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Ptena ctures M~glichkeiten und Grenzen elektrochemischer Analysenverfahren Teil 1. Potentiometrie und Coulometrie Karl Cammann Abteilung fiir Analytische Chemic, Universitiit Ulm, Oberer Eselsberg 026, D-7900 Ulm, Bundesrepublik Deutschland Possibilities and Limits of Electrochemical Analysis Procedures Part 1. Potentiometry and Coulometry Laut einer IUPAC-Klassifikation [1] lassen sich weit fiber 70 verschiedene elektrochemische Analysenmethoden unterschei- den [2]. Seit W. Nernst und J. Heyrovsk~, hat es gewaltige Fort- schritte auf diesem Gebiet gegeben, was von Nicht-Spezialisten h/iufig fibersehen wird. So wird beispielsweise die Kinetik von Elektrodenreaktionen nicht 1/inger vernachl/issigt. Zur Auf- nahme von quasistation/iren Stromspannungskurven wird in- zwischen eine Elektronik eingesetzt, die den interessierenden Faradyschen Strom vom st6renden nicht-Faradayschen Strom zu trennen vermag, und Mikroelektroden erlauben in-situ-Be- stimmungen innerhalb biologischer Zellen. In diesem Zusam- menhang ist ein Kenntnisstand, der sich gerade auf die Nernst- und Ilkovi6-Gleichung beschr/inkt, als rfickstfindig zu bezeich- hen. Begriffe wie Austauschstromdichte, Transferkoeffizient, Mischpotential, Operationsverst/irker, DPP, 2rid harmonic AC, um nut einige zu nennen, sind zum tieferen Verst/indnis und zur adfiquaten Beschreibung moderner elektrochemischer Metho- den notwendig geworden. Inzwischen bieten verschiedene GDCh-Fortbildungskurse die Gelegenheit, dieses Verst/indnis, ohne das jede Methode nie voll ansgenutzt werden kann, zu erlangen. An dieser Stelle k6nnen aus naheliegenden Grfinden nur die wichtigsten Methoden, die vor allem fiir die ,,Specia- tion"-Analyse groBe Bedeutnng erlangt haben, kurz vorgestellt werden. Potentiometrie Die Potentiometrie hat in den letzten Jahren durch die Entwick- lung der ionen-selektiven Elektroden [3], sei es kommerziell oder im Eigenbau, einen neuen Stellenwert erhalten. Laut Umfragen ist die ionen-selektive Potentiometrie inzwischen in jedem drit- ten analytischen Laboratorium zur Routinemethode geworden. Ihre Bedeutung wird vor allem auf dem Gebiet der Ionenanaly- tik erheblich zunehmen, wenn erst die Problematik der Analytik yon Ionengleichgewichten, die sich/iuBerst rasch einstellen, er- kannt worden ist. Der gr6Bte Vorteil der ionen-selektiven Poten- tiometrie liegt darin, dab sie ladungs- und bindungsspezifisch ist und die Probenmatrix beim MeBvorgang'nicht ver/indert. Letzteres ist vor allem ffir die ,,Speciation"-Analyse von erheb- licher Wichtigkeit; hier kann eine Trennung von Ionen und Stoffen, die fiber Gleichgewichte miteinander verbunden sind, zu grogen systematischen Fehlern fiihren, wenn beispielsweise der pH-Wert oder das Redoxpotential der Probel6sung dadurch ver/indert wird. Da das MWG fiir Ionenaktivit/iten gilt, verfin- dert schon eine Variation der Ionenst/irke der Probe die ur- sprfingliche Ionenzusammensetzung. Dies gilt vor allem ffir hS- herwertige Ionen, da sich in diesem Fall der Aktivit/itskoeffi- zient st~irker/indert. Eine solche Analytik hat ihre Unschfirfe- relation! Es hat keinen Sinn genauer zu messen, als man durch den Megvorgang das Ionengleichgewicht beeinfluBt. Im Idealfall ist die ionen-selektive Potentiometrie so einfach wie eine pH-Wert-Messung. Man erh/ilt prim/ir die Aktivitfit des freien, ungebundenen Megions. Aktivitfit ist die entscheidende Gr6Be ffir das MWG wie auch ffir physiologische Vorg/inge; sie ist mit anderen Methoden nicht so einfach zu ermitteln. Durch eine geeignete Probenvorbereitung (Konstanthaltung der Ionen- st/irke) 1/igt sich aber leicht die betreffende Ionenkonzentration 740 erhalten. Bezfiglich der Differenzierung von Elementen gem/iB ihres Oxidationszustandes ist die ionen-selektive Potentiometrie beispiellos spezifisch; so st6ren beispielsweise bei einer NH~-- selektiven Elektrode selbst ges/ittigte Nitratl6sungen nicht und umgekehrt wird eine NO~-selektive Elektrode nicht dutch NH~--Ionen beeinfluBt; analoges gilt ffir die Systeme S 2- und SO42-, C1- und ClOg und CrO 2-, Cr 3 +, usw... Die Grenze der ionen-selektiven Potentiometrie liegt bei der Differenzierung von Ionen gleicher Ladung, Radien und/oder Lipophilie; sie konnte inzwischen dutch den Effekt der kineti- schen Diskriminierung [4] in Richtung gesteigerter Selektivit/it verschoben werden. Bei richtiger Konditionierung einer Meg- elektrode werden i. d. R. die MeBionen schneller als die St6r- ionen angezeigt. Dynamische DurchfluBmessungen, bei denen nicht die Einstellung eine stabilen Potentialendwerts abgewartet wird, zeigen daher erheblich gfinstigere Selektivit/iten als die statischen Becherglasmethoden, die meist den in der Literatur angegebenen Selektivit/itskoeffizienten zugrunde liegen. Mit an- deren Worten, bei der dynamischen Messung, die analog zur FlieB-Injektions-Analyse arbeitet, str6men die St6rionen schnel- ler an der MeBelektrode vorbei als sie angezeigt werden k6nnen. Gleichzeitig dient der Tr/igerelektrolyt als Konditionierungs- und Reinigungsmittel. Bezfiglich Selektivit/it und Nachweis- grenze ist hier allerdings ein KompromiB notwendig. Beispiels- weise lassen sich bei einer FluBrate von ca. 1 ml/min immerhin in vielen F~illen ca. 60 Analysen/h im Nanogrammbereich (z. B. 25 ~d-Injektionen einer 10- 5 mol/1 MeBionenlSsung) mit Repro- duzierbarkeiten unter 2% durchffihren. Coulometrie Die Fortschritte auf apparativem Sektor (z. B. Galvanostat mit reduzierter Stromst~irke bei Ann/iherung an den Endpunkt oder Potentiostat mit Stromintegrator usw. erm6glichen inzwischen auch den Einsatz der Coulometrie als PrS.zisionsanalyse im har- ten Routinebetrieb. Bekanntlich miBt man bei der Coulometrie die Elektrizit/itsmenge, die ffir einen praktisch 100%igen Stoff- umsatz an einer Arbeitselektrode erforderlich ist und rechnet danach mit Hilfe der Faradayschen Gesetze die Masse des umge- setzten Stoffes aus [5]. Bei geeichten Strom- und ZeitmeBger/iten kann man auch von der ,,Urtitersubstanz Elektron" sprechen. Da sich kleine Stromst/irken genauer bestimmen lassen als kleine Volumina, sind hier selbst im MikromaBstab noch fiuBerst genaue ,,Titrationen" mit Standardabweichungen < 0,1% m6g- lich. Es ist eigentlich bedauerlich, dab die Vorzfige der Coulome- trie nicht breiter genutzt werden, spart sie doch das zeitraubende Ansetzen von StandardmaB16sungen und die h/iufigen Titerstel- lungen. Kommerziell werden coulometrisch arbeitende Auto- maten ffir Wasserbestimmungen nach Karl Fischer und ffir Se- rumchlorid angeboten, die sich durch groBe Einfachheit und Genauigkeit auszeichnen. Letztere vor allem wfirde die Conlo- metrie auch ffir C-H-N-O-Analysatoren pr/idestinieren. Die anspruchsvolle Analytik von unst6chiometrisch zusammen- gesetzten Verbindungen, die/iuBerster Genauigkeit bedarf, ist ein weiteres typisches Anwendungsgebiet der Coulometrie. Je nachdem, was bei einer coulometrischen Analyse konstant ge- halten wird, unterscheidet man die Coulometrie bei konstanter Spannung und die bei konstantem Strom. Die Coulometrie bei konstantem Potential wird von Nicht-Spezialisten seltener be- nutzt, da die Kontrolle einer 100%ig eindeutigen Elektrodenre- aktion bei wechselnden Probenmatrices etwas schwierig ist. Ist man sieher, dab an der Arbeitselektrode keine Nebenreaktionen ablaufen, dann weist die Methode den Vorzug auf, dab der Endpunkt selbst indiziert wird. Man elektrolysiert die Analysen- 16sung so lange, bis der Strom auf 0,1% seines Ausgangswertes gesunken ist und integriert die F1/iche unter der Stromzeitkurve, was heute meist automatisch elektronisch erfolgt. Ein Nachteil dieser empfindlichen Absolutmethode ist der Zeitaufwand, der mit zunehmender Konzentration des Analyten zunimmt. Aus diesem Grunde versucht man die Konzentration des Analyten, der oxidiert oder reduziert wird, in den ~tmol-Bereich zu bringen,

Möglichkeiten und Grenzen elektrochemischer Analysenverfahren

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M~glichkeiten und Grenzen elektrochemischer Analysenverfahren Teil 1. Potentiometrie und Coulometrie

Karl Cammann

Abteilung fiir Analytische Chemic, Universitiit Ulm, Oberer Eselsberg 026, D-7900 Ulm, Bundesrepublik Deutschland

Possibilities and Limits of Electrochemical Analysis Procedures Part 1. Potentiometry and Coulometry

Laut einer IUPAC-Klassifikation [1] lassen sich weit fiber 70 verschiedene elektrochemische Analysenmethoden unterschei- den [2]. Seit W. Nernst und J. Heyrovsk~, hat es gewaltige Fort- schritte auf diesem Gebiet gegeben, was von Nicht-Spezialisten h/iufig fibersehen wird. So wird beispielsweise die Kinetik von Elektrodenreaktionen nicht 1/inger vernachl/issigt. Zur Auf- nahme von quasistation/iren Stromspannungskurven wird in- zwischen eine Elektronik eingesetzt, die den interessierenden Faradyschen Strom vom st6renden nicht-Faradayschen Strom zu trennen vermag, und Mikroelektroden erlauben in-situ-Be- stimmungen innerhalb biologischer Zellen. In diesem Zusam- menhang ist ein Kenntnisstand, der sich gerade auf die Nernst- und Ilkovi6-Gleichung beschr/inkt, als rfickstfindig zu bezeich- hen. Begriffe wie Austauschstromdichte, Transferkoeffizient, Mischpotential, Operationsverst/irker, DPP, 2rid harmonic AC, um nut einige zu nennen, sind zum tieferen Verst/indnis und zur adfiquaten Beschreibung moderner elektrochemischer Metho- den notwendig geworden. Inzwischen bieten verschiedene GDCh-Fortbildungskurse die Gelegenheit, dieses Verst/indnis, ohne das jede Methode nie voll ansgenutzt werden kann, zu erlangen. An dieser Stelle k6nnen aus naheliegenden Grfinden nur die wichtigsten Methoden, die vor allem fiir die ,,Specia- tion"-Analyse groBe Bedeutnng erlangt haben, kurz vorgestellt werden.

Potentiometrie

Die Potentiometrie hat in den letzten Jahren durch die Entwick- lung der ionen-selektiven Elektroden [3], sei es kommerziell oder im Eigenbau, einen neuen Stellenwert erhalten. Laut Umfragen ist die ionen-selektive Potentiometrie inzwischen in jedem drit- ten analytischen Laboratorium zur Routinemethode geworden. Ihre Bedeutung wird vor allem auf dem Gebiet der Ionenanaly- tik erheblich zunehmen, wenn erst die Problematik der Analytik yon Ionengleichgewichten, die sich/iuBerst rasch einstellen, er- kannt worden ist. Der gr6Bte Vorteil der ionen-selektiven Poten- tiometrie liegt darin, dab sie ladungs- und bindungsspezifisch ist und die Probenmatrix beim MeBvorgang'nicht ver/indert. Letzteres ist vor allem ffir die ,,Speciation"-Analyse von erheb- licher Wichtigkeit; hier kann eine Trennung von Ionen und Stoffen, die fiber Gleichgewichte miteinander verbunden sind, zu grogen systematischen Fehlern fiihren, wenn beispielsweise der pH-Wert oder das Redoxpotential der Probel6sung dadurch ver/indert wird. Da das MWG fiir Ionenaktivit/iten gilt, verfin- dert schon eine Variation der Ionenst/irke der Probe die ur- sprfingliche Ionenzusammensetzung. Dies gilt vor allem ffir hS- herwertige Ionen, da sich in diesem Fall der Aktivit/itskoeffi- zient st~irker/indert. Eine solche Analytik hat ihre Unschfirfe- relation! Es hat keinen Sinn genauer zu messen, als man durch den Megvorgang das Ionengleichgewicht beeinfluBt.

Im Idealfall ist die ionen-selektive Potentiometrie so einfach wie eine pH-Wert-Messung. Man erh/ilt prim/ir die Aktivitfit des freien, ungebundenen Megions. Aktivitfit ist die entscheidende Gr6Be ffir das MWG wie auch ffir physiologische Vorg/inge; sie ist mit anderen Methoden nicht so einfach zu ermitteln. Durch eine geeignete Probenvorbereitung (Konstanthaltung der Ionen- st/irke) 1/igt sich aber leicht die betreffende Ionenkonzentration

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erhalten. Bezfiglich der Differenzierung von Elementen gem/iB ihres Oxidationszustandes ist die ionen-selektive Potentiometrie beispiellos spezifisch; so st6ren beispielsweise bei einer NH~-- selektiven Elektrode selbst ges/ittigte Nitratl6sungen nicht und umgekehrt wird eine NO~-selektive Elektrode nicht dutch NH~--Ionen beeinfluBt; analoges gilt ffir die Systeme S 2- und SO42-, C1- und ClOg und CrO 2-, Cr 3 +, usw...

Die Grenze der ionen-selektiven Potentiometrie liegt bei der Differenzierung von Ionen gleicher Ladung, Radien und/oder Lipophilie; sie konnte inzwischen dutch den Effekt der kineti- schen Diskriminierung [4] in Richtung gesteigerter Selektivit/it verschoben werden. Bei richtiger Konditionierung einer Meg- elektrode werden i. d. R. die MeBionen schneller als die St6r- ionen angezeigt. Dynamische DurchfluBmessungen, bei denen nicht die Einstellung eine stabilen Potentialendwerts abgewartet wird, zeigen daher erheblich gfinstigere Selektivit/iten als die statischen Becherglasmethoden, die meist den in der Literatur angegebenen Selektivit/itskoeffizienten zugrunde liegen. Mit an- deren Worten, bei der dynamischen Messung, die analog zur FlieB-Injektions-Analyse arbeitet, str6men die St6rionen schnel- ler an der MeBelektrode vorbei als sie angezeigt werden k6nnen. Gleichzeitig dient der Tr/igerelektrolyt als Konditionierungs- und Reinigungsmittel. Bezfiglich Selektivit/it und Nachweis- grenze ist hier allerdings ein KompromiB notwendig. Beispiels- weise lassen sich bei einer FluBrate von ca. 1 ml/min immerhin in vielen F~illen ca. 60 Analysen/h im Nanogrammbereich (z. B. 25 ~d-Injektionen einer 10- 5 mol/1 MeBionenlSsung) mit Repro- duzierbarkeiten unter 2% durchffihren.

Coulometrie

Die Fortschritte auf apparativem Sektor (z. B. Galvanostat mit reduzierter Stromst~irke bei Ann/iherung an den Endpunkt oder Potentiostat mit Stromintegrator usw. erm6glichen inzwischen auch den Einsatz der Coulometrie als PrS.zisionsanalyse im har- ten Routinebetrieb. Bekanntlich miBt man bei der Coulometrie die Elektrizit/itsmenge, die ffir einen praktisch 100%igen Stoff- umsatz an einer Arbeitselektrode erforderlich ist und rechnet danach mit Hilfe der Faradayschen Gesetze die Masse des umge- setzten Stoffes aus [5]. Bei geeichten Strom- und ZeitmeBger/iten kann man auch von der ,,Urtitersubstanz Elektron" sprechen. Da sich kleine Stromst/irken genauer bestimmen lassen als kleine Volumina, sind hier selbst im MikromaBstab noch fiuBerst genaue ,,Titrationen" mit Standardabweichungen < 0,1% m6g- lich. Es ist eigentlich bedauerlich, dab die Vorzfige der Coulome- trie nicht breiter genutzt werden, spart sie doch das zeitraubende Ansetzen von StandardmaB16sungen und die h/iufigen Titerstel- lungen. Kommerziell werden coulometrisch arbeitende Auto- maten ffir Wasserbestimmungen nach Karl Fischer und ffir Se- rumchlorid angeboten, die sich durch groBe Einfachheit und Genauigkeit auszeichnen. Letztere vor allem wfirde die Conlo- metrie auch ffir C - H - N - O - A n a l y s a t o r e n pr/idestinieren. Die anspruchsvolle Analytik von unst6chiometrisch zusammen- gesetzten Verbindungen, die/iuBerster Genauigkeit bedarf, ist ein weiteres typisches Anwendungsgebiet der Coulometrie. Je nachdem, was bei einer coulometrischen Analyse konstant ge- halten wird, unterscheidet man die Coulometrie bei konstanter Spannung und die bei konstantem Strom. Die Coulometrie bei konstantem Potential wird von Nicht-Spezialisten seltener be- nutzt, da die Kontrolle einer 100%ig eindeutigen Elektrodenre- aktion bei wechselnden Probenmatrices etwas schwierig ist. Ist man sieher, dab an der Arbeitselektrode keine Nebenreaktionen ablaufen, dann weist die Methode den Vorzug auf, dab der Endpunkt selbst indiziert wird. Man elektrolysiert die Analysen- 16sung so lange, bis der Strom auf 0,1% seines Ausgangswertes gesunken ist und integriert die F1/iche unter der Stromzeitkurve, was heute meist automatisch elektronisch erfolgt. Ein Nachteil dieser empfindlichen Absolutmethode ist der Zeitaufwand, der mit zunehmender Konzentration des Analyten zunimmt. Aus diesem Grunde versucht man die Konzentration des Analyten, der oxidiert oder reduziert wird, in den ~tmol-Bereich zu bringen,

Naup @r rNge

um die Analysendauer unter 30 min zu halten. Mit der Methode der Coulometrie bei konstantem Potential lassen sich alle Stoffe bestimmen, die in einer Stromspannungskurve einen gut deft- nierten Diffusionsgrenzstrom ergeben, d. h. alle polarographisch bestimmbaren Stoffe k6nnen mit dieser Methode auch ohne Eichung absolut und iuBerst genau ermittelt werden. Die Cou- lometrie bei konstantem Strorn ihnelt mehr der klassischen MaBanalyse, vor allem, wenn aus Grfinden der Vermeidung von Nebenreaktionen das Reagens (die MaB16sung) aul3erhalb der Probenfliissigkeit erzeugt wird. Die Genauigkeit der Endpunkt- sindizierung limitiert. Anders als bei der Coulometrie bei kon- stantem Potential ben6tigt diese Methode eine externe Indizie- rung und die gr613te Genauigkeit (< 0,1%) ist nur erzielbar, wenn die Elektrolysestromstirke bei Annihert}..ng an den End- punkt automatisch reduziert wird, um eine Ubertitration zu vermeiden. Im Prinzip lassen sich alle klassischen Mal3analyse- naethoden wie Neutralisations-, Redox-, Komplex- und Fill- lungstitrationen auch coulometrisch bei konstantem Strom durchffihren. Gfinstig ist, dab sich selbst instabile MaB16sungen sehr elegant und ohne Standardisierung erzeugen lassen. Als Endpunktsindicator werden hier besonders vorteilhaft elektro-

chemische Methoden (Potentiometrie, Amperometrie oder de- ad-stop-Verfahren) eingesetzt. Ein weiterer Vorzug dieser Cou- lometrie ist der rasche Wechsel der Elektrolysestromstirke je nach der Konzentration des Analyten, verbunden mit dem Fort- fallenjeglicher Titerstellung. Ffir Routineanalysen unter Einsatz angeleruten Personals ist auch die Einstellung der Stromstirke, die genau 1000 gg oder nag oder % Substanz pro Sekunde Titrationsdauer ergibt, vorteilhaft.

Literatur

1. IUPAC (1976) Pure Appl Chem 45:81 2. Kraft G (1980) Analytikertaschenbuch, Bd 1. Springer, Ber-

lin Heidelberg New York, S. 103 - 147 3. Cammann K (1977) Das Arbeiten mit ionenselektiven Elek-

troden, 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York 4. Cammann K (1982) Instument und Forschung Nr. 9 5. Abresch K, Claasen I (1961) Die coulometrische Analyse.

Verlag Chemie, Weinheina Fresenius Z Anal Chem (1985) 320:740-741

�9 Springer-Verlag 1985

M6glichkeiten und Grcnzen elektrochemischer Analysenverfahren Teil 2. AnwendungsmOglichkeiten moderner voltammetrischer Verfahren bei der Spurenanalytik von Schwermetallen in Umweltproben, Nahrungsmitteln und Humanproben

H. W. Niirnberg

Institut fiir Angewandte Physikalische Chemie, Kernforschungsanlage Jfilich, D-5170 Jfilich, Bundesrepublik Deutschland

Possibilities and Limits of Electrochemical Analysis Procedures

Part 2. Possibilities for the Application of Modern Voltammetrie Procedures in the Trace Analysis of Heavy Metals in Environmental Samples, Foodstuffs and Human Samples

Unter den aus anthropogenen Quellen in die Atmosphire in die Gewisser und in terrestrische 13kosysteme emittierten belasten- den Chemikalien spielen eine Reihe von Schwermetallen eine wichtige Rolle [1]. Hierzu geh6ren Metalle mit fiberwiegend toxischer Wirkung, wie Cd, Pb, Hg, T1 und As(III), sowie Me- talle, die unterhalb gewisser Dosierungen essentielle Funktionen ffir Organismen haben, oberhalb spezifischer Schwermetall- werte aber 6kotoxische Wirkungen entfalten, wie Cu, Zn, Ni, Co, Cr, Se u.a. [1, 2]. Pflanzen nehmen Metalle fiber Wurzel und Blatt auf. Ffir Tiere und Menschen ffihrt der vorherrschende Ingestionspfad fiber die Nahrung. Deshalb liegen in der Uber- wachung der Nahrungsmittel und des Trinkwassers weitere wichtige analytische Aufgabenbereiche. Hinzu kommt die Fest- stellung der Exposition und des Belastungsgrades des Menschen aus umwelthygienischer und bei beruflich bedingter Exposition aus arbeitsmedizinischer Sicht.

Im Verlaufe der vergangenen 15 Jahre hat sich auf Grund ihrer Eigenschaften die Voltammetrie [3, 4], insbesonders mit den differentiellen Pulsverfahren [5], als eine der wichtigsten und leistungsfihigsten spurenanalytischen Methoden ffir die vor- stehend genannten Metalle von 6kotoxischer Bedeutung erwie- sen [6].

Grundsitzlich verbindet die Voltammetrie eine augerordent- lich hohe Nachweisstirke mit inhirent niedriger Tendenz zu systematischen Fehlern. Die Richtigkeit ist folglich hoch bei gleichzeitig guter Genauigkeit. Diese vorteilhaften Eigenschaf- ten resultieren aus der Tatsache, dab voltammetrische Verfahren auf dem Gesetz von Faraday basieren. Danach w~ire der Umsatz yon 1 Mol Substanz in einem ElektrodenprozeB iquivalent dem Durchtritt von n x 96500C durch die Phasengrenze Elektrode/ L6sung, wobei die Zahl nder im Elementarschritt durchtreten- den Elektronen in der Regel 2, ffir bestimrnte Metalle sogar 3 betrigt. Bei diesem enormen Verstfirkungsfaktor wird verstind- lich, dal3 auch beim Umsatz sehr kleiner Substanzmengen an der Elektrode von z.B. nur 10-10 Mol noch leicht nachweisbare elektrische Ladungsmengen die Phasengrenze Elektrode/L6- sung passieren. Hinzu kommt, dab der fiir die Messung erforder- liche Substanzverbrauch auf die L6sungsschicht in unmittelba- rer Elektrodennihe beschrfinkt bleibt, so dab die Konzentration im Inneren der Analytl6sung (bei einem iiblichen Volumen von mehr als einigen ml) unverindert bleibt und eine mehrfache Wiederholung der Aufnahme der Stromspannungsbeziehung (Voltammogram) zur Feststellung der Reproduzierbarkeit ohne weiteres m6glich ist.

Die voltammetrischen Verfahren sind zwar keine Multiele- mentverfahren, jedoch k6nnen bestimmte Gruppen von Metal- len in einem Voltammogramm simultan bestimmt werden, z.B. Cu, Pb, Cd, Zn, Se(IV) oder Ni, Co oder Cu, Hg. Die Voltamme- trie wird daher auch als ein Oligoelement- oder Oligosubstanz- verfahren klassifiziert. Hinsichtlich der Bestimmungsrate ist sie auf Grund dieser Eigenschaft der in der Spurenmetallanalytik weiterhin favorisierten Atomabsorptionsspektroskopie, die ein typisches Einzelelementverfahren darstellt, fiberlegen. Das gilt verstfirkt bei Einsatz der heute verffigbaren automatisch arbei- tenden voltammetrischen Gerite.

Vorteilhaft ist weiterhin hinsichtlich des Einsatzes in mobilen Laboratorien bei Fetdstudien und auf Forschungsschiffen die Kompaktheit der Instrumentation. Besonders hervorzuheben ist schliel31ich, dab die Kosten ffir voltamrnetrische Instrumente (20 bis 60 TDM je nach Automationsgrad) im Vergleich zu anderen Vefahren in der Spurenmetallanalytik zu einem der mit Abstand besten Preis/Leistungsverhiltnisse ffir die Voltamme- trie fiihren.

Eine besondere Eigenschaft der Voltammetrie ist, dab sie grundsitzlich eine substanzspezifische und nicht nur eine ele- mentspezifische Methode ist, wie es fiir eine Reihe nichtelektro-

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