senkrecht zum Querschnitt auf. Eine bei diesen Materialien

im praktischen Einsatz häufig beobachtete Versagensform ist die sogenannte Delamination

([3]-[7]). Sie beginnt an herstellungs- oder belastungsbedingten Fehlstellen zwischen den in

realen Verbunden meist schichtartig übereinanderliegenden Strukturzonen aus Fasern und

Matrix. Bei ausreichender Belastung wird der entstandene Riß sich auf dem Weg des

geringsten Widerstandes im Gebiet zwischen übereinanderliegenden Faserschichten flächig

ausbreiten. Dies kann in der Matrix durch Schädigung und Fließen oder entlang der Faser-

Matrix-Grenzflächen durch Versagen der Haftung erfolgen. Die verschiedenen Prozesse

können gemeinsam auftreten, in Abhängigkeit von der äußeren Belastung wird jedoch der eine

oder der andere dominieren [4]. Normalbelastungen senkrecht zur Schichtebene resultieren

häufig in verstärktem Grenzflächenversagen, Scherbelastungen in der Schichtebene dagegen in

Mikrorißbildung und Fließen in der Matrix [5]. Die Anfälligkeit eines Materials gegenüber

Debonding ist daher von der Zusammensetzung der Belastung abhängig und im allgemeinen

senkrecht zur Rißebene besonders hoch ([8]-[10]).

Durch die Orientierung der Fasern und ihre Anordnung in Schichten bleibt der entstehende Riß

über große Distanzen in der Ebene seiner Entstehung, auch bei nichtsymmetrischer Belastung

oder Krümmungen der Struktur. Aus makroskopischer Sicht entspricht dies einer kollinearen

Rißausbreitung und vereinfacht die Beschreibung. Durch die verstärkende Wirkung der steifen

Fasern verhält sich das Material während des Versagens im überwiegenden Teil der Proben für

viele Materialien äußerlich elastisch, so daß zur Beschreibung der Delamination häufig ein

bruchmechanischer Ansatz gewählt werden kann ([11], [12]; Grenzen der Anwendung: [13]).

Zur Charakterisierung der Anfälligkeit eines Schicht-Verbundes gegenüber Delamination wird

meist die kritische Energiefreisetzungsrate gewählt. Ihre Definition beruht auf der

Energiebilanz der Rißausbreitung (GRIFFITH [14]) und hat - im Gegensatz zum Konzept der

Spannungsintensitätsfaktoren (IRWIN [15]) - daher auch dann Gültigkeit, wenn lokal begrenzte

inelastische Prozesse auftreten oder die inhomogene Struktur der Verbundwerkstoffe

gegenüber ihren äußeren Abmessungen spürbar wird [16]. Derartige Bedingungen sind für

langfaserverstärkte Materialien fast immer gegeben, was die Nutzung von

Spannungsintensitätsfaktoren ungeeignet erscheinen läßt. Vorraussetzung für die

Anwendbarkeit des Konzepts der Energiefreisetzungsrate ist allerdings, daß die Rißausbreitung

selbstähnlich [17] erfolgt, was bedeutet, daß sich die von einer elastischen, homogenen

Beschreibung abweichenden Zonen während der Rißausbreitung nicht wesentlich ändern

dürfen. Bis zu einem gewissen Umfang lassen sich solche Änderungen, besonders nach der

Rißinitiierung, in einer Abhängigkeit der kritischen Größe von der Rißgröße erfassen. Das

Delaminationsverhalten solcher Materialien wird dann nicht mehr durch eine Konstante,

Page 12: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

4

sondern durch sogenannte ‘R-Kurven’ charakterisiert ([18]-[20]). Die dafür verantwortlichen

Mechanismen stehen bei der Delamination oft in Zusammenhang mit einem Übergreifen des

Risses auf benachbarte Zwischenschichten und dadurch induzierter zusätzlicher Dissipation.

Ein darauf zurückzuführender, häufig beobachteter und mit einem Anstieg des

Delaminationswiderstandes korrelierender Prozeß ist die Bildung sogenannter Faserbrücken

([21]-[23]) welche den entstandenen Delaminationsriß überspannen. Sie bewirken eine

Abschirmung der Belastung der Rißspitze und vermehrte Dissipation infolge von Faserbruch

und von Ablösung der Fasern von den Rißflächen. Ihre Ausbildung hängt jedoch von den

Formen der Belastung und der Geometrie der deformierten Körper ab ([6], [20]).

Die experimentelle Charakterisierung der Delaminationseigenschaften liefert dem Konstrukteur

Informationen zur Auswahl des geeigneten Compositematerials. Dem Technologen vermitteln

diese darüber hinaus Anhaltspunkte über die erreichten Konsolidierungseigenschaften des

Materials und die Güte des Herstellungsprozesses. Die Delaminationskenngrößen gehören zu

den wichtigsten makroskopischen Versagenseigenschaften von Schichtverbundwerkstoffen.

Die mechanischen Eigenschaften lang- und kurzfaserverstärkter Materialien werden auf mikro-

skopischer Ebene wesentlich durch die Qualität der Haftung zwischen Faser und Matrix

bestimmt ([24]-[29]). Aufgrund der ausgeprägt inhomogenen Struktur der Eigenschaften,

Spannungen und Deformationen dieser Materialgruppe gibt es eine große Zahl von Einfluß-

faktoren (inelastisches Materialverhalten, komplizierte lokale Spannungszustände ...) und

Wechselwirkungsmöglichkeiten (Grenzschichten, Faser-Matrix-Reibung, Faser-Faser-

Wechselwirkungen,...). Beim ihrem Versagen werden verschiedenste Mechanismen wirksam

(Debonding, Matrixbruch und -fließen, Faserbruch, Faser-Pull-Out usw.), die für ein und

dasselbe Material unter verschiedenen Belastungsbedingungen in ganz unterschiedlicher

Verteilung angeregt werden können [30]. Die Faser-Matrix-Haftung nimmt für viele der

Prozesse eine Schlüsselstellung ein.

Die große Zahl der wirkenden Faktoren ist ein Problem, jedoch zugleich auch ein bedeutendes

Potential der Verbundwerkstoffe, denn sie bieten vielfältige Möglichkeiten der technologischen

Einflußnahme auf die technischen Eigenschaften dieser Materialien. Eine Beschreibung der

Zusammenhänge zwischen der Beschaffenheit der mikroskopischen Strukturkomponenten und

den makroskopischen Konstruktionseigenschaften und ein Verständnis der sich mikroskopisch

vollziehenden Prozesse ist insbesondere für das Versagensverhalten von Verbundwerkstoffe

überaus schwierig ([31]. Während die makroskopische Steifigkeit eher integralen Charakter

trägt und gegenüber lokalen Abweichungen weniger empfindlich ist, wird das makroskopische

Versagen immer an lokalen Störungen initiiert und weitergeleitet und zeigt die Merkmale eines

Page 13: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

5

katastrophalen Prozesses. Letzteres kommt deutlich in der starken Streuung bei der

experimentellen Bestimmung der Versagenskenngrößen zum Ausdruck ([32], [33]).

Obwohl grundlegende Mechanismen des Versagens von faserverstärkten Materialien schon seit

längerem bekannt sind und experimentell und modellmäßig untersucht werden, gibt es im

Detail noch eine Vielzahl offener Fragen. Gerade die Rolle der Faser-Matrix-Haftung ist

vielschichtig. Eine gute Haftung ist wünschenswert, um eine effektive lokale Ableitung der

Last an mikroskopischen Störstellen (Faserbrüchen/ -enden) und eine hohe verstärkende

Wirkung der Fasern zu erreichen. Im Sinne einer hohen Steifigkeit und Festigkeit in Quer-

richtung (und zumindest für kurzfaserverstärkte Materialien auch in Faserlängsrichtung) ist die

Verbesserung der Faser-Matrix-Haftung eine uneingeschränkt zu fördernde Zielstellung, die

auch die bisherige technologische Entwicklungsrichtung von Faser-Matrix-Systemen bestimmt.

Um jedoch eine hohe Widerstandsfähigkeit (Zähigkeit) der Verbundwerkstoffe gegenüber dem

Versagen an herstellungs- oder belastungsbedingten Störstellen zu realisieren, ist die durch die

äußere Belastung eingebrachte Energie in möglichst hohem Maße über die Umgebung der

Störstelle hinweg zu dissipieren und so deren lokale Belastung abzuschirmen. Als wirkungsvoll

hat sich dafür vor allem die Aktivierung einer möglichst großen Anzahl von

energiedissipativen Mechanismen erwiesen. Für diese Zielsetzung ist eine besonders starke

Haftung zwischen Faser und Matrix nicht unbedingt vorteilhaft. Eine mittlere Haftung hat

Faser-Matrix-Versagen an einer Vielzahl von Fasern im belasteten Bereich zur Folge und

dissipiert dabei wesentlich mehr Energie als das Versagen einer - noch so starken - einzelnen

Grenzfläche ([29], [21], [6]). Unter diesem Aspekt sollte es ein Optimum der Faserhaftung für

einen Verbundwerkstoff geben, das aber wesentlich auch durch dessen Einsatzzweck bestimmt

wird.

Die Aufklärung des Einflusses und die Optimierung der Qualität der mikroskopischen

Grenzfläche hinsichtlich den makroskopischen Versagenseigenschaften ist Gegenstand

zahlreicher experimenteller ([34]-[40]) und theoretischer Untersuchungen ([41]-[44]). Wichtige

Voraussetzung dafür ist die experimentelle Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften

der Grenzschicht in mikroskopischen Faser-Matrix-Systemen ([45]-[48]).

Ein denkbarer Zugang ist die Untersuchung der physikalischen und chemischen Wechsel-

wirkungen, die unmittelbar in der Grenzfläche zwischen den Molekülen der unterschiedlichen

Materialien bestehen (Review [24], [48]-[50]). Die relevante Größe ist die thermodynamische,

freie Grenzflächenenergie ([48], [51]) deren Anteile von verschiedenen Wechsel-

wirkungsformen (chemische Bindung, Van der Waals, Dipolwechselwirkung, mechanische

Wechselwirkung [52], ...) sich aus diversen Meßverfahren (Benetzungsuntersuchungen:

Kapillarsteighöhenmethode, Wilhelmy-Methode [53]; Spektroskopische Oberflächenunter-

Page 14: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

6

suchungen: SIMS, ISS, XFS; Zeta-Potential [54], ...) ermitteln lassen. In Bezug auf die beim

Faser-Matrix-Debonding in der mikroskopischen Strukturebene (Faser-Matrix, Größenordnung

µm ) umgesetzten Energien stellt diese molekulare Wechselwirkungsenergie jedoch nur einen

nahezu verschwindenden Bruchteil ([48], [55]). Ursache dafür ist, daß beim Lösen der

Verbindung zwischen Faser und Matrix nicht nur die unmittelbar benachbarten

Molekülschichten beteiligt sind, sondern aufgrund der in der Umgebung der Spitze des

Grenzflächenrisses auftretenden Spannungskonzentrationen Umordnungen (Fließen und

Schädigung der Materialien) in einem ganzen räumlichen Bereich („Prozeßzone“), mit einer

um Größenordnungen höheren Anzahl von Molekülen, auftreten. In diesen wird weitaus mehr

Energie dissipiert, als in der unmittelbaren Grenzfläche. Allerdings ist die Größe der

Prozeßzone und damit der Betrag der in ihr dissipierten Energie abhängig vom Grad der

Adhäsion: hoher direkter Zusammenhalt der Grenzfläche führt zu stärkeren Spannungs-

konzentrationen, größeren Prozeßzonen und damit höherer ingesamt dissipierter Energie.

Die molekulare Grenzflächenwechselwirkung allein ist zur Beschreibung der Qualität der

Faser-Matrix-Grenzfläche daher nicht ausreichend. Sie wird auf dieser mikroskopischen

Strukturebene (zu unterscheiden von der molekularen Strukturebene im nm-Bereich) durch

weiter gefaßte Parameter, wie der Grenzflächenscherfestigkeit oder der kritischen Energiefrei-

setzungsrate des Debonding charakterisiert [56]. Diese beinhalten den Einfluß der Prozeßzone

und der räumlichen Struktur der sogenannten Grenzschicht, die durch die Nachbarschaft der

Grenzfläche geänderte Eigenschaften gegenüber dem reinen Matrixmaterial besitzt ([57]-[59]).

Da anzunehmen ist, daß diese Gebiete entscheidend durch die absoluten Größenverhältnisse,

die mikroskopische Geometrie und den Verbundbildungsprozeß bestimmt werden, erfordert

ihre experimentelle Charakterisierung eine realitätsnahe Probengestaltung in Anlehnung an die

mikroskopische Struktur der Verbundwerkstoffe. Die in makroskopischen Testverfahren

(„Peel-Test“, „Brazilian-Disc“, ... [60], [61],) ermittelten Haftungsparameter sind nur bedingt

für das mikroskopische Verhalten typisch.

Der mikromechanischen, experimentellen Bestimmung der Grenzflächeneigenschaften wird

große Aufmerksamkeit geschenkt und sie ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der Arbeit

zahlreicher Forschungsgruppen. Eine Übersicht zu dieser Thematik ist in Kap. 5.1 zu finden.

1.3 Konzepte für Versagenskriterien

Zur Beschreibung des Versagens spröder Materialien gibt es verschiedene Konzepte. Bleibt die

Spannungsverteilung im Material endlich, so ist ein Festigkeitskriterium anwendbar ([62],

[63]). Dieses geht davon aus, daß ein Volumenelement des Materials einer Belastung nur bis zu

einer materialtypischen maximalen Spannung oder Dehnung widerstehen kann. In

Page 15: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

7

mehrachsigen Spannungszuständen wird dafür ein Vergleichswert aus den verschiedenen

Lastkomponenten eingeführt (z.B. von MISES-Spannung). Voraussetzung für eine solche

Beschreibung ist, daß über ein statistisch repräsentatives Volumenelement die Spannung als

homogen angesehen werden kann [17]. Versagen wird immer an Fehlstellen (Mikrorissen,

Einschlüssen, Hohlräumen) induziert. Enthält das Volumenelement ausreichend viele dieser

mikroskopischen Strukturelemente um eine statitistische Homogenisierung seiner

Eigenschaften und Deformationen zuzulassen und erfolgt die Belastung des Volumenelementes

gleichmäßig, so werden unterschiedliche Bereiche des Materials unabhängig im Mittel unter

gleichen Bedingungen versagen.

Liegt jedoch eine größere Störung, z.B. ein Riß im Material vor, so treten starke Spannungs-

konzentrationen und -gradienten auf, die sich bis in die mikroskopische Substruktur fortsetzen.

Für ein Volumenelement auf einer bestimmten Betrachtungsebene läßt sich dann kein

einheitlicher Spannungswert mehr angeben. In der mathematischen Modellierung dieses Sach-

verhalts ergeben sich Singularitäten mit unbegrenzten Werten für die Spannung. Das Festig-

keitskonzept ist für derartig inhomogene Spannungsverteilungen nicht geeignet. Für die

Beschreibung des Versagens bei Vorliegen einer auf der Betrachtungsebene spürbaren

Schädigung wurde die Bruchmechanik entwickelt ([14], [15]). In ihrer gebräuchlichsten

Formulierung untersucht sie die Ausbreitung eines Risses in einem Material ausgehend von der

dabei auftretenden Energiebilanz [64]. Für elastische Systeme ist die entsprechende Kenngröße

die Energiefreisetzungsrate G. Für die Phase der Ausbreitung eines bestehenden Risses der

Länge a um eine differientiell kleine Länge da unter einer äußeren Last P kann eine Bilanz der

zugeführten und verbrauchten Energie aufgestellt werden:

dU dW dW dWaußen Riß Dissipation− + + = 0 (1.1),

wobei ( ) ( )dU U a da U a= + − der Änderung der im System gespeicherten elastischen Energie

U entspricht. dWaußen ist die während der Rißausbreitung am System von äußeren Kräften ver-

richtete Arbeit, dWRiß die bei Ausbreitung des Risses um eine Länge da zur eigentlichen

Trennung des Materials aufzuwendende (Adhäsions-)-Arbeit ( dWRiß > 0 ). Der Anteil

dWDissipation ist die während der Rißausbreitung durch Dissipation (plastische Verformung, Rei-

bung, Erwärmung) in der Prozeßzone oder im Material verbrauchte Energie ( dWDissipation > 0).

Bei Annahme ideal elastischer Materialeigenschaften wird der letzte Anteil vernachlässigt oder

der zur Trennung der Rißflächen benötigten Arbeit dWRiß zugeordnet. Die zur Ausbreitung des

Risses notwendige Arbeit dWRiß ist im Differentiellen proportional der neu entstandenen

Rißfläche B da⋅ . Der Proportionalitätsfaktor beschreibt den Widerstand eines Materials gegen-

über Rißausbreitung und wird als kritische Energiefreisetzungsrate Gc bezeichnet (B... Breite

der Rißfläche):

Page 16: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

8

dW G B daRiß c= ⋅ ⋅ (1.2)

Für elastische Materialien läßt sich die Energiebilanz wie folgt formulieren:

−−

⋅=

dU dW

B daGaußen

c (1.3).

Der Term auf der linken Seite entspricht der vom System für die Rißausbreitung zur Verfügung

gestellten Energie, er wird als Energiefreisetzungsrate G bezeichnet:

Gd U W

B daaußen= −

( ) (1.4)

Die rechte Seite von Gl. 1.3. enthält die während der Rißausbreitung verbrauchte Energie. Die

Herleitung der Bilanz geht von einem quasistatischen Rißwachstum aus. Dynamische Effekte

(kinetische Energie) sind in der bisherigen Formulierung nicht berücksichtigt, sie bewirken

eine Erhöhung der Dissipation des Systems. Unter Verwendung der Definition der Energiefrei-

setzungsrate ergibt sich folgendes Kriterium für das Auftreten von Rißausbreitung: die vom

System zur Verfügung gestellte Energiefreisetzungsrate G muß gleich oder größer als die für

das Material typische kritische Energiefreisetzungsrate sein [14]:

G G c≥ (1.5)

Die kritische Energiefreisetzungsrate Gc wird im allgemeinen als materialtypische Kenngröße

verstanden. Sie charakterisiert die bei einer Rißausbreitung vom Material verbrauchte Energie.

Die Ausbreitung eines Risses kann sich im gleichen Material in Abhängigkeit von der lokalen

Belastung der Rißspitze jedoch auf Basis ganz unterschiedlicher mikroskopischer Prozesse

(Scherbelastung, Normalbelastung usw.) mit unterschiedlichem Energieverbrauch vollziehen.

Daher hängt die kritische Energiefreisetzungsrate eines Materials von den bei der Rißaus-

breitung induzierten Mechanismen ab. Für Risse in elastischen Materialien werden drei

Belastungssituationen unterschieden, die oft mit verschiedenen Versagensmechanismen

verknüpft sind, die Mode-I-, Mode-II- und Mode-III-Belastung. Mode I entspricht einer lokalen

Beanspruchung der Rißspitze, die bestrebt ist, den Riß durch Normalspannungen senkrecht zur

Rißebene zu öffnen. Mode II erzeugt eine antisymmetrische Scherbelastung parallel zur

Ausdehnungsrichtung des Risses. Mode III wird durch die antisymmetrische Scherbelastung in

Richtung der Rißfront festgelegt. Die unterschiedlichen Situationen sind in Abb. 1.1 skizziert.

Gewöhnlich weist ein Material bei reiner Belastung für jede dieser Moden einen

unterschiedlichen Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate auf: G Ic , G IIc oder GIIIc .

Allgemeine Belastungssituationen ergeben sich oft als Überlagerung der Moden ('Mixed-

Mode'), die entsprechende kritische Energiefreisetzungsrate Gc folgt in diesem Fall aus einem

Page 17: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

9

'Mixed-Mode'-Versagenskriterium ( )G G G Gc I II III, , , ihr Wert ist darin abhängig vom Anteil

der einzelnen Belastungsmoden an der Gesamtenergiefreisetzungsrate [17]:

G G G GI II III= + + (1.6.).

Abb. 1.1 Definition der bruchmechanischen Moden

1.4 Grenzen der mathematisch-analytischen Modellierung

Eine theoretische Beschreibung des mechanischen Verhaltens kann die realen Vorgänge nur

näherungsweise in physikalischen Modellen wiedergeben. Deren wichtigste und am häufigsten

verwandte Grundlage ist die Elastizitätstheorie. Obwohl sie inelastische Prozesse wie Fließen

oder Mikroschädigung nicht berücksichtigt, folgen die meisten Materialien im Bereich kleiner

und mittlerer Deformation ihren Gesetzen. Die verbreiteteste Variante geht von einem linearen

Zusammenhang zwischen der Belastung und der Deformation der Materialien aus, was für den

Elastizitätsbereich der meisten Werkstoffe, ausgenommen die Elastomere, im praktischen

Einsatzfall in guter Näherung zutrifft. Selbst in ihrer einfachsten, isotropen Formulierung liegt

dieser Theorie ein System aus partiellen Differentialgleichungen 4.Ordnung (NAVIER’sche

Gleichungen [65]) zugrunde, das gelöst werden muß, um allgemeine dreidimensionale

Aufgabenstellungen zu bearbeiten. Mit Ausnahme simpelster Geometrien (Kugel, Quader o.ä.)

unter homogenen Belastungen ist eine gleichungsmäßige Formulierung real auftretender

Randbedingungen sehr aufwendig. Eine exakte, mathematisch analytische Ermittlung der

Spannungs- und Verschiebungsverteilung unter Verwendung vollständiger Ansatzfunktionen

für die Differentialgleichungen ist für reale Randbedingungen und Geometrien wegen der dabei

auftretenden mathematischen Probleme im allgemeinen praktisch undurchführbar [65].

Vereinfachungen und Vernachlässigungen der Problemstellungen sind unabdingbar, um

wenigstens näherungsweise Lösungsausdrücke für eine Problemstellung zu erhalten. In

manchen Fällen ist eine Reduktion auf eine zweidimensionale Beschreibung möglich, wenn

eine Rotationssymmetrie, eine sehr geringe oder eine sehr große Ausdehnung der Geometrie in

einer Richtung vorliegen (Fasern, Folien, Stäbe, Platten). Dennoch ist der verbleibende

Aufwand bei allgemeinen zweidimensionalen Geometrien und Randbedingungen für eine

exakte mathematisch analytische Behandlung zu groß und erfordert weitere grundlegende

Mode IIMode I Mode III

Page 18: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

10

Vereinfachungen. Unter günstigsten Umständen lassen sich die realen Fragestellungen mit

Grenzfällen analytischer Modelle vergleichen, für die einfache Lösungen des analytischen

Systems existieren. Ein Beispiel dafür ist die Balkentheorie, deren sehr simple mathematische

Formulierung sich für unendlich lange Stäbe aus den Grundgleichungen der Elastizitätstheorie

ergibt [66]. Häufig jedoch müssen willkürliche Vernachlässigungen von Komponenten und

ihren Abhängigkeiten vorgenommen werden, nur um die mathematischen Umformungen zur

analytischen Lösung zu ermöglichen. Dies betrifft z.B. die in Kap. 5.2 vorgestellten ‘Shear-

Lag’-Näherungen [67]. Inwieweit die auf derartiger Basis erhaltenen Ausdrücke das

Deformationsverhalten richtig wiedergeben, ist in der Regel völlig unklar und kann nur durch

unabhängige Untersuchungen entschieden werden. Mehr als eine qualitative Beschreibung

sollte von diesen Näherungen nicht erwartet werden [1]. Daneben zeigt sich für viele

mechanische Systeme, daß die Deformation und das Materialverhalten wesentlich von

nichtlinearen (starke Biegung, große Dehnung) und nichtelastischen (Plastizität) Einflüssen

bestimmt wird, die über die lineare Elastizität hinausgehen und noch weitaus schwieriger zu

beschreiben sind. Obwohl sich Grundgleichungen auch dafür angeben lassen. ist ihre

mathematisch analytische Lösung nur in Ausnahmefällen möglich [1].

Mathematisch analytische Lösungsverfahren können die meisten praktischen Aufgabenstellun-

gen nur über Modelle behandeln, die bereits in den Grundlagen mehr oder weniger stark

vereinfacht sind. Diese liefern nur Näherungslösungen. Dabei können wesentliche Aspekte des

realen Verhaltens verlorengehen und eine Beurteilung der Gültigkeit und Genauigkeit der

erhaltenen Resultate ist auf rein analytischer Basis in vielen Fällen nicht möglich.

Zur Bewältigung komplizierter mathematischer Probleme sind numerische Lösungsverfahren

besser geeignet. Zwar ermöglichen auch sie nur eine näherungsweise Lösung, doch erlauben sie

meist eine vollständige Behandlung aller Grundgleichungen des Systems und ihre Genauigkeit

kann im Prinzip durch Verfeinerung der Diskretisierung stets weiter verbessert werden.

Praktisch ist sie durch die verfügbare Rechnerleistung begrenzt. Numerische Methoden, wie die

Finite-Elemente-(FE)-Methode [68] haben sich daher in letzter Zeit zur Modellierung

mechanischer und vieler anderer Aufgabenstellungen durchgesetzt. Sie vermögen auch den

Maßstab für die Gültigkeit der mathematisch analytischen Lösungen zu liefern.

Die analytischen Ergebnisse haben jedoch weiterhin eine große Bedeutung, wenn sie die Zu-

sammenhänge zwischen den physikalischen Größen mittels mathematischen Formelausdrücken

in allgemeiner, einfacher und anschaulicher Form wiedergeben können. In diesem Fall sind sie

für praktische Anwendungen den numerischen Verfahren überlegen, denn jene vermitteln

Lösungen nur für den speziellen Fall über aufwendige und wenig transparente Verfahren.

Page 19: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

11

1.5 Zielstellung der Arbeit

Das Potential der FE-Methode zur wirklichkeitsnahen Beschreibung auch komplexer Einfluß-

größen (3 D-Spannungszustände, komplizierte Geometrien, anisotrope Materialeigenschaften,

nichtlineare Deformationen, inelastische Materialgesetze) bietet die Perspektive einer

realistischeren, detaillierteren Modellbildung des Versagensprozesses von faserverstärkten

Verbundwerkstoffen. Auf diesem Weg möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.

Das besondere Augenmerk richtet sich darin auf die Versagensmechanismen in spröden, faser-

verstärkten Materialien. Für deren Modellierung soll das bruchmechanische Konzept zur

Beschreibung von Versagen sowohl auf der makroskopischen Ebene (Delamination) als auch

auf der mikroskopischen Ebene (Faser-Matrix-Debonding) konsequent und detailgetreu

(‘Mixed-Mode’, nichtlineare Deformation, anisotropes Materialverhalten) angewendet werden.

Wegen der großen Vielfalt und Komplexität der wirkenden Mechanismen kann nur eine

Grundlage gelegt werden, die in nachfolgenden Arbeiten erweitert werden soll (inelastisches

Materialverhalten: Matrixfließen oder -plastizität, Materialschädigung, Reibung; zusätzliche

Strukturelemente: Interphase, Faserbrücken, Wechselwirkungen mit Nachbarfasern).

Diese allgemeine Zielstellung bildet den Hintergrund und den Rahmen für den eigentlichen

Schwerpunkt der Arbeit, der auf der Bearbeitung von je einer anwendungsrelevanten

Fragestellung zur makroskopischen und zur mikroskopischen Beschreibung des Versagens

faserverstärkter Verbundwerkstoffe liegt.

Die Thematik "Charakterisierung des Delaminationsverhaltens gekrümmter Probekörper"

vertritt die makromechanische Ebene der Modellierung:

Im Ergebnis der Thermoplast-Wickeltechnologie entstehen langfaserverstärkte Verbund-

werkstoffe mit meist rotationsymmetrischer Gestalt. Um die Qualität der mit dieser Tech-

nologie erzeugten Materialien beurteilen zu können, werden ringförmige Probekörper

hergestellt und getestet. Ein wichtiger Maßstab für die Konsolidierungsgüte der Materialien ist

ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Delaminationsversagen. Ein weitgehend standardisiertes

Verfahren dafür existiert nur für ebene Proben ('Double Cantilever Beam Test', DCB-Test),

wird aber in abgewandelter Form auch für die gekrümmten Probekörper angewendet ('Curved-

Double-Cantilever-Beam-Test', CDCB-Test). Für diese Variante ist aus der Literatur keine

spezielle Methode zur Auswertung bekannt. Sie erfolgt bisher nur qualitativ oder auf

Grundlage allgemeiner Vorstellungen, die den Besonderheiten dieses Tests kaum Rechnung

tragen, da ein Deformationsmodell dieser Geometrie nicht existiert.

Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, eine makromechanische Modellierung des CDCB-Tests zu

erstellen, welche die zur experimentellen Bestimmung der bruchmechanischen Kenngrößen

notwendigen Zusammenhänge liefert und eine Diskussion hinsichtlich einer optimalen Proben-

gestaltung ermöglicht. Besonderer Wert wird dabei auf eine realistische Berücksichtigung auch

Page 20: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

12

komplizierterer Einflußfaktoren wie Scherdeformationen, Materialanisotropie, bruchmecha-

nischer 'Mixed-Mode'-Belastung und nichtlinearer Deformation gelegt. Als primäre

Analysemethode wird eine Finite-Elemente-Modellierung angewendet, an Hand deren

Ergebnisse sich jedoch auch die Leistungsfähigkeit und Anwendbarkeit der herkömmlichen

analytischen Methoden beurteilen lassen.

Die mikroskopische Betrachtungsebene steht im Mittelpunkt der zweiten Aufgabenstellung zur

"Mikromechanischen Modellierung des Versagens der Faser-Matrix-Grenzfläche beim

Einzelfaser-Auszugstest":

Die Qualität der Faser-Matrix-Grenzfläche hat wesentlichen Einfluß auf die mechanischen

Eigenschaften faserverstärkter Verbundwerkstoffe, insbesondere deren Festigkeit und Zähig-

keit. Da die Grenzfläche durch Wahl von Faser-Matrix-Kombination, Faserbehandlung und

Schlichtesubstanzen beeinflußbar ist, bietet sie die Möglichkeit einer Optimierung der

mechanischen Eigenschaften der Verbundwerkstoffe. Allerdings sind die Mechanismen der

Eigenschaftsverbesserung auf Grund der zahlreichen Wechselwirkungen der mikroskopischen

Strukturkomponenten faserverstärkter Materialien sehr komplex und im Rahmen eines

umfassenden theoretischen Modells noch nicht hinreichend verstanden. Meist wird daher der

Weg einer empirischen Untersuchung des Einflusses von Faser-Matrix-Haftung auf die mecha-

nischen Eigenschaften von Verbundwerkstoffen beschritten. Dafür ist eine experimentelle

Charakterisierung der mechanischen Qualität der eingesetzten Faser-Matrix-Systeme

notwendig. Eine häufig verwendete, mikromechanische Charakterisierungsmethode ist der

Einzelfaser-Auszugsversuch. Trotz seiner einfachen Geometrie sind die auftretenden

Deformationen und Spannungen kompliziert und entziehen sich einer einfachen analytischen

Modellierung, obwohl zahlreiche Versuche dazu unternommen wurden. Die herkömmliche

Interpretation der Ergebnisse versucht, die Grenzflächenqualität durch eine Grenzflächen-

scherfestigkeit zu charakterisieren. Für spröde Materialien ist die Grenzflächenbelastung

jedoch durch das Auftreten stark inhomogener Spannungskonzentrationen (theoretisch -

singularitäten) gekennzeichnet. Hier versagt ein Festigkeitskriterium und eine bruch-

mechanische Beschreibung der Ausbreitung eines Grenzflächenrisses ('Debonding') mit einer

kritischen Energiefreisetzungsrate als Debonding-Kriterium erscheint angemessener. Dies ist

die Zielstellung des zweiten Teils der Arbeit. Der bruchmechanische Ansatz und die

Möglichkeiten der Finite-Elemente-Methode sollen ein detailliertes Bild der Entstehung und

Ausbreitung von Grenzschichtrissen für spröde Interfacesysteme am Beispiel des Einzelfaser-

Auszugsversuchs liefern. Dieses Bild läßt sich zukünftig auf die Einbeziehung inelastischen

Materialverhaltens und von Wechselwirkung mit anderen Strukturelementen (Nachbarfasern,

Zwischenschichten) erweitern, welche in realen Verbundsystemen eine wesentliche Rolle

spielen.

Page 21: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

13

2. Makromechanische Modellierung: Charakterisierung des Delamina-

tionswiderstandes gekrümmter Probekörper

2.1 Thermoplastwickeltechnologie

Die Thermoplastwickeltechnologie ist ein relativ junges technologisches Verfahren zur

Herstellung langfaserverstärkter Verbundwerkstoffe mit thermoplastischer Kunststoffmatrix

([20], [69]-[75]). Sie gestattet die automatisierte Erstellung von mehr oder weniger rotations-

symmetrischen Bauteilen in einem Arbeitsgang ohne zusätzliche zeitaufwendige Schritte wie

manuelles Auflegen und Anordnung von Prepreg-Schichten oder nachfolgende Aushärt- und

Konsolidierungsprozesse. Die Verwendung thermoplastischer Materialien für die Matrix

beinhaltet für viele Anwendungszwecke eine Reihe von Vorteilen gegenüber duromeren

Materialien [72]: die Materialien zeigen bessere Zähigkeit hinsichtlich Bruch, Delamination

und Schlag, sie haben kurze Verarbeitungszeiten und benötigen weniger Verarbeitungsschritte.

Die aus Thermoplastverbundwerkstoffen gefertigten Bauteile und Formkörper sind auch nach

ihrer Herstellung noch umformbar und lassen sich schweißen. Und nicht zuletzt bieten sie gute

Recyclingmöglichkeiten. Neben materialspezifischen Problemen, die natürlich auch existieren

(hohe Verarbeitungsviskosität und -temperatur, hohen Materialkosten) waren es besonders die

fehlenden Verbundbildungstechnologien, die eine technische Nutzung langfaserverstärkter

Thermoplastmaterialien im industriellen Umfang bisher verhindert haben. Hier wurde mit der

Thermoplastwickeltechnologie ein interessanter Ansatz gefunden.

Abb. 2.1

Prinzip einer Thermoplast-

wickelanlage [72]

Das Prinzip ist in Abb. 2.1 illustriert. Im Verfahren werden die Verstärkungsfäden und das

Thermoplastmaterial gemeinsam und kontinuierlich dem Verbundbildungsprozeß zugeführt.

Für die Kombination von Faser und Matrix, die sogenannte Faserimprägnierung, im

Ausgangsmaterial gibt es verschiedene Möglichkeiten [72]. Die Matrix kann über

Thermoplastfasern oder -foliebänder von einer getrennten Spule zugeführt werden bzw. in

Form von Thermoplastpulver in einer dünnen Hülle oder als Bänder die Fasern unmittelbar

Vorspannung

Vorwärmkammer

Ausgangsmaterial

EinlaufpunktheizungWickeldorn

Laminatring

Andruckrolle

Einlaufpunkt

Page 22: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

14

umschließen. Letzterer Fall erfordert eine zusätzliche Verarbeitungsstufe zur Faser-

imprägnierung, hat aber den Vorteil, daß das Ausgangsmaterial einheitlich, fertig konfiguriert

und auf einem einzigen Träger vorliegt. Von der Spule mit dem Halbzeug gelangt die Faser mit

der Matrix in eine Vorheizstrecke, die eine gleichmäßige Aufheizung des Materials bis an den

Schmelzpunkt der Matrix bewirken soll. Unter einer regulierbaren Faserspannung wird das

Material am Einlaufpunkt auf dem Wickeldorn abgelegt. Ein mechanischer Druck und die

punktuelle Erwärmung an dieser Position befördern die Konsolidierung des aufgeschmolzenen

Matrixmaterials mit den darin eingebetteten Fasern zu einem möglichst homogenen

Verbundwerkstoff ([20], [75]). Dieser Abschnitt des Wickelprozesses ist von besonderer

Bedeutung, weil die hier eingestellten Bedingungen die Eigenschaften des hergestellten

Verbundwerkstoffs entscheidend bestimmen. Auf dem Wickeldorn, der die Geometrie des

hergestellten Formteils festlegt, erfolgt während der nachfolgenden Rotation die allmähliche

Abkühlung. Für die ökonomische Effizienz sind eine hohe Wickelgeschwindigkeit bei der

Bauteilherstellung und ein geringer Energieverbrauch während der Aufheizung wichtig. Dies

steht in gewissem Widerspruch zu den technologischen Forderungen einer möglichst guten

Konsolidierung des Verbundes. Jene wird durch ein vollständiges Aufschmelzen und eine

gleichmäßige Benetzung und Verteilung der Fasern in der Schmelze bestimmt. Dabei sollen

möglichst wenige Luftblasen und andere Fehlstellen im Material verbleiben. Voraussetzung

sind eine ausreichende Temperatur und ein gewisser mechanischer Druck am Einlaufpunkt

sowie eine genügend lange Verweilzeit des Materials im Bereich der Schmelztemperatur.

Andererseits darf nur eine möglichst geringe thermische oder mechanische Schädigung von

Matrix und Faser während des Wickelprozesses auftreten. Für die Parameter des Wickel-

prozesses, wie Vorheizleistung, Temperatur und Druck am Einlaufpunkt, Fadenspannung,

Dorntemperatur und Wickelgeschwindigkeit muß daher eine optimale Einstellung gefunden

werden. Der erreichte Erfolg beim Konsolidierungsprozess läßt sich neben direkten

mikroskopischen Untersuchungen am deutlichsten aus den mechanischen Eigenschaften der

hergestellten Verbundwerkstoffe beurteilen [76]. In besonderer Weise sind davon die Ver-

sagenseigenschaften betroffen, die vorwiegend durch die Fehlstellen eines Werkstoffes

bestimmt werden. Eine hohe Empfindlichkeit gegenüber derartigen Schädigungen zeigt bei

langfaserverstärkten, schichtartigen Materialien die Delamination ([6] [7]), so daß speziell

deren Untersuchung Informationen zur optimalen Gestaltung des technologischen Prozesses

bereitstellt.

Page 23: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

15

2.2 Charakterisierung der Delaminationszähigkeit

Zur Charakterisierung der Widerstandsfähigkeit langfaserverstärkter Verbundwerkstoffe

gegenüber Delamination existieren verschiedene Testverfahren für ebene Probekörper ([7],

[72]). Zur Ermittlung der bruchmechanischen Kennwerte werden sogenannte Anfangsriß-

Verfahren eingesetzt. Bei diesen wird vor der Belastung ein künstlicher Riß der Länge a 0 in

der Probenmittelebene zwischen die Faserschichten eingebracht und die zu dessen Ausbreitung

notwendige Probenbelastung P gemeinsam mit der Rißöffnung δ und der aktuellen Rißlänge a

während des Tests aufgezeichnet. Aus diesen Größen läßt sich entsprechend dem

bruchmechanischen Konzept die kritische Energiefreisetzungsrate G c des Delaminations-

versagens ermitteln. Für stabile Rißausbreitung erhält man deren Abhängigkeit von der

Rißlänge a, welche einer R-Kurve entspricht. Die Einbringung des Anfangsrisses erfolgt bereits

während des Verbundbildungsprozesses durch Einlegen einer Trennfolie (z.B. PTFE) zwischen

die mittleren Verbundschichten des Probekörpers.

Die verschiedenen Prüfgeometrien entsprechen unterschiedlichen Formen der praktischen

Belastung eines bereits delaminationsgeschädigten Bauteils. Eine wichtige Unterscheidung ist

durch die verschiedenartigen Moden der Belastung gegeben, denen die Rißspitze ausgesetzt

sein kann: ob sie versucht, den Riß senkrecht zur Rißebene zu öffnen (‘Mode I’) oder ob sie in

Richtung der Rißflächen erfolgt (‘Mode II’). Die Anfälligkeit des Materials gegenüber

Ausbreitung der Delamination ist in der Regel abhängig von der Art der Belastung, im allge-

meinen ist die senkrechte Belastung (‘Mode I’) kritischer ([6], [8], [9]). Die Prüfgeometrien

lassen sich nach der Form der Belastung typisieren [77]. Die für Laminate am häufigsten

angewendeten Mode-II-Tests sind der ‘End Notched Flexure’ (ENF) und der ‘End Loaded

Split’-Test. Das zur Mode-I-Charakterisierung vorwiegend eingesetzte Verfahren ist der

‘Double Cantilever Beam’ (DCB)- Test.

Bedingt durch die starke Anisotropie, die hohe Steifigkeit parallel zu den Verstärkungs-

richtungen und die schichtweise Herstellungstechnologie der Laminatwerkstoffe unterscheidet

sich die Probekörpergeometrie zur bruchmechanischen Charakterisierung von Laminat-

werkstoffen wesentlich von der isotroper Materialien (Metalle, reine und partikelverstärkte

Kunststoffe). Für diese werden zumeist Varianten des ‘Compact Tension’-Tests verwendet

([17], [78]). Unverstärkte oder partikelverstärkte Materialien werden für mechanisch bean-

spruchte Bauteile oft in kompakter Geometrie eingesetzt, bei der sich die Belastung über große

Querschnitte verteilt. In diesem Fall führen äußere Belastungen nur zu relativ geringen

Deformationen der Gesamtgeometrie. Dagegen bilden Verbundwerkstoffe zumeist Platten oder

Schalen und widerstehen starken Dehn- und Biegebelastungen. Insbesondere die letzteren

können für die vergleichsweise geringen Materialdicken starke Biegedeformationen bewirken,

Page 24: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

16

die eine geometrisch nichtlineare Verformung [66] zur Folge haben. Die starke Anisotropie der

Steifigkeit führt überdies zu einem weit größeren Anteil an Scherdeformation bei der Biegung

als dies bei herkömmlichen, isotropen Materialien der Fall ist [79]. Diese beiden Faktoren

erschweren die zur Auswertung der Testergebnisse notwendige Modellierung des Defor-

mationsverhaltens für die Laminat-Prüfkörper.

2.2.1 ‘Double Cantilever Beam’-(DCB)-Test für ebene Materialien

Die Geometrie des DCB-Tests mit den verwendeten Symbolen ist in Abb. 2.2 dargestellt. Die

geometrischen Abmessungen und die Art der Krafteinleitung wurden für das in der Arbeit

beschriebene Modell und die Experimente entsprechend einem verbreiteten ESIS-Standard [77]

gewählt. Die Übertragung der Belastung wird mittels auf die Probe geklebter Alu-

miniumklötzchen realisiert. Ein Anfangsriß der Länge a mm0 25= (gemessen unter den

Lastpunkten in Klötzchenmitte) wird durch Einlegen einer PTFE-Folie während der Proben-

herstellung eingebracht. Da die Geometrie und die Belastung symmetrisch zur Rißebene sind,

tritt eine reine Mode-I-Belastung des Risses auf. Zur praktischen Durchführung des Tests wird

die Probe in einer Zugprüfmaschine eingespannt. Die Last P wird über in den Bohrungen frei

bewegliche Stahlstifte momentenfrei auf die Klötzchen übertragen, die relative Verschiebung

der Achspunkte der gegenüberliegenden Klötzchen wird von der Maschine gemessen und im

Kontext der Arbeit als Lastverschiebung δ bezeichnet. Da die Rißausbreitung meist stabil

erfolgt, kann während des Tests auch die aktuelle Rißlänge a gemessen und in bestimmten

Zeitabständen dokumentiert werden. Zu diesem Zweck wird vor Beginn des Tests eine

Seitenfläche der Probe mit einer Lackschicht versehen, in die eine Längenskala der Rißlänge

eingekratzt wird. Ergebnis eines DCB-Tests ist die Last-Verschiebungs-Kurve ( )( )P aδ , in

Abhängigkeit von der aktuellen Rißlänge a.

Abb. 2.2 Geometrie der DCB-Probe (ESIS [72]: L mm= 125 ; H mm= 3 ;

B mm= 20 ; h mmk = 30 ;

h mmkl = 22 5, ; l mmkl = 20 ;

25 75mm a mm≤ ≤ )

2*hkl+H+δ

hk

lkl

hklL

Stahlstifte zurKrafteinleitung

Probenmaterial

(aufgeklebt)

Alu-Halteklötzchen

B

H

P

a

Page 25: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

17

Probleme bei der praktischen Durchführung des DCB-Tests ergeben sich insbesondere

hinsichtlich der parallelen und mittigen Einbringung des Anfangsrisses, im Hinblick auf eine

ausreichende Belastbarkeit der Klebeverbindung zwischen Klötzchen und Probenenden, bei der

genauen Bestimmung der aktuellen Rißlänge und durch das Auftreten starker Durchbiegungen

für weniger steife Proben und lange Rißlängen.

2.2.2 ‘Curved Double Cantilever Beam’-(CDCB)-Test für gekrümmte

Materialien

Im Ergebnis von Wickelverfahren zur Verbundherstellung entstehen zylindrische Strukturen,

aus denen nur gekrümmte Probekörper zur Materialprüfung herstellbar sind. Die für ebene

Materialien entwickelte Geometrie des DCB-Tests läßt sich nicht unmittelbar auf diese Proben

anwenden. Eine Übertragung des Grundprinzips ist jedoch möglich und führt zu einer

gekrümmten Variante des DCB-Tests: dem ‘Curved Double Cantilever Beam’-Test (CDCB-

Test) ([20], [72], [80]). Dafür wird eine Ringprobe in vier 90°-Segmente aufgeteilt. Durch

Einlegen zweier Trennfolien, die sich auf dem Ring gegenüberliegen, werden die Anfangsrisse

in der Mitte des Wickelprozesses eingebracht. Aus einem Ring lassen sich durch

symmetrisches Abtrennen der Segmente 4 Probekörper mit Anfangsriß gewinnen. Die

Geometrie der CDCB-Probe und die Bezeichnung der geometrischen Parameter ist in Abb. 2.2

dargestellt. In Analogie zum DCB-Test werden an den freien Rißenden der Probe Aluminium-

klötzchen zur Krafteinleitung aufgeklebt. Die Klebeflächen der Klötzchen müssen einen, dem

Innen- bzw. Außendurchmesser des Ringes entsprechenden, gekrümmten Schliff erhalten. Die

Probe wird über zwei in den Klötzchen frei gelagerte Achsen in eine Zugprüfmaschine

eingespannt, die Lastkraft P wird gemeinsam mit der Verschiebung δ der Achsen über dem

gesamten Bereich der Rißausbreitung registriert. Aufgrund des laminaren Probenaufbaus folgt

der Riß der Krümmung der Probe, seine aktuelle Länge wird mittels einer vor dem Test

aufgebrachten Skalierung gemeinsam mit P und δ während des Versuchs aufgezeichnet.

Abb. 2.3 Geometrie der CDCB-Probe

2*h kl+H+δδδδ

h k

h kl

P

l kl

R i

a

H B

Page 26: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

18

Im Gegensatz zum DCB-Test erfolgt die Belastung beim CDCB-Test nicht symmetrisch zur

Rißebene, was die Interpretation der Ergebnisse erschwert. Es kann nicht davon ausgegangen

werden, daß der Mode-II-Anteil der Belastung des Materials verschwindet, da auch

Belastungskomponenten parallel zur Richtung der Rißausbreitung an der Rißspitze auftreten.

Allerdings läßt die Prüfmaschine ausschließlich Kraft- und Verschiebungskomponenten in

senkrechter Richtung zu, durch die drehbare Lagerung der Achsen in den Klötzchen kann die

Probe Verspannungen durch Rotation ausweichen. Eine überschlagsmäßige Abschätzung der

dabei auftretenden Verteilung auf die einzelnen Belastungsmoden [72] läßt einen nur geringen

Mode-II-Anteil erwarten.

Dieser Rotationseffekt ist schon bei relativ niedrigen Belastungen signifikant und nicht an das

Auftreten starker Deformationen gebunden. Drehungen lassen sich im Rahmen der üblichen,

geometrisch linearen Modellierung der Deformation nicht korrekt beschreiben. Zur

Modellierung des mechanischen Verhaltens der CDCB-Probe erscheint daher die Berück-

sichtigung nichtlinearer Deformation noch dringender geboten als bei der DCB-Probe.

Eine weitere Schwierigkeit der Modellbildung besteht in der Krümmung der Probekörper [81].

Die einfachste Form der Modellierung beschreibt deren Deformation durch ein Balkenmodell,

in dem die beiden Rißhälften der Probe als Stäbe bzw. schmale Platten betrachtet werden, die

einer Biegedeformation unterworfen sind. Während dies für die ebene Form der DCB-Probe

einfach zu berechnen ist, ergeben sich infolge der Krümmung für die CDCB-Probe

komplizierte Ausgangsgleichungen, für die ohne weiteres kein analytisch geschlossenes

Ergebnis gefunden werden kann. Da aus der Literatur gegenwärtig kein Deformationsmodell

der CDCB-Probe bekannt ist, gestaltet sich die Auswertung des CDCB-Tests, d.h. die

Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate G c aus den Meßergebnissen, schwierig.

Die für den DCB-Test aufgestellten Formeln sind dafür nicht anwendbar. In [20], [72] wird ein

empirisches Verfahren zur Auswertung des DCB-Tests verwendet („experimentelle

Compliance-Methode“), welches direkt auf der linearen Definition der Energiefreisetzungsrate

aus der äußeren Belastung beruht. Da jedoch für die CDCB-Probe von einer deutlichen

Nichtlinearität der Belastungskurve ausgegangen werden muß, ist die Gültigkeit dieser

Näherung nicht gesichert.

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß aufgrund des Auftretens von ‘Mixed-Mode’-

Belastungen, Krümmung und Drehung der CDCB-Proben die Interpretation der Ergebnisse des

Test wesentlich komplizierter als die des DCB-Tests erscheint und eine eigenständige

Modellierung der CDCB-Geometrie erfordert.

Page 27: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

19

2.3 Modellierung DCB-Test

Obwohl die eigentliche Zielstellung dieses Teils der Arbeit in der Modellierung des CDCB-

Tests besteht, wurde zunächst eine Modellierung der ähnlichen, aber einfacheren DCB-

Geometrie durchgeführt. Da für den DCB-Test bereits eine Reihe von unabhängigen Modellen

und Erfahrungen existieren, lassen sich daran die Zuverlässigkeit und Effektivität der in dieser

Arbeit verwendeten Modelle und Analysemethoden aus dem Vergleich beurteilen und

optimieren. Die gesammelten Erfahrungen sollen insbesondere dazu genutzt werden, die

Untersuchung des CDCB-Tests auf den Einfluß der wesentlichen Parameter zu beschränken.

2.3.1 FE-Modell der DCB-Geometrie

Die DCB-Geometrie wurde mit einem detaillierten zweidimensionalen und einem weniger

detaillierten dreidimensionalen Finite-Elemente-Modell nachgebildet [82]. Zur Durchführung

der Analyse wurden das kommerzielle Finite-Elemente-Programm ANSYS 5.0 und ein DOS

Personalcomputer AT-486 eingesetzt.

Die Vernetzung erfolgte für das 2D-FE-Modell mittels isoparametrischer 2D-Solid-Elemente

mit 8 Knoten. Für diese wurden homogene, linear elastische, orthotrope Materialeigenschaften

definiert. Im Gegensatz zu einer Modellierung mittels Schalenelementen, die ebenfalls möglich

wäre, erlaubt eine vollständige, zweidimensionale Modellierung mit Solidelementen eine

wirklichkeitsnahe Berücksichtigung der bei der Biegung auftretenden Scherdeformationen.

Diese kann mit Schalenelementen, die auf der KIRCHHOFF’SCHEN Plattentheorie beruhen,

(auch bei Nutzung einer TIMOSHENKO-Korrektur) nicht oder nur ungenügend erfolgen.

Wegen der Symmetrie der Probe zur Rißebene ist bei Wahl entsprechender symmetrischer

Randbedingungen in der Mittelebene die Modellierung einer Probenhälfte ausreichend.

Abb. 2.4 Netz des 2D-FE-Modells der DCB-Probe

Rißspitzenregion

RißspitzenelementeRißspitze

Delaminierter Probenteil

Page 28: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

20

Eine Darstellung der verwendeten Vernetzung ist in Abb. 2.4 zu finden. Sie ist der besseren

Anschaulichkeit wegen vergröbert und soll die gewählten Grundprinzipien der Vernetzung

illustrieren, die im Hinblick auf eine bruchmechanische Beschreibung der Rißausbreitung

allgemein beachtet werden müssen. Diese Prinzipien sind auch für die übrigen, in dieser Arbeit

vorgestellten FE-Modelle (CDCB-Test, Einzelfaserauszugs-Test) gültig und sollen deshalb an

dieser Stelle stellvertretend kommentiert werden.

Bevorzugte Nutzung regelmäßiger Vernetzung (‘Mapped Meshing’) der für die

Gesamtdeformation wesentlichen Gebiete:

Der dominierende Beitrag zur Deformation der DCB-Probe wird durch die Biegung des

delaminierten Teils des Probekörpers geliefert. Für diesen Bereich wurde eine regelmäßige

Vernetzung (‘mapped meshing’) gewählt, weil diese Methode die genauesten Ergebnisse

liefert. Um mit den Solid-Elementen die Biegedeformationen hinreichend genau wiedergeben

zu können, wurde eine Netzdichte von ca. 4-6 Elementen über die Probenbreite eingesetzt, die

sich bei Vergleichsrechnungen als ausreichend erwies. Der noch nicht delaminierte Probenteil

vor der Rißspitze ist nur sehr geringen Spannungen ausgesetzt und wurde daher nur halb so

dicht vernetzt.

Netzverfeinerung durch ‘Free-Meshing’ im Bereich starker Spannungsgradienten:

An der Spitze des Delaminationsrisses treten starke Spannungskonzentrationen auf. Daher

wurde, beginnend in einem Abstand von einer Probendicke H, eine starke Netzverfeinerung des

Modells hin zur Rißspitze gewählt. Eine Möglichkeit zur Berechnung der bruchmechanischen

Kenngrößen für linear elastische Materialien ergibt sich über die Bestimmung der

Spannungsintensitätsfaktoren aus den singulären Nahfeldern an der Rißspitze. Diese Methode

erlaubt insbesondere die Charakterisierung des ‘Mixed-Mode’-Zustandes bei unsymmetrischen

Geometrien wie z.B. der CDCB-Probe. Sie soll zunächst unter den reinen Mode-I-

Belastungsbedingungen der DCB-Geometrie getestet und mit den Ergebnissen für G aus der

äußeren Reaktion des Systems verglichen werden. Die singulären Felder dominieren nur in

einem sehr kleinen Bereich unmittelbar um die Rißspitze (klein gegenüber einer

charakteristischen Abmessung s.u.) [83]. Das Modell muß hier eine sehr feine räumliche

Auflösung von weniger als 1%, bezogen auf die charakteristische Dimension (Probendicke H),

liefern. Entsprechend muß die Elementgröße unmittelbar an der Rißspitze deutlich unterhalb

dieser Auflösung liegen. Die Größe der Elemente um die Rißspitze kann im Modell durch

spezielle Netzgestaltung variabel bis hinab zu etwa 1/10000 der Probendicke gewählt werden.

Eine Vermittlung zwischen dieser extremen Netzdichte und dem Rest des Modells kann

sinnvoll nur mittels einer freien Vernetzung (‘free meshing’, erlaubt unregelmäßige Benutzung

Page 29: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

21

von Vierecks - und Dreieckselementen) bewältigt werden. Diese wurde für den

Rißspitzenbereich des Modells verwendet. Regelmäßige Vernetzungsvarianten für diesen

Übergangsbereich wurden im Vorfeld getestet, lieferten jedoch schlecht reproduzierbare und

weniger glatte Ergebnisse für die Spannungen. Die Ursache dafür ist, daß sich ein regelmäßig

vernetzter Übergang von der Standardnetzdichte entlang der Probendicke zum extrem feinen

Netz an der Rißspitze nicht ohne stark gedehnte Elementformen und spitze Elementwinkel

realisieren läßt. Diese starken Abweichungen von der quadratischen Idealform der Elemente

verschlechtern die Genauigkeit der FE-Approximierung erheblich. Eine freie Vernetzung in

diesen Bereichen mit dem automatischen Netzgenerator unter Vorgabe der Maximal- und der

Minimalgröße der Elemente führt zu wesentlich ausgewogeneren Elementproportionen. Durch

entsprechende Wahl der Verdichtungsparameter kann auch bei freier Vernetzung eine

näherungsweise regelmäßige Netzgestaltung in diesem Bereich erzielt werden. Die damit

erreichte Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bei Variation der Netzparameter ist hervorragend.

Die unmittelbare Rißspitze wurde durch einen Ring von speziellen Rißspitzenelementen

(degenerierte isoparametrische 6-Knoten-Elemente mit verschobenen Seitenmittelknoten [84])

gebildet, welche der r −1 2/ -Singularität der Spannungsfelder an der Rißspitze Rechnung tragen.

Unveränderlichkeit der lokalen Vernetzungsbereiche bei Änderung der Rißlänge:

Für die Analyse jeder DCB-Konfiguration mit bestimmten Materialeigenschaften wurden

jeweils 11 verschiedene Rißlängen mit dem FE-Modell berechnet. Aus den meist sehr kleinen

Änderungen der Probeneigenschaften (Nachgiebigkeit, elastischer Energieinhalt der Probe) mit

der Rißlänge läßt sich die Energiefreisetzungsrate ( )G P a, der Probe unmittelbar ableiten. Um

sicherzustellen, daß die Änderungen zwischen FE-Modellen für zwei benachbarte Rißlängen

der Probe tatsächlich aus der Rißlängenänderung folgen und nicht durch eine unterschiedliche

Vernetzung der FE-Näherung für verschiedene Rißlängen verursacht sind, darf sich das Netz

lokal nicht ändern. Dies wurde realisiert, indem die Probe in ein relativ kompliziertes System

von Vernetzungsgebieten aufgeteilt wurde, die bei einer Änderung der Rißlänge in sich

ungeändert mitverschoben werden. Lediglich zwischen den regelmäßig vernetzten Gebieten vor

und hinter der Rißspitze werden Elemente ausgetauscht, um eine Änderung der Rißlänge zu

erreichen. Die Größe, Zahl und Form sämtlicher übriger Elemente bleibt dabei ungeändert.

Alle Kriterien konnten im Rahmen einer automatischen Vernetzung (‘Solid Modelling’) erfüllt

werden. Die Steuerung der Modellierung, der Berechnungen sowie des Postprozessings und

Abspeicherns der FE-Ergebnisse in Listen erfolgte automatisch mit Hilfe einer Makro-

steuerung. Sämtliche geometrischen und materiellen Größen wurden durch Variablen

parametrisiert und erlauben damit eine extrem einfache Kontrolle und Variation des Modells.

Page 30: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

22

Die Anzahl der Knoten für die 2D-FE-Modelle lag zwischen 2000 und 12000, je nach

Zielstellung der Analyse.

Die tatsächliche DCB-Probe besitzt eine endliche Breite B. Eine zweidimensionale

Modellierung vermag die Räumlichkeit des auftretenden Spannungszustandes nur für zwei

Grenzfälle zu beschreiben, den ebenen Spannungszustand (ESZ) und den ebenen

Verzerrungszustand (EVZ). Der ESZ ist näherungsweise für sehr schmale Proben realisiert

( B H< ) während der EVZ dem Fall sehr breiter Proben ( B H>> ) entspricht: die reale Probe

liegt zwischen beiden Extremen. Das 2D-FE-Modell wurde unter Zugrundelegung sowohl des

ESZ als auch des EVZ berechnet. Um den Einfluß der endlichen Probenbreite auf die

Ergebnisse des DCB-Modells untersuchen zu können, wurde auch eine vollständige 3D-FE-

Analyse mit orthotrop elastischen, isoparametrischen 3D-Solid-Elementen durchgeführt. Da

jedoch der Aufwand einer 3D-Analyse hinsichtlich Elementanzahl und Wellenfront bei

gleicher Vernetzungsdichte wesentlich höher als der einer 2D-FE-Analyse ist, wurde eine

weniger dichte Vernetzung benutzt, um den Rechenaufwand erträglich zu halten. Eine Skizze

des verwendeten FE-Netzes ist in Abb. 2.5 dargestellt. Es wurden die gleichen Vernetzungs-

prinzipien wie beim 2D-FE-Modell berücksichtigt. Die Zahl der Knoten für das 3D-Modell

variierte zwischen 1500-3000, eine feinere Vernetzung scheiterte an der Begrenzung der

verfügbaren Wellenfrontgröße (≤ 500). Durch eine breite Variation der Netzparameter wurde

die Verläßlichkeit des 3D-FE-Modells überprüft. Die Ergebnisse für Compliance und

Energiefreisetzungsrate erwiesen sich dabei praktisch als unabhängig von der Variation als

Indiz für eine gute Genauigkeit auch der 3D-FE-Näherung.

Abb. 2.5 Netz des 3D-FE Modells der DCB-Probe

2.3.2 Analytische Modelle des DCB-Tests

Unter Voraussetzung linearer, elastischer Deformation und Rißausbreitung unter konstanter

Belastung P ergibt sich aus der Definition der Energiefreisetzungsrate G (Gl. 1.4) folgender

Zusammenhang zwischen G und äußerer Last P bzw. Lastverschiebung δ und Rißlänge a:

Änderung elastischer Energie dU P d= ⋅1

2δ (2.1)

von außen zugeführte Arbeit dW P daußen = ⋅ δ (2.2)

Page 31: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

23

Energiefreisetzungsrate ( ) ( )G P a

P

B

P a

aP const

,,

= ⋅=

2

∂δ

∂ (2.3)

Die mechanische Reaktion des Systems auf die Belastung wird durch die Nachgiebigkeit

(Compliance) C charakterisiert:

( ) ( )C a

P a

P=

δ , (2.4)

Mit ihrer Hilfe läßt sich die Energiefreisetzungsrate G in einer praktisch gut handhabbaren

Form angeben:

GP

BC

dC

da= ⋅

δ2

(2.5)

Die Ableitung für Gl. 2.5 unter Annahme konstanter Last P bedeutet keine Einschränkung der

Allgemeinheit, da sich derselbe Ausdruck auch unter Annahme beliebiger Änderung der

Belastung ( )P a im Moment der Rißausbreitung ergibt. Notwendig zur Berechnung der von

einem (punktförmig belasteten) linear elastischen System bei einer bestimmten Belastung P

zur Verfügung gestellten Energiefreisetzungsrate G ist die Kenntnis der Abhängigkeit der

Nachgiebigkeit ( )C a des Systems von der Rißlänge.

Obwohl die DCB-Geometrie unkompliziert erscheint, übersteigt eine vollständige drei- oder

auch nur zweidimensionale Analyse des Deformationsverhaltens die Möglichkeiten einer

exakten, mathematisch-analytischen Berechnung im Rahmen der linearen Elastiztätstheorie.

Aus der Literatur sind jedoch eine Reihe von näherungsweisen Modellen bekannt ([85]-[89];

Reviews siehe [7], [19], [77], [90]).

Abb. 2.6 Stabmodell der DCB-Probe

Die einfachste und am häufigsten verwendete Abstraktion ist die Beschreibung der DCB-Probe

mittels der Balkentheorie [85]. Darin wird der delaminierte Teil der DCB-Probe als ein

P

a

Page 32: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

24

symmetrisches System zweier an der Rißspitze starr miteinander verbundener Stäbe der Länge

a (Rißlänge) betrachtet, die durch die Kraft P an ihrem freien Ende auf Biegung beansprucht

werden (Abb. 2.6). Die einfache Balkentheorie liefert für die Nachgiebigkeit (‘Compliance’)

eines derartigen Systems folgenden Ausdruck:

( )C a E B Ha

E B HBT x

x

, , , =⋅

⋅ ⋅

64 3

3 (2.6).

Das Einsetzen von Gl. 2.6. in die Definition der Energiefreisetzungsrate nach Gl. 2.5 erlaubt

die Berechnung einer Näherung für G aus den meßbaren Größen P, δ und der Rißlänge a:

GP

BaBT =

⋅⋅

3

2

δ (2.7).

Das reale Deformationsverhalten kann jedoch erhebliche Abweichungen von dieser simplen

Näherung aufweisen. Die einfache Balkentheorie setzt voraus, daß die Querschnitte des Stabes

während der Deformation eben bleiben („KIRCHHOFF’SCHE HYPOTHESE“) und

berücksichtigt daher keine Scherdeformationen. Für isotrope Materialien und lange, dünne

Stäbe ist diese Bedingung in guter Näherung erfüllt. Für faserverstärkte Materialien ist jedoch

der Schermodul G xz in der Biegeebene x-z wesentlich niedriger als der E-Modul in

Faserrichtung E x , wodurch bei Biegung verstärkt Scherdeformationen auftreten. Zudem erfüllt

die Probe für kurze Rißlängen a die Bedingung langer, schlanker Stäbe nur schlecht.

Abweichungen zu Gl. 2.6 sind zu erwarten.

Eine Korrektur der Balkentheorie hinsichtlich der Einbeziehung von Scherdeformationen

wurde von TIMOSHENKO eingeführt, die entsprechende Erweiterung zu Gl. 2.6 ist in [90]

angegeben:

( )C a E B Ha

E B H

E H

G aBT x

x

x

xz

, , , =⋅

⋅ ⋅⋅ + ⋅

641 3

16

3

3

2

2 (2.8).

Weitere Korrekturen sind notwendig zur Berücksichtigung:

- der speziellen Lagerungsbedingungen des „Balkens“ an der Rißspitze [87],

- des Einflusses der Lastklötzchendrehung auf Verschiebung und Moment am Probenende

[90],

- des Auftretens starker, nichtlinearer Verformung bei der Biegung [86],

- der endlichen Breite B der Proben [90].

Trotz des hohen rechnerischen Aufwandes und des großen Umfanges der erhaltenen Ausdrücke

ist keine der analytischen Näherungen in der Lage, die Deformation der DCB-Probe vollständig

Page 33: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

25

zu beschreiben, da sich insbesondere die singuläre Spannungsverteilung an der Rißspitze einer

Beschreibung durch einfache analytische Modelle entzieht.

Einen Ausweg hinsichtlich einer, von Modellfehlern unbelasteten, experimentellen

Bestimmung von G bieten sogenannte empirische Methoden. Diese berechnen die Energiefrei-

setzungsrate nach ihrer Definition Gl. 2.5. unmittelbar aus den experimentellen Ergebnissen.

Da aus den Meßkurven ( )( )P aδ auch die Compliance ( )C a und ihre Ableitung unmittelbar

interpoliert werden können, ist ein Modell für das Deformationsverhalten nicht unbedingt

erforderlich. Zum Approximieren der Abhängigkeit der Compliance aus den Meßpunkten

( )( )P ai i iδ existieren unterschiedliche Ansätze.

Die Methode nach [91] nimmt in Anlehnung an die Balkentheorie-Näherung eine Potenzform

der Abhängigkeit an:

( )C a R an= ⋅ (2.9),

deren freie Parameter R und n durch logarithmische Approximation aus den experimentellen

Ergebnissen bestimmt werden.

Die Flächenmethode [92] ersetzt die Ableitung in Gl. 2.5 durch den Differenzenquotienten aus

den experimentellen Resultaten für benachbarte Rißlängen ( ) ( )C C a ai i i i+ +− −1 1/ .

Jedoch auch die empirischen Methoden sind nur unter Einschränkung gültig. Die Ableitung der

Energiefreisetzungsrate nach Gl. 2.5 setzt ausdrücklich die Linearität der auftretenden

Deformationen voraus. Praktisch wird jedoch häufig starke Biegung der DCB-Proben

beobachtet ([93], [94]), welche die Anwendung einer nichtlinearen Definition der

Energiefreisetzungsrate erforderlich macht (siehe Kap. 2.4.2.1). Die lineare Definition für G

nach Gl. 2.5 ist dann nicht mehr gültig und ohne eine unabhängige Modellierung kann über den

bei ihrer Anwendung auftretenden Fehler kein Urteil getroffen werden. Darüber hinaus sind die

empirischen Gleichungen nur für den Fall stabilen, gleichmäßigen Rißswachstums einsetzbar,

da sie mehrere Meßpunkte zur Berechnung von G benötigen. Für instabiles Rißwachstum oder

‘Slip-Stick’-Verhalten ist die Nutzung eines Deformationsmodells zur Bestimmung von

dC da/ notwendig.

2.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate G aus den FE-Ergebnissen

Die durchgeführte Finite-Elemente-Analyse liefert bei festgelegter Geometrie und elastischen

Eigenschaften der DCB-Probe eine numerische Näherung des Deformationsverhaltens für eine

Reihe diskreter Rißlängen im Bereich 25 75mm a mmi≤ ≤ . Die gesuchte Zielgröße ist die

Energiefreisetzungsrate ( )G P a, , die für eine bestimmte Rißlänge a und Belastung P von der

Probe bereitgestellt wird. Diese Größe steht nicht unmittelbar mit den FE-Ergebnissen zur

Page 34: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

26

Verfügung, sondern muß aus ihnen abgeleitet werden. Dafür gibt es mehrere prinzipiell

unterschiedliche Verfahren. In der Arbeit wurden drei Varianten verwendet, welche G aus

voneinander relativ unabhängigen Ergebnissen der FE-Modellierung berechnen.

2.3.3.1 Compliance-Methode und Energie-Methode

Energiemethode:

Die unmittelbarste Variante zur Berechnung nutzt die Definition von G aus der Änderung der

Energie des Systems mit der Rißlänge (Gl. 1.4). Im Kontext der elastischen Bruchmechanik ist

die Energiefreisetzungsrate ( )G P a, eine Zustandsgröße, die nur von der momentan wirkenden

Belastung P und der momentanen Rißlänge a abhängt. Rißausbreitung wird immer dann

auftreten, wenn der aktuelle Wert für ( )G P a, den Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate

Gc des Materials übersteigt, unabhängig davon, wie sich nach erfolgter Initiierung der

Rißausbreitung die Belastung mit der Rißlänge ändert. Diese Abhängigkeit, ( )P a , wird durch

das äußere System (d.h. die Testeinrichtung) bestimmt. Sie entscheidet nur darüber, ob die

Rißausbreitung stabil oder instabil weiterverläuft. Zur Bestimmung der einer bestimmten Last

P und Rißlänge a zugeordneten Energiefreisetzungsrate ( )G P a, des Systems mittels Gl. 1.4 ist

es unerheblich, ob die darin enthaltene Ableitung d U W daaußen( ) /− für konstante äußere Kraft

P oder Verschiebung δ während der Rißausbreitung gebildet wird [16]. Sämtliche Annahmen

für die Abhängigkeit ( )P a (bzw. ( )δ a ) während der differentiellen Rißausbreitung führen zum

gleichen Ergebnis für G. Die Annahme δ = const beinhaltet, daß während der Rißausbreitung

die äußere Kraft P keine Arbeit am System verrichtet: dWaußen = 0 . Damit vereinfacht sich

Gl. 1.4 auf die Ableitung der in der Probe bei einer Last P und Rißlänge a gespeicherten,

elastischen Energie nach der Rißfläche:

( ) ( )G a

B

U a

aconst

δ∂ δ

∂δ

,,

= − ⋅=

1 (2.10).

Dieses Verfahren ist auch für nichtlinear-elastisches Verhalten gültig.

Die Finite-Elemente-Analyse liefert die in den Elementen gespeicherte elastische Energie als

direkte Ausgabegröße. Die Summe über alle Elemente ergibt die in der Probe gespeicherte

elastische Energie ( )U ai i iδ , für die konkrete Rißlänge ai. Da die Ableitung für δ = const

gebildet werden muß, sollte bei der Berechnung für alle Rißlängen ai eine identische

Lastverschiebung δ im FE-Modell vorgegeben werden.

Um die Ableitung nach der Rißlänge entsprechend Gl. 2.10 bilden zu können, muß aus den

diskreten Ergebnissen ( )U ai iδ, des FE-Modells eine Interpolationsfunktion ( )U aδ, bezüglich

a gebildet werden. Als Methode bietet sich z.B. eine stückweise Polynom-Interpolation an, wie

Page 35: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

27

sie in kommerzieller Software (MATHEMATICA [95]) bereits fertig implementiert angeboten

wird.

Compliance-Methode:

Für linear elastisches Materialverhalten und lineare Deformation läßt sich die

Energiefreisetzungsrate G unter Nutzung der Gl. 2.1, 2.2 und 2.4 aus der Änderung der

Nachgiebigkeit ( )C a der Probe mit der Rißlänge definieren:

( ) ( )G P a

P

B

dC a

da, =

2

2 (2.11).

Die Nachgiebigkeit (Compliance) ergibt sich aus dem FE-Modell für jede der Rißlängen ai sehr

einfach aus Last Pi und Verschiebung δ i durch ( ) ( )C a P a Pi i i i i= δ , / . Zur Berechnung der in

Gl. 2.11 benötigten Ableitung bietet sich wiederum eine Interpolation der vom FE-Modell

gelieferten diskreten Daten ( )C a i für die Nachgiebigkeit an.

Beide Methoden nutzen unabhängige Ergebnisgrößen der Modellierung: die in den Elementen

gespeicherte elastische Energie bzw. den für den Lastpunkt berechneten Last-Verschiebungs-

Zusammenhang. Die Verfahren nutzen integrale Resultate der Modellierung und sind daher

gegenüber der lokalen Vernetzung wenig empfindlich. Sie liefern stabile Ergebnisse für G

bereits für eine vergleichsweise grobe Modellierung der Rißspitzenregion und erfordern einen

geringeren Vernetzungsaufwand. Dies entspricht der Tatsache, daß in der Rißspitzenumgebung

wegen der starken Spannungskonzentration zwar eine hohe Energiedichte auftritt, sich dieses

lokale Feld aber während einer infinitesimalen Rißausbreitung kaum ändert. Es bewegt sich

einfach mit der Rißspitze mit und hat daher nur geringen Einfluß auf die Energie-

freisetzungsrate, die sich aus der Änderung der im System gespeicherten Energie ergibt. Der

dominierende Beitrag zu G wird dagegen durch die Änderung der äußeren Geometrie des

Systems infolge der Erhöhung der Rißlänge a geliefert: für die DCB-Probe ändert sich

praktisch die Länge der gebogenen Probenhälften um da. Der Hauptanteil der Energieänderung

stammt daher aus weiter von der Rißspitze entfernten Bereichen der Probe und kann durch eine

relativ grobe FE-Modellierung ermittelt werden.

Erfährt allerdings das Rißspitzenfeld während der infinitesimalen Rißausbreitung eine starke

Änderung, z.B. wenn es sich in der Nähe eines Probenendes oder einer anderen geometrischen

Störung befindet, kann sein Anteil an G beträchtlich werden. In diesem Fall ergibt sich die

Notwendigkeit einer sehr feinen Vernetzung der Rißspitzenumgebung oder die Genauigkeit der

integralen Methode fällt stark ab. Für einen ausreichenden Abstand der Rißspitze von einigen

charakteristischen Längen (Probendicke H) zu den Probenenden, wie im Modell der DCB-

Probe realisiert, sind die Effektivität und Verläßlichkeit dieser Methoden jedoch sehr gut.

Page 36: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

28

2.3.3.2 Bestimmung von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern

Neben den integralen Verfahren ist es auch möglich, bruchmechanische Kenngrößen aus den

lokalen Feldern um die Rißspitze abzuleiten. Dies ist der Bereich, in dem sich die

mikroskopischen Vorgänge der Rißausbreitung vollziehen, die in ihm auftretenden

Spannungsfelder und Deformationen bestimmen den Verlauf der Mechanismen. Dieses Gebiet

birgt damit die unmittelbarsten Informationen für eine Beschreibung des Versagens. So kann

bei nichtsymmetrischer Probengeometrie und -belastung der Anteil der einzelnen

Belastungsmoden im allgemeinen nur aus den Feldern der Rißspitzen-Nahzone ermittelt

werden.

Aus der linear elastischen Beschreibung der Spannungsverteilung an Rissen in homogenen

Materialien ist bekannt, daß an der Rißspitze singuläre Spannungsfelder mit einer typischen

räumlichen Verteilung auftreten ([16], [17], [18]). Die singulären Felder werden durch 3

Parameter vollständig charakterisiert, die als Spannungsintensitätsfaktoren KI, KII, KIII

bezeichnet werden. Gleiche Spannungsintensitätsfaktoren entsprechen, unabhängig von der

äußeren Geometrie der Probe, gleichen lokalen Spannungsfeldern an der Rißspitze. Da die

Rißausbreitung ausschließlich durch die in diesem lokalen Gebiet herrschenden Bedingungen

bestimmt ist, lassen sich kritische Spannungsintensitätsfaktoren als Kriterium für die

Ausbreitung eines Risses in linear elastischen, homogenen Materialien verwenden.

Die singulären Felder können als erste Glieder einer Entwicklung der Spannungsfelder in der

Umgebung einer Rißspitze aufgefaßt werden [17]. Ihre Gestalt ist durch eine r −1 2/

Abhängigkeit von der Distanz r zur Rißspitze sowie durch bestimmte Winkelabhängigkeiten

gekennzeichnet und ist allein durch die Geometrie der Rißspitze festgelegt. Die Form der sin-

gulären Felder wird nicht durch die äußere Geometrie beeinflußt, deren Einwirkung bestimmt

nur die Intensität und den Anteil der einzelnen Moden, also die Spannungsintensitätsfaktoren.

Neben den singulären Termen treten in der Entwicklung der Spannungsfelder jedoch auch

Glieder höherer Ordnung auf ( r n / 2 , n ≥ 0 ). Sie sind nicht mehr für die Geometrie der Rißspitze

typisch, sondern werden auch durch die äußere Geometrie mitbestimmt. Aufgrund der

reziproken Abhängigkeit r −1 2/ der singulären Spannungsanteile spielt der Anteil der Terme

höherer Ordnung unterhalb eines bestimmten Rißspitzenabstandes in der Entwicklung keine

Rolle mehr. Bezugsgröße hinsichtlich der Einwirkung der Umgebung auf die Rißspitze ist

deren Abstand zum nächsten "Repräsentanten" der äußeren Geometrie, sei es das gegenüber-

liegende Ende des Risses, der äußere Rand des Probekörpers, eine benachbarte Rißfront o.ä..

Diese Distanz wird als "charakteristische Länge" bezeichnet. Dominanz der singulären Terme

Page 37: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

29

kann nur in einem Bereich um die Rißspitze erwartet werden, der sehr klein gegenüber dieser

charakteristischen Länge ist.

Im Fall der vorliegenden DCB-Geometrie entspricht die charakteristische Abmessung der

halben Probendicke H / 2 . Die Ableitung der Spannungsintensitätsfaktoren aus den singulären

Feldern an der Rißspitze erfordert eine Auflösung des FE-Modells bis hinab in die

Größenordnung, in welcher diese Felder dominieren. Die Vernetzung muß eine gute Näherung

der Spannungen auch für Abstände zur Rißspitze von weniger als 1% der charakteristischen

Abmessung liefern. Dies ist nur möglich, wenn die Größe der Elemente in diesem Bereich

wenigstens noch eine Größenordnung darunter liegt. Diese Forderung stellt hohe Ansprüche an

die FE-Modellierung und steigert den Modellaufwand erheblich.

Abb. 2.7 Rißspitzenkoordinatensystem und Skizze der zur Bestimmung der Km-Faktoren verwendeten Ligament- und Rißufer-Knoten eines FE-Modells

Die singulären Terme für die Felder an

Rißspitzen in orthotrop elastischen Materialien sind ausführlich in [96] und [97] beschrieben.

Ihre prinzipielle Gestalt im Rißspitzenkoordinatensystem (siehe Abb. 2.7) bei einer reinen

Mode-m Belastung kann folgendermaßen dargestellt werden:

Spannungen: ( ) ( ) ( ) ( )σ ϕπ

ϕijm m

ijmr

K

rf, =

⋅ ⋅⋅

2 (2.12)

Verschiebungen: ( ) ( ) ( ) ( )u r Kr

gim

m ijm,ϕ

πϕ= ⋅

⋅⋅

2 (2.13).

Im allgemeinen 'Mixed-Mode'-Fall, der durch 3 Spannungsintensitätsfaktoren KI, KII und KIII

gekennzeichnet ist, findet eine Überlagerung der Spannungsfelder der einzelnen Moden statt.

Für zwei spezielle Richtungen vereinfachen sich die Felder beträchtlich: bei den Spannungen

für ϕ = 0 (Rißligament) und bei den Verschiebungen für ϕ π= (Rißufer). Wenn die Richtung

des Risses (x-Richtung) mit der Hauptrichtung der orthotropen Materialeigenschaften

zusammenfällt (wie dies bei Delamination gegeben ist), ergeben sich für die singulären Felder

längs dieser beiden Richtungen die in Tab. 2.1 wiedergegebenen Ausdrücke.

z

x

FE-Knoten

Rißufer

Rißspitze

Ligament

r

ϕ

Page 38: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

30

Tabelle 2.1

Mode I Mode II

Spannungen

auf Ligament

ϕ = 0

( ) ( )σπ

zzI Ir

K

r=

2

( ) ( )σ xzI r = 0

( ) ( )σ zzII r = 0

( ) ( )σπ

xzII IIr

K

r=

2

Verschiebung

der Rißufer

(„Rißöffnung“)

ϕ π=

( ) ( )u rxI = 0

( ) ( )u r Kr

EzI

I

z

= − ⋅ ⋅+

2 1 1 2

1 2π

µ µ

µ µIm

( ) ( ) [ ]u r Kr

ExII

II

x

= ⋅ ⋅ ⋅ +

2 11 2π

µ µIm

( ) ( )u rzII = 0

(Die komplexen Parameter µ1 und µ2 folgen aus den anisotropen Materialeigenschaften und

ergeben sich aus Gl. 2.16.)

Mode-III tritt bei den in der Arbeit untersuchten Proben nicht auf und wird ist daher hier nicht

berücksichtigt,. Die Terme für die Verschiebung sind unter Annahme des ebenen

Spannungszustandes berechnet.

Auf dem Ligament sind die Spannungskomponenten der einzelnen Moden unter obigen

Bedingungen voneinander entkoppelt. Die Scherspannung σ xzLigament wird allein durch die Mode-

II-Komponente der Belastung bestimmt, die Normalspannung σ zzLigament senkrecht zum Riß ist

völlig durch den Mode-I-Anteil festgelegt. Dasselbe gilt für die x- bzw. z-Komponenten der

Rißuferverschiebungen. Aus der Spannungs- bzw. Verschiebungsverteilung des FE-Modells an

der Rißspitze ist somit eine getrennte Bestimmung der Spannungsintensitätsfaktoren KI und KII

möglich.

Dafür existieren zwei prinzipiell unterschiedliche Methoden:

Bestimmung der Km aus den Ligamentspannungen:

Das Netz muß so gewählt werden, daß die Ligamentlinie einer Vernetzungslinie des Modells

entspricht und bei der Vernetzung eine regelmäßige Reihe von Knotenpunkten direkt auf dieser

Linie entsteht (Abb. 2.7). Nach erfolgter Analyse werden diese Knoten k ausgewählt und im

Rißspitzenkoordinatensystem die entsprechenden Spannungen ( )σ ij kr und Abstände zur

Rißspitze rk aus dem FE-Modell ermittelt. Für jeden dieser Knotenpunkte kann, unter Nutzung

der singulären Terme aus Tabelle 2.1, durch Umstellen nach Km ein Näherungswert für KI und

KII bestimmt werden. Trägt man diese Näherungen ( )K rm k in einem Diagramm über dem

Page 39: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

31

Abstand rk des jeweiligen Knotens zur Rißspitze ab (Abb. 2.8), so ergibt sich für die

Näherungswerte eine vom Abstand abhängige Verteilung.

Diese hat zwei Ursachen:

Zum einen sind neben den singulären Termen auch Terme höherer Ordnung in den vom FE-

Modell gelieferten Ligamentspannungen enthalten, die in den Ausdrücken von Tabelle 2.1

nicht berücksichtigt sind. Da ihr Einfluß jedoch mit geringer werdendem Abstand von der

Rißspitze abnimmt, führt eine Extrapolation r → 0 (mindestens theoretisch) zum exakten Wert

für Km ([16], [84]):

( ) ( )( )( )K r rIr k zz

Ligamentk= ⋅ ⋅ ⋅

→lim

02 π σ (2.14)

( ) ( )( )( )K r rIIr k xz

Ligamentk= ⋅ ⋅ ⋅

→lim

02 π σ (2.15).

Die Erfahrung hat für lineare Analysen gezeigt, daß sich die Näherungswerte ( )K rm k

bezüglich ihres Rißspitzenabstandes rk nahezu auf einer Geraden anordnen [83]. Dies gilt für

einen Bereich von zumindestens 10% der charakteristischen Abmessungen bis hinab zu einem

Abstand von von etwa 3-4 Elementen vor der Rißspitze (Abb. 2.8).

0,70

0,75

0,80

0,85

0,90

0,95

1,00

1,05

0,00 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10

Abstand r von Rißspitze [mm]

KI(r)

KI(GI)KI aus uz, rct=7,5 µm

KI aus uz, rct=1,5 µm

KI aus uz, rct=0,3 µm

KI aus σz, rct=7,5 µm

KI aus σz, rct=0,3 µm

KI aus σz, rct=1,5 µm

Abb. 2.8 Beispiel zur Extrapolation des Spannungsintensitätsfaktors KI aus den Ligamentspannungen ( )σ ϕzz r, = 0 und den Rißuferverschiebungen ( )u rz ,ϕ π=

für unterschiedliche Größe der Rißspitzenelemente rct.

Die Abweichung für sehr kleine Rißspitzenabstände ist im Näherungscharakter der FE-Metho-

de begründet. Innerhalb der Elemente wird das Spannungsfeld durch einen linearen Verlauf

approximiert. Die Elemente unmittelbar vor der Rißspitze vermögen daher die dort auftre-

tenden starken Spannungsgradienten nicht nachzuvollziehen, sie reagieren zu steif und liefern

zu niedrige Knotenspannungen. Über eine geringe Anzahl von Elementen hinweg stabilisiert

sich die Approximation jedoch. Daher sollten die Ergebnisse an den Knoten der ersten 4 zur

Page 40: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

32

Rißspitze benachbarten Elementreihen für die Extrapolation der Spannungsintensitätsfaktoren

nicht verwendet werden. Für den übrigen Bereich bis zu etwa 10% der charakteristischen

Länge liefert der Ordinatenschnittpunkt einer lineare Regression eine gute Näherung für den

Wert des Spannungsintensitätsfaktors. Die Grenzen des in die Extrapolation einzubeziehenden

Bereichs der Knoten werden für eine Probe am Besten mittels einer grafischen Kontrolle vom

Auswertenden festgelegt.

Bestimmung der Km aus den Rißuferverschiebungen:

Die Ergebnisse der FE-Methode für die Knotenverschiebungen sind Näherungen höherer

Ordnung [68] und deshalb genauer als die Resultate für die Knotenspannungen. Sie

versprechen im kritischen Bereich starker Spannungsgradienten bessere Ergebnisse. Eine

Berechnung der Spannungsintensitätsfaktoren aus den Verschiebungen der Rißufer ist ebenfalls

möglich. Lediglich die Ausdrücke für die singulären Terme (Tabelle 2.1) sind etwas

komplizierter und erfordern die Berechnung der komplexen Parameter µ1 und µ 2 aus den

anisotropen elastischen Materialeigenschaften. Sie ergeben sich als zwei nicht zueinander

konjugiert komplexe Lösungen der Gleichung [96]:

1

21 1

04 2

E E G Ex

xz

x xz z

⋅ + − ⋅ + ⋅ + =µν

µ( ) (2.16)

(Ex, Ez ... E-Modul in Probenlängs bzw. -dickenrichtung, Gxz... Schermodul in Längs-Dicken-

Ebene, ν xz ... POISSON-Zahl, bezogen auf Ex )

Diese Gleichung gilt nur für orthotropes Material und parallele Orientierung des Risses zur

Longitudinalrichtung (x-Richtung) der Materialeigenschaften.

Die durch die singulären Felder verursachten Verschiebungen der Rißufer gemäß Tabelle 2.1

beziehen sich auf ein in der Rißspitze ruhendes und parallel zum Ligament orientiertes

Koordinatensystem. Die FE-Ergebnisse für die Verschiebungen müssen daher aus einem im

FE-Modell entsprechend orientierten Koordinatensystem bestimmt werden. Um Translations-

bewegungen der Umgebung der Rißspitze aus den Verschiebungen zu entfernen, bietet sich

eine einfache Methode an, die jedoch eine identische Position der Knoten auf den einander

gegenüberliegenden Rißufern erfordert (Abb. 2.7) [84]. Die einem Knotenpaar, mit

bestimmtem Abstand rk zur Rißspitze, zugeordnete Rißuferverschiebung im Sinne von

Tabelle 2.1 wird aus der Differenz der globalen Verschiebungen beider Knoten ermittelt.

Gemeinsame Translationen heben sich bei der Differenzbildung auf. An jeder Knotenposition

rk des Rißufers kann aus den Verschiebungen eine Näherung ( )K rm k für die Spannungs-

intensitätsfaktoren berechnet werden. Zur genauen Bestimmung von Km wird wieder die

Extrapolation r → 0 angewendet:

Page 41: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

33

( )

( )( ) ( )( )K

r

u r u r

E

Ir

k

zoberes Rißufer

k zunteres Rißufer

k

z

= − ⋅ ⋅−

⋅+

→lim

Im0

1 2

1 2

1

2 2 1

π

µ µµ µ

(2.17)

( )

( )( ) ( )( )( )

Kr

u r u r

E

IIr

k

xoberes Rißufer

k xunteres Rißufer

k

x

= ⋅ ⋅−

⋅ +

→lim

Im0

1 2

1

2 2 1

π

µ µ

(2.18).

Abb. 2.8 demonstriert die Anwendung dieser Methode an einem Beispiel der DCB-Geometrie.

Die sich aus den Verschiebungen ergebenden Näherungswerte ordnen sich nahezu auf einer

Geraden an. Auch für die der Rißspitze unmittelbar benachbarten Elemente ergeben sich keine

nennenswerten Abweichungen von dieser Linie. Der extrapolierte Wert für KI stimmt mit dem

aus den Spannungen extrapolierten Wert in guter Näherung überein. Die Abweichungen für die

linearen Analysen liegen in der Größenordnung von 1-2%.

Um die Zuverlässigkeit der FE-Ergebnisse in der Umgebung der Rißspitze zu überprüfen,

wurden die Vernetzungsdichte in diesem Gebiet variiert und deren Einfluß auf die Ergebnisse

bewertet. Die minimale Elementgröße (Radius der Rißspitzenelemente) wurde über einen

Bereich von mehr als einer Größenordnung ( 0.02% - 0.5% der charakteristischen Länge H / 2 )

geändert (Abb. 2.8). Die Ergebnisse der drei unterschiedlichen Vernetzungen fügen sich alle in

die selbe Extrapolationsgerade ein. Lediglich die Werte aus den Ligamentspannungen der

unmittelbar der Rißspitze benachbarten Elemente zeigen eine Abweichung, deren Ursache

bereits diskutiert wurde. Die Übereinstimmung ist ein Beleg für die Zuverlässigkeit der

ermittelten Spannungsintensitätsfaktoren.

Zur Charakterisierung der Delaminationszähigkeit von Laminatmaterialien wird der

Spannungsintensitätsfaktor kaum verwendet, die dafür üblicherweise eingesetzte Größe ist die

Energiefreisetzungsrate. Auf der Grundlage der Bruchmechanik für homogene und elastische

Materialien besteht zwischen beiden Parametern ein direkter Zusammenhang und die

verschiedenen Kriterien sind einander gleichwertig. Die Kenntnis der Werte der

Spannungsintensitätsfaktoren erlaubt die Berechnung derjenigen Energiefreisetzungsrate, die

der jeweiligen Belastung entspricht. Der Zusammenhang wird über die Methode der virtuellen

Rißschließung vermittelt [16], [17]. Für orthotrope, linear elastische Materialien sind die

entsprechenden Ergebnisse in [96] wiedergegeben. Es gilt unter der Voraussetzung, daß die

Richtung des Rißebene mit einer der Hauptebenen der Materialanisotropie zusammenfällt, daß

sich die gesamte Energiefreisetzungsrate G bei ‘Mixed-Mode’-Beanspruchung in eine Summe

Page 42: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

34

von Anteilen aufteilen läßt, die jeweils nur vom Wert eines Spannungsintensitätsfaktors

abhängen [96]:

( ) ( ) ( )G K K G K G KI II I I II II, = + (2.19)

Für die hier beschriebene Delamination in unidirektionalen Faserverbunden ist diese

Bedingung erfüllt. Die eindeutige Zuordnung der Beiträge GI zu KI und GII zu KII erlaubt deren

Interpretation als ‘Mixed-Mode’-Anteile der Energiefreisetzungsrate G. GI ist die Energiefrei-

setzungsrate, die sich bei einer reinen Mode-I-Belastung der Probe mit einem Spannungs-

intensitätsfaktor KI ergibt. Entsprechendes gilt für GII und KII. In derselben Weise, wie sich ein

‘Mixed-Mode’-Zustand aus der Überlagerung der reinen Mode-I- und Mode-II-

Spannungsfelder für KI und KII ergibt, folgt die Gesamtenergiefreisetzungsrate hier aus der

Summe der Anteile der reinen Moden.

In Belastungsfällen, bei denen Mode-III auftritt, wäre Gl. 2.19 ein entsprechender Anteil GIII

hinzuzufügen.

Nach [96] berechnen sich die Moden der Energiefreisetzungsrate unter obigen

Voraussetzungen und den Bedingungen des ebenen Spannungszustandes aus den jeweiligen

Spannungsintensitätsfaktoren:

( ) ( )G K

K

E

KI I

I

z

I= −⋅

⋅⋅ +

21 2

1 2

Imµ µ

µ µ (2.20)

( ) ( )[ ]G KK

EKII II

II

x

II=⋅

⋅ ⋅ +2 1 2Im µ µ (2.21).

Gl. 2.20 und 2.21 gestatten einen Vergleich der Ergebnisse der integralen und lokalen Methode

zur Bestimmung von G bzw. K aus dem FE-Modell. In Abb. 2.8 sind die Spannungs-

intensitätsfaktoren auf den Wert ( )K GI I normiert, der in Umkehrung von Gl. 2.20 aus der

nach der Compliance-Methode ermittelten Energiefreisetzungsrate G I der DCB-Probe folgt.

Die Übereinstimmung mit dem lokal extrapolierten Spannungsintensitätsfaktor ist sehr gut.

Auch in diesem Vergleich liefern die Rißuferverschiebungen etwas bessere Ergebnisse als die

Ligamentspannungen. Sie sollten daher zur Bestimmung der Spannungsintensitätsfaktoren aus

den Rißspitzenfeldern bevorzugt verwendet werden.

Page 43: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

35

2.3.4 Ergebnisse der FE-Modellierung

Die FE-Modellierung des DCB-Tests hat verschiedene Anliegen. Sie soll zunächst klären,

inwiefern die Balkentheorie und ihre verschiedenen Erweiterungen geeignet sind, das

Deformationsverhalten von Probekörpern aus Laminatmaterial zu beschreiben. Eine darüber

hinausgehende Fragestellung betrifft die Genauigkeit der auf ihr oder auf noch allgemeineren

Modellen beruhenden Verfahren zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den

experimentellen Ergebnissen. Eine Variation der verschiedenen Materialeigenschaften und

geometrischen Parameter soll schließlich Klarheit darüber verschaffen, welche der zahlreichen

Einflußgrößen nur geringe Auswirkungen auf die Deformation bzw. das bruchmechanische

Verhalten besitzen und daher in zukünftigen Analysen geringerer Aufmerksamkeit bedürfen.

Die am Beispiel der DCB-Probe gewonnenen allgemeinen Erkenntnisse lassen sich prinzipiell

auf andere mechanischen Testverfahren (CDCB-Test,...) für Laminatwerkstoffe übertragen, für

welche Biegung ebenfalls die Hauptform der Deformation darstellt.

Die modellierten Materialeigenschaften wurden in den Grenzen des für langfaserverstärkte

Kunststoffe typischen Bereichs variiert. Als Bezug wurde ein uniaxial verstärktes (hypo-

thetisches) Material mit mittleren mechanischen Eigenschaften gewählt:

Tabelle 2.2. Anisotrope Eigenschaften des Bezugsmaterials (x-Richtung: Faserlängsrichtung,

identisch zur Probenlängsrichtung; y-Richtung: Probenbreite; z-Richtung: Probendicke).

E-Modul Schermodul POISSON-

Zahl

Ex = 50 GPa GE

xzz= =2

2 5, GPa νxz = 0 3,

E Ey z= = 5 GPa G Gxy xz= = 2 5, GPa νxy = 0 3,

Ez = 5 GPa ( )

GE

yzz

yz

=⋅ +

=2 1

192ν

, GPa νyz = 0 3,

Die zur Definition der POISSON-Zahlen verwendete Konvention ergibt sich durch den Bezug

von ν ij auf E i .

Im Gegensatz zu isotropen Materialien, bei denen der Schermodul durch G E= +/ / ( )2 1 ν

festgelegt wird, ist diese Größe für orthotrope Materialien im Prinzip unabhängig von den

anderen elastischen Parametern. Jedoch zeigt die Erfahrung, daß die Wahl G Exz z= / 2 für den

Schermodul in der Biegeebene für die meisten Laminatmaterialien eine gute Näherung bildet.

Page 44: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

36

Tabelle 2.3. Literaturwerte für anisotrope Materialeigenschaften faserverstärkter Kunststoffe

Material-System Quelle Ex

[GPa]

Ez

[GPa]

νxz Gxz

[GPa]

E

Ex

z

G

Exz

z

CF-Epoxy 1 [12] 140 10,3 0,29 5,15 13,6 0,50

CF-Epoxy 2 [12] 160 9,2 0,33 5,24 17,4 0,57

T300/DDS (CF-Epoxy) [88] 133 7,7 0,33 4,20 17,3 0,55

GF-PE [98] 40 8,2 0,26 3,90 4,9 0,48

GF-Epoxy (E-Glas) [99] 45 12,0 0,20 5,50 3,8 0,46

GF-Epoxy (S-Glas) [99] 55 16,0 0,26 7,60 3,4 0,48

CF-Epoxy (HS-CF) [99] 145 10,0 0,25 4,80 14,5 0,48

CF-Epoxy(HM-CF) [99] 220 6,2 0,25 4,80 35,5 0,77

Kevlar49-Epoxy [99] 80 5,5 0,31 2,10 14,5 0,38

CF-Epoxy [89] 108 7,8 0,34 4,10 13,8 0,53

Die Darstellung der Ergebnisse der FE-Modellierung für Nachgiebigkeit ( )C a und

Energiefreisetzungsrate ( )G a erfolgt immer relativ auf die Ergebnisse der Balkentheorie-

Näherung ( )C aBT (Gl. 2.6.) und ( )G aBT (Gl. 2.7.) bezogen [82].

Abb. 2.9 zeigt den Einfluß der Anisotropie der elastischen Eigenschaften E Ex z/ auf die Nach-

giebigkeit ( )C a der Probe. Die Ergebnisse der 2D-FE-Analyse (ESZ) bestätigen die starken

Abweichungen der Balkentheorie bei der Beschreibung der Deformation für kurze Rißlängen

und stark anisotrope Materialien. Im ungünstigsten Fall ( a = 25 mm , E Ex z/ = 20 ) liegen die

Fehler, bezogen auf eine vollständige Modellierung, bei mehr als 40%. Mit wachsender Riß-

länge und sinkender Anisotropie nähert sich die Balkentheorie rasch den FE-Ergebnissen an:

für isotropes Material überschreitet der Fehler die 10%-Marke auch für kurze Rißlängen nicht.

Diese Resultate bestätigen, daß die Balkentheorie für anisotrope Materialien eine ungenügende

Beschreibung der Biegung liefert und als Näherung nur für lange, dünne Proben akzeptabel ist.

Ursache dafür ist das verstärkte Auftreten von Scherdeformationen in der Biegeebene, da der

Schermodul Gxz von der wesentlich schwächeren Quersteifigkeit Ez bestimmt wird. Um dies zu

überprüfen, wurde in Abb. 2.10 der Schermodul der Biegeebene für ein stark anisotropes

Material ( E Ex z/ = 20 ) variiert. Eine Verringerung auf G Exz z/ /=1 3 vergrößert die Abwei-

chung der Deformation gegenüber der Balkentheorie beträchtlich. Bei einer Verhinderung von

Scherdeformationen durch hypothetische Annahme einer praktisch völlig schersteifen Probe

(G Exz z/ = 1000 ) stimmen die Deformationen mit der Balkentheorie-Näherung relativ gut

überein. Die verbleibenden Abweichungen im 10%-Bereich sind der Nichtberücksichtigung der

Klötzchenmomente und der lokalen Deformation an der Rißspitze in Gl. 2.6. geschuldet.

Page 45: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

37

Abb. 2.9 Einfluß des Aniso-tropieverhältnisses E Ex z/ auf die Nach-

giebigkeit C der DCB-Probe. Die 2D-FE-Ergebnisse CFEM sind auf die Resultate des Balkenmodells CBT (Gl. 2.6) bezogen.

Abb. 2.10 Einfluß des Schermoduls Gxz auf die Nachgiebig-keit C der DCB-Probe (2D-FE-Modell, ESZ)

Der Vergleich der Energiefreisetzungsraten bietet prinzipiell das gleiche Bild. Für kurze Riß-

längen und starke Materialanisotropie (Abb. 2.11) bzw. geringe Schersteifigkeit (Abb. 2.12)

ergeben sich die größten Abweichungen zwischen 2D-FE-Modell und Balkentheorie.

Allerdings ist das Ausmaß der Unterschiede für die Energiefreisetzungsrate wesentlich geringer

als für das Deformationsverhalten. Die Abweichungen gehen auch im ungünstigsten, berech-

neten Fall nicht über 10% hinaus. Ursache für das geringere Ausmaß der Abweichung ist die

spezielle Struktur dieser Gleichung zur Ableitung der Energiefreisetzungsrate aus der fehler-

belasteten Compliance des analytischen Modells. Sie verwendet sowohl für P als auch für δ

die tatsächlichen Werte (aus der vollständigen FE-Analyse bzw. dem Experiment) und nutzt

nur für den verbleibenden Koeffizienten ( )dC da C/ / das balkentheoretische Modell. Für

diesen scheint sich der Fehler der Compliance im Zähler und im Nenner in der gleichen

Richtung auszuwirken und dadurch teilweise wieder zu kompensieren.

1,0

1,1

1,2

1,3

1,4

1,5

20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]

CFEM

CBT

Ex/Ez = 20

isotrop

Ex/Ez = 10

Ex/Ez = 5

Ex/Ez = 2

2D-FE (ESZ)Gxz/Ez = 0,5

1,0

1,1

1,2

1,3

1,4

1,5

1,6

20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]

CFEM

CBT

Gxz/Ez = 1/3

Gxz/Ez = 1/2

Gxz/Ez = 3/4

Gxz/Ez = 1000

2D-FE (ESZ)

Ex/Ez = 20

Page 46: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

38

Abb. 2.11 Einfluß des Anisotropie-verhältnisses E Ex z/ auf

die Energiefreisetzungs-rate G der DCB-Probe. Die 2D-FE-Ergebnisse GFEM sind auf die Resultate des Balken-modells GBT (Gl. 2.7) bezogen.

Abb. 2.12 Einfluß des Schermoduls Gxz auf die Energiefrei-setzungsrate der DCB-Probe (2D-FE-Modell, ESZ)

Abb. 2.13 Einfluß des räumlichen Spannungszustandes auf Energiefreisetzungsrate G der DCB-Probe. Vergleich der Ergebnisse von 2D- und 3D-FE-Modellierung

0,90

0,92

0,94

0,96

0,98

1,00

1,02

20 30 40 50 60 70 80

Rißlänge a [mm]

GFEM

GBT

2D-FE (ESZ)Gxz/Ez = 0,5

isotrop

Ex/Ez = 2

Ex/Ez = 5

Ex/Ez = 10

Ex/Ez = 20

0,88

0,90

0,92

0,94

0,96

0,98

1,00

20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]

GFEM

GBT

Gxz/Ez = 1/3

Gxz/Ez = 1/2

Gxz/Ez = 3/4

Gxz/Ez = 1000

2D-FE (ESZ)

Ex/Ez = 20

0,90

0,91

0,92

0,93

0,94

0,95

0,96

0,97

0,98

0,99

1,00

1,01

20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]

GFEM

GBT

FEM Gxz/Ez = 0,53

3D, Ex/Ez = 14, Ey/Ez=1

3D, Ex/Ez = 3, Ey/Ez=1

2D, Ex/Ez = 3, ESZ

3D, Ex/Ez = 14, Ey/Ez=2

2D, Ex/Ez = 14, ESZ

3D, Ex/Ez = 3, Ey/Ez=2

Page 47: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

39

Eine Unsicherheit der 2D-FE-Analyse betrifft die Auswirkung der endlichen Breite B der

Probe. In Abb. 2.13 sind dazu die Ergebnisse der vollständigen 3D-FE-Analyse mit denen der

2D-FE-Analyse für den ebenen Spannungszustand (ESZ) verglichen. Der Unterschied in den

Ergebnissen der 2D- und 3D-FE-Modelle ist besonders für die Energiefreisetzungsrate gering,

der Einfluß des räumlichen Spannungszustandes und der anisotropen Materialeigenschaften in

Breitenrichtung (speziell Ey) spielt eine untergeordnete Rolle [82]. In entgegengesetzter

Tendenz zu den Scherdeformationen ist die Abweichung für isotrope Materialien größer als für

anisotrope Materialien, bleibt aber in jedem Fall auf einige wenige Prozent beschränkt. Der

Aufwand für eine Berücksichtigung der räumlichen Spannungen im Rahmen einer 3D-FE-

Modellierung und die dadurch bedingten Nachteile (gröbere Vernetzung) erscheint ihrem

Einfluß nicht angemessen. Die Ergebnisse der 2D-FE-Analyse unter Annahme des ebenen

Spannungszustands liefern insbesondere für anisotrope Materialien für praktische Belange

ausreichend genaue Ergebnisse.

Abb. 2.14 Vergleich verschiedener Modelle zur Bestimmung der Energiefrei-setzungsrate G der DCB-Probe (TIMOSHENKO: Gl. 2.8; BERRY: Gl. 2.9; WHITNEY: [90])

Die Variation der POISSON-Zahlen ν ij zwischen 0 2 0 3. .≤ ≤ν ij brachte keine nennenswerte

Änderung der Compliance oder der Energiefreisetzungsrate.

Die einfache Balkentheorie ist nur bedingt in der Lage, das Deformationsverhalten der

anisotropen Probe zu beschreiben. Mit einigem rechnerischem Aufwand wurden Korrekturen

zur Balkentheorie entwickelt, die verschiedenen Einflußgrößen Rechnung tragen sollen (siehe

Kapitel 2.3.2.). In Abb. 2.14 sind die Ergebnisse der FE-Modellierung für die Energie-

freisetzungsrate mit denen einiger analytischer Modelle verglichen. Bezugsgröße ist wiederum

die sich aus der einfachen Balkentheorie entsprechend Gl. 2.7. ergebende Näherung GBT.

Eine Scherspannungs-Korrektur der Balkentheorie nach TIMOSHENKO [79] führt zu keiner

wesentlichen Verbesserung der Beschreibung und wird den tatsächlich auftretenden Scher-

deformationen in Verbundwerkstoffen anscheinend kaum gerecht.

0,88

0,90

0,92

0,94

0,96

0,98

1,00

20 30 40 50 60 70 80Rißlänge a [mm]

G

GBT

FEM 2D (ESZ)

WHITNEY

FEM 3D

TIMOSHENKO

BERRY (emp.)

Ex/Ez = 14; Gxz/Ez = 0,53

Page 48: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

40

Bessere Übereinstimmung, zumindest für mittlere bis große Rißlängen, zeigt das analytische

Modell nach WHITNEY [90]. Der Aufwand der Berechnung und der Umfang der sich

ergebenden Ausdrücke läßt es jedoch für eine praktische Anwendung zur experimentellen

Auswertung wenig geeignet erscheinen. Insbesondere seine Übertragung auf kompliziertere

Probengeometrien (CDCB-Test) würde große rechnerische Probleme bereiten.

Gemessen am Verhältnis von Aufwand zu Ergebnis liefert das empirische Modell nach

BERRY [91] die besten Resultate. Allerdings beruht es auf einer linearen Definition der

Energiefreisetzungsrate und seine Gültigkeit beim Auftreten starker Biegung kann an Hand der

hier durchgeführten linearen FE-Analyse nicht beurteilt werden.

Die Ergebnisse der FE-Modellierung des DCB-Tests fanden Berücksichtigung bei einer

experimentellen Untersuchung des Einflusses verschiedener Schlichtematerialien auf das

Delaminationsverhalten glasfaserverstärkter Thermoplast- und Duromermaterialien. Die

Ergebnisse dieser Arbeit von THEUERKORN wurden in [93], [100] und [101] veröffentlicht.

2.3.5 Schlußfolgerungen

Das Beispiel der FE-Modellierung der DCB-Probe erlaubt einige allgemeine

Schlußfolgerungen für das Deformationsverhalten ähnlicher Probekörper.

Die einfache Balkentheorie ist zur Beschreibung der Biegung stark anisotroper Materialien

speziell für sehr kurze Biegelängen (Länge/Dicke<15) schlecht geeignet, die auftretenden

Fehler bei der Nachgiebigkeit können auf über 40% anwachsen. Durch eine geschickte,

halbempirische Einbeziehung aller experimentell meßbaren Größen ( )P a, ,δ läßt sich der

Fehler bei der Berechnung von G allerdings beträchtlich herabsetzen.

Starken Einfluß auf die Deformation haben von den anisotropen Materialeigenschaften nur die

Moduli in Probenlängs- und Dickenrichtung, Ex und Ez, sowie der Schermodul in der

Biegeebene, Gxz. Sie bestimmen den Anteil der Scherdeformationen gegenüber den Dehnungen

bei der Biegung. Die Variation der anderen orthotropen Materialeigenschaften (POISSON-

Zahlen, Moduli mit Bezug zur Breitenrichtung y) liefert kaum Veränderungen und ist daher

nicht sinnvoll.

Der räumliche Spannungszustand und die endliche Breite der Probe haben eine vergleichsweise

geringe Wirkung auf die Nachgiebigkeit und Energiefreisetzungsrate, die mit wachsender

Anisotropie ( E Ex z/ >1) noch dazu rasch abnimmt. Da sich die Abweichungen selbst für

isotropes Material auf einige wenige Prozent beschränken, kann die Deformation hinreichend

genau durch Annahme von ESZ-Bedingungen beschrieben werden. Eine vollständige 3D-FE-

Analyse ist sehr aufwendig und deshalb nur mit gröberer Vernetzung zu bewältigen. Damit

verringert sich jedoch wieder die Genauigkeit der Näherung, was unter Umständen größere

Page 49: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

41

Abweichungen als die Nichtberücksichtigung des räumlichen Spannungszustands

hervorzurufen vermag.

Für die Analyse des ebenen Spannungszustandes reicht die Kenntnis der elastischen

Materialeigenschaften in der Biegeebene aus (Ex, Ez, Gxz, νxz ). Nur deren Einfluß hat sich im

Verlauf der Modellierung als wesentlich erwiesen.

Page 50: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

42

2.4. Modellierung CDCB-Test

2.4.1. FE-Modell der CDCB-Geometrie

Die CDCB-Probe wurde mittels einer zweidimensionalen Finite-Elemente-Analyse unter Ver-

wendung von isoparametrischen 8-Knoten-Solid-Elementen mit linear elastischen, orthotropen

Materialeigenschaften modelliert [102]. Die Erfahrungen bei der Analyse des DCB-Tests

rechtfertigten eine Beschränkung auf den ebenen Spannungszustand. Der zu erwartenden

starken Durchbiegung und Drehung der Probe wurde durch eine geometrisch nichtlineare

Analyse Rechnung getragen. Diese berücksichtigt iterativ die Änderung der Geometrie der

Probe und ihrer Belastung während einer allmählichen Aufbringung der Last und ist als Option

standardmäßig in der FE-Software ANSYS implementiert [103]. Durch die schrittweise

Belastung und iterative Ausführung mehrerer einfacher FE-Rechnungsläufe bis zum jeweiligen

Gleichgewicht, verlängert sich die Rechenzeit gegenüber der linearen FE-Analyse auf ein Viel-

faches. Zur Berechnung des nichlinearen Zusammenhangs zwischen Kraft und Verschiebung

für eine vorgegebene Rißlänge waren 50 und mehr Rechenläufe erforderlich. Die Rechenzeit

für eine Probe bei Variation der Rißlänge betrug auf dem PC mehrere Tage. Durch Einsatz

einer Workstation IBM RISC 6000 konnte diese Zeit auf etwa einen Tag reduziert werden.

Die Vernetzung der CDCB-Geometrie ist in Abb. 2.15. dargestellt. Dabei wurde besonderer

Wert auf die Berücksichtigung der Prinzipien zur Netzgestaltung für bruchmechanische FE-

Analysen gelegt, die am Beispiel der DCB-Probe in Kapitel 2.3.1. erläutert wurden.

Abb. 2.15 FE-Vernetzung der CDCB-Probe (zur besseren Darstellung vergröbert und unter leichter Belastung).

Den Hauptbeitrag zur Gesamtdeformation liefern die delaminierten Probenhälften, die daher

mit einer höheren Dichte (8 Elemente über Probendicke H/2) regelmäßig vernetzt wurden.

In einem Bereich H um die Rißspitze erfolgte eine starke Netzverfeinerung mittels einer freien

Vernetzung. Als Rißspitzenelemente fanden die bereits bei der DCB-Probe eingesetzten,

Page 51: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

43

singulären Dreieckselemente Verwendung. Die Wahl ihrer Größe zu 1/5000 der

charakteristischen Abmessung H (Probendicke) erlaubt die Untersuchung der singulären

Rißspitzenfelder am FE-Modell.

Die Aufteilung in verschiedene Vernetzungsbereiche wurde so gewählt, daß die Änderung der

Rißlänge a im FE-Modell ohne Modifikation der lokalen Vernetzung möglich ist. Der Einfluß

der Vernetzung auf die FE-Ergebnisse wurde damit minimiert.

Die Anzahl der Knoten der FE-Modelle lag etwa bei 5000.

Um der kreisförmigen Krümmung des anisotropen Materials Rechnung zu tragen, mußte eine

entsprechende Wahl der Orientierung des Koordinatensystems jedes einzelnen Elements

getroffen werden. Durch Definition eines globalen zylindrischen Koordinatensystems im

Krümmungsmittelpunkt der Proben und Nutzung einer diesbezüglichen Vernetzungsoption war

dies in ANSYS auch bei Nutzung des automatischen Netzgenerators problemlos möglich. Die

Festlegung der orthotropen Materialeigenschaften erfolgt immer bezüglich dieses

Elementkoordinatensystems, so daß sich eine Orientierungrichtung der anisotropen elastischen

Materialeigenschaften entsprechend der Probenkrümmung ergibt.

Die Last wurde für die nichtlineare Analyse in 10 gleichmäßigen Lastschritten (Substeps)

aufgebracht. Sie wurde in Gestalt der senkrechten Verschiebung uz des oberen und unteren

Klötzchenachspunktes vorgegeben, in waagerechter Richtung wurde keine Verschiebung ux

zugelassen. Als maximale Rißöffnung δ (gegenseitige Verschiebung der Achspunkte) wurde

der Wert der halben jeweiligen Rißlänge a festgelegt, was bereits einer starken Biegung und

beträchtlichen Nichtlinearität der Deformation entspricht. Die Steuerung der

Gleichgewichtsiterationen der nichtlinearen Analyse organisiert ANSYS selbst. Die Anzahl der

vom Programm pro Lastschritt benötigten Iterationsschritte variierte zwischen 3 und 50.

Die gesamte Steuerung der Modellierung (Rißlängenänderung, Vernetzung, nichtlineare

Analyse, Datenauswertung und Abspeicherung von Ergebnislisten) wurde durch Programm-

makros gewährleistet. Variable definieren sämtliche Modellparameter. Die Analyse einer Probe

mit bestimmter Geometrie und Materialeigenschaften konnte daher über den gesamten Bereich

der Rißlängenänderung automatisch erfolgen. Die weitere Auswertung der verschiedenen

Ergebnislisten wurde mittels der Mathematik-Software MATHEMATICA [95] zu großen

Teilen automatisiert.

Als Bezug wurde eine CDCB-Probe mit folgenden Eigenschaften gewählt:

Geometrie:

Innenradius der Probenkrümmung: R i = 50 mm

Materialdicke: H = mm5

Probenbreite: B = mm20

Page 52: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

44

Höhe der Klötzchen: h k =15 mm

Höhe der Klötzchen bis zum Achspunkt: h kl = mm9

Länge der Klötzchen: l kl = 20 mm

Bereich der Rißlängenvariation: ca a ca. . mm mm30 75≤ ≤

Materialeigenschaften entsprechend Tab. 2.2.

Ausgehend von dieser Konfiguration, die den Eigenschaften von Probekörpern aus dem

Thermoplastwickelverfahren nahekommt, wurden die einzelnen Parameter variiert, um ihren

Einfluß zu untersuchen.

Im Vorfeld der eigentlichen Analyse wurden verschiedene Testläufe mit unterschiedlicher

Wahl der Parameter der nichtlinearen Analyse und der Vernetzung durchgeführt und ihre

Ergebnisse verglichen. Für die verwendeten Einstellungen konnte praktisch keine Änderung

der Analyseergebnisse beobachtet werden. Die Verläßlichkeit der verwendeten FE-Näherung

ist damit gesichert.

2.4.2 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate

Die Definition der Energiefreisetzungsrate G aus der Energiebilanz der Rißausbreitung

entsprechend Gl. 1.4 ist für elastische Materialien allgemein gültig und auch bei Auftreten

nichtlinearer Deformationen anwendbar. Prinzipiell läßt sich G auch in diesem Fall aus den

Änderungen der in der Probe gespeicherten elastischen Energie, aus dem Last-Verschiebungs-

Zusammenhang oder den lokalen Rißspitzenfeldern berechnen. Jedoch kann im allgemeinen

nicht mehr von einer Proportionalität zwischen Lastkraft und resultierender Deformation aus-

gegangen werden, so daß sich die Berechnung von G aus den Ergebnissen einer nichtlinearen

FE-Analyse komplizierter gestaltet, als in Kapitel 2.3. für die lineare Analyse dargestellt.

2.4.2.1 Berechnung der Energiefreisetzungsrate für nichtlineare Deformation

aus dem Last-Verschiebungs-Zusammenhang und der Änderung der

elastischen Energie

Für nichtlineare Deformation ist der Quotient C aus Verschiebung δ und wirkender Kraft P am

Lasteinleitungspunkt keine die Struktur beschreibende Konstante, sondern die Nachgiebigkeit

C ist abhängig von der wirkenden Last bzw. Verschiebung: ( )C C a= δ, . Auch die Beziehung

U P= ⋅( ) /δ 2 für die in einer Struktur gespeicherte elastische Energie ist nur unter

Vorraussetzung eines linearen Zusammenhangs zwischen Last-Kraft P und Verschiebung δ

gültig; im allgemeinen Fall muß sie durch die Integration ( )U P d= ⋅∫ δ δδ

' '0

ersetzt werden.

Page 53: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

45

Der Ausdruck Gl. 2.1 ist für nichtlineare Deformation nicht korrekt und die Berechnung der

Energiefreisetzungsrate aus der Änderung der Compliance entsprechend Gl. 2.5 daher nicht

gerechtfertigt [97].

Abb. 2.16 Definition der nichtlinearen Energie-freisetzungsrate

Die Energiefreisetzungsrate ( )G aδ, für eine Struktur mit einer Rißlänge a und unter einer

Belastung δ entspricht der Fläche 0-1-2-0 im Kraft-Verschiebungs-Diagramm (Abb. 2.16),

bezogen auf die Änderung der Rißfläche B a⋅ ∆ :

( )

( )( ) ( )( )

( )

( ) ( ) ( )( )

( ) ( ) ( ) ( ) ( )( )

G a

B aP a d P a a a a

d a a

d ad a P a a d

BP a

d a a

d aP a

d a a

d a

P a a

ad

a

a a a a

a

a a

a a

a

δ

∂∂

δ δ δδ

δ δ

δδ

δδ ∂ δ

∂∆δ

δ

δ

δ δ

δ

,

', ' ' , ''

'' ', '

, ,',

'

= ⋅ ⋅ + + + ⋅+

⋅ − + ⋅

= ⋅ ⋅+

− ⋅+

−+

∫ ∫ ∫

+ +

=

= =

+

=

1

1

0 00

0 0 0 0

∆∆ ∆

∆∆ ∆

∆ ∆

∆ ∆

(2.22)

Die Umformung ergibt folgenden Ausdruck zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus

dem Last-Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang bei nichtlinearer Deformation:

( ) ( )G a

B

P a

ad

const

δ∂ δ

∂δ

δ

δ

,',

''

= − ⋅ ⋅=

∫1

0

(2.23).

Diese Beziehung ist das nichtlineare Äquivalent zur linearen Definition Gl. 2.3, die nicht

allgemein gültig ist. Bei Vorgabe der Lastkraft P statt der Lastverschiebung δ resultiert eine

Transformation von Gl. 2.23 in eine analoge Form:

( ) ( )G P a

B

P a

adP

P const

P

,',

''

= ⋅ ⋅=

∫1

0

∂δ

∂ (2.24),

die alternativ verwendet werden kann.

Eine nichtlineare FE-Analyse liefert nur diskrete Ergebnisse für bestimmte Lastschritte { }i und

eine endliche Reihe { }k von Rißlängen. Zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate

entsprechend Gl. 2.23 oder Gl. 2.24 machen sich jedoch die Integration der bisherigen

0

1

δδδδ

PP(δ,a) P(δ(a+∆a'),a+∆a’)

P(δ,a+∆a)

2

Page 54: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

46

Belastungsgeschichte und eine Differentiation bezüglich der Änderung mit der Rißlänge

erforderlich. Der Übergang von den diskreten Ergebnissen zu den dafür benötigten stetigen

Größen ( ) ( )P a P aik i kδ δ, ,→ kann mit einer zweidimensionalen, stückweisen Polynom-

Interpolation vollzogen werden. In dieser Arbeit wurde dazu auf die in der Mathematik-

Software MATHEMATICA verfügbare Funktion Interpolation zurückgegriffen [95]. Der

Aufwand zur Berechnung von G aus einer nichtlinearen Belastungskurve ist infolge der dazu

notwendigen Integration deutlich höher als im linearen Fall (‘Compliance Methode’ in

Kap. 2.3.3.1.).

Die Form der Definition der Energiefreisetzungsrate aus der elastischen Energie entsprechend

Gl. 2.10 ist für nichtlineares Deformationsverhalten dagegen uneingeschränkt gültig [97]:

( ) ( )G a

B

U a

aconst

δ∂ δ

∂δ

,,

= − ⋅=

1 (2.10.).

Auch bei einer nichtlinearen Analyse stellt das FE-Programm die in der Struktur gespeicherte

elastische Energie als Ausgabegröße bereit. Eine Interpolation ( ) ( )U a U aik i kδ δ, ,→ der

diskreten Resultate ermöglicht die Ausführung der Ableitung in Gl. 2.10 und die Berechnung

der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen. Dieses Verfahren erfordert keine

zusätzliche Integration wie in Gl. 2.23/ 2.24 und ist daher praktisch einfacher zu realisieren.

Ein Vergleich der Methoden an den Ergebnissen des nichtlinearen FE-Modells der CDCB-

Probe erbrachte eine nahezu ideale Übereinstimmung der Resultate für die Energie-

freisetzungsrate. Die relative Abweichung ging im gesamten untersuchten Bereich über

maximal 0,1% nicht hinaus. Da der Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang und die elastische

Energie auf voneinander unabhängigen Ergebnissen der FE-Analyse beruhen, ist dies zugleich

ein überzeugender Beleg für die Zuverlässigkeit des Modells.

In Anbetracht der Äquivalenz der Resultate beider Verfahren ist die Berechnung der

Energiefreisetzungsrate aus der Änderung der elastischen Energie im Falle nichtlinearer

Deformation wegen des geringeren Berechnungsaufwandes vorzuziehen.

2.4.2.2. Berechnung der ‘Mixed-Mode’-Anteile von G aus den Rißspitzen-

Nahfeldern

Die Extrapolation der Spannungsintensitätsfaktoren nach den in Kap. 2.3.3.2 beschriebenen

Methoden liefert für das lineare FE-Modell der CDCB-Probe gut übereinstimmende Ergebnisse

(Abb. 2.17). Die Abweichungen zwischen den aus den Spannungsintensitätsfaktoren und der

Energiemethode erhaltenen Werten für G bleiben unterhalb von 1%.

Page 55: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

47

Abb. 2.17 Extrapolation der Spannungsintensitäts-faktoren aus dem linearen FE-Modell der CDCB-Probe

Eine geometrisch lineare Analyse vernachlässigt die Änderung der Probengeometrie mit der

Belastung, sie ist daher nur für geringe Deformationen der Gesamtstruktur anwendbar. Die

nichtlineare Analyse dagegen bezieht die aktuellen Belastungen und Randbedingungen immer

auf die momentane Probengestalt [104]. Relativ zu diesem aktuellen Zustand erfolgen die

differentiellen Deformationen jedoch weiterhin linear. Praktisch wird jedem Punkt (bzw. FE-

Element) der Struktur ein eigenes, mitbewegtes Bezugssystem zugeteilt, welches der

Translation und Drehung des Volumenelementes folgt. Die lokalen Dehnungen und das

Materialgesetz werden dabei in diesem mitbewegten Koordinatensystem betrachtet und

behalten innerhalb dieses Systems ihre lineare Struktur [103].

Die einzelnen Punkte der CDCB-Probe erfahren zum Teil beträchtliche Verschiebungen und

Drehungen im Raum, das örtliche Materialverhalten bleibt jedoch linear elastisch. Für die

Spannungsverteilung an der Rißspitze kann daher die Gültigkeit der singulären Terme ([83],

[96], [97]) für anisotrope Materialien entsprechend Gl. 2.12 angenommen werden, allerdings

bezogen auf ein mitbewegtes Rißspitzenkoordinatensystem. Die Krümmung der Rißfront und

der Materialorientierung bei der CDCB-Probe sollte die praktische Anwendbarkeit der

singulären Terme (Tab. 2.1) nicht beeinträchtigen, da diese ohnehin nur für sehr kleine

Abstände zur Rißspitze gültig sind ( r H/ .< 0 01) und in diesem Bereich die Abweichung der

Rißfront von der Ebene infolge des großen Krümmungsradius ( R Hi / >10 ) der Struktur

praktisch keine Rolle spielt.

Die Spannungsergebnisse einer nichtlinearen FE-Analyse werden von ANSYS immer im

aktuellen, mitbewegten Elementkoordinatensystem ausgegeben. Die Resultate für die

Ligamentspannungen können damit entsprechend Gl. 2.14 bzw. Gl. 2.15 unmittelbar zur

Extrapolation der Spannungsintensitätsfaktoren KI und KII benutzt werden (siehe Kapitel

2.3.3.2.). Betrachtet man allerdings die daraus folgende Verteilung der Näherungswerte

0

200

400

600

800

1000

1200

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

Abstand von der Rißspitze r [mm]

Km

Lineare Analyse

K I aus u' z

K II aus u' x

Rißufer

K I aus σ zz

K II aus σ xz

Ligament

Page 56: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

48

( )( )K rm k über den Rißspitzenabständen ( )r k der verschiedenen Ligamentknoten k, so ist diese

nicht annäherungsweise linear (Abb. 2.18). Die Extrapolation der Werte der

Spannungsintensitätsfaktoren auf die Rißspitze r → 0 ist nur aus sehr weit von der Rißspitze

entfernten Knoten möglich und daher sehr ungenau.

Abb. 2.18 Extrapolation der Spannungsintensitäts-faktoren aus Ligament-spannungen und Rißufer-verschiebungen im mitbewegten Rißspitzen-Koordinatensystem (Nichtlineares FE-Modell der CDCB-Probe)

Die Hauptursache dafür liegt in der Tatsache, daß in ANSYS die Durchführung einer

geometrisch nichtlinearen Analyse immer mit der Nutzung eines logarithmischen Dehnungs-

maßes („HENKY“-Dehnung, [104]) gekoppelt ist. Dieses weicht für große Dehnungen

(>ca.10%) zunehmend vom linearen Dehnungsmaß ab, welches zur Ableitung der singulären

Spannungsterme Gl. 2.12 verwendet wurde. Da unmittelbar an der Rißspitze starke Dehnungen

auftreten, ergibt sich mit geringer werdendem Abstand r zur Rißspitze eine zunehmende

Diskrepanz zwischen den singulären Termen und den FE-Ergebnissen, die im vorliegenden

Fall die Extrapolation erschwert.

Darüber hinaus ist die Genauigkeit der Knotenspannungen einer FE-Analyse im Bereich hoher

Spannungsgradienten naturgemäß nicht optimal, was obige Probleme noch verstärkt.

Bessere Ergebnisse läßt die Analyse der Rißuferverschiebungen erwarten. Die in Tabelle 2.1

dafür angegebenen Terme sind für die nichtlineare Betrachtung auf das aktuelle, mitbewegte

und mitrotierte, Rißspitzenkoordinatensystem zu beziehen. Die Ausgabe der Ergebnisse für die

Verschiebungen einer nichtlinearen FE-Analyse erfolgt in ANSYS immer nur relativ zu einem

globalen, ruhendem Koordinatensystem. Daher macht sich eine Transformation der erhaltenen

Verschiebungswerte auf das der Deformation entsprechende aktuelle Rißspitzenkoordinaten-

system erforderlich. Aus dem FE-Modell stehen dafür nur die ursprünglichen Positionen der

Knoten im FE-Netz und die Werte der Knotenverschiebungen im momentanen Zustand der

Deformation zur Verfügung. Die erforderliche Prozedur ist in Anhang I beschrieben.

0

500

1000

1500

2000

2500

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

Abstand von der Rißspitze r [mm]

Km

Nichtlineare Analyse

K I aus u' z

K II aus u' x

Rißufer

K I aus σ zz

K II aus σ xz

Ligament

Page 57: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

49

Sie liefert die Komponenten der Verschiebung { }ux uzko ko' , ' und { }ux uzku ku' , ' im

Rißspitzenkoordinatensystem für jedes Knotenpaar k auf dem oberen (Index o) bzw. unteren

(Index u) Rißufer senkrecht (uz) und parallel (ux) zur Rißebene. Diese entsprechen den

Rißuferverschiebungen { }u uxoberes Rißufer

zoberes Rißufer, und { }u ux

unteres Rißuferzunteres Rißufer, im Sinne von

Gl. 2.17 und Gl. 2.18, die zur Extrapolation der Werte für die Spannungsintensitätsfaktoren aus

den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Analyse verwendet werden.

Der Abstand von der Rißspitze ( )r k wird durch die x’-Koordinate des Knotenpaares im

Rißspitzenkoordinatensystem des undeformierten Zustandes festgelegt:

( ) ( )r x xk ko ku= =' ', ,0 0 (2.25).

In Abb. 2.18 ist die Extrapolation von KI und KII aus den Rißuferverschiebungen für die

nichtlineare Analyse der CDCB-Probe demonstriert. Über einen weiten Bereich ordnen sich die

Näherungswerte für Km nahezu auf einer Geraden an, nahe der Rißspitze ergeben sich jedoch

Abweichungen infolge der starken Dehnung. Eine Extrapolation der Werte für beide

Spannungsintensitätsfaktoren ist aus dem linearen Kurvenabschnitt gut möglich. Im nicht-

linearen Fall ist die Methode zur Bestimmung der Spannungsintensitätsfaktoren aus den

Rißuferverschiebungen der Methode aus den Ligamentspannungen eindeutig überlegen. Für die

Ermittlung des ‘Mixed-Mode’-Verhältnisses K KI II/ der Belastung der CDCB-Probe wurden

daher nur die Verschiebungen ausgewertet.

Die Gültigkeit des Zusammenhangs (Gl. 2.19-2.21) zwischen den Moden GI und GII der

Energiefreisetzungsrate und den Spannungsintensitätsfaktoren KI und KII wird durch die

nichtlineare Analyse nicht beeinträchtigt.

2.4.3 Analytisches Modell für Biegung gekrümmter Stäbe

Ein Nachteil numerischer Lösungsverfahren besteht darin, daß die Abhängigkeit zwischen den

Eingangs- und Ergebnisgrößen im allgemeinen nicht in einer kontinuierlichen, mathematischen

Gleichungsform angegeben werden kann, sondern über numerische Algorithmen der Zusam-

menhang zwischen den Eingangsgrößen und den Zielgrößen nur für diskrete Werte vermittelt

wird. An Hand einer formelmäßigen Beschreibung werden die gegenseitigen Beziehungen

jedoch transparenter. Diese kann als Ergebnis einer mathematisch analytischen Bearbeitung des

Problems erhalten werden. Für einen realen Sachverhalt ergeben sich bei der Umsetzung der

analytischen Lösung in der Regel große mathematische Schwierigkeiten, die nur unter um-

fangreichen Vereinfachungen und Vernachlässigungen zu bewältigen sind. Die Gültigkeit der

erhaltenen Näherungen bleibt dabei oft unklar. Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit der

analytischen Ergebnisse bietet sich der Vergleich zu den Lösungen numerischer Verfahren an,

die weniger Einschränkungen bei der Umsetzung des realen Problems bedürfen.

Page 58: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

50

Um die prinzipielle Abhängigkeit der Deformation und der Energiefreisetzungsrate von den

geometrischen und materiellen Parametern wenigstens näherungsweise formelmäßig zu erfas-

sen, war es eine Zielstellung dieser Arbeit, auch ein mathematisch analytisches Modell der

CDCB-Probe zu entwickeln. Dafür bietet sich an, die Probe durch ein System gekrümmter

Stäbe anzunähern (Abb. 2.19), welches mittels der Balkentheorie modelliert wird. Da starke

Biegung im realen CDCB-Test häufig auftritt, ist im Modell die Option zur nichtlinearen

Analyse ausdrücklich vorgesehen.

Abb. 2.19 Stabmodell der CDCB-Probe

Zur Basis der Analyse gehören die KIRCHHOFF’sche Hypothese der Plattenbiegung und die

Vernachlässigung der auftretenden Scherspannungen [105]. Ohne diese Vereinfachungen wäre

der Aufwand für eine analytische Modellierung unverhältnismäßig höher.

Die delaminierte obere und untere Probenhälfte werden zunächst getrennt betrachtet. Die für

beide Hälften erhaltenen Ausdrücke erweisen sich jedoch als prinzipiell identisch. Lediglich

die Vorzeichen der senkrechten Last-Komponente Fz und des Klötzchen-Parameters hkl,

müssen für den oberen Probenteil als positiv ( F hzoben

kloben> >0 0; ) und für den unteren

Probenteil als negativ ( F hzunten

klunten< <0 0; ) angenommen werden.

Das im folgenden beschriebene Stabmodell entspricht der oberen Probenhälfte und ist in

Abb. 2.19 veranschaulicht.

Der freie, delaminierte Teil des Probematerials, der einer Biegung unterworfen ist, wird durch

einen Stab mit konstanter Anfangskrümmumg R repräsentiert.

Die aktuelle Rißlänge a bestimmt die Winkelposition ϕ ϕ= 1 der Rißspitze und damit das

untere Ende des Stabes:

ϕπ

1 2 2= − +

a

R

l

Rklarcsin (2.26)

hkl

Fz lkl

R

ϕ1

ϕE

αmi

Page 59: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

51

An dieser Stelle treffen sich die beiden Probenhälften und sind steif miteinander verbunden.

Eine zusätzliche Vereinfachung des hier verwendeten Modells besteht darin, die Einspannung

jedes der beiden Probenteile für sich als starr und feststehend im Raum zu betrachten. Für die

CDCB-Probe entspricht dies nicht völlig der Realität: die Verschiebung und Drehung der Probe

an der Rißspitze ergeben sich aus dem Gleichgewicht der Deformation von oberer und unterer

Probenhälfte. Da diese unsymmetrisch erfolgt, kann es zu Richtungsänderungen kommen. Die

Berücksichtigung dieses Umstandes, der für kleine Belastungen (lineare Deformation) keine

Rolle spielt, würde das ohnehin aufwendige Modell so komplizieren, daß eine analytische

Lösung dann nicht mehr sinnvoll erschiene.

Die Belastung in Gestalt der senkrechten Kraft Fz wird nicht unmittelbar am freien Ende des

Stabes aufgebracht. Für die Deformation der CDCB-Probe muß die versteifende Wirkung des

aufgeklebten Aluminiumklötzchens berücksichtigt werden. Der Probenstreifen ist nur bis zum

Rand des Lastklötzchens flexibel, hier muß auch das freie Ende des deformierbaren

Stabmodells angesetzt werden. Dieser Punkt liegt nicht bei ϕ π= / 2 sondern ist um die halbe

Klötzchenlänge lkl / 2 vorverlegt:

ϕπ

Ekll

R= −

2 2arcsin (2.27)

Die eigentliche Last greift im Achspunkt des Klötzchens bei ϕ π= / 2 und in radialer Richtung

um die Achspunkthöhe hkl versetzt an. Das Klötzchen wird als völlig steif betrachtet und ist

starr mit dem Stabende verbunden. Eine Deformation der Probe führt zu einer Drehung des

Klötzchens, die in Abhängigkeit von der Achspunkthöhe hkl eine zusätzliche Verschiebung

zwischen Achspunkt und freiem Stabende zur Folge hat. Da die Lastverschiebung δ im

Experiment am Achspunkt gemessen wird, muß diese Drehungskorrektur im Modell berück-

sichtigt werden. Zugleich bewirkt die Verschiebung des Belastungspunktes gegenüber dem

Stabende eine zusätzliche Änderung des Lastmomentes auf die Probe. Diese Effekte üben

zusammen mit der Versteifung der Probe über die Distanz lkl / 2 einen wesentlichen Einfluß

auf das Deformationsverhalten der Probe aus. Sie haben sich in vorbereitenden

Untersuchungen als die wichtigste Quelle der Nichtlinearität des Kraft-Verschiebungs-

Zusammenhangs der Belastung erwiesen. Selbst im Rahmen einer linearen Analyse können sie

die Deformation wesentlich beeinflussen. Eigene Vorgängermodelle ohne Berücksichtigung

des Klötzchens in seiner Längen- ( lkl / 2 ) und Höhenausdehnung (hkl) lieferten insbesondere

für kurze und mittlere Rißlängen sehr unbefriedigende Ergebnisse mit Abweichungen bis zu

30%. Die Bedeutsamkeit des Klötzcheneinflusses für die Deformation der CDCB-Probe ist

eine wesentliche Erfahrung dieser analytischen Modellierung.

Page 60: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

52

Der theoretische Hintergrund des hier verwendeten Modells zur Beschreibung der starken

Deformation gekrümmter Stäbe basiert auf [66] und ist in Anhang II beschrieben.

Die Differentialgleichung für die räumliche Verschiebung ( ) ( ){ }u ux zϕ ϕ, eines Punktes des

Balkens mit der Winkelposition ϕ lautet.

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )E I

Ru u u u

Ru u u u F

Rux y

x z z x x z x z z x

⋅⋅ − ⋅ − + ⋅ + ⋅ − ⋅

= ⋅ − ⋅

3

1 1'' '' ' sin '' ' ' ' cos ' '' ' ' ' ' ' sin 'ϕ ϕ ϕ

( Iy ... Flächenträgheitsmoment des Stabquerschnitts) (2.28).

Da nur reine Biegedeformation betrachtet wird, ergibt sich als Nebenbedingung folgender

Zusammenhang zwischen den Verschiebungskomponenten:

( ) ( ) ( ) ( )u R R

u

Rxz' sin cos'

ϕ ϕ ϕϕ

= ⋅ − ⋅ − +

1

2

(2.29).

Zwei Randbedingungen folgen aus der starren Einspannung am festgehaltenen Stabende:

( )ux ϕ1 0= und ( )u z ϕ1 0= (2.30)

sowie ( )u x' ϕ1 0= und ( )u z' ϕ1 0= (2.31).

Die dritte Randbedingung entsteht durch die Forderung der Gleichheit von äußerem

Kraftmoment und innerem Biegemoment am Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 :

( ) ( ) ( ) ( )[ ]

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )

−⋅

⋅ ⋅ + ⋅

= + ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

− ⋅

E I

Ru u

F u uh

Ru

h

RR

x y

z x

z x E z E Ekl

x E Ekl

2 1 1 1 1

11 1 1

sin '' cos ''

' sin ' cos cos

ϕ ϕ ϕ ϕ

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ

(2.32).

Dem Unterschied der Achspunktverschiebungen { }u ux KL z KL, ,, gegenüber den Verschiebungen

( ) ( ){ }u ux E z Eϕ ϕ, des freien Balkendes wird Rechnung getragen durch:

( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh

Ru

h

Rx KL x E z E Ekl

x E Ekl

, ' sin ' cos= + ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

(2.33a)

( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh

Ru

h

Rz KL z E x E Ekl

z E Ekl

, ' sin ' cos= + ⋅ − ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

(2.33b)

Page 61: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

53

Mit den Gl. 2.28 bis 2.32 ist das Differentialgleichungssystem der Verschiebung zwar

vollständig bestimmt, seine komplizierte nichtlineare Struktur läßt die Bestimmung

geschlossener analytischer Ausdrücke für die Verschiebungsfunktionen ( )( )u F ax z , ,ϕ ϕ1 und

( )( )u F az z , ,ϕ ϕ1 jedoch nicht zu. Ein Ausweg bietet sich im Versuch einer näherungsweisen

Lösung mittels eines Potenzreihenansatzes:

( )( ) ( )u F a B Fx z st zs t

t

n

s

nF

, ,ϕ ϕ ϕ ϕϕ

1 100

= ⋅ ⋅ −==∑∑ (2.34a)

( )( ) ( )u F a A Fz z st zs t

t

n

s

nF

, ,ϕ ϕ ϕ ϕϕ

1 100

= ⋅ ⋅ −==∑∑ (2.34b).

Einsetzen der Ansatzfunktionen Gl. 2.34 in die Differentialgleichung und in die

Nebenbedingungen liefert Systeme von Gleichungen, aus denen die Koeffizienten Bst und A st

ermittelt werden können. Die sich ergebenden Ausdrücke sind extrem umfangreich, sie konnten

nur mit Hilfe des symbolischen Mathematikprozessors der Software MATHEMATICA [95]

und für endliche Ordnungen nF und nϕ der Entwicklung in Gl. 2.34 abgeleitet und

ausgewertet werden. Die erhaltenen Koeffizienten hängen dabei neben den elastischen

Eigenschaften und der Klötzchengeometrie (hkl und lkl) noch von der Rißlänge a bzw. der

Winkelposition ( )ϕ1 a der Einspannung ab ( ( )B h lst kl klϕ1 , , , ... , ( )A h lst kl klϕ1 , , ,... ). Zur

praktischen Bestimmung dieser Abhängigkeiten machte sich zusätzlich eine Entwicklung der

Koeffizienten nach ϕ1 erforderlich. Als Ordnung dieser Entwicklung wurde die Ordnung nϕ

der winkelabhängigen Terme aus Gl. 2.34 verwendet.

Die Beschreibung der Winkelabhängigkeit wird ganz wesentlich durch die Glieder mit hohen

Potenzen ( )ϕ ϕ− 1

t bestimmt. Um auch für große Rißlängen vernünftige Ergebnisse zu

erhalten, müssen diese mindestens bis zur 7. Ordnung berücksichtigt werden.

Von eigentlichem Interesse für diese Arbeit sind die Verschiebungen des freien Stabendes

( )u Fx z , ,ϕ ϕ ϕ= 1 1 und ( )u Fz z , ,ϕ ϕ ϕ= 1 1 . Aus diesen läßt sich über die Gl. 2.33 durch ent-

sprechendes Zusammenfassen die Beziehung für die Verschiebung der Klötzchen-Lastpunkte

( )( )u F ax KL z, ,ϕ1 und ( )( )u F az KL z, ,ϕ1 in Form einer Reihenentwicklung formulieren:

( )( )u F a b Fx KL z stt

n

s

n

zs

tF

, ,ϕπ

ϕϕ

111

12

= ⋅ ⋅ −

==∑∑ (2.35a)

( )( )u F a a Fz KL z stt

n

s

n

zs

tF

, ,ϕπ

ϕϕ

111

12

= ⋅ ⋅ −

==∑∑ (2.35b)

Eine nichtlineare Beschreibung des Deformationsverhaltens der modellierten Geometrie konnte

durch die Entwicklung der Gleichungen 2.34 bis maximal zur 3. Ordnung in Fz und der

Page 62: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

54

7. Ordnung in ϕ und ϕ1 erhalten werden. Auf Grund des Umfangs der erhaltenen Ausdrücke

können die Koeffizienten dieser Lösung hier nicht wiedergegeben werden. Die Genauigkeit der

Näherung wurde durch den Vergleich mit den Ergebnissen einer nichtlinearen FE-

Modellierung mit einfachen Stabelementen beurteilt. Das Auftreten von Scherdeformationen

wurde dabei auch im FE-Modell nicht berücksichtigt.

Die Entwicklung bis zur 1. Ordnung ( n F = 1) bezüglich der Lastkraft Fz entspricht einer

linearen Analyse. Ihr Vergleich zu den Ergebnissen einer linearen Modellierung mit FE-

Stabelementen hat gezeigt, daß das lineare analytische Näherungsmodell über den gesamten

Rißlängenbereich eine gute Übereinstinmmung mit weniger als 2% Abweichung zu den FE-

Resultaten liefert. In Anhang III sind die Koeffizienten ( )a h R Ft kl n mi1 / , ,α der linearen

Potenzreihennäherung Gl. 2.35b für die Verschiebung der Lastpunkte der oberen Probenhälfte

in senkrechter Richtung u z KLoben, angegeben. Die Lösung für den unteren Probenteil u z KL

unten, ergibt

sich durch Ersetzen von h hkl kl→ − und F Fz z→ − in Gl. 2.35b.

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Winkelposition der Rißspitze ϕϕϕϕ1 [°]

1.Ordnung in Fz, 9. Ordnung in ϕ1

2.Ordnung in Fz, 9. Ordnung in ϕ1

3.Ordnung in Fz, 7. Ordnung in ϕ1

obere Probenhälfte

uz,KL

a

Abb. 2.20 Maximale Deformation u az KL, / , für welche der relative Fehler der analytischen

Näherung für die Verschiebung u z KL, 10% gegenüber der nichtlinearen FE-

Näherung nicht übersteigt. ( h mmkl = 9 , l mmkl = 20 , R mm= 52 5. , H mm= 5 , E GPax = 50 )

In Abb. 2.20 ist demonstriert, daß die nichtlineare analytische Näherungslösung eine wesentlich

erweiterte Gültigkeit gegenüber dem linearen Modell bei der Beschreibung des

Deformationsverhaltens aufweist. Der Fehler in der Wiedergabe der z-Verschiebung der

Klötzchenpunkte übersteigt auch bei einer mittelstarken Deformation u az KL, / ,≤ 0 15 die 10%-

Grenze nicht.

Page 63: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

55

Die Genauigkeit der Näherung nimmt mit Verringerung der Klötzchenabmessungen (hkl und

lkl) stark zu.

Mit

( ) ( )( ) ( )( )δ ϕ ϕF a u F a u F az z KLoben

z z KLunten

z, , ,, ,= −1 1 (2.36)

und Gl. 2.26 für ( )ϕ1 a stehen damit alle Beziehungen zur Verfügung, die zur Berechnung einer

analytischen Näherung der linearen Energiefreisetzungsrate für die CDCB-Probe entsprechend

Gl. 2.5 benötigt werden.

Im Ergebnis der analytischen Modellierung tritt die Lastkraft Fz in allen Potenzen der

Reihenentwicklung immer nur in einem Quotienten ( F Fz n/ ) gemeinsam mit bestimmten

Parametern des Modells auf, die in einer Konstante Fn mit der Dimension einer Kraft

zusammengefaßt werden können:

FE I

Rn

x y=⋅2

(2.37).

Der Zusammenhang zwischen Verschiebungen ui und Kraft Fz läßt sich in der

Reihenentwicklung in einer normierten Form mit einer verringerten Anzahl von unabhängigen

Parametern darstellen („Dimensionsanalyse“ [16]):

( )u u F a R l h E Iu

a

u

a

F

F

a

R

l

R

h

Ri i z kl kl z yi i z

n

kl kl= → =

, , , , , , ,... , , , ,... (2.38).

In dieser Gestalt werden viele prinzipielle Zusammenhänge zwischen den Einflußgrößen besser

erkennbar. So liefert z.B. die Möglichkeit der Normierung über den Parameter Fn entsprechend

Gl. 2.37 die Erkenntnis, daß weder der Längsmodul der Probe Ex noch das

Flächenträgheitsmoment Iy das Deformationsverhalten der CDCB-Probe unabhängig

beeinflußen, sondern dieses nur durch deren gemeinsames Produkt bestimmt wird. Durch

derartige Betrachtungen läßt sich einschätzen, ob Proben mit eigentlich unterschiedlichen

Eigenschaften (Dicke, Breite, Krümmungsradius, Steifigkeit,...) unter Umständen

vergleichbares Deformationsverhalten zeigen. Dieses ist insbesondere bei der Dimensionierung

von CDCB-Experimenten von Interesse (siehe Kapitel 3.4.).

2.4.4 Verfahren nach Williams

Zur Abschätzung der von einer bruchmechanischen Probe bei einer bestimmten Belastung zur

Verfügung gestellten Energiefreisetzungsrate ist nicht unbedingt ein vollständiges

Deformationsmodell der Struktur erforderlich. In vielen Geometrien ändern sich die lokalen

Rißspitzenfelder und die in dieser Zone auftretende Energie während der Rißausbreitung kaum.

Page 64: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

56

Für die Delamination in streifenförmigen Probekörpern trifft dies zu, wenn die Rißspitze sich

nicht in unmittelbarer Nähe eines Probenendes oder einer anderen geometrischen Störung

(Lastklötzchen) befindet und der Riß sich parallel zur Probenoberfläche ausbreitet. Der

überwiegende Teil der Energiefreisetzungsrate entsteht dann aus der Änderung der elastischen

Energie infolge des Hinzukommens eines neuen Teilstückes +da zum delaminierten und dem

entsprechenden Verschwinden eines Teilstückes -da aus dem nichtdelaminierten Bereich der

Probe. Unter der Voraussetzung, daß die lokalen Gegebenheiten an der Rißspitze sich nur

wenig ändern, können die Teilstücke gewissermaßen in einem Bereich mit homogenen

Deformationen hinzugefügt bzw. abgezogen werden, für den sich die Energieänderungen aus

der makroskopischen Belastung einfach abschätzen lassen.

Ein allgemeines Verfahren auf dieser Grundlage ist bei WILLIAMS [97] ausführlich

dargestellt. Darin wird zwischen Energieänderungen in den Teilstücken unterschieden, die sich

aus unterschiedlichen Belastungsformen der Probe an der Rißspitze ergeben

a) Anteil aus den Dehnkräften F1 und F2 in Probenlängsrichtung, die auf obere (Index 1) und

untere (Index 2) delaminierte Probenhälfte wirken. Dieser Anteil liefert nur einen Beitrag zur

Mode-II-Belastung der Rißspitze.

G IP = 0 (2.39a)

( )

GE B

F

h

F

h

F F

HIIP

x

=⋅ ⋅

⋅ + −+

1

2 212

1

22

2

1 2

2

(2.39b)

(h1, h2 ... Dicke der oberen bzw. unteren delaminierte Probenhälfte, H h h= +1 2 )

b) Anteil aus den Biegemomenten M1 und M2, die auf die obere und untere Probenhälfte im

Rißspitzenbereich ausgeübt werden. Diese Momente können sowohl zur Mode-I- als auch zur

Mode-II-Belastung beitragen.

( )

( )G

E B

h M h M

h h h hIM

x

=⋅

⋅⋅ − ⋅

⋅ ⋅ +

62

13

2 23

1

2

13

23

13

23

(2.40a)

( )

( )G

E B H

h h M M

h h hIIM

x

=⋅ ⋅

⋅⋅ ⋅ +

+

182 2

2 13

1 2

2

12

13

23

(2.40b)

c) Anteil infolge von Scherdeformationen in der Biegeebene. Ihr Einfluß bleibt auf die Mode-I-

Belastung beschränkt.

GG B h

dM

da h

dM

da H

dM

da

dM

daIS

xz

=⋅ ⋅

⋅ ⋅

+ ⋅

− +

3

5

1 1 12

1

1

2

2

2

2

1 2

2

(2.41a)

G IIS = 0 (2.41b)

Page 65: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

57

Außermittige Rißausbreitung kann durch h h1 2≠ in obigen Gleichungen beschrieben werden.

Die Kräfte F1 und F2 sowie die Momente M1 und M2 die auf die obere und untere Probenhälfte

der CDCB-Probe wirken, lassen sich für den Fall kleiner Deformationen leicht ermitteln

(Abb. 2.19):

Kräfte: ( )F Fz1 1= ⋅cos ϕ (2.42a)

( )F Fz2 1= − ⋅cos ϕ (2.42b)

Momente: ( )M F Rz1 1= − ⋅ ⋅ cos ϕ (2.43a)

( )M F Rz2 1= ⋅ ⋅cos ϕ (243b)

Ableitungen: ( )dM

da

dM

RdFz

1 1

1

1= − = − ⋅ϕ

ϕsin (2.44a)

( )dM

da

dM

RdFz

2 2

1

1= − = ⋅ϕ

ϕsin (2.44b)

In diesen Ausdrücken sind die Änderungen der Struktur mit der Deformation nicht

berücksichtigt, die Vorgehensweise entspricht daher einer linearen Analyse.

Mode I:

Mit G IP = 0 ;

( ) ( )G

F R

E B

h h

h hIM z

x

=⋅ ⋅ ⋅

⋅⋅

+

6 2 2 21

2

13

23

13

23

cos ϕ und

( )G

F

G B h hIS z

xz

=⋅ ⋅

⋅ ⋅⋅ +

3

5

1 12 2

1

21 2

sin ϕ

folgt ( ) ( ) ( )

GF R

E B h

h h

h

E

G

h

R

h

hIz

x

x

xz

=⋅ ⋅ ⋅

⋅ ⋅⋅

+

⋅+ ⋅ +

12

2 201

2 2 21

213

13

23

23

21 1

2

21

2

cos tanϕ ϕ (2.45a)

Mode II:

Mit ( )

GF

E B h hIIP z

x

=⋅

⋅ ⋅⋅ +

2 21

21 22

1 1cos ϕ; G II

M = 0 und G IIS = 0

folgt ( )

GF

E B h hIIz

x

=⋅

⋅ ⋅⋅ +

2 21

21 22

1 1cos ϕ (2.45b)

Aus Gl. 2.45a kann der Anteil der Scherdeformationen an der Energiefreisetzungsrate GI

abgeschätzt werden (Abb. 2.21). Für stark anisotrope Proben und kurze Rißlängen wird ein

beachtlicher Einfluß vorausgesagt.

Das „Mixed-Mode“-Verhältnis G GII I/ läßt sich mittels den Gl. 2.45 ebenfalls beurteilen. Bei

Vernachlässigung der Scherdeformationen ergibt sich folgender Zusammenhang:

Page 66: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

58

( ) ( )

( )G

G

H

RIIP

IM

=⋅

⋅− ⋅ +

+ ⋅

2

2

2 2

248

1 1

1 3

ς ς

ς (2.46)

mit ( )

ς =−h h

H1 2 und ( )ς h h1 2 0= = .

Abb. 2.21 Beitrag der Scherdefor-mationen (GS

I) am Mode-I-Anteil der Energiefrei-setzungsrate im WILLIAMS-Modell der CDCB-Probe

Da das Verhältnis H R/ für die CDCB-Proben im allgemeinen in der Größenordnung von

10% liegt, kann erwartet werden, daß der Mode-II-Anteil der Belastung verschwindend gering

ist. Auch für außermittige Rißlage liefert die Abschätzung nach WILLIAMS keine

wesentlichen Mode-II-Anteile. An dieser Stelle muß jedoch betont werden, daß sämtliche

Gleichungen dieser Näherung nur aus einer groben Verallgemeinerung des Problems stammen

und darüber hinaus die Änderung der Geometrie während der Deformation hier nicht

berücksichtigt wurde. Erst die FE-Analyse kann Klarheit über die Gültigkeit der Ergebnisse der

WILLIAMS-Näherung verschaffen.

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Winkelposition Rißspitze ϕϕϕϕ1 [°]

GSI

GM

I

R = 52,5 mm; G xz = 2,5 GPa

Ex = 50 GPa; h1= 3 mm; h2= 2 mm

Ex = 50 GPa; h1= h2= 2,5 mm

Ex = 100 GPa; h1= h2= 2,5 mm

Ex = 10 GPa; h1= h2= 2,5 mm

Page 67: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

59

3. Ergebnisse der FE-Modellierung für CDCB-Test

3.1 Einfluß von Probekörpergeometrie, Materialeigenschaften und nichtlinearer

Deformation

Aus den experimentellen Erfahrungen ist bekannt, daß beim CDCB-Test starke Deformationen

auftreten ([20], [72]). Eine der wesentlichsten Fragestellungen an die FE-Modellierung dieser

Probe betrifft daher die Auswirkungen nichtlinearer Deformation auf die Bestimmung der

Steifigkeit und der Energiefreisetzungsrate. In Abb. 3.1 und 3.2 sind die Ergebnisse von

nichtlinearer und linearer FE-Analyse für den Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang und die

Energiefreisetzungsrate einer Probe für verschiedene Rißlängen miteinander verglichen.

Abb. 3.1 Vergleich zwischen Ergebnissen der nichtlinearen und linearen FE-Modellierung für Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang bei konstanter Rißlänge ( E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ;

E GPaz = 5 ; H mm= 5 ,

B mm= 10 )

Abb. 3.2 Vergleich der Ergebnisse der nichtlinearen und linearen FE-Modellierung für Abhängigkeit der Energiefreisetzungsrate von normierter Rißöffnung bei konstanter Rißlänge ( E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ;

E GPaz = 5 ; H mm= 5 ,

B mm= 10 )

Bei kurzen Rißlängen ergeben sich besonders große Unterschiede, die im Beispiel bis zu 50%

erreichen. Für lange Rißlängen bleibt der relative Fehler auf ca. 10% beschränkt. Diese

0

500

1000

1500

2000

2500

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5Normierte Rißöffnung δδδδ/a

P(δδδδ/a)

[N]

nichtlinear FEa= 30 mm

linear FE

a= 70 mm nichtlinear FE

linear FE

0

50

100

150

200

250

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5Normierte Rißöffnung δδδδ/a

G(δδδδ/a)[kJ/m

2]

nichtlinear FEa= 30 mm

linear FE

a= 70 mm nichtlinear FE

linear FE

Page 68: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

60

Tendenz läßt sich dadurch erklären, daß die Klötzchen infolge ihrer versteifenden Wirkung und

ihrer Drehung die wesentliche Quelle des nichtlinearen Verhaltens der CDCB-Probe sind. In

der Relation zur Rißlänge wirken sich die endlichen Klötzchenabmessungen für kurze

Rißlängen in einer viel stärkeren Nichtlinearität der Deformation aus.

Abb. 3.3 Lastkraft P (bezogen auf Klebe-fläche der Klötzchen A Klotz) aus nichtlinearer FE-Modellierung in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a ( E GPax = 50 ; E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;

B mm= 10 ; A mmKlotz = 200 2 )

Abb. 3.4 Energiefreisetzungsrate ( )G anl δ,

aus nichtlinearer FE-Modellierung in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a ( E GPax = 50 ; E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 )

Andererseits erfolgt der Anstieg von Lastkraft und Energiefreisetzungsrate für ein System mit

kurzer Rißlänge viel steiler. Eine Darstellung dieser Größen über der Fläche aus Rißlänge a und

der relativen Rißöffnung δ / a (Abb. 3.3, 3.4) macht das besonders deutlich. Die zur

30 40 50 60 70

δδδδ/a

Rißlänge a [mm]

0,1

0,2

0,3

0,5

0,75

2 1,5

1

0,5

0,25

P/A Klotz [N/mm2]

0,4

30 40 50 60 70

δδδδ/a

Rißlänge a [mm]

0,1

0,2

0,3

0,5

1

2

3

4

5

10

20 G nl [kJ/m2]

0,4

Page 69: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

61

Ausbreitung des Risses benötigte kritische Energiefreisetzungsrate wird bei wesentlich

geringeren relativen Deformationen δ / a erreicht als für das System mit großer Rißlänge.

Dieser Effekt kompensiert die verstärkte Nichtlinearität für kleine Rißlängen (Abb. 3.5), so daß

die Rißausbreitung im Bereich zwischen kurzer und langer Rißlänge unter nahezu konstantem

Anteil von Nichtlinearität G Gnlln / verläuft. Dies ist in Abb. 3.6 für die Annahme einer

(während der Rißausbreitung konstanten) kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/

demonstriert.

Abb. 3.5 Verhältnis zwischen Ergebnis der linearen und der nichtlinearen FE-Analyse für Energie-freisetzungsrate G Glin nl/

in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a . ( E GPax = 50 ;

E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ;

H mm= 5 )

Abb. 3.6 Auswirkung der Nicht-linearität auf Energie-freisetzungsrate während der Rißausbreitung

(G konst kJ mc = = 2 2/ )

für verschieden steife Proben und unterschied-liche Klötzchenhöhen.

Experimentell beobachtete Werte der Delaminationszähigkeit liegen bei faserverstärkten Ther-

moplastwerkstoffen im Mittel zwischen 1 4 2− kJ m/ [20]. Innerhalb dieses Bereichs

unterscheiden sich die Ergebnisse des linearen und nichtlinearen Deformationsmodells um

weniger als 15%. Für sehr nachgiebige Proben (dünnes Material, geringer Längsmodul) sind die

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

30 40 50 60 70

0,95-1,00

0,90-0,95

0,85-0,90

0,80-0,85

0,75-0,80

0,70-0,75

0,65-0,70

0,60-0,65

0,55-0,60

Rißlänge a [mm]

Normierte

Rißöffnung

δδδδ/a

G lin,FEM

G nl,FEM

0,80

0,85

0,90

0,95

1,00

30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]

Gln, FEM

Gnl, FEM

Ex = 10 GPa; h kl = 9 mm

Ex = 50 GPa; h kl= 9 mm

Ex = 50 GPa; h kl= 20 mm

G c= 2 kJ/m2

Page 70: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

62

Abweichungen ausgeprägter, da sie sehr hohe relative Deformationen für das Zustandekommen

von Rißausbreitung erfordern (Abb. 3.7). Insgesamt ist der Einfluß von nichtlinearer

Deformation auf die Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate geringer als erwartet.

Abb. 3.7 Energiefreisetzungsrate ( )G anl δ,

aus nichtlinearer FE-Modellierung in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a ( E GPax = 10 ; E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 )

Abb. 3.8 Energiefreisetzungsrate ( )G anl δ,

aus nichtlinearer FE-Modellierung in Abhängigkeit von Rißlänge a und normierter Rißöffnung δ / a ( E GPax = 90 ; E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ).

Die Materialsteifigkeit, die wesentlich durch den E-Modul in Faserrichtung Ex und die Dicke

der Proben H bestimmt wird, ist die dominierende Einflußgröße. Ihre Wirkung auf die

Energiefreisetzungsrate ist aus dem Vergleich der Abb. 3.4, 3.7. und 3.8 zu erkennen, zwischen

denen der Längsmodul Ex der Proben variiert wurde. Für steife Proben und kurze Rißlängen

30 40 50 60 70

δδδδ/a

Rißlänge a [mm]

0,1

0,2

0,3

0,5

1

2

3

51020 G nl [kJ/m2]

0,4

30 40 50 60 70

δδδδ/a

Rißlänge a [mm]

0,1

0,2

0,3

2

3

0,5

1

4

5

10

20

G nl [kJ/m2]

0,4

Page 71: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

63

tritt ein sehr starker Anstieg von Energiefreisetzungsrate und Lastkraft P schon für sehr geringe

Rißöffnungen δ / a auf.

In Abb. 3.9 ist der Verlauf der Last-Verschiebungs-Kurven ( )( )P aδ während stabiler Rißaus-

breitung für verschieden steife Proben dargestellt, der sich aus dem nichtlinearen FE-Modell

unter Annahme einer konstanten, kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ ergibt.

Abb. 3.9 Kraft-Verschiebungs-Kurve für stabile Rißausbreitung

bei G konst kJ mc = = 2 2/

aus den nichtlinearen FE-Modellen verschieden steifer Proben. Die Last-kraft ist auf die Klebefläche der Klötzchen

A mmKlotz ≈ 200 2

( B mm= 10 ) normiert. Der

Abstand der Punkte in den Kurven entspricht 5 mm -

Schritten in der Rißlänge a.

Die zur Rißausbreitung erforderliche Kraft P muß über die Klebeverbindung der Klötzchen in

die Probe eingeleitet werden. Diese kann jedoch nur einer endlichen Flächenlast P AKlebe/

widerstehen, deren Grenze erfahrungsgemäß bei 0 3 0 5 2, , /− N mm erreicht ist [93]. Diese

Werte werden für steife Proben und kurze Rißlängen schon weit vor Erreichen des Beginns der

Rißausbreitung überschritten (Abb. 3.9) was zum Abriß der Klötzchen führt. Dem kann nur

über Herabsetzung der Steifigkeit durch entsprechend geringe Probendicke und durch Vorgabe

einer ausreichend großen Anfangsrißlänge a0 entgegengesteuert werden. Andererseits wird für

sehr nachgiebige Proben und große Rißlängen die zur Rißausbreitung benötigte kritische

Energiefreisetzungsrate auch für sehr starke Deformationen δ / ,a ≈ 0 5 unter Umständen nicht

mehr erreicht. Daher ist in der Wahl der Steifigkeit ein Kompromiß bei der Vorbereitung der

Proben zu treffen (Kap. 3.4).

Neben den reinen Dehndeformationen, die durch den E-Modul in Längsrichtung der Proben

bestimmt sind, treten auch Scherdeformationen in der Biegeebene auf, die insbesondere durch

die Materialeigenschaften in Dickenrichtung der Probe (Ez und Gxz) kontrolliert werden. Ihre

Variation (Abb. 3.10) offenbart einen beträchtlichen Einfluß der Scherdeformationen auf G

besonders für kurze Rißlängen. Er ist nahezu unabhängig von der aktuellen Rißöffnung δ / a .

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

0 5 10 15 20 25 30Rißöffnung δδδδ [mm]

P

A Klotz

[N/mm2]

G c = konst = 2 kJ/m2

E x = 10 GPa; H= 5 mm

E x = 50 GPa; H= 5 mm

E x = 90 GPa; H= 5 mm

E x =100 GPa; H= 2,3 mm

a= 30 mm

a= 70 mm

Page 72: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

64

Abb. 3.10 Einfluß der Materialeigen-schaften in Dickenrichtung auf Energiefreisetzungsrate G(a). Bezug ist eine Probe mit folgenden Eigenschaften: E GPax = 50

E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, .

3.2 ’Mixed-Mode’-Beanspruchung

Ein weiteres wichtiges Anliegen der FE-Modellierung bestand in der Abschätzung der infolge

der unsymmetrischen Geomtrie der CDCB-Probe auftretenden Mode-II-Anteile. welche die

Interpretation der ermittelten Energiefreisetzungsrate als Mode-I-Wert der Delaminations-

zähigkeit GIc beeinträchtigen.

Für jede der untersuchten Parametervarianten wurden über den gesamten Rißlängen- und

Deformationsbereich die Spannungsintensitätsfaktoren KI und KII entsprechend der in

Kap. 2.4.2.2. dargestellten Methode ermittelt. Auf Grund der großen Datenmengen wurde die

Extrapolation der Werte aus den FE-Ergebnissen für die Rißspitzenfelder automatisch durch

Makros durchgeführt. Die Grenzen für die Auswahl der zur Extrapolation herangezogenen

Knoten wurden einheitlich festgelegt, auf eine Optimierung für jede einzelne Extrapolation

wurde verzichtet. Zunächst soll nur entschieden werden, ob wesentliche Anteile an Mode-II-

Belastung überhaupt auftreten. Grundlage dafür bildet das Verhältnis der

Spannungsintensitätsfaktoren K KII I/ . Dieses erwies sich für alle Proben als weitgehend

unabhängig von der aktuellen Rißlänge a und Deformation δ . Auch zwischen linearer und

nichtlinearer Analyse gab es keine nennenswerten Unterschiede. In Tabelle 3.1 sind daher nur

die erhaltenen Maximalwerte des Verhältnisses für verschiedene Proben aufgeführt.

0,7

0,8

0,9

1,0

1,1

1,2

1,3

0 10 20 30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]

Gvariiert

GBezug

Ex = 50 GPa

Gxz = 5 GPa; Ez = 10 GPa, δ/a = 0,5Gxz = 5 GPa; Ez = 10 GPa, δ/a = 0,05Gxz = 1,25 GPa; Ez = 5 GPa, δ/a = 0,05Gxz = 1,25 GPa; Ez = 5 GPa, δ/a = 0,5

Page 73: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

65

Tabelle 3.1

Materialeigenschaften Geometrische Eigenschaften KII/KI GII/GI

E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 9

6,0% 0,11%

E GPax =100 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 9

6,3% 0,09%

E GPax =10 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 9

4,3% 0,13%

E GPax = 50 ;

G GPaxz = 5 ; E GPaz =10

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 9

5,3% 0,13%

E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 20

8,1% 0,21%

E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h mm1 3= ; h mm2 2= ;

h mmkl = 9

-44,4% 6,12%

Für sämtliche Parameterkombinationen von Probekörpern mit Rißausbreitung in der

Mittelebene ( h h1 2= ) ergab sich ein gegenüber Mode I praktisch vernachlässigbarer Mode-II-

Anteil der Spannungsintensitätsfaktoren von unter 10%.

Für die Probe, bei welcher die Rißausbreitung um 0,5 mm zur Probenmittelebene versetzt

angenommen wurde, lieferte das FE-Modell jedoch einen sehr starken Mode-II-Anteil von 44%

bezogen auf K I . Da es bei der praktischen Probengestaltung sehr schwierig ist, den Anfangsriß

genau in der Mittelebene zu plazieren und während der Ausbreitung auch dort zu halten, muß

von einer ausgeprägten ‘Mixed-Mode’-Belastung bei der Durchführung der CDCB-Tests

ausgegangen werden. Die Intensität des Mode-II-Anteils wird fast ausschließlich durch die

Abweichung des Risses von der Mittelebene bestimmt. Problematisch ist dessen

Empfindlichkeit gegenüber bereits geringen Verlagerungen der Rißebene. Die ‘Mixed-Mode’-

Situation wird sich daher von Probe zu Probe stark unterscheiden und kann sich auch während

der Durchführung eines Tests mit der Rißausbreitung ändern. Die Angabe eines einheitlichen

Wertes für einen Versuch ist dadurch kaum möglich.

Das analytische Modell nach WILLIAMS [97] (siehe Kap. 2.44) ist nicht geeignet, die

Abhängigkeit des Mode-II-Anteils von der Lage der Rißebene zu beschreiben. Es ergeben sich

für außermittige Rißausbreitung ( )ς = −h h H1 2 / nur sehr geringe Änderungen von

[ ]( )G GII I/ ς (Gl 2.46). Zur Abschätzung des Verhältnisses für eine konkrete Probe muß daher

die FE-Analyse bemüht werden.

Page 74: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

66

Es kann davon ausgegangen werden, daß der Effekt nicht nur auf die CDCB-Konfiguration

beschränkt ist, sondern auch z.B. beim DCB-Test ein unsymmetrisches Rißwachstum das

Auftreten von signifikanten ‘Mixed-Mode’-Belastungen verursacht.

3.3 Gültigkeit analytischer und empirischer Modelle

Die Nutzung des Finite-Elemente-Modells zur Auswertung der experimentellen Ergebnisse von

einzelnen CDCB-Tests ist prinzipiell möglich, jedoch unter praktischen Gesichtspunkten sehr

aufwendig. Dafür sind analytische oder empirische Modelle im allgemeinen effektiver einsetz-

bar. Wegen den in ihnen enthaltenen Vereinfachungen oder Hypothesen liefern sie jedoch mehr

oder weniger stark fehlerbelastete Ergebnisse. Für jedes dieser Verfahren gibt es bestimmte

Grenzen in der Probengeometrie, den Materialeigenschaften und der Belastung, außerhalb derer

die Abweichungen von der Realität nicht mehr tolerierbar sind. Diese Grenzen für die einzelnen

Modelle zu bestimmen, eventuelle Korrekturmöglichkeiten zu entwickeln und das einer

konkreten Situation am besten angepaßte Modell zu ermitteln, wird als eine der wesentlichen

Aufgaben der FE-Modellierung angesehen.

Abb. 3.11 Vergleich der Energiefrei-setzungsrate nach der Methode von WILLIAMS mit den Ergebnissen der linearen FE-Analyse für verschieden steife CDCB-Proben ( R mm= 52 5, ).

Das einfachste analytische Modell für die Bestimmung der Energiefreisetzungsrate der CDCB-

Probe kann aus der Methode nach WILLIAMS [97] abgeleitet werden (Gl. 2.45). Seine

Umsetzung in dieser Arbeit basiert auf einer linearen Analyse der Deformation. Daher wird es

zunächst auch nur mit den Ergebnissen der linearen FE-Analyse verglichen (Abb. 3.11). Der

Vergleich offenbart, daß die WILLIAMS-Näherung nur eine sehr grobe Schätzung der

Energiefreisetzungsrate liefert. Insbesondere für kurze Rißlängen und steife Proben ist bereits

die Abweichung zum linearen Modell kaum akzeptabel. Auf eine Wiedergabe des Vergleichs

mit dem nichtlinearen Modell wurde wegen des sich dann noch verstärkenden Fehlers

0,70

0,75

0,80

0,85

0,90

0,95

1,00

1,05

30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]

GWILLIAMS

Gln, FEM

Ex = 50 GPa

Ex = 10 GPa

Ex = 100 GPa

Gxz = 2,5 GPa

H = 5 mm

Page 75: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

67

verzichtet. Auch für die Abschätzung des Mode-II-Anteils der Belastung kann das WILLIAMS-

Modell bestenfalls eine qualitative Antwort geben (siehe Kapitel 3.2).

Eine Alternative bietet das in Kapitel 2.43 vorgestellte Stabmodell der CDCB-Probe. Es ist

jedoch Beschränkungen in zweierlei Hinsicht unterworfen:

a) Die mathematischen Ausdrücke zu seiner Formulierung sind sehr umfangreich. Das

nichtlineare Ergebnis ist für eine praktische Auswertung kaum zu handhaben.

b) Der Einfluß von Scherdeformation kann wegen der zugrundegelegten, einfachen

Balkentheorie nicht berücksichtigt werden.

Ein Vergleich der Deformationen mit dem linearen FE-Modell erbrachte für kurze Rißlängen

und stark anisotrope Proben große Abweichungen bis zu 30%. Diese sind ein Resultat der

vernachlässigten Scherdeformationen: für schersteife Materialeigenschaften ( G Exz x≈ ) ergab

sich eine gute Übereinstimmung auch für kurze Rißlängen.

Eine Berechnung der Energiefreisetzungsrate allein über das lineare Deformationsmodell

( )δ P a, aus der Lastkraft P und der momentanen Rißlänge a entsprechend Gl. 2.3:

( ) ( )G P a

P

B

P a

aP const

,,

= ⋅=

2

∂δ

läßt wegen dieser Unzulänglichkeiten von vornherein nur eine geringe Genauigkeit erwarten.

Allerdings steht die Information über die erfolgte Deformation ( )δ P a, bereits aus dem

Experiment zur Verfügung. In der linearen Definition von G entsprechend Gl. 2.5:

GP

B C

dC

da= ⋅

δ2

1

können für ( )P a und ( )δ a die tatsächlich gemessenen (nichtlinearen) Werte verwendet werden.

Benutzt man das Ergebnis des linearen Deformationsmodells nur für die Abhängigkeit der

Nachgiebigkeit ( )C a (bzw. ( )C a' ) von der Rißlänge, so entspricht dies einer halbempirischen

Bestimmung der Energiefreisetzungsrate. Wird als Deformationsmodell für die Nachgiebigkeit

( )C a z.B. das lineare FE-Modell verwendet, P und δ jedoch aus den Ergebnissen der

nichtlinearen FE-Modellierung (als „Ersatz-Realität“) entnommen, so liefert das

halbempirische Verfahren (Abb. 3.12) für stark nichtlineare Deformation deutlich genauere

Ergebnisse als das reine, linear elastische Deformationsmodell (Abb. 3.5). Da das Ergebnis des

Deformationsmodells für die Nachgiebigkeit ( )C a im Quotienten von Gl. 2.5 in Zähler und

Nenner in gleichem Maße eingeht, hebt sich ein Teil des Fehlers auf. Eine halbempirische

Ergebnisauswertung vermag Unzulänglichkeiten des Deformationsmodells durch verstärkte

Nutzung experimenteller Information teilweise zu beheben.

Page 76: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

68

Abb. 3.12 Vergleich des halbem-pirischen Verfahrens zur Bestimmung von G aus den Ergebnissen der linearen Analyse

G lin FEMhalbempirisch

, mit den

Resultaten der nicht-linearen FE-Analyse G nl FEM, .

( E GPax = 50 ;

E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ;

H mm= 5 )

Die Anwendung des halbempirischen Verfahrens auf das lineare Stabmodell entsprechend

Kap. 2.4.3 der CDCB-Probe ist in Abb. 3.13 dargestellt. Zwar ergeben sich damit im Bereich

kurzer Rißlängen infolge der Scherdeformationen stark abweichende Werte für die Energie-

freisetzungsrate gegenüber den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung. Beginnend im

Bereich mittlerer Rißlängen a mm≥ 45 bleibt der Fehler jedoch unterhalb 15%, auch für starke

Deformationen. Diese Unsicherheit ist angesichts der übrigen experimentellen Störfaktoren

(ungleichmäßige Rißausbreitung, Faserbrücken) für den CDCB-Test noch akzeptabel.

Abb. 3.13 Vergleich der Ergebnisse für G des halbempirischen, analytischen Stabmodells

(G lin analytischhalbempirisch

, ) mit den

Resultaten der nicht-linearen FE-Analyse G nl FEM, .

( E GPax = 50 ;

E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ;

H mm= 5 )

Bei Vorliegen stabiler Rißausbreitung, d.h. stetiger Meßkurven ( )( )P aδ , ist auch die Änderung

der Compliance mit der Rißlänge dC da/ aus den experimentellen Ergebnissen über

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

30 40 50 60 70

0,98-1,00

0,96-0,98

0,94-0,96

0,92-0,94

0,90-0,92

0,88-0,90

0,86-0,88

Rißlänge a [mm]

Normierte

Rißöffnung

δδδδ/a

G lin,FEM

G nl,FEM

halbempirisch

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

30 40 50 60 70

1,30-1,35

1,25-1,30

1,20-1,25

1,15-1,20

1,10-1,15

1,05-1,10

1,00-1,05

Rißlänge a [mm]

Normierte

Rißöffnung

δδδδ/a

G lin,analytisch

G nl,FEM

halbempirisch

Page 77: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

69

( ) ( ) ( )C a a P a= δ / direkt zu ermitteln. Mit Kenntnis dieses Zusammenhangs aus dem

Experiment ist überhaupt kein Deformationsmodell zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate

entsprechend Gl. 2.5 mehr notwendig. Zur Durchführung der Ableitung kann die experimentell

ermittelte Abhängigkeit ( )C a durch eine Approximationsfunktion angenähert werden. Diese

Vorgehensweise ermöglicht eine rein empirische Bestimmung der Energiefreisetzungsrate.

Die Definition der Energiefreisetzungsrate gemäß Gl. 2.5 ist nur für lineare bzw. kleine

Deformation gültig. Im Falle der CDCB-Probe werden jedoch in der Praxis starke Biegungen

beobachtet, die eine Anwendung von Gl. 2.23 zur Berechnung von G erfordern. Wegen der

darin durchzuführenden Integration reicht die Kenntnis der experimentellen Versagenskurve

( )( )P aδ der Rißausbreitung zur Berechnung von G allein nicht aus. Wird die lineare Definition

Gl. 2.5 dennoch verwendet, so ist bei stark nichtlinearem Deformationsverhalten die

Zuverlässigkeit der damit ermittelten Werte der Energiefreisetzungsrate ungewiß.

In Abb. 3.14 ist die experimentelle Situation an Hand der Ergebnisse der nichtlinearen FE-

Modellierung nachgestellt. Unter Annahme einer konstanten kritischen Energiefreisetzungsrate

G kJ mc = 2 2/ wurde der Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang für die stabile Rißausbreitung

als Äquivalent des experimentellen Ergebnisses berechnet und daraus die Abhängigkeit der

Compliance ( )( ) ( ) ( )C a a a P a, /δ δ= von der Rißlänge ermittelt. Der erhaltene Zusammenhang

ist monoton fallend und kann durch eine potentielle Abhängigkeit approximiert werden:

( )C a c al ckl= ⋅ −

1

2

2 (3.1).

Dieser Zusammenhang entspricht dem häufig verwendeten Ansatz nach BERRY [91] und

wurde auch schon zur Analyse von CDCB-Tests eingesetzt [20].

Abb. 3.14 Änderung der Compliance

( )C a mit der Rißlänge,

die bei stabiler Rißausbreitung mit Gc = konstant aus den

Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung (Punkte) folgt. Die Linien demonstrieren die Güte der Anpassung der Approximationsfunktion nach BERRY.

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]

C(a)

Ex = 50 GPa

Gc= 1 kJ/m2

Ex = 50 GPa

Gc= 20 kJ/m2

Ex = 10 GPa

Gc= 10 kJ/m2

Approximationsfunktion

C(a)=c1*(a-lkl/2)c2

[mm/N]

Page 78: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

70

Das Ergebnis der Anwendung der rein empirischen Methode (Gl. 2.5) ist in Abb. 3.15 für

verschieden steife Systeme und unterschiedliche kritische Energiefreisetzungsraten Gc

demonstriert. Die Darstellung erfolgt normiert auf den vorgegeben Wert für Gc und ist damit

direkt ein Maß für die Abweichung der empirischen Methode. Diese reproduziert den

Vorgabewert Gc über den gesamten Rißlängenbereich und auch für starke Deformation (große

Gc) mit einer Genauigkeit besser als 5-10%.

Abb. 3.15 Vergleich der mit der empirischen Methode (BERRY-Ansatzfunktion) aus dem nichtlinearen FE-Modell (Abb. 3.14) ermittelten Energiefrei-setzungsrate (GBERRY ) mit

dem Vorgabewert Gc .

Das rein empirische Verfahren liefert also trotz seiner linearen Basis die Werte der Energie-

freisetzungsrate auch bei stark nichtlinearer Deformation mit einer sehr guten Genauigkeit. Es

erscheint zur experimentellen Auswertung am besten geeignet. Allerdings ist es an eine stabile

Ausbreitung des Delaminationsrisses gebunden.

Bei instabiler Rißausbreitung oder ‘Slip-Stick’-Verhalten ist die Verwendung eines Defor-

mationsmodells für die Ableitung ( )C a' der Nachgiebigkeit unumgänglich. In diesem Fall kann

das oben dargestellte halbempirische Stabmodell der CDCB-Probe eingesetzt werden.

3.4. Konsequenzen für Gestaltung der CDCB-Prüfkörper

Bei der Herstellung der Probekörper zum CDCB-Test muß eine gewisse Dimensionierung

erfolgen, um sicherzustellen, daß Rißausbreitung überhaupt stattfindet und eine ausreichende

Genauigkeit der Auswerteverfahren gewährleistet ist.

In Abhängigkeit von der Materialsteifigkeit sind zur Initiierung und Ausbreitung des

Delaminationsrisses bei kurzen Rißlängen hohe Lasten in die Probe einzubringen. Die

Klebeverbindung zwischen Klötzchen und Probe kann jedoch nur eine endliche Spannung von

P A N mmKlotz/ , , /≤ −0 3 0 5 2 vermitteln. Diese Grenze wird auch bei mäßig steifen Materialien

für kurze Rißlängen rasch überschritten, was zum Abriß der Klötzchen führt. Für ein Material

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

1,1

30 40 50 60 70Rißlänge a [mm]

GBERRY

Gc

Vorgabewert

(GBERRY=Gc)

Parameter des n.l. FE-Modells:

Ex = 50 GPa; Gc = 1 kJ/m2

Ex = 50 GPa; Gc = 20 kJ/m2

Ex = 10 GPa; Gc = 10 kJ/m2

Page 79: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

71

mit bestimmtem Längsmodul Ex läßt sich dem in zwei Richtungen entgegenwirken: durch

Verringerung der Probendicke H und durch Wahl einer genügend großen Anfangsrißlänge a0

(Länge der Rißfolie).

Die Biegesteifigkeit läßt sich (als Erfahrung aus dem analytischen Stabmodell) in erster

Näherung mit dem Parameter Fn (Gl. 2.37) beschreiben. Dessen Gestalt:

( )

FE B H

Rnx=⋅ ⋅

/ 2

12

3

2

erlaubt es, die Steifigkeit von unterschiedlichen Proben mit verschiedenen Parametern Ex , B, H

und R auf einen einheitlichen Wert zu normieren, der zusammen mit der normierten Rißlänge

a R/ das Deformationsverhalten der Proben vergleichbar macht: Proben mit gleichen

normierten Parametern Fn und a R/ werden sich in erster Näherung gleich deformieren. Der

Einfluß der Scherdeformationen ist in Fn nicht berücksichtigt.

0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347

142

236

331

425

0,90-1,00

0,80-0,90

0,70-0,80

0,60-0,70

0,50-0,60

0,40-0,50

0,30-0,40

0,20-0,30

0,10-0,20

Normierte Rißlänge a/R

Normierte

Proben-

steifigkeit

Fn [N]

E x = 90 GPa

E x = 30 GPa

E x = 50 GPa

E x = 70 GPa

E x = 10 GPa

H= 5 mm,R=52,5 mm,

B=10 mm

a = 30 mma = 40 mm

a = 50 mma = 60 mm

a = 70 mm

P

A Klotz

[N/mm2]

für

G c = 2 kJ/m2

Abb. 3.16 Belastung P AKlotz/ der Klebeflächen der Klötzchen, die zum Erreichen einer

kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist, in

Abhängigkeit von Steifigkeit und Rißlänge der Proben. ( E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ; B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )

In Abb. 3.16 ist die zur Rißausbreitung erforderliche Belastung der Klebeflächen bei Vorgabe

einer kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ in Abhängigkeit von Materialsteifigkeit

Fn und normierter Rißlänge a R/ dargestellt. Die Rechnungen wurden an Proben mit einer

Dicke H mm= 5 , Breite B mm= 10 , Klebefläche A mmKlotz ≈ 200 2 und einem mittleren

Krümmungsradius R mm= 52 5, durchgeführt. Die dieser Geometrie entsprechenden

unnormierten Werte für E-Modul Ex und Rißlänge a sind zusammen mit den normierten Daten

Page 80: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

72

an den Achsen aufgetragen. Die Umrechnung auf andere Probendicken oder Krümmungsradien

kann über Gl. 2.37 erfolgen. Der gewählte Wert für Gc entspricht einem mittleren Wert der

Debondingzähigkeit langfaserverstärkter Kunststoffmaterialien.

0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347

142

236

331

425

0,35-0,40

0,30-0,35

0,25-0,30

0,20-0,25

0,15-0,20

0,10-0,15

0,05-0,10

Normierte Rißlänge a/R

Normierte

Proben-

steifigkeit

Fn [N]

E x = 90 GPa

E x = 30 GPa

E x = 50 GPa

E x = 70 GPa

E x = 10 GPa

H= 5 mm,R=52,5 mm,

B=10 mm

a = 30 mma = 40 mm

a = 50 mma = 60 mm

a = 70 mm

δδδδ

a

für

G c = 2 kJ/m2

Abb. 3.17 Relative Lastverschiebung δ / a , die zum Erreichen einer kritischen Energie-

freisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist, in Abhängigkeit von Steifigkeit

und Rißlänge der Proben. ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;

B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )

Die Darstellung kann als Diagramm zur Probendimensionierung verwendet werden, indem man

für ein vorhandendes Material mit einer bestimmten Biegesteifigkeit Fn diejenige Anfangs-

rißlänge aussucht, bei der ein maximaler Vorgabewert für die Spannung in der Klebefläche

nicht überschritten wird.

Aus dem Diagramm wird ersichtlich, daß es schon bei einem wenig steifen Material mit

E GPax = 40 und einer relativ großen Anfangsrißlänge a mm0 40= schwierig ist, bei einer

Probendicke von H mm= 5 eine kritische Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ überhaupt zu

erreichen. Mit einer Flächenlast P AKlotz/ von mehr als 0 5 2, /N mm , die sich aus dem

Diagramm ergibt ( F Nn = 189 ), dürfte die Grenze der Belastbarkeit der Klebeverbindung

bereits überschritten sein. Abhilfe schafft hier die Verringerung der Probendicke auf z.B.

H mm= 4 . Aus Gl. 2.37 folgt bei gleichen übrigen Parametern dafür ein Wert für die

normierte Probensteifigkeit von F Nn = 97 , die entsprechende Flächenbelastung würde sich

nach Abb. 3.16 auf etwa P A N mmKlotz/ , /≈ 0 4 2 verringern.

Aus Abb. 3.17 kann die normierte Rißöffnung δ / a entnommen werden, die zum Erreichen

einer kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist. Nur für sehr steife

Proben und kurze Rißlängen bleibt sie im Bereich kleiner Deformation δ / ,a ≤ 0 15, in welchem

Page 81: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

73

die lineare Betrachtungsweise gerechtfertigt ist. Für sehr nachgiebige Proben sind die Aus-

wirkungen des nichtlinearen Verhaltens auf die Energiefreisetzungsrate spürbar (Abb. 3.18).

0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347

142

236

331

425

0,95-0,96

0,94-0,95

0,93-0,94

0,92-0,93

0,91-0,92

0,90-0,91

0,89-0,90

0,88-0,89

0,87-0,88

0,86-0,87

Normierte Rißlänge a/R

Normierte

Proben-

steifigkeit

Fn [N]

E x = 90 GPa

E x = 30 GPa

E x = 50 GPa

E x = 70 GPa

E x = 10 GPa

H= 5 mm,

R=52,5 mm,

B=10 mm

a = 30 mma = 40 mm

a = 50 mma = 60 mm

a = 70 mm

G lin, FEM

Gnl, FEM

für

G c = 2 kJ/m2

Abb. 3.18 Unterschied zwischen Vorhersagen der linearen und nichtlinearen Analyse für G

beim Wert G kJ mc = 2 2/ in Abhängigkeit von Steifigkeit und Rißlänge der

Proben ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ; B mm= 10 ; h mmkl = 9 ;

l mmkl = 20 )

0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347

142

236

331

425

1,35-1,40

1,30-1,35

1,25-1,30

1,20-1,25

1,15-1,20

1,10-1,15

1,05-1,10

1,00-1,05

0,95-1,00

0,90-0,95

Normierte Rißlänge a/R

Normierte

Proben-

steifigkeit

Fn [N]E x = 90 GPa

E x = 30 GPa

E x = 50 GPa

E x = 70 GPa

E x = 10 GPa

H= 5 mm,

R=52,5 mm,

B=10 mm

a = 30 mma = 40 mm

a = 50 mma = 60 mm

a = 70 mm

G lin, anal

G nl, FEM

halbempirisch

für

G c = 2 kJ/m2

Abb. 3.19 Abweichung der Ergebnisse des halbempirischen, analytischen Stabmodells für

G zur nichtlinearen FE-Analyse beim Wert G kJ mc = 2 2/ in Abhängigkeit von

Steifigkeit und Rißlänge der Proben ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;

B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )

Page 82: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

74

Der zu erwartende Fehler bei einer Nutzung des halbempirischen analytischen Stabmodells zur

Ermittlung der Energiefreisetzungsrate ist in Abb. 3.19 dargestellt. Er ist für kurze Rißlängen

und steife Proben relativ hoch.

Weitere Schlußfolgerungen, die sich für die Gestaltung der CDCB-Proben aus dieser Analyse

ergeben, betreffen die Geometrie der Proben und wurden bereits weiter oben gezogen. Sie seien

an dieser Stelle daher nur rekapituliert.

Die Höhe der Klötzchen hkl sollte so niedrig wie möglich gehalten werden, da sie die

Nichtlinearität der Deformation wesentlich bestimmt. Für hohe Klötzchen wird die Genauigkeit

der analytischen Deformationsmodelle noch weiter verringert.

Schon geringe Abweichungen der Lage der Rißebene von der Probenmittelebene führen zu

starken Mode-II-Anteilen in der Belastung der Rißspitze. Das Einbringen der Folie für den

Anfangsriß in die Mittelebene der Probe hat daher besonders sorgfältig zu erfolgen. Proben mit

stark außerhalb der Mittelebene liegender Rißfläche sollten ausgesondert werden.

Page 83: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

75

4. CDCB-Experimente

4.1 Versuchsdurchführung und Materialien

Die für die experimentellen CDCB-Tests benutzte Probengeometrie entspricht in ihren

Abmessungen der modellierten Konfiguration (siehe Kap. 2.4.1). Lediglich die Probendicke H

und -breite B wurden variiert. Zur Aufbringung und Messung der Last wurde eine INSTRON-

Prüfmaschine bei einer Belastungsgeschwindigkeit von 2 mm / min eingesetzt.

Die Herstellung der Prüfkörper erfolgte in einem Thermoplastwickelverfahren im Institut für

Polymerforschung Dresden e.V. [75]. Als Ausgangsmaterial wurde ein ebenfalls dort

entwickeltes und hergestelltes, kontinuierliches Hybridgarn (‘commingled yarn’) aus E-Glas-

fasern und Polyamid-6-Fasern verwendet. Das Granulat zum Spinnen der Polyamidfasern

wurde von der Firma Thüringische Faser-AG Schwarza bezogen. Das Verhältnis der

Masseanteile von Glas zu Polyamid im fertigen Material beträgt 13:5, was einem Glasfaser-

Volumenanteil von 54% entspricht.

Das Wickeln der Ringe erfolgte mit einer Wickelgeschwindigkeit von 5 cm s/ und bei einer

Verarbeitungstemperatur von 240 °C am Einlaufpunkt sowie einer Temperatur der

Vorwärmkammer von 270 °C . Die Heizung wurde über ein Heißluftgebläse realisiert.

Zur Einbringung des Anfangsrisses wurde in der Hälfte des Wickelprozesses eine Polyimid-

Folie eingelegt. Dies erwies sich als eine kritische Stelle des Herstellungsprozesses der CDCB-

Probekörper, da die ebene und mittige Lage der Rißebene dadurch bestimmt wird. Während des

Aufbringens der nachfolgenden Schichten kam es häufig zu einer Wellung der Folie auf der

Schmelze und - dadurch bedingt - zu ungleichmäßigen Dicken der gebogenen Probehälften.

Dies beeinflußt sowohl die Deformation als auch die Rißfläche und erschwert die Interpretation

der Versuchsergebnisse wesentlich. Bei den hier untersuchten Proben konnte das Problem nicht

optimal gelöst werden, was in einer starken Streuung der erhaltenen Ergebnisse für die

kritische Energiefreisetzungsrate resultiert. Für die zukünftigen experimentellen Unter-

suchungen sind an dieser Stelle Verbesserungen dringend notwendig.

4.2 Ergebnisse

Es wurden 3 verschiedene Versuchsreihen untersucht, die unter gleichen technologischen

Bedingungen hergestellt wurden, sich jedoch in der Dicke der gewickelten Probenringe

unterscheiden: „WB a-d“ mit H mm= −3 6 3 8, , ; „WB4 a-d“ mit H mm= −4,7 4,9 und

„WB5 a-d“ mit H mm= −7,9 8,0 . Die aufgenommenen Kraft-Verschiebungskurven ( )P δ der

stabilen Rißausbreitung sind in den Abb. 4.1a bis 4.1c wiedergegeben.

Page 84: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

76

0

20

40

60

80

100

120

0 10 20 30 40

WB a

WB b

WB c

WB d

Lastverschiebung δδδδ [mm]

P

[N]

H = 3,7 mm

B = 6,7 mm

Abb. 4.1a

0

20

40

60

80

100

120

140

0 5 10 15 20 25

WB 4a

WB 4b

WB 4c

WB 4d

P

[N]

Lastverschiebung δδδδ [mm]

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

Abb. 4.1b

0

20

40

60

80

100

120

140

0 5 10 15 20 25 30

WB 5a

WB 5b

P

[N]

Lastverschiebung δδδδ [mm]

H = 8,0 mm

B = 7,5 mm

Abb. 4.1c

Abb. 4.1a-c Last-Verschiebungs-Kurven ( )P δ der CDCB-Tests an den Probenreihen a) WB,

b) WB4 und c) WB5.

Page 85: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

77

Innerhalb jeder Probengruppe ergaben sich beträchtliche Streuungen und die Rißausbreitung

vollzog sich relativ ungleichmäßig und teilweise sprunghaft. Die Ursache dafür ist in einer

heterogenen Ausbildung einzelner Bündel von Faserbrücken und von Parallelrissen in

Nachbarlagen zu sehen, deren Initiierung und Versagen sich als Einzelereignisse in den

Belastungskurven widerspiegeln. Besonders ausgeprägt waren die Auswirkungen für die Serie

der dünnen Proben („WB x“), bei denen diese Vorgänge zwar auch nicht häufiger auftraten,

aber relativ eine viel stärkere Wirkung auf die Gesamtdeformation der Probe besitzen.

Außerdem war bei diesen Proben die Lage des Anfangsrisses schon aus dem

Herstellungsprozeß besonders ungleichmäßig, so daß sie trotz gleicher Dicke eine breite

Streuung in den Werten der Nachgiebigkeit ( )C a aufwiesen. Dies wird im Vergleich zu den

anderen Testreihen aus den Abb. 4.2a-4.2c deutlich. Für die Bestimmung der kritischen

Energiefreisetzungsrate der Delamination ( )G ac wurde das empirische Verfahren (Gl. 2.5) mit

der Ansatzfunktion Gl. 3.1 nach BERRY (siehe Kap. 3.3) gewählt. Die Gültigkeit dieser

Näherung für die experimentell ermittelte Abhängigkeit der Compliance ( )C a kann für alle

Proben aus den Abb. 4.2 beurteilt werden. Aufgrund der großen individuellen Streuungen ist

eine Einschätzung schwierig, aber zur Wiedergabe der generellen Abhängigkeit der

Nachgiebigkeit scheint Gl. 3.1 gut geeignet. Ihre rigide Form, die nur einen monotonen Anstieg

zuläßt und lokalen Sprüngen in ( )C a nicht folgt, wirkt glättend auf die Ergebnisse und

entspricht im Mittel dem realen Verlauf für eine ideale Probe sicher gut. Die Verwendung von

Ansatzfunktionen mit mehr Freiheitsgraden, die auch versucht wurde, erbrachte noch

ungleichmäßigere Ergebnisse für die Energiefreisetzungsrate. Einzelne Ausreißer heben sich in

einer vergleichenden Darstellung der Compliance für die jeweilige Versuchsserie besonders

deutlich hervor.

Die experimentell erhaltenene Abhängigkeit der Nachgiebigkeit von der Rißlänge entspricht

den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung für einen Längsmodul in Faserrichtung von

E GPax ≈ 40 . Da bisher noch keine Charakterisierung der Steifigkeit der hergestellten Proben

über ein unabhängiges Verfahren vorgenommen wurde, kann eine vergleichende Beurteilung

dieses Wertes nicht erfolgen. Seine Größe erscheint jedoch vernünftig.

In den Abb. 4.3a-4.3c sind für die einzelnen Probenserien die Ergebnisse für den ermittelten

Verlauf der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G ac über der Rißlänge dargestellt. Die

Streuung ist generell sehr hoch und äußert sich einmal in starken Schwankungen innerhalb

einer Probe und andererseits in unterschiedlichen Plateauwerten zwischen den Proben.

Page 86: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

78

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

20 30 40 50 60 70

WB a; exp.

WB a; Fit

WB b; exp.

WB b; Fit

WB c; exp.

WB c; Fit

WB d; exp.

WB d; Fit

Rißlänge a [mm]

C(a)

[mm/N]

H = 3,7 mm

B = 6,7 mm

Abb. 4.2a

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

20 30 40 50 60 70

WB 4a; exp.

WB 4a; Fit

WB 4b; exp.

WB 4b; Fit

WB 4c; exp.

WB 4c; Fit

WB 4d; exp.

WB 4d; Fit

Rißlänge a [mm]

C(a)

[mm/N]

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

Abb. 4.2b

0

0,1

0,2

0,3

40 60 80 100 120

WB 5a; exp.

WB 5a; Fit

WB 5b; exp.

WB 5b; Fit

Rißlänge a [mm]

C(a)

[mm/N]

H = 8,0 mm

B = 7,5 mm

Abb. 4.2c

Abb. 4.2a-c Experimentelle Ergebnisse („exp.“) und Güte der Anpassung entsprechend Gl. 3.1 („Fit“) für Abhängigkeit der Nachgiebigkeit ( )C a von der Rißlänge für

die CDCB-Tests.

Page 87: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

79

0

1

2

3

4

5

6

20 30 40 50 60 70

WB a

WB b

WB c

WB d

Rißlänge a [mm]

G c

[kJ/m 2]

H = 3,7 mm

B = 6,7 mm

Abb. 4.3a

0

1

2

3

4

5

6

20 30 40 50 60 70

WB 4a

WB 4b

WB 4c

WB 4d

Rißlänge a [mm]

G c

[kJ/m 2]

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

Abb. 4.3b

0

1

2

3

4

5

6

40 60 80 100 120

WB 5a

WB 5b

Rißlänge a [mm]

G c

[kJ/m 2]

H = 8,0 mm

B = 7,5 mm

Abb. 4.3c

Abb. 4.3a-c Experimentelle Resultate für die kritische Energiefreisetzungsrate ( )G ac für die

CDCB-Probenserien mit unterschiedlicher Dicke H.

Page 88: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

80

Ursache für die Schwankungen ist die ungleichmäßige Ausbildung von einzeln auftretenden

Strängen von Faserbrücken, die auf eine heterogene Konsolidierung und einen noch nicht

optimalen Verbundbildungsprozeß hinweisen. Ein weiteres Indiz dafür liefert auch das optische

Erscheinungsbild der Probekörper, das eine starke farbliche Maserung aufweist und

unterschiedlich konsolidierte Faserstränge erkennen läßt. Darüber hinaus ändert sich die Lage

der Rißebene während der Probenausbreitung für einige Proben mehr oder weniger stark, was

großen Einfluß auf ihre Nachgiebigkeit hat. Dies wirkt sich bei der Bildung der Ableitung der

Compliance negativ auf die Genauigkeit der empirschen Betrachtung aus.

Zwischen den einzelnen Proben einer Serie unterscheidet sich die tatsächliche Rißfläche

infolge der in Kap. 4.1 beschriebenen Wellung der Rißebene, was zu scheinbaren

Unterschieden in den Werten der kritischen Energiefreisetzungsrate beiträgt. Schon eine gering

außermittige Lage der Rißebene führt entsprechend den Ergebnissen der FE-Modellierung zu

beträchtlichen Mode-II-Anteilen der Belastung an der Rißspitze. Für diese ist bei der

Delamination aus den Erfahrungen eine höhere kritische Energiefreisetzungsrate zu erwarten,

was die relativ hohen gemessenen Werte erklären könnte. Dies trifft insbesondere für die

dünnen Proben zu („WB x“), die sowohl absolut als auch relativ die größten Abweichungen

des Risses von der Mittelebene zeigten. Die Streuung und der Betrag der Werte für Gc war bei

dieser Probenreihe dementsprechend besonders hoch, was über einen starken Mode-II-Anteil

eine gewisse Interpretation finden würde. Bei den dickeren Proben war die mittige Lage der

Rißebene vergleichsweise besser realisiert und die Streuung zumindest im Bereich mittlerer

und langer Rißlängen geringer. Die für kurze Rißlängen auftretenden Differenzen lassen sich

durch die individuellen Unterschiede bei der Rißinitiierung am künstlich eingebrachten Anriß

erklären. Nach Ausbreitung über eine kurze Distanz ergeben sich zwischen den einzelnen

Proben einer Serie vergleichbare Verhältnisse und die Werte werden einheitlicher (Abb. 5.3b).

Für die dicken Proben konnte der in LAUKE [20] beschriebene Effekt beobachtet werden, daß

die kritische Energiefreisetzungsrate mit wachsender Rißlänge kontinuierlich ansteigt, was mit

der zunehmenden Ausbildung von Faserbrücken erklärt wird. Aufgrund der großen Steifigkeit

der Proben und der sich daraus ergebenden geringen Rißöffnung kommt es bei dicken Proben

kaum zum Reißen der Faserbrücken, so daß immer weitere Fasern in den Ablöseprozeß von

den Rißflächen einbezogen werden. Dadurch erhöht sich die Dissipation von Energie während

des Rißwachstums kontinuierlich. Dieser Prozeß ist für den realen Einsatzfall der Verbunde

jedoch nicht unbedingt typisch und charakterisiert die Qualität des Verbundes nicht

unmittelbar. Für vergleichende Untersuchungen sollte dieser Effekt durch ausreichend dünne

Proben vermieden werden. Eine Dicke von H mm≈ 5 erscheint nach den Ergebnissen dieser

Arbeit optimal, da noch dünnere Proben wegen ihrer großen Empfindlichkeit gegenüber der

Lage der Rißebene kaum noch reproduzierbare Ergebnisse liefern.

Page 89: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

81

Basierend auf den vorgestellten experimentellen Ergebnissen kann im Vergleich mit Proben

aus anderen Materialsystemen oder aus unterschiedlichen technologischen Herstellungsregimen

die Aussagefähigkeit des CDCB-Versuchs zur Charakterisierung des Konsolidierungszustandes

beurteilt werden.

Als problematisch werden in dieser Hinsicht die beobachteten starken Streuungen angesehen,

die jedoch bereits an sich eine Information über die Güte und insbesondere Homogenität

untersuchter Materialien beinhalten. Hohe Werte der Delaminationszähigkeit in Kombination

mit geringer Streuung beim Versagen sollten den zu erreichenden Idealzustand für ein

Materialsystem und eine Technologie kennzeichnen.

4.3 Vergleich der Experimente mit FE-Rechnungen

Zum Abschluß der experimentellen Untersuchung soll die Frage geklärt werden, inwiefern die

FE-Modellierung für die tatsächlich auftretenden Deformationen der CDCB-Probe repräsen-

tativ ist. Dazu sind für die Probe WB 4a mit einer Dicke von H mm= 4 8, in Abb. 4.4 die

experimentellen Ergebnisse für den Zusammenhang zwischen Kraft und Rißlänge mit den

Vorhersagen des nichtlinearen FE-Modells verglichen. Die beste Übereinstimmung hat sich im

Vorfeld für eine Annahme von E GPax = 40 für den Modul in Faserlängsrichtung ergeben.

Dieser Wert entspricht auch der Abschätzung E V E GPax f Glas≈ ⋅ = 39,4 gemäß der

Mischungsregel aus dem Faservolumenanteil von Vf = 54 % und dem Modul der Glasfasern

E GPaGlas = 73 und wird durch Literaturwerte bestätigt [98]. Für die weiteren in der FE-

Modellierung benötigten Materialeigenschaften wurde folgende Wahl getroffen:

G GPaxz = 2 5, , E GPaz = 5 , νxz = 0 3, . Die Berechnung der in Abb. 4.4 dargestellten

Abhängigkeit ( )P δ erfolgte mit dem FE-Modell unter Verwendung dieser Annahmen aus den

im Experiment gemessenen Rißlängen a und Rißöffnungen δ .

Abb. 4.4 Vergleich zwischen Ergeb-nissen aus dem CDCB-Experi-ment und der nichtlinearen Mo-dellierung für die Abhängigkeit der Lastkraft P von der Rißöffnung δ am Beispiel der Probe WB 4a.

0

20

40

60

80

100

120

140

0 5 10 15 20

WB 4a: exp.

WB 4a: FEM

FEM-ParameterE x = 40 GPa

E z = 5 GPa

G xz = 2,5 GPa

Probe:

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

Rißöffnung δδδδ [mm]

P [N]

Page 90: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

82

Das Modell beschreibt im Mittel das tatsächliche Deformationsverhalten der CDCB-Probe

richtig. Die auftretenden lokalen Abweichungen sind auf Unregelmäßigkeiten bei der

Rißausbreitung zurückzuführen. Diese wurden z.B. in Form von Faserbrückenbündeln oder

Verlagerungen der Rißebene bei den untersuchten Proben in relativ großem Ausmaß

beobachtet, lassen sich in dem idealisierten FE-Modell jedoch nicht berücksichtigen. Das

Deformationsverhalten reagiert gegenüber diesen Störungen sehr empfindlich, bereits kleine

Änderungen der Rißlage erhöhen die Nachgiebigkeit der Probe beträchtlich. Die

Zuverlässigkeit der mit Modellen erhaltenen Beschreibung der realen Deformation wird durch

diese Unwägbarkeiten beeinträchtigt, was als ein Argument für die Anwendung der

empirischen Methode zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate anzusehen ist. Der Vergleich

der aus dem FE-Modell und aus dem empirischen Verfahren berechneten kritischen

Energiefreisetzungsrate ist für die Probe WB 4a in Abb. 4.5 dargestellt. Die Übereinstimmung

ist auch hier im Mittel gut, jedoch zeigen aus oben genannten Gründen die aus der FE-

Modellierung erhaltenen Werte eine breitere Streuung.

Abb. 4.5 Vergleich zwischen Ergebnissen der empirischen Methode nach BERRY und der nichtlinearen Modellierung für die Bestimmung der kritischen Energiefrei-setzungsrate Gc

aus dem Experi-ment.

Insgesamt betrachtet, bestätigen die Experimente die Gültigkeit des vorgestellten FE-Modells

und der auf seiner Basis getroffenen Schlußfolgerungen. Die tatsächlich beobachtete

Deformation entspricht der Beschreibung der FE-Analyse und wird dementsprechend durch

Nichtlinearität und Materialanisotropie wesentlich beeinflußt. Sie kann daher nach den in

Kap. 3 gesammelten Erfahrungen mit einfachen analytischen Modellen nicht mit allgemein

befriedigender Genauigkeit wiedergegeben werden. Die Ermittlung der Steifigkeitsparameter

von Verbundwerkstoffen aus dem Experiment läßt sich durch die Verwendung der FE-Analyse

entscheidend verbessern.

0

1

2

3

4

5

30 40 50 60 70

WB 4a: exp.

WB 4a: FEM

FEM-Parameter

E x = 40 GPa

E z = 5 GPa

G xz = 2,5 GPa

Probe:

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

Rißlänge a [mm]

G c

[kJ/m 2 ]

Page 91: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

83

Zur Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate der Delamination existiert mit der

empirischen Compliance-Methode und dem Ansatz nach BERRY jedoch ein einfaches und

hinreichend genaues Verfahren. Dessen Anwendung liefert praktisch dieselben Ergebnisse wie

die aufwendige Finite-Elemente-Modellierung, obwohl die Grundlagen seiner Gültigkeit

aufgrund der komplizierten Deformationen weit überschritten werden. Diese Erkenntnis folgt

allerdings erst aus dem Vergleich mit dem vollständigen Modell und dessen Bestätigung aus

den experimentellen Resultaten und wird als eine wesentliche Schlußfolgerung der

durchgeführten Analyse betrachtet.

Page 92: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

84

5. Mikromechanische Modellierung des Grenzflächenversagens beim

Einzelfaser-Auszugstest

5.1 Mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung der Qualität von

Faser-Matrix-Grenzflächen

Zur experimentellen Charakterisierung der mechanischen Qualität der Faser-Matrix-Grenz-

fläche auf der mikroskopischen Strukturebene (siehe Kapitel 1.1) wurde eine ganze Reihe

mikromechanischer Verfahren entwickelt, die eine Beurteilung der Haftung für reale Größen-

verhältnisse der Fasern ermöglichen sollen. Ihr gemeinsames Prinzip besteht darin, eine

einzelne Faser in einem Modellverbund mit einer Matrix unter definierten Bedingungen bis

zum Versagen der Grenzfläche zu belasten. Infolge der experimentellen Schwierigkeiten bei

der Präparation und den Messungen im mikroskopischen Bereich, die sich nicht mit dem

Standard-Repertoire der makroskopischen Materialprüfung bewältigen lassen, existiert eine

Vielzahl von Varianten. Für das Einbringen der Belastung und die Durchführung der

Messungen wurden verschiedene Lösungen gefunden, deren wichtigste Vertreter sich in 3

Gruppen klassifizieren lassen.

Abb. 5.1a-c Häufig verwendete mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung von Faser-Matrix-Haftung: a) Fragmentierungsversuch; b) Matrixtropfen-Abscherversuch; c) Einzelfaser-Auszugstest.

Ein ausführlicher Überblick darüber wird z.B. bei MERETZ [58] gegeben, an dieser Stelle sei

nur kurz darauf eingegangen.

Beim Fragmentierungstest oder Einzelfaserverbundtest wird als Probekörper ein auf Zug

belasteter, durchsichtiger Prüfstab aus Matrixmaterial verwendet, in den eine einzelne Faser

eingebettet ist (Abb. 5.1a). Mit zunehmender Dehnung der Probe kommt es zu fortgesetzten

Brüchen der Faser bis sich eine Sättigungsverteilung der Faserfragmente einstellt. Der

Lastübertrag erfolgt über die Scherbelastung der Faser-Matrix-Grenzfläche. Da diese nur einer

endlichen Scherspannung widerstehen kann, ist eine Mindestlänge lC der Faser zum Aufbau

der für ihren Bruch notwendigen Spannung F erforderlich („kritische Länge“). Sie ist mit der

(c)

(a)

(b)

Page 93: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

85

Haftfähigkeit des Faser-Matrix-Systems korreliert und ergibt sich im Experiment aus der

oberen Grenze der Längenverteilung der Faserbruchstücke im Sättigungszustand. Die

Interpretation des Tests wird dadurch erschwert, daß er über die Beobachtung des Faserbruchs

nur eine indirekte Beurteilung der Haftung erlaubt. Die Festigkeit der Fasern F ist selbst

einer relativ breiten, statistischen Verteilung unterworfen [106].

Auf Grund der eher makroskopischen Proben ist die Präparation und Durchführung des

Versuchs vergleichsweise einfach. Daher ist er die am häufigsten verwendete mikrome-

chanische Versuchsanordnung (eingeführt von KELLY [107], Experimente: [108]-[113];

Modelle: [106], [114]-[118]).

Die Testkonfiguration des Matrixabstreif-Tests oder Pull-Off-Tests gibt es in zahlreichen

Varianten, von denen hier nur der Tropfenabscherversuch beschrieben sei ([34], [35], [119]-

[124]; Modelle: [125]-[127]). Bei diesem wird das Matrixmaterial in flüssiger Form (Schmelze

oder Harz) auf die Faser gebracht, welche es infolge der Oberflächenspannung in Tropfenform

umschließt. In erstarrtem Zustand wird versucht, die Faser mittels einer Zugeinrichtung aus

dem Tropfen, der über Schneiden oder eine Ringblende möglichst nah zur Faser gegengehalten

wird, herauszuziehen (Abb. 5.1b). Die Dehnbelastung der Faser wird durch eine

Scherspannung in der Grenzfläche über die Einbettlänge l f der Faser allmählich an die Matrix

überführt. Mit wachsender Zugkraft P auf die Faser erhöht sich auch die Belastung der

Grenzfläche. Die gemessene Maximalkraft Pmax im Moment des Versagens der Grenzfläche

enthält eine Information über die Haftung des Faser-Matrix-Systems.

Gegenüber der im Folgenden dargestellten, vom Prinzip her ähnlichen, Einzelfaser-Auszugs-

anordnung hat der Tropfenabscherversuch den Vorteil einer einfacheren Präparation.

Die am häufigsten verwendete Variante des Einzelfaser-Auszugsversuchs oder Single Fibre

Pull-Out Tests ([37], [128]-[132]) besteht aus einem auf seiner Unterfläche an einen

Probenhalter geklebten Matrixtropfen, in den im flüssigen Zustand eine Faser bis zu einer

bestimmten Einbettlänge l f senkrecht eingebettet wurde (Abb. 5.1c). In erstarrtem Zustand

wird die Kraft an der Faser gemessen, die zum Aufreißen der Haftverbindung notwendig ist.

Sie wird mit dem beobachteten Maximum der Kraft-Verschiebungskurve Pmax identifiziert. Die

Präparation des Versuches und die Messung der Kraft sind wegen der Biege-

bruchempfindlichkeit der Faser aufwendig und erfordern spezielle Vorrichtungen. Trotzdem ist

dieser Versuch relativ verbreitet.

Das einfachste und praktisch am meisten eingesetzte Modell zur Auswertung aller oben

beschriebenen mikromechanischen Versuche beruht auf der sogenannten KELLY-TYSON-

Näherung [133]. Es geht davon aus, daß infolge plastischen Fließens der Matrix die

Grenzfläche im Moment des Versagens über ihre ganze Länge mit einer konstanten

Page 94: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

86

Scherspannung d belastet wird. Für den Fragmentierungsversuch folgt daraus eine sehr

einfache Relation zur kritischen Faserlänge lC und zur Festigkeit der Fasern F :

dF F

C

r

l

(5.1).

Der Tropfenabscherversuch und Einzelfaser-Auszugstest werden im Rahmen des KELLY-

TYSON-Modells durch den gleichen Zusammenhang zwischen der maximalen Grenzflächen-

scherspannung d , der Fasereinbettlänge l f und der maximalen Lastkraft Pmax beschrieben:

d

f f

P

r l max

2 (5.2).

Die Interpretation des adhäsiven Versagens nach der KELLY-TYSON-Näherung ist allerdings

in sich widersprüchlich.

Einer vollständigen Homogenisierung der Scherspannung entlang der Grenzfläche entspricht

die Voraussetzung eines idealplastischen Materialgesetzes zur Beschreibung der Matrix-

deformation. Mit diesem kann jedoch die maximale Scherbelastung d der Grenzfläche den

Wert der Fließgrenze der Matrix Yield nicht überschreiten. Läge die Belastbarbarkeit der

Grenzfläche über diesem Wert, würde nur die Matrix plastisch verformt, niemals jedoch die

Grenzfläche versagen. Der maximale Wert der Scherspannung in der Grenzfläche d

entspräche dann der Fließgrenze der Matrix und enthielte keine spezifische Information über

die Grenzfläche. Würde die maximale Scherbelastbarkeit der Grenzflächenhaftung unterhalb

der Fließgrenze erreicht, könnte es nicht zur Plastifizierung der Matrix kommen. Das System

bliebe elastisch und die Scherspannungsverteilung in der Grenzfläche wäre extrem inhomogen

im Widerspruch zu den Voraussetzungen. Denkbar wäre im letzteren Fall höchstens eine

homogene Spannung im aufgerissenen Teil der Grenzfläche infolge Faser-Matrix-Reibung, die

aber keine Information über die eigentliche Haftung der Grenzfläche beinhaltet.

Die tatsächlichen Spannungsverhältnisse in der Grenzfläche sind für alle vorgestellten

Testgeometrien überaus komplex und durch das Auftreten von stark inhomogenen Spannungen

gekennzeichnet, besonders an den Faserenden, den Spitzen von Debondingriß-Bereichen und

am Austritt der Faser an der Matrixoberfläche. Dies konnte u.a. experimentell durch

Untersuchung der lokalen Faserdehnung mit Hilfe der RAMAN-Streuung an einer Reihe von

mikromechanischen Versuchen demonstriert werden ([112], [134], [135]). Eine Anwendung

von Gl. 5.1 bzw. Gl. 5.2 liefert für d nur den Mittelwert der in der Grenzfläche im Moment

des Versagens auftretenden Scherspannungsverteilung. Der auf diese Weise errechnete

Parameter ist höchstens mittelbar an die Haftungsqualität gekoppelt und repräsentiert nicht die

lokale, maximale Scherbelastbarkeit der Grenzfläche.

Page 95: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

87

Eine befriedigende Beschreibung der tatsächlichen Spannungsverteilung in der Grenzfläche ist

mit mathematisch-analytischen Methoden bisher für keine der obigen Anordnungen gelungen,

auch wenn zahlreiche Näherungen, zumeist auf Basis von Shear-Lag-Modellen, entwickelt

wurden (Review [136]). Diese sind höchstens zu einer qualitativen Wiedergabe des

Deformationsverhaltens tauglich.

Neben der Scherspannung treten in der Grenzfläche bei allen mikromechanischen

Versuchsanordnungen auch Spannungskomponenten in radialer und in Umfangsrichtung der

Faser auf. Ihr Betrag kann den der auftretenden Scherspannungen sogar überschreiten.

Beim Fragmentierungsversuch [118] tragen die Radialspannungen kompressiven Charakter.

Beim Einzelfaser-Auszugsversuch ([137], [138]) und beim Tropfenabscherversuch [127] führt

die Einleitung der Last in die Faser durch deren POISSON-Kontraktion zu Zugspannungen in

radialer Richtung, die im Gegensatz zu den Kompressionsspannungen die Belastbarkeit der

Grenzfläche herabsetzen.

Die Spannungsverteilung der Grenzfläche in axialer und radialer Richtung kann für die oben

beschriebenen, mikromechanischen Testverfahren auch durch das Auftreten von Oberflächen-

rauhigkeit der Fasern und thermischen Spannungen der Matrix wesentlich beeinflußt werden

[139].

Insgesamt muß eingeschätzt werden, daß die Faser-Matrix-Grenzfläche in allen Mikro-

mechanik-Versuchen einer sehr inhomogenen, komplexen und während des Tests sich stark

ändernden Belastung ausgesetzt ist, die sich einer Beschreibung mit einfachen Modellen bisher

weitgehend entzieht. Zusätzlich erfolgt die Belastung der Grenzfläche in den verschiedenen

Testverfahren durch Überlagerung von ganz unterschiedlichen Komponenten. Dies sind

denkbar ungünstige Voraussetzungen für eine Anordnung zur experimentellen Eigenschafts-

bestimmung, jedoch existiert dazu infolge der mikroskopischen Dimension des Unter-

suchungsobjektes und der damit verknüpften präparativen und meßtechnischen Probleme keine

Alternative. Die unter solchen Umständen auf Basis unzureichender Modellvorstellungen

abgeleiteten Grenzflächenfestigkeiten entsprechen sicher keinen real auftretenden Maximal-

spannungen, sondern sind nur implizit und in Abhängigkeit von anderen Probenparametern mit

der Haftfähigkeit korreliert. Zudem ist es mit Hinblick auf die mehrachsige Spannungssituation

unwahrscheinlich, daß die mechanische Qualität der Faser-Matrix-Grenzschicht mit einem

einzelnen Parameter, wie einer Scherfestigkeit, umfassend charakterisiert werden kann. Die

Überlagerung einer kompressiven Radialspannung auf die Faser wird das Grenzflächen-

versagen erschweren, eine Zugspannung in radialer Richtung wird es begünstigen. Das

Auftreten von Spannungen in Umfangsrichtung beeinflußt die Ausbildung plastischer Zonen in

der Matrix, die den Anstieg der Spannung in der Grenzfläche begrenzen, bzw. die beim

Versagen der Grenzfläche dissipierte Energie erhöhen.

Page 96: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

88

Auf Basis derartiger Voraussetzungen ist für die aus den verschiedenen mikromechanischen

Tests ermittelten Werte der Grenzflächenscherfestigkeit keine direkte Vergleichbarkeit zu

erwarten, wie am Beispiel eines Round-Robin-Versuches für ein Kohlenstoffaser-Epoxidharz-

System in Abb. 5.2 demonstriert werden konnte [140]. Dieser unbefriedigende Zustand war

und ist der Ausgangspunkt von zahlreichen Versuchen, die bei den unterschiedlichen

Testgeometrien in der Grenzfläche auftretenden Spannungen mit theoretischen oder

experimentellen Mitteln zu beschreiben (Review in [141]).

0

20

40

60

80

100

120

140

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Labornummer

Fragmentation XAU-Faser Fragmentation XAS-Faser

Strip-off XAU-Faser Strip-off XAS-Faser

Pull-out XAU-Faser Pull-out XAS-Faser

Indentation XAU-Faser Indentation XAS-Faser

d

[MPa]

Abb. 5.2 Scheinbare Grenzflächenscherfestigkeit, die für zwei Kohlenstoffaser-Epoxidharz-Systeme (XAS-Faser, XAU-Faser) mit unterschiedlichen mikro-mechanischen Testmethoden von verschiedenen Experimentatoren erhalten wurde ([140]).

Dabei besteht die große Gefahr, den praktischen Hintergrund der Charakterisierungsmethoden

aus den Augen zu verlieren: die Verbesserung und die Aufklärung der mit der Faser-Matrix-

Haftfähigkeit in Verbindung stehenden, technischen Eigenschaften realer Verbundwerkstoffe.

Die innerhalb eines mikromechanischen Testverfahrens erhaltenen Grenzflächen-Parameter

ermöglichen zumindest das Aufstellen einer Reihenfolge für die Haftung alternativer, praktisch

relevanter Matrixsyteme. In gewissen Grenzen gelingt es, diese mit makroskopischen

Eigenschaften der daraus aufgebauten technischen Verbundwerkstoffe zu korrelieren ([34]-

[37]). Allerdings sind diese Ergebnisse häufig nicht widerspruchsfrei. Ursache dafür ist, daß

die auf Basis unzutreffender Modelle abgeleiteten Parameter nicht den unabhängigen

Charakter von Materialeigenschaften besitzen, sondern wegen des unvollständigen

Verständnisses noch von den speziellen Bedingungen bei ihrer experimentellen Bestimmung

abhängen. In den realen Verbundwerkstoffen erfolgt die Belastung und das Versagen der

Grenzfläche aber, z.B. wegen der Wechselwirkung der vielen dichtbenachbarten Fasern, unter

sehr unterschiedlichen Situationen. Eine Verbesserung der Einsicht in die Mechanismen der

Grenzfläche ist daher auch eine wichtige Voraussetzung zur Aufklärung der Zusammenhänge

Page 97: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

89

zwischen den Eigenschaften der mikroskopischen Strukturkomponenten und den technischen

Eigenschaften der Verbundwerkstoffen. Die Belastung und das Verhalten der Grenzfläche in

den verschiedenen mikromechanischen Einzelfaserversuchen ähnelt in wichtigen Aspekten den

Verhältnissen in realen Verbunden. Die vergleichsweise definierten Bedingungen und die

fehlende Wechselwirkung mit den Nachbarfasern erlauben in den Einfasersystemen eine

einfachere modellmäßige Beschreibung und experimentelle Verifizierung wesentlicher

Mechanismen des Grenzflächenversagens. Ein detailliertes Verständnis des Einflusses der

Grenzfläche auf die Verbundeigenschaften ist ohne ein adäquates Verständnis der

mikromechanischen Versuche nicht möglich.

5.2 Kurzer Überblick über mikromechanische Modellierung der Faser-Auszugs-

Problematik

Die Übertragung und Umverteilung lokaler Belastungen zwischen Matrix und Faser durch die

Faser-Matrix-Grenzfläche bestimmt die Verstärkungs- und Versagensmechanismen faserver-

stärkter Materialien wesentlich. Die Beschreibung der auftretenden Spannungsverteilungen in

der Faser-Matrix-Grenzfläche ist eine grundlegende Zielstellung der mikromechanischen

Modellierung. Ein in realen Kurzfaser-Verbunden und mikromechanischen Versuchen häufig

auftretender Fall ist die Belastung eines aus dem Matrixverbund herausragenden Faserendes

bis zum Versagen der Haftung mit der Matrix. Diese Konstellation wird als ‘Fibre-Pull-Out’

bezeichnet und ist Gegenstand zahlreicher theoretischer Modellierungen (Review: [136],

[142]). Die meisten der Modelle beziehen sich auf die Belastung einer einzelnen Faser in

einem Ausschnitt aus einem idealisierten Mehrfaser-Verbundwerkstoff. Die Wechselwirkung

mit den Nachbarfasern der unmittelbaren Umgebung wird im allgemeinen nicht im Detail

berücksichtigt, sondern im Sinne einer ‘mean-field’-Näherung über die Definition einer

rotationssymmetrischen Einheitszelle mit entsprechenden Randbedingungen näherungsweise

einbezogen. Die Modellierung des verbleibenden Einfasersystems wird durch die Reduktion

auf eine axialsymmetrische, zweidimensionale Analyse vereinfacht.

Als Objekt zur Untersuchung des mikroskopischen Grenzflächenversagens wurde in dieser

Arbeit der Einzelfaser-Auszugsversuch gewählt. Er besitzt a priori eine rotationssymmetrische

Geometrie. Obwohl die Belastung der Faser dem Einheitszellenmodell des ‘Pull-Out’ im

Mehrfaserverbund entspricht, besteht doch ein wesentlicher Unterschied in der Größe des

umgebenden Matrixzylinders und den gewählten Randbedingungen. Beim Mehrfaserverbund-

modell ist der äußere Radius des Matrixzylinders durch den Faservolumenanteil bestimmt, es

ergibt sich nur eine relativ schmale Matrixhülle um die Faser. Infolge der Wechselwirkung mit

den umgebenden Fasern ist der äußere Mantel nicht spannungsfrei. Beim Einzelfaser-

Auszugsversuch umgibt den eingebetteten Teil der Faser ein im Vergleich dazu sehr großer

Page 98: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

90

Matrixbereich (Matrixtropfen), dessen seitliche Flächen spannungsfrei sind. Für diese spezielle

Geometrie existieren explizit relativ wenige analytische Modelle, daher werden zur Beschrei-

bung des Einzelfaser-Auszugsversuchs die Mehrfaserverbundmodelle mit herangezogen.

Historisch und auch noch aktuell die größte Bedeutung besitzt eine ganze Gruppe von

Modellen, die als ‘Shear-Lag’-Näherungen klassifiziert werden und auf einen Ansatz von COX

[143] zurückgehen. Die spezielle Formulierung für den Faserauszug wurde von GRESZCZUK

[144] und LAWRENCE [145] vorgenommen. Die allgemeinen Kennzeichen dieser Näherung

sind die folgenden:

a) Faser und Matrix werden durch zwei konzentrische, linear elastische, perfekt miteinander

verbundene Zylinder repräsentiert

b) auf Grund ihrer hohen Steifigkeit wird die Deformation der Faser als homogen über ihren

Querschnitt angenommen und nur durch eine axiale Verschiebung u zzFaser beschrieben

c) im Mittelpunkt der Betrachtung steht das differentielle Kraftgleichgewicht zwischen der

axialen Belastung der Faser P zFaser und der Scherspannung i rzMatrix

fz z r r ,

(„Grenzflächenscherspannung“) der Matrix an der Grenzfläche: dP z r z dzFaser f i 2

d) die Differenz der axialen Verschiebungen der Matrix an der Faseroberfläche

u z r r u zzMatrix

f zFaser, und den durch Randbedingungen vorgegebenen Ver-

schiebungen u z r rzMatrix

m, auf der äußeren Matrixzylinderfläche wird dazu genutzt, um

mittels vorgegebener Ansatzfunktionen einen Zusammenhang zu den an der Grenzfläche

wirkenden Scherspannungen zu konstruieren: i rzMatrix

zMatrix

f zMatrix

mz z u z r u z r , , , ,

e) die Ansatzfunktionen zwischen Verschiebung und Scherspannung in der Matrix werden

durch willkürliche Vernachlässigungen von Spannungs- und Deformationskomponenten

und ihrer Richtungsableitungen in den Gleichgewichts- und Kompatibilitätsbedingungen

sowie dem HOOKE’schen Materialgesetz erhalten. Diese Ansatzfunktionen erfüllen die

elastomechanischen Bedingungen nur unvollständig.

Die Standardform der ‘Shear Lag’-Annahmen (LAWRENCE [145]) ignoriert die

Radialspannungen rr und die axiale Abhängigkeit der Matrixdehnspannungen zz z in den

axialsymmetrischen Gleichgewichtsbedingungen:

zzMatrix

rzMatrix

rzMatrix

rzMatrix

rzMatrix

z r r r r 0 (5.3a)

und im HOOKE’schen Materialgesetz:

Page 99: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

91

Em zzMatrix

zzMatrix

m rrMatrix Matrix

zzMatrix (5.3b)

sowie die Änderung der radialen Verschiebungen in axialer Richtung:

2

rz

Matrix rMatrix

zMatrix

zMatrixu

z

u

r

u

r

(5.3c).

Die verbleibenden Gleichgewichtsbedingungen und HOOKE’schen Gleichungen werden

überhaupt nicht berücksichtigt ([146], [147]).

Unter diesen Voraussetzungen wird als Ansatzfunktion eine einfache Proportionalität der

Grenzflächenscherspannung zur Differenz der axialen Verschiebungen erhalten:

i zMatrix

f zMatrix

mz H u z r u z r , , (5.3d).

Dieser Zusammenhang bildet die zentrale Annahme der meisten Varianten der ‘Shear-Lag’-

Modelle. Die Proportionalitätskonstante H hängt neben den Abmessungen des Matrixzylinders

(bzw. dem Faservolumenanteil) auch von der Annahme für die Spannungsrandbedingungen auf

dem Außenradius rm des Matrixzylinders ab und hat z.B. bei COX und GRESZCZUK die

Form: H G r r rm f m f / ln / .

Unter den Voraussetzungen des Modells von LAWRENCE erhält man damit folgenden, für die

‘Shear Lag’-Näherungen typischen Zusammenhang zwischen Faserbelastung P und der Scher-

spannungsverteilung i z in der Grenzfläche [136] im Abstand z zur Matrixoberfläche:

i

f

fzP

rl z z

2coth cosh sinh (5.4)

mit

22

G

r E r rm

f f m fln / ( Gm ... Schermodul der Matrix).

Das Modell liefert einen endlichen, maximalen Wert für die Scherspannung in der

Grenzfläche. Er tritt am Eintauchpunkt der Faser in die Matrix ( z 0) auf und ergibt sich zu:

max coth

P

rl

f

f2 (5.5).

In der üblichen Form der Interpretation des Modells vermittelt Gl. 5.5 den Zusammenhang

zwischen der maximalen Scherspannung d , welcher die Grenzfläche widerstehen kann

(„Grenzflächenscherfestigkeit“), und der im Moment des Grenzflächenversagens beobachteten

äußeren Belastung der Faser Pmax .

Beim Einzelfaser-Auszugsversuch führt die Identifikation des Außenradius des

Matrixzylinders rm mit den Außenabmessungen des Tropfens zu unakzeptablen Ergebnissen

für . Die Überlegungen, welche dem Modell zugrundeliegen, gehen von einem nur schmalen

Matrixzylinder aus. Es wird versucht dies für den Einzelfaser-Auszugsversuch zu

Page 100: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

92

berücksichtigen, indem man die ‘Shear-Lag’-Betrachtungen nur auf einen Ausschnitt des

Matrixbereichs um die Faser in Gestalt eines im Tropfeninneren liegenden Matrixzylinders

beschränkt. Dessen Durchmesser ist allerdings nicht bekannt. Der Parameter wird daher für

die Auswertung von Einzelfaser-Auszugsexperimenten als unbekannter Parameter betrachtet,

der an die Ergebnisse angepaßt werden muß.

Im Vergleich mit detaillierteren Analysen auf numerischer Basis zeigt sich, daß die‘Shear-

Lag’-Modelle den tatsächlichen Spannungsverhältnissen in der Matrix und der Grenzfläche

nicht gerecht werden und diesen höchstens in qualitativer Weise im Mittelbereich des

eingebetteten Faserteils entsprechen ([136], [147]). Aufgrund der geometrischen Inhomo-

genitäten an den Faserkanten bzw. am Eintauchpunkt der Faser in die Matrix ergeben sich an

diesen Stellen im ideal elastischen Modell Spannungssingularitäten ([148], [149]), die auch

unter realen Verhältnissen (endliche Schärfe der Kanten, Matrixfließen) hohen Konzen-

trationen und starken Gradienten für sämtliche Spannungskomponenten entsprechen.

Die im ‘Shear-Lag’-Ansatz getroffenen Vernachlässigungen korrespondieren mit den

tatsächlich in der Umgebung der Faser herrschenden Bedingungen in keiner Weise und sind

nicht zu rechtfertigen. Dies konnte aus dem Vergleich des in dieser Arbeit vorgestellten FE-

Modells mit den der Shear-Lag-Näherung zugrundeliegenden Annahmen Gl. 5.3 demonstriert

werden (SINGLETARY [147]). Keine der vorgenommenen Vereinfachungen konnte mit

befriedigender Übereinstimmung bestätigt werden. Besonders unakzeptable Ergebnisse liefern

die Vernachlässigung der axialen Abhängigkeit in den Matrixspannungen entsprechend

Gl. 5.3a im gesamten Matrixbereich und des Einflusses der Radial- und Umfangsspannungen

auf die axiale Deformation Gl. 5.3b im Bereich der Rißspitze. Auch läßt sich kein Radius für

einen Matrixzylinder um die Faser finden, auf dem die Randbedingungen nur annähernd den

Annahmen des GRESZCZUK-Modells entsprechen. Sehr starke Abweichungen ergaben sich

für sämtliche Annahmen in der Nähe der Faserenden. In diesen Gebieten resultieren die

unvollständige Erfüllung der elastischen Grundgleichungen und die Nichtberücksichtigung von

Komponenten für die Ansatzfunktionen der ‘Shear-Lag’-Modelle in völlig unbrauchbaren

Ergebnissen für die Spannungsverteilung. Doch gerade in diesen räumlichen Bereichen erfolgt

wegen der hohen Spannungskonzentrationen die Initiierung und die Ausbreitung des

Grenzflächenversagens. Um den Prozeß zu beschreiben, sind ‘Shear-Lag’-Modelle daher

denkbar schlecht geeignet. Auch die Nutzung komplizierterer Ansatzfunktionen durch

Einbeziehung z.B. der Radialspannungen ([150], [151], [152]) kann hier keine prinzipielle

Abhilfe schaffen, da die verbesserten analytischen Ansätze nur aus den homogenen Lösungen

rotationssymmetrischer, in axialer Richtung unendlich ausgedehnter Geometrien (LAME’sche

Lösungen: [105]) abgeleitet wurden. Sie sind in den für das Grenzflächenversagen

entscheidenden Zonen ebenfalls nicht gültig.

Page 101: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

93

Neben den ‘Shear-Lag’-Näherungen existieren noch einige andere analytische Modelle für den

Lastübertrag zwischen der Faser und der Matrix, die auf einer vollständigeren Umsetzung der

elastomechanischen Gleichungen und Bedingungen beruhen. Die Modelle von PHAN-THIEN

[153] und MUKI und STERNBERG [154] beschreiben ein System aus einer starren Faser, die

in einen unendlichen, elastischen Halbraum eingebettet ist, mittels Überlagerung der exakten,

linear elastischen Lösungen für Punktkräfte. Die sich ergebenden Integrationen sind jedoch

analytisch nicht zu bewältigen und können nur abgeschätzt oder numerisch berechnet werden.

Bei PHAN-THIEN folgt aus der verwendeten Abschätzung nur die triviale Lösung einer

konstanten Scherspannung längs der Grenzfläche. Die Analyse bei MUKI und STERNBERG

führt auf eine numerische Lösung für die Spannungsverteilung längs der Faser, die wegen des

Umfangs der verwendeten Ausdrücke und der Notwendigkeit einer numerischen Lösung für

eine praktische Auswertung nicht handhabbar ist. Gleiches gilt für die Modellierung von LUK

und KEER [155], die eine Hankel-Transformation der elastischen Grundgleichungen in

Integralgleichungen benutzt, aber ebenfalls eine unüberschaubare und nur numerisch zu

bewältigende Lösung liefert.

Aus diesen Erfahrungen heraus erscheinen mathematisch analytische Modellierungen generell

nicht dazu geeignet, die komplizierten Belastungen der Grenzfläche beim Einzelfaser-

Auszugsversuch befriedigend zu beschreiben.

In der Literatur wird über eine Anzahl von FE-Modellierungen der Einzelfaser-Auszugstests

berichtet ([137], [148], [149], [156]-[160]). In dieser Form der numerischen Analyse können

sämtliche Gleichgewichts- und Kompatibilitätsbedingungen, verschiedenste Materialgesetze

und andere Einflußgrößen in guter Näherung erfüllt werden. Die Komplexität der Geometrien

spielt dabei keine Rolle. Die Genauigkeit der Ergebnisse hängt nur von der Dichte und der

Güte der Vernetzung und damit von der verfügbaren Rechnerleistung ab.

Die bisher umfangreichste FE-Analyse ist die von MAROTZKE ([137], [149], [156], [157])

und untersucht den Einfluß von Faserlänge, elastischen und geometrischen Eigenschaften auf

die Spannungsverteilung in der Grenzfläche. Die Ergebnisse dieser Modellierung bestätigen

die starke Inhomogenität und das Auftreten verschiedener Komponenten der Spannungen in

der Grenzfläche. Obwohl die Modellierung eine weitgehende Beschreibung des Deformations-

verhaltens und der Spannungen beim Einzelfaser-Auszugsversuch liefert, macht sie zugleich

auch ein grundlegendes Problem der Verwendung einer Grenzflächenscherfestigkeit als

Versagenskriterium deutlich.

Es besteht in der Schwierigkeit, aus einer Modellbeschreibung einen definierten Maximalwert

für die auftretende Scherbelastung der Grenzfläche der Probe zu erhalten. In einer vollständig

elastischen Modellierung mit scharfen Geometriekanten an den Faserenden, Debonding-

rißspitzen und am Eintrittspunkt der Faser in die Matrix ergeben sich an diesen Positionen stets

Page 102: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

94

Spannungssingularitäten [149]. Die in der Grenzfläche auftretenden Spannungen überschreiten

bei einem ausreichend geringen Abstand zur geometrischen Störung jede beliebige Grenze.

Unter diesen Umständen ist ein Festigkeitsmaß nicht sinnvoll. In der Realität bleiben die

Spannungen an diesen Stellen natürlich begrenzt, bedingt durch die nur endliche Schärfe der

Geometriekanten und durch die inelastische Verformung des Materials. Die tatsächlich

auftretenden Spannungen werden in höchst empfindlicher Weise durch die konkrete

(submikroskopische) Geometrie und das konkrete mikroskopische Materialgesetz bestimmt.

Beides entzieht sich jedoch weitgehend der Kenntnis und auch der Bestimmungsmöglichkeit

des Untersuchenden. Die auf makroskopischer Ebene und zumeist nur unter einachsigen Span-

nungszuständen ermittelten Materialgesetze sind nicht ohne weiteres auf die mikroskopischen

m - Dimensionen und die dort herrschenden dreiachsigen Spannungen übertragbar.

Ein Ausweg für spröde Materialsysteme ergibt sich durch eine bruchmechanische

Beschreibung des Grenzflächenversagens als Wachstum eines Risses in der Ebene zwischen

zwei benachbarten Materialien mit unterschiedlichen elastischen Eigenschaften. Die bruch-

mechanische Sicht reduziert für die konkrete mikroskopische Geometrie einer Rißspitze unter-

schiedliche Formen der äußeren Belastungen auf einen einheitlichen Belastungszustand, der

durch wenige Parameter beschrieben wird. Auf dieser Ebene läßt sich die Haftung durch die

Widerstandsfähigkeit der Grenzfläche gegen die Ausbreitung des Grenzflächenrisses

beschreiben. Das entsprechende Grenzflächen-Kriterium wird durch eine kritische Energiefrei-

setzungsrate G c gebildet. Bleibt der Bereich inelastischen Materialverhaltens unmittelbar an

der Rißspitze klein gegenüber einer, den Einfluß der äußeren Geometrie kennzeichnenden,

„charakteristischen“ Abmessung (Faserradius), so ist eine konkrete Beschreibung der in dieser

„Prozeßzone“ herrschenden Verhältnisse nicht erforderlich [161]. Sie werden in den die

Grenzschicht charakterisierenden „kritischen“ Parameter ( Gc ) mit einbezogen.

Verschiedene, mathematisch analytische Modelle auf ‘Shear-Lag’-Basis versuchen die

Energiefreisetzungsrate der Grenzflächenrißausbreitung beim Einzelfaser-Auszugsversuch zu

berechnen ([152], [162]-[167]). Wegen ihres nur qualitativen Näherungscharakters kann über

die Zuverlässigkeit der damit erhaltenen Ergebnisse keine Aussage gegeben werden. Auf Basis

von Modellierungen mit Finiten Elementen wurden bruchmechanische Beschreibungen der

‘Pull-Out’-Geometrie von ATKINSON [148], BUCHHOLZ [158], MORRISON [160] und von

GENT [159] vorgestellt. Die dabei modellierten Geometrien betreffen kurze Fasern in einer

vergleichsweise kleinen Matrixumgebung und sind daher nicht repräsentativ für den

mikromechanischen Einzelfaser-Auszugsversuch. Das Modell in [160] ist sehr grob vernetzt

und läßt keine Untersuchung der Rißinitiierung bei kurzen Rißlängen zu.

Eine bruchmechanische Beschreibung gestattet auch eine definierte Charakterisierung der

Überlagerung verschiedener Lastkomponenten in der Grenzfläche, die beim

Page 103: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

95

Einzelfaserversuch insbesondere durch die starken Radialspannungsanteile gegeben sind. Die

Bestimmung der einzelnen ‘Mixed-Mode’-Anteile der Energiefreisetzungsrate ist aus der

Analyse der Rißspitzennahfelder im FE-Modell möglich ([148], [158]).

Zielstellung der in dieser Arbeit vorgenommenen Modellierung des Einzelfaser-Auszugs-

versuchs ist eine in sich konsistente Beschreibung des Versagens spröder Grenzflächen für

elastische Materialien auf Basis des bruchmechanischen Kriteriums der

Energiefreisetzungsrate. Insbesondere soll dabei die Betrachtung der Belastung nicht auf die in

der Grenzfläche auftretenden Scherkräfte beschränkt bleiben, sondern mittels eines ‘Mixed-

Mode’-Versagenskriteriums auch die Überlagerung der radialen Komponenten detailliert

berücksichtigt werden. Die Analyse soll den realen geometrischen Verhältnissen entsprechen

und den Einzelfaser-Auszugs-Versuch für lange, schlanke Fasern in einer ausgedehnten

Matrixumgebung beschreiben.

Eine wesentliche Rolle für den Mechanismus der Lastübertragung zwischen Faser und Matrix

kommt der Reibung in bereits aufgerissenen Teilen der Grenzfläche zu. Ein großer Teil der in

der Literatur zugänglichen Modelle befaßt sich besonders mit diesem Aspekt des Faser-

Auszugs ([139], [152], [165], [168]). Der Einfluß der Reibung wird darin relativ unabhängig

vom eigentlichen Prozeß des Grenzflächenversagens untersucht. Dessen Einbeziehung in die

Analysen erfolgt nur auf Grundlage sehr einfacher Näherungen (‘Shear-Lag’, empirische

Kriterien), die in keinem Fall über die bereits dargestellten Beschreibungsversuche

hinausgehen. Hinsichtlich einer Übersicht über diese Modelle sei auf [139] verwiesen.

Das große Leistungsvermögen der FE-Analyse zeigt sich besonders bei der Einbeziehung

komplizierter Einflußfaktoren, wie z.B. inelastischem Materialverhalten in Form von Matrix-

plastizität oder -schädigung. Die Interpretation dieser, für Kunststoffmaterialien besonders

wichtigen, Prozesse geht über die Möglichkeiten der herkömmlichen, linear elastischen Bruch-

mechanik hinaus und erfordert die Anwendung wesentlich komplexerer Konzepte auf Basis

einer Schädigungs- und Fließbruchmechanik. Eine Ausdehnung der hier vorgestellten Analyse

auf die Berücksichtigung inelastischer Mechanismen übersteigt den zeitlichen Rahmen dieser

Arbeit. Sie ist als deren Fortführung nach Auswertung aller in der linearen Modellierung

gesammelten Erfahrungen geplant.

Page 104: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

96

5.3 Modellierung des Einzelfaser-Auszugstests

5.3.1 Geometrie

Die dem FE-Modell des Einzelfaser-Auszugsversuchs zugrundegelegte Geometrie ist in

Abb. 5.3 dargestellt. Sie entspricht in etwas schematisierter Form der sogenannten ‘Micro-

Bottom-Load’-Variante des Tests [58], die ausführlich in [36] und [129] beschrieben ist. Der

auf den Probenhalter aufgebrachte Matrixtropfen wird im vorliegenden Modell durch einen

Zylinder idealisiert, dessen Radius rm und Höhe lm als groß gegenüber der Länge l f des

eingebetteten Teils der Faser angenommen werden: l r lm m f 4 8.. . Variationen der relativen

Abmessungen des Matrixzylinders bewirkten in den Resultaten der Modellierung nur sehr

geringe Änderungen von einigen wenigen Prozent, bezogen auf den Absolutwert der

Energiefreisetzungsrate. Im Vergleich zum Einfluß der eingebetteten Faserlänge erwies sich

der Einfluß der Matrixgeometrie jedoch als mindestens ebenbürtig.

Abb. 5.3 Geometrie des Modells der Einzelfaser-Auszugs-Probe

Das Versagen der Haftung wird im Modell

durch die Ausbreitung eines Risses in der Faser-Matrix-Grenzfläche beschrieben, der seinen

Ausgang unmittelbar unter der Matrixoberfläche nimmt und dessen Wachstum entlang nahezu

der gesamten, eingebetteten Faserlänge untersucht wird: r l l rf d f f/10 2 . An welchem

Faserende die Initiierung der Rißausbreitung stattfindet, wird durch die eingebettete Faserlänge

und das Steifigkeitsverhältnis E Ef m/ bestimmt ([137], [169]). Der hier ausschließlich

untersuchte Fall einer von der Matrixoberfläche ausgehenden Rißausbreitung ist für Glasfaser-

Systeme mit einem Längen- zu Durchmesserverhältnis l rf f/ 2 7 realisiert [137] und ist

für die mikromechanischen Einzelfaser-Auszugs-Experimente typisch. Lediglich für relativ zur

Matrix sehr steife Fasern (C-Fasern) oder sehr kurze eingebettete Faserlängen kann über die

Länge der Grenzfläche nicht ausreichend Faserspannung abgebaut werden, so daß am

r m

l f

l d

l frei

l m

2 r f

Probenhalter

Matrixtropfen

Faser

Lastverschiebung u

Lastkraft P

Page 105: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

97

eingebetteten Faserende noch genügend Last vorhanden ist, um eine Rißausbreitung hier zu

initiieren.

Die Aufbringung und Messung der Lastkraft P bzw. der Lastverschiebung u auf das freie Ende

der Faser werden im realen Experiment mittels einer speziell dafür konstruierten Zugein-

richtung über Piezo-Translatoren realisiert. Obwohl die Steuerung der Belastung daher

eigentlich verschiebungskontrolliert erfolgt, wird in den meisten realisierten Testanordnungen

aufgrund der langen freien Faserlänge der Beginn der instabilen Rißausbreitung durch die

aktuelle Lastkraft kontrolliert. Das Belastungssystem reagiert demzufolge träge, was einen

frühzeitigen Beginn der instabilen Rißausbreitung begünstigt. Erst in letzter Zeit ist es

gelungen, die Probe so zu gestalten, daß die freie Faserlänge kurz bleibt [132]. Bei dieser

Versuchsdurchführung kann stabile Rißausbreitung über einen weiten Bereich entlang der

Faserlänge aufrecht erhalten werden. Zugleich wurde durch ebene Probengestaltung die

Möglichkeit geschaffen, die aktuelle Länge des Debondingrisses im Experiment zu verfolgen.

Dies eröffnet neue Perspektiven für die Untersuchung des Debonding.

5.3.2 FE-Modell des Einzelfaser-Auszugs-Tests

Die rotationssymmetrische Geometrie gestattet eine einfache Beschreibung der Probe mit

einem zweidimensionalen, axialsymmetrischen Modell. Für die FE-Analyse ([138], [170])

wurden linear elastisches Deformationsverhalten vorausgesetzt und isoparametrische 2D-

Solidelemente mit 8 Knoten verwendet. Die Beschreibung der Rißausbreitung erfolgt über die

Berechnung einer ganzen Reihe von FE-Modellen für eine Probe unter schrittweiser Erhöhung

der Grenzflächenrißlänge ld . Für die Untersuchung der Rißinitiierung bei extrem kurzer

Rißlängen r l rf d f/10 2 wurde eine Vernetzung mit einer sehr kleinen Riß-Schrittweite

l rd f /10 benutzt. Die Modellierung im Bereich r l l rf d f f 2 bis zum fast vollständigen

Debonding verwendete eine Schrittweite von l rd f / 2 für die Rißlänge. Eine hinsichtlich

der Netzdichte stark reduzierte Darstellung der Vernetzung ist in Abb. 5.4 zu finden. Die in

Kap. 2.3.1 eingeführten Prinzipien zur Netzgestaltung bei der bruchmechanischen FE-

Modellierung wurden auch beim Modell des Einzelfaser-Auszugs berücksichtigt. Die etwas

komplizierte Aufteilung der Probe in unterschiedlich vernetzte Bereiche ermöglicht die lokale

Konstanz der Vernetzung bei der Änderung der Rißlänge. Neben der unmittelbaren

Rißspitzenzone wurden unregelmäßig vernetzte Flächen auch eingesetzt, um zwischen den fein

vernetzten Gebieten dicht um die Faser und dem nur wenig belasteten und daher gröber ver-

netzten äußeren Matrixbereich zu vermitteln. Allein auf diese Weise konnten große äußere

Abmessungen der Matrix bei gleichzeitig extrem feiner Vernetzung der Rißspitze und der

Grenzfläche mit einem akzeptablen Aufwand an Elementen verwirklicht werden. Zur Untersu-

chung der singulären Felder an der Rißspitze wurde das Netz in dieser Umgebung bis zu einer

Page 106: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

98

Größe der singulären Rißspitzenelemente von weniger als 0,1% des Faserradius als charak-

teristischer Abmessung verfeinert. Zahlreiche Rechnungen unter Variation der Vernetzungs-

parameter demonstrierten die Zuverlässigkeit der mit dieser Vernetzung erhaltenen Ergebnisse.

Faser

Matrix

Last

Probenhalter

Rißspitze

Riß

Abb. 5.4 FE-Vernetzung der Einzelfaser-Auszugs-Geometrie (vergröberte Darstellung)

Sämtliche Proben- und Netzparameter wurden über Variable parametrisiert. Der gesamte

Analyseablauf für eine Probe erfolgte mittels Makrosteuerung automatisch, was die

Bewältigung des großen Rechenaufwandes für die Vielzahl der untersuchten Parameter-

kombinationen überhaupt erst ermöglichte. Die Knotenanzahl der berechneten Modelle lag

zwischen 8000-15000 Knoten. Zur Berechnung einer Probe wurden etwa 20-50 FE-Modelle

unterschiedlicher Rißlänge analysiert, die Rechenzeit mit der FE-Software ANSYS 5.0 auf

einem Personalcomputer AT486 betrug dafür zwischen 8-24 Stunden.

Die für die Modellierung verwendeten Materialeigenschaften für Faser und Matrix können als

repräsentativ für spröde Glasfaser-Kunststoffmatrixsysteme angesehen werden. Die

Matrixeigenschaften sind mit denen von Epoxidharz und Polycarbonat vergleichbar.

Tabelle 5.1 Elastische Eigenschaften der modellierten Faser-Matrix-Systeme

Faser (Glas) Matrix 1 (Epoxidharz) Matrix 2 (Polycarbonat)

E GPaf 80

G GPaf 30,8

f 0,3

E GPam 5

G GPam 1 92,

m 0,3

E GPam 2,5

G GPam 0,96

m 0,3

Ausgehend von diesen Werten wurden auch geänderte Varianten untersucht.

Page 107: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

99

5.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen

5.3.3.1 Compliance und Energiemethode

Die durchgeführte FE-Modellierung bleibt auf die lineare Beschreibung der Deformation und

des Materialverhaltens beschränkt. Damit ist zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate auch

deren lineare Definition aus der Compliance ( ) ( ) ( )C l u P l P ld d d= , / hinreichend:

( ) ( )G P l

P

r

dC l

dld

f

d

d

, = ⋅2

4π (5.6).

Aus der FE-Modellierung werden diskrete Werte für die Abhängigkeit der Nachgiebigkeit

( ) ( )( )C li d i von der Rißlänge erhalten. Eine Interpolation der Ergebnisse, z.B. durch stückweise

Polynomfunktionen, ermöglicht die näherungsweise Berechnung der Ableitung und damit der

Energiefreisetzungsrate entsprechend Gl. 5.6. Dieses Verfahren wurde bereits in Kap. 2.3.3.1

als Compliance-Methode am Beispiel der DCB-Probe vorgestellt [82].

Die ebenfalls dort als Energie-Methode beschriebene, alternative Berechnungsvariante kann

völlig analog verwendet werden, um die Energiefreisetzungsrate aus den Ergebnissen des

Modells für die in den Elementen gespeicherte elastische Energie U zu ermitteln:

( ) ( )G P l

r

U P l

ld

f

d

d P const

,,

= ⋅=

1

∂ (5.7).

Beide Verfahren beziehen sich auf unabhängige Ergebnisse der FE-Modellierung. Trotzdem

liefern sie beim hier vorgestellten FE-Modell praktisch völlige Übereinstimmung über den

gesamten Rißlängenbereich (Abb. 5.5) für alle untersuchten Proben.

0,5

1,0

1,5

2,0

0 10 20 30 40 50 60 70Grenzflächenrißlänge l d [µµµµm]

G aus KG aus CG aus UE f = 80 GPa; ν f = 0,3

E m = 5 GPa; ν m = 0,3

r f = 5 µm

l f = 75 µm

G

G Frei

0,99

1,00

1,01

0 10 20 30 40 50 60 70

Relative Abweichung zwischen den Methoden

G(E)

G(K)

Grenzflächenrißlänge l d

Abb. 5.5 Vergleich der Methoden zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen: Energiemethode (U); Compliancemethode (C); Berechnung aus den Spannungsintensitätsfaktoren (K)

Page 108: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

100

5.3.3.2 Bestimmung der ‘Mixed-Mode’-Anteile aus den Rißspitzen-

nahfeldern

Die unterschiedlichen bruchmechanischen Belastungsanteile in der Rißspitzenumgebung

werden aus der Untersuchung der dort auftretenden Spannungsfelder ermittelt. Die prinzipielle

Verfahrensweise der Extrapolation der Spannungsintensitätsfaktoren aus den an den Ligament-

knoten erhaltenen Näherungswerten entspricht dabei dem im Kapitel 2.3.3.2 für die DCB-

Probe dargestellten Verfahren. Allerdings unterscheiden sich die Terme für die singulären

Felder. Die singulären Ausdrücke für einen Riß an der Grenzfläche zwischen zwei elastischen

Materialien wurden von WILLIAMS und RICE entwickelt und sind in [161] und [171]-[173]

erläutert. Für die Spannungen auf dem Ligament ergibt sich folgender Zusammenhang im

Rißspitzensystem (r... Abstand zur Rißspitze, ϕ ... Winkel zum Ligament):

( ) ( ) ( )σ σπ

ϕϕ ϕεligament

rligament i rr i r

K i K

re+ ⋅ =

+ ⋅⋅ ⋅1 2

2

ln (5.8).

Der Parameter ε ist die sogenannte Bimaterialkonstante und folgt aus den elastischen

Eigenschaften beider Materialien (Fall: ebener Verzerrungszustand):

( )( )

επ

ν

ν= ⋅

− +

− +

1

2

3 4 1

3 4 1f f m

m m f

G G

G G

/ /

/ / (5.9).

Für übereinstimmende, elastische Materialeigenschaften gilt ε = 1 und Gl. 5.8 nimmt die

bekannte Gestalt für isotrope Materialien an. Allgemein ist häufig ε <<1 erfüllt, so auch für

die hier modellierten Materialsysteme (Tab. 5.1): εFaser Matrix/ ,1 0 082= − ; εFaser Matrix/ ,2 0 088= − .

In der Formulierung Gl. 5.8 werden die Ligamentspannnungen durch einen komplexen

Spannungsintensitätsfaktor K K i K= + ⋅1 2 festgelegt. Im Gegensatz zu den homogenen

Materialien findet beim Riß an einer Grenzfläche keine generelle Entkopplung zwischen den

Komponenten des Spannungsintensitätsfaktors (K1 bzw. K2 ) und der Scher- bzw. Normal-

spannungskomponente ( ( )σ ϕrligament r und ( )σϕϕ

ligament r ) statt [161]. Ursache dafür ist das Auftreten

eines distanzabhängigen Faktors ( )e i rε⋅ln neben der üblichen r−1 2/ -Abhängigkeit für den Betrag

der Spannungen. Dieser bewirkt eine Rotation um einen Winkel ( )ε ⋅ ln r im komplexen Raum

bei der Zuordnung der Spannungskomponenten ( ) ( )σ σϕϕ ϕligament

rligamentr i r+ ⋅ zu den Komponenten

des komplexen Spannungsintensitätsfaktors K K i K= + ⋅1 2 . Eine Entkopplung ist nur für

diskrete Abstände rn gegeben, für die der Winkel ein Vielfaches von π ergibt: ( )n rn⋅ = ⋅π ε ln ,

dazwischen ist jede beliebige Zuordnung der Komponenten denkbar. Für die Beschreibung

realer Proben erweist sich die Oszillation im Hinblick auf die Mehrfachkeit der Lösungen

allerdings als bedeutungslos, da aufgrund der logarithmischen Abhängigkeit zwischen

Rißspitzendistanzen rn für unterschiedliche Perioden n mehrere Größenordnungen Unterschied

Page 109: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

101

bestehen: ( )r rn n+ =1 / exp /π ε . Am Beispiel εFaser Matrix/ ,1 0 082= − ergibt sich für

r rn n+−≈ ⋅1172,3 10/ , was die praktische Irrelevanz der Vorstellung einer „Oszillation“ der

Felder anschaulich demonstriert: der Abstand zwischen zwei benachbarten Perioden entspräche

gerade dem Verhältnis von Atomgröße (10 10− m ) und dem doppelten Durchmesser der Erd-

kugel (1 2 10 7, ⋅ m ). Die vieldiskutierte Oszillation und das damit verbundene Überlappen der

Rißufer im theoretischen Modell [174] verlieren sich in der inelastischen Prozeßzone, über

deren innere Verhältnisse im Rahmen der Bruchmechanik keine Aussage gemacht werden kann

und werden soll. Ist diese Zone ausreichend klein gegenüber der äußeren Geometrie (beschrie-

ben durch die „charakteristische Länge“), so würde auch eine exakte Berücksichtigung der

tatsächlich in der Prozeßzone auftretenden Randbedingungen eine Spannungsverteilung liefern,

die durch Gl. 5.8 mit guter Genauigkeit im Bereich oberhalb der Größe der Prozeßzone und

unterhalb der Größe der charakteristischen Länge wiedergegeben wird [161]. Die Gültigkeit

der singulären Felder entsprechend Gl. 5.8 wurde auch durch die Ergebnisse der FE-

Modellierung bestätigt, bei der die Prozeßzone gewissermaßen durch die Größe der

Rißspitzenelemente r rc f= ⋅0 001, repräsentiert wird.

Aus den singulären Spannungen entsprechend Gl. 5.8 kann für jeden Knoten m auf dem

Ligament eine Näherung für die Komponenten des komplexen Spannungsintensitätsfaktors

berechnet werden [173]. Die Extrapolation auf die Rißspitze kompensiert den Einfluß der

nichtsingulären Spannungsfelder, wie in Kapitel 2.3.3.2 beschrieben:

( ) ( )( )( )( ) ( )( )( )K i K r e r i r

r

i r ligamentm r

ligamentm

m

1 20

2+ ⋅ = ⋅ ⋅ + ⋅

− ⋅lim

lnπ σ σ

ε

ϕϕ ϕ (5.10)

Wegen der Linearität der sich aus den FE-Resultaten ergebenden Verteilung ist die

Extrapolation problemlos möglich (Abb. 5.6).

Abb. 5.6 Beispiel für Extrapolation der Mode-1- und Mode-2- Spannungsintensitätsfakto-ren aus den Spannungser-gebnissen des FE-Modells an den Ligamentknoten

-0,3

-0,2

-0,1

0,0

0,1

0,2

0,3

0,05 0,10 0,15 0,20

Abstand von Rißspitze r [µµµµm]

K m K 1, (k)

K 2, (k)

K m,(k) aus σ ij,(k)

Ligament

Page 110: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

102

Der Zusammenhang zwischen der Energiefreisetzungsrate und den Komponenten des

komplexen Spannungsintensitätsfaktors kann für das axialsymmetrische System in sehr guter

Näherung durch die Ausdrücke für den ebenen Verzerrungszustand ([161], [172]) vermittelt

werden [148]:

( ) ( )G K

G GK

f

f

m

m1 1 1

2

1 1

4=

−+

⋅⋅

ν ν

πεcosh (5.11a)

( ) ( )G K

G GK

f

f

m

m2 2 2

2

1 1

4=

−+

⋅⋅

ν ν

πεcosh (5.11b)

( ) ( ) ( )G K K G K G K1 2 1 1 2 2, = + (5.11c)

Durch die hohe Steifigkeit der Faser wird eine Deformation in Umfangsrichtung in

unmittelbarer Umgebung der Faseroberfläche nahezu vollständig verhindert, so daß hier

praktisch die Bedingungen des ebenen Verzerrungszustandes realisiert sind [175]. Die

Richtigkeit dieser Annahme kann über den Vergleich der FE-Ergebnisse für die aus der

Compliance-, der Energie-Methode und den Spannungsintensitätsfaktoren ermittelten Werte

der Energiefreisetzungsrate bestätigt werden. Die Methoden liefern eine außerordentlich gute

Übereinstimmung (Abb. 5.5).

Ermittelt man den komplexen Spannungsintensitätsfaktor K aus den singulären Feldern um die

Rißspitze gemäß z.B. Gl. 5.10, so ergibt sich der zunächst unerwartete Effekt, daß das

Verhältnis seiner beiden Komponenten K K2 1/ , also gewissermaßen das ‘Mixed-Mode’-

Verhältnis, vom bei der Modellierung verwendeten Maßeinheitensystem für den Abstand zur

Rißlänge r abhängt. Ursache ist wiederum der Faktor ( )ε ⋅ ln r , der eine Drehung im komplexen

Raum der Spannungszustände beschreibt. Er ist der Ausdruck für die Tatsache, daß sich das

Verhältnis von Scherspannungskomponente zu Normalspannungskomponente auf dem

Ligament eines Risses zwischen unterschiedlichen elastischen Materialien mit dem Abstand

von der Rißspitze ändert [161]. Im Gegensatz zum Riß in homogenen Materialien wird der

Belastungszustand beim Grenzflächenriß also nicht durch ein konstantes Verhältnis von

Normalbelastung und Scherbelastung in der Rißebene charakterisiert.

Dennoch beschreiben die zwei Konstanten K1 und K2 die in der Nähe der Rißspitze

auftretenden Felder eindeutig. Lediglich die strenge Zuordnung von K2 zur Scherbelastung

und von K1 zur Normalbelastung der Rißebene ist wegen der Änderung des Verhältnisses

dieser Spannungskomponenten mit dem Abstand r von der Rißspitze nicht mehr generell

möglich. Nur für jeweils einen Abstand r, an dem der Wert dieser Distanz den Betrag r = 1

Page 111: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

103

annimmt, existiert diese Zuordnung (wenn man die hypothetische „Oszillation“ außer acht

läßt). Diese Stelle ist durch das Verschwinden der Winkeldifferenz zwischen der komplexen

Spannung und dem komplexen Spannungsintensitätsfaktor in Gl. 5.8 gekennzeichnet:

( )ε ⋅ = =ln r 1 0 .

Der Übergang zu einem anderen Einheitensystem [ ]r' entspricht einfach nur einer Transformation der Komponenten des Spannungsintensitätsfaktors, um dieser entkoppelten

Zuordnung an der neuen Position r' = 1 zu entsprechen. Die Spannungsfelder bleiben davon

unberührt. Das eigentliche Problem ist die mathematisch unklare Definition von Gl. 5.8, in

welcher der Logarithmus auf eine mit einer Maßeinheit versehene Größe angewendet wird. Die

Wahl einer Maßeinheit [ ]r bei seiner Ausführung impliziert immer die Vorgabe eines Normierungsabstandes [ ]r r0 1= ⋅ , der gerade einer Einheit dieses Maßes entspricht:

( ) ( )ε ε⋅ → ⋅ln ln /r r r0 . Für diesen Abstand r0 auf dem Ligament ist die reine Zuordnung

( ) ( )K r rligament1 0 0⇔ σϕϕ und ( ) ( )K r rr

ligament2 0 0⇔ σ ϕ der Komponenten des Spannungsintensitäts-

faktors zu den Spannungskomponenten realisiert. Die Transformation von einem auf die

Maßeinheit [ ]r bezogenen Spannungsintensitätsfaktor [ ]( )K r auf den Wert ( )K r0 ist in

identischer Weise für einen beliebigen Rißspitzenabstand r0 möglich und folgt einfach aus

einer Umformung von Gl. 5.8:

( ) ( ) ( ) [ ]( ) [ ]( )( ) [ ]( )

( ) ( )( )

σ σπ π

π

ϕϕ ϕε

εε

ε

ligamentrligament i r

i r ri

r

r

ir

r

r i rK i K

re

K r i K r e

re

K r i K r

re

+ ⋅ =+ ⋅

⋅ =+ ⋅ ⋅

=+ ⋅

⋅⋅

1 2 1 2

1 0 2 0

2 2

2

0

0

0

ln

ln /ln

ln

(5.12).

Die Transformation von dem im Maßeinheitensystem [ ]r ermittelten Spannungsintensitäts-faktor auf einen beliebigen Normierungsabstand r0 wird vermittelt durch:

( ) ( )( ) [ ]( ) [ ]( )( ) [ ]( )K r i K r K r i K r ei r r

1 0 2 0 1 20+ ⋅ = + ⋅ ⋅ ⋅ε ln /

(5.13).

Die Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den transformierten Werten ( )K r0 erfolgt

entsprechend den Gl. 5.11. Das Ergebnis für den Gesamtwert ( ) ( )( )G K r K r1 0 2 0, ist unabhängig

vom gewählten Normierungsabstand r0 , nur die Aufteilung auf die Moden ( )( )G K r1 1 0 und

( )( )G K r2 2 0 wird davon beeinflußt.

Die Werte für die Komponenten des Spannungsintensitätsfaktors oder der Energiefrei-

setzungsrate können für einen Grenzflächenriß demnach nicht unabhängig von einem

zugrundegelegten Normierungsabstand r0 angegeben werden. Das daraus abzuleitende ‘Mixed-

Mode’-Verhältnis ( ) ( )K r K r2 0 1 0/ charakterisiert den speziellen Wert für das Verhältnis von

Page 112: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

104

Scherspannung zu Normalspannung ( ) ( )σ σφ ϕφrligament ligamentr r0 0/ , der auf dem Ligament an der

Position des Normierungsabstandes r0 eingenommen wird.

Obwohl die strenge Zuordnung von Mode 1 zur Normalbelastung und von Mode 2 zur Scher-

belastung beim Grenzflächenriß nicht gegeben ist, bleibt in der Praxis dennoch eine gewisse

Korrelation erhalten. Die durch den Winkel ( )ε ⋅ ln /r r0 vermittelte Drehung des Spannungs-

zustandes über den Bereich, in dem die singulären Felder überhaupt gültig sind, ist wegen des

meist sehr kleinen Wertes für ε gering. Dieser Bereich beginnt etwa eine Dekade unterhalb der

charakteristischen Abmessung und erstreckt sich höchstens über ein bis zwei Dekaden bis

hinab zur Prozeßzonengröße. Für das hier berechnete Materialsystem mit εFaser Matrix/ ,1 0 082= −

folgt für die Rotation des Spannungszustandes ein Wert von ca. 11° pro Abstandsdekade. Wird

der zur Definition der Spannungsintensitätsfaktoren benötigte Normierungsabstand r0 in der

Größenordnung zwischen Prozeßzone und charakteristischer Abmessung gewählt, so ist über

diesen Bereich die Zuordnung von ( )K r1 0 zur Normalbelastung ( )σϕϕligament r0 und von ( )K r2 0

zur Scherbelastung ( )σ ϕrligament r0 näherungsweise erfüllt.

5.3.4 Berechnung der Last-Verschiebungs-Kurven

Die Energiefreisetzungsrate G liefert das bruchmechanische Kriterium, ob für eine Probe mit

einer aktuellen Rißlänge ld unter einer Belastung P Rißausbreitung stattfindet:

( ) ( )G P l G ld c d, ≥ (5.14).

Die kritische Größe Gc entspricht der für eine Erhöhung der Rißfläche vom Material veraus-

gabten Energie. Diese wird aber neben den Materialeigenschaften auch noch durch die

Mechanismen bestimmt, unter denen sich die Rißausbreitung vollzieht. Im allgemeinen

existieren unterschiedliche mikroskopische Prozesse des Versagens, die in Abhängigkeit von

der äußeren Belastung angeregt werden. Die kritische Energiefreisetzungsrate ist daher für

reale Materialien keine Konstante, sondern hängt von der Geometrie und der aktuellen

Belastung ab. Sie wird im Einzelfaser-Auszugs-Versuch durch die Überlagerung von Radial-

und Normalspannungskomponenten in der Grenzfläche bestimmt, die sich im Verlauf der

Rißausbreitung ändern. In Gl. 5.14 wird dies durch die Annahme einer Rißlängenabhängigkeit

der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G lc d berücksichtigt.

Aus der Definition der Energiefreisetzungsrate ( )G P ld, entsprechend Gl. 5.6 kann die zur

Ausbreitung des Risses (d.h. zur Erfüllung von Gl. 5.14) bei einer bestimmten Rißlänge

notwendige äußere Kraft ( )P ld d berechnet werden:

Page 113: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

105

( )( ) ( )( )

P l G lr G l

dC l

dl

d d c df c d

d

d

, =⋅

4π (5.15).

Die dazu gehörende Verschiebung ( )u Pd d des in die Prüfmaschine eingespannten Endes der

freien Faser ergibt sich über die Compliance ( )C ld der Probe am Matrix-Austrittspunkt der

Faser und der Dehnung des freien Faserteils l frei :

( )( ) ( ) ( )u P l l P l C ll

E rd d d frei d d d

frei

f f

, = ⋅ +

π 2 (5.16).

Die Belastung durch die Prüfmaschine erfolgt meist verschiebungsgesteuert. Das Rißwachstum

kann dafür nur solange stabil gehalten werden, wie zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts

der Rißausbreitung entsprechend Gl. 5.15 und 5.16 eine Steigerung der Lastverschiebung

( )u Pd d mit der Rißlänge notwendig ist. Kommt man über diesen Bereich hinaus, kann die

Prüfmaschine auf Grund der Trägheit nicht schnell genug die Lastverschiebung auf den sich

verringernden Gleichgewichtswert zurücknehmen. Dies entspricht dem Beginn des instabilen

Rißwachstums und der Riß breitet sich schlagartig entlang der gesamten, verbleibenden

Grenzfläche aus.

Für lange freie Faserlängen bleibt der Ausdruck in der Klammer auf der rechten Seite nahezu

konstant, und die Änderung der Lastverschiebung ist proportional der Änderung der Lastkraft.

In diesem Fall entspricht der Beginn der instabilen Rißausbreitung auch der maximalen

Debondingkraft ( )[ ]P Max P ld dmax = , die zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der

Rißausbreitung nach Gl. 5.15 erforderlich ist.

Die zur stabilen Rißausbreitung benötigte Belastung ( )( )P l ud d d kann entsprechend den

Gl. 5.15 und 5.16 aus den Ergebnissen der FE-Modellierung für die Compliance berechnet

werden. Für die Beschreibung der Rißlängenabhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungs-

rate ( )G lc d muß eine Modellannahme getroffen werden. Die in dieser Arbeit dafür gewählte

Näherung wird im nächsten Kapitel vorgestellt.

5.3.5 ‘Mixed-Mode’-Kriterium für Grenzflächenversagen

Die Prozesse, die für das Versagen der Grenzfläche verantwortlich sind, vollziehen sich in

einem räumlichen Gebiet unmittelbar um die Rißspitze, das einer Prozeßzone der

Rißausbreitung entspricht [161]. Innerhalb dieser Zone kann nicht mehr von der Gültigkeit des

linear elastischen Materialverhaltens ausgegangen werden: infolge von Mikrorißbildung,

Crazing, Fließen und ähnlichen Vorgängen ist das Deformationsverhalten sehr kompliziert und

die tatsächlichen, lokalen Materialgesetze sind einer Modellierung kaum zugänglich.

Page 114: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

106

Bleibt diese Zone jedoch auf eine Größe beschränkt, die sehr klein gegenüber der charak-

teristischen Abmessung für die elastischen, singulären Felder ist, so werden sich diese relativ

unbeeinflußt in der elastischen Umgebung ausbilden, welche die Prozeßzone einschließt. Diese

verursacht dann lediglich eine kleine Störung der linear elastischen Rißgeometrie. Die Gestalt

der singulären Felder ist allein durch die Form des Risses festgelegt, ihre Intensität wird von

der äußeren Geometrie bestimmt und durch die 3 Spannungsintensitätsfaktoren K1 , K 2 und

K 3 charakterisiert. Die Belastung der Prozeßzone kontrolliert das Versagen. Im Fall

ausreichend geringer Größe der Zone ist die Belastung dann ausschließlich durch die Intensität

der Moden der singulären Felder bestimmt und wird durch die Werte der Spannungs-

intensitätsfaktoren vollständig beschrieben [161]. Jeder möglichen Belastung der Prozeßzone

entspricht in diesem Modell ein Punkt im Raum der drei Spannungsintensitätsfaktoren

{ }K K K1 2 3, , und jeder Richtung in diesem Raum ist eindeutig ein Punkt zugeordnet, an dem

Versagen auftritt. Die Gesamtheit dieser Punkte bildet eine zusammenhängende Fläche

( )F K K K1 2 3, , , welche für eine beliebige Überlagerung der Moden { }K K K1 2 3: : die zum

Versagen notwendige Belastung der Grenzfläche charakterisiert. Der Ausdruck ( )F K K K1 2 3, , ,

der diese Fläche beschreibt, wird als Versagenskriterium bezeichnet. Die Form der Fläche ist

für jedes Materialsystem unterschiedlich und zunächst völlig unbekannt. Sie muß aus experi-

mentellen Untersuchungen rekonstruiert werden, deren Realisierung schwierig ist. Ein häufig

beschrittener Weg ist die Annäherung der Fläche durch eine Approximationsfunktion, deren

Parameter aus dem Experiment ermittelt werden.

Abb. 5.7 Demonstration des Einflusses des Normierungsabstandes r0 , der eine

Drehung des elliptischen ‘Mixed-Mode’-Versagenskriteriums bewirkt (Darstellung im K-Koordinatensystem mit r m0 1= µ ).

Die Punkte auf der Versagenskennlinie markieren die Lastzustände der Probe, die bis zum Erreichen der maximalen Debondingkraft Pmax durchlaufen werden.

-2,0

-1,5

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

0,5 1,0 1,5

K 1 (r 0= 1 µµµµm)

K 2 (r 0= 1 µµµµm)

G 2c / G 1c=( K 2c / K 1c ) 2= 4

r 0= 1 µm

r 0= 0,001 µm

Ef =80 GPa

Em =5 GPa

νf = νm = 0,3ε = -0,082

Page 115: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

107

Der einfachste Ansatz für eine geschlossene Fläche im Raum ist ein Ellipsoid, das in seiner

Hauptachsendarstellung durch folgenden Zusammenhang formuliert wird:

K

K

K

K

K

Kc c

' ' '1

1c

2

2

2

2

3

3

2

1

+

+

= (5.17).

Das Versagensellipsoid ist der in der Bruchmechanik homogener Materialien verbreiteteste

Ansatz für ein Versagenskriterium [17].

Für die hier betrachtete Einzelfaserauszugsgeometrie tritt in der Grenzfläche nur eine ebene

Belastung auf, die durch { }K K1 2, beschrieben wird, so daß sich Gl. 5.17 auf eine

Ellipsengleichung reduziert.

Im allgemeinen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Hauptachsen der Ellipse

parallel zu den Achsen des Systems der Spannungsintensitätsfaktoren { }K K1 2, orientiert sind.

Eine um einen bestimmten Winkel gedrehte Lage der Ellipse sollte berücksichtigt werden.

Die praktische Rechtfertigung dafür ergibt sich aus dem Vergleich mit experimentell

ermittelten Versagenskriterien ([56], [161], [176], [177]).

Andererseits folgt die Berücksichtigung einer Drehung auch zwingend aus der Tatsache, daß

die Komponenten des komplexen Spannungsintensitätsfaktors für einen Grenzflächenriß immer

nur bezogen auf einen ganz bestimmten Normierungsabstand r0 angegeben werden können

(siehe Kap. 5.3.3). Die Wahl einer anderen Basislänge r'0 erfordert zur Beschreibung des

selben realen Lastzustandes eine Transformation (Gl. 5.13) der Komponenten des Spannungs-

intensitätsfaktors: ( ) ( )( ) ( ) ( )( ) ( )K r i K r K r i K r ei r r1 0 2 0 1 0 2 0

0 0' ' ln ' /+ ⋅ = + ⋅ ⋅ ⋅ε . Diese entspricht gerade

einer Drehung im Koordinatensystem { }K K1 2, um den Winkel ( )ε ⋅ ln ' /r r0 0 . Für die

Beschreibung der Belastung und des dadurch verursachten Versagens ist die zur Formulierung

der Spannungsintensitätsfaktoren gewählte Basislänge r0 physikalisch völlig unerheblich. Ein

und dasselbe Versagensverhalten wird bei Zugrundelegung verschiedener Basislängen durch

gegeneinander verdrehte Versagensellipsen in den transformierten Systemen beschrieben (siehe

Abb. 5.7). Zur Vereinfachung des Ausdrucks für eine bestimmte Ellipsengleichung kann daher

diejenige Basislänge r0 benutzt werden, für welche die Ellipse parallel zu dem dazugehörigen

System der Spannungsintensitätsfaktoren ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0, orientiert ist. In diesem System

ergibt sich einfach die Hauptachsendarstellung des Versagensellipsoids:

( ) ( )K r

K

K r

K c

1 0

1c

2

2 0

2

2

1

+

= (5.18).

Die Basislänge r0 erhält bei dieser Vorgehensweise die Bedeutung eines Parameters, der die

Transformation der Ellipse in ihr Hauptachsensystem vermittelt und aus der Anpassung an die

experimentelle Versagenskurve erhalten werden kann. Die Gestalt der Ellipse wird durch die

Page 116: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

108

Hauptachsenwerte K1c und K c2 bestimmt. Im Hauptachsensystem ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0, ent-

sprechen sie den kritischen Werten der Spannungsintensitätsfaktoren für den reinen Mode-1-

bzw. Mode-2-Belastungsfall. Diese Werte verkörpern Extremwerte des Versagenswiderstan-

des. Es wäre plausibel, wenn sie in einer Versagenskennlinie realer Grenzflächen physikalisch

unterschiedliche Versagensmechanismen repräsentieren, etwa auf Grundlage von Normal- und

Scherbelastung der Prozeßzone. Eine entsprechende Zuordnung von Mode 1 zur Normalspan-

nung und Mode 2 zur Scherspannung an der Grenze der Prozeßzone wird erreicht, indem r0 in

der Größenordnung der Ausdehnung dieses Gebiets gewählt wird. Obwohl diese Argumen-

tation nur hypothetisch ist, sollte sie zumindest einen Anhaltspunkt für die Größenordnung des

Parameters r0 bieten. Überlegungen in ähnlicher Richtung sind auch in [161] vorgestellt.

Das ‘Mixed-Mode’-Versagenskriterium für die Grenzfläche im Modell wird also durch 3

Parameter festgelegt: K1c , K c2 und r0 .

Der Zusammenhang zur Energiefreisetzungsrate wird durch die Gl. 5.11 vermittelt. Eine

Formulierung des Versagenskriteriums Gl. 5.18 in den ‘Mixed-Mode’-Anteilen ( )G r1 0 und

( )G r2 0 für die Basislänge r0 ergibt:

( ) ( )G r

G

G r

G c

1 0

1c

2 0

2

1

+

= (5.19)

in welcher die Eigenschaften der Grenzfläche durch die Parameter G1c , G c2 und r0 beschrie-

ben werden. Über empirische Betrachtungen der Energiefreisetzungsrate kommt [176] zu

einem vergleichbaren Versagenskriterium für ‘Mixed-Mode’-Probleme. Aus der Versagens-

kennlinie Gl. 5.19 läßt sich die Abhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate

( ) ( )G G r G rc = +1 0 2 0 vom ‘Mixed-Mode’-Verhältnis ( ) ( ) ( )Θ1 2 0 1 0 2 0/ /r G r G r= ableiten:

( )( ) ( )

( )G G G r G

r

rG

G

c c c

c

2 1c 1 2 0 21 2 0

1 2 02

1c

1

1

, , //

/

ΘΘ

Θ

= ⋅+

+

(5.20)

Bei der Einzelfaserauszugsprobe hängt dieses Verhältnis von der Rißlänge ld ab:

( )Θ Θ1 2 1 2 0/ / ,= l rd . Damit ergibt sich der zur Berechnung des Lastverlaufs bei stabiler

Rißausbreitung in Gl. 5.15 benötigte Zusammenhang für die kritische Energiefreisetzungsrate

( ) ( )( )G l G G G l rc d c c d= 2 1c 1 2 0, , ,/Θ . Das ‘Mixed-Mode’-Verhältnis ( )Θ1 2 0/ ,l rd kann aus den

Ergebnissen der FE-Modellierung berechnet werden. Beispiele für den Verlauf der

Abhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate von der Rißlänge für verschiedene

Annahmen der Grenzflächenparameter G1c , G c2 und r0 sind in Abb. 5.8 dargestellt.

Page 117: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

109

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

0 20 40 60 80Grenzflächenrißlänge l d [µµµµm]

G c (l d )

G c (P max )

G 2c /G 1c= 1

G 2c /G 1c = 2; r 0= 1 µm

G 2c /G 1c = 4; r 0= 0,001 µm

G 2c /G 1c = 4; r 0= 1 µm

'Mixed-Mode'-Grenzflächenparameter

E m= 80 GPa; E m= 5 GPa; ν f = ν m= 0,3; l f= 75 µm; r f = 5 µm

Abb. 5.8 Abhängigkeit des Wertes der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G lc d von der

aktuellen Rißlänge, infolge der Änderung des ‘Mixed-Mode’-Lastzustandes. Die Darstellung jeder Kurve ist normiert auf den Wert der kritischen

Energiefreisetzungsrate ( )G Pc max , der beim Erreichen der maximalen

Debondingkraft Pmax eingenommen wird.

Page 118: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

110

6. Ergebnisse der mikromechanischen Modellierung

6.1. Ergebnisse der FE-Modellierung

6.1.1 Einfluß der geometrischen Abmessungen und elastischen Material-

eigenschaften auf die Energiefreisetzungsrate

Ausgewählte Ergebnisse der FE-Modellierung [178] für die Abhängigkeit der Energie-

freisetzungsrate ( )G P const ld= , von der Grenzflächenrißlänge ld bei konstanter Last P sind in

Abb. 6.1 dargestellt. Die darin wiedergegebenen Kurven unterscheiden sich in der Steifigkeit

des Matrixmaterials Em und der eingebetteten Faserlänge l f . Die Energiefreisetzungsrate des

Systems steigt während der Rißausbreitung unter konstanter Last P über nahezu den gesamten

Bereich der Faserlänge an. Für den praktisch häufigsten Fall einer nachgiebigen Versuchsein-

richtung resultiert dies in einem instabilen Verlauf der Rißausbreitung über die fast

vollständige Grenzfläche. Dieses Resultat wird durch die experimentellen Erfahrungen

bestätigt.

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0 1 2 3 4 5 6 7 8

ld [µµµµm]

E f = 80 GPa; r f = 5 µm;

ν f = ν m = 0,3

Em= 2,5 GPa; l f = 75 µmEm= 5 GPa; l f = 75 µmEm= 2,5 GPa; l f =200 µm

Em= 5 GPa; l f =200 µm

G(l d )

G Frei

Bereich um Minimum von G(l d )

a) b)

Abb. 6.1a Detailausschnitt des Anfangsbereichs der Rißausbreitung zur deutlicheren

Darstellung des Minimums der Energiefreisetzungsrate ( )G ld .

Abb. 6.1b Vergleich des Einflusses von eingebetteter Faserlänge l f und E-Modul der

Matrix Em auf Abhängigkeit der Energiefreisetzungsrate ( )G ld von der

Rißlänge ld (für konstante Last P). Die Darstellung der Energiefreisetzungsrate

erfolgt bezogen auf den Anteil der freien Faser G konstFrei = (Gl. 6.1).

Alle Kurven zeigen jedoch am unmittelbaren Beginn der Rißausbreitung bei sehr kurzen

Rißlängen zunächst eine abfallende Tendenz von G (Abb. 6.1a). Dieses Verhalten ermöglicht

eine bruchmechanische Interpretation der Initiierung der Rißausbreitung. Das Versagen wird

0

1

2

3

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200

Länge des Grenzflächenrisses ld [µµµµm]

Anteil der freien Faserlänge l f =75 µm

l f =200 µmMinimum in G

E f = 80 GPa

r f = 5 µm

ν f = ν m = 0,3

Em= 2,5 GPa; l f = 75 µmEm= 5 GPa; l f = 75 µmEm= 2,5 GPa; l f =200 µm

Em= 5 GPa; l f =200 µm

G(l d )

G Frei

Page 119: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

111

infolge der hohen Spannungskonzentration im Bereich der Matrixoberfläche seinen Ausgang

an irgendeiner Störung in der Grenzfläche (‘Interface-Precrack’) nehmen. Schon bei sehr

geringer Belastung werden sich die winzigen, bereits in dieser Zone vorhanden, Bereiche ohne

Haftung weiter vergrößern. Da jedoch im Anfangsbereich die vom System gelieferte

Energiefreisetzungsrate mit der Rißausbreitung absinkt, ist zur Aufrechterhaltung des

Wachstums eines ‘Precracks’ eine ständige Erhöhung der Belastung P erforderlich. Erfolgt

diese nicht, kommt das Rißwachstum zum Erliegen. Die Rißinitiierung vollzieht sich also unter

Bedingungen stabilen Rißwachstums in definierter Weise. Erst wenn die Rißlänge einen

kritischen Wert ld is, überschreitet, beginnt die Energiefreisetzungsrate G mit der

Rißausbreitung zu wachsen und diese schlägt in einen instabilen Verlauf um. Der Wert ld is,

hängt von der Nachgiebigkeit des Testsystems und der Änderung der kritischen

Energiefreisetzungsrate ( )G lc d mit der Rißlänge ab. Für sehr nachgiebige Systeme (lange freie

Faserlänge) und konstantes Gc (ohne Berücksichtigung der ‘Mixed-Mode’-Abhängigkeit)

entspricht die kritische Rißlänge der Lage des Minimums von ( )G P const ld= , und liegt in der

Größenordnung des Faserradius.

Der Beginn der instabilen Rißausbreitung korreliert für den Fall langer freier Faserlänge mit

der experimentell bestimmbaren, maximalen Kraft der Belastungskurve des Einzelfaser-

Auszugstests ( ) ( )P u P ld is d ismax , ,= . Für kurze freie Faserlängen kann die Rißausbreitung auch

über das Kraftmaximum hinaus stabil erfolgen (siehe Kap. 5.3.4). Der Beginn der instabilen

Ausbreitung wird dann durch die Verschiebung des freien Faserendes am Lastkopf der

Prüfmaschine kontrolliert.

Lage und Wert des Minimums der Energiefreisetzungsrate zeigen eine nur geringe

Abhängigkeit von den geometrischen und elastischen Eigenschaften der Probe (Abb. 6.1a),

was den experimentellen Erfahrungen für die Änderung der maximalen Debondingkraft Pmax in

spröden Materialsystemen bei großen eingebetteten Faserlängen entspricht [136], [179]. Die

Wirkung von Variationen der POISSON-Zahlen und der Größe des Matrixtropfens ist absolut

gesehen ebenfalls gering, jedoch in derselben Größenordnung wie die von Faserlänge und

Matrixmodul.

Trotz der unterschiedlichen Eigenschaften der Proben zeigen alle Kurven in Abb. 6.1b ein

gemeinsames Plateau der Energiefreisetzungsrate ( )G P const ld= , für Rißausbreitung über den

Mittelteil der eingebetteten Faser. Um dies zu erklären, wurden die Beiträge der räumlichen

Bereiche der Probe zur Energiefreisetzungsrate untersucht. Dafür wurde im FE-Modell die

Geometrie in unterschiedliche Gebiete aufgeteilt und die Änderung der in ihnen gespeicherten

elastischen Energie mit der Rißausbreitung ermittelt (Abb. 6.2). Diese entspricht dem Anteil

des Gebietes an der gesamten Energiefreisetzungsrate des Systems. Dabei zeigt sich, daß der

überwiegende Teil der Energieänderung aus der Zunahme der freien Faserlänge ( )l lf d− durch

Page 120: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

112

das Grenzflächenversagen entstammt [170]. Bei der Ausbreitung des Grenzflächenrisses um

eine Länge dld wird ein entsprechendes Stück der Faser von der umgebenden Matrix

freigegeben und kommt unter den vollen Einfluß der Last P. Die elastische Energie des freien

Teils der Faser steigt dabei um ( )P dl E rd f f2 22⋅ ⋅ ⋅ ⋅/ π an. Bezogen auf die Änderung der

Rißfläche 2πr dlf d⋅ ergibt dies einen Anteil an der Energiefreisetzungsrate von:

GP

E rFrei

f f

=2

2 34 π (6.1).

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 SUM

Index des Modellbereichs

Rißlänge

Modellparameter

Faser: E f = 80 GPa; ν f = 0,3

l f = 75 µm; r f = 5 µm

Matrix: E m = 5 GPa; ν m = 0,3

l m =r m = 300 µm

dargestellter Rißlängenbereich:

7,5 µm < l d < 65 µm

01

2

4 3

6 578

9

10

11

12G(l d )

G Frei

Abb. 6.2 Anteile der verschiedenen Zonen der Einzelfaser-Auszugs-Probe an der

Energiefreisetzungsrate ( )G ld während der Rißausbreitung (Darstellung

bezogen auf Anteil GFrei der freien Faser an ( )G ld )

0

10

20

30

40

50

60

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 SUM

Index des Modellbereichs

Rißlänge

Modellparameter

Faser: E f = 80 GPa; ν f = 0,3

l f = 75 µm; r f = 5 µm

l frei = 10 µm

Matrix: E m = 5 GPa; ν m = 0,3

l m =r m = 300 µm

dargestellter Rißlängenbereich:

7,5 µm < l d < 65 µm

01

2

4 3

6 578

9

10

11

12

U(l d )

Abb. 6.3 Anteile der verschiedenen Zonen der Einzelfaser-Auszugs-Probe an der

elastischen Energie ( )U ld während der Rißausbreitung.

Page 121: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

113

Dieser einfache Ausdruck beschreibt den Plateauwert der Energiefreisetzungsrate im Bereich

mittlerer Grenzflächenrißlängen nahezu exakt (Abb. 6.1b). Er entspricht dem Ergebnis des

Modells von OUTWATER [163], der ihn in ganz analoger Weise für ein System aus

nachgiebigen Fasern in einer steifen Matrix ableitete. Die Gültigkeit kann jedoch, wie hier

gezeigt, viel weiter gefaßt werden. Der größte Teil der elastischen Energie ist auch bei

Systemen mit steifen Fasern und nachgiebiger Matrix im freien Teil der Faser gespeichert

(Abb. 6.3). Außer in der freien Faser herrscht eine hohe Energiedichte nur in einer, im

Vergleich zur Gesamtabmessung der Probe, kleinen Zone um die Rißspitze. Dieser Bereich

wandert jedoch während der Rißausbreitung nahezu ungeändert mit dem Riß mit. Die

Änderung der Energie und der Anteil an G aus diesen Gebieten ist daher gering. Lediglich für

kurze und lange Rißlängen „spürt“ die mitwandernde Zone die Begrenzungen der äußeren

Geometrie und erfährt merkliche Veränderungen. Diese resultieren in wesentlichen Anteilen an

der Energiefreisetzungsrate aus nahezu allen Gebieten der Probe. Im Fall kurzer Rißlängen

oder sehr fortgeschrittenen Grenzflächenversagens läßt sich kein einfaches analytisches Modell

zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate mehr formulieren.

Gelingt es durch Versteifung der Versuchseinrichtung (kurze freie Faserlängen!) die

Rißausbreitung bis in den Plateaubereich bei etwa der Hälfte der eingebetteten Faserlänge

stabil zu halten, so liefert der Anteil der freien Faser entsprechend Gl. 6.1 eine sehr gute

Näherung zur Bestimmumg der kritischen Energiefreisetzungsrate Gc . Unter diesem Aspekt

sind die kürzlich von HAMPE [132] mit einer verbesserten Testeinrichtung erzielten

Ergebnisse von besonderem Interesse.

6.1.2. Einfluß der ‘Mixed-Mode’-Belastung

Die lokale Belastung des Grenzflächenrisses ergibt sich aus einer Überlagerung von Radial-

und Normalspannungen, die im bruchmechanischen Kontext einem ‘Mixed-Mode’-Zustand

mit gemeinsamen Auftreten von Mode-1- und Mode-2-Komponenten der

Energiefreisetzungsrate entspricht. Diese wurden aus den Rißspitzennahfeldern des FE-

Modells nach dem in Kap. 5.3.3.2 beschriebenen Verfahren ermittelt.

Page 122: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

114

Abb. 6.4 Aufteilung der Energie-

freisetzungsrate ( )G ld

auf die Moden ( )G r1 0

und ( )G r2 0 für eine

Wahl des Normierungs-abstandes r m0 1= µ .

Abb. 6.5 Aufteilung der Energie-

freisetzungsrate ( )G ld

auf die Moden ( )G r1 0

und ( )G r2 0 für eine

Wahl des Normierungs-abstandes r m0 0,01= µ .

In Abb. 6.4 sind die erhaltenen Abhängigkeiten ( )G ld1 , ( )G ld2 und ( ) ( ) ( )G l G l G ld d d= +1 2

für einen Wert der Basislänge r m0 1= µ an einem Beispiel dargestellt. Für Risse zwischen

unterschiedlichen Materialien kann, wie in Kap. 5.3.3.2 erläutert, die Festlegung der Moden

immer nur bezogen auf eine, im übrigen beliebige, Normierungslänge r0 erfolgen. Die Wahl

einer anderen Basislänge macht zur Beschreibung ein und derselben physikalischen Belastung

die Transformation der Moden des (komplexen) Spannungsintensitätsfaktors und der Energie-

freisetzungsrate erforderlich. Die Gesamtenergiefreisetzungsrate bleibt dabei unbeeinflußt,

lediglich deren Aufteilung auf die Moden 1 und 2 ändert sich. Dies wird aus dem Vergleich zu

Abb. 6.5 deutlich, welche eine Darstellung der gleichen Belastung wie in Abb. 6.4, jedoch mit

einer geänderten Wahl für die Normierungslänge r m0 0,01= µ , enthält. Der prinzipielle

Verlauf beider Kurven ist ähnlich. Der Beginn der Grenzflächenrißausbreitung vollzieht sich

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

0 10 20 30 40 50 60 70

Länge des Grenzflächenrisses l d [µµµµm]

E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3

E m = 5 GPa

r f = 5 µm; l f = 75 µm

P = konst

r 0 = 1 µm

G=G 1 +G 2

G 1 (r 0 )

G 2 (r 0 )G(l d )

G Frei

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

0 10 20 30 40 50 60 70

Länge des Grenzflächenrisses l d [µµµµm]

E f = 80 GPa

ν f = ν m = 0,3

E m = 5 GPa

P = konst

r 0 = 0,01 µm

G=G 1 +G 2

G 1 (r 0 )

G 2 (r 0 )G(l d )

G Frei

r f = 5 µm; l f = 75 µm

Page 123: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

115

unter einer dominanten Mode-1-Belastung, die mit zunehmender Rißlänge stark abfällt. Der

Mode-2-Anteil der Belastung ist zu Beginn relativ gering, nimmt mit weiterer Rißausbreitung

jedoch rasch zu und bestimmt das Versagen über den größten Bereich der Rißausbreitung. Im

Plateaubereich der Energiefreisetzungsrate bleibt das Verhältnis der Moden nahezu konstant.

Das Minimum der Energiefreisetzungsrate für sehr kurze Rißlängen ist Ergebnis der Überla-

gerung der sich hier absolut und relativ zueinander extrem stark ändernden Lastkomponenten.

Der Einzelfaser-Auszugs-Versuch ist also ganz wesentlich durch ‘Mixed-Mode’-Belastungs-

zustände gekennzeichnet. Beim herkömmlichen Test mit nachgiebiger Versuchsdurchführung

infolge langer freier Faserlängen ist dies besonders kritisch. Hier tritt instabile Rißausbreitung

schon bei sehr kurzen Rißlängen auf, bei welcher sich der ‘Mixed-Mode’-Zustand sehr stark

ändert. Von Versuch zu Versuch werden damit die Kenngrößen für die Grenzfläche unter ganz

unterschiedlichen Belastungsbedingungen bestimmt, was ihre Vergleichbarkeit in Frage stellt.

Abb. 6.6 Abhängigkeit der zur Auf-rechterhaltung der Rißaus-breitung erforderlichen

Kraft ( )P ld d von der Riß-

länge. Die Variation der Grenzflächenparameter erfolgt unter der Voraus-setzung, daß für alle Kurven an der Position des

Kraftmaximums ( )l Pd max

der gleiche Wert

G kJ mc = 1 2/ für die

kritische Energiefrei-setzungsrate eingenommen wird.

Unter Nutzung des Modells Gl. 5.18 für ein ‘Mixed-Mode’-Versagenskriterium und der

Ergebnisse der FE-Modellierung wird die Abhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate

von der Rißlänge erhalten { }( )G G G r lc c d1c 2 0, , , (Gl. 5.20). Die Parameter { }G G rc c1 2 0, ,

beschreiben die Eigenschaften der Grenzfläche. Die zur Rißausbreitung notwendige Last

{ }( )P G G r ld c c d1 2 0, , , kann aus Gl. 5.15 berechnet werden und ändert sich mit der Rißlänge. Der

Einfluß der Grenzflächenparameter auf diese Abhängigkeit ist in Abb. 6.6 für eine

Beispielprobe demonstriert. Die dazugehörigen Last-Verschiebungskurven am Einspannende

der freien Faser sind in Abb. 6.7 für eine verhältnismäßig lange ( l mfrei = 500 µ ) und in

Abb. 6.8 für eine relativ kurze ( l mfrei = 60 µ ) freie Faserlänge wiedergegeben. Der Wert der

kritischen Energiefreisetzungsrate an der Position der maximalen Debondingkraft wurde für

alle Kurven als gleich angenommen: ( )( )G l P kJ mc d max /= 1 2 .

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

0 10 20 30 40 50 60 70

Länge des Grenzflächenrisses ld [µµµµm]

E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3; E m = 5 GPa

P d (l d )

[mN] G c (P max ) = 1 kJ/m 2

G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 µmG 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 µm

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 µm

r f = 5 µm; l f = 75 µm

Page 124: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

116

650

700

750

800

850

60 65 70 75Verschiebung des freien Faserendes u [µµµµm]

P d (u)

[mN]

E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3; E m = 5 GPa

r f = 5 µm; l f = 75 µm; l frei = 500 µµµµm

l d (P max ) = l d, is = 3,7 µm

G c (P max ) = 1 kJ/m 2

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 µm

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 µm

G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 µm

l d (P max ) = l d, is = 6,8 µm

l d (P max ) = l d, is = 8,8 µm

Abb. 6.7 Kraft-Verschiebungs-Kurven für die große freie Faserlänge l mfrei = 500 µ

(„nachgiebige Versuchsanordnung“) für den Bereich stabiler Rißausbreitung beginnend bei einer Grenzflächenrißlänge l md,min = 1µ . Der Beginn der

instabilen Rißausbreitung wird durch den maximalen Wert von u charakterisiert. Der daran anschließende, schwach ausgezogene Teil der Kurven wird im realen Experiment nicht beobachtet. Alle Kurven besitzen an der Position des

Kraftmaximums ( )l Pd max den gleichen Wert G kJ mc = 1 2/ für die kritische

Energiefreisetzungsrate.

500

600

700

800

10 11 12 13 14 15Verschiebung des freien Faserendes u [µµµµm]

P d (u)

[mN]

E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3; E m = 5 GPa

r f = 5 µm; l f = 75 µm

l frei = 60 µµµµm

l d (P max ) = l d, is

= 3,7 µm

G c (P max ) = 1 kJ/m 2

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 µm

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 µm

G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 µm

l d (P max ) = 6,8 µm

l d (P max ) = 8,8 µm

l d, is = 50 µm

l d, is = 50 µm

Abb. 6.8 Kraft-Verschiebungs-Kurven für die kurze freie Faserlänge l mfrei = 60 µ

(„steife Versuchsanordnung“) über den Bereich stabiler Rißausbreitung beginnend bei einer Grenzflächenrißlänge l md,min = 1µ . Der Beginn der

instabilen Rißausbreitung entspricht dem maximalen Wert von u und fällt im allgemeinen nicht mit dem Maximum der Debondingkraft zusammen. Informationen zur Darstellung siehe Abb. 6.7.

Der gezeichnete Bereich der Kurven entspricht einem Wachstum der Rißlänge von l md >1µ

bis l md < 65µ . Die Darstellung beginnt daher nicht im lastfreien Zustand und ist nur gültig für

den Bereich der stabilen Rißausbreitung. Aufgrund der Trägheit der Testeinrichtung kann die

Page 125: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

117

Rißausbreitung nur solange stabil gehalten werden, wie zur Aufrechterhaltung des

Rißwachstums eine Erhöhung der Lastverschiebung u notwendig ist. Instabiles Rißwachstum

beginnt an dem Punkt, ab dem die Verschiebung ( )u ld in den Kurven wieder abnimmt. Der

schwach ausgezogene Teil der Kurven wird daher in der Realität nicht durchlaufen.

Für den Fall der langen freien Faser (Abb. 6.7) stimmt der Instabilitätspunkt mit dem Erreichen

der maximalen Lastkraft Pmax überein und wird bereits sehr früh, bei sehr niedrigen Werten der

Rißlänge ld , erreicht.

Das System mit der kurzen freien Faserlänge erlaubt stabile Rißausbreitung über einen viel

weiteren Bereich der Rißlänge (Abb. 6.7). Der Instabilitätspunkt liegt dabei hinter der Position

der maximalen Lastkraft Pmax .

Bereits bei der gewählten, zurückhaltenden Variation der Grenzflächenparameter wird

deutlich, daß diese für beide Systeme den Lastverlauf, die Maximalkraft Pmax und das

Eintreten der instabilen Rißausbreitung wesentlich beeinflussen. Obwohl das Modell rein

linear elastisch ist, ergeben sich infolge der stabilen Rißausbreitung nichtlineare

Belastungskurven. Das Ausmaß der Nichtlinearität und die Höhe der maximalen

Debondingkraft wird vor allem durch das Verhältnis G Gc c2 1/ der reinen Moden der kritischen

Energiefreisetzungsrate bestimmt. Je größer die relative Unempfindlichkeit der Grenzfläche

gegenüber Mode 2 (näherungsweise mit der Scherbelastung korreliert, siehe Kap. 5.3.3.2) ist

(G Gc c2 1 1/ > ), desto mehr wird der Beginn der instabilen Rißausbreitung verzögert.

In Abb. 6.9 ist illustriert, daß der ‘Mixed-Mode’-Belastungszustand in der Grenzfläche bei

Erreichen der Maximalkraft (P Pd = max ) wesentlich durch die Grenzflächenparameter festgelegt

wird. Sie kontrollieren sogar, ob der Beginn des instabilen Versagens unter dominanten

Mode-1- oder Mode-2-Bedingungen erfolgt.

Im allgemeinen sind Normalbelastungen (Mode 1) für Risse kritischer als Scherbelastungen

(Mode 2), was einem Verhältnis G Gc c2 1 1/ > entpricht. Dies wird aus der Literatur für

Grenzflächenrisse in besonderem Maße bestätigt ([161], [176], [177]). Die in [161]

präsentierte, experimentell ermittelte Versagenskurve für eine Glas-Epoxidharz-Grenzfläche

zeigt in Mode-2-Richtung eine um Größenordnungen breitere Ausdehnung [Abb. 6.10]. Dies

entspricht einem sehr großen Wert des Verhältnisses G Gc c2 1/ und resultiert praktisch in einer

weitestgehenden Unempfindlichkeit der Grenzfläche gegenüber dem Mode-2-Anteil der

Belastung. Allerdings erfolgte die experimentelle Bestimmung der Kennlinie an

makroskopische Proben, es ist daher nicht gewiß, ob sie in identischer Form auch auf

mikroskopischer Ebene gilt.

Page 126: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

118

0,51

24

1

0,1

0,01

0,001

0,1

1

10

100

r 0 [µµµµm]

E f = 80 GPa

E m = 5 GPa

ν f = ν m = 0,3

l f = 75 µm

r f = 5 µm

G 2c / G 1c

G 1 / G 2 (P max )

Abb. 6.9 Einfluß der Grenzflächenparameter auf den ‘Mixed-Mode’-Zustand

( ) ( )G P G P1 2max max/ an der Position der maximalen Kraft Pmax

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

-90 -45 0 45 90

r 0 = 50 µµµµm

artcan[K 2 (r 0 )/K 1 (r 0 )] [ ° ]

G c (K 2 /K 1 )

[J/m 2 ]

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

0 2 4 6 8 10 12 14 16

K 1 (r 0 )

K 2 (r 0 )r 0 = 50 µµµµm

Abb. 6.10 An makroskopischen Proben bestimmte Versagenskennlinie für eine Glas-Epoxidharz-Grenzfläche [161]. Die Darstellung zeigt die Abhängigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate vom Positionswinkel des ‘Mixed-Mode’-

Zustandes im ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0; -Koordinatensystem. Bei der gewählten

Basislänge der Darstellung ergibt sich eine parallele Lage des Kriteriums zur

( )K r2 0 -Achse („Hauptachsensystem“), die auf eine geringe Empfindlichkeit der

Grenzfläche gegenüber Mode-2-Belastungen hindeutet.

Die Widerstandsfähigkeit der Grenzfläche hängt in realen Materialien stark vom Mode der

Belastung ab. Unter diesen Umständen erscheint eine Charakterisierung der Grenzfläche mit

nur einem Parameter, etwa der kritischen Energiefreisetzungsrate am Punkt der instabilen

Rißausbreitung, als nicht ausreichend. Im Rahmen des hier vorgestellten, einfachen Versagens-

modells wird die Grenzfläche durch die 3 Parameter { }G G rc c1 2 0, , beschrieben. Die kritische

Energiefreisetzungsrate ergibt sich daraus entsprechend Gl. 5.20 und hängt vom aktuellen

Page 127: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

119

Belastungszustand G G1 2/ der Grenzfläche ab (Abb. 6.11). Zwischen den verschiedenen

mikromechanischen Versuchen, aber auch für einen einzelnen Test kann der

Belastungszustand in extremer Weise variieren. Die aus unterschiedlichen Versuchen

erhaltenen Werte für die kritische Energiefreisetzungsrate sind daher grundsätzlich kaum

vergleichbar.

Abb. 6.11 Abhängigkeit der kriti-schen Energiefreiset-zungsrate

( )G G G G Gc c1 2 2 1c/ , /

vom Mixed-Mode-Zustand G G1 2/ und

vom Grenzflächen-parameter G Gc2 1c/

entsprechend dem Versagenskriterium Gl. 5.20

Es kommt hinzu, daß die kritischen Werte im allgemeinen nur aus dem einzigen signifikanten

Punkt der experimentellen Meßkurve mikromechanischer Versuche ermittelt werden. Dieser

wird durch die maximal auftretende Lastkraft Pmax gestellt. Beim Einzelfaser-Auszugsversuch

wird diese ganz im Anfangsbereich der Rißausbreitung erreicht. Für kurze Rißlängen ist die

Belastungssituation der Grenzfläche jedoch extrem komplex und durch sich stark ändernde

‘Mixed-Mode’-Verhältnisse gekennzeichnet. Dies führt zu beträchtlichen Unsicherheiten bei

der Bestimmung der kritischen Parameter, wie in Abb. 6.12 verdeutlicht werden kann. Sie

beschreibt die Situation eines Experimentators, der aus dem Einzelfaser-Auszugsversuch den

Wert der maximalen Debondingkraft P Pd ismax ,= erhalten hat. Mit Hilfe des FE-Modells

möchte er daraus den Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate an dieser Stelle ermitteln.

Zwar hat er Informationen über die elastischen und geometrischen Eigenschaften der Probe,

kann allerdings für die Grenzflächenparameter G Gc c2 1/ und r0 nur Vermutungen anstellen.

Der aus dem Modell erhaltene Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G Pc c is, hängt

jedoch in empfindlicher Weise von den für diese Parameter getroffenen Annahmen ab. Da das

Verhältnis von Mode-2- und Mode-1-Belastbarkeit und der Wert der Basislänge r0 (inter-

pretierbar als Größe der Prozeßzone ?) für reale Materialien höchstens abgeschätzt werden

können, ist der ermittelte Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate sehr unsicher.

1/41/2

12

40,01

0,1

1

10

100

0

0,5

1

1,5

2

2,5

2-2,5

1,5-2

1-1,5

0,5-1

1/4

1/21

2

G 1 / G 2

G 2c / G 1c

G c

G c ( = 1)G 2c

G 1c

Page 128: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

120

Abb. 6.12 Abhängigkeit der aus dem Modell für einen vorgegeben Wert der Maximalkraft Pmax

erhaltenen kritischen Energiefreisetzungsrate

( )G Pc max von der Wahl

der ‘Mixed-Mode’-Grenzflächenparameter.

Die Wichtigkeit der Berücksichtigung der Sensibilität der Grenzfläche gegenüber unterschied-

lichen Belastungssituationen ist abschließend in Abb. 6.13 illustriert. Darin ist der Einfluß der

Geometrie-, der Material- und der ‘Mixed-Mode’-Grenzflächenparameter auf die maximale

Debondingkraft gegenübergestellt. Von allen Parametern wirken sich jene, welche die

Grenzfläche beschreiben, am stärksten aus.

r 0 =1 µm

E m =5 GPa

l f =75 µm

νννν f =0,15G 2c /G 1c =1

G c,is=1 kN/m

r 0 =1 µm

E m =2,5 GPa

l f =75 µm

ν f =0,3

G2c /G 1c =1

G c,is=1 kN/m

r 0 =1 µµµµm

E m =5 GPa

l f =75 µµµµm

νννν f =0,3

G 2c /G 1c =1

G c,is=1 kN/m

r 0 =0,001 µµµµmE m =5 GPa

l f =75 µm

ν f =0,3

G 2c /G 1c =4G c,is=1 kN/m

r 0 =1 µm

E m =5 GPa

l f =75 µm

ν f =0,3

G 2c /G 1c =4G c,is=1 kN/m

r 0 =1 µm

E m =5 GPa

l f =200 µµµµm

ν f =0,3

G 2c /G 1c =1

G c,is=1 kN/m

100%

100% 101,1% 102,5%94,6% 90,6%

102,7%

Einfluß verschiedener Parameter auf die Maximalkraft P max beim Einzelfaser-Auszugs-Versuch

(Ref)

P max

P max(Ref)

Geometrie Material Grenzfläche

Abb. 6.13 Vergleich der Wirkung verschiedener Parameter auf Maximalkraft Pmax des

Debonding beim Einzelfaser-Auszugsversuch.

0,9

1,0

1,1

1,2

1,3

1,4

0 1 2 3 4 5 6 7

'Mixed-Mode'-Parameter G 2c /G 1c

P max = konst

r 0 = 1 µm

r 0 = 0,1 µm

r 0 = 0,01 µm

r 0 = 0,001 µmG c (P max )

E f = 80 GPa; ν f = ν m = 0,3

E m = 5 GPa

r f = 5 µm; l f = 75 µm

Page 129: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

121

6.1.3 Schlußfolgerungen

Die Einzelfaser-Auszugs-Geometrie ist durch das Auftreten sehr inhomogener und komplexer

Spannungsfelder in der Matrix und entlang der Faser-Matrix-Grenzfläche gekennzeichnet, die

sich den Möglichkeiten einer einfachen, analytischen Beschreibung weitestgehend entziehen.

Von besonderer Bedeutung für das Versagensverhalten der Grenzfläche erweist sich die

Überlagerung von Belastungskomponenten in radialer Richtung auf die Faseroberfläche. Sie

lassen sich trotz der Besonderheiten des Lastzustandes an der Grenze zwischen unter--

schiedlichen Materialien bei vernünftiger Wahl des Normierungabstandes r0 mit dem Mode-1-

Anteil der bruchmechanischen Beschreibung korrelieren und können die durch axiale Scher-

(bzw. Mode-2-) Komponenten induzierte Belastung der Grenzfläche bei weitem übertreffen.

Eine auschließliche Beschränkung auf die Charakterisierung der Scherbelastung der

Grenzfläche, wie dies in den meisten experimentellen Untersuchungen durch den Parameter

einer Grenzflächenscherfestigkeit erfolgt, wird nur unvollständige und widersprüchliche

Informationen über die Belastbarkeit der Grenzfläche liefern. Diese hängt in wesentlichem

Maße von der Zusammensetzung der Belastung ab und ist wahrscheinlich durch eine im

Vergleich zu Mode 2 wesentlich höhere Anfälligkeit gegenüber Normalbelastungen (Mode 1)

gekennzeichnet. Diese Schlußfolgerung ist aus experimentellen Resultaten abzuleiten ([161]),

entspricht jedoch auch den Erwartungen, da die Grenzflächenhaftung unter Scherbelastung

durch zusätzliche, submikroskopische mechanische Wechselwirkungen (Verhakungen) infolge

der Oberflächenrauhigkeit der Materialien, beinflußt wird [176].

Um die Abhängigkeit der Widerstandsfähigkeit der Grenzfläche von der Überlagerung

verschiedener Lastkomponenten zu beschreiben, ist ein einzelner Parameter, z.B. eine kritische

Energiefreisetzungsrate Gc , nicht mehr ausreichend. Entsprechende Kenngrößen sind nicht

konstant, sondern zeigen eine Abhängigkeit vom ‘Mixed-Mode’-Zustand der Belastung. Der

einfachste Ansatz zur Annäherung des tatsächlichen Versagenskriteriums („Versagensellip-

soid“) benötigt zur Charakterisierung bereits 3 Parameter, die sich im Versuch einer

physikalischen Deutung vielleicht mit der Widerstandsfähigkeit der Prozeßzone gegenüber

Normal- (G1c ) und Scherbelastung (G c2 ) und der Größenordnung ihrer räumlichen Aus-

dehnung ( r0 ) in Beziehung setzen lassen. Die Auswirkungen dieser Parameter auf das

Versagensverhalten der Einzelfaser-Auszugs-Proben haben sich im Rahmen der hier

vorgestellten Modellierung als wesentlich erwiesen und übertreffen die der anderen Material-

und Geometrieeigenschaften. Dies betrifft insbesondere die experimentell zugänglichen

Größen wie Lage ld,max und Wert der maximalen Kraft Pmax der Belastungskurve und Beginn

der instabilen Rißausbreitung ld is, . Eine relativ geringere Mode-2-Empfindlichkeit äußert sich

dabei in einer Verzögerung des Beginns der instabilen Rißausbreitung und einer verstärkten

Page 130: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

122

Nichtlinearität der Belastungskurven. Dieser Effekt korreliert mit kürzlich erhaltenen,

experimentellen Ergebnissen [132] (siehe Kap. 6.2).

Die gegenwärtige Versuchsdurchführung und Interpretation des Einzelfaser-Auszugs-Tests

konzentriert sich fast auschließlich auf den Wert der gemessenen, maximalen Faser-Auszugs-

Kraft Pmax , da dieser das signifikanteste und am einfachsten zu erhaltende Ergebnis der

Experimente darstellt. Er tritt aufgrund der um die Faser an der Matrixoberfläche auftretenden

starken Spannungsgradienten bereits zu Beginn der Grenzflächenrißausbreitung bei sehr

kurzen Rißlängen auf. In diesem Bereich wird der Belastungszustand in der Grenzfläche

jedoch noch direkt von der komplexen Situation nahe der Matrixoberfläche beeinflußt und ist

durch starke Überlagerung von radialen und axialen Komponenten und einer raschen

Änderung mit der Rißlänge bestimmt. Zwischen den einzelnen Versuchen bestehen an dieser

Stelle nicht vergleichbare und gegenüber zufälligen Beinflussungen sehr empfindliche

Belastungssituationen. Dies resultiert in einer großen Unsicherheit für die aus der maximalen

Debondingkraft ermittelten Kenngrößen. Es besteht keine Aussicht, diesen Zustand mit

einfachen Modellen befriedigend zu beschreiben.

Wesentlich stabilere Bedingungen sollte der Plateaubereich der Rißausbreitung entlang des

Mittelteils der eingebetteten Faser bieten. Der ‘Mixed-Mode’-Zustand bleibt hier relativ

konstant und ist von Mode 2 dominiert. Der Anteil der freien Faser GFrei liefert in diesem

Gebiet eine gute Näherung zur Beschreibung der Energiefreisetzungsrate und ist aus einem

einfachen, analytischen Ausdruck zu erhalten (Gl. 6.1) [163]. Die herkömmliche Art der

Versuchsdurchführung mit großen freien Faserlängen kann diesen Bereich allerdings nicht

untersuchen, da instabile Rißausbreitung bereits frühzeitig, mit dem Erreichen der maximalen

Debondingkraft auftritt. Der Aufbau einer steifen Versuchsanordnung mit kurzen freien

Faserlängen ( l mfrei ≤ 60 µ ) ist von der Präparation her sehr aufwendig, wurde jedoch bereits

experimentell realisiert [132]. Die Rißausbreitung kann damit über große Teile der

eingebetteten Faser stabil gehalten werden, was eine Auswertung auch des Plateaubereichs

erlaubt, die wesentlich verläßlichere Ergebnisse bieten sollte. Wichtige zusätzliche

Informationen liefert dabei auch die Bestimmung der tatsächlichen, aktuellen Rißlänge aus

dem Experiment. Sie eröffnet eine von der Modellierung unabhängige Möglichkeit der

Bestimmung der Energiefreisetzungsrate durch unmittelbare Auswertung der Definition Gl. 5.6

von G über die Änderung der experimentellen Compliance mit der Rißlänge.

In weiterführenden Untersuchungen mit dem hier vorgestellten FE-Modell, die jedoch noch

nicht abgeschlossen sind, hat sich gezeigt, daß auch noch andere wesentliche Einflußgrößen für

das Versagen der Grenzfläche existieren. Neben Faser-Matrix-Reibung sind diese insbesondere

durch inelastisches Matrixverhalten bedingt. Eigene Untersuchungen mit einem elastisch-ideal-

plastischen Materialgesetz für eine Matrix mit einer relativ hohen Versagensspannung

Page 131: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

123

σYield MPa= 100 haben gezeigt, daß auch für spröde Kunststoffmaterialien ausgedehnte

inelastische Zonen in der Nähe der Grenzflächenrißspitze auftreten. Für eine experimentell

typische Faserbelastung von P mN≈ 100 ergab sich eine Größe der inelastischen Matrix-

bereiche in radialer Richtung in der Größenordnung des Faserradius. Unter diesen Umständen

erscheint selbst bei makroskopisch sprödem Versagensverhalten faserverstärkter Kunststoff-

materialien eine rein linear elastische bruchmechanische Beschreibung der Grenzfläche als

nicht ausreichend. Es macht sich die Anwendung von Konzepten der Fließbruchmechanik und

die Kenntnis der realen, inelastischen Materialgesetze für die Matrices erforderlich.

Die große Bedeutung der Berücksichtigung der verschiedenen, insbesondere radialen

Belastungskomponenten, die den Schwerpunkt der vorgestellten Arbeit darstellt, wird dadurch

in keiner Weise gemindert. Sie sind für inelastisches Materialverhalten in gleichem Ausmaß zu

erwarten [118] und werden auch dafür besonders den Anfangsbereich der Rißausbreitung

dominieren und dessen Interpretation erschweren. Die Schlußfolgerungen für die Gestaltung

der Versuchsdurchführung (Begrenzung der freien Faserlänge) bleiben ungeändert gültig.

6.2. Vergleich mit experimentellen Ergebnissen

Die am besten reproduzierbare Grundlage zur Charakterisierung der Grenzfläche sollte nach

den Ergebnissen der theoretischen Studie die Auswertung des Plateaubereichs der Energiefrei-

setzungsrate für mittlere Längen des Grenzflächenrisses bieten. Nur im Mittelteil der eingebet-

teten Faser kann die Rißausbreitung relativ ungestört von den komplexen Spannungsfeldern an

der Matrixoberfläche bzw. am Faserende erfolgen. In dieser Zone bleibt der Belastungszustand

(G G1 2/ ) am Versagenspunkt der Grenzfläche während des Rißwachstums näherungsweise

konstant und ist zwischen verschiedenen Systemen am ehesten vergleichbar.

Eine stabile Ausbreitung des Grenzflächenrisses bis in diesen Bereich kann im Experiment

jedoch nur mit einem sehr steifen Belastungssystem aufrechterhalten werden. Wichtige Vor-

aussetzung dafür ist eine möglichst kurze Länge des freien Faserteils zwischen Einspannung

und Matrixoberfläche, was die Präparation und Versuchsdurchführung beträchtlich erschwert.

Die praktische Realisierung einer derartigen, steifen Einzelfaser-Auszugsvorichtung ist nur aus

der Literatur bekannt. Die von HAMPE benutzte Apparatur (Abb. 6.14) ist in [132] zusammen

mit ersten Versuchsergebnissen an Glasfaser-Polymermatrix-Systemen beschrieben und

ermöglicht die Begrenzung der freien Faserlänge auf 20 60µ µm l mfrei< < . Zusätzlich zur

Messung der Kraft-Verschiebungs-Kurven ( )P u gestattet das Probendesign auch eine

spannungsoptische Bestimmung der aktuellen Länge ld des Grenzflächenrisses, was neue

Möglichkeiten für die Interpretation der experimentellen Ergebnisse eröffnet.

Page 132: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

124

Abb. 6.14 Schematischer Aufbau der von Hampe [132] verwendeten Einzelfaser-Auszugsapparatur mit kurzer freier Rißlänge

Die mit der Apparatur erhaltenen Meßkurven sind sehr detailliert und enthalten neben dem

Maximalwert der Auszugskraft weitere signifikante Informationen. Die in [132] veröffent-

lichten Resultate wurden deshalb ausgewählt, um das in der theoretischen Modellierung

erhaltene Bild des Grenzflächenversagens beim Einzelfaser-Auszug zu verifizieren.

In Abb. 6.15 sind die experimentellen Kraft-Weg-Verläufe für ein Glasfaser-Polyamid 66-

System aus [132] dargestellt. Die Einbettlänge der Fasern variiert zwischen den Kurven inner-

halb 270 450µ µm l mf< < , die freie Faserlänge wird mit l mfrei = 30 µ angegeben. Obwohl

die geometrischen wie auch die materiellen Daten nicht mit den in dieser Modellierung

verwendeten Parametern übereinstimmen, ist ein qualitativer Vergleich der Ergebnisse

möglich.

Auf den ersten Blick scheinen die Kurven denen für G Gc2 1c 1/ > aus dem Modell erhaltenen

Kraft-Verschiebungs-Kurven (z.B. Abb. 6.8) unmittelbar zu entsprechen: an das Kraft-

maximum schließt sich nach steilem Abfall eine Zone langsamer Kraftverminderung an. In der

auf reinem Debonding basierenden Interpretation des Modells muß dieser Bereich mit der

stabilen Ausbreitung des Grenzflächenrisses entlang des größten Teils der eingebetteten

Faserlänge identifiziert werden. Am Fußpunkt des steilen Kraftabfalls würde danach die

erreichte Länge des Grenzflächenrisses erst wenige µm betragen und läge noch im Anfangs-

bereich der Faserlänge. Dies steht aber im Widerspruch zu der im Experiment beobachteten

Rißlängenentwicklung: am in Abb. 6.15 mit D bezeichneten Fußpunkt des steilen Kraftabfalls

war bereits der überwiegende Teil der Faser von der Grenzfläche gelöst und der sich

anschließende, flache Teil der ( )P u setzt sich stetig und ungestört bis zum vollständigen

Auszug fort. Er charakterisiert daher die reine Reibung der völlig abgelösten Faser während

des Faserauszugs. Auffällig in den experimentellen Kurven ist das Auftreten eines „Knickes“

Page 133: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

125

bei sehr kleinen Belastungen, der in [132] als die Initiierung des Debonding gedeutet wird.

Seine Lage ist von der Einbettlänge l f der Fasern unabhängig. Das gleiche gilt für den Anstieg

der Kraft in dem sich daran anschließenden Bereich B-C bis zur maximal auftretenden Kraft,

die allerdings mit der Einbettlänge deutlich zunimmt. An dieser Position hat im Experiment die

Haftung über einen wesentlichen Teil der Faserlänge bereits versagt. Das Maximum entspricht

daher nicht der Maximalkraft im Modell des reinen Debonding.

Abb. 6.15 Experimentelle Kraft-Weg-Kurven des Faser-auszugs für ein Glasfaser-Polyamid66-System aus [132]. (Einbettlänge: zwischen 270 µm und 450 µm, freie Faserlänge: 30 mm, Geschwindigkeit des Auszugs: 0,06 µm/s)

Die Ursache für den großen Unterschied zum Experiment liegt im Auftreten von Reibung

zwischen Faser und Matrix im bereits aufgerissenen Teil der Grenzfläche. Diese wurde in der

Modellierung nicht explizit berücksichtigt, hat jedoch häufig einen starken Einfluß auf reale

Systeme. Bei der Modellierung des Einzelfaser-Auszugsversuchs ergeben sich infolge der

Belastung eine radiale Schrumpfung der Faser und eine Erweiterung des Matrix-Loches im

aufgerissenen Abschnitt der Grenzfläche, die einem Kontakt von Faser- und Matrix entgegen-

wirken. Die Berücksichtigung eventueller, aus dem Herstellungsprozeß entstandener

thermischer Spannungen reicht nicht aus, um eine Berührung der Flächen im Modell herbei-

zuführen (eigene Untersuchungen). Dennoch wird Reibung im Experiment experimentell

zweifelsfrei registriert, was das Ergebnis der Oberflächenrauhigkeit der Fasern und darauf

beruhendem Kontakt sein dürfte. Eine Abschätzung der belastungsinduzierten Aufweitung des

Grenzflächenrisses aus dem FE-Modell liefert (bis auf die unmittelbare Umgebung der

Rißspitze) einen relativ einheitlichen Wert unterhalb 1% des Faserradius. Dies ist nicht

hinreichend, um die Rauhigkeit der Fasern auszugleichen. In das vorliegende FE-Modell läßt

sich die Struktur der Faseroberfläche nicht mit einbringen.

Über die Verteilung der durch die Reibung auf die Faser ausgeübten Scherspannung ( )τR l

lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die einfachste Annahme besteht in einem konstanten,

von der Position und der Faserbelastung unabhängigen, Wert der Grenzflächenreibung τR .

Page 134: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

126

Eine gewisse Rechtfertigung erhält diese Hypothese aus der Tatsache, daß in den experimen-

tellen Kraft-Weg-Kurven der vorwiegend durch die Reibung bestimmte Bereich zwischen

„Knick“ und Maximalkraft (B-C) einen relativ gleichbleibenden Anstieg zeigt und sich für

verschiedene Einbettlängen in diesem Gebiet übereinanderliegende Kurvenverläufe ergeben

(Abb. 6.15).

Abb. 6.16 Kraft-Weg-Kurven des Einzelfaser-Auszugs-modells mit Berücksich-tigung von konstanter Faser-Matrix-Reibung τR MPa= 20 für ver-

schiedene eingebettete Faserlängen l f . Zum

Vergleich sind die Anteile der reinen Debondingkraft

( )P ld d („ohne Reibung“)

im Diagramm mit eingezeichnet.

Mit weiteren Beschränkungen ist es möglich, durch eine einfache analytische Erweiterung die

Ergebnisse der FE-Modellierung hinsichtlich des Einflusses von Reibung ergänzen. Bleibt

deren Auswirkung auf die zum Versagen der Grenzfläche in der Faser unmittelbar an der

Rißspitze l ld= notwendige Kraft ( )P ld d („Debondingkraft“) unberücksichtigt ([139], [152],

[160]), so kann für diese einfach das Ergebnis der FE-Modellierung verwendet werden. Die

Wirkung der Reibung reduziert sich dann auf eine Abbau von Faserspannung von der

Matrixoberfläche l = 0 bis zum Versagenspunkt l ld= :

( ) ( ) ( )∆P l P l P l l r lFricd

Fricd f R d= = − = = ⋅ ⋅0 2π τ (6.2).

Um Rißausbreitung in der Grenzfläche zu erreichen, muß an der Matrixoberfläche l = 0 eine

um ( )∆P lFricd höhere, kritische Kraft in der Faser gegenüber der reinen Debondingkraft ( )P ld d

an der Versagensstelle aufgewendet werden: ( ) ( ) ( )P l P l P ldFric

d dFric

d= = +0 ∆ . Die zusätzlich

benötigte Kraft steigt linear mit der Rißlänge ld an und dominiert für lange Rißlängen im

Vergleich mit ( )P ld d .

Die Verschiebung des Faserendes ändert sich durch die erhöhte und nun nicht mehr konstante

Last in der Faser geringfügig entsprechend ( ) ( )du dl P l E rf f/ /= π 2 . Dies kann in einem

Korrekturterm zur Verschiebung ( )( )u P l ld d d frei, Gl. 5.16 des freien Faserendes des reinen

Debondingmodells formuliert werden:

( )( ) ( )( ) ( )u P l l l u P l ll

E rl ld

Fricd d R d frei d d d frei

R d

f f

d frei, , , ,ττ

= + ⋅ + 2 (6.3).

100

120

140

160

180

200

220

240

260

2 4 6 8 10

l f = 200 µm

l d, is = 175 µm

l f = 150 µml d, is = 130 µm

l f = 100 µml d, is = 80 µm

Mit Reibung:τ R = konst = 20 MPa

Ohne Reibung

l frei = 60 µµµµm

E f = 80 GPa

E m = 5 GPa

Verschiebung des freien Faserendes u [µµµµm]

P [mN]

G c, Knick = 0,05 kJ/m 2

G 2c / G 1c = 4

r 0 = 1 µµµµmP d, Plateau

Page 135: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

127

Gl. 6.2 und 6.3 ermöglichen zusammen mit den FE-Ergebnissen, die Berechnung der Kraft-

Weg-Kurven des Faserauszugs unter Berücksichtigung von Reibung. Die Resultate sind in

Abb. 6.16 für die Annahme einer mittleren Reibspannung τR MPa= 20 und einer Variation

der eingebetteten Faserlänge 100 200µ µm l mf≤ ≤ dargestellt. Der Verlauf der reinen

Debondingkraft aus dem FE-Modell ohne Einbeziehung der Reibung ist dünner ausgezogen

ebenfalls im Diagramm eingezeichnet. Der Vergleich mit den experimentellen Ergebnissen in

Abb. 6.15 liefert nun eine vollständige, qualitative Übereinstimmung. Der Bereich A-B in

Abb. 6.15 bis zum „Knick“ am Beginn der Belastungskurven kann im leichten Unterschied zur

Interpretation in [132] mit der stabilen Rißausbreitung bis zum Erreichen des Maximums der

reinen Debondingkraft identifiziert werden. Der „Knick“ entspricht genau diesem Wert und

dem Übergang in den abfallenden Plateaubereich der reinen Debondingkurve. Der Kraftanstieg

bis zur Maximalkraft zwischen B und C in den experimentellen Kurven korrespondiert mit

dem Plateaubereich des reinen Debondingmodells. Der steile Abfall C-D markiert das

endgültige, nicht stabil zu haltende Versagen des verbleibenden, kurzen Grenzflächen-

abschnittes und entspricht der instabilen Rißausbreitung im FE-Modell. Diese wird im Modell

auch für die Kurven mit Berücksichtigung von Reibung durch das nicht realistische

Zurückgehen der Verschiebung ( )u ld mit der weiteren Rißausbreitung charakterisiert.

Abb. 6.17 Einfluß der „Mixed-Mode“-Empfindlichkeit der Grenzfläche auf die Instabilität der Kraft-Weg-Kurven des Einzel-faserauszugsmodells mit Berücksichtigung von Faser-Matrix-Reibung. Stabile Rißausbreitung über den „Knick“ hinaus ist nur für das System mit geringerer Mode-2-Empfindlichkeit (G Gc2 1c 4/ = ) möglich.

Die Zone B-C des konstanten Kraftanstiegs ist in den experimentellen Kurven deutlich

ausgeprägt und relativ breit. Das reine Debonding durchläuft daher den Plateaubereich nach

dem Maximum der Debondingkraft in stabiler Weise. Dies ist nach den in Kap. 6.2 beschrie-

benen Erfahrungen nur möglich, wenn die Grenzfläche eine stärkere Empfindlichkeit für

Mode 1 gegenüber Mode 2 besitzt (G Gc2 1c 1/ > ). Ist dies nicht der Fall, ist auch bei

Einbeziehung der Reibung (die für kurze Rißlänge keine wesentliche Rolle spielt) keine stabile

Rißausbreitung über das Maximum der Debondingkraft hinaus möglich (Abb. 6.17). An der

120

130

140

150

160

170

180

190

200

210

2 2,5 3 3,5 4

(l d, is = 165 µm)

Mit Reibung:

τ R = konst = 20 MPa

l f = 200 µµµµm

l frei = 60 µµµµm

E f = 80 GPa

E m = 5 GPa

Verschiebung des freien Faserendes u [µµµµm]

P [mN]

G c, Knick = 0,05 kJ/m 2

r 0 = 1 µµµµm

G 2c / G 1c = 1 G 2c / G 1c = 4

(l d, is = 3,7 µm)

Page 136: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

128

Position des „Knickes“ würde instabile Rißausbreitung, zumindest in Form eines Lastkraft-

sprunges auftreten, was den experimentellen Erfahrungen nicht entspricht. Dies kann als

experimenteller Beleg für die Kernaussage der theoretischen Modellierung angesehen werden,

daß das Versagensverhalten der Grenzschicht entscheidend durch deren unterschiedliche

Sensibilität gegenüber Scher- und Normalbelastungen bestimmt wird und eine Betrachtung

allein der Scherbelastung ein nur unvollständiges Bild der mikromechanischen Versuche

liefert.

Der Vergleich der durch die Reibung beeinflußten Kraft-Weg-Kurven zu den, das reine

Debonding beschreibenden aber experimentell nicht zugänglichen Abhängigkeiten zeigt, daß

in den Versuchsergebnissen die Information über die Haftung von der Reibung überdeckt wird.

Die Zielgröße des Einzelfaser-Auszugsexperiments zur Charakterisierung der Haftung stellt

die kritische Energiefreisetzungsrate G c Plateau, im Plateaubereich des reinen Debonding dar. Sie

kann über die Näherung Gl. 6.1 aus der Kenntnis des Anteils der reinen Debondingkraft

Pd Plateau, im Bereich B-C der experimentellen Kraft-Weg-Kurven ermittelt werden. Dieser

Anteil wird durch die zur Rißlänge ld proportionale Reibungskraft ( )∆P lFricd (Gl. 6.2) in der

Grenzfläche überlagert und ist direkt nicht zugänglich. Für große eingebettete Faserlängen l f

ist das Plateau ( )P l P konstd d d Plateau≈ =, deutlich ausgebildet und der Teil B-C der experimen-

tellen Kurven ist durch einen linearen Anstieg der Reibungskraft P mit der Rißlänge ld

gekennzeichnet. Extrapoliert man die sich in diesem Gebiet ergebende Gerade auf den Fall

verschwindender Reibung ld → 0 , so erhält man einen Näherungswert für die reine

Debondingkraft Pd Plateau, .

Abb. 6.18 Kraft-Rißlängen-Kurve

( )P ld für das Einzelfaser-

Auszugsmodell mit Faser-Matrix-Reibung. Die Ab-hängigkeit der reinen

Debondingkraft ( )P ld d

ohne Reibung ist ebenfalls mit dargestellt. Am Beispiel der größten Ein-bettlänge l mf = 200 µ ist

die Extrapolation der Pla-teaukraft Pd Plateau, des rei-

nen Debonding als Para-meter für die Haftung vorgeführt.

Dies ist in Abb. 6.18 an den Ergebnissen der Modellierung demonstriert. Die Extrapolation von

Pd Plateau, aus der Abhängigkeit der gemessenen Kraft des Einzelfaserauszugs ( )P ld von der

100

120

140

160

180

200

220

240

260

0 50 100 150 200

l f = 200 µm

l f = 150 µm

Mit Reibung:

τ R = 20 MPa

Ohne Reibung

l frei = 60 µµµµm; E f = 80 GPa

E m = 5 GPa

Länge des Grenzflächenrisses l d [µµµµm]

P [mN]

G c, Knick = 0,05 kJ/m 2

G 2c / G 1c = 4

r 0 = 1 µµµµml f = 100 µm

Extrapolationsgerade

P d, Plateau

Page 137: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

129

Grenzflächenrißlänge läßt sich an Gl. 6.2 einfach nachvollziehen, allerdings erfordert die

Bestimmung der aktuellen Rißlänge zusätzlichen experimentellen Aufwand. Dieser sollte sich

jedoch auch in der Hinsicht auszahlen, daß bei der Extrapolation aus ( )P ld der Anstieg

( )dP l dld d/ entsprechend Gl. 6.1 eine Information über die im realen System auftretende

Faser-Matrix-Reibung τR beinhaltet:

τπ

R

f d B Cr

dP

dl≈ ⋅

1

2 (6.4).

In der zum experimentellen Vergleich benutzten Veröffentlichung [132] ist der dem Glasfaser-

Polyamid-System aus Abb. 6.15 entsprechende Zusammenhang zwischen Lastkraft P und

aktueller Grenzschichtrißlänge ld leider nicht dokumentiert. Daher kann das vorgeschlagene

Extrapolationsverfahren zur Bestimmung des Plateauwertes der Debondingkraft Pd Plataeu, hier

nicht unmittelbar angewendet werden. Um dennoch eine Näherung für die zu erwartende

Größenordnung der kritischen Energiefreisetzungsrate des reinen Debonding im Plateaubereich

des Glas-Polyamid-Systems zu erhalten, kann der Wert für Pd Plataeu, aus der Meßkurve ( )P u

Abb. 6.15 abgeschätzt werden. Aus Abb. 6.16 ist ersichtlich, daß der Plateauwert Pd Plataeu,

zwischen dem Wert von P an der Position des „Knicks“ (B) und dem auf u = 0 extrapolierten

Wert für P des sich daran anschließenden, reibungsdominierten Abschnittes (B-C) liegt. Für

das experimentelle System von Abb. 6.15 ergibt sich somit eine Abschätzung von

20 30mN P mNd Plateau< <, . Über Gl. 6.1 kann daraus eine Näherung für die kritische

Energiefreisetzungsrate des Grenzflächenversagens dieses Systems erhalten werden:

GP

E rJ m J mc Plateau

d Plateau

f f

,, / , /=

⋅= −

2

2 3

2 2

40,8 1 6

π

(E GPaf = 73 5, ; r mf = 5 6, µ ). Dieser Wert liegt in der Größenordnung der mit makro-

skopischen Verfahren („Brazilian-Disc“, „Peel-Test“) für verschiedene Glas-Polymer-

Grenzflächen erhaltenen Werte ( [56], [159], [161]) und wesentlich unter der in [132] aus der

Gesamtfläche unter der Phase B-D berechneten Bruchenergie von 6 2J m/ . Diese beinhaltet

neben der reinen Debondingenergie jedoch auch die durch Grenzflächenreibung dissipierte

Energie, welche durch die Versuchsumstände (thermische Spannungen, Geometrie) beeinflußt

wird und nicht als für die Grenzflächenhaftung typische Größe angesehen werden kann.

Auf Grund bisher noch ungenügender Daten für weitere Grenzflächensysteme in der Literatur

konnte nicht untersucht werden, ob das hier vorgestellte Verfahren eine signifikante

Unterscheidung der Systeme nach ihrer Haftfähigkeit ermöglicht. Dies, sowie die Beurteilung

der Gültigkeit des hier verwendeten, einfachen Modells des Reibungseinflusses muß

weiterführenden Arbeiten überlassen bleiben.

Page 138: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

130

7. Schlußfolgerungen für Einsatz der FE-Methode zur Modellierung des

Versagens faserverstärkter Verbundwerkstoffe

Die vorliegende Arbeit konnte am Beispiel von zwei Fragestellungen demonstrieren, daß die

Finite-Elemente-Modellierung eine effektive Grundlage zur bruchmechanischen Beschreibung

des Versagensverhaltens faserverstärkter Verbundmaterialien bietet.

Sowohl der Einzelfaser-Auszugs-Versuch als auch der CDCB-Test sind durch eine einfache

geometrische Gestalt gekennzeichnet. Dennoch hat sich gezeigt, daß es mit analytischen

Lösungsverfahren auch im Rahmen einer linear elastischen Modellierung dieser Probleme

nicht möglich ist, Näherungslösungen für die Verschiebungen mit einer akzeptablen

Genauigkeit zu erhalten. Selbst die wesentlich vereinfachende Behandlung der CDCB-Probe

als ein System gekrümmter, stark deformierter Balken war nur unter überaus großem

mathematischen Aufwand und näherungsweise zu bewältigen. Dennoch stellt sie sich als

unzureichend heraus, da ihre Ergebnisse für die Verschiebungen bis zu 40% von denen einer

vollständigen Modellierung abweichen. Analytische Modelle des Einzelfaser-Auszugs mit

erträglichem Formulierungsaufwand (‘Shear-Lag’) erwiesen sich als prinzipiell ungeeignet, die

bei diesem Versuch auftretenden, für das Versagen verantwortlichen,

Spannungskonzentrationen an den Faserenden quantitativ zu beschreiben. Die Einbeziehung

komplexerer Einflußgrößen, wie nichtlinearer Deformation oder Überlagerung verschiedener

Belastungskomponenten an der Rißspitze (‘Mixed-Mode’) läßt sich in den Beispielen mit

analytischen Lösungsverfahren noch weit unbefriedigender verwirklichen und geht über eine

Abschätzung nicht hinaus. Besonders problematisch für die analytischen Ergebnisse ist die

Tatsache, daß zu ihrer Ableitung für praktische Problemstellungen häufig nicht gerechtfertigte

Vereinfachungen der vollständigen Modelle vorgenommen werden müssen. Deren Auswirkung

auf die Genauigkeit der Ergebnisse kann ohne Vergleichsmöglichkeit zu den exakten

Resultaten nicht eingeschätzt werden.

Der Aufwand für eine Finite-Elemente-Modellierung der untersuchten Geometrien erweist sich

dank der heute verfügbaren, kommerziellen Programme für den Bearbeiter als deutlich

geringer. Die Vorgehensweise bei der Lösung ganzer Gruppen von Aufgabenstellungen wird

durch die FE-Methode vereinheitlicht. Zwar sind eingehende Erfahrungen für den Erhalt

verläßlicher Ergebnisse dabei unverzichtbar, doch sind sie nicht so spezieller Art und erfordern

weniger Intuition, als dies eine erfolgreiche analytische Bearbeitung der meisten Fragestel-

lungen voraussetzt. Die FE-Methode ist ein effektives Hilfsmittel besonders für denjenigen,

der mit der Modellierung von zahlreichen, unterschiedlichen Problemstellungen konfrontiert

wird.

Page 139: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

131

Die Genauigkeit der mit der FE-Methode erhaltenen Ergebnisse wurde für die in der Arbeit

behandelten Beispiele einer gründlichen Überprüfung unterzogen und erbrachte für die

gewählten Diskretisierungen Abweichungen unterhalb 1 3− %. Dies geht für die meisten

praktisch relevanten Geometrien über die Möglichkeiten der analytischen Modellierung weit

hinaus. Selbst für so einfache Konfigurationen wie die CDCB-Probe liefert z.B. das

aufwendige, nichtlineare analytische Stab-Modell für kurze Rißlängen bereits einen Fehler von

mehr als 30 % in der Deformation.

Selbst für die bewußt geometrisch einfach gewählten Aufgabenstellungen konnten durch die

FE-Modellierung Erkenntnisse erhalten werden, die einer analytischen Behandlung bei

vergleichbarem Aufwand nicht zugänglich sind. Dies betrifft bei der CDCB-Probe z.B. das

Auftreten starker Mode-II-Anteile bei außermittiger Rißausbreitung und die gute Gültigkeit

des rein empirischen Verfahrens zur Bestimmung der Energiefreisetzungsrate auch bei stark

nichtlinearer Deformation. Für den Einzelfaser-Auszugsversuch vermag nur die FE-Analyse

ein quantitatives Bild der auftretenden ‘Mixed-Mode’-Zustände zu liefern und daraus den

Mechanismus der Grenzflächenriß-Initiierung zu erklären. In noch viel stärkerem Maße gilt die

Erweiterung der Beschreibungsmöglichkeiten für kompliziertere Geometrien und inelastische

Prozesse.

Dennoch hat sich gezeigt, daß die analytische Methode nach wie vor eine wichtige Rolle für

die Ableitung und die praktische Umsetzung der Ergebnisse der numerischen Methoden ein-

nimmt. Allein die auf analytischer Basis erhaltenen Ausdrücke für die singulären Felder an der

Rißspitze ermöglichen überhaupt die Ermittlung der ‘Mixed-Mode’-Anteile der Belastung.

Erst das analytische Stabmodell der CDCB-Probe vermag allgemeine Zusammenhänge

zwischen den Probenparametern und der Deformation zu offenbaren, die eine Normierung und

Reduzierung der Kenngrößen der Probe, z.B. in Form des Parameters Fn , gestatten.

Andererseits können bei Kenntnis des tatsächlichen Verhaltens einer Probe aus dem FE-

Modell oftmals einfache Ausdrücke auf analytischer Basis gefunden werden, die in gewissen

Grenzen die Probe mit hinreichender Genauigkeit charakterisieren. Beispiele dafür sind der

Anteil der freien Faser an der Energiefreisetzungsrate beim Einzelfaser-Auszugsversuch oder

die Gültigkeit der linearen empirischen Definition für die Energiefreisetzungsrate bei der stark

deformierten CDCB-Probe. Durch sie wird eine praktisch handhabbare Auswertung der

experimentellen bruchmechanischen Charakterisierung möglich. Eine ausschließliche Nutzung

der FE-Methode wäre für die Alltagsarbeit des Prüflabors zu aufwendig und zu schwerfällig.

Ohne die FE-Methode ließe sich über die Gültigkeit derartiger, stark vereinfachender

Ausdrücke keinerlei verläßliche Aussage treffen.

Die Nutzung der FE-Analyse verspricht in Wechselwirkung mit den analytischen Methoden

ein wesentlich erweitertes Verständnis für die Beschreibung des Versagensverhaltens faser-

Page 140: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

132

verstärkter Verbundwerkstoffe auf der makro- und mikroskopischen Betrachtungsebene. Die in

dieser Arbeit dafür vorgestellten Methoden und gesammelten Erfahrungen zur bruch-

mechanischen Charakterisierung können in analoger Weise auf eine Reihe ähnlicher

Fragestellungen (Faser-Fragmentierung, Matrixtropfen-Abscherversuch, ‘End-Notched-

Flexure’-Test, ...) übertragen werden.

Page 141: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

133

Anhang I. Transformation der Rißuferverschiebungen auf mitbewegtes

Rißspitzen-Koordinatensystem für geometrisch nichtlineare

FE-Analyse

Um die den singulären Feldern entsprechenden Rißuferverschiebungen gemäß Tabelle 2.1 aus

dem nichtlinearen FE-Modell der CDCB-Probe ermitteln zu können, macht sich die Trans-

formation der FE-Ergebnisse für die Verschiebungen aus dem globalen, ruhenden

Koordinatensystem in das lokale, mitbewegte Rißspitzenkoordinatensystem erforderlich

(Abb. 2.7).

Die jeweilige Position der Rißspitze { }x zCT CT, im globalen ruhenden Koordinatensystem

{ }x z, kann aus der Position des Rißspitzenknotens { }x zCT CT, ,,0 0 im undeformierten Zustand

und seiner Verschiebung { }ux uzCT CT, berechnet werden:

x x ux

z z uz

CT CT CT

CT CT CT

= +

= +,

,

0

0

(I.1)

Zur Bestimmung der Rißöffnungen wurden Knotenpaare k auf den sich gegenüberliegenden

(gekrümmten) Rißufern mit im undeformierten Zustand identischer Position

{ } { }x z x zko ko ku ku, , , ,, ,0 0 0 0= generiert. Die Knoten auf der oberen Rißseite werden im

folgenden mit dem Index o, die auf der unteren Rißseite mit dem Index u gekennzeichnet.

Ihre aktuelle Position im globalen System ergibt sich über die entsprechende Verschiebung

{ }ux uzko ko, bzw. { }ux uzku ku, :

x x ux

z z uz

ko ko ko

ko ko ko

= +

= +,

,

0

0

(I.2a)

x x ux

z z uz

ku ku ku

ku ku ku

= +

= +,

,

0

0

(I.2b).

Der Orientierungswinkel ( )α 0k des Rißspitzenkoordinatensystems im undeformierten Zustand

bezüglich der x-Achse des globalen Koordinatensystem kann aus der relativen Position jedes

Knotens auf dem Rißufer berechnet werden:

( )( )tan, ,

, ,

α 00 0

0 0

k ko CT

ko CT

z z

x x=

− (I.3)

Wegen der Krümmung der Rißflächen im Fall der CDCB-Probe folgt für jedes Knotenpaar k

eine leicht unterschiedliche Orientierung des Rißspitzensystems, ein Umstand der in der zum

Abschluß durchgeführten Extrapolation r→ 0 neutralisiert wird.

Page 142: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

134

Es folgt für die ursprüngliche Position (undeformierter Zustand) des Knotenpaares k im in

Rißrichtung orientierten Rißspitzen-Koordinatensystem:

( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )

x x x z z

z' x x z z

ko ko CT

k

ko CT

k

ko ko CT

k

ko CT

k

' cos sin

sin cos

, , , , ,

, , , , ,

0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0

= − ⋅ + − ⋅

= − − ⋅ + − ⋅ =

α α

α α (I.4a)

und analog für das untere Rißufer: x x

z' z'

ku ko

ku ko

' ', ,

, ,

0 0

0 0 0

=

= = (I.4b)

Für den deformierten Zustand wird das Rißspitzenkoordinatensystem des Knotenpaares k im

allgemeinen eine andere Orientierung ( )α k zur globalen x-Achse einnehmen. Die Lage der

Rißebene { }x zkR kR, an der Position des Knotenpaares k wird durch den Mittelpunkt der

Verbindungslinie beider verschobener Knoten festgelegt:

xx x

zz z

kRko ku

kRko ku

=+

=+2

2

(I.5).

Damit läßt sich der Orientierungswinkel ( )α k des aktuellen Rißspitzenkoordinatensystems

hinsichtlich der globalen x-Achse ermitteln:

( )( )tan α k kR CT

kR CT

z z

x x=

−−

(I.6).

Die Position der verschobenen Rißuferknoten { }x zko ko' , ' und { }x zku ku' , ' im mitrotierten

Rißspitzenkoordinatensystem { }x z'', folgt aus:

( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )

x x x z z

z' x x z z

ko ko CT

k

ko CT

k

ko ko CT

k

ko CT

k

' cos sin

sin cos

= − ⋅ + − ⋅

= − − ⋅ + − ⋅

α α

α α (I.7a)

bzw. ( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )

x x x z z

z' x x z z

ku ku CT

k

ku CT

k

ku ku CT

k

ku CT

k

' cos sin

sin cos

= − ⋅ + − ⋅

= − − ⋅ + − ⋅

α α

α α (I.7b)

Die Verschiebung der Rißuferknoten im mitbewegten und mitrotierten Rißspitzen-Koordi-

natensystem ergibt sich aus der Differenz ihrer aktuellen und ihrer ursprünglichen Position:

ux x x

uz' z' z'

ko ko ko

ko ko ko

' ' ' ,

,

= −

= −0

0

(I.8a)

ux x x

uz z z

ku ku ku

ku ku ku

' ' '

' ' '

,

,

= −

= −0

0

(I.8b).

Page 143: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

135

Anhang II: Differentialgleichung für starke Biegung gekrümmter Balken

Untersucht wird die Biegung eines kreisförmig gekrümmten Balkens in der x-z-Ebene. Dieser

ist an einem Ende (ϕ ϕ= 1 ) fest eingespannt und wird am anderen Ende (ϕ ϕ= E ) über ein starr

verbundenes Klötzchen mit einer senkrechten Kraft Fz bei ϕ π= / 2 belastet (Abb. 2.19).

Die Grundlagen der Beschreibung starker Biegung von geraden Stäben sind in [66] ausführlich

beschrieben. Die dort dargestellte Ableitung läßt sich auf den allgemeinen Fall gekrümmter

Stäbe erweitern und liefert aus der lokalen Drehmomenten-Bilanz folgende

Differentialgleichung für die Deformation:

( ) ( )

( ) ( )( ) ( )( ) ( )( )E I

dt l

dl

dt l

dlt l t l

d t l

dlF t l t lx y

b

b

b

b⋅ ⋅ × + + ×

= × +

0

0

2

2 0 (II.1).

Die darin vorkommenden Größen haben folgende Bedeutung:

Ex E-Modul des Stabes in Längsrichtung;

IBh

y =3

12 Flächenträgheitsmoment des Biegequerschnitts (rechteckiger Stab);

B Breite des rechteckigen Stabquerschnittes;

h Höhe des rechteckigen Stabquerschnittes;

l Längenposition entlang des Stabes

F Vektor der äußeren Lastkraft (am belasteten Stabende)

( )( )

t ldr l

dl0

0= Tangentenvektor an den undeformierten Stab bei Position l

( )r l0 Ortsvektor des undeformierten Stabes bei Länge l

( ) ( ) ( )( ) ( )( ) ( )( )

t l t l t ld r l r l

dl

d u l

dlb = − =−

=0

0

Differenz zwischen Tangentenvektor in deformiertem Zustand ( )t l und

undeformierten Zustand ( )t l0 bei Stabposition l

( ) ( ) ( )u l r l r l= − 0 räumliche Verschiebung eines Punktes auf dem Stab bei Position l

Für den speziellen Fall eines Stabes mit konstantem Krümmungsradius R läßt sich die

Längenposition l durch die Winkelposition ϕ bezüglich dem Krümmungsmittelpunkt und der

globalen x-Achse ersetzen: ( )l r= ⋅ −ϕ ϕ1 . ϕ1 entspricht dabei der Winkelposition der festen

Einspannung (tangential zur Probe).

Page 144: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

136

In Analogie zur CDCB-Probe wird das Wirken nur einer senkrechten Kraftkomponente Fz auf

das freie Probenende angenommen: FFz

=

0

Die Kontur des undeformierten Stabes läßt sich bei kreisförmiger Krümmung durch:

( ) ( )( )

rR

R0 ϕϕ

ϕ=

cos

sin beschreiben.

Damit folgt für die in der Differentialgleichung Gl. II.1 auftretenden Ableitungen:

( )( )

tdr

dl R

dr

d0

0 01= = ⋅ =

ϕ

ϕ

ϕ

sin

cos;

( )( )

dt

dl

d r

dl R

d r

d R

020

2 2

20

2

1 1= = ⋅ = ⋅

ϕ

ϕ

ϕ

cos

sin;

( )( )

d t

dl

d r

dl R

d r

d R

20

2

30

3 3

30

3 2

1 1= = ⋅ = ⋅

ϕ

ϕ

ϕ

sin

cos

Der Vektor der globalen Verschiebungskomponenten ( )u lx und ( )u lz an der Position ( )l ϕ des

Stabes und seine Ableitungen in Gl. II.1 ergeben sich wie folgt:

uu

ux

z

=

; t

du

dl R

du

d R

u

ubx

z

= = ⋅ = ⋅

1 1

ϕ

'

';

dt

dl

d u

dl R

d u

d R

u

u

b x

z

= = ⋅ = ⋅

2

2 2

2

2 2

1 1

ϕ

' '

' ';

d t

dl

d u

dl R

d u

d R

u

u

b x

z

2

2

3

3 3

3

3 3

1 1= = ⋅ = ⋅

ϕ

' ' '

' ' ' (mit ( ) ( )

fdf

d' ϕ

ϕ

ϕ= )

Einsetzen der speziellen Abhängigkeiten für den kreisförmig gekrümmten Stab in Gl. II.1

liefert die Differentialgleichung für das Deformationsverhalten dieser Geometrie:

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )E I

Ru u u u

Ru u u u F

Rux y

x z z x x z x z z x

⋅⋅ − ⋅ − + ⋅ + ⋅ − ⋅

= ⋅ − ⋅

3

1 1'' ' ' ' sin '' ' ' ' cos ' ' ' ' ' ' ' ' sin 'ϕ ϕ ϕ

(II.2).

Die beiden Verschiebungsfunktionen ( )ux ϕ und ( )u z ϕ sind nicht unabhängig. Ihr Zusammen-

hang wird durch die Bedingung bestimmt, daß die Länge des Tangentenvektors an den Stab

sich während der Deformation nicht ändert (reine Biegung, Stabdehnung vernachlässigt):

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )t l t l t l t l t l t l t l t lb b b0

2 2

0

2

0

2 2

02 1= = + = + + ⋅ ⋅ =

Für den kreisförmig gebogenen Stab folgt daraus:

( ) ( ) ( ) ( )u R R

u

Rxz' sin cos'

ϕ ϕ ϕϕ

= ⋅ − ⋅ − +

1

2

(II.3).

Mit diesem Ausdruck lassen sich die Ableitungen von ( )ux ϕ in der Differentialgleichung

Gl. II.2 durch ( )u z ϕ substituieren.

Page 145: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

137

Zur Lösung der Differentialgleichung ist die Einbeziehung der Randbedingungen notwendig.

1. Randbedingung: Festhalten des Balkens am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1

( )u ϕ1 0= : ( )ux ϕ1 0= ; ( )u z ϕ1 0= (II.4)

2. Randbedingung: Starre Halterung des Balkens am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1

( ) ( ) ( )t t t bϕ ϕ ϕ1 0 1 1 0− = = ⇒ ( )du

dlϕ1 0= : ( )u x' ϕ1 0= ; ( )u z' ϕ1 0= (II.5)

3. Randbedingung: Biegemoment ( )M i ϕ1 am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1 ist gleich dem

durch die Lastkraft Fz aufgebrachten äußeren Moment ( )M a ϕ1

Das innere Moment ( )M li über den Querschnitt an einer Position l im Stab berechnet sich

nach [66]:

( ) ( ) ( )( ) ( )M l E I t l t l

dt l

dli x y b

b= ⋅ ⋅ + ×

0

Für den kreisförmigen Stab am Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 ergibt sich daraus unter

Berücksichtigung der Randbedingung Gl. II.5:

( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]ME I

Ru ui

x yz xϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 2 1 1 1 1= −

⋅⋅ ⋅ + ⋅sin ' ' cos ' ' (II.6)

Das äußere Moment der Probe folgt aus: ( ) ( ) ( )[ ]M r l r Fa E KLϕ ϕ ϕ1 1= + − × .

Infolge des starr auf die Probe aufgeklebten Klötzchens wird das eigentliche freie Ende des

gekrümmten Stabes auf die Position ( )ϕ π αE mi= −/ 2 vorverlegt. αmi ist die Winkelbreite

zwischen Lot des Klötzchen-Lastpunktes auf die Probe und rechter Begrenzung des

Klötzchens. Das Klötzchen wird als steif betrachtet. Der Lastpunkt ist um den Vektor lKL vom

derart definierten freien Probenende entfernt. Im undeformierten Zustand ist er durch

( ) ( )( )[ ]

( )( )[ ]l

R

R h

R

R hKL

mi

mi kl

E

E kl

0

1 1=

− ⋅

⋅ − +

=

− ⋅

⋅ − +

sin

cos

cos

sin

α

α

ϕ

ϕ festgelegt.

Durch die Deformation und wegen der starren Anbindung des Klötzchens wird er um den

Änderungswinkel ∆α der Tangentenrichtung ( )t b Eϕ am freien Probenende gedreht:

( ) ( ) ( ) ( )( ) ( ) ( ) ( )

ll l

l lKL

x KL z KL

x KL z KL

=⋅ + ⋅

− ⋅ + ⋅

, ,

, ,

cos sin

sin cos

0 0

0 0

∆α ∆α

∆α ∆α.

Für den Drehwinkel ∆α folgt aus ( )t b Eϕ :

( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]cos ' sin ' cos∆α = − ⋅ ⋅ − ⋅11

Ru ux E E z E Eϕ ϕ ϕ ϕ

( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]sin ' sin ' cos∆α = ⋅ ⋅ + ⋅1

Ru uz E E x E Eϕ ϕ ϕ ϕ

Page 146: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

138

Daraus ergibt sich für die Komponenten des Klötzchenvektors lKL :

( ) ( ) ( ) ( ) ( )l uh

Ru

h

RRx KL z E E

klx E E

klE, ' sin ' cos cos= ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

− ⋅ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]l uh

Ru

h

Rh R Rz KL x E E

klz E E

klkl E, ' sin ' cos sin= ⋅ − ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

+ + ⋅ − ⋅ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1 1

Mit FFz

=

0 läßt sich nun das äußere Moment auf den Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 formulieren:

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )M F u uh

Ru

h

RRa z x E z E E

klx E E

kl= + ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

− ⋅

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ' sin ' cos cos1 1 1 1

(II.7)

Gleichsetzen von innerem (Gl. II.6) und äußerem Moment (Gl. II.7) an der Einspannstelle

liefert die dritte zu befriedigende Randbedingung. Damit stehen alle zur Lösung der

Differntialgleichung notwendigen Ausdrücke zur Verfügung.

Bei der CDCB-Probe werden nicht die Verschiebungen des freien Endpunktes (ϕ ϕ= E ) der

Proben gemessen, sondern die Verschiebung des Klötzchenlastpunktes. Zwischen den Werten

besteht eine Differenz infolge der Klötzchendrehung während der Deformation. Um aus dem

Modell die Verschiebung der Klötzchenlastpunkte { }u ux KL z KL, ,, zu berechnen, muß eine

entsprechende Korrektur { }∆ ∆u ux z, zu den Verschiebungen des freien Endes

( ) ( ){ }u ux E z Eϕ ϕ, des Stabes hinzuaddiert werden:

( ) ( )u u l lx KL x E x KL x KL, , ,= + −ϕ 0 ; ( ) ( )u u l lz KL z E z KL z KL, , ,= + −ϕ 0

Die Verschiebungen des Klötzchen-Lastpunktes betragen damit:

( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh

Ru

h

Rx KL x E z E E

klx E E

kl, ' sin ' cos= + ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh

Ru

h

Rz KL z E x E E

klz E E

kl, ' sin ' cos= + ⋅ − ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

(II.8). Der Winkel ϕE ergibt sich (bei Klötzchen mit mittiger Bohrung) aus der halben Klötzchen-

länge l kl / 2 über: ϕπ

Ekll

R= −

2 2

arcsin (II.9)

Page 147: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

139

Anhang III: Koeffizienten des analytischen Stabmodells der CDCB-Probe

Die Koeffizienten einer bezüglich der Kraft Fz linearen Entwicklung (Gl. 2.35) für die

senkrechte Verschiebungskomponente u z KL, der Klötzchen-Achspunkte lauten:

aR

F

h

Rn

mi mi klmi10

3 57

3 15

1

80

2

315= − + − +

α αα

ah

F

kl

n

mi11

67

80= α

aR

F

h

R

h

Rn

klmi

klmi12

5 721

80

737

3360

139

672= − + +

α α

aR

F

h

R

h

Rn

klmi

klmi13

4 61

3

7

16

907

1440

443

864= + − +

α α

aR

F

h

R

h

R

h

Rn

klmi

klmi

klmi14

3 5 77

16

359

480

183

160

11503

40320

11671

40320= − + +

− +

α α α

aR

F

h

R

h

R

h

Rn

klmi

klmi

klmi15

2 4 61

15

21

80

317

480

131

96

587

1152

47057

86400= − + − +

+ +

α α α

aR

F

h

R

h

R

h

R

h

R

n

klmi

klmi

klmi

klmi

16

3 5

7

7

80

1459

4320

1543

1440

697

1152

12479

17280

398033

3628800

400049

3628800

= − + +

+

+

+ +

α α α

α

aR

F

h

R

h

R

h

R

h

R

n

kl klmi

klmi

klmi

17

2 4

6

2

315

1

80

55

672

599

1120

2683

5760

27221

40320

110563

725760

22759

145152

=

+ − +

+ +

− +

α α

α

Die Winkelbreite αmi des halben Klötzchens ergibt sich aus:

απ

ϕmikl

E

l

R=

= −arcsin

2 2

Page 148: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

140

Page 149: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

141

Literatur

[1] D. F. Adams; „Composite micromechanics“; International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991,Vol. 1, 437-453

[2] R. M. Jones; „Mechanics of composite materials“; Hemisphere Publishing Corporation, New York, 1975

[3] K. Schulte, W. W. Stinchcomb; „Damage mechanisms in fibre-reinforced composite material“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 273-325

[4] K. Friedrich; „Fractographic analysis of polymer composites“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 425-487

[5] A. S. D. Wang; „An overview of the delamination problem in structural composites“; Key Engineering Materials 37 (1989), 1-20

[6] W. L. Bradley; „Micromechanisms of delamination in composite Materials“; International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991,Vol 3, 359-375,

[7] J. M. Whitney; „Interlaminar Fracture“; in International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991,Vol. 2, 289-305

[8] M. I. Benzegagh, P. Davies, X. J. Gong, J. M. Roelandt, M. Mourin, Y. J. Prel; „A mixed mode specimen for interlaminar fracture testing“; Composites Science and Technology 34 (1989), 129-143

[9] S. Hashemi, A. J. Kinloch, J. G. Williams; „Mechanics and mechanisms of delamination in a poly(ether sulphone)-fibre composite“; Comp. Sci. and Tech. 37 (1990), 429-462

[10] C. Corleto, W. Bradley; „Correspondence between stress fields and damage zones ahead of crack tip of composites under mode I and mode II delamination“; Proc. ICCM VI/ ECCM 2, Vol. 3, London, 1987

[11] F. X. de Charentenay; „Concluding Remarks on the Application of Fracture Mechanics to Composite Materials“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 639-644

[12] L. A. Carlsson, R. B. Pipes; „Hochleistungs-Faserverbundwerkstoffe“; Teubner-Verlag, Stuttgart, 1989

[13] P. A. Lagace; „Delamination in composites: is toughness the key?“; Science of Advanced Materials and Process. Eng. Series 31 (1986), 738-749

[14] A. A. Griffith; „The phenomena of rupture and flow in solids“; Phil. Trans. Roy. Soc. London A221 (1921), 163-198

[15] G. R. Irwin, R. de Wit; „A summary of fracture mechanics concepts“; J. of Testing and Evaluation 11 (1983), 56-65

[16] T. L. Anderson, „Fracture mechanics- fundamentals and applications“; CRC Press Inc., Boca Raton, USA, 1991

[17] S. Sähn, H. Göldner; „Bruch- und Beurteilungskriterien in der Festigkeitslehre“; VEB Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig, 1989

Page 150: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

142

[18] D. Broek; „Elementary engineering fracture mechanics“; Noordhoff International Publishing, Leyden, 1974, 122-127

[19] P. Davies, M. L. Benzeggagh; „Interlaminar Mode-I Fracture Testing“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 81-112

[20] B. Lauke, K. Friedrich; "Evaluation of processing parameters of thermoplastic composites fabricated by filament winding"; Composites Manufaturing 4 (1993) 93-101

[21] X. C. Hu, Y. W. Mai; „Mode I delamination and fibre bridging in Carbon-fibre/ Epoxy composites with and without PVAL-coating“; Comp. Sci. and Techn. 46 (1993), 147-156

[22] B. J. Briscoe, D. R. Williams; „Interlaminar fracture toughness of aramide/ epoxy laminates“; Comp. Sci. and Techn. 46 (1993), 277-286

[23] L. Ye, K. Friedrich; „Fibre bridging in double cantilever beam specimens and its effect on mode I interlaminar fracture toughness“; J. Mat. Sci. Letters 11 (1992), 1537-1539

[24] Y. Miya, et al; „Adhesion and Bonding in Composites“; Marcel Dekker Inc., New York und Basel, 1990

[25] G. A. Cooper, M. R. Piggott; „Cracking and fracture in composites“; Fracture 1977, Vol. 1, ICF4, Waterloo, Canada, 19.-24.6. 1977

[26] M. R. Piggott; „Expressions governing stress-strain curves in short fibre reinforced polymers“; J. Mat. Sci. 13 (1978), 1709-1716

[27] K. Friedrich; „Fracture mechanical behaviour of short fibre reinforced thermoplastics“; Fortschr. Ber. VDI-Zeitschr., Reihe 18, Nr. 18, VDI-Verlag, Düsseldorf, 1984

[28] K. Friedrich; „Microstructural efficiency and fracture toughness of short fibre/ thermoplastic matrix composites“, Comp. Sci. and Technol. 22 (1985), 43-62

[29] B. Lauke, B. Schultrich, W. Pompe; „Theoretical considerations of toughness of short-fibre reinforced thermoplastics“; Wissenschaftliche Berichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, ZfKW Dresden, 1989

[30] J. K. Kim, Y. W. Mai; „High strength, high fracture toughness fibre composites with interface control- a review“; Comp. Sci. and Techn. 41 (1991), 333-378

[31] B. Harris; „Micromechanisms of crack extension in composites“; Metal Science, August-September 1980

[32] H. D. Wagner; „Statistical concepts in the study of fracture properties of fibres and composites“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 39-77

[33] S. B. Batdorf; „Statistical fracture theories“; in International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991, Vol. 6, 395-404

[34] F. Hoecker, J. Karger-Kocsis; „Effects of the Interface on the mechanical response of CF/EP-micro and macrocomposites“; eingereicht bei Composites, September 1993

Page 151: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

143

[35] F. Hoecker, J. Karger-Kocsis; „Effects of processing conditions and interphase modification on the fiber/ matrix load transfer in single fiber polypropylene composites“; eingereicht bei The Journal of Adhesion, Februar 1994

[36] E. Mäder, K.-H. Freitag; „Interface properties and their influence on short fibre composites“; Composites 21 (1990), 397-402

[37] E. Mäder, K. Grundke, H.-J. Jacobasch, G. Wachinger; „Surface, interphase and composite property relations in fibre-reinforced polymers“; Composites 25 (1994), 739-744

[38] G. Bogoeva-Gaceva, E. Mäder, L. Häußler, K. Sahre; „Parameters affecting the interface properties in carbon fibre/ epoxy systems“; Composites 26 (1995), 103-107

[39] S. M. Lee; „Influence of fiber/matrix interfacial adhesion on composite fracture behaviour“ Composites Sciences and Technology 43 (1992), 317-327

[40] M. S. Madhukar, L. T. Drzal; „Fiber-matrix adhesion and its effects on composite mechanical properties: IV. mode I and mode II fracture toughness of graphite/ epoxy composites“; J. of Composite Mat. 26 (1992), 936-968

[41] K. M. Brockmüller; „Zur Vorhersage des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens kurzfaserverstärkter Verbundwerkstoffe mittels der Methode der Finiten Elemente“; Dissertation, Universität Kaiserslautern, 1992

[42] B. Lauke, K. Friedrich; „Fracture toughness modelling of fiber reinforced composites by crack-resistance curves“; Adv. Comp. Mat. 2 (1992), 261-275

[43] D. C. Phillips, A. S. Tetelmann; „The fracture toughness of fibre composites“; Composites 4 (1972), 216-223

[44] A. G. Evans, F. W. Zok, J. Davis; „The roles of interfaces in fiber-reinforced brittle matrix composites“; Comp. Sci. and Techn. 42 (1991), 3-24

[45] H.-J. Jacobasch, K.-H. Freitag, U. Panzer, K. Grundke; „Charakterisierung und Modifizierung der Oberflächeneigenschaften von Fasern für Verbundwerkstoffe“; Chemiefasern/ Textilindustrie 41 (1991), T39-47

[46] E. Mäder, K. Grundke, H.-J. Jacobasch, U. Panzer; „Possibilities of interphase characterization in reinforced plastics“, Proc 31 Int Man-made Fibre Congress, Dornbirn, September 23-25, 1992

[47] M. Narkis, E. J. H. Chen; „Review of methods for characterization of interfacial fiber-matrix interactions“; Polymer Composites 9 (1988), 245-251

[48] A. N. Gent, G. R. Hamed; „Adhesion and Bonding“ in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering Vol. 1, John Wiley Inc., New York, 1989, 476-518

[49] J. T. Koberstein; „Interfacial properties“ in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering Vol. 8, John Wiley Inc., New York, 1989, 237-279

[50] D. Briggs, D. G. Rance, B. J. Briscoe; „Surface properties“ in Comprehensive Polymer Science, Vol. 2, 707-732

[51] H.-J. Jacobasch, K. Grundke, E. Mäder, K.-H. Freitag, U. Panzer; „Applications of the surface free energy concept in polymer processing“; J. Adhes. Sci. Technol. 6 (1992), 1381-1396

[52] D. E. Packham; „The mechanical theory of adhesion- changing perceptions 1925-1991“; J. Adhesion 39 (1992), 137-144

Page 152: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

144

[53] G. Giannotta, M. Morra, E. Occiello, F. Garbassi, L. Nicolais, A. D’Amore; „Tensiometric studies on the wetting of carbon fibres by viscous Fluids“, Composites Manufacturing 3 (1992), 59-62

[54] H.-J. Jacobasch; „Characterization of solid surfaces by electrokinetic measurements“; Progress in Organic Coating, 17 (1989), 115-125

[55] T. Suga; „Bruchmechanische Charakterisierung und Bestimmung der Haftfestigkeit von Materialübergängen“; Dissertation, Universität Stuttgart, Oktober 1983

[56] Z. Suo; „Mechanics of Interface fracture“; Dissertation, Harvard University, Cambridge Massachusetts, Mai 1989

[57] P. S. Theocaris; „The mesophase concept in composites“; Akademie Verlag Berlin, Berlin, 1987

[58] S. Meretz; „Ein Beitrag zur Mikromechanik der Interphase in polymeren Faserverbundwerkstoffen“; Dissertation, TU Berlin, Juli 1993

[59] W. D. Bascom; „Interphase in fiber reinforced composites“; in International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991, Vol. 2, 411-422

[60] N. P. O’Dowd, C. F. Shih, M. G. Stout; „Test geometries for measuring interfacial fracture toughness“; Int. J. Solids Structures 29 (1992), 571-589

[61] M. Mantel, F. Descaves; „Study of a ‘T-type’ peel test on a metal/Polymer/metal sheet sandwich“; J. Adhesion Sci. Technol. 6 (1992), 357-375

[62] G. S. Sih, A. M. Skudra; „Failure Mechanics of Composites“; Elsevier, Amsterdam, 1985

[63] S. W. Tsai, E. M. Wu; „A general theory of strength for anisotropic materials“; J. Comp. Mat. 5 (1971), 58-80

[64] J. Eftis, H. Liebowitz; „On fracture toughness evaluation for semi-brittle fracture“; Engineering Fracture Mechanics 7 (1975), 101-135

[65] N. I. Mußchelischwili; „Einige Grundaufgaben zur mathematischen Elastizitätstheorie“; VEB Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig, 1971

[66] L. D. Landau, E. M. Lifschitz; „Lehrbuch der theoretischen Physik- Elastizitätstheorie“; Band VII, Akademie-Verlag, Berlin, 1989

[67] H. Cox; „The elasticty and strength of paper and other fibrous materials“; Brit. J. Appl. Phys. 3 (1952), 72-79

[68] O. C. Zienkiewicz; „Methode der finiten Elemente“; VEB Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig, 1983

[69] Y. M. Tarnopolskii, A. I. Beil; „Problems of the mechanics of composite windings“; Handbook of Composites, Vol. 4, Fabrication of Composites, ed. A. Kelly und S. T. Mileiko, 1986

[70] M. J. Fedro, H. T. Hahn, D. W. Jensen; „Filament winding of thermoplastic composites using commingled yarns“; SME Technical Paper, 1989, EM 89-584

[71] J. H. C. Rowan, R. N. Askander; „Filament winding of high performance thermoplastic composites“; Materials and Processing-Move into the 90’s, ed. S. Benson, T. Cook, E. Trewin, R. M. Turner, Elsevier Sci. Publ., Amsterdam, 1989

Page 153: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

145

[72] H. Wittich; „Bruchmechanische Charakterisierung kontinuierlich faserverstärkter thermoplastischer Verbundwerkstoffe unter besonderer Berücksichtigung ihrer Verarbeitung durch die Wickeltechnik“; Dissertation, TU Hamburg, Januar 1993

[73] O. Dickmann, K. Lindersson, L. Svennson; „Filament winding of thermoplastic matrix composites“, Plastics and Rubber Prozessing and Applications, 13 (1990), 9-14

[74] F. Haupert, K. Friedrich; „Thermoplastic filament winding using powder impregnated yarns“; Advanced Composites Letters, 2 (1993), 14

[75] R. Voigtländer, W. Jenschke, B. Lauke; „Aufbau einer Thermoplastwickelanlage zur Verarbeitung von Hybridfäden zu Thermoplastverbunden”, in Druck bei Materialprüfung

[76] S. Roychowdhury, G. Advani; „An experimental investigation of consolidation in thermoplast filament winding“; Composite Manufacturing 2 (1991), 97-103

[77] P. Davies; „Protocols for interlaminar fracture testing of composites“; ESIS, September 1993

[78] J. G. Williams; „Fracture mechanics of polymers“; Ellis Horwood Limited, Chichester (England), 1987

[79] S. Timoshenko; „Strength of materials“; Van Nostrand Reinhold, New York, 1978

[80] R. F. Foral; „Delamination failures in curved composite laminates“; Key Engineering Materials 37 (1989), 137-148

[81] K. T. Kedward, R. S. Wilson, S. K. Mclean; „Flexure of Simply Curved Composite Shapes“; Composites 20 (1989), 527-536

[82] W. Beckert, B. Lauke; „Finite-Elemente-Berechnung von Korrekturfaktoren zur Auswertung des Double-Cantilever-Beam-Tests für faserverstärkte Kunststoffe“; Plaste und Kautschuk 41 (1994), 109-118

[83] W. Beckert, B. Lauke; „Bestimmung bruchmechanischer Kenngrößen für Probekörper mit elastischen, anisotropen Materialeigenschaften mittels Finite-Elemente Methode“, in Druck bei Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, Januar 1995

[84] ANSYS; „Fracture mechanics - a revision 4.4 tutorial“; Swanson Analysis Systems Inc., Houston, 1989

[85] J. J. Gilman; J. Appl. Phys. 31 (1960), 2208

[86] J. G. Williams; „Large Displacement and End Block Effects in the 'DCB' Interlaminar Test in Modes I and II“; J. Comp. Mater. 21 (1987), 330-347

[87] M. F. Kanninen; „An Augmented Double Cantilever Beam Model for Studying Crack Propagation and Arrest“; Int. J. Fract. 9 (1973), 83-92

[88] L. Ye; „Evaluation of Mode-I Interlaminar Fracture Toughness for Fiber-Reinforced Composite Materials“; Composites Science and Technology 43 (1992),49-54

[89] K. Kageyama, T. Kobayashi, T.-W. Chou; „Analytical Compliance Method for Mode I Interlaminar Fracture Toughness Testing of Composites“; Composites 18 (1987); 393-399

[90] J. M. Whitney; „Experimental characterization of delamination fracture“; in Interlaminar Response of Composite Materials, ed. N. J. Pagano, Elsevier, Amsterdam, 1989

Page 154: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

146

[91] J. P. Berry; „Determination of fracture surface energies by the cleavage technique“, J. Appl. Phys. 34 (1963), 62-66

[92] P. Yeung, L. J. Broutman; „The effect of glass-resin interface strength on the impact strength of fiber reinforced plastics“; Polym. Eng. and Sci. 18 (1978), 62-68

[93] C. Theuerkorn; „Charakterisierung des Delaminationsverhaltens von Schichtverbunden unter Mode I und Mode II Belastungen“; Diplomarbeit, Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg (Außenstelle Merseburg); Mai 1993

[94] P. E. Keary, L. B. Ilcewicz, C. Shaar, J. Trostle; „Mode I interlaminar toughness of composites using slender double cantilevered beam specimens“; J. of Composite Materials 19 (1985), 154-177

[95] S. Wolfram; „Mathematica- a system for doing mathematics by computer“; Second Edition, Addison-Wesley Publishing Company, Redwood City (California), 1991

[96] G. C. Sih, P. C. Paris, G. R. Irwin; „On cracks in rectilnearly anisotropic bodies“; Intern. J. of Fracture Mechanics 1 (1965), 189-203

[97] J. G. Williams; „Fracture mechanics of anisotropic materials“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 3-38

[98] D. Hull; „An introduction to composite materials“; Cambridge University Press, Cambridge (UK), 1981

[99] F. P. Gerstle; „Composites“ in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering Vol. 1, John Wiley Inc., New York, 1989, 776-820

[100] C. Starke, W. Beckert, B. Lauke; „Charakterisierung des Delaminationsverhaltens von Schichtverbunden unter Mode I und Mode II Belastung“; in Druck bei Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, Januar 1995

[101] B. Lauke, W. Beckert, C. Theuerkorn, „Influence of interface, matrix and structure properties on the delamination behaviour of fibre-reinforced polymer composites", Poster auf ICCI-V Conference, Göteborg (Schweden), Juni 1994, P13-2

[102] W. Beckert, B. Lauke, K. Friedrich; „Delamination toughness computation for curved thermoplastic composites“; in Druck bei Applied Composite Materials, Januar 1995

[103] ANSYS Rev. 5.0, User’s Manual Vol. IV „Theory“, ed. P. Kohnke, Swanson Analysis Systems Inc., Houston (Texas), 1992

[104] G. Backhaus; „Deformationsgesetze“; Akademie-Verlag, Berlin, 1983

[105] M. M. Filonenko-Boroditsch; „Elastizitätstheorie“; VEB Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig, 1967

[106] H. D. Wagner, A. Eitan;“Interpretation of the Fragmentation Phenomenon in Single-Filament Composite Experiments“; Appl. Phys. Lett. 56 (1990), 1965-1967

[107] A. Kelly; „The strengthening of metals by dispersed particles“; Proc. Roy. Soc. London A282 (1964), 63-79

[108] J. C. Figueroa, T. E. Carney; „Micromechanics of Single Filament Composites“; Composites Science and Technology 42 (1991), 77-101

[109] E. M. Asloun, M. Nardin, J. Schultz; „Stress transfer in single fibre composites: effect of adhesion, elastic modulus of fibre and matrix and polymer chain mobility“; J. Mat. Sci. 24 (1989), 1835-1844

Page 155: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

147

[110] A. T. Di Benedetto, P. J. Lex; „Stress Transfer and Fracture in Single Fibre/ Epoxy-Composites“; in Composite Interfaces, ed. H. Ishida und H. L. Koenig, Elsevier Sci. Publ., Amsterdam, 1986

[111] A. N. Netravali, P. Schwartz; „Study of Interfaces of High-Performance Glass Fibers and DGEBA-Based Epoxy Resins Using Single-Fiber-Composite Test“; Polymer Composites 10 (1989), 385-388

[112] C. Galiotis; „Interfacial Studies on Model Composites by Laser Raman Spectroscopy“; Composites Science and Technology 42 (1991), 125-150

[113] N. Melanitis, C. Galiotis et al; „Monitoring the Micromechanics of Reinforcement in Carbon Fibre/Epoxy Resin Systems“; J. Mat. Sci. 28 (1993), 1648-1654

[114] J. A. Nairn; „A variational mechanics analysis of the stresses around breaks in embedded fibers“; Mechanics of Materials 13 (1992), 131-154

[115] W. A. Curtin; „Exact Theory of Fibre Fragmentation in a Single-Filament Composite“; Journal of Materials Science 26 (1991), 5239-5253

[116] P. Feillard, G. Desarmot, J. P. Favre; „Theoretical aspects of the fragmentation test“; Composite Science and Technology 50 (1994), 265-279

[117] R. B. Henstenburg, S. L. Phoenix; „Interfacial Shear Strength Studies Using the Single-Filament-Composite Test. Part II: A Probability Model and Monte Carlo Simulation“; Polymer Composites 10 (1989), 389-408

[118] D. Tripathi, F. Chen, F. R. Jones; „The effect of matrix plasticity on the stress fields in a single fibre composite“; eingereicht bei The Royal Society Proceedings and Physical Sciences; 1994

[119] L. Rebenfeld; „The interface between fibers and resins in composites“; 25. Intern. Man Made Fibres Congress, Dornbirn (Österreich), 1986

[120] D. A. Biro, G. Pleizier, Y. Deslandes; „Application of the Microbond Technique: Effects of Hygrothermal Exposure on Carbon-Fiber/Epoxy Interfaces“; Composites Science and Technology 46 (1993), 293-301

[121] D. A. Biro, P. McLean, Y. Deslandes; „Application of the Microbond Technique: Characterization of Carbon Fiber-Epoxy Interfaces“; Polymer Engineering and Science 37 (1991), 1250-1256

[122] B. Miller, U. Gaur, D. E. Hirt; „Measurement and Mechanical Aspects of the Microbond Pull-Out Technique for Obtaining Fiber/Resin Interfacial Shear Strength“; Composites Science and Technology 42 (1991), 207 219

[123] Y.-T. Liao, I.-C. Tung; „Properties of Carbon Fibre-Polymer Interfaces“; Journal of Materials Science Letters 10 (1991), 272-275

[124] K. P. McAlea, G. J. Besio; „Adhesion Between Polybutylene Terephthalate and E-Glass Measured With a Microdebond Technique“; Polymer Composites 9 (1988), 285-290

[125] H. F. Wu, C. M. Claypool; „A finite-element model of the use of the microbond test method for characterization of composite interfacial properties“; Journal of Materials Science Letters 10 (1991), 1072-1075

[126] H. F. Wu, C. M. Claypool; „An analytical approach of the microbond test method used in characterizing the fibre-matrix interface“; Journal of Materials Science Letters 10 (1991), 260-262

Page 156: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

148

[127] R. J. Scheer, J. A. Nairn; „Variational mechanics analysis of the stresses in microdrop debond specimens“; Composites Design, Manufacture, and Application ICCM/8, 1991, 29_C_1-10

[128] J. P. Favre, „Characterization of fibre/ resin bonding in composites using a pull-out test“; Intern. J. Adhesion Adhesives 1 (1981), 234-241

[129] A. Hampe, I. Boro, K. Schumacher; „Bestimmung der Haftung zwischen Faser und Matrix“, Forschung Aktuell (TU Berlin), 7 (1990), 21-23

[130] A. Hampe, C. Marotzke; „Adhesion of Polymers to reinforcing fibres“; Polym. Intern. 28 (1992), 313-318)

[131] A. Hampe, M. Hennecke, W. Mielke; „Prüfmethoden für Polymerwerkstoffe“, Materialprüfung 34 (1992), 228-231

[132] A. Hampe; „Faser-Matrix-Haftung: Weiterentwicklung der Einzelfaser-Auszugsmethode“; Materialprüfung 35 (1993), 269-275

[133] A. Kelly, W. R. Tyson; „Tensile Properties of Fibre-Reinforced Metals: Copper/ Tungsten and Copper/ Molybdenium“; J. Mech. Phys. Sol. 13 (1965), 329-350

[134] R. Y. Young; „Analysis of interfaces in carbon fibre reinforced composites using electron microscopy and raman spectroscopy“; Vortrag auf Workshop „Interfaces in carbon fibre reinforced composites“; IPF Dresden, 16.-17.11.1992

[135] D. J. Bannister, M. C. Andrews, R. J. Young, A. J. Cervenka; „Analysis of the single fibre pull-out test using Raman spectroscopy“; Poster auf Workshop „Interfaces in carbon fibre reinforced composites“; IPF Dresden, 16.-17.11.1992

[136] G. Desarmot, J.-P. Favre; „Advances in pull-out testing and data analysis“; Composites Science and Technology 42 (1991), 151-187

[137] C. Marotzke; „Influence of the fiber length on the stress transfer from glass and carbon fibers into a thermoplastic matrix in the pull-out test“; Composite Interfaces 1 (1993), 153-166

[138] W. Beckert, B. Lauke; „Fracture mechanics finite element analysis of debonding crack extension for a single fibre pull-out specimen“; J. Mat. Sci. Letters, 14 (1995), 333-336

[139] R. J. Kerans; „Theoretical analysis of the Fiber Pullout and Pushout Tests“; J. Am. Ceram. Soc. 74 (1991), 1585-1596

[140] M. J. Pitkethly, J. P. Favre, U. Gaur, J. Jakubowski, S. F. Mudrich, L. T. Drzal, M. Nardin, H. D. Wagner, L. DiLandro, A. Hampe, F. P. Arminstead, M. Desaeger, I. Verpoest; „A Round Robin Programme on Interfacial Test Methods“; in Druck bei Comp. Sci. Techn., 1993

[141] P. J. Herrera-Franco, L. T. Drzal; „Comparison of Methods for the Measurement of Fibre/Matrix Adhesion in Composites“; Composites 23 (1992), 2-27

[142] R. J. Gray; „Analysis of the effect of embedded fibre length on fibre debonding and pull-out from an elastic matrix Part 1 Review of theories“ J. Mat. Sci. 19 (1984) 861-870

[143] H. L. Cox; „The elasticity and strength of paper and other fibrous materials“; Brit. J. Appl. Phys. 3 (1952), 72-79

[144] L. B. Greszczuk; „Theoretical studies of the mechanics of the fiber-matrix interface in composites“; ASTM STP 452 (1969), 42-58

Page 157: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

149

[145] P. Lawrence; „Some theoretical considerations of fibre pull-out from an elastic matrix“; J. Mat. Sci. 7 (1972), 1-6

[146] M. R. Piggott; „Failure Processes in the Fibre-Polymer Interphase“; Composites Science and Technology 42 (1991), 57-76

[147] J. N. Singletary, W. Beckert, B. Lauke: „Examination of the Fundamental Assumptions of Analytical Modelling of Fibre Pullout Tests“ eingereicht bei Composite Science and Technology, November 1994

[148] C. Atkinson, J. Avila, E. Betz, R. E. Smelser; „The rod pull out problem, theory and experiment“; J. Mech. Phys. Solids 30 (1982), 97-120

[149] C. Marotzke; „Singularitäten in der Grenzfläche bei Faserverbundwerkstoffen“; Zeitung für angewandte Mathematik und Mechanik 71 (1991), 287-290

[150] J. Banbaji; „On a More Generalized Theory of the Pull-Out Test from an Elastic Matrix Part I-Theoretical Considerations“; Composites Science and Technology 32 (1988), 183-193

[151] L. N. McCartney; „New theoretical model of stress transfer between fibre and matrix in a uniaxially fibre-reinforced composite“; Proc. R. Soc. Lond. A425 (1989), 215-244

[152] B Y.-C. Gao , Y.-W. Mai, B. Cotterell; „Fracture of fiber-reinforced materials“; Journal of Applied Mathematics and Physics (ZAMP) 39 (1988), 550-572

[153] N. Phan-Thien; „A contribution to the rigid fibre pull-out problem“ Fibre Science and Technology 13 (1980), 179-186

[154] R. Muki, E. Sternberg; „On the diffusion of an axial load from an infinite cylindrical bar embedded in an elastic medium“; Int. J. Solids Structures 5 (1969), 587-605

[155] V. K. Luk, L. M. Keer; „Stress analysis for an elastic half space containing an axially-loaded rigid cylindrical rod“; Int. J. Solids Structures 15 (1979), 805-827

[156] C. Marotzke, „Determination of the stress field in the single fibre-pull out test with the aid of the finite element method“, Proc. IPCM, Leuven (Belgien), 1991, 69-72

[157] C. Marotzke, A. Hampe; „Finite Element analysis of the single fibre pull-out test“ in Struceng and Femcad 90’, ed. A. Niku-Lari, Technology Transfer Series, 1990, 131-136

[158] F. G. Buchholz, M. Meyer, F. Brandes, H. A. Richard; „Fracture analysis of Fibre/Matrix Pull-Out Problems by Local and Global Energy Methods“; Advances in Structural Testing, Analysis & Design Vol. III, ICSTAD-Proc., Bangalore (Indien), 1990, 983-989

[159] A. N. Gent, C. Wang; „What happens after a fibre breaks - pull-out or resin cracking?“; J. Mat. Sci. 28 (1993), 2494-2500

[160] J. K. Morrison, S. P. Shah, Y. S. Jenq; „Analysis of fiber debonding and pullout in composites“; Journal of Engineering Mechanics 114 (1988), 277-294

[161] C. F. Shih; „Cracks on Bimaterial Interfaces: Elasticity and Plasticity Aspects“; Materials Science and Engineering A143 (1991), 77-90

[162] P. S. Chua, M. R. Piggott; „The glass fibre-polymer interface: II-Work of fracture and Shear stresses“; Composites Science and Technology 22 (1985); 107-119

[163] J. O. Outwater, M. C. Murphy; „Fracture energy of unidirectional laminates“; Modern Plastics 47 (1970), 160-169

Page 158: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

150

[164] H. Stang, S. P. Shah; „Failure of fiber-reinforced composites by pull-out fracture“; J. Mat. Sci. 21 (1986), 953-957

[165] H. Stang, Z. Li, S. P. Shah; „Pullout Problem: Stress versus Fracture Mechanical Approach“; Journal of Engineering Mechanics 116 (1989), 2136-2150

[166] I. Palley, D. Stevans; „A fracture mechanics approach to the single fiber pull-out problem as applied to the evaluation of the adhesion strength between the fiber and the matrix“; J. Adhesion Sci. Technol. 3 (1989), 141-153

[167] S. A. Hamoush, M. R. Salami; „Interfacial separation of fibres in fibre reinforced composites“; Composites Science and Technology 42 (1991), 317-328

[168] S. Y. Fu, B. L. Zhou, X. Chen, G. H. He, C. W. Lung; „Some further considerations of the theory of fibre debonding and pull-out from an elastic matrix; Part2: Non-constant interfacial frictional shear stress“; Composites 24 (1993); 13-17

[169] C. K. Y. Leung, V. C. Li; „New Strength Based Model for the Debonding of Discontinuous Fibres in an Elastic Matrix“; J. Mat. Sci. 26 (1991), 5996-6010

[170] W. Beckert, B. Lauke; „Finite-element calculation of the energy-release rate for debonding-crack-extension at the fibre-matrix interface during fibre pull-out", Poster auf ICCI-V Conference, Göteborg (Schweden), Juni 1994, P36-1

[171] M. L. Williams; „The Stresses around a Fault or Crack in Dissimilar Media“; Bulletin of the Seismological Society of America 49 (1959), 199-204

[172] J. R. Rice; „Elastic Fracture Mechanics Concepts for Interfacial Cracks“; Journal of Applied Mechanics 55 (1988), 98-103

[173] R. E. Smelser; „Evaluation of stress intensity factors for bimaterial bodies using numerical crack flank displacement data“; International Journal of Fracture 15 (1979), 135-143

[174] A. Piva, E. Viola; „Biaxial load effects on a crack between dissimilar media“; Engineering Fracture Mechanics 13 (1980), 143-174

[175] A. R. Zak; „Stresses in the vicinity of boundary discontinuities in bodies of revolution“; Transactions of the ASME, J. Appl. Mech. 31 (1964), 150-152

[176] M. Charalambides, A. J. Kinloch, Y. Wang, J. G. Williams; „On the Analysis of Mixed-Mode Failure“; International Journal of Fracture 54 (1992), 269-291

[177] M. D. Thouless; „Fracture of a model interface under mixed-mode loading“; Acta Metall. Mater. 38 (1990), 1135-1140

[178] W. Beckert, B. Lauke; „Finite element calculation of energy release rate for the single fibre pull-out test“; eingereicht bei Computational Materials Science, Dezember 1994

[179] M. R. Piggott; „The single-fibre pull-out method: its advantages, interpretation and experimental realization“; Composite Interfaces 1 (1993), 211-223

Page 159: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

151

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. B. Lauke, der mir die Anregung und den Einstieg zur

Thematik der Arbeit vermittelte und als Betreuer ihren Werdegang zielstrebig und mit großem

Einsatz förderte. Er war ein stets geduldiger, hilfreicher und optimistischer Ansprechpartner

bei allen fachlichen und organisatorischen Problemen und hat großen Anteil am

Zustandekommen der Arbeit. Auch über deren Rahmen hinaus hat er meine wissenschaftliche

und persönliche Entwicklung wesentlich mit geprägt.

Herrn Prof. Dr. K. Friedrich danke ich für die Bereitschaft, als Gutachter mitzuwirken, für

seine kritsche Diskussion der Arbeit und für seine freundliche Unterstützung bei der

Vorbereitung des Promotionsverfahrens.

Mein Abteilungsleiter, Herr Dr. K. Schneider, hat viel dafür getan, organisatorische Probleme

zu lösen und mir ein reibungsloses und effektives Arbeiten zu ermöglichen. Dafür möchte ich

Ihm ganz herzlich danken.

Für das Verständnis und die großzügige Unterstützung meiner Tätigkeit möchte ich den

Direktoren des Institutes für Polymerforschung in Dresden, Herrn Prof. Dr. H.-J. Jacobasch

und Herrn Prof. Dr. K. Lunkwitz meinen nachdrücklichen Dank aussprechen.

Viele Kollegen waren mittelbar oder unmittelbar am Zustandekommen der Arbeit beteiligt

und haben mich durch Rat und Tat unterstützt. In besonderer Weise danke ich Frau

V. Kirsanova und Herrn. J. Singletary für ihre Hilfe bei den Rechnungen, für die

Durchführung der experimentellen Untersuchungen gilt mein Dank Frau C. Starke und Herrn

R. Voigtländer. Neben anderen in verschiedener Weise geholfen haben mir Frau U. Bunzel,

Herr S. Lin und Herr Dr. A. Schöne.

Die Arbeit überhaupt erst ermöglicht hat mir das Institut für Polymerforschung Dresden e.V.

durch die großzügige Bereitstellung der finanziellen Mittel, der Infrastruktur und der

benötigten, leistungsfähigen Rechentechnik und sonstigen Ausrüstung. Dieser Institution bin

ich zu ganz besonderem Dank verpflichtet. Weitere wichtige finanzielle Unterstützung hat

meine Tätigkeit durch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefunden,

welches mit dem Projekt Nr. 7541.83 das Thema gefördert hat.

Zahlreiche Entbehrungen und zusätzliche Aufgaben hat meine Lebensgefährtin Katrin Heisig

für mich auf sich genommen, und mir damit den Weg zur Durchführung der Arbeit geebnet.

Für den Rückhalt, das Verständnis und die Kraft, die sie mir gegeben hat, möchte ich ihr vor

allem danken.

Page 160: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Lebenslauf Persönliche Daten Name: Beckert, Wieland Geburtsdatum/Ort: 20.05.1964, Dresden Familienstand: verheiratet Nationalität: deutsch Schulbildung 1970 – 1978 8. Polytechnische Oberschule, Dresden 1978 – 1982 Erweiterte Oberschule „Martin Andersen Nexö“, Dresden Abitur Wehrdienst 1982 – 1984 Grundwehrdienst, Artillerieregiment „Henne“, Erfurt Studium 1984 – 1989 Studium der Physik, Vertiefung Polymerphysik, Technische Hochschule „Carl Schorlemmer“, Merseburg Abschluss: Dipl.-Phys. Wissenschaftliche Berufstätigkeit 1989-1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Polymerforschung

Dresden 1998-2001 Postdoc, Institut für Werkstoffwissenschaft, TU Dresden Promotion 1995 Titel: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Faserverbundwerkstoffen mittels der Methode der Finiten Elemente

Berufstätigkeit seit 2001 Fraunhofer Institut für keramische Technologien und Systeme,

Dresden, Gruppenleiter Simulation