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Arts & Science (Hg.) Gesammelt, Getrennt, Verkauft Ein Weissbuch Kritische Sichtung des Themas Wertstoff auf einer kulturtheoretischen und szenografischen Basis

Müll durch Säuberung

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Wie Dinge durch die Kategorisierung und Reinheitsvorstellung unserer Gesellschaft zu Abfall werden.

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Arts & Science (Hg.)

Gesammelt, Getrennt, VerkauftEin Weissbuch

Kritische Sichtung des Themas Wertstoff auf einer kulturtheoretischen und szenografischen Basis

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RECYCLING, UP-CYCLING: MÜLL IM TRENDMÜLL DURCH SÄUBERUNG URBAN MINING – DIE GROSSSTADT ALS NEUE ROHSTOFFMINEVERFORMUNG – VOM DARSTELLEN DES DAZWISCHENASSOZIATIONEN ZUM MÜLL

WISSENSVERMITTLUNG IN AUSSTELLUNGENAKTEURE EINER AUSSTELLUNGNARRATIVE RÄUME – GESICHTEN IN UND MIT RÄUMEN ERZÄHLENVON DER FASZINATION EINES OBJEKTES

NEBENBEI-TYPOGRAPHIELICHT ALS NEBEN- UND HAUPTDARSTELLERINTERKATION IN AUSSTELLUNGENERWEITERUNG DES AUSSTELLUNGSRAUMES

THEORETISCHE FUNDIERUNG

Theorieteil

Kultur- und Mülltheorie

Szenografie Allgemein

Szenografie Close-Up 192200210220

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Kultur- und MülltheorieMÜLL DURCH SÄUBERUNG Michel Pfister

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Müll durch Säuberung Wie Dinge durch die Kategorisierung und Reinheitsvorstellung unserer Gesellschaft zu Abfall werden.

Der Gedanke, Abfall oder Müll sei etwas, das keinen ökonomischen oder ästhetischen Wert

habe, oder gar die Umwelt gef ährde, wäre verführerisch einfach, aber Müll und Abfall gehen

weit über die Grenzen eines technischen Problems und einer materiellen Form hinaus.

Wir sind stets von Abfall umgeben und haben über dessen Identität keine Zweifel. Es ist ein

besonderes Merkmal des Mülls, dass wir ihn sofort erkennen, wenn wir ihn sehen, darüber

lesen, ihn riechen oder gar berühren. (vgl. THOMPSON 1981, S. 140) Aber den Begriff

Abfall zu def inieren und die damit zusammenhängenden Phänomene zu erforschen, bereitet

Schwierigkeiten, denn es ist ein komplexer, nicht sofort ersichtlicher Prozess, versteckt im

Übergang und Grenzfall.

Bei Abfall und Müll spreche ich nicht von Überresten, die automatisch im Alltag entstehen,

sondern vielmehr von einem Phänomen unserer modernen Gesellschaft sowie einer Mensch-

Ding-Beziehung, welche vor allem seit dem Industriezeitalter und dem vermehrten

Auf kommen von Objekten stark zugenommen hat. Eine schöne Metapher bietet die Vorder-

und Hinterbühne des Theaters. Das aufgeführte Theaterstück nennt sich dabei moderne

Gesellschaft und Kultur. Hinter der Bühne entdeckt man die Müllkultur bzw. die Abfallszene,

welche benötigt wird, um das Spektakel in dieser Art und Weise betrachten zu können.

(vgl. WINDMÜLLER 2004, S. 16-17).

Abfall entsteht durch ein komplexes Werte- und Ordnungssystem unserer Gesellschaft, welches

zu untersuchen sich vor allem Michael Thompson in seiner Theorie des Abfalls bereits 1981 zur

Aufgabe gemacht hat. Seine klar analysierte Theorie werde ich her-nehmen, um mich dem

Abfallbegriff in diesem Text zu nähern.

Der Begriff Abfall f indet sich heute als bevorzugter Terminus der Verwaltungssprache und

nähert sich dem Thema etwas abstrakter und neutraler als das Wort Müll. Denn Müll wird vor

allem im Sinne des letzten Restes, oft absichtlich leicht provokant, eingesetzt. Trotzdem macht

es wenig Sinn, diese beiden Begriffe getrennt zu verwenden, denn historisch differenzieren die

zwei Termini kaum voneinander (vgl. WINDMÜLLER 2004, S. 18) und werden in diesem

Text konsequenterweise abwechselnd zu f inden sein – Abfall neutral und Müll provokant.

Theorie – Müll durch Säuberung Michel Pfister

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Mythos der Reinheit

„Sauber ist schön und gut. Sauber ist hell, brav, lieb. Sauber ist oben und hier. Schmutzig ist hässlich

und anderswo. Sauber ist doch das Wahre, schmutzig ist unten und übel, schmutzig hat keinen Zweck.

Sauber hat recht. Schmutzig ist demgegenüber, sauber ist da denn doch, schmutzig ist wie soll man sagen,

schmutzig ist irgendwie unklar, schmutzig ist alles in allem, sauber ist wenigstens noch, aber schmutzig das

ist also wirklich.“ (ENZENSBERGER 1980, S. 9)

Sauber und schmutzig verhalten sich wie rein und unrein. Zwei komplementäre Begriffe,

die in einer Beziehung zueinander stehen und jeweils vom Wert des Gegenbegriffs abhängen.

(vgl. VÖHLER u. MALINAR 2009, S. 12) Einen natürlichen Wert für Reinheit gibt es

genauso wenig, wie eine einfache Def inition. Als Teil eines symbolischen Systems definiert Reinheit

soziale Ordnung und reguliert Transaktionen (DOUGLAS). Die Deutung des Verhältnisses rein/

unrein variiert dabei je nach Zeit und Kultur. Dirt is matter out of place (DOUGLAS) lautet die

Erklärung vom unreinen bzw. von Schmutz. Das bedeutet, Dinge werden nicht anhand ihrer

selbst als Schmutz oder als Unrein bezeichnet, sondern anhand ihrer Position in einem System

von Kategorien. (vgl. DOUGLAS zit. n. MALINAR u. VÖHLER 2009, S. 12) „Dirt, then, is

never a unique, isolated event. Where there is dirt there is system. Dirt is the by-product of a systematic

ordering and classification of matter, in so far as ordering involves rejecting inappropriate elements.“

(DOUGLAS zit. n. MALINAR u. VÖHLER 2009, S. 9) Schmutz ist also ein Struktur- und

Ordnungsbegriff. Denn alles was Abseits von Ordnung und Unordnung ist, quasi an der

Grenze, an den Rändern, oder am Übergang liegt, ist der Grenzfall, die Verletzung, der

Schmutz. Die menschliche Haut stellt solch eine Grenze dar, und was damit in Berührung

kommt, aber nicht dorthin gehört, ist somit Schmutz. (vgl. ENZENSBERGER 1980,

S. 32, 36) Sie ist ein Ort der Entscheidung, an welchem über rein oder unrein geurteilt wird.

Treten Substanzen unseres eigenen Körpers an die Oberf läche, an die Haut, gelten sie als

Verschmutzung. Die austretenden Ausscheidungen gelten als Eingriff in die Welt und müssen

als Abfall entsorgt werden – sprich, das Unsichtbarmachen unserer eigenen Unreinheit. Der

Geruchssinn, neben dem Haptischen, ist dabei einer der wichtigsten Unreinheits-Sinne.

(vgl. MALINAR u. VÖHLER 2009, S. 13) Findet nur eine Berührung mit dem Unreinen statt,

kann der Schmutz mit Wasser weg gewaschen werden. Radikalere Reinigungsarten sind das

Verscharren und das Verbrennen. (vgl. ENZENSBERGER 1980, S. 16) Das sind sie also, die

Prozesse, um den Reinheitsmythos unseres Körpers aufrechtzuerhalten. Und wie verhält es sich

mit dem Abfall?

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Die Wertigkeit und der Abfall

Natur ist von Grund auf chaotisch. Kennzeichnend sind f ließende Übergänge. Kultur im

Gegensatz zu Natur ist geordnet, strukturiert und unterteilt. Ständig versuchen wir der Natur

unser Ordnungssystem durch Einteilungen aufzuzwingen, welche die Natur an den Grenzen zu

durchbrechen droht. Diese Grenzen müssen einer speziellen Behandlung unterworfen werden.

Es kommt zur Verunreinigungsvermeidung. (vgl. THOMPSON 1981, S. 136-137)

Die kulturellen Kategorien, die Wertung, das Wichtigmachen der einen, und das

Unwichtigmachen der anderen Dinge, führt mich zum Thema des Abfalls.

Wert ist eine notwendige Bedingung für eine gesellschaftliche Ordnung, ist nicht naturgegeben

und differenziert von Kultur zu Kultur. (vgl. THOMPSON 1981, S. 141) Wir, die Gesellschaft,

verleihen Dingen also eine Bedeutung und Wertigkeit. (vgl. BURCKHARDT 1995, S. 26)

Was genau als Wert-Stoff gilt und was nicht, ist eine recht subjektive Frage und Klassif izierung.

(vgl. WINDMÜLLER 2004, S. 38) Aber es existiert natürlich ein gewisser Grad an

gesellschaftlicher Übereinstimmung, was wertvoll und wertlos, oder in seiner Wertigkeit

negativ ist. (vgl. THOMPSON 1981, S. 14-15)

Betrachtet man die Wertigkeit im Kontext der Zeit, so lassen sich in unserer Kultur

vergänglichere und dauerhaftere Objekte erkennen. Vergängliche Dinge verlieren mit dem

Lauf der Zeit an Wert – haben eine begrenztere Lebensdauer. Dauerhafte Gegenstände

nehmen eher an Wert zu bzw. behalten ihren Wert. Die Dinge haben zwar kein unbegrenztes

Leben, aber wir nehmen von ihnen an, dass sie den jeweiligen Kulturträger, bzw. uns selbst,

überdauern. Wir verhalten uns diesen Dingen gegenüber als wären sie beinahe von ewiger

Dauer. (vgl. THOMPSON 1981, S. 21)

Aber was hat das nun mit Abfall zu tun? Abfall ist ein dynamisches Konzept und ebenfalls

sozial konstruiert wie die Wertigkeit. Dadurch, dass wir Dingen subjektiv, zum Teil

unterbewusst, einen Wert beimessen, schreiben wir Dingen automatisch den Status als Abfall

zu. Michael Thomsons Abfall-Theorie erklärt, wie es zu dieser Kategorie Abfall kommt: Alle

besitzbaren Dinge lassen sich in drei Aggregatzustände (WINDMÜLLER) bzw. def inierte

Kategorien (THOMPSON) einteilen: Dauerhafte Dinge (wertbeständige oder wertzunehmende)

und vergängliche Dinge (wertabnehmende und vor allem Objekte des täglichen Gebrauchs).

Eine dritte verborgene und unsichtbare Kategorie, bei der es sich weder um vergängliche noch

dauerhafte Dinge handelt, erfüllt den Transfer zwischen den anderen beiden Kategorien –

nämlich die Kategorie des Abfalls. (vgl. WINDMÜLLER 2004, S. 30-31), (vgl. THOMPSON

1981, S. 21-24) Die versteckte Kategorie des Abfalls besteht also aus Dingen, die weder

vergänglich noch dauerhaft sind. Sie vermag es aber auch, ein Objekt mit vergänglichem,

abnehmenden Wert, abrupt in ein dauerhaftes Objekt zu transferieren. Dafür muss die Grenze

zwischen wertlos und wertvoll sowie die Trennung zwischen dem Verborgenen und Sichtbaren

Theorie – Müll durch Säuberung Michel Pfister

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überquert werden. Dazu benötigt das Objekt Wertigkeit, muss den zeitlosen Limbo des

Abfalls verlassen und seine verschmutzende Eigenschaft ablegen. Beim Eintreten in das

Dauerhafte wird das Objekt dann von ökonomischen und ästhetischen Werten begleitet.

(vgl. THOMPSON 1981, S. 25, 46-47, 55) Ein Besitzwechsel kann dies beispielsweise

auslösen. Man denke an den Unterschied zwischen einem Objekt im Trödelladenschaufenster,

welches dann in einer Ausstellung präsentiert wird. Der Transfer von Dingen in Form von

Auf bewahrung, kann Dinge künstlich in Dauerhaftes transferieren bzw. die Lebensdauer

verlängern. Das passiert in Museen oder öffentlichen Sammlungen, bis hin zum Depot, in

welchem Dinge in Dunkelheit die Zeit überdauern. (vgl. THOMPSON 1981, S. 154-155)

Man kann von einem regelrechten Management des Vergessens (BURCKHARDT) sprechen.

Aber auch der Wechsel vom Abfall in die Kategorie des Vergänglichen kann vorkommen

und zwar im Kontext des Lumpensammlers, des Altwarenhändlers, des Zigeuners und des

Schrotthändlers. Denn sie manipulieren die Lebensdauer bzw. Wertigkeit von Dingen. Das,

von dem sich die Gesellschaft reinigt, was sie wegwirft und von ihr als wertlos kategorisiert

wird, nimmt der Schrotthändler an sich und transferiert es in die Sphären des Vergänglichen.

Die gesamte Recyclingbranche ist nichts anderes, als ein Kollektiv von Designern, welche

wertlose Dinge mit Wert neu besetzen. Ihr Slogan lautet: Wir nehmen, was Sie nicht mehr wollen.

(vgl. THOMPSON 1981, S. 159)

Die Abfall-Theorie und Kategorisierung kann auch etwas weniger abstrakt formuliert werden:

Abfall ist das, was wir wegwerfen, meiden, verabscheuen, von dem wir uns säubern oder was

wir wegspülen. Abfall ist Materie am falschen Ort. Die Abfall-Theorie erklärt, wie diese

Materie zu diesem Ort kommt. Es stellt sich jedoch auch die Frage, gibt es überhaupt einen

richtigen Ort für Abfall? Für manche gibt es einen, aber nicht für alle. Eine weitere Grenze tut

sich auf, nämlich die zwischen öffentlich und privat, sowie sozial und persönlich.

(vgl. THOMPSON 1981, S. 137-139)

Abfall als soziales Konstrukt

Die Grenzen und Kategorien der Abfall-Theorie unterteilen nicht nur Dinge, sondern

trennen auch Klassen. Sie ermöglichen die ungleiche Verteilung von Macht und Status in einer

Gesellschaft. Die Transfers zwischen den Kategorien lassen Neuordnungen zu, aber allgemein

gilt: Die Welt des Dauerhaften gehört der gesellschaftlichen Oberschicht. (vgl. KELLER zit. n.

WINDMÜLLER 2004, S. 31) Gegenstände und Dinge können Menschen einen persönlichen

Status zuschreiben, liefern Interpretationsvorlagen, ob man reich oder arm ist. Die meisten

Dinge schleppen wir aber nicht mit uns herum, und so macht uns vor allem der Müll bzw.

Abfall identif izierbar. Reiche besitzen in der Regel mehr Gegenstände, können also auch

reichlich wegwerfen. (vgl. THOMPSON 1981, S. 13,14)

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Müll entsteht, weil wir sauber sein wollen – Säuberungsakt

Zurück zum Reinen und Unreinen. Ich teile die Sichtweise, dass das Wegwerfen von Dingen

als Reinigungs- und Säuberungsprozess gesehen werden kann. Unsere Umgebung wird

dabei jedoch nicht nur sauberer, sondern ganz im Gegenteil – häuft Unmengen von Abfall an.

Dieser Abfall stellt den Wert unserer Wertvorstellung, ja sogar unser komplettes

Ordnungssystem, welches all die Werte und Abf älle hervorbringt, in Frage. (vgl. FAYET in

MALINAR u. VÖHLER 2009, S. 262-263) Abfall ist also gleichzeitig auch die Infragestellung

der Werte und der Werteordnung – die im System angelegte Provokation des Systems

(BARDMANN). Welch Glück, dass der Abfall als Kategorie im System unsichtbar ist.

Je starrer die kulturellen Kategorien und Ordnungssysteme einer Gesellschaft und Kultur

sind, desto mehr Schmutz wird identif iziert. Das bedeutet, je sauberer und entwickelter eine

Gesellschaft bzw. Kultur, desto mehr Sorten von Schmutz fallen an und manifestieren sich in

großen Mengen von Abfall. (vgl. ENZENSBERGER 1980, S. 41)

An dieser Stelle möchte ich vor allem auf einen der populärsten zeitgenössischen

Reinigungsprozesse seit der Moderne hinweisen, nämlich das Ersetzen des Alten durch

das Neue. (vgl. FAYET in MALINAR u. VÖHLER 2009, S. 262) Die Objekte, welche

Gefühle der Unzufriedenheit auslösen, zu entsorgen, ist mitunter die wichtigste Form

des Umgangs mit dem Unzufriedenheitsgefühl im Konsumzeitalter. Langlebigkeit wird

in Frage gestellt und ist mit den Werten der Konsumgesellschaft kaum vereinbar. Alt

entspricht veraltet, ist nicht mehr zu gebrauchen und für den Müll bestimmt. Es wird als

Abfall deklariert. (vgl. BAUMANN 2009, S.32) Das Wegwerfen als Ent-Sorgungsakt ist ein

psychisches Phänomen und zeigt den Geist der Gesellschaft bereits seit den 1950er und 1960er

Jahren. Die Sammelkultur wird zur Wegwerf kultur und verdrängt Vergangenheit durch den

Wegwerfprozess. Die Müllentsorgung – ein stark moralisch aufgeladener Akt, die pedantisch

durchgeführte Abfallsortierung und der verwaltungstechnische Umgang mit Müll werden zur

gesellschaftsumfassenden Leitf igur. (vgl. WINDMÜLLER 2004, S. 40-42)

Vorbildliches Recycling, private Mülltrennung, Verlagerung der Abfallverantwortlichkeit in

den Haushalt, Einhaltung der Richtlinien, Abfall-Überwachung und Waste-Reduction sind

Themen, die vermehrt besprochen und publiziert werden. Die Abfallbeseitigungsindustrie

wäre so, wie sie heute ist, ohne die Konsumgesellschaft nicht möglich und undenkbar.

(vgl. BAUMANN 2009, S.32) Die Haltung der Postmoderne befasst sich wesentlich mit den

Def iziten der Moderne. Was damals noch als Abfall galt, wird heute vermehrt vermischt und

als Hybrid akzeptiert sowie vor allem zu den Beständen rückgeführt, um die Ausdünnung der

Lebenswelt zu mäßigen. Man könnte die Postmoderne als eine Kompostmoderne bezeichnen, die

den Abfall bejaht, ihn aber gleichzeitig in die Sphären des Wertvollen aufzunehmen versucht

und ihn so als Abfall eliminiert. Viele Stoffe gelten somit nur für kurze Zeit als Abfall.

(vgl. FAYET in MALINAR u. VÖHLER 2009, S. 277)

Theorie – Müll durch Säuberung Michel Pfister

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Ob eine etwas weniger reine Welt, etwas mehr Schmutz, eine Schmutzbejahung mit dafür

weniger Abfall, ein zukunftstaugliches Prinzip für uns wäre? Ich vermisse eine hitzige

Diskussion, welche die Perfektion und die Ausmaße dieses Säuberungsakts unserer

Gesellschaft und eines jeden von uns in Frage stellt. Ich vermisse die Diskussion über unsere

saubere und reine Gesellschaft, und mir leuchtet der Gedanke von Christan Enzensberger ein,

dass der Mensch selbst zum Schmutz, die Sauberkeit zum Schmutz, oder der Schmutz zur

Sauberkeit geworden ist. Dies ist offensichtlich ein Text mit offenem Ende

Quellen

BARDMANN, THEODOR MARIA (1994): Wenn aus Arbeit Abfall wird. Aufbau und Abbau organisatorischer Realitäten.

In: MALINAR, ANGELIKA (HG.); VÖHLER, MARTIN (HG.) (2009): Unreinheit. Konzepte und Praktiken im

Kulturvergleich. Verlag: Wilhelm Fink Verlag, München

BAUMANN, ZYGMUNT (2009): Leben als Konsum. Verlag: Hamburger Edition, Hamburg

BURCKHARDT, LUCIUS (1995): Design = Unsichtbar. Verlag: Cantz Verlag, Ostf ildern

DOUGLAS, MARY (1966): Purity and Danger.

In: MALINAR, ANGELIKA (HG.); VÖHLER, MARTIN (HG.) (2009): Unreinheit. Konzepte und Praktiken im

Kulturvergleich. Verlag: Wilhelm Fink Verlag, München

ENZENSBERGER, CHRISTIAN (1980): Größerer Versuch über den Schmutz.

Verlag: Ullstein Materialien, Frankfurt/M, Berlin, Wien

FAYET, ROGER (2009): Vom Nirwana der Reinheit zur Fäkaliendose. Un/reinheit und Post/moderne.

In: MALINAR, ANGELIKA (HG.); VÖHLER, MARTIN (HG.) (2009): Unreinheit. Konzepte und Praktiken im

Kulturvergleich. Verlag: Wilhelm Fink Verlag, München

KELLER, REINER (2000): Der Müll in der Öffentlichkeit. Ref lexive Modernisierung als kulturelle Transformation. Ein

deutsch-französischer Vergleich. In: WINDMÜLLER, SONJA (2004): Die Kehrseite der Dinge. Müll, Abfall, Wegwerfen als

kulturwissenschaftliches Problem. Verlag: Lit Verlag, Münster

MALINAR, ANGELIKA (HG.); VÖHLER, MARTIN (HG.) (2009): Unreinheit. Konzepte und Praktiken im

Kulturvergleich. Verlag: Wilhelm Fink Verlag, München

THOMPSON, MICHAEL (1981): Die Theorie des Abfalls. Verlag: Klett-Cotta, Stuttgart

WINDMÜLLER, SONJA (2004): Die Kehrseite der Dinge. Müll, Abfall, Wegwerfen als kulturwissenschaftliches Problem.

Verlag: LIT Verlag, Münster