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26 HMD 280 Marcus M. Dapp, Christian P. Geiger Munich Open Government Day – bürgerschaftliches Engagement im Web 2.0 Mit dem »Web 2.0« wird »Open Government« als politisches und gesellschaftliches Paradigma er- möglicht. Ziele sind eine neue Transparenz des Staates und innovative Formen der Bürgerbeteili- gung bis zur Einbindung des Bürgers in die kooperative Erbringung ehemals staatlicher Leis- tungen. Voraussetzungen dieser Zusammenar- beit sind eine Öffnung von Staat und Verwal- tung, der konstruktive Dialog und die Möglich- keit der maschinellen Nutzung frei verfügbarer öffentlicher Daten. Am Pilotprojekt »Munich Open Government Day« werden Herausfor- derungen, Lösungsansätze und Standardisie- rungsvarianten illustriert. Inhaltsübersicht 1 Wandel und Beteiligung 2 Open Government als Paradigma 2.1 Offenheit als Prinzip 2.2 Transparenz als Grundlage 2.3 Partizipation als Potenzial 2.4 Kollaboration als Ziel 3 Fallstudie: Munich Open Government Day 3.1 Kontext und Ausgangslage 3.2 Ziele und Design 3.3 Methodik und Instrumente 3.4 Auswertung und Empfehlungen 4 Standardisierung und Community-Public- Partnership 5 Literatur 1 Wandel und Beteiligung Verschiedene aktuelle Entwicklungen deuten auf einen starken und nachhaltigen Wandel des sozialen Zusammenlebens in der Bürgerschaft hin. Hierbei spielt der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien eine immer wichtigere Rolle. Von dieser Veränderung be- troffen sind technische, gesellschaftliche und politische Entwicklungen [Geiger 2010, S. 18]: In den letzten Jahren gab es rapide Weiterent- wicklungen in der technischen Infrastruktur von Städten und Unternehmen, aber auch bei den Endverbrauchern. Mobile Endgeräte er- möglichen zu jeder Zeit und an jedem Ort mit- tels High Speed Packet Access (HSPA) und in na- her Zukunft auch mittels Long Term Evolution (LTE) einen schnellen Zugang zum mobilen In- ternet [Dahlmann et al. 2008]. Derzeit haben rund 72 % der Deutschen einen Zugang zum In- ternet [Initiative D21 2010, S. 10], die Angebote, über Breitband zu surfen, steigen von Jahr zu Jahr und rund die Hälfte der Deutschen war 2010 mit Breitband versorgt [Initiative D21 2010, S. 10], die Menschen sind in wachsender Zahl »immer on«. Für die Gesellschaft ergeben sich hieraus beachtliche Veränderungen: Virtuelle Netzwer- ke besitzen eine wachsende Bedeutung für das gemeinsame Zusammenleben und -arbeiten in der realen Welt. Diese Communitys – Online Social Networks (z.B. Facebook, Xing) – können Beziehungen zwischen Menschen abbilden, die in der Realität miteinander vernetzt sind, aber auch Vernetzungen zwischen Menschen, die auf dem gesamten Erdball verteilt sind und sich noch nie zuvor im realen Leben gesehen oder real ausgetauscht haben [Kneidinger 2010, S. 41 ff.]. Aufgrund der Informations- und Kom- munikationstechnologien sind Informationen, Kommunikation und das Teilen von Wissen mit der gesamten Gesellschaft zu jeder Zeit und an jedem Ort möglich. Auf diese Weise kann eine »Highspeed- Öffentlichkeit« entstehen, in der in Echtzeit Meldungen verfasst, verbreitet, kommentiert und bewertet werden. Die Folgen dieser Veröf-

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Marcus M. Dapp, Christian P. Geiger

Munich Open Government Day – bürgerschaftliches Engagement im Web 2.0

Mit dem »Web 2.0« wird »Open Government« alspolitisches und gesellschaftliches Paradigma er-möglicht. Ziele sind eine neue Transparenz desStaates und innovative Formen der Bürgerbeteili-gung bis zur Einbindung des Bürgers in diekooperative Erbringung ehemals staatlicher Leis-tungen. Voraussetzungen dieser Zusammenar-beit sind eine Öffnung von Staat und Verwal-tung, der konstruktive Dialog und die Möglich-keit der maschinellen Nutzung frei verfügbareröffentlicher Daten. Am Pilotprojekt »MunichOpen Government Day« werden Herausfor-derungen, Lösungsansätze und Standardisie-rungsvarianten illustriert.

Inhaltsübersicht1 Wandel und Beteiligung2 Open Government als Paradigma

2.1 Offenheit als Prinzip2.2 Transparenz als Grundlage2.3 Partizipation als Potenzial2.4 Kollaboration als Ziel

3 Fallstudie: Munich Open Government Day3.1 Kontext und Ausgangslage3.2 Ziele und Design3.3 Methodik und Instrumente3.4 Auswertung und Empfehlungen

4 Standardisierung und Community-Public-Partnership

5 Literatur

1 Wandel und BeteiligungVerschiedene aktuelle Entwicklungen deutenauf einen starken und nachhaltigen Wandel dessozialen Zusammenlebens in der Bürgerschafthin. Hierbei spielt der Einsatz von Informations-und Kommunikationstechnologien eine immerwichtigere Rolle. Von dieser Veränderung be-

troffen sind technische, gesellschaftliche undpolitische Entwicklungen [Geiger 2010, S. 18]: Inden letzten Jahren gab es rapide Weiterent-wicklungen in der technischen Infrastrukturvon Städten und Unternehmen, aber auch beiden Endverbrauchern. Mobile Endgeräte er-möglichen zu jeder Zeit und an jedem Ort mit-tels High Speed Packet Access (HSPA) und in na-her Zukunft auch mittels Long Term Evolution(LTE) einen schnellen Zugang zum mobilen In-ternet [Dahlmann et al. 2008]. Derzeit habenrund 72 % der Deutschen einen Zugang zum In-ternet [Initiative D21 2010, S. 10], die Angebote,über Breitband zu surfen, steigen von Jahr zuJahr und rund die Hälfte der Deutschen war2010 mit Breitband versorgt [Initiative D21 2010,S. 10], die Menschen sind in wachsender Zahl»immer on«.

Für die Gesellschaft ergeben sich hierausbeachtliche Veränderungen: Virtuelle Netzwer-ke besitzen eine wachsende Bedeutung für dasgemeinsame Zusammenleben und -arbeiten inder realen Welt. Diese Communitys – OnlineSocial Networks (z.B. Facebook, Xing) – könnenBeziehungen zwischen Menschen abbilden, diein der Realität miteinander vernetzt sind, aberauch Vernetzungen zwischen Menschen, dieauf dem gesamten Erdball verteilt sind und sichnoch nie zuvor im realen Leben gesehen oderreal ausgetauscht haben [Kneidinger 2010,S. 41 ff.]. Aufgrund der Informations- und Kom-munikationstechnologien sind Informationen,Kommunikation und das Teilen von Wissen mitder gesamten Gesellschaft zu jeder Zeit und anjedem Ort möglich.

Auf diese Weise kann eine »Highspeed-Öffentlichkeit« entstehen, in der in EchtzeitMeldungen verfasst, verbreitet, kommentiertund bewertet werden. Die Folgen dieser Veröf-

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fentlichungen sind ad hoc sichtbar und spürbar.Damit besitzt die Gesellschaft größere Möglich-keiten, aktuelle Themen auf die politischeAgenda zu setzen, sich einzumischen und eige-ne Meinungen zu vertreten und zu kommuni-zieren, als es bisher der Fall war. Für die Verwal-tung und die Politik ergibt sich aufgrund desaufgezeigten technischen und gesellschaftli-chen Wandels die Notwendigkeit einer Verän-derung der eigenen Denk- und Verhaltenswei-sen. Der Faktor »Information« gewinnt in der In-formations- und Wissensgesellschaft zuneh-mend an Bedeutung [Meier 2009, S. 3 ff.] undsollte nicht mehr als exklusives Gut der Verwal-tung behandelt werden. Zwischen den dreiMarktteilnehmern im eGovernment, den öf-fentlichen Stellen (»A« – Administration), derWirtschaft (»B« – Business) und dem Bürger(»C« – Citizens), entstehen so neun potenzielleAustauschkonstellationen zur Leistungserbrin-gung zwischen Leistungsanbietern und Leis-tungsnachfragern (A2A, A2B, A2C, B2A, B2B, B2Cund C2A, C2B sowie C2C). Zwar finden unter

organisatorischen Aspekten weiterhin die origi-nären Prozesse in der Verwaltungs- und Dienst-leistungserstellung zwischen öffentlichen Stel-len, Wirtschaft und Verwaltung statt (vgl.Abb. 1), ergänzend wird der Ruf nach transpa-renter staatlicher Leistungserstellung und nachpartizipativen Elementen aber immer lauter.

Wenn Bürger an gesellschaftlichen Pro-blemstellungen partizipieren, werden unterdem Begriff der politischen Partizipation »… ver-schiedene Formen Einfluss nehmender Beteili-gungen von Bürgerinnen und Bürgern verstan-den. Dazu zählen Informationsaustausch undKommunikation über Sachthemen und Pro-gramme, Gestaltung politischer Inhalte undEntscheidungsprozesse oder Beteiligung an Ab-stimmungen über Sachthemen sowie Mitwir-kung an Wahlen für politische Mandatsträger«[Meier 2009, S. 164]. Bürger fordern dabei eineneuartige Form der Integration in die staatli-chen Aktivitäten. Diese Integration kann von ei-ner bloßen Information zu staatlichen Hand-lungen bis zum Wunsch der Mitarbeit an

AAdministration

CCitizen

BBusiness

C2B

Administration to Administration

(A2A)

B2C

C2C B2B

Abb. 1: Informations- und Austauschoptionen öffentlicher Stellen mit Citizen und Unternehmen [Meier 2009, S. 4]

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Projekten reichen. Wie laut der Wunsch nachBeteiligung der Bürger kommuniziert wird, istunterschiedlich. In der jüngeren Vergangenheitließen sich in den Medien zahlreiche nationaleund internationale Beispiele für den Wunschnach einer stärkeren Integration der Gesell-schaft in die politischen Prozesse beobachten:In Deutschland bestimmten Themen wie»Stuttgart 21«, »Karl-Theodor zu Guttenberg«oder auch »Adhocracy« die Diskussion in denMedien, auf internationaler Ebene kamen»Wikileaks« bzw. die demokratische »Revolutionin Ägypten« auf die Agenda. Eine Diskussion zueinem zukunftsträchtigen, nachhaltigen undgemeinsamen Veränderungsmanagement vonStaat und Gesellschaft erscheint daher unum-gänglich und muss zeitnah geführt werden, umein gutes und friedliches Zusammenleben sicher-zustellen und den Staat so gut wie möglich indie Diskussion einzubinden.

Ausgehend von diesen Beobachtungen, er-öffnet sich der Wunsch der Bürgerschaft nacheiner demokratischeren Regierungsform undStaatsorganisation als der bisher gültigenGrundordnung. Setzen sich die staatlichen Ebe-nen und die Verwaltung diese Herausforderun-gen zur Umsetzung auf ihre Agenda, so solltenaus der Perspektive des Open Government dreiAspekte verstärkt diskutiert werden: Transpa-renz im staatlichen Handeln, der Wunsch derBürger nach mehr Partizipation und die Mög-lichkeiten zur Kollaboration von Bürgern beigesellschaftspolitischen Fragestellungen. AlsGrundlage jedes Beteiligungsverhaltens müs-sen den Bürgern neben Instrumenten zur Betei-ligung auch die passenden Datenbestände(Open Data) zur Mitarbeit an die Hand gegebenwerden.

In Abbildung 2 werden grafisch die Bezie-hungen von Open Data (Tools), Open Govern-ment (Transparenz, Partizipation und Kollabora-tion) und einer Open Statecraft (offenen Staats-kunst) der normativen staatlichen Strategiegegenübergestellt. Open Data bilden als freiverfügbare Daten eine wesentliche Grundlage

zur Forcierung und Sicherstellung von OpenGovernment. Wie dieses Paradigma des OpenGovernment mit dem normativen Ziel eines Be-teiligungsstaates organisiert und gelebt wer-den kann, wird in den folgenden Ausführungenzu Transparenz, Partizipation und Kollaborationsowie zur Fallstudie des Munich Open Govern-ment Day (MOGDy) aufgezeigt.

Abb. 2: Open Government und staatliches Paradigma

2 Open Government als Paradigma

2.1 Offenheit als PrinzipDie dargestellten technologischen, gesellschaft-lichen und politischen Trends zeigen es: Die ur-sprünglich in den USA durch Präsident BarackObama 2009 gestartete Debatte zum Thema»Open Government« [Obama 2009], also diebehutsame Öffnung von Politik und Verwal-tung, kommt nach Deutschland. Open Govern-ment wird dabei definiert als »ein Sammelbe-griff für eine ganze Reihe unterschiedlicherKonzepte und Visionen ..., die sich mit bestimm-ten Facetten einer Öffnung von Staat und Ver-waltung auseinander setzen« [von Lucke 2010,S. 3]. Hinter den empirisch erkennbaren Verän-derungen im Umgang von Politik und Verwal-tung mit dem Bürger steckt ein entscheidender

Open Data

Open Government

OpenStatecraft

normativesZiel

Paradigmazur

Umsetzung

Grundlage

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Wandel in der Kultur – aufseiten der politischenEntscheidungsträger, aber auch aufseiten derselbstbewusster werdenden Bürgerschaft. DieUmsetzung dieses Paradigmas in Form einerneuen und »offenen Staatskunst« [I&G Co:lla-boratory 2010] ist vielschichtig: Grundlage fürdie staatliche Umsetzung ist häufig die Bereit-stellung von Daten zur Nutzung durch Dritte.Diese offenen Daten, die als maschinenlesbareRohdaten ohne Restriktionen weiterverwendetwerden können, werden Open Data genanntund können vom Staat wie auch von privatenAnbietern zur Verfügung gestellt werden [vonLucke & Geiger 2010, S. 2 ff.]. Aufbauend auf die-sen Open Data und dem Web 2.0 kann OpenGovernment die Bürger und die Unternehmenstärker in staatliche Aktivitäten integrieren.Hierbei sind folgende Voraussetzungen zu be-achten: Transparenz als die erste Stufe der bür-gerschaftlichen Integration und Grundlage, Par-tizipation als zweite Ebene und Potenzial derBürgerintegration sowie schließlich Kollabora-tion als dritte und letzte Stufe auf dem Weg zurvollständigen Integration der Bürger im Rah-men von Open Government [von Lucke 2010,S. 2 f.]. Transparenz, Partizipation und Kollabora-tion stehen demnach auch für das neue Erstar-ken der Web-2.0-Technologien im politischenund gesellschaftlichen Kontext. Eine neue Qua-lität des politischen Regierens wird möglich, je-doch ergeben sich auch neue Restriktionen fürPolitik, Verwaltung und Bürger. Die Frage, wiedieses neue Paradigma eines offeneren Um-gangs mit Informationen und neuen Formender Beteiligung aussehen kann, bleibt bisher of-fen, ebenso die Frage nach dem Grad der ge-wünschten Transparenz, Partizipation und Kolla-boration im Rahmen der Entscheidungsfindungund dem Involvement der Bürger im staatlichenLeistungserstellungsprozess. Welche Risikenbirgt dieses neue Paradigma, wie kann einepraktische Umsetzung dieses Denkansatzes aufkommunaler Ebene stattfinden und wie wirddie zukünftige Entwicklung aussehen?

Im Folgenden werden die jeweiligen Stufender Integration der Bürger in den staatlichenProzess der Leistungserstellung zunächst in-haltlich kurz dargestellt, Chancen und Risikenwerden skizziert und durch aktuelle Beispieleder Bürgerbeteiligung veranschaulicht. Die Be-sonderheit in der folgenden Betrachtungsweiseliegt darin, dass anders als bei den meisten An-sätzen nicht die »Top-down«-Perspektive unter-stützt wird, sondern »Bottom-up«-Ansätze ge-wählt wurden. Auch bei dieser Auswahl stehtdas Paradigma eines offenen Staates im Sinneeiner offenen Politik bzw. einer offenen Verwal-tung im Interesse der Initiatoren im Vorder-grund, allerdings nehmen bei den folgendenBeispielen die Bürger den aktiven Part der Öff-nung von Politik und Verwaltung war.

2.2 Transparenz als Grundlage»Transparenz« betrifft zahlreiche Aspekte desLebens und Arbeitens in einem Staat und in derBeziehung zwischen Staat und Bürger. Nebender Politik mit ihren Entscheidungsfindungs-prozessen können auch Verwaltungshandeln,die Form der Leistungserstellung, die Problem-lösung oder auch die Bewertung von Ergebnis-sen unterschiedlich transparent gestaltet wer-den. Offene Information und Kommunikationinnerhalb der Verwaltung soll dabei ebenso imFokus stehen wie die transparente Darstellungverschiedener Inhalte gegenüber der gesamtenBürgercommunity. Die Chancen von transpa-rentem Staats- und Verwaltungshandeln liegenin einer möglichen Reduktion der Politikver-drossenheit der Bürger und der Schaffung einesVerständnisses für bestimmte Handlungen vonPolitik und Verwaltung. Effektiveres und effi-zienteres Handeln der Verwaltung wird moti-viert, Korruption vermieden. Allerdings kann einineffektives Handeln aufseiten des Staates zuWut und Resignation der Bürger gegenüberdem Staat führen. Ebenso können geheimestaatliche Dokumente in den falschen Händenzu kritischen Situationen und (inter-)nationalenKonflikten führen.

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Informations- und Kommunikationstechno-logien haben auf internationaler Ebene vor al-lem in den arabischen Ländern in den letztenMonaten einen entscheidenden Einfluss auf dieInformationsflüsse und transparentes Handelngehabt und die Demokratisierungsprozesseganzer Staaten beeinflusst. Am Beispiel vonÄgypten wurde deutlich, welchen Einfluss dasInternet haben kann: Offene Informationendarüber, wer, wann und wo gegen die politischeFührung demonstriert, ermöglichten wirkungs-volle Aktionen der Demonstranten – bis dieägyptische Regierung die Telekommunikations-netze stilllegte [Kremp 2011]. Die Demonstratio-nen dauerten schließlich an, bis Präsident Mu-barak seinen Rücktritt bekannt gab.

2.3 Partizipation als Potenzial»Partizipation« stellt im Dreiklang von Transpa-renz, Partizipation und Kollaboration die zweiteEbene der Integration von Bürgern und Gesell-schaft im Staat dar. Im Fokus des politischenund des administrativen Interesses steht einegezielte Beteiligung der Bürger bei Problemen,um einen optimalen Lösungsansatz zu finden.Neben einer reinen Information der Bürger wieim Fall der Transparenz ist im Rahmen der Parti-zipation die Kommunikation zwischen Staat,Verwaltung und Bürger von erhöhter Relevanz.Zusätzlich zu den Potenzialen, die ein transpa-rentes Handeln mit sich bringt, birgt die Beteili-gung von Bürgern im staatlichen Prozess derLeistungserstellung zahlreiche weitere Chan-cen. Die Bürger können kanalisiert Rückmel-dung in die Politik und die Verwaltung gebenund so verstärkt und auf direktem Weg an derinhaltlichen Weiterentwicklung ihres Lebens-umfeldes mitwirken. Eine größere Form derAkzeptanz ist möglich. Die Beteiligung vonBürgern und der Community an den Belangendes Staates ist jedoch auch mit bestimmten Ri-siken verbunden. Meinungsverschiedenheitenkönnen trotz Bürgerpartizipation zwischen Bür-gern und Staat, aber auch unter den Bürgernauftreten. Zudem sind die Relevanz und die

Legitimation der verschiedenen Meinungsfüh-rer, Interessenvertreter und Lobbyisten nur be-dingt repräsentativ auf die Allgemeinheit zuübertragen. In der Debatte um Stuttgart 21 kamden Medien im Vergleich zu anderen großen lo-kalen Bauprojekten eine neue, entscheidendeRolle zu. Im Internet formierte sich die wohlgrößte Gegenbewegung auf der Webseitewww.parkschützer.de, die virtuell den realenProtest am Stuttgarter Hauptbahnhof und imSchlossgarten organisierte. Mittels Internetpartizipierten zahlreiche Protestler auf sozialenPlattformen (Facebook u.a.) oder mittels Micro-blogging (Twitter u.a.) an der Debatte. Die Be-fürworter beziehen sich vor allem auf einige of-fizielle Seiten. Hierzu gehört auch die Seite derStadt Stuttgart »Stuttgart baut« (www.stutt-gart-baut.de), die darstellt, an welchem OrtBaumaßnahmen stattfinden, aber auch offiziel-le Seiten der Deutschen Bahn (www.das-neue-herz-europas.de).

2.4 Kollaboration als Ziel»Kollaboration« stellt die höchstmögliche Stufeder Bürgerbeteiligung – die vollständige Inte-gration der Bürger im Prozess der Beteiligung –dar. Verwaltung, Politik und Bürger arbeiten er-gebnisorientiert zusammen, um bessere undpassende Leistungen zu einem adäquaten Auf-wand zu erhalten. Im Rahmen des kooperativenVerhaltens der Bürger und einer damit einher-gehenden Erstellung staatlicher Leistungenkönnen real existierende Netzwerke in virtuelleFormen der Zusammenarbeit transferiert wer-den. So können bessere Ergebnisse mithilfe deskollaborativen Arbeitens der Internetcommunityerzielt werden. Mittels Nutzung offener (staatli-cher) Datenbestände – Open (Government)Data – lassen sich deutliche Mehrwerte für dieGesellschaft erzielen [von Lucke & Geiger 2010].Der Kollaborationsaspekt beinhaltet jedoch ei-nige Risiken: In Deutschland besitzen zwar vieleMenschen einen Internetzugang, allerdingsnicht alle, vor allem zahlreiche ältere Mitbürgerhaben noch keinen Internetzugang [Initiative

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D21 2010]. Aufgrund dieses »Digital Divide«müssen transparente Informationen, Beteili-gungen am staatlichen Handeln und die Zu-sammenarbeit der Bürger nicht nur online, son-dern über herkömmliche Kommunikationska-näle zugänglich sein (Mehr-/Multikanalansatz),sodass eine repräsentative Beteiligung und dieMitarbeit aller Bevölkerungsgruppen möglichist. Fehldeutungen müssen vermieden und vor-schnelle Verurteilungen, z.B. durch die Medien,unterbunden werden.

Der in Deutschland aktuell populärste Fallfür kollaborative Leistungserstellung im Inter-net mit den am weitesten reichenden Folgenstellt die Plagiatsüberprüfung der Dissertationvon Karl-Theodor zu Guttenberg mithilfe einesWikis (de.guttenplag.wikia.com) dar. Innerhalbweniger Tage wurde die komplette Promotionvon zu Guttenberg mit einer Länge von 475 Sei-ten durch die Internetcommunity auf nicht zi-tierte Textstellen untersucht und markiert. Die-se kollaborative Leistung führte schließlich zumRücktritt des beliebten Verteidigungsministers[Reißmann 2011b].

In der Affäre um »Wikileaks« – einer Whistle-blowing-Plattform, deren Betreiber es sich zurAufgabe gemacht haben, die Öffentlichkeit mit-tels Publikation geheimer Dokumente über kri-tische Papiere zu informieren – war die Ver-öffentlichung geheimer diplomatischer Ver-schlusssachen im Fokus der Diskussion.Diffamierende Papiere, die die Beobachtungenbestimmter Diplomaten zu ihren Kollegen the-matisieren, wurden so veröffentlicht und sorg-ten für starke Verstimmungen in den internatio-nalen Beziehungen und führten zum soge-nannten »Cablegate« [n-tv 2011].

Ein großes Echo in der Internetcommunityrief die Entscheidung gegen den Einsatz derKollaborationsplattform »Adhocracy«1 im Rah-men der Enquetekommission des Bundestageshervor. Nach einem ersten negativen Bescheidkonnte das Votum, das sich aus Kostengründengegen das Instrument »Adhocracy« und damitgegen mehr Beteiligung der Bürger auf Bundes-

ebene ausgesprochen hatte, hin zu einer positi-veren Grundhaltung gegenüber Beteiligungs-möglichkeiten von Bürgern mittels Web 2.0umgekehrt werden. Nun kann Adhocracy miteiner ständig wachsenden Internetcommunityim Rahmen einer offenen Beteiligungsplatt-form genutzt werden [Reißmann 2011a].

Bisher wurde auf aktuelle Themen fokus-siert, die durch die Bürger forciert wurden. ImKontrast hierzu wird nun der Ansatz der bayri-schen Landeshauptstadt München dargestellt,der einzigartig in Deutschland proaktiv dasThema Open Government und Open (Govern-ment) Data aufgreift und so die Bürger- undInternetgesellschaft zur zukünftigen Gestaltungihres Lebens- und Arbeitsraums München ein-lädt – ein starkes Zeichen für eine starke Com-munity!

3 Fallstudie: Munich Open Government Day

Die Landeshauptstadt München (LHM) hat sichim Herbst 2010 als eine der ersten Städte inDeutschland entschieden, mit einem integrier-ten Pilotprojekt operativ in das ThemenfeldOpen Government und Open Data einzustei-gen.

3.1 Kontext und AusgangslageIm Gegensatz zum »Dauerthema« eGovern-ment beschäftigte sich die LHM bis 2010 kaummit den Themenfeldern Open Government bzw.Open Data. Durch Neueinstellungen in der IT inden letzten zwei Jahren kamen allerdings neueIdeen und Ansätze in die LHM, die sich auch imThemenkanon der IT-Strategie widerspiegelten.

1. Bei Adhocracy handelt es sich um eine internet-basierte Onlineplattform, mit der NGOs, Netzini-tiativen, Parteien oder Firmen durch einen direkt-demokratischen Prozess Ziele, Strategien, Pro-gramme, Regeln und Positionen einbringen,diskutieren und abstimmen können (Quelle:wiki.liqd.net/Adhocracy).

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Neben der Entwicklung einer stadtweiteneGovernment-Roadmap wurde auch vorge-schlagen, den Themenkomplex »Offenheit« (zudem auch technische Aspekte wie Open Sourceund Open Standards zu zählen sind) in die stra-tegische Diskussion aufzunehmen. Es wurdeargumentiert, dass sich eine Kommune durch»reines« eGovernment – das Digitalisieren kun-denbezogener Geschäftsprozesse ohne weitereEinbindung derselben – zukünftig immer weni-ger positionieren können wird. Eine Basisum-setzung von eGovernment wird kontinuierlichauf verschiedenen Ebenen vorgegeben, u.a. imeuropäischen Aktionsplan 2011-2015, im natio-nalen eGovernment-Gesetz sowie im eGovern-ment-Pakt in Bayern. Wird eGovernment jedochstrategisch in Richtung Verwaltungsöffnung– eben Open Government – ausgerichtet, sokann sich daraus ein dauerhaftes Alleinstel-lungsmerkmal entwickeln, mit dem sich eineKommune im Standortwettbewerb um Firmenund Bürger differenzieren kann.

In diesen Debatten entstand auch der An-satz, das Thema nicht nur in den strategischenDiskurs einzubringen, sondern es im Rahmeneines Pilotprojekts auch operativ anzugehen, dadie LHM bei vielen für die Umsetzung von OpenGovernment als wichtig identifizierten Aspek-ten, wie z.B. Community-Interaktion, Datenfrei-gaben gemäß den Open-Data-Prinzipien oderneuen Web-2.0-Technologien, Neuland betrittund zuerst Erfahrungen sammeln muss, bevorüber die strategische Bedeutung der Thematikbefunden werden kann. Es wurde entschieden,das Pilotprojekt in seinem inhaltlichen und zeit-lichen Umfang zu beschränken, um eine rascheDurchführung zu ermöglichen, den gesamtenProzess einmal zu durchlaufen und die Auswir-kungen auf die IT einzugrenzen. Als Folge konntedas komplette Pilotprojekt von der Konzeptionbis zum Abschluss in rund 15 Monaten (April 2010bis Juli 2011) durchgeführt werden. Als Namewurde ein eingängiger Begriff gewählt: »MunichOpen Government Day« – kurz »MOGDy«, ausge-sprochen wie im bayrischen »(I) mog di«.

Für die Planung und die Durchführung wur-den drei Non-Profit-Organisationen in Deutsch-land gewonnen, die sich im Themenfeld OpenGovernment/Open Data aktiv engagieren unddie ihr spezifisches Know-how in die verschie-denen Aspekte des Projekts einbrachten: LiquidDemocracy e.V., Open Data Network e.V. undGovernment2.0 e.V. in Berlin.

Aus zwei Gründen wurde Expertise aus demNon-Profit-Bereich und nicht von externen Be-ratungsfirmen eingebunden: Aus strategischerSicht wollte die LHM selbstständig und authen-tisch auftreten sowie ein »organisches« Wachs-tum für eine lokale Community ermöglichen,die über das Projektende erhalten bleibt. Ausoperativer Sicht waren die Beschaffungsmoda-litäten einfacher und die Kosten niedriger. Auchdieser Ansatz war Teil des Gesamtexperiments,Open Government exemplarisch umzusetzen.

3.2 Ziele und DesignAus der Einbettung in die IT-Strategie ergabensich für die LHM zwei Hauptziele für das MOGDy-Projekt, deren hohe Außenwirkung sich bereitswährend des Projektablaufs herausstellte:

Ziel 1: Die vielfältige Expertise aus der interes-sierten Bevölkerung wurde für die eigenen Pla-nungen nutzbar gemacht, indem auf einer Online-plattform Ideen für das »Digitale München«gesammelt wurden. Die Vorgabe »DigitalesMünchen« wurde nach außen absichtlich breitgewählt, um wie bei einem Brainstorming denIdeenfluss nicht zu beeinflussen. Gleichzeitigwar er stadtintern durch den Begriff »digital«klar auf die IT beschränkt, sodass der abge-grenzte Pilotcharakter gewahrt blieb.

Ziel 2: Digitaler Mehrwert wurde geschaffen, in-dem die Expertise aus der interessierten Bürger-community für die Entwicklung von Software-applikationen (»Apps«) für die Münchner Stadt-bevölkerung und interessierte Kommunennutzbar gemacht wurde. Dazu gab die LHM imVorfeld verschiedene Datensätze frei, die für dieSoftwareentwicklung genutzt werden konnten.

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Neben den Hauptzielen wurden auch zwei Zieleformuliert, die primär nach innen wirken.

Ziel 1: Die Ideen aus der Onlineplattform sollenin die internen Planungen einbezogen werden.Konkret soll die Ideenliste systematisch unter-sucht werden, um die Ideen entweder in dieeGovernment-Roadmap oder den Relaunch derWebsite www.muenchen.de einfließen zu las-sen. Die restlichen Ideen werden einzeln be-trachtet. Im Rahmen der jeweiligen Projektpla-nungen werden Ideen aus den Teillisten zurUmsetzung selektiert bzw. unter Angabe einerBegründung verworfen. Die so untersuchte Lis-te wird im Nachgang veröffentlicht.

Ziel 2: Über den Projektverlauf werden verschie-dene neue Internettechnologien eingesetzt underprobt. Konkret werden zur Kommunikation/Interaktion soziale Netzwerke, Microbloggingund Weblogs eingesetzt. Die damit gemachtenErfahrungen fließen in die Entwicklung einesSocial Media Guides ein, der den Umgang derAngestellten der LHM innerhalb und mit derCommunity klären sollen.

Schließlich erhofft man sich auch, dass durchdas MOGDy-Projekt die Positionierung Mün-chens als moderne, innovative und bürgernaheStadt verstärkt werden kann.

Die zwei Hauptziele wurden auf zwei Phasenheruntergebrochen: in den AdHoc-Ideenwettbe-werb (benannt nach der dafür eingesetztenOpen-Source-Software »AdHocracy«) und in denapps4cities-Programmierwettbewerb.

Während des siebenwöchigen Ideenwett-bewerbs trugen Teilnehmer ihre Ideen auf derAdHocracy-Website ein, kommentierten unddiskutierten die Ideen und stimmten schließlichdarüber ab (dafür/dagegen). Die Teilnahme waranonym möglich und es fand eine durch diePartner organisierte Moderation statt, die aberkaum notwendig wurde, weil das System denDiskurs kanalisierte und forentypisches Trollingstark erschwerte. In derselben Zeit organisiertedas Projektteam mehrere physische Treffen

(den »MOGDy-Freundeskreis«) in München, umsich mit interessierten Community-Mitgliedernauszutauschen und regelmäßiges Feedback zuerhalten.

Das zweitägige MOGDy-Camp schloss dieerste Phase ab, indem die Ideenliste finalisiertund durch Teilnehmer offiziell der Stadt Mün-chen übergeben wurde. Ebenso fanden amCamp im Stile eines BarCamps unterschiedlicheWorkshops zu Themen statt, die die Teilnehmeraus der Ideenliste heraus vorschlugen. DasCamp eröffnete gleichzeitig die zweite Phase. Ei-nige Dutzend Datensätze der Stadt wurden frei-gegeben und ein Open-Source-Programmier-wettbewerb wurde gestartet, der die Nutzungdieser Daten in den Vordergrund stellte. Kurznach dem Start wurde auch ein HackDay in Zu-sammenarbeit mit der Hochschule für Ange-wandte Wissenschaften München durchge-führt, um interessierte Entwickler früh zu-sammenzubringen und den Ideenfluss zuunterstützen.

3.3 Methodik und InstrumenteWir beschränken uns in diesem Abschnitt aufdie beiden wichtigsten Aspekte:

1. Der Aufbau und die Pflege einer Online-Community

2. Der gezielte Einsatz von Open-Source-Software

Neben den Kontakten zu den Partnerorganisatio-nen und deren Communitys baute das Projekt-team im Verlauf persönliche Kontakte zu ver-schiedenen lokalen Communitys im RaumMünchen auf. Dies geschah nicht nur online,sondern auch persönlich: Einerseits lud das Pro-jektteam regelmäßig zu kleinen Diskussions-runden ein, andererseits wurden Anlässe derCommunity besucht, um das Projekt vorzustel-len. Dadurch wurde Misstrauen gegenüber demProjekt abgebaut und Vertrauen für die Unter-stützung und Teilnahme gewonnen.

Frei verfügbare Open-Source-Software spieltefür das Projekt eine doppelte Rolle. Erstens wurde

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mit AdHocracy ein Beteiligungswerkzeug ver-wendet, das durch die Offenlegung des Quell-codes und den direkten Kontakt zu den Entwick-lern dynamisch und in sehr kurzer Zeit an die Be-dürfnisse des Projekts angepasst werden konnte.Zweitens wurde der Programmierwettbewerb alsdezidierter Open-Source-Wettbewerb gestaltet.Die entstehenden Apps sollten allen Bürgern undsogar anderen Kommunen bei Interesse zur Ver-fügung stehen. Deshalb wurde auch der Name»apps4cities« in Anlehnung an die apps4demo-cracy-Wettbewerbe in den USA gewählt.

3.4 Auswertung und EmpfehlungenDa das Projekt bis zum Juli 2011 zwar abge-schlossen, aber noch nicht ausgewertet ist,wird an dieser Stelle nur ein Zwischenfazit ge-zogen, in dem auf zwei zentrale Fragen einge-gangen wird: Welche Erfahrungen wurdengemacht und welche Tipps können gegebenwerden für (Stadt-)Verwaltungen, die etwasÄhnliches probieren möchten?

Insgesamt wurde das Projekt stadtinternwie extern positiv aufgenommen, entspre-chend war auch das Medienecho – online wieoffline. Gut lief auch der frühe Einbezug derCommunity. Es fanden sich über den Verlauf desProjekts eine Reihe interessierter Bürgerinnenund Bürger, die dem Thema und der Stadt auchnach Abschluss des Pilotprojekts ihr Engage-ment zugesichert haben, sodass auch nächsteSchritte vonseiten der Community mitgestaltetwerden können.

Trotz dieser positiven Effekte ist der Erfolgan den Teilnehmerzahlen gemessen eher ver-halten. Es haben sich zwar knapp 400 Teilneh-mer registriert, aber selbst der höchstbewer-tete Vorschlag hatte weniger als 100 Stimmen.Damit ein »Bürger-Vorschlag« auch außerhalbdes MOGDy-Projekts in einer großen Stadtver-waltung ernst genommen wird, sind zweistel-lige Unterstützer-Zahlen kein allzu kräftigesArgument. Dies lag auch daran, dass das Marke-ting komplett durch die Stadt selbst erfolgte,worin das MOGDy-Team kaum Know-how und

Erfahrung hat. Selbst die städtische Presse-arbeit kann, wenn noch kaum Community-Kontakte bestehen, nicht ihr übliches Potenzialentfalten: Sie nutzt primär die traditionellen Ka-näle, die sie mit traditionellen Instrumenten(z.B. Pressemitteilung) bearbeitet, erreicht aberdamit nicht unbedingt die Zielgruppe für einOpen-Government-Projekt.

Die Erfahrungen mit der Datenfreigabe ansich sind gemischt. Man bekam eine Reihe anDatensätzen in dieser kurzen Zeit freigegeben(www.muenchen.de/opendata), schaffte es abernicht, alle Datensätze, die man zur Veröffentli-chung ausgewählt hatte, als echte Open Datazu veröffentlichen. Das hatte zur Folge, dass beimehreren Datensätzen zusätzliche rechtlicheEinschränkungen bestanden, die für Unsicher-heit bei den Teilnehmern sorgten, was man mitdiesen Datensätzen machen dürfe und wasnicht (www.muenchen.de/data).

Aus den vom MOGDy-Projekt gemachtenErfahrungen lassen sich folgende Empfehlun-gen für Verwaltungen ableiten, die Ähnlichesprobieren wollen:

1. Haben Sie keine Angst, zu experimentieren.Eine Verwaltung besitzt traditionell Ge-schäftsprozesse, deren Öffnung gegenüberder Bevölkerung schlicht niemals vorgese-hen war, schon gar nicht digital und maschi-nenlesbar. Man betritt permanent Neulandund kann zu Anfang die Reaktion der eben-falls noch unbekannten für den Erfolg aberwichtigen Community nicht einschätzen.Gehen Sie trotzdem raus und fangen Sie an!

2. Fangen Sie klein an. Es ist wichtiger, dass dasSignal »wir tun etwas« draußen ankommtals die Frage »Wie richtig wurde Web 2.0 ein-gesetzt?«. Es wäre komisch, wenn beim ers-ten Versuch bereits alles richtig gemachtwerden würde. Hier muss in Verwaltungenmit hoch ausgeprägter Risikoaversion einUmdenkprozess in Gang kommen, denn diePotenziale von Open Government werdensich ohne das Einbringen von Neuem nichterfolgreich ausschöpfen lassen.

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Kollaboratives bürgerschaftliches Engagement

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3. Aus diesem Grund: Suchen Sie den Kontaktund binden Sie die lokalen Communitysmöglichst frühzeitig in die Projektplanungund das Design ein. Sie erhalten dadurchnicht nur mehr Teilnehmer für das Beteili-gungsprojekt, sondern Sie können schonfrüh auf Expertise zurückgreifen, die den Er-folg des Projekts stark beeinflussen kann. Andieser Stelle passiert, was in der Firmenweltmit »Open Innovation« bezeichnet wird.

Schließlich steht im Zentrum des Community-Buildings die Frage, wie sich eine Stadtbevölke-rung interessieren und motivieren lässt, in ihrerFreizeit für »die Stadt« tätig zu werden? Wichti-ge Motivatoren für Online-Engagement, die be-reits in der Open-Source-Forschung identifiziertwurden [Dapp 2009, S. 54], gelten auch in ande-ren Online-Communitys: Teilnehmer wollen ge-fühlte Missstände selbst durch eigene Ideen be-heben, sich selbst helfen können, ihren Ruf inder Community pflegen u.a.m. Parallel dazusollte die Verwaltung überlegen, welche spezifi-schen Stärken sie in eine Kooperation mit derCommunity einbringen kann, sodass der Nut-zen für alle Beteiligten maximiert wird.

4 Standardisierung und Community-Public-Partnership

Der technische, gesellschaftliche und politischeWandel hält weiter an. Täglich werden in allerWelt neue Technologien entwickelt, die eineVernetzung der Menschen untereinander för-dern und so die Grundlage für weitreichendereFormen des Open-Government-Ansatzes undder darin enthaltenen Ausprägungen vonTransparenz, Partizipation und Kollaborationschaffen. Hierzu gehören Open-Data-Initiativenwie »data.gov«, »usaspending.gov«, »datasf.org«oder auch »linkeddata.org«. In Europa sind»data.gov.uk« oder auch »offenedaten.de« alsDatenportale hervorzuheben, aber auch For-men von Bürgerbeteiligung und Bürgercommu-nitys wie »mysg.ch«, »frankfurt-gestalten«,»maerker.brandenburg.de«, »essen-soll-leiser-

werden.de« oder »aufbruch.bayern.de«. Dieheute begonnenen Entwicklungen stellen da-bei erst den Anfang eines Zeitalters der Beteili-gung der breiten Bürgerschaft dar. Es liegt auchan der Politik und der Verwaltung, an den Ver-änderungen (pro-)aktiv teilzunehmen, Mehr-werte zu generieren und diese Entwicklungenzum Vorteil der gesamten Bürgercommunity zunutzen, wie es die Stadt München exemplarischmit dem Munich Open Government Day ge-zeigt hat.

In Analogie zum bekannten Konzept desPrivate-Public-Partnership (PPP) sollte für denThemenbereich Open Government ein neuesModell einer »Community-Public-Partnership«entwickelt werden, in dem die Rolle der Verwal-tung und die Rolle der Community gemäß ihrenStärken definiert wird. Im Falle des MOGDywäre die Frage: Welche der eingereichten Ideensind (nur) durch die Stadtverwaltung zu reali-sieren, welche besser durch eine flexibel organi-sierte Community und welche am besten ge-meinsam? Da im Gegensatz zur PPP kein finan-zielles Interesse als Treiber notwendig ist unddie Identifikation der Bevölkerung mit ihrerStadt ungleich größer angenommen werdenkann als bei Kunden gegenüber einer Firma,erscheint ein Community-Public-Partnership-Modell als vielversprechender Ansatz, um OpenGovernment langfristig zu institutionalisieren.

5 Literatur[Dahlmann et al. 2008] Dahlmann, E. et al.: 3G evo-

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Dr. Marcus M. DappLandeshauptstadt MünchenHerzogspitalstr. 2480331 Mü[email protected]

Christian P. Geiger M.A.Zeppelin UniversityDeutsche Telekom Institute for Connected Cities TICCAm Seemooser Horn 2088045 [email protected]://ticc.zeppelin-university.de