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HEINRICH, STRAUBE und HELMIS : Molekularstatistische Theorien polymerer Netzwerke. Fortschrittsbericht Acta Polymerica 31 (1980) Heft 5 275 MolekularstatistischeTheorien polymerer Netzwerke Fortsehrittsbericht G. HEINRICH, E. STRAUBE und G. HELMIS Technische Hochschule ,,Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg, Sektion Physik, DDR - 42 Merseburg In einer abersicht werden statistisch-mechanische Theorien polymerer Netzwerke diskutiert und ihre Leistungsfahig- keit zur Erklarung der mechanischen Eigenschaften der Netzwerke untersueht. Es zeigt sich, daB ein tieferes Ver- standnis der Struktur-Eigenschafts-Korrelation polymerer Netzwerke im kautschukelastischen Zustand moglich ist, wenn bei der Formulierung einer statistischen Mechanik der Netzwerke die Undurchdringbarkeit der Netzwerkketten berucksichtigt wird. Illone~~~~pno-cmamucmu~ecicue meopuu nonuMepimx cemoic. 0630p. B BnAe o63opa 06cy~~am-r~~ cTaTkIcTL1qecKkI-MexaHL19eCKYle Teopvrvr nonurMepHMx ceToH K HccaeAyeTcH npmem- MOCTb 3TIIX TeOpII& ,lT,Jlfi 065RCHeHIIfi MeXaHKqeCKIIX CBOaCTB CeTOK. YqIITbIBaFl npII (POPMYJIHpOBKe CTaTACTHqeCKO& MeXaHIIKH CeTOK HelIPOHIlKHOBeHIIe qeIIe& nOJIHMepHO& CeTKH, B03MOXHO 6onee my6o~oe IIOHHMaHHe B3aAMOC- BR3efi Me?KAY CTPYKTYPOfi K CBOPCTBaMH IIOJIAMepHbIX CeTOK B BbICOK03JIaCTII9eCKOM COCTOHHIIII. Molecular statistical theories of polymer networks. Review The current statistical theories of polymer networks and their success in explaining the mechanical network properties are reviewed. A more exhaustive elucidation of the structure-property relationship of networks in polymers relating to the rubber-elastic state can be achieved by considering topological constraints in the description of the statistical mechanics of networks. 1. Einfuhrung Kautschukelastizitat, die Fahigkeit zu sehr groBen rever- siblen Deformationen, zeigen nur Systeme, die aus Maltro- molekulen bestehen, welche zu einem polymeren Netzwerk ver- knupft sind. Die technische Bedeutung des kautschukelasti- schen Verhaltens und die Tatsache, daB Netzwerke und netz- merkartige Systerne polymerspezifische Eigenschaften und Erscheinungeu besonders deutlich zeigen, erklaren den hohen Entwicklungsstand der Physik polymerer Netzwerke im Ver- gleich zu anderen Gebieten der Polymerphysik. Die Physik polymerer Netzwerke wurde in den letzten Jahren in zahl- reichen Monographien und Ubersichten dargestellt [6, 24, 25, 77, 86, 98, 110-1131. Ziel der Untersuchungen polymerer Netzwerke im kautschuk- elastischen Bereich ist vor allem das Verstandnis des Zusammen- hangs zwischen den mechanischen Eigenschaften, insbesondere dem Spannungs-Deformations-Verhalten, und der Struktur des Netzwerks. Als bestimmende Strukturelemente werden dabei angesehen: Funktionalitat der Vernetzungsstellen, Lange bzw. Segmentzahl der Ketten zwischen den Vernetzungspunk- ten und deren Langenverteilung sowie raumliche Dichte, freie Kettcnenden, mogliche Ordnungszustande und vor allem die Topologie des Netzwerks. Die Topologie ist von besonderem Interesse, weil bei Zu- s tandsanderungen mit der Erhaltung der durch die Vernetzungen fixierten Topologie eine Erscheinung auftritt, die bei anderen Vielteilchensystemen nicht bekannt ist. Man kann erwarten, daB die Topologieerhaltung fur spezifische Eigenschaften polymerer Netzwerke verantwortlich ist. Die groBe Deformierbarkeit ist das hervorstechendste Merk- ma1 polymerer Netzwerke. Das physikalische Interesse konzen- triert sich vor allem auf den Bereich mittlerer Deformationen, d. h. vergleichbarer GroDen von Ausgangsabmcssungen und Deformationen. In diesem Bereich zeigen sich die universellen Eigenschaften, die nicht an spezielle Stoffe gebunden sind. Die typischen Eigenschaften im Bereich mittlerer Deformationen sollten deslialb durch die Untersuchung von Modellen verstanden werden konnen, die nur die bestimmenden Eigenschaften der Polymere enthalten. Es werden Netzwerke aus flexiblen Ketten, die durch Vernetzungspunkte vernachlassigbarer Abmessungen miteinander verbunden sind, bctrachtet. Es wird angenommen, dalJ bis auf die gegenseitige Undurchdring- barkeit die Ketten nicht oder nur sehr schwach miteinander wechselwirken. Der uberwiegende Teil der Arbeiten zur Theorie der mechani- schen Eigenschaften polymerer Netzwerke konzentriert sich auf folgende Fragen: - Bestimmung des quantitativen Zusammenhangs zwischen Strukturparametern (insbesondcre der Zahl der Vernetzungs- punkte) und den Moduli bei geringen Deformationen. - Erklarung des typischen Spannungs-Dehnungs-Zusammen- hangs bei uniaxialer Dehnung eines inkompressiblen Netz- werks, wie er phanomenologisch durch die MOONEY-RIVLIN- Beziehungen fur die Spannung 0 und Deformation A 0 = 2C,(A - A-2) + 2C2(1 - A-3) (1.1) gut erfal3t wird. Gleichung (1.1) folgt aus der elastischen freien Energie AF pro Volumeneinheit durch Differentiation nach dem Dehnungsparameter unter Berucksichtigung der fur hochelastische Materialien typi- schen Inkompressibilitatseigensehaft A & , = 1 (A, = A, = A-W, A, = A). Fur das Verhaltnis der Parameter C, und C, liefert das Experiment 0 5 C2/C, % 1. - Erklarung der Spannungs-Deformations-Zusammenhange bei komplizierteren Deformationszustanden (speziell bi- axiale Dehnung und uniaxiale Kompression) und in Abhan- gigkeit von auBeren Parametern (z. B. vom Quellgrad). Es ist z. B. bekannt, daB bei einer Beschreibung mittels der MooNEY-RIvLIN-Gleichung der C2-Term fur Netzwerke nahezu verschwindet, die im trockenen Zustand vernetzt wurden und irn gequolleiien Zustand getestet werden. C, GV 0 gilt auch fur Netzwerke, die im Losungsmittel vernetzt wurden und im trockenen Zustand untersucht werden [82]. Uniaxiale Kompressionen lassen sich im Gegensatz zu Deh- nungen durch Gleichung (1.1) mit C, w 0 beschreiben [lll]. In dieser ubersicht wird die Leistungsfahigkeit statistiseh- mechanischer Untersuchungen vor allem an den drei genannten Fragen gemessen. Schwerpunkt bilden die beiden letzten Pro- bleme. Entscheidende Beitrage zur Klarung der ersten Frage, die fur die physikalische Charakterisierung von Netzwerken von grolJer Bedeutung ist, sind gegenwartig vor allem von experi- mentellen Untersuchungen an Netzwerken hinreichend genau bekannter Struktur zu erwarten [4, 44, 79, 80, 91, 921. Das Verstandnis des Spannungs-Deformations-Zusammenhangs

Molekularstatistische Theorien polymerer Netzwerke. Fortschrittsbericht

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HEINRICH, STRAUBE und HELMIS : Molekularstatistische Theorien polymerer Netzwerke. Fortschrittsbericht

Acta Polymerica 31 (1980) Heft 5

275

Molekularstatistische Theorien polymerer Netzwerke Fortsehrittsbericht

G. HEINRICH, E. STRAUBE und G. HELMIS

Technische Hochschule ,,Carl Schorlemmer" Leuna-Merseburg, Sektion Physik, DDR - 42 Merseburg

In einer abersicht werden statistisch-mechanische Theorien polymerer Netzwerke diskutiert und ihre Leistungsfahig- keit zur Erklarung der mechanischen Eigenschaften der Netzwerke untersueht. Es zeigt sich, daB ein tieferes Ver- standnis der Struktur-Eigenschafts-Korrelation polymerer Netzwerke im kautschukelastischen Zustand moglich ist, wenn bei der Formulierung einer statistischen Mechanik der Netzwerke die Undurchdringbarkeit der Netzwerkketten berucksichtigt wird.

Illone~~~~pno-cmamucmu~ecicue meopuu nonuMepimx cemoic. 0630p. B B n A e o63opa 0 6 c y ~ ~ a m - r ~ ~ cTaTkIcTL1qecKkI-MexaHL19eCKYle Teopvrvr n o n u r M e p H M x c e T o H K H c c a e A y e T c H npmem- MOCTb 3TIIX TeOpII& ,lT,Jlfi 0 6 5 R C H e H I I f i M e X a H K q e C K I I X CBOaCTB CeTOK. YqIITbIBaFl npII (POPMYJIHpOBKe CTaTACTHqeCKO& MeXaHIIKH CeTOK HelIPOHIlKHOBeHIIe q e I I e & nOJIHMepHO& CeTKH, B 0 3 M O X H O 6onee m y 6 o ~ o e IIOHHMaHHe B3aAMOC- B R 3 e f i Me?KAY CTPYKTYPOfi K CBOPCTBaMH IIOJIAMepHbIX CeTOK B BbICOK03JIaCTII9eCKOM COCTOHHIIII.

Molecular statistical theories of polymer networks. Review The current statistical theories of polymer networks and their success in explaining the mechanical network properties are reviewed. A more exhaustive elucidation of the structure-property relationship of networks in polymers relating to the rubber-elastic state can be achieved by considering topological constraints in the description of the statistical mechanics of networks.

1. Einfuhrung

Kautschukelastizitat, die Fahigkeit zu sehr groBen rever- siblen Deformationen, zeigen nur Systeme, die aus Maltro- molekulen bestehen, welche zu einem polymeren Netzwerk ver- knupft sind. Die technische Bedeutung des kautschukelasti- schen Verhaltens und die Tatsache, daB Netzwerke und netz- merkartige Systerne polymerspezifische Eigenschaften und Erscheinungeu besonders deutlich zeigen, erklaren den hohen Entwicklungsstand der Physik polymerer Netzwerke im Ver- gleich zu anderen Gebieten der Polymerphysik. Die Physik polymerer Netzwerke wurde in den letzten Jahren in zahl- reichen Monographien und Ubersichten dargestellt [6, 24, 25, 77, 86, 98, 110-1131.

Ziel der Untersuchungen polymerer Netzwerke im kautschuk- elastischen Bereich ist vor allem das Verstandnis des Zusammen- hangs zwischen den mechanischen Eigenschaften, insbesondere dem Spannungs-Deformations-Verhalten, und der Struktur des Netzwerks. Als bestimmende Strukturelemente werden dabei angesehen: Funktionalitat der Vernetzungsstellen, Lange bzw. Segmentzahl der Ketten zwischen den Vernetzungspunk- ten und deren Langenverteilung sowie raumliche Dichte, freie Kettcnenden, mogliche Ordnungszustande und vor allem die Topologie des Netzwerks.

Die Topologie ist von besonderem Interesse, weil bei Zu- s tandsanderungen mit der Erhaltung der durch die Vernetzungen fixierten Topologie eine Erscheinung auftritt, die bei anderen Vielteilchensystemen nicht bekannt ist. Man kann erwarten, daB die Topologieerhaltung fur spezifische Eigenschaften polymerer Netzwerke verantwortlich ist.

Die groBe Deformierbarkeit ist das hervorstechendste Merk- ma1 polymerer Netzwerke. Das physikalische Interesse konzen- triert sich vor allem auf den Bereich mittlerer Deformationen, d. h. vergleichbarer GroDen von Ausgangsabmcssungen und Deformationen. In diesem Bereich zeigen sich die universellen Eigenschaften, die nicht an spezielle Stoffe gebunden sind. Die typischen Eigenschaften im Bereich mittlerer Deformationen sollten deslialb durch die Untersuchung von Modellen verstanden werden konnen, die nur die bestimmenden Eigenschaften der Polymere enthalten. Es werden Netzwerke aus flexiblen Ketten, die durch Vernetzungspunkte vernachlassigbarer Abmessungen miteinander verbunden sind, bctrachtet. Es wird angenommen, dalJ bis auf die gegenseitige Undurchdring- barkeit die Ketten nicht oder nur sehr schwach miteinander wechselwirken.

Der uberwiegende Teil der Arbeiten zur Theorie der mechani-

schen Eigenschaften polymerer Netzwerke konzentriert sich auf folgende Fragen:

- Bestimmung des quantitativen Zusammenhangs zwischen Strukturparametern (insbesondcre der Zahl der Vernetzungs- punkte) und den Moduli bei geringen Deformationen.

- Erklarung des typischen Spannungs-Dehnungs-Zusammen- hangs bei uniaxialer Dehnung eines inkompressiblen Netz- werks, wie er phanomenologisch durch die MOONEY-RIVLIN- Beziehungen fur die Spannung 0 und Deformation A

0 = 2C,(A - A-2) + 2C2(1 - A-3) (1.1)

gut erfal3t wird. Gleichung (1.1) folgt aus der elastischen freien Energie A F pro Volumeneinheit

durch Differentiation nach dem Dehnungsparameter unter Berucksichtigung der fur hochelastische Materialien typi- schen Inkompressibilitatseigensehaft A&, = 1 (A, = A, = A-W, A, = A). Fur das Verhaltnis der Parameter C, und C, liefert das Experiment 0 5 C2/C, % 1.

- Erklarung der Spannungs-Deformations-Zusammenhange bei komplizierteren Deformationszustanden (speziell bi- axiale Dehnung und uniaxiale Kompression) und in Abhan- gigkeit von auBeren Parametern (z. B. vom Quellgrad). Es ist z. B. bekannt, daB bei einer Beschreibung mittels der MooNEY-RIvLIN-Gleichung der C2-Term fur Netzwerke nahezu verschwindet, die im trockenen Zustand vernetzt wurden und irn gequolleiien Zustand getestet werden. C, GV 0 gilt auch fur Netzwerke, die im Losungsmittel vernetzt wurden und im trockenen Zustand untersucht werden [82]. Uniaxiale Kompressionen lassen sich im Gegensatz zu Deh- nungen durch Gleichung (1.1) mit C, w 0 beschreiben [lll].

In dieser ubersicht wird die Leistungsfahigkeit statistiseh- mechanischer Untersuchungen vor allem an den drei genannten Fragen gemessen. Schwerpunkt bilden die beiden letzten Pro- bleme. Entscheidende Beitrage zur Klarung der ersten Frage, die fur die physikalische Charakterisierung von Netzwerken von grolJer Bedeutung ist, sind gegenwartig vor allem von experi- mentellen Untersuchungen an Netzwerken hinreichend genau bekannter Struktur zu erwarten [4, 44, 79, 80, 91, 921. Das Verstandnis des Spannungs-Deformations-Zusammenhangs

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scheint dagegen von der Fahigkeit abzuhangen, statistische Mechanik polymerer Systeme unter .Beriicksichtigung der Topologieerhaltung zu treiben. Diese Ubersicht konzentriert sich deshalb auf Arbeiten zur Beriicksichtigung der Topologie- erhaltung und der damit im Zusammenhang stehenden Fragen. Die Leistungsfahigkeit der molekular-statistischen Theorien kann uberwiegend nur daran gemessen werden, ob die betreffende Theorie fur den Spannungs-Deformations-Zusammenhang eine MOONEY-RIVLIN-Darstehng mit den typischen C,/c,-Ver- haltnissen liefert, da in vielen Arbeiten nur diese Deformations- art untersucht wird. Die verschiedenen phanomenologischen Ansatze [6, 72, 110, 111, 1131, halbphanomenologischen Modelle [6,10, 39,110,111] und Modelle speziell strukturierter polymerer Netzwerke [6, 107, 108, 1091 finden keine Beriicksichtigung.

2. Die ,,klassischen" Netzwerktheorien

Die ,,klassischen" Netzwerktheorien [6, 25, 47, 98, 110, 1111 basieren samtlich auf dem Konzept dcr Phan- tomketten. Darunter sind volumenlose Ketten zu verstehen, die nur uber die chemischen Netzwerkknoten wechsel- wirken, sonst gegenseitig durchdringbar sind. Um einen Volumenkollaps zu verhindern, wird im Phantomketten- model1 angenommen, da13 die auf der Probenoberflache liegenden Netzwerkknoten und Segmente raumlich fixiert sind und sich affin mit der au13eren Deformation verschie- ben.

Die Phantomnetzwerktheorien liefern unter der Vor- aussetzung, daD im Bereich mittlerer Deformationen die Kettenmolekule durch eine GAuSSsche Segmentabstands- verteilung beschrieben werden konnen, den Spannungs- Dehnungs-Zusammenhang bei uniaxialer volumentreuer Deformation

u = 2Cl(1 - 1-2) (2.1)

mit 2C1 = v/2 kB T - g (kB - Boltzmannkonstante, T - Temperatur). v ist die Netzbogendichte und g der soge- nannte Frontfaktor. Die verschiedenen ,,klassischen" Netzwerktheorien unterscheiden sich in dem Wert dieses Frontfaktors. Die Werte von g werden durch unterschied- liche Annahmen bzw. Ergebnisse fur das Verhaltnis des mittleren quadratischen Kettenendenabstandes einer Netz- werkkette im undeformierten Zustand zum entsprechenden Wert einer freien unvernetzten Kette (,,memory"-Faktor 7). sowie fur den Mikrostrukturfaktor A(g = q . A) be- stimmt. Der von der Netzwerkherstellung abhangige ,,memory"-Faktor wird bei der Vernetzungstemperatur meist gleich eins gesetzt [82]. Molekulare Netzwerktheo- rien der Netzwerkformation fuhren zu unterschiedlichen Ergebnissen [11, 37, 50, 701. Fur den Mikrostrukturfaktor scheint sich bei regularen als auch stochastischen Netz- werkmodellen A = (f - 2)/f zu bestatigen [ I I , 24, 50, 61, 671. f ist die Funktionalitat der Vernetzungsstellen. Einen cberblick uber experimentelle Untersuchungen zur Re- stimmung von A findet man bei REHAGE [go].

f

a b

Bild I. Reduzierung eines zyklischen Graphen (a) auf einen azyklischen Baumgraphen (b)

Das Frontfaktor-Problem wurde von FLORY [50, 513 fur Phantomnetzwerke unter dem verallgemeinerten Aspekt verschiedener moglicher Funktionalitaten und Netzwerkdefekte (freie Kettenenden, elastisch inaktive Netzbogen und Netzwerkknoten) analysiert. Er unter- scheidet dabei zwei Grenzfalle von Phantomnetzwerken :

Die Netzwerkknoten nehmen auf Grund der topolo- gischen Nachbarschaft anderer Ketten fixierte Posi- tionen ein, die bei auBerer Deformation affin verschoben werden (affines Phantomnetzwerk). Die Kettensegmente bzw. Knoten auf dem Rand der Probe folgen der auDeren Deformation, alle anderen Knoten unterliegen keinen Einschrankungen (eigent- liches Phan tomnetzwerk). Die Bedeutung der FLoRY'schen Untersuchungen ist

vor allem darin zu sehen, daI3 beide Falle von Phantom- netzwerken fur beliebige Netzwerkstrukturen streng behandelt werden konnten. Mit der JAMES-GUTH-Theorie als Ausgangsbasis erhalt FLORY fur die elastische freie Energie bei Deformation

(2.2) 1 2

AF = - EkBT(jlZa + 1: + A,2 - 3) .

Der einzige Strukturparameter ist ein sogenannter Zyklen- faktor (cycle rank) des Netzwerkes, der die Anzahl der Linien eines Graphen (der das Netzwerk simuliert) dar- stellt, die zerschnitten werden mussen, um den zyklischen Netzwerkgraphen auf einen azyklischen Baumgraphen zu reduzieren. Das Beispiel verdeutlicht den Fall 5 = 2 (Bild 1).

Der Parameter 5 enthalt alle Strukturaspekte des eigent- lichen Phantomnetzwerkes und ist einzig durch die Anzahl der Verknupfungspunkte verschiedener Funktionalitaten und durch die Zahl der freien Kettenenden bestimmt. Fur ein perfektes Netzwerk der Funktionalitat f gilt

= -v (Y - Zahl der Netzbogen zwischen den Knoten).

Beim affinen Phantomnetzwerk mu13 in der elastischen freien Energie durch v ersetzt werden, unabhangig von der Funktionalitat [50]. AuBerdem sol1 beim affinen Phantomnetzwerk ein In AJ&Terrn auftreten.

f - 2 f

3. Modelle zur Erklarung des ,,nichtklassischen" Spannungs- Dehnungs- Verhaltens Das Phantomkettenmodell kann weder vom methodi-

schen Standpunkt noch von der Beschreibbarkeit des realen Verhaltens polymerer Netzwerke her befriedigen. Es vernachlassigt alle Wechselwirkungen zwischen den Segmenten einer Kette und den Segmenten benachbarter Ketten. Diese Wechselwirkungen mussen als Ursachen der Abweichungen zwischen den Ergebnissen des Phantom- kettenmodells und den Eigenschaften realer Netzwerke angesehen werden. Da eine strenge Theorie des Spannungs- Dehnungs-Zusammenhanges beobachtbarer GroBen durch- gefuhrt werden kann, wurde die Wirkung einer Vielzahl einzelner Mechanismen auf den Spannungs-Dehnungs- Zusammenhang untersucht.

3.1, Intra- und intermolekulare Effekte Von KRIGBAUM und KANEKO [75] wurde der EinfluB

der intramolekularen Wechselwirkung auf gedehnte Modell- ketten in einem kubischen Gitter berechnet, indem die segmentorientierungen energieabhangig angenommen wur- den. Damit wurde versucht, die Abweichungen im Span-

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nungs-Dehnungs-verhalten (uniaxiale Dehnung) gegen- uber der ,,klassischen" Theorie vor allem Rotationsbe- hinderungseffekten zuzuordnen. Fur realistische Segment- zahlen der Ketten liefert jedoch die Theorie unabhangig von der GroBe der R otations-Energiebarrieren nur ein geringfugiges Ansteigen der Spannungs-Dehnungs-Kurve uber die der ,,klassischen" Theorie [9]. Die Theorie konnte demnach nur relativ kleine C,-Werte erklaren. Da sich die intrarnolekularen Wechselwirkungen beim Quellen des Netzwerkes kaum andern, kann die Theorie von KRIG- BAUM und KANERO das ,,cz + 0-Verhalten" beim Quellen nicht erklaren. Auf analogen Vorstellungen basiert die Theorie von FLORY, HOEVE, CIFERRI [48], bei der die innere Energie der Netzwerkketten vom Deformationszustand abhangt und die Gleichgewichtsverteilungsfunktion der Kettenendenabstande temperaturabhangig ist. Auskunft uber den Anteil der elastischen Gesamtkraft, der von den intramolekularen Energieeffekten herruhrt, erhalt man aus der Temperaturabhangigkeit der ungestorten Dimen- sionen der Ketten, die das Netzwerk formieren [81, 971. Thermoelastische Untersuchungen an typischen Elasto- meren zeigen im Einklang rnit diesen Ergebnissen, daB der gemessene Betrag der energetischen Kraftkomponente nicht ausreicht, ein Verhaltnis C,/C, M 1 zu erklaren [81, 971. Aus flexiblen Ketten aufgebaute Netzwerke sind uberwiegend entropieelastisch. Ebenfalls einen zu kleinen Effekt und falsches Verhalten bei hohen Dehnungen liefert eine von JAMES, GUTH und WANG [71,120] vorgeschlagene Theorie, die intermolekulare Energieanderungen bei De- formation des Netzwerkes berucksichtigt. Der Theorie liegt das Konzept einer Wechselwirkung zwischen Seg- menten benachbarter Ketten zugrunde, die von der gegenseitigen Orientierung der Segmente zueinander abhangt.

3.2. Ordnimgseffekte, strukturierte Netzwerke Unter der Annahme, daB im polymeren Netzwerk aul3er

statistisch verknauelten Ketten auch Strukturen von parallel gelagerten Segmenten auftreten, die bei auBerer Dehnung nur orientiert, aber selbst nicht gedehnt werden, entwickelten VOLKENSTEJN, GOTLIB und PTITCYN [I171 eine Netzwerktheorie. Eine charakteristische GroBe dieser Theorie ist die sogenannte Bundeldichte. KASTNER [73] konnte zeigen, daB auf Grund eines existierenden maxima- len Verhaltnisses von Bundeldichte zu Vernetzungsdichte ein maximales C2/C1-Verhaltnis von 0,151 resultiert. Fur groDere C2-Terme kann diese Theorie deshalb keine An- wendung finden.

Eine Weiterentwicklung dieser Theorie wurde speziell fur Polyurethan-Elastomere von BLOELAND [9] vorgenom- men. Die elastischen Eigenschaften von Polyurethanen werden von diesem Modell gut reproduziert, es erscheint aber zu speziell, um fur alle polymeren Netzwerke geeignet zu sein. In ahnlicher Weise wie VOLKENSTEJN und Mit- arbeiter argumentierte SCHWARZ [96], daB in polymeren Netzwerken eine Nahordnung auftritt. Benachbarte Seg- mente verschiedener Ketten bevorzugen eine parallele Lage zueinander. Bei Vorliegen einer Kettenlangenver- teilung und freier Kettenenden wird angenommen, da13 die Segmente der langeren Ketten ihre mittlere Orien- tierung auf die Kurzkettensegmente einstellen, so daD eine gewisse Nahordnung auftritt. Dieser Orientierungs- effekt fuhrt zu einer Entropieverringerung und wird mit einem zusatzlichen Beitrag an Deformationsltraft in Zusammenhang gebracht. Fur ungequollene polymere Systeme liefert die Theorie llIooNEY-RIVLIN-ahnliches

Verhalten rnit realistischen C,/C,-Verhaltnissen. Diese Theorie durfte deshalb, ahnlich wie die Theorie von BLOK- LAND, fur speziell strukturierte Netzwerke von Interesse sein.

Die Existenz von geordneten Strukturelementen in polymeren Netzwerken kann nicht als ein allgemeingultiges und typisches Charakteristikum angesehen werden. Fur eine Reihe typischer Elastomere wurde durch Neutronen- streuung deuterierter Proben das FLoRYsche 0-Punkt- Konzept bestatigt [3, 4, 5, 12, 14, 52, 62, 741. Die mittleren Dimensionen der Ketten im Netzwerk und eines stati- stischen Knauels in einer verdunnten Losung am O-Punkt sind gleich. Diese Ergebnisse sind ohne spezielle Annahmen nicht rnit einem merkbaren Anteil der oben diskutierten Strukturelemente zu vereinbaren.

3.3. Kichtaffine Deformationen Uberlegungen ganz anderer Art wurden von GORDON

und DOBSOX [18, 19, 20, 591 angestellt. Sie erklarten das reale Spannungs-Dehnungs-Verhalten rnit der Existenz von sogenannten orientieraktiven Netzwerkketten. Dar- unter sind kurze Kettenstucke, bestehend aus ein oder zwei Atombindungen, zu verstehen, die die Querver- bindungen (z. B. C-C oder C-S-C) zwischen den Primarketten nach der Vulkanisation darstellen. Die Anzahl dieser kurzen Netzwerkketten soll rnit der Anzahl der ublichen elastisch-aktiven Ketten vergleichbar sein. Diese kurzen Ketten konnen nicht gedehnt werden, sie konnen aber auf Grund ihrer Rotationsfreiheitsgrade orientiert werden. Daraus resultiert bei auBerer Dehnung ein rotationsentropischer Beitrag.

[Jnter der Annahme, daB bei Dehnung die elastisch- aktiven Ketten sich affin deformieren und daS jeder tetrafunktionale Verknupfungspunkt des ,,klassischen" Netzwerkes durch zwei trifunktionale Verknupfungs- punkte ersetzt wird, die uber eine orientier-aktive Kette verbunden sind, erhalten GORDON und DOBSON einen Spannungs-Dehnungs-Zusammenhang, der fur nicht allzu gro5e Dehnungen MoONEY-RIvLIN-ahnlich ist. Eine Ab- schatzung des rotationsentropischen Beitrages und Ver- gleich rnit dem elastischen Beitrag zeigte jedoch, daB der rotationsentropische Beitrag wesentlich kleiner als der elastische Beitrag ist, so da13 dieses Modell nur sehr kleine C,-Werte erklaren kann [60].

TATARA [49, 100, 1011 leitet die MOONEY-RIVLIN- Gleichung auf der Basis der statistischen Netzwerktheorie nach HERMANS, FLORY und WALL ab. Er nimmt an, daD bei affiner Deformation des Netzwerkes die Abmessungen eines Teils der Ketten sich mit den Kehrwerten I/&, I/& l/A, der Deformationsverhaltnisse A,, I,#, A; andern, die Abmessungen eines weiteren Teils unverandert bleiben und schliealich die eines dritten Teils sich affin verandern. An dieser Theorie mu13 dahingehend Kritik geiibt werden, daB sie ohne weitere Annahmen nicht in der Lage ist zu erklaren, wie der C,-Term, der der Zahl invers affin de- formierter Ketten proportional ist, bei Quellung des polymeren Systems kleiner wird. AuBerdem scheint es fraglich, ob in einem Netzwerk, in dem die Ketten durch Verschlaufungen behindert werden, die Aufteilung der Ketten in drei verschiedene Deformationsgruppen auf- recht erhalten werden kann

THIRION und CHASSET [102, 1031 nehmen an, daB die Netzwerkketten bereits im undeformierten Zustand vor- gespannt sind. Uber Verschlaufungen soll eine indirekte Kopplung der Ketten erfolgen. Die Behinderungen der Bewegungsfreiheit ruft dann bereits im undeformierten

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Zustand eine Dehnung hervor. Die Autoren erhalten fur die Spannungs-Dehnungs-Beziehungen ein MOONEY- RIvLIN-ahnliches Verhalten und konnen die Unterschiede in C, zwischen uniaxialer Dehnung und Kompression und bei Quellung erklaren.

ELOXLAND [9] hat diese Theorie kritisiert. Das Model1 durfte lediglich eine Anderung des Moduls gegenuher der ,,klassischen" Theorie, keinesfalls aber Anderungen des funktionellen Zusammenhanges von Spannung und Deh- nung ergehen.

3.4. Modelle und Analogien zum Verhalten yon Makromolekiilen im gelosten Zustand

In Polymerlosungen, insbesondere in stark verdunnten Losungen, werden die Form der Verteilungsfunktionen und die mittleren Quadrate der Endenabstande stark durch die Wechselwirkung langs der Kette weit voneinander entfernter Segmente beeinflufit (,,excluded volume effect").

WALL und MANDEL [I211 und KUMBAR [76] versuchen diese Erscheinung zu berucksichtigen, indem statt der GauBverteilung die von DOMB u. a. [23] fur isolierte Ketten vorgeschlagene Verteilungsfunktion

verwendet wird. N ist einb Normierungskonstante, (R2)1/2 der mittlere Endenabstand. 1 2 2 und t 2 0 sind ganze Zahlen. WALL und MANDEL [I211 erhielten fur die Werte t = 2, 1 = 4, die die Verteilungsfunktionen iso- lierter Ketten gut beschreiben, keine Verbesserung des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens, wahrend KUMBAR [76] durch Anpassung von t und 1 die Ubereinstimmung rnit experimentellen Ergebnissen erreichen kann.

EICHINGER [38] postuliert ebenfalls in Analogie zur Theorie der Verteilungsfunktionen der Endenabstande in verdunnten 1,osungen Potentiale der mittleren Krafte (siehe z. B. [124]) und verbindet den C,-Term rnit dem abstoBenden Teil dieser Potentiale. E r erhalt

(3.2)

x ist der FLoRY-HUGGINS-Parameter und y, der Volu- menanteil des Polymers. Dieser halbphanomenologische Zugang kann nur fur stark gequollene Netzwerke angewandt werden, da fur q~, --f 1 der C,-Term divergiert.

Neutronenstreuung an Polymerlosungen im Bereich maBiger Konzentrationen ergab wie fur massive Polymere (siehe 3.2.) die Bestatigung des 0-Konzepts, so daB die Untersuchungen, die in diesem Abschnitt beschrieben wurden, nur fur Gele rnit geringstmoglichem Polymeranteil Gultigkeit besitzen konnen. Daraus resultiert ein prinzi- pieller Mange1 dieser Theorien, da gerade im gequollenen Gel keine Abweichungen vom idealen Netzwerkverhalten festgestellt werden [82].

STAVERMAN [99] versucht, ohne mikroskopische Spezifi- zierung der Mechanismen (die Arbeit konnte auch den Abschnitten 3.1. oder 3.2. zugeordnet werden) das MOONEY- RIvLIN-Verhalten aus der Druckabhangigkeit der mittleren Kettenendenabs_tandsquadrate zu erklaren. Die Beriick- sichtigung der Anderung des hydrostatischen Druckes bei Deformation liefert die hfOONEY-RIVLIN-Form der freien Energie. GroBzugige Abschatzungen ergeben mit C,ICl 5 0,1 jedoch zu kleine Werte.

3.5. Nichtenergetische (topologische) intermolekulare Behinderungen Die folgenden Netzwerktheorien haben auf verschiedene

Weise das Konzept der Konformationsbehinderungen gemeinsam. In diesem Konzept wird die gegenseitige Durchdringbarkeit der Netzwerkketten eingeschrankt.

In Analogie zur statistischen Mechanik eines Hartkugel- Gases versuchten DI MARZIO [I71 und JACKSON, SHEN und MC QUARIE [69] die intermolekulareri Behinderungen zu berucksichtigen, die durch die endliche Volumenausdeh- nung der Kettensegmente hervorgerufen werden DI MARZIO fuhrt in die Konformationsentropie des Netz- werkes eine dehnungsabhangige ,,Packungsentropie" ein und berechnet sie an einem kubischen Modellgitter, indem er die moglichen Konformationen jeder Kette bestimmt, wenn schon eine bestimmte Anzahl von Ketten vorhanderi ist. Die Theorie liefert eine Korrektur zum ,,klassischen Verhalten", deren Betrag zu klein ist, um eine befriedigende Ubereinstimmung rnit dem Experiment zu erhalten. Insbesondere kann der Anstieg der Spannungs- Dehnungs-Kurve uber die der GAussschen Theorie bei mittleren Dehnungen nicht erklart werden. JACKSON u. a. realisierten das Behinderungskonzept durch die Annahme von unterschiedlichen Schrittwahrscheinlich- keiten fur die Segmente der GAussschen Ketten nach der Dehnung. Wegen des unrealistisch groBen Werts von 25% fur das erforderliche freie Volumen eines Netzwerkes kann jedoch die Theorie nicht uberzeugeii (siehe RLOK-

Modelle, in denen die topologischen Behinderungen durch eine Einschrankung der Freiheitsgrade der Netzwerk- knoten realisiert werden, wurden von RONCA und ALLE- GRA [93], KASTNER [73] und FLORY und ERMAN [41, 42, 531 vorgeschlagen. Die Modelle unterscheiden sich hin- sichtlich der konkreten Form des Behinderungspotentials der Knotenfluktuationen und hinsichtlich der Vorstel- lungen uber die mikroskopischen Mechanismen der Behill- derungen (Packungseffekte, Verschlaufungseffekte). Die Theorien liefern fur den uniaxialen Spannungs-Dehnungs- Zusammenhang eine MoONEY-RrvLIN-ahnliche Darstellung rnit realistischen Cz/Cl-Verhaltnissen und erklaren das uniaxiale Kompressionsverhalten sowie das Quellverhalten des Netzwerkes. RONCA und ALLEGRA nahmen an, daB sich bei Deformation die Fluktuationen der Knoten derart andern, daD die Wahrscheinlichkeit der gegenseitigen Uberlappung derartiger Fluktuationen nahe der im unde- formierten Zustand liegt. Die Autoren schlugen einen phanomenologischen Zusammenhang zwischen dem Defor- mationstensor und einem geeignet definierten Fluktuations- tensor vor und erhielten im Rahmen der JAMES-GUTH- Theorie fur den Spannungs-Dehnungs-Zusammenhang eines 4-funktionalen Netzwerkes

LAND [g]).

(rn- chemische Knotendichte, (Rm2) = (R,) -1/2(R2), rnit (R2) dem mittleren quadratischen Abstand der Netzwerk- knoten und (R2), dem mittleren quadratischen Ketten- endenabstand einer freien Kette). KASTNER [73] und ERMAN und FLORY [41] simulieren die Rehinderungen der Knoten- fluktuationen durch ein Kasten-Potential, innerhalb dessen sich die Knoten frei bewegen konnen und dessen Dimensionen sich affin rnit der mikroskopischen Dehnung andern. FLORY und ERMAN 1531 verwenden ein GAusssches Behinderungspotential. Wahrend KASTNER [731 die Ur- sachen fur die Knoteneinschrankungen in den Packungs-

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HEINRICH, STRAUBE und HELMIS: Molekularstatistische Theorieii polymerer Netzwerke. Fortschrittsberichl

Acta Polyrnerica 31 (1980) Heft 5

279

effekten sieht, fuhren FLORY und ERMAN [41, 531 das Konzept der behinderten Knoten auf die Netzwerkver- schlaufungen zuriick. Da bei geeigneter Wahl der Behin- derungsparameter die Ergebnisse der einzelnen Theorien iibereinstimmen, kann man schlufifolgern, daB das Konzept der behinderten Knoten relativ unempfindlich gegenuber speziellen Modellvorstellungen ist. Als Beispiel sol1 das Ergebnis fur den Spannungs-Dehnungs-Zusammenhang bei uniaxialer Deformation nach KASTNER angegeben werden.

z

H ( z ) = z1/2e-za'2 e-t' dt . (3.5) 0

Gleichung (3.4) liefert eine MooNEY-RIVLIN-Darstellung fur die reduzierte Spannung o(A)/(a - P). Die GroSe Kl ist rnit dem sogenannten Fluktuationsparameter 1c

gema5

x2 1 ~ L ~ / ~ X ~ / ~ H ( K , ) (3.6)

verkniipft. Ein wiirfelformiger Fluktuationsbereich hat dann die Grenzen &xd, wenn d der mittlere Abstand benach- barter Vernetzungspunkte ist.

Modelle, die das Behindcrungskonzept auf die ganze Kette ubertragen, wurden von PRISS [88], KUNNE [77], THOMAS u. a. [lo41 und GAYLORD [57] entwickelt. Bei allen Autoren wird von der Annahme ausgegangen, daB wegen der Unmoglichkeit gegenseitiger Durchdringung der Netzwerkketten die transversalen Fluktuationen einer Netzwerkkette im Vergleich zum Phantomnetzwerk ein- geschrankt sind.

PRISS [88] diskutiert, daB im deformierten Netzwerk der Zustand der Ketten sich vom Gleichgewichtszustand isolier- ter Ketten unterscheidet, die den gleichen Kettenenden- abstand haben. Er nimmt an, da5 die mittleren Abstande zwischen den Kettensegmenten, die die transversalen Fluktuationen einer Polymerkette charakterisieren, wegen der Undurchdringbarkeit der Netzwerkketten ihre Gleich- gewichtswerte nicht erreichen. Die Deformationsab- hangigkeit der Netzwerkentropie andert sich dadurch und fiihrt zu einem zusatzlichen Spannungsbetrag. Fur uniaxiale Dehnung lautet der Spannungs-Dehnungs- Zusammenhang

der eine realistische MOONEY-RIVLIN-DarsteUung liefert. K , ist eine nur empirisch bestimmbare Konstante, da ihre Berechnung die Kenntnis der raumlichen Anordnung aller Behinderungen voraussetzt. Das vorgestellte Konzept wurde in letzter Zeit an einem Modell weiterentwickelt, bei dem die Einschrankung der transversalen Fluktuationen durch eine Feder simuliert wird, die in der Mitte der Netzwerkkette angreift und deren anderes Ende auf der Verbindungslinie der Kettenenden frei gleiten kann [89]. Das Modell hat den Mangel, daB Deformationsabhangig- keiten und Anisotropien der Behinderungen, die durch

die makroskopische Verzerrung verursacht werden, nicht berucksichtigt werden. Die Einschrankung der Fluk- tuationen von Kettensegmenten sollte bei anisotroper makroskopischer Verzerrung von der Orientierung der Ketten im Netzwerk abhangen sowie dehnungsabhangig sein. Das wird jedoch in der konstanten Grofie Kz, die fur alle Kettenorientierungen und Deformationen gilt, nicht berucksichtigt [106].

KUNNE, THOMAS u. a. und GAYLORD simulieren die topologischen Behinderungen an einem Modell von Kon- formations-Behinderungskanalen, die die Ketten umgeben. KUNNE [77] betrachtet nur eine einzelne Kette in einem Konformationskanal und gelangt bei diesem einfachen Beispiel zu der Aussage, da5 die Deformationskraft der einzelnen Kette aus einer Komponente besteht, die vom Verlauf der Konformationsentropie rnit dem Kettenenden- abstand bei gleichbleibender Kanalweite ahhangt und aus einer Komponente, die aus der Anderung der Kanalweite rnit der Dehnung resultiert.

THOMAS u. a. [104, 105, 1061 und spater GAYLORD [57] formulierten ein 3-Ketten-Netzwerkmodell aus Konfor- mationskanalen, deren Dimensionen dehnungsabhangig sind. Die spezielle Form der Dehnungsabhangigkeit ergab sich aus einfachen uberlegungen uber die Wirkung von Verschlaufungen und Packungseffekten auf eine Kette. Bei einachsiger Deformation ergibt sich im Grenzfall starker Behinderungen die MooNEY-RIv~-Gleichung. Starke Behinderungen sind dann realisiert, wenn die Quer- dimensionen des Behinderungskanals klein gegen die mittleren Dimensionen einer freien Kette sind. Fur ver- schwindende Behinderung oder Deformationsunabhangig- keit der Kastendimensionen folgt der ,,klassische" Span- nungs-Dehnungs-Zusammenhang unbehinderter Phantom- Netzwerke. Durch Anpassung der Starke der Dehnungs- abhangigkeit der Kanaldimensionen gelang es THOMAS u. a. [105], die biaxialen Deformationsexperimente von BARTENEV u. a. [7] zu beschreiben.

4. Statistische Mechunik topologischer Behinderungen

Die Modelle, die im Abschnitt 3.5. untersucht wurden, haben sich als geeignet erwiesen, die typischen mechani- schen Eigenschaften polymerer Netzwerke zu beschreiben. Alle anderen betrachteten Zugange ergaben zu geringe Korrekturen zum ,,klassischen Verhalten", beruhten auf Strukturannahmen, die nicht als allgemeingiiltig angesehen werden konnen oder verwenden Annahmen, die gesicherten Ergebnissen widersprechen. Dieser Erfolg berechtigt zu der Erwartung, da5 die Einschrankungen des erreichbaren Konformationsraumes, die durch die Topologieerhaltung verursacht werden, die mechanischen Eigenschaften poly- merer Systeme im hochelastischen Zustand wesentlich beeinflussen. In den folgenden Abschnitten sollen ver- schiedene Aspekte der Beschreibung der Topologie und des Einflusses der Topologieerhaltung auf die Eigenschaften einzelner Ketten und von Netzwerken rnit Methoden der statistischen Mechanik untersucht werden.

Anschauliche Beschreibungen und eine Klassifikation der Topologie, insbesondere verschiedener Verschlaufungs- arten, sind in [I, 26,30-32, 45, 62, 125, 127,1281 zufinden und werden hier nicht betrachtet.

4.f. Allgenzeine Formulierung Die Grundlagen der Phasenraumstatistik realer Netz-

werke rnit topologischen Behinderungen wurden von EDWARDS und FREED [26, 28, 33, 55, 561 formulicrt. Sie

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Acta Polymerica 31 (1980) Heft 5

280 HEINRICE, STRAUBE und HELMIS: Molekularstatistische Theorien polymerer Netzwerke. Fortschrittsbericht

betrachten ein System (polymeres Netzwerk), das zu einem Anfangszeitpunkt (bei dem polymeren Netzwerk sei dies der unmittelbare AbschluS der Vernetzungsreaktion) durch eine Topologie _T charakterisiert sei, die erhalten bleiben soll. Das System kann deshalb niemals einen Zustand einnehmen, der durch ein _T' + T charakterisiert ist, auch wenn das System rnit T' dieselben makroskopi- schen Zustandsparameter (Volumen V , mittlere Gesamt- energie E, Teilchenzahl usw.) wie das _T-System besitzt. Bei thermodynamischen Zustandsanderungen konnen nur solche Zustande auftreten, die die Erhaltung der Topologie I T garantieren.

Fur ein System rnit einer gegebenen Topologie _T kann das Zustandsintegral des kanonischen Ensembles in der Form

rnit der freien Energie

FT(T , - V ) = - kB T In Z T ( T , I V) ( 4 4

dargestellt werden (T - absolute Temperatur, H(r) - System-Hamiltonfunktion, r - Gesamtheit des Kon- formationsraumes). Die Funktion S(_T - _T(r)) fuhrt dazu, daS nur ein Teil des Konformationsraumes erreicht werden kann, der bei den durchdringbaren Ketten der Phantom- netzwerke Beitrage zum Zustandsintegral ergibt.

Bezeichnet man mit lo eine beliebige thermodynamische Variable in einem Anfangszeitpunkt und rnit 6 diese Variable zu einem spateren Zeitpunkt, dann gilt auf Grund der Permanenz der topologischen Behinderungen fur die Wahr- scheinlichkeit einer Topologie _T

P,(t'o) = P#). - (4.3)

Die Anderung der freien Energie zwischen zwei durch die thermodynamischen Varibalen lo und 6 charakterisierten Zustanden (speziell dem undeformierten und deformierten Zustand des Netzwerkes) ist dann

Der Satz ( p a } ist durch die nach dem VernetzungsprozeS vorliegende Netzwerkstruktur eindeutig festgelegt und hangt z. B. von der Art und Weise der Entstehung des polymeren Systems, aber nicht vom Deformationszustand ab.

Die Aufgabe, rnit Hilfe der Phasenraumstatistik topolo- gischer Behinderungen eine vollstandige statistische Theorie der Gummielastizitat zu formulieren, ist mit sehr groSen mathematischen Schwierigkeiten verbunden. Es ist prak- tisch unmoglich, die vollstandige topologische Struktur des Netzwerkes zu erfassen, d. h. die topologische Aqui- valenz oder Nichtaquivalenz der Konformationen aller verschlauften und sich gegenseitig behindernden Netzwerk- ketten zu berucksichtigen. Die Kompliziertheit dieses Problems zeigt sich bereits, wenn die topologische Wechsel- wirkung von nur zwei isolierten und nicht chemisch ver- netzten Ketten untersucht wird.

4.2. Statistische Mechanik der topologischen Wechselwirkung einzelner Kelten

Dieser einfachste Fall wurde zuerst von PRAGER und FRISCH [87], SALTO und CHEN [94] und EDWARDS und ALEXANDER-KATZ [a, 30, 31, 321 analysiert.

Bild 2. Umschlaufung eines starren Stabes um eine flexible Kette (Erlauterung im Text)

EDWARDS [30, 311 betrachtet eine ebene flexible GAUSS- sche Kette der Konturlange LL deren Kettenanfang bei Z1 und deren Kettenende bei R2 liegt. Diese Kette um- schlaufe n-ma1 eine zweite Kette, die als starrer Stab idealisiert ist und senkrecht auf der Ebene steht (Ort des DurchstoSpunktes 8) (Bild 2) . Die Zahl der Konforma- tionen der flexiblen Kette fur eine gegebene Anzahl von Umschlaufungen wird durch das Zustandsintegral mit der entsprechenden Nebenbedingung bestimmt. Es laI3t sich relativ elegant mit Hilfe der WIENER-FEYNMAN-Funk- tionalintegraldarstellung [46, 561 berechnen. Dabei wird eine formale Analogie zwischen dem statistischen Gewicht der Polymerkette und der Propagatorfunktion (Green- funktion) eines quantenmechanischen Teilchens in der FEYNMAN-Darstehng der Quantentheorie [46] ausgenutzt. Bei Verschlaufung um den Winkel 6 = 2nn ( n = 0, 61, ...) der flexiblen Kette um den starren Stab ergibt

(4.5)

(4.6)

(4.7)

R,, v1 usw. sind die Polarkoordinaten von 2, usw. J , bezeichnet die Besselfunktionen 1. Art. Asymptotische Ausdrucke konnen fur R1R2 > 1L angegeben werden. Z , beschreibt den Anteil zum Zustandsintegral, der von genau m Umschlaufungen herruhrt. Die Besselfunktion und die zweite Exponentialfunktion charakterisieren dabei die Abweichungen vom Gaussschen Verhalten auf Grund der Anwesenheit des starren Stabes.

Auf methodisch andere Weise werden gleiche bzw. ahnliche Ergebnisse (auch fur den dreidimensionalen Fall) von PRAGER und FRISCH [87] und SAITO und CHEN [94] fur das gleiche Model1 erhalten. Fur eine Verschlaufungs- situation, bei der ein Polymer eine solenoidale Konfor- mation urn eine ,,random-flight"-Konformation eines zweiten Polymers einnimmt, wurden analoge Rechnungen von ALEXANDER-KATZ und EDWARDS [2] durchgefuhrt. Weitere topologische Situationen fur Polymerketten, die durch undurchdringbare Ebenen behindert sind, sind von GAYLORD und LOHSE [58] untersucht worden. Die Ver- schlaufung einer Kette rnit einem starren Stab, wenn zu- satzlich noch eine Wechselwirkung (z. B. harmonisches Potential) zwischen den einzelnen Kettensegmenten und diesem Stab zugelassen ist, diskutiert WIECEL [123].

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f '

I Bild 3. Zweidimensionaler geschlossener ,,random- flight"

Untersuchungen des Kraft-Dehnungs-Zusammenhanges fur einzelne verschlaufte Ketten fuhren zu Abweichungen vom GauBschen Verhalten, die einzig und allein durch die Verschlaufung determiniert sind. Ein einfaches Beispiel verdeutlicht diesen Sachverhalt [87]. Bild 3 zeigt einen geschlossenen zweidimensionalen ,,random-flight" mit dem Startpunkt S. Greift in z-Richtung keine auSere Kraft f an, liegt die z-Koordinate des Startpunktes (z,) symme- trisch zu dem starren Stab, der im Koordinatenursprung senkrecht die zz-Ebene durchstofit. Fur den Ensemble- mittelwert (z,) gilt (zo) = 0.

Bei angreifender auBerer Kraft f in z-Richtung wird diese Symmetrie gestort. Bild 4 (gestrichelte Linie) verdeutlicht die Relation zwischen (z,) und f fur eine Schlaufe der Konturlange L aus Segmenten der statistischen Segmentlange 1. Die elastische Ruckstellkraft ist gleich der einer Feder der Federkonstanten k, = 12kBT/ZL. 1st nun die Schlaufe mit dem Stab verwickelt, so ergibt sich ein nichtlineares Verhalten (ausgezogene Linie). Die differen- tielle Federkonstante, der Anstieg der f-{z,)-Funktion, beginnt mit dem Anfangswert 1,65 k,, verringert sich mit wachsender Kraft auf einen Wert kleiner k, und wachst schlieBlich wieder an bis sie asymptotisch bei f -+ 00 den k,-Wert erreicht.

I

I h

K (20) V T -

Bild 4. Kraft-Dehnungs-Zusammenhang fur eine einzelne ver- schlaufte Kette nach [87]. (Erlauterung im Text)

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0 b

Bild 5. (siehe Text)

Eine ubertragung der genannten Methoden auf die Berechnung polymerer Netzwerke, die eine weitaus kompliziertere Topologie aufweisen, ist z. Z. kaum moglich. Hier machen sich starkere Vereinfacbungen erforderlich.

Ein vollig anderer Zugang ist die algebraische Theorie der Topologie polymerer Ketten. Zur Charakterisierung verschiedener topologischer Situationen verwenden VOLO- GODSKII, FRANK-KAMENETSKI u. a. [54, 118, 1191 eine algebraische Theorie der Verschlaufungen auf der Basis der sogenannten ALEXANDERschen Polynome [13]. Gleiche Polynome entsprechen aquivalenten Verkniipfungssitua- tionen und erlaubten topologische Aquivalenz oder Nicht- aquivalenz geschlossener Ketten zu beschreiben. Die Ketten werden mittels Monte-Carlo-Techniken simuliert und die Zahl der Konformationen von Ketten in einem topolo- gischen Zustand als das Produkt aus der Gesamtzahl der Konformationen der isolierten Ketten (Bild 5a) und der Wahrscheinlichkeit der Bildung des topologischen Zustan- des (Bild 5b) bei der zufalligen SchlieBung der Ketten berechnet.

Die so berechneten Beispiele zeigen deutlich, daB die topologische Wechselwirkung zu einer Verringerung der Konformationsentropie fuhrt und daS diese Verringerung der Entropie vom topologischen Zustand der Ketten abhangt. Zur Zeit ist noch nicht abzusehen, ob diese al- gebraische Theorie der Topologie fur Untersuchungen zur Netzwerktopologie zu verwenden ist oder sich auf einzelne Ketten beschranken muB.

4.3. Netzwerktheorien unter Berucksichtigung der Topologieerhaltung

4.3.1. Topologie der chemischen Verkniipfungen ZIABICKI und Mitarbeiter [127, 125, Teile 1 u. 21 beschran- ken den Topologiebegriff polymerer Netzwerke auf die Topologie der chemischen Verknupfungen von Ketten. Sie konnen damit nur die Topologie von Phantomnetz- werken, die durch die chemischen Verknupfungen allein bestimmt ist, beschreiben. Die Topologie wird dann durch Netzwerkparameter wie Netzbogenzahl, chemische Kno- tenzahl, Primarkettenzahl, Funktionalitat der Knoten, Zahl der freien Kettenenden usw. [125, Teil I] festgelegt. ZIABICKI und KLONOWSKI [125, Teil 1-31 berechneten die thermodynamisch wahrscheinlichsten topologischen Strukturen durch Minimierung der freien Energie bezuglich dieser Parameter. Fur die wahrscheinlichste topologische Struktur berechnet ZIABICKI [I291 dann die Anderung der freien Energie bei elastischer Deformation durch Unter- suchungen von endlichen Netzwerken aus 4, 16 USW.

Ketten und Extrapolation auf unendliche Systeme. Er erhalt eine Gleichung fiir die elastische freie Energie, bei der der Beitrag

die Abweichung von der ,,klassischen" Theorie beschreibt. n, ist die Zahl der statistischen Kettensegmente einer Netz- werkkette. Wegen n,> 1 bei typischen Elastomeren gibt (4.8) nur eine geringe Korrektur und kann nicht als C2-

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282 HEINRICH, STRAUBE und HELMIS: Moleliularstatistische Theorien polyinerer Netzwerke. Fortschrittsbericht

Term einer MooNEY-RIvLIN-ahnlichen Gleichung inter- pretiert werden.

Die Arbeiten von ZIABICKI u. a. betrachten Phantom- netzwerke, deren Strukturen durch Satze von Struktur- parametern speziell fixiert sind. Es ist bisher noch nicht untersucht worden, ob ihre Ergebnisse rnit dem FLORY- schen Resultat [50] (siehe 2.) zu vereinbaren sind, daS die elastischen Eigenschaften von Phantomnetzwerken durch einen einzigen Parameter, den sogenannten ,,cycle rank", bestimmt werden.

4.3.2. Edwards-Theorie Unter der Annahme, da13 Verschlaufungen von jeweils

zwei Netzwerkketten die Netzwerktopologie bestimmen, wurde von EDWARDS und DEAM [I51 eine Theorie der Gummielastizitat entwickelt. Die Klassifizierung der Topologie erfolgt in der ED-Theorie mittels der yon ED- WARDS [26, 31, 321 formulierten topologischen Invarianten, die die topologische Verknupfung zweier geschlossener oder unendlich langer Ketten charakterisieren konnen. EDWARDS wahlt als Invariante

Fur die beiden im Bild 5 dargestellten topologischen Situationen nimmt I , , die Werte

I, , = 0 fur (a), I,, = 4n fur (b)

an. Eine n-fache Umschlaufung im Fall (b) liefert ent- sprechend I,, = *t4nn.

Kompliziertere lnvarianten konnten noch fur den Fall dreier verschlaufter Ketten (Rorromean-Ringe) angegeben werden [31]. In der ED-Theorie beschrankt man sich lediglich auf Invarianten vom Typ II2 und verzichtet auf die Beschreibung von Situationen rnit mehr als zwei topologisch verknupften Ketten. Zur Berechnung der Zustandssumme des betrachteten Netzwerkes und der freien Energie sind folgende drei Schritte notig :

1) Berechnung der p?, 2 ) Berechung der F z = F?(1) (freie Energie des defor- mierten Netzwerkes fur eine spezielle topologische Situation), 3) Berechnung von F(A) = C p 7 F ~ .

T

Die relativ umfangreichen Rechnungen liefern fur affine Deformation der mittleren Netzkettenpositionen folgendes Ergebnis : Fur das Phantomnetzwerk wird das klassische Resultat reproduziert (vgl. auch FREED [55], EDWARDS [26]):

(4.10) F(1) = - kBT(2,' f 2: + 1:) M 2

( M - cheinische Knotenzahl).

Die Berucksichtigung der topologischen Invarianten ergibt

(4.1.1)

Hierbei sind eP = N - L/Z * V die Polymersegmentdichte, N die Primarkettcnzahl und a eine numerische Konstante

in der GroBenordnung Z - F'(1) stellt einen Beitrag zur freien Energie dar, der von den Fluktuationen um die mittleren affin defomierten Segmentpositionen der Ketten herruhrt und fur den Fall ma13ig vernetzten Gummis die Form

annimmt. Die Fluktnationen selbst sind von der Dehnung unabhangig. Gleichung (4.11) fur die freie Energie ist eine Summe aus der freien Energie eines Phantomnetz- werks mit M Knoten und einem Beitrag, der aus der Un- durchdringbarkeit und der damit verbundenen topolo- gischen Wechselwirkung der Ketten resultiert. Letzterer fuhrt zu einer MooNEY-RIvLIN-Form der freien Energie mit deformationsabhangigem C2-Term, der proportional zu epll' und unabhangig von der chemischen Knotenzahl ist.

Die ED-Theorie stellt die erste konsequente molekulare Netzwerktheorie auf der Basis einer statistischen Mechanik unter Berucksichtigung der Topologieerhaltung dar und war richtungsweisend fur weitere Untersuchungen. Weiter- entwicklungen bzw. Modifizierungen ergeben sich vor allem aus gewissen Mangeln und Grenzen der ED-Theorie:

1) Die durch die Invarianten II2 charakterisierten Ver- schlaufungen sind bei hohen Dichten sicherlich nicht die einzigen topologischen Behinderungen.

2) Verschiedene Autoren [54, 118, 1191 vermuten, da13 die topologischen Invarianten keine invarianten Ausdrucke darstellen, sondern unter bestimmten Bedingungen von der Deformation der Ketten abhangen. Zur Begrundung dieser Aussage wird I , , fur verschiedene Ketten in einem kubischen Gitter berechnet [118].

3) Die ED-Theorie mu13 im Verlauf der Auswertung zahl- reiche Annahmen und Naherungen einfuhren, die es kaum gestatten, die Parameter, die i n den Endformeln auftreten, rnit mikroskopischen Groljen zu verkniipfen. Die Autoren versuchten auoerdem nicht, ihre Ergebnisse rnit experimentellen Resultaten zu vergleichen.

4.3.3. Modifizierte Edwards-Theorien

Die Schwierigkeiten, die sich bei einer Berucksichtigung mehrerer topologischer Strukturelemente ergeben, werden bereits an dem einfachen Model1 von GRAESSLEY und PEARSON [63] deutlich. Sie betrachten u. a. ein Ensemble aus einfach verschlauften (Bild 5 b) und unverschlauften (Bild 5a) Paaren von Kettenschleifen rnit den relativen Haufigkeiten p bzw. I-p. Alle Paare sollen gleichen Ab- stand der Kettenschwerpunkte i: besitzen. Unter der An- nahme, da5 die relativen Anteile der Konformationen, die einem verschlauften bzw. unverschlauften Paar zur Ver- fiigung stehen, gleich den Haufigkeiten p bzw. 1-p sind, kann man fur die Anderung der freien Energie bei Defor- mation bezuglich der topologischen Behinderungen gemaB (4.4)

dF=-kBTN p(A=l) ln- p(4 + (1 - p( l = 1)) ! P V = 1)

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HEINRICH, STRAWBE und HELMIS: Molekulavstatistische Theorien polymerer Netzwerke. Fortschrittsbericht

schreiben. Fur die Abhangigkeiten der Wahrscheinlichkeit p von ; = ?(,I) werden folgende Ansatze durchgerechnet und diskutiert:

p(;) = p(l?J) N e-i?’, e-IFl*, e-li18 (vgl. auch [119]) ,

erfc (IF/) (vgl. auch (871).

Die MOONEY-RIVLIN-Darstellung des Spannungs-Deh- nungs-Zusammenhanges liefert bei uniaxialer Kompression fur alle Ansatze nahezu ideales Netzwerkverhalten ; bei uniaxialer Dehnung unterscheiden sich jedoch die Span- nungs-Dehnungs-Kurven der verschiedenen Ansatze be- trachtlich. Die Behandlung noch komplizierterer Schlaufen- paare scheitert an der Unkenntnis der entsprechenden p(;) und an der wachsenden mathematischen Verkompli- zierung. Die EDWARDS-DEAM- und GRAESSLEY-PEARSON- Theorien zeigen, daS es z. Z. als unmoglich angesehen werden muD, die topologische Struktur eines polymeren Netzwerkes vollstandig zu berucksichtigen. Eine Moglich- keit der naherungsweisen Berucksichtigung der Undurch- dringbarkeit der Netzwerkketten und damit der Invarianz der Topologie eines Netzwerkes eroffnet sich durch die Uberlegung von EDWARDS [28] , daD infolge der Behinde- rungen, die durch die Invarianz der Topologie bedingt sind, jede Kette in der Nahe eines Ausgangszustandes verbleibt. Die freie Energie des Netzwerkes kann man dann in folgen- der Form schreiben:

(4.14)

(4.15)

P{& ist die Wahrscheinlichkeit, daD ein Subensemble des Netzwerkes unmittelbar nach der Vernetzung die Ausgangskonformation {A} besitzt, F { h } ist die freie Energie dieses Subensembles. Die Benutzung von Raum- kurven {A} = {..- &(s) e m - } zur Beschreibung der Kon- formationen der Ketten ermoglicht dabei die Ausfuhrung

Bei der Berechnung von F[{h}] = -kBT InZ[{B}], d. h. der Bestimmung der Zustandssumme eines Subensem- bles des Netzwerkes, dessen Topologie durch {A} festgelegt ist, wird von der oben diskutierten Vorstellung ausgz- gangen, daD nur solche aktuellen Konformationen {R} mit merklichem Gewicht in Z [ { h } ] eingehen, die in der Nahe der Konformation {A} liegen.

HEINRICH, STRAUBE und HELMIS [64] simulieren fur ein stochastisch vernetztes Netzwerk gemal3 dem EDWARDS- schen Vorschlag die Konformationseinschrankungen durch ein quadratisches Behinderungspotential. FREED [56] gab eine Erklarung fur die Form dieses Potentials, indem er die Behinderung eines jeden Segmentes durch alle anderen Segmente und in self-consistent-field Naherung betrachtete.

In einer weiteren Arbeit [65] modellierten HEINRICH u. a. die Undurchdringbarkeit der Netzwerkketten durch ein stochastisches Potential. Dieser Ansatz wird durch die bekannte Darstellbarkeit der paarweisen (lokalen) Wechsel- wirkung mittels stochastischer Felder angeregt. Der EinfluB der chemischen Knoten wird mittels eines Variationsver- fahrens [46] durch einen zusatzlichen Beitrag zum Be- hinderungspotential simuliert. Die Wahrscheinlichkeits- dichte P [ { k ( s ) } ] fur die Ausgangskonformationen {k(s)}

- -+

+

der Mittelung als Funktionalintegral -+ (Gl. (4 .15)) . 4

4

4

-+

- 4

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283

ist in Ubereinstimmung mit den bereits diskutierten Untersuchungen mittels Neutronenstreuung die freier Ketten. Ausgangspunkt des Modells ist dann folgender Ansatz fur die funktionale Wahrscheinlichkeitsdichte eines aus Gaussschen Ketten bestehenden Netzwerkes :

L L I

0 0

Der erste Term im Exponenten entsteht beim Grenz- ubergang zur kontinuierlichen Kette aus der Gaussschen Segmentlangenverteilung der verwendeten Modellketten [56] . Die &Funktionen beschreiben die chemischen Knoten. Vi ist das Behinderungspotential, das in eine Taylor-Reihe bis zur zweiten Ordnung entwickelt wird. Der stochastischen Natur des Potentials entsprechend besitzen die Entwicklungskoeffizienten eine gewisse Ver- teilung. Aus (4.16) folgt

Das Netzwerk sol1 gemaD dem Deformationstensor

(4.18)

gegenuber dem Ausgangszustand deformiert sein. Die Theorie liefert unter der Annahme dichter Packung

( V / N < (ZL)3/2) eine Gleichung fur den Spannungs-Deh- nungs-Zusammenhang, die sich aus zwei Anteilenzusammen- setzt. Der erste Teil stellt das Ergebnis fur ein Phantom- netzwerk dar; der zweite Teil beschreibt die Undurch- dringbarkeit der Netzwerkketten. Man kann zwei Grenz- falle unterscheiden. Fur den Fall, da5 die topologischen Behinderungen klein gegen die Behinderungen durch die chemischen Knoten sind, folgt das bekannte Phantom- netzwerkergebnis. Der umgekehrte Fall, der mit der in letzter Zeit von E D W ~ D S [36] diskutierten dichtgepackten Struktursituation im Gummi vergleichbar ist, liefert die MooNEY-RTVLIN-Gleichung

Der Parameter eo ist ein MaD fur die mittlere quadratische Abweichung eines Segrnentes + der aktuellen Lage @s)

von der Ausgangslage A(.) unmittelbar nach der Ver- netzung:

((R4 - &4)2) = eo2* (4.20)

Gleichung (4.19) folgt unter der Annahme der Deforma- tionsabhangigkeit der topologischen Behinderung gema5 dem Ansatz ep = Fur die hfOoNEY-RmIN-Kon- stanten erhalt man dann

-+

-=LA-. C2 21 1L N (4.21) G fi eo2 M

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Acta Polymericr 31 (1980) Heft 5

204 HEINRICH, STRAUBE und HELIEIS: Molekularstatistische Theorien polymerer Netzwerke. Fortschrittsbericht

Bei Vernetzungsdichten MIN 2 1 ergibt sich ein Verhaltnis C&, cv 1 fur eo2 e ZL, d. h. fur Schwankungsquadrate der Segmentkoordinaten von der GroSe der mittleren Ausdehnungen eines einzelnen Makromolekuls. Diese Werte fur ,oo stehen aber in krassem Widerspruch zu theoretischen Werten, die DOI [21] u n d DE GENNES [I61 fur dichtge- packte Systeme erhielten (e$ < ZL). In einer Arbeit von HEINRICH u. a. [66] wird gezeigt, daJ3 eine Losung dieses Widerspruchs in dem Ansatz fur die Deformationsab- hangigkeit von e zu suchen ist. Mit dem Ansatz ,op = e,Ap@/z, der fur B < 2 eine schwachere Deformationsabhangigkeit im Vergleich zum obigen Ansatz bedeutet, erhalt m a n

m i t = 2 c 1 ( 1 - 1-2) + 2G2(~@/a-1 - a-(@+l;) (4.22)

Zur Diskussion des Spannungs-Dehnungs-Zusammen- hanges wird fur ein Beispiel V/N/(ZL)S/2 = M / N = 5, die reduzierte Spannung unter Verwendung der eo-Werte nach DOI untersucht :

[a(1-1)] = '(') = 2C, + 2GZq(1-l), (4.24) (1 - 1 - 2 )

F u r Werte 8 N 10-2 liefert die Theorie Ubereinstimmung mi t experimentellen Werten bei typischen Elastomeren. Die Theorie beschreibt auch Kompression und Quell- verhalten von Gummi richtig. TSCHOEGEL [I141 gelangt im Rahmen eines phanomenologischen Zwei-Netzwerk- modells z u Gleichung (4.24). In diesem Modell stellt das ,,erstel' Netzwerk ein ,,klassisches" Netzwerk dar und das ,,zweite" ein uber sogenannte ,,Pseudoknoten" verknupftes Netzwerk, die die topologischen Behinderungen (Ver- schlaufungen) entsprechend simulieren. Die beiden Netz- werke existieren unabhangig voneinander und ihre Eigen- schaften seien additiv. Die Konstanten C1 u n d Cz haben im Zwei-Netzwerkmodell folgende Bedeutung :

(4.26)

G, ist der Anfangsmodul des durch chemische Vernetzungs- stellen verbundenen Netzwerkes und G, ist der Beitrag zum Gesamtmodul G = G, + G,, der von den topolo- gischen Behinderungen herruhrt. G, 1aiDt sich aus be- kannter chemischer Vernetzungsdichte und aus dem Ge- samtmodul bestimmen. Die beste Ubereinstimmung mit einer Reihe experimenteller Spannungs-Dehnungs-Daten gelingt dann fur die Parameteranpassung = -0,5. Das dem Zwei-Netzwerkmodell zugrundeliegende elastische Potential erweist sich nach TSCHOEGEL [I141 als konstitu- tiv. Die physikalisch anschauliche Interpretation des elastischen Zwei-Netzwerk-Potentials und dessen partielle molekulare Interpretation durch [65] zeichnen diese Theorie gegeniiber einer Reihe anderer vorgeschlagener phanome- nologischer Ansatze [6, 72, 110, 111, 1121 aus.

5. Zusammenfassung

Es wurde eine Reihe molekular-statistischer Modelle poly- merer Netzwerke diskutiert und ihre Leistungsfahigkeit vor allem daran gemessen, wie es ihnen gelingt, den typischen Spannungs-Dehnungs-Zusammenhang bei mittleren Dehnungen und dessen Abhangigkeit vom Quellgrad sowie das Verhalten

bei uniaxialer Kompression zu erklaren. Dabei zeigt sich, daB ein tieferes Verstandnis der Struktur-Eigenschafts-Korrelation polymerer Netzwerke im kautschukelastischen Zustand zu erwarten ist, wenn bei der Formulierung einer statistischen Mechanik der Netzwerke die Undurchdringbarkeit der Netz- werkketten beriicksichtigt wird. Diese Undurchdringbarkeit fiihrt in der statistischen Mechanik polymerer Netzwerke zum Prinzip der Permanenz der Netzwerktopologie, das als charak- teristische Eigenschaft der betrachteten Systeme im Unterschied zu den konventionellen Vielteilchensystemen angesehen werden kann. Die Gute einer Theorie realer Netzwerke hangt deshalb in groBem MaBe davon ab, wie es gelingt, das polymere Viel- teilchenproblem (Netzwerk) unter Beriicksichtigung der Topo- logieerhaltung mathematisch zu formulieren. Die Funktional- integralformulierung der Netzwerkketten hat sich dabei als brauchbare Technik erwiesen.

Trotz der gewachsenen Kenntnisse iiber die mechanischen Eigenschaften kautschukelastischer Netzwerke bleibt der Grundlagenforschung auf diesem Gebiet noch eine Vielzahl von Problemen sowohl theoretischer als auch experimenteller Art, die einer weiteren Bearbeitung bediirfen. Wesentliche Beitrage konnen von Arbeiten in folgenden Richtungen er- wartet werden:

Intensive Untersuchungen komplizierterer Deformations- zustande, vor allem der biaxialen Dehnung [6, 71, Untersuchungen zur Struktur-Eigenschafts-Korrelation an Netzwerken definierter und variierbarer Struktur [3 , 4 , 6, 44, 79, 80, 84, 86, 91, 921. Breitere Anwendung von Methoden, die erganzende Infor- mationen zu den mechauischen Messungen liefern konnen, z. B. Messungen der dehnungsabhangigen Doppelbrechung und des spannungsoptischen Koeffizienten gequollener Netzwerke, thermische Analysen und Loslichkeitsunter- suchungen [95]. Eine neue Qualitat von Aussagen konnte durch Unter- suchungen mikroskopischer Deformationen, d. h. Defor- mation einzelner Ketten in Abhangigkeit von der makro- skopischen Probendeformation, durch Neutronenstreuung gewonnen werden. Die Streufunktion kann Auskunft dariiber liefern, wie die mittleren Kettendimensionen durch die gegenseitigen Behinderungen beeinflufit werden und wie sich diese mit der auBeren Deformation andern. BENOIT u. a. [8] berechneten die Streufunktion fur eine Polymerkette im gedehnten Netzwerk, in dem sich die Koordinaten aller Segmente und Knoten affin veranderten (affines Netzwerk). PEARSON [85] und WARNER und EDWARDS 11221 analysierten die Streufunktion fur das eigentliche Phantomnetzwerk, in dem die mittleren Positionen der Ketten sich affin defor- mieren, also Fluktuationen um die mittleren Positionen auftreten (nichtaffines Netzwerk).

Bei PEARSON und WARNERIEDWARDS andert sich der Gyrationsradius einer Netzwerkkette in Abhangigkeit von der Dehnung weniger stark als bei der affin deformierten Netzwerkkette und korreliert relativ gut mit experimentellen Resultaten [122]. Endgultige Klarheit ist erst von weiteren Streuuntersuchungen zu erwarten 14, 85, 115, 116, 1221. Es ist zu erwarten, daB die schnelle Entwicklung der mole- kularstatistischen Theorie der Dynamik massiver Polymere unter Beriicksichtigung der Topologieerhaltung [16, 21, 22, 29, 34, 351, insbesondere das in jiingster Zeit von DOI und EDWARDS 1211 fur chemisch unvernetzte Systeme formulierte Modell abgleitbarer Verschlaufungen Eingang in die Theorie chemischer Netzwerke finden wird. Erste Ansatze dazu existieren bereits 1831. Als besonders interessant erscheint die Beschreibung von Relaxationseffekten bei Spannungs-Dehnungs-Untersu- chungen (z. B. Relaxationszeiten von C , und C, [ 4 3 ] ) .

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