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06 Sonderdruck für Ducati MÄRZ 2017 TOPTEST DUCATI MULTISTRADA 950

MRD 2017 06 Sonderdruck Ducati Multistrada 950 · 2017. 7. 18. · So wie der Pirelli Scorpion Trail II und die komfortablen Federelemente den Anspruch der Multi als Langstrecken-Allzweckwerk-zeug

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Page 1: MRD 2017 06 Sonderdruck Ducati Multistrada 950 · 2017. 7. 18. · So wie der Pirelli Scorpion Trail II und die komfortablen Federelemente den Anspruch der Multi als Langstrecken-Allzweckwerk-zeug

06 Sonderdruck für DucatiMÄRZ 2017

TOPTEST

DUCATI MULTISTRADA 950

Page 2: MRD 2017 06 Sonderdruck Ducati Multistrada 950 · 2017. 7. 18. · So wie der Pirelli Scorpion Trail II und die komfortablen Federelemente den Anspruch der Multi als Langstrecken-Allzweckwerk-zeug

Top-Test Ducati Multistrada 950

DARF’S A BISSERL

Nachdem die Multistrada 1200 Enduro im Segment der 19-Zoll-Reiseenduros mit Leistung, Hightech und Gewicht protzte, tritt die neue 950er eine drei viertel Nummer kleiner auf. Neue Vernunft bei Ducati? Wie viel ist genug? Spannende Fragen, der Top-Test hat Antworten!

Von Johannes Müller; Fotos: Rossen Gargolov

WENIGER SEIN?

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Machen wir die Sache heute doch einmal an einigen Zahlen fest: 241/4,0/215/28/ 12 990, und die 1,6. Diese

ominöse Zahlenfolge benennt fahrfertiges Gewicht/Durchzug im letzten Gang von 60 auf 100 Stundenkilometer/Höchstge-schwindigkeit/Punktwertung für Stabilität und Preis der neuen Multistrada 950. Die 1,6 ist die eigentliche Sensation, aber dazu am Ende mehr. Was sagen uns diese Werte?

Zunächst, dass der 950er-Zuwachs in der Bologneser Mehrzweckwerkzeugsfamilie leider deutlich properer geraten ist, als sich das viele ob des zur Fahrpräsentation kommunizierten etwas optimistischen Curb Weights von 227 Kilo (ohne Haupt-ständer und mit 90 Prozent Kraftstoff ) erhoff t haben. 241 Kilo, das ist minimal schwerer als eine Africa Twin, schwerer als eine V-Strom 1000 und viel, viel schwerer als eine durchaus vergleichbare Tracer 900. Hier addieren sich eben üppige Aus-stattung und viele Baukasten-Gleichteile. So spendet die 1200er-Multistrada den 20-Liter-Tank, das Heck und viele Verklei-dungsteile, die Multistrada Enduro Zwei-armschwinge und Auspuff endtopf und die Hypermotard den 937-Kubik-Vau-Motor, der off enkundig auch kein Fliegengewicht ist. Ist es bei der Multistrada 950 also nicht weit her mit dem Weniger, welches sich am Ende im Idealfall als Mehr entpuppt?

In Sachen Abmessungen und Gewicht jedenfalls kaum. Die sechs Kilo Ersparnis gegenüber der großen Multistrada 1200 (Vergleich im nächsten Heft) spürt man

Top-Test Ducati Multistrada 950

Ducati Multistrada 950 Motor Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt-90-Grad-V-Motor, je zwei obenliegende, zahnriemen-getriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, desmodro-misch betätigt, Nasssumpf-schmierung, Einspritzung, 2 x Ø 53 mm, geregelter Katalysator, Batterie 12 V/12 Ah, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbad-kupplung (Anti-Hopping), Sechs-ganggetriebe, X-Ring-Kette, Se-kundärübersetzung 2,867.

Bohrung x Hub 94,0 x 67,5 mm Hubraum 937 cm³ Verdichtungsverhältnis 12,6:1 Nennleistung 83,1 kW (113 PS) bei 9000/min Max. Drehmoment 96 Nm bei 7500/min

Fahrwerk Gitterrohrrahmen aus Stahl mit verschraubten Alugussteilen, Motor mittragend, Upside-down-Gabel, Ø 48 mm, verstell-bare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Zwei-armschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsys-tem, verstellbare Federbasis, Zug- und Druckstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 320 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 265 mm, Doppelkolben-Schwimm-sattel, Traktionskontrolle, ABS.

Alu-Gussräder 3.00 x 19; 4.50 x 17

Reifen 120/70 R 19; 170/60 R 17

Bereifung im Test Pirelli Scorpion Trail II „D”

Maße + Gewichte Radstand 1594 mm, Lenkkopf-winkel 64,8 Grad, Nachlauf 106 mm, Federweg v/h 170/170 mm, zulässiges Gesamtgewicht 465 kg, Tankinhalt 20,0 Liter.

Service-DatenService-Intervalle 15 000 km Öl- und Filterwechsel alle 15 000 km, 3,4 Liter Motoröl 15W50 Telegabelöl SAE 7,5, Donax Ta Zündkerzen NGK MAR9A-J Leerlaufdrehzahl 1350 ± 100/min Reifenluftdruck solo v/h(mit Sozius) 2,4 / 2,5 ( 2,4 / 2,9 ) barGarantie zwei Jahre Farben Rot, Weiß Preis 12 990 Euro Preis Testmotorrad* 13 203 Euro Nebenkosten 345 Euro

* inkl. Hauptständer (213 Euro)

Baukasten total: Der 937er-Motor stammt aus der Hypermotard, die Verkleidung ist nahezu identisch mit der Multistrada 1200, die Schwinge spendiert die 1200er-Enduro

beim Rangieren so gerade eben, einmal in Fahrt machen sich Rad-/Reifendimensio-nen sowie Unterschiede in der Fahrwerks-geometrie sowieso deutlich eher bemerk-bar. In den Ausmaßen gleicht die kleine Multistrada der großen Schwester (nicht aber der gewaltigen Enduro) wie ein Ei dem anderen, es handelt sich hier also um eine voll ausgewachsene Reiseenduro. Auf der Habenseite stehen daher folgerichtig ebensolche Platzverhältnisse für Fahrer und Sozius sowie eine absolut reisetaugli-che Ergonomie. Die Sitzposition ist kerzen-gerade aufrecht, der Lenker breit und in mittlerer Höhe positioniert, die Fußrasten tief genug, aber nicht zu tief. Große Pilo-ten freuen sich über die Möglichkeit, die dicken Gummiaufl agen auf den Rasten zu entfernen und so den Kniewinkel noch ein wenig zu öff nen. Die nicht höhenverstell-bare Standardsitzbank (825 Millimeter Sitzhöhe) passt für 1,75er-Normgröße und knapp darunter noch gerade so, deutlich kleinere Fahrer und Fahrerinnen werden

allerdings auch mit den 820 Millimetern Sitzhöhe der niedrigsten Sitzbankvariante außen vor bleiben. Immerhin, man sitzt schön im Motorrad, die Taille geriet wun-derbar schmal, der Knieschluss ist innig, das Polster bequem.

Schon eher lässt sich das Weniger der Multistrada 950 beim Antrieb beziff ern, dies allerdings auf eine sehr angenehme Art und Weise, wie der sehr gute Durch-zug von 60 auf 100 km/h veranschaulicht. Ducatis kleinerer Testastretta ist ein hoch engagierter Motor und macht in dieser sportlichen Reiseenduro eine Spitzen-fi gur. Zunächst einmal fallen allerbeste Umgangsformen auf – Laufkultur und Gasannahme sind in allen der drei Map-pings (Low, Mid und High) musterhaft. Natürlich gibt sich der aus der Hyper-motard übernommene Antrieb stets als 90-Grad-L-Twin zu erkennen, aber er läuft schon sehr früh rund und geschmeidig, gibt sich vergleichsweise vibrationsarm.

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Schlicht und gut: Das TFT-Display zeigt gut ables-bar alles an, was des Tourenfahrers Herz begehrt

Neue Schaltereinheiten sind einfacher zu bedienen, Windschutz für die Finger

Praktisch: Per Handrad ist die Vorspannung des Federbeins gut zugänglich justierbar

Knackige Bremse, gutes ABS: In den defensiveren Modi wird ein Abheben des Hinterrads nahezu voll-ständig unterbunden

*Herstellerangabe; 1MOTORRAD-Testparcours, Werte vom Bremsentest aus den drei besten Fahrversuchen gemittelt; Referenz: Motorrad aus der jeweiligen Kategorie mit den bisherigen Bestwerten; 2Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf Dynojet-Rollenprüfstand 250, korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %

Bremsen1

Verzö

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Modus 3Mittlere Bremsverzögerung 9,2 m/s2 entsprichteinem Bremsweg von 41,9 m aus 100 km/hModus 2Mittlere Bremsverzögerung 9,4 m/s2 entsprichteinem Bremsweg von 41 m aus 100 km/h

Zeit t

FahrleistungenHöchstgeschwindigkeit* 215 km/h

Beschleunigung0–100 km/h 3,4 sek 0–140 km/h 5,9 sek 0–200 km/h 14,9 sek Durchzug60–100 km/h 4,0 sek 100–140 km/h 4,0 sek 140–180 km/h 4,8 sek TachometerabweichungEff ektiv (Anzeige 50/100) 48/97 km/h DrehzahlmesserabweichungAnzeige roter Bereich 10 200/min Eff ektiv 10 200 /min

VerbrauchLandstraße 4,9 l /100 km Theor. Reichweite Landstraße 408 km Kraftstoff art Super

Maße+GewichteL/B/H 2260/1000/1550 mmSitzhöhe 850 mmLenkerhöhe 1160 mmWendekreis 5470 mmGewicht vollgetankt 241 kgZuladung 224 kgRadlastverteilung v/h 50,2/49,8 %

-Messungen

Hardware und Software der Bremsanlage harmonieren schön miteinander, sodass gute Verzögerungswerte zustande kommen. In Modus 2 regelt das ABS knackig, erst ganz zum Ende der Bremsung strebt das Hinterrad nach oben. Modus 3 verlängert den Bremsweg etwas, ist dagegen überschlagssicher. Im aggressivsten Modus 1 ist das ABS hinten deakti-viert, hier wird die beste Verzögerung erreicht, der Fahrer muss aber ggf. die Bremse lösen.

Bremsmessung aus 100 km/h

Ducati Multistrada 950 41,0 mReferenz Ducati Multistrada 1200 41,0 m

Sportlicher Motor, der auch in

der Reiseenduro funktioniert: Der Desmo-L-Twin zeichnet eine schöne Leistungs- und Drehmomentkurve ins Prüfstandsdiagramm. Schon früh gibt er sich druckvoll, dreht nach oben zielstrebig und frei. Dank einer recht kurzen Übersetzung stimmen Beschleunigung und Durchzug, dank guter Laufkultur macht das Ausdre-hen Spaß. Laufkultur und Gasannah-me sind höchst überzeugend.

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

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Motordrehzahl in 1/min x 1000

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Ducati Multistrada950 Sport

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Motordrehzahl in 1/min x 1000

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90Ducati Multistrada 950 (Sport-Modus)80 kW (109 PS) bei 9000/min 92 Nm bei 7600/min

Ducati Multistrada 950 (Urban-Modus)52 kW (71 PS) bei 7800/min 68 Nm bei 6600/min

Ducati Multistrada 950 (Urban-Modus)52 kW (71 PS) bei 7800/min 68 Nm bei 6600/min

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Motor2 Getriebe

Top-Test Ducati Multistrada 950

Und kräftig, knackt er doch die 70-New-tonmeter-Marke bei 3500 Touren, ab 4000 Umdrehungen liegen dann immer über 80 Newtonmeter an. Ihm hilft außerdem eine schön kurze Sekundärübersetzung, die er oben heraus wiederum mit willigs-ter Drehfreude und Sportsgeist (und an-

sprechend kerniger Soundkulisse) wett-macht. Hier nehmen die Vibrationen zwar merklich zu, störend werden sie aber nie. So ist das Drehzahlniveau auf langen Autobahnetappen zwar etwas höher, aber der Motor dreht gerne und stellt dadurch jederzeit genügend Punch zur Verfügung. Eine V-Strom oder Africa Twin jedenfalls wird der Desmo-Vau locker stehen lassen.

Ohne zu viel vom nachfolgenden Ver-gleichstest vorwegzunehmen: Im Gegen-satz zur urgewaltigen, stellenweise bei-nahe hysterischen 1200er liefert der 950er nie zu viel, aber eigentlich immer genug. Dieses Weniger dürfte für die meisten Reiseenduristen genau das „Genug“ mar-kieren – exzellent! Mit 4,9 Litern auf 100 Kilometern schluckt der Antrieb nicht

Die dicken Gummi-aufleger der Fußrasten lassen sich entfernen, was den Kniewinkel weiter entspannt. Cle-vere Sache, auch wenn die Dinger eventuell verloren gehen können.

Unter der Sitzbank finden sich neben or-dentlichem Bordwerk-zeug und einem klei-nen Staufach eine USB- sowie 12-Volt-Steckdo-se. Aufgeräumt und praktisch.

Der Kupplungshebel der Seilzugkupplung ist in der Reichweite nicht einstellbar. In dieser Preisklasse eigentlich ein Fauxpas.

Aufgefallen

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rekordverdächtig wenig, die Trinksitten gehen aber in Ordnung.

Das Getriebe ist, einmal mehr, typisch Ducati. Will sagen: kurze Wege, trocken, präzise. Wer danach sucht, wird hier und da auch einen Zwischenleerlauf fi nden. Die Seilzugkupplung (Hebel nicht einstell-bar) ist trotz Servounterstützung nicht sehr leichtgängig, aber anständig dosier-

bar. Sie verfügt zudem über eine sinnvolle Anti-Hopping-Funktion und gibt ansons-ten keinen Anlass zur Klage.

Gleiches gilt für den Geradeauslauf der Multistrada 950, die bis zur Höchstge-schwindigkeit von 215 Stundenkilometern ausgesprochen ruhig liegt. Sicher ein Verdienst des 19-Zoll-Vorderrads, welches darüber hinaus, und damit zu einem ganz entscheidenden Zahlenwert dieses Top-Tests, zu einer sehr guten Kurvenstabilität

(28 von 40 Punkten) sowie einem herrli-chen Einlenkverhalten (ebenfalls 28 Zähler) beiträgt. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Multistrada 950 fährt hervorragend. Nicht viele Motorräder lenken am Kurven-eingang so gleichmäßig sanft und intuitiv ein, wie es die kleine Multi tut. Es gibt kei-ne tückischen Eigenarten, an die man sich gewöhnen müsste, das Fahren erledigt sich fast wie von selbst. Lernkurve? Das neutrale, smoothe Fahrverhalten erschließt sich beim allerersten Einbiegen. Von da an serviert die nicht so kleine Multistrada Kur-venvergnügen quasi auf dem Silbertablett, macht ihre Pfunde komplett vergessen. Testchef Thöle hat es beim Fahrbericht so formuliert: „Wenn das die neue Vernunft bei Ducati ist, dann mehr davon.“ Das kann man eigentlich nur unterstreichen.

So wie der Pirelli Scorpion Trail II und die komfortablen Federelemente den Anspruch der Multi als Langstrecken-Allzweckwerk-zeug unterstreichen. Der Pirelli funktioniert kalt wie warm, nass wie trocken, liefert Rückmeldung und stellt sich auf der Brem-se kaum auf, ist damit die ideale Erstberei-fung. Kayaba liefert die voll einstellbare Federgabel (Druck- und Zugstufe nach Gabelholmen getrennt), an deren Funktio-nalität nichts auszusetzen ist. Weich gefe-dert und sämig dämpfend ab dem ersten der 170 Millimeter Arbeitsweg, frisst die Forke anstandslos auch grobe Unebenhei-ten, macht zusammen mit der ruhig laufen-den Vorhand so auch fl ickschusteriges Kurvengeschlängel zum Spielplatz. Ähnlich souverän agiert das gleichfalls eher soft abgestimmte, direkt angelenkte hintere Fe-derbein. Ein praktisches Handrad zum ein-fachen Anpassen der Federvorspannung ist vorhanden. Entsprechend eingestellt verliert die 950er auch im Zweipersonen-

Top-Test Ducati Multistrada 950

Mittel-, aber klasse: Brembos M4-32 beißen knackig und gut dosierbar zu

Formensprache: Wie kein anderer Hersteller versteht es Ducati, einer Reiseenduro-/Crossover-Maschine Eleganz zu verleihen

Klein, aber oho! Aus dem extrem schmalen Endtopf tönt es kernig und schön

Nutzwert: Zwei Personen und Gepäck fi nden auf der Multistrada 950 genügend Raum

Nebensache Hauptständer: optional erhält-lich, erleichtert Beladung und Kettenpfl ege

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betrieb nicht die Fassung, sodass ausgiebi-gen Touren zu zweit nichts im Wege steht, denn auch der Soziuskomfort stimmt. Tou-renfahrer werden (neben dem aufpreis-pfl ichtigen Hauptständer) auch die enorme Zuladung von 224 Kilogramm schätzen –

volle Punktzahl. Sie wiegt zwar ordentlich, trägt dafür aber auch ordentlich. Eines sollte aber klar sein: Voll bepackt stößt der 950er dann unvermeidlich eher an die Grenzen der Souveränität als ein 1200er.

Von viel Nutzlast unbeeindruckt zeigt sich hingegen die Bremsanlage. 320er-Doppelscheibe vorne, radial verschraubte Brembo-Monoblocks (M4-32) und konven-tionell axiale Bremspumpe, 265er-Scheibe und Zweikolben-Schwimmsattel hinten – die Komponenten liegen nicht im aller-obersten Regal, bremsen aber dennoch sehr knackig. Druckpunkt und Dosierbar-keit sind einwandfrei, der maximalen Ver-zögerung setzt schlicht die Physik in Form eines aufsteigenden Hinterrads bzw. das wegregelnde ABS die Grenzen.

In puncto Elektronik geht die Multistrada 950 den Mittelweg zwischen Rundumver-sorgung (1200 S und Enduro) und abso-lutem Minimum. Hier kommt das „kleine“ Paket zum Einsatz, wie es sich in ähnlicher Form etwa in der Hypermotard und den letztjährigen Monster 1200-Modellen fi n-det. Das bedeutet: dreistufi ges ABS, acht-stufi ge Traktionskontrolle ohne Schrägla-gensensorik, drei Motormappings, keine Wheeliekontrolle. Gebündelt werden die Einstellmöglichkeiten in vier voreingestell-ten Fahrmodi, wie sie wiederum aus den 1200er-Multistrada bekannt sind: Sport,

Touring, Urban und Enduro. Diese Werks-Presets passen grundsätzlich gut und decken ein breites Spektrum ab, lassen sich zudem recht intuitiv an persönliche Vorlie-ben anpassen. Das ABS arbeitet mit kurzen Regelintervallen und je nach Einstellung von bissig und nur vorn bis defensiv und überschlagssicher. Die Traktionskontrolle regelt sanft und ebenfalls je nach Einstel-lung praxisgerecht, kommt aber mit den allerneuesten IMU-Systemen nicht mehr ganz mit. Kurven-ABS wäre natürlich wün-schenswert, scheint sich aber bis auf weni-ge Ausnahmen außerhalb der High-End-Klasse bislang noch nicht zu etablieren.

Was soll’s, die Ausstattung der kleinen Multistrada ist auch so sehr komplett. Das TFT-Cockpit ist gut ablesbar (von der un-säglich kleinen Schrift in den Untermenüs einmal abgesehen) und bietet sämtliche Toureninfos. Gepäckhaken, Bordwerkzeug, Ölschauglas, gekröpfte Reifenventile, ordentliches Bordwerkzeug sind inklusive, Hauptständer und schicke Koff er sind neben allerlei weiteren Goodies im umfas-senden Zubehörprogramm verfügbar. Die Verarbeitung und Materialauswahl ist liebevoll. Nur hier und da, etwa bei der etwas eigenartigen Befestigungsschraube der Sitzbank und beim billig wirkenden Motorschutz aus Kunststoff , blitzt der Rot-stift durch. An den neuen, japanischen Schaltereinheiten scheiden sich ein wenig

Top-Test Ducati Multistrada 950

-Punktewertung

Maxim

ale

Punktzahl

Ducati M

ultistra

da 950

Was die Multistrada 950 im Motorenka-

pitel an Punkten einsammelt, kann sich

sehen lassen! Durchzug und Beschleuni-gung sind dank kurzer Übersetzung auf ho-hem Niveau, Motorcharakteristik, Ansprech-verhalten und Laufruhe gefallen, nicht nur,aber besonders für einen Vau Zwo. Wichtignicht nur für Ducati-Fans: Der kleine Des-mo-Testastretta ist keinesfalls weich gespült,versprüht weiterhin viel vom ganz eigenenBologna-Charme.

Starker Einstieg beim Motor, stark geht

es beim Fahrwerk weiter. Die Handlichkeitist gut, Stabilität und Lenkverhalten aller-dings sind die eigentlichen Glanzlichter.Unbeirrbar, gleichmäßig und zielgenau, sofährt die kleine Multistrada wie auf Schie-nen und beinahe von selbst. Die Rückmel-dung des ausgezeichneten Scorpion Trail IIist gut. Schräglagenfreiheit und Geradeaus-lauf sind ebenfalls kein Thema. Die Fahr-werkskomponenten arbeiten wertig.

Wie es sich für eine Reiseenduro gehört, ist die Ergonomie absolut langstreckentaug-lich, das gilt mit kleinen Einschränkungenauch für den Sozius. Der Windschutz ist aus-reichend, wenngleich nicht üppig. In SachenAusstattung fehlt nennenswert lediglich eineinstellbarer Kupplungshebel. Gepäckhakensind vorhanden, die Gepäckbrücke allerdings ist eher als Haltegriff zu verstehen. Mit 224 Ki-lo fällt die Zuladung sehr gut aus. Die theore-tische Reichweite ist mit 408 Kilometern gut.

Bremswirkung- und Dosierbarkeit sind

auf gutem Niveau. Fading und Lenker-schlagen konnten wir keines feststellen, dasAufstellmoment beim Bremsen in Schräg-lage ist gering. ABS und Traktionskontrollesind guter Standard in der oberen Mittel-klasse.

Zwei Jahre Mobilitätsgarantie für denErstkäufer, lange 15 000er-Serviceintervalleund ein vertretbarer Verbrauch von 4,9 Liternaddieren sich zu einer guten Kostenbilanz.

713 Punkte für knapp 13 000 Euro sind ein sehr gutes Ergebnis. In Sachen Preis-Leistung gilt daher: mit Abstand die beste Ducati aller Zeiten!

MotorDurchzug 40 30

Beschleunigung 40 26 Topspeed 30 16

Motorcharakteristik 30 25 Ansprechverhalten 20 15

Lastwechsel 20 14 Laufruhe 20 13

Kupplung 10 8 Schaltung 20 13

Getriebeabstufung 10 9 Starten 10 8 Summe 250 177

FahrwerkHandlichkeit 40 27

Stabilität in Kurven 40 28 Lenkverhalten 40 28 Rückmeldung 10 7

Schräglagen-/Bodenfreiheit 20 16 Geradeauslaufstabilität 20 16

Fahrwerksabstimmung vorn 20 14 Fahrwerksabstimmung hinten 20 14

Einstellmöglichkeiten Fahrwerk 10 8 Federungskomfort 10 8

Fahrverhalten mit Sozius 20 14 Summe 250 180

AlltagErgonomie Fahrer 40 31 Ergonomie Sozius 20 13

Windschutz 20 13 Sicht 20 14 Licht 20 14

Ausstattung 30 23 Handhabung/Wartung 30 18 Gepäckunterbringung 10 4

Zuladung 10 10 Reichweite 30 26

Verarbeitung 20 14 Summe 250 180

SicherheitBremswirkung 40 30

Bremsdosierung 30 21 Bremsen mit Sozius/Fading 20 14

Aufstellmoment beim Bremsen 10 8 ABS-Funktion 20 15

Lenkerschlagen 20 15 Assistenzsysteme 10

Summe 150 111

KostenGarantie 30 17

Verbrauch (Landstraße) 30 20 Inspektionskosten 20 19

Unterhaltskosten 20 9 Summe 100 65

GESAMTWERTUNG 1000 713

Preis-Leistungs-Note Bestnote

1,0 1,6

die Geister: Sie sind besser bedienbar, wirken aber weniger wertig als die alten.

Das aber kann man angesichts des in ganz irdischen Regionen angesiedelten Kaufpreises von 12 990 Euro glattweg ver-schmerzen. Sicher, nach Normalo-Maß-stäben ist das kein Überschnäppchen, aber im Ducati-Portfolio stellt die Multistrada 950 den absoluten Nutzwert-König dar. 713 Top-Test-Punkte für knapp 13 Mille, das bringt uns zur eingangs erwähnten 1,6. Dies ist die Preis-Leistungs-Note der Mini-Multi – eine kleine Sensation. Die Multistra-da 950 ist ein nicht nur für Ducati-Verhält-nisse extrem ausgewogenes, stimmiges Gesamtpaket zu einem sehr reellen Preis.

-FazitAlltag, Nutzwert, leichte Fahrbarkeit, Preis-Leistung – Stichworte, die man ansonsten eher nicht mit Ducati in Verbindung bringt. Doch der kleinen Multistrada stehen diese Tugenden ausgezeichnet. Mit Ausnahme des viel-leicht etwas zu hohen Gewichts gibt sich die Multistrada 950 keinerlei Blöße. Ein wichtiges Motorrad für Bologna, das zweifelsohne neue Kundenkreise erschließen wird. In guter Ducati-Tradition gilt für sie: Weniger ist mehr.

Wie es euch gefällt: Engagiert oder touristisch, die Multistrada 950 folgt jedem Wunsch des Fahrers

www.motorradonline.de/mrd201706028

Foto

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r

Konkurrenz KTM 1090 Adventure Zweizylinder-V-Motor, 125 PS, Gewicht 233 kg, 0–100 km/h k.A., Vmax k. A., Verbrauch k.A., 13145 Euro *

Suzuki V-Strom 1000 Zweizylinder-V-Motor, 100 PS, Gewicht 255 kg, 0–100 km/h 4,0 sek, Vmax 205 km/h, Ver-brauch 5,0 Liter, 12 824 Euro*

Yamaha Tracer 900 Dreizylinder-Reihen-motor, 115 PS, Gewicht 212 kg, 0–100 km/h 3,4 sek, Vmax 210 km/h, Ver-brauch 4,5 Liter, 10 465 Euro* *inkl. Nebenkosten

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