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MODELLIERUNG KOMPLEXER VERGLASUNGSSYSTEME IN TRNSYS M. Hiller 1 und P. Schöttl 1 1 Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart, Germany [email protected] KURZFASSUNG Im Hinblick auf die maximale Kühllast, den jährli- chen Energiebedarf, sowie den thermischen Komfort kommt der Modellierung komplexer Verglasungssys- teme (CFS) bei der thermischen Gebäudesimulation eine zentrale Rolle zu. In diesem Beitrag wird ein neues Model zur Model- lierung von CFS in Trnsys vorgestellt. Die optische Modellierung basiert auf sogenannten „Bidirectional scattering distribution function“ (BSDF) für Trans- mission, Reflektion und Absorption. Die ISO 15099 bildet die Grundlage für das thermische Modell. Das neue Modell wurde als Betaversion in das Mehrzo- nen-Gebäudemodell (Type 56) von Trnsys imple- mentiert. Zur Validierung der Implementierung wurden sowohl stationäre Vergleichsrechnungen mit dem Programm Window v7.2.34.0 durchgeführt als auch instationäre Simulationen einer Testzelle mit Messergebnissen einer Testzelle verglichen. Die Ergebnisse zeigen in allen Fällen eine sehr gute Übereinstimmung. EINLEITUNG Die thermische Gebäudesimulation wird mehr denn je von Ingenieuren und Architekten zur Evaluierung hoch verglaster Gebäude eingesetzt. Gleichzeitig nimmt der Einsatz komplexer Verglasungssysteme (CFS) zu. Innovative Glasschichten werden durch Elemente zur effektiven Nutzung von Tageslicht, Reduzierung unerwünschter solarer Gewinne sowie Vermeidung von Blendungserscheinungen ergänzt. Diese Elemente stellen wesentlich höhere Anforde- rungen an die Modellierung. Vor allem die bidirektionale Streuung der Strahlung, wie sie z.B. bei Lamellensystemen oder Wabenstruk- turen auftritt, und die Wechselwirkung mit den ande- ren Schichten müssen abgebildet werden können. Zusätzlich beeinflussen Öffnungsflächen einzelner Schichten die Konvektion sowie die langwellige Strahlung. Trnsys (Klein et al., 2012 ) ist ein modular aufgebau- tes, dynamisches Gebäude- und Anlagen- Simulationsprogramm, das weltweit von Experten eingesetzt wird. Das Mehrzonen-Gebäudemodell (Type56) beinhaltet bereits ein detailliertes Fenstermodell hinsichtlich der Glasschichten/Zwischenräumen. Die Verschattungs- elemente werden jedoch vereinfacht mit Abminde- rungsfaktoren abgebildet. Bei einem innenliegenden System werden zusätzlich Reflektion, Emissivität und ein Hinterlüftungsgrad berücksichtigt. Die Be- stimmung der Abminderungsfaktoren, sowie des Hinterlüftungsgrads und damit des Detaillierungs- grads hängt jedoch vom Anwender ab. Um Anwender mit relativ geringem Aufwand eine sichere detaillierte Simulation von CFS in Trnsys zu ermöglichen, wurde ein neues Modell von Schöttl, 2013 entwickelt. Der Schwerpunkt bei der Modellerstellung lag zum einen auf der Flexibilität, d.h. jegliche Kombination von Verschattung/Verglasung soll detailliert abgebil- det werden können. Zum anderen sollten die Ein- gangsdaten des Modells mit Herstellerangaben ein- fach generiert werden können. MODELLIERUNG Im Folgenden werden die wesentlichen optischen und thermischen Modellansätze vorgestellt. Eine ausführliche Beschreibung ist in (Schöttl, 2013) zu finden. Optische Modellierung Zur Beschreibung der Streuung eines Lichtstrahls an einer komplexen Oberfläche wurde 1991 von Heck- bert der Begriff Bidirectional scattering distribution function(BSDF) verwendet (Veach, 1997). Diese Funktionen beschreiben das Verhältnis von einfallender und ausfallender Transmission bzw. Reflektion für genau zwei 3D-Winkelpaare, welche die Richtung der einfallenden und ausfallenden Strahlung festlegen. Exemplarisch kann für die Transmission in Polarkoordinaten geschrieben wer- den: (1) Fifth German-Austrian IBPSA Conference RWTH Aachen University - 387 -

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MODELLIERUNG KOMPLEXER VERGLASUNGSSYSTEME IN TRNSYS

M. Hiller1 und P. Schöttl

1

1Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart, Germany

[email protected]

KURZFASSUNG

Im Hinblick auf die maximale Kühllast, den jährli-

chen Energiebedarf, sowie den thermischen Komfort

kommt der Modellierung komplexer Verglasungssys-

teme (CFS) bei der thermischen Gebäudesimulation

eine zentrale Rolle zu.

In diesem Beitrag wird ein neues Model zur Model-

lierung von CFS in Trnsys vorgestellt. Die optische

Modellierung basiert auf sogenannten „Bidirectional

scattering distribution function“ (BSDF) für Trans-

mission, Reflektion und Absorption. Die ISO 15099

bildet die Grundlage für das thermische Modell. Das

neue Modell wurde als Betaversion in das Mehrzo-

nen-Gebäudemodell (Type 56) von Trnsys imple-

mentiert.

Zur Validierung der Implementierung wurden sowohl

stationäre Vergleichsrechnungen mit dem Programm

Window v7.2.34.0 durchgeführt als auch instationäre

Simulationen einer Testzelle mit Messergebnissen

einer Testzelle verglichen. Die Ergebnisse zeigen in

allen Fällen eine sehr gute Übereinstimmung.

EINLEITUNG

Die thermische Gebäudesimulation wird mehr denn

je von Ingenieuren und Architekten zur Evaluierung

hoch verglaster Gebäude eingesetzt. Gleichzeitig

nimmt der Einsatz komplexer Verglasungssysteme

(CFS) zu. Innovative Glasschichten werden durch

Elemente zur effektiven Nutzung von Tageslicht,

Reduzierung unerwünschter solarer Gewinne sowie

Vermeidung von Blendungserscheinungen ergänzt.

Diese Elemente stellen wesentlich höhere Anforde-

rungen an die Modellierung.

Vor allem die bidirektionale Streuung der Strahlung,

wie sie z.B. bei Lamellensystemen oder Wabenstruk-

turen auftritt, und die Wechselwirkung mit den ande-

ren Schichten müssen abgebildet werden können.

Zusätzlich beeinflussen Öffnungsflächen einzelner

Schichten die Konvektion sowie die langwellige

Strahlung.

Trnsys (Klein et al., 2012 ) ist ein modular aufgebau-

tes, dynamisches Gebäude- und Anlagen-

Simulationsprogramm, das weltweit von Experten

eingesetzt wird.

Das Mehrzonen-Gebäudemodell (Type56) beinhaltet

bereits ein detailliertes Fenstermodell hinsichtlich der

Glasschichten/Zwischenräumen. Die Verschattungs-

elemente werden jedoch vereinfacht mit Abminde-

rungsfaktoren abgebildet. Bei einem innenliegenden

System werden zusätzlich Reflektion, Emissivität

und ein Hinterlüftungsgrad berücksichtigt. Die Be-

stimmung der Abminderungsfaktoren, sowie des

Hinterlüftungsgrads und damit des Detaillierungs-

grads hängt jedoch vom Anwender ab.

Um Anwender mit relativ geringem Aufwand eine

sichere detaillierte Simulation von CFS in Trnsys zu

ermöglichen, wurde ein neues Modell von Schöttl,

2013 entwickelt.

Der Schwerpunkt bei der Modellerstellung lag zum

einen auf der Flexibilität, d.h. jegliche Kombination

von Verschattung/Verglasung soll detailliert abgebil-

det werden können. Zum anderen sollten die Ein-

gangsdaten des Modells mit Herstellerangaben ein-

fach generiert werden können.

MODELLIERUNG

Im Folgenden werden die wesentlichen optischen

und thermischen Modellansätze vorgestellt. Eine

ausführliche Beschreibung ist in (Schöttl, 2013) zu

finden.

Optische Modellierung

Zur Beschreibung der Streuung eines Lichtstrahls an

einer komplexen Oberfläche wurde 1991 von Heck-

bert der Begriff „Bidirectional scattering distribution

function“ (BSDF) verwendet (Veach, 1997).

Diese Funktionen beschreiben das Verhältnis von

einfallender und ausfallender Transmission bzw.

Reflektion für genau zwei 3D-Winkelpaare, welche

die Richtung der einfallenden und ausfallenden

Strahlung festlegen. Exemplarisch kann für die

Transmission in Polarkoordinaten geschrieben wer-

den:

(1)

Fifth German-Austrian IBPSA Conference RWTH Aachen University

- 387 -

schmidt
Schreibmaschinentext
schmidt
Schreibmaschinentext
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Abbildung 1 Streuung an einer komplexen

Oberfläche (Wikipedia, 2014)

Zur diskreten Abbildung der kontinuierlichen BSDF

wird eine Einteilung der Fenster-Hemisphäre nach

Klems (Mitchell et al, 2006) verwendet, die sich

sowohl für Tageslichtberechnung als auch für die

thermische Simulation als Standard etabliert hat. Bei

dieser Einteilung ist unter Annahme einer diffus-

isotropen Strahlungsverteilung die Einstrahlungsstär-

ke jedes Patchs auf die Fensterfläche gleich groß. Die

Standardbasis enthält 145 Patches (siehe Abbildung

2)

Abbildung 2: Einteilung der Hemisphere in 145 Pat-

ches nach Klems (Schöttl, 2013)

Daraus resultieren für die Modellierung der kurzwel-

ligen Strahlung des ganzen Systems je zwei

145 x 145 Matrizen (Vorder- bzw. Rückseite) für die

Transmission und Reflexion. Für die Absorption

degeneriert die Matrix dabei auf einen Zeilenvektor

je Schicht, der nur vom Einfallswinkelpaar abhängt.

Durch die Multiplikation eines Einstrahlstrahlvektors

mit der Klems-Matrix K erhält man den Vertei-

lungsvektor :

(2)

Thermische Modellierung

Das thermische Modell zur Abbildung der Vergla-

sungssysteme inklusive Verschattungselemente ba-

siert im Wesentlichen auf dem vergleichsweise kom-

plexen Modell der ISO 15099, 2003.

Die Grundlage sind Bilanzen der Wärmeströme der

einzelnen Schichten. Bei den Schichten wird ledig-

lich zwischen luftundurchlässigen (z.B. Verglasung)

und luftdurchlässigen (z.B. Verschattungselemente)

unterschieden. Durch die Öffnungsflächen von Ver-

schattungselementen (siehe Abbildung 3) werden

nebeneinander liegende Zwischenräume bzw. ein

Zwischenraum mit dem Außen-/Innenraum lufttech-

nisch verbunden.

Abbildung 3: Öffnungsflächen eines Verschattungs-

elements (ISO 15099, 2003)

In Abbildung 4 sind die Wärmeströme für die i-te

Schicht eines Verglasungssystems dargestellt. Wär-

meströme, deren Richtung a priori unbekannt ist,

werden von rechts nach links angetragen.

rot kurz- und langwellige Strahlung

blau Konvektion und Wärmeleitung blau Konvektion und Wärmeleitung

Abbildung 4: Thermische Austauschvorgänge im

Verglasungssystem (Schöttl, 2013)

Fifth German-Austrian IBPSA Conference RWTH Aachen University

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Die verwendeten Variablen werden im Folgenden

erläutert:

Die Strahlungsströme Si entstehen durch die Ab-

sorption der Solarstrahlung in der jeweiligen Schicht.

Es wird angenommen, dass sie gleichmäßig über die

Dicke ti der Scheibe absorbiert werden.

Die Radiositäten Jf,i und Jb,i beinhalten sowohl den

von der Grenzfläche emittierten, als auch den trans-

mittierten und reflektierten Anteil.

(3)

(4)

Durch Wärmeleitung entsteht der Strom durch

die Feststoffschicht mit der Dicke ti und der Wärme-

leitfähigkeit i.

Der konvektiver Wärmeübergang hcv verursacht

Ströme und von den Feststoffschichten

zum Gas und umgekehrt.

Falls der Gaszwischenraum belüftet ist, existiert ein

Wärmestrom , der die Gastemperatur beein-

flusst. Die Belüftung kann sowohl thermisch indu-

ziert als auch mechanisch erfolgen.

Damit ergibt sich folgendes Gleichungssystem:

Vorderseite i:

( )

( ) (5)

Rückseite i:

( )

( ) (6)

Gasschicht i:

( ) ( ) (7)

Kenngrößen

Neben den Scheibentemperaturen werden zur Bewer-

tung zwei übliche Kenngrößen für die Verglasung

berechnet. Für beide ist der Wärmestrom von der

Innenseite zum Innenraum relevant, der daher hier

definiert wird:

( ) (8)

Der U-Wert beschreibt den Wärmedurchgang des

Verglasungssystems ohne die Quelltherme durch

solare Einstrahlung Is (ISO 15099, 2003):

(9)

Zur Bewertung des Verglasungssystems unter Ein-

wirkung von Solarstrahlung wird der Gesamtener-

giedurchlassgrad (g-Wert oder SHGC) verwendet.

Dieser fasst alle Wärmeerträge zusammen, die ins

Rauminnere gelangen. Er ergibt sich als Differenz

des Wärmestroms zum Innenraum und des Wär-

mestroms zum Innenraum ohne solare Einstrahlung:

(10)

IMPLEMENTIERUNG

Zunächst wurde das Modell als eigene Trnsys-

Komponente (Type 330) in Fortran 90/95 mit einem

quasi-objektorientierten Ansatz implementiert

(Schöttl, 2013). Nach erfolgreichen Tests wurde nun

der Code zur Integration in das Mehrzonen-

Gebäudemodell Type56 restrukturiert und als Beta-

version implementiert. Der Datenaustausch zwischen

dem Gebäudemodell und dem Verglasungsmodel

erfolgt damit intern und nicht mehr extern über In-

puts/Outputs. Die Struktur für den Austausch ent-

spricht im Wesentlichen der des existierenden Fens-

termodells in Type 56.

Wie schon bei dem bestehenden Fenstermodell in

Trnsys wurde die Berechnung der optischen Eigen-

schaften des CFS in das externe Programm Window 7

(LBNL, 2014) ausgelagert. Window 7 wird vom

Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL)

entwickelt und ist kostenlos erhältlich. Das Pro-

gramm enthält neben einer großen Produktdatenbank

auch Algorithmen zur Berechnung unterschiedlicher

Verschattungssysteme wie horizontaler und vertika-

ler Lamellensysteme, perforierter Screens oder ge-

webter Schichten etc. Zusätzlich können die Daten

eines beliebigen Verschatters als xml-Datei eingele-

sen werden.

Für jede Konfiguration Verglasung/Verschatter müs-

sen vorab die BSDF Matrizen (Transmission

front/back, Reflektion front/back und Absorption je

Schicht) für das gesamte System für das solare und

visuelle Band generiert werden. Im Gegensatz zu

Type 330 werden im integrierten Modell nicht nur

die BSDF Matrizen für kurzwellige Strahlung, son-

dern auch die IR-Eigenschaften (Transmission und

Reflektion vorne/hinten) der Schichten von Window

7 verwendet.

Beim Initialisierungsaufruf „Glazing Type“ werden

die Daten sowie Information über den Verglasungs-

aufbau über eine externe Datei analog dem „Energy

Plus BSDF IDF file report“ eingelesen.

Während der Simulation kann die Konfiguration in

jeden Zeitschritt z.B. in Abhängigkeit der Einstrah-

lung geändert werden.

Für den aktuellen Sonnenstand eines Zeitschritts

werden die optischen Systemeigenschaften durch

bilineare Interpolation der Werte der Klems-Matrizen

ermittelt.

Die Berechung des Einstrahlungsvektors für außen

liegende Fenster erfolgt in jedem Trnsys-

Iterationsschritt im Type56 und ist abhängig von dem

in der Simulation gewählten Mode für Strahlungsbe-

rechnung. Dabei wird die auf eine geneigte Fläche

auftreffende Diffusstrahlung in bis zu vier Anteile

EM

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aufgeteilt (Isotrop, Zirkumsolar, Horizontaufhellung,

Bodenreflektion). Zur Strahlungsverteilung im Raum

werden vom Verteilungsvektor die direkte Kompo-

nente und ein integrierter Wert für die Diffusstrah-

lung verwendet.

Die Berechnung des thermischen Gleichungssystems

ist von den optischen Berechnungen getrennt, damit

dieser Teil in Zukunft auch für Verglasungen ohne

BSDF-Daten verwendet werden kann. Da die Matrix

des Gleichungssystems verhältnismäßig klein ist und

eine Diagonalstruktur aufweist, kann diese mit einer

direkten LU-Zerlegung nach Crout gelöst werden.

Bedingt durch die Temperaturabhängigkeit der Wär-

meübergangskoeffizienten erfolgt ein iterativer Lö-

sungsprozess.

Abbildung 5: Flussdiagramm des iterativen

thermischen Prozesses

VALIDIERUNG

Die Validierung des in das Gebäudemodell imple-

mentierten Verglasungsmodells (Type56_BSDF)

erfolgt in zwei Schritten:

Stationäre Simulation von Verglasungssyste-

men und Vergleich der Ergebnisse mit dem

Programm Window v7.2.34.0

Instationäre Simulation einer Testzelle und

Vergleich mit Messergebnissen

Stationärer Vergleich mit Window 7

Für die Validierung wurden verschiedene Vergla-

sungssysteme untersucht. Die Basisvariante bildet

eine unbeschichtete 2-Scheiben-Verglasung mit einer

Gasmischung (Argon 90% / Luft 10%) im Scheiben-

zwischenraum (SZR). In den weiteren Testfällen

wurde ein Lamellenbehang hinzugefügt. Dabei wird

sowohl die Lage (außen, im SZR, innen) als auch der

Lamellenwinkel (0°,30°,60°,90°) variiert.

Abbildung 6: Abmessungen des Lamellenbehangs

Die Abmessungen der Lamellen sind in Abbildung 6

dargestellt. Das Lamellematerial ist opak und besitzt

eine langwellige (IR) Emissivität von 90 % sowie

eine kurzwellige Reflexion von 70 % (weiße Farbe).

Wie in Tabelle 1 dargestellt ändern sich mit der Vari-

ation des Lamellenwinkels die IR-Eigenschaften des

Lamellenbehangs signifikant. Die IR-Transmission

variiert von 34,76 % (0° Einstellwinkel) bis 0 % (90°

Einstellwinkel). Zusätzlich ändert sich die Porosität

des Lamellensystems und damit die Hinterlüftung .

Während ein geschlossener Lamellenbehang eine

Porosität von annähernd 0 besitzt, wird bei einer

horizontalen Lamellenstellung von einem Öffnungs-

verhältnis von 1 ausgegangen.

Tabelle 1: IR Eigenschaften des Lamellenbehangs

0° 30° 60° 90°

IR Transmission 34,76 % 29,28 % 14,14 % 0 % IR Emissivität,

vorne und hinten 63,13 % 67,59 % 79,86 % 90 %

Als Standard-Randbedingungen wurden die Einstel-

lungen gemäß des National Fenestration Rating

Council (NFRC) verwendet (siehe Tabelle 2).

Window 7 bietet verschiedene Modelle zur thermi-

schen Berechnung eines Verglasungssystems. Für

den Vergleich wurde analog zu dem in Trnsys im-

plementierten Modell die ISO 15099 ausgewählt. Zur

Abbildung des Lamellenbehangs wurde der Sha-

dingLayerType „horizontal venetian blind“ verwen-

det.

Für die Simulationen mit Type56_BSDF wurde ein

quaderförmiger Raum mit einer Verglasung und

entsprechend konstanten Randbedingungen gerech-

net. Informationen bzgl. des Aufbaus und der Schich-

ten des Verglasungssystems sowie die BSDF-

Matrizen wurden aus den Window 7 - Ausgaben

erzeugt und über eine externe Datei eingelesen.

Neben den wichtigen Kenngrößen U-Wert und

SHGC wurden auch die Temperaturen der einzelnen

Schichten verglichen. Die Ergebnisse beziehen sich

auf ein Verglasungssystem ohne Berücksichtigung

eines Abstandshalters oder Rahmens.

Tabelle 2: Randbedingungen nach NFRC

Winter

(U-Wert)

Sommer

(SHGC)

Lufttemperatur, außen -18 °C 32 °C

Strahlungstemperatur, außen -18 °C 32 °C

Emissivität, außen 1 1

Windgeschwindigkeit außen 5.5 m/s 2.8 m/s

Lufttemperatur, innen 21 °C 24 °C

Strahlungstemperatur, innen 21 °C 24 °C

Emissivität, innen 1 1

Solare Direktstrahlung 0 W/m² 783 W/m²

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Instationäre Validierung mit Messergebnissen

Zur instationären Validierung werden die Messdaten

des Exercise 6 des SHC Task 34 / ECBCS Annex 43

Projekt C (Loutzenhiser et al., 2007) herangezogen.

Im Rahmen der Task wurden verschiedene Testfälle

zur empirischen Validierung der Interaktion von

Verschattungen / Tageslicht / Lasten in thermischen

Gebäudesimulationsprogrammen erstellt und auf

verschiedene Simulationsprogramme angewendet.

Die Datensätze sind online (EMPA, 2014) frei ver-

fügbar. Zusätzlich liegt in (Loutzenhiser et al, 2008)

eine umfangreiche Dokumentation vor.

Der Prüfstand befindet sich auf dem 430 m über dem

Meeresspiegel liegenden EMPA Campus in Düben-

dorf, Schweiz. Seine geografischen Koordinaten sind

47.7° nördlicher Breite und 8.6° östlicher Länge. Die

Südwand der quaderförmigen Testzelle ist um 29°

nach Westen gedreht.

Abbildung 7: Dimensionen der Testzelle

Die eigentliche Testzelle war mit Ausnahme der

Südwand von einer weiteren Hülle umgeben, die

dadurch entstehende Luft-Zwischenschicht wird als

Guard-Zone bezeichnet. Durch künstliche Belüftung

wurde die Lufttemperatur in der Guard-Zone und im

Innenraum der Testzelle möglichst konstant gehalten.

Abbildung 8: Foto des Lamellenbehangs Exercise 6

(Loutzenhiser et al., 2007)

Für diese Veröffentlichung wurde Exercise 6, Ver-

glasung mit externem Lamellenbehang ausgewählt.

(siehe Abbildung 8).

Die Verglasung besteht aus einer 2-Scheiben Son-

nenschutzverglasung mit einer Gasmischung (Argon

90% / Luft 10%) im Scheibenzwischenraum. Die

gegebenen spektralen Daten der Scheiben wurden in

OPTICS 6.0 (LBNL, 2012) eingelesen und in ein

Window 7 kompatibles Datenbankformat umgewan-

delt. Auffällig ist, dass die von Window 7 berechne-

ten integralen Werte der solaren Transmission sowie

der solaren Reflexionen vorne/ hinten der Verglasung

von den experimentellen Werten abweichen. Es war

nicht möglich, die Ursache für die Unterschiede zu

lokalisieren.

Abbildung 9: Abmessungen des Lamellenbehangs

(Loutzenhiser et al., 2007)

Eine dimensionierte Zeichnung der Lamellen ist in

Abbildung 9 dargestellt. Die vergleichsweise kom-

plexe Form der Lamelle wurde vereinfacht mit einem

Krümmungsradius abgebildet. Das Lamellenmaterial

ist opak und besitzt eine IR Emissivität von 0.862

sowie eine kurzwellige Reflexion von 0.441. Explizit

muss für die Belüftung die Öffnungsfläche angege-

ben werden.

Aus den Einzelscheibendaten sowie der Daten des

Lamellenbehangs wurde in Window 7 das gesamte

System erzeugt sowie die resultierenden BSDF-

Daten exportiert.

Da bei diesem Experiment etwa zur Hälfte der Lauf-

zeit die Einstellwinkel der Lamellen von 0° auf 45°

umgestellt wurde, müssen zwei Konfigurationen der

Verglasung erstellt und während der Simulation

gewechselt werden.

Für die empirische Validierung von Exercise 6 ist ein

Vergleich der in der Testzelle gemessenen sowie der

simulierten Kühllast vorgesehen. Nach einer Ein-

schwingzeit von einigen Tagen folgt ein Validie-

rungszeitraum von 20 Tagen.

Die Messung erfolgte vom 16. Juli bis 5. September

2005. Als Randbedingungen für die Simulation wur-

den folgende Messgrößen im 6 min Zeitschritt ver-

wendet:

Globalstrahlung auf die Horizontale

Normale Direktrahlung

Wärmestrahlung in Fensterebene

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Außenlufttemperatur

Windgeschwindigkeit

Relative Feuchte

Oberflächentemperaturen der Testzellenwände

in der Guard-Zone

Lufttemperatur der Testzelle

Interne Last

Zur Berechnung der Diffusstrahlung auf die Südfas-

sade wurde das Perez-Model 1999 (Solar Energy

Laboratory, 2012) verwendet.

ERGEBNISSE

Stationärer Vergleich mit Window 7

In Tabelle 3 ist zunächst der resultierende U-Wert

des neu implementierten Modells (Type56_BSDF)

sowie die absolute Abweichung zu den Resultaten

von Window 7.2.34 für die verschiedenen Vergla-

sungssysteme aufgeführt. Die Abweichungen für alle

berechneten Systeme sind vernachlässigbar klein.

Tabelle 3: U-Wert [W/m²K] von Type56_BSDF und

absolute Abweichung zu WINDOW 7.2.34

Ohne

Lamelle 0° 30° 60° 90°

Lamelle 2.546 1.900 1.901 1.900 1.712

außen (0.001) (0.001) (-0.000) (-0.002) (-0.000)

Lamelle 2.546 2.272 2.186 2.022 1.670

im SZR (0.001) (0.003) (0.003) (0.005) (0.001)

Lamelle 2.546 2.302 2.304 2.263 1.713

innen (0.001) (-0.004) (-0.004) (-0.002) (-0.000)

Die Ergebnisse für den SHGC sind in Tabelle 4 dar-

gestellt. Auch hier sind die Abweichungen für alle

berechneten Systeme vernachlässigbar klein.

Tabelle 4: SHGC-Wert [-]von Type56_BSDF und

absolute Abweichung zu WINDOW 7.2.34

Im Folgenden werden die Temperaturverläufe für die

Basisvariante ohne Sonnenschutz sowie einen Lamel-

lenbehang, bei dem die Lamellen des Sonnenschutzes

um 60° geneigt sind, dargestellt. Dabei ist zu beach-

ten, dass Window 7 die Temperatur des Scheibenzwi-

schenraums nicht in der Benutzeroberfläche ausgibt,

was in der Darstellung einen linearen Verlauf ergibt.

Zur Ermittlung der Abweichung wurden die Debug

Dateien von Window 7 verwendet, da hier mehr als

eine Dezimalstelle angegeben wird. Für alle berech-

neten Varianten lag die maximale Abweichung bei

0.08 K und sind sowohl für den Winter- als auch für

den Sommerfall vernachlässigbar klein.

Abbildung 10: Temperaturverlauf ohne

Lamellenbehang

Abbildung 11: Temperaturverlauf,

Lamellenbehang außen

Abbildung 12: Temperaturverlauf,

Lamellenbehang zwischen Verglasung

Abbildung 13: Temperaturverlauf,

Lamellenbehang innen

Ohne Lamelle

0° 30° 60° 90°

Lamelle 0.702 0.741 0.360 0.099 0.029

außen (0.001) (0.001) (0.001) (0.001) (0.000)

Lamelle 0.702 0.704 0.451 0.242 0.137

im SZR (0.001) (0.000) (0.001) (0.001) (0.001)

Lamelle 0.702 0.694 0.566 0.425 0.272

innen (0.001) (0.000) (-0.000) (0.000) (0.001)

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Instationärer Vergleich mit Messdaten

Analog zu (Loutzenhiser et al, 2007) wird für die

Ergebnisse eine Darstellung gewählt, die jeweils über

die gleichen Stunden des Tages mittelt. Zusätzlich

werden die absolute, die minimale und die mittlere

Differenz dargestellt. In Abbildung 14 - Abbildung

18 sind die Ergebnisse der Messung und der Simula-

tion für den Lamellenwinkel 0° und 45° dargestellt.

Abbildung 14: Vergleich Messung und Simulation

Lamellenwinkel =0°

Abbildung 15: Vergleich Messung und Simulation

Differenzen, Lamellenwinkel =0°

Bei horizontaler Lamelleneinstellung kann Direkt-

strahlung auf die Verglasung hinter dem LAmellen-

behang treffen, wenn der Verschattungswinkel klei-

ner dem Cut-off Winkel von 33° wird. Diese Situati-

on könnte während den letzten zwei Stunden vor

Sonnenuntergang auftreten.

Die Ergebnisse mit dem in Type 56 implementierten

Modell stimmen sehr gut mit den Ergebnissen der

Messung überein. Einzige Ausnahme ist der letzte

Tag mit horizontaler Lamellenstellung, der 12. Au-

gust. Wenn dieser Tag jedoch mit einer Lamellenstel-

lung von 45° anstatt 0° simuliert wird, stimmen die

Ergebnisse auch dort gut überein. Da hier ein Fehler

in der Angabe des Umschaltzeitpunktes vermutet

wird, wurde dieser Tage für die Ergebnisauswertung

nicht verwendet.

Abbildung 16: Vergleich Messung und Simulation am

12. August

Bei einem Lamellenwinkel von 45° kann keine Di-

rektstrahlung mehr in den Raum fallen. Dafür ge-

winnt die Modellierung der vom Boden reflektierten

Strahlung an Bedeutung. Die Ergebnisse mit dem in

Type 56 implementierten Modell stimmen sehr gut

mit den Ergebnissen der Messung überein. Die Kühl-

last wird geringfügig unterschätzt.

Abbildung 17: Vergleich Messung und Simulation

Lamellenwinkel =45°

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Page 8: MODELLIERUNG KOMPLEXER VERGLASUNGSSYSTEME IN TRNSYS … · MODELLIERUNG KOMPLEXER VERGLASUNGSSYSTEME IN TRNSYS M. Hiller1 und P. Schöttl1. 1. Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart,

Abbildung 18: Vergleich Messung und Simulation

Differenzen, Lamellenwinkel =45°

ZUSAMMENFASSUNG

In diesem Beitrag wurde die Implementierung eines

Verglasungsmodells zur Modellierung komplexer

Verglasungssysteme in das Mehrzonen-Gebäude-

modell Type56 von Trnsys vorgestellt. Der Schwer-

punkt bei der Modellerstellung lag zum einen auf der

Flexibilität d.h. jegliche Kombination von Verschat-

tung/Verglasung soll detailliert abgebildet werden

können. Zum anderen sollten die Eingangsdaten des

Modells mit Herstellerangaben einfach generiert

werden können.

Die Abbildung der bidirektionalen Streuung komple-

xer Oberflächen ist dabei ein wichtiger Bestandteil.

Die Verfügbarkeit und Anwendung qualitativ hoch-

wertiger Testprozeduren ist zur Softwareentwicklung

wichtig, da sie auch bei komplexen Systemen eine

Fehlererkennung ermöglicht.

Die Validierung des Modells und seiner Implementa-

tion erfolgte sowohl durch einen Programmvergleich

mit Window 7 unter stationären Bedingungen als

auch instationär durch den Vergleich mit Messdaten

einer Testzelle. Die Ergebnisse zeigten in allen Fäl-

len eine sehr gute Übereinstimmung.

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