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Munition à la carte für die Bündner Volksjagd Peter Pulver Trotz sinkender Wildbretpreise sind die Jäger weltweit bereit, reichlich Geld für die Passion «Jagd» auszugeben. Waffen- und Munitionsindustrie verzeich- nen gute Ergebnisse. Dieser Trend zieht auch ins Gebirge. Noch nie standen dem Bündner Jäger so viele Munitions- und Geschossarten zur Verfügung. Bild: Kurt Gansner 09 | 17 SCHWEIZER JÄGER 09 | 17 AUSRÜSTUNG 3 2

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Munition à la carte für die Bündner Volksjagd

Peter Pulver

Trotz sinkender Wildbretpreise sind die Jäger weltweit bereit, reichlich Geld für die Passion «Jagd» auszugeben. Waffen- und Munitionsindustrie verzeich-nen gute Ergebnisse. Dieser Trend zieht auch ins Gebirge. Noch nie standen dem Bündner Jäger so viele Munitions- und Geschossarten zur Verfügung.

Bild: Kurt Gansner

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Bisher gab es die gute alte 10,3x60 R mit Geschos-sen von RWS, CMC Blaser, Brenneke, Reichenber-ger, Lutz Möller, Gian Marchet, Jaguar, LFB, Koller und Lück und seit über 30 Jahren auch von Dieter Häberli aus Zug. Viele davon sind bleifrei. Als Alter-native standen den Jägern alle Patronen über Ka-

liber 10,2 bzw. Kaliber .413" offen. Nun, offenbar hat das Kali-ber .413" sehr viele Freunde unter den Bündner Jägern. Dieses Jahr gibt es zwei neue Patronen in diesem Büchsenkaliber und etwa drei bis vier neue Geschosse.

Vier neue GeschosseIm Juni stellte RWS den interessierten Büchsenmachern und der Presse ihre neuesten Erzeugnisse für die Bündner Jagd vor. Da-bei handelt es sich um drei Geschosse und eine neue Patrone im Kaliber 10,3 – also alles wie gehabt? Nicht ganz. Bei der vor-gestellten Patrone handelt es sich um eine neue Hülse im Ka-liber 10,3x68 Magnum. Die Idee dazu stammt vom bekannten Peter Vonow, Jäger, Fotograf, Journalist und ehemaliger Redak-tor der Zeitschrift «Bündner Jäger». Er verfolgte seit Jahren die Idee, die 10,3x60 R universeller, bzw. schneller und treffsicherer zu machen. Die im Jahr 2015 festgesetzte gesetzliche Schuss-grenze von maximal 200 Meter hat diesem Vorhaben etwas den Schneid abgekauft. Die Patrone soll daher neben den 400ern und den 416ern als sogenannte Smart Magnum den Weltmarkt beleben. RWS hat dazu drei interessante neue Geschosse ge-baut, wovon eines von Peter Vonow entwickelt wurde. • Geschoss EVO Green: bleifrei, 13,5g / 208 gr Stahlmantel

vernickelt, mit Zinn gefüllt. Goldfarbene Kunststoffspitze, Speed Tip.

• Genau gleiches Geschoss: ST = Speed Tip Professional 18,5 g/285gr mit Blei gefüllt. Das ist neu und raffiniert.

Beide Geschosse sind gleich lang und mit einer Kunststoffspitze versehen, aber unterschiedlich schwer.

RWS HIT als drittes GeschossDas dritte Geschoss ist ein aus Reinkupfer gedrehtes bleifreies Geschoss mit Polymerspitze und Heckbohrung. Dieses Geschoss wurde von Peter Vonow entwickelt und verfügt über einige bal-listische Finessen. Bleifreie Geschosse sind bei gleichem Ge-wicht deutlich länger als entsprechende Bleiprojektile. Die leich-ten Blei geschosse der 10,3er-Patronen sind dementsprechend kurz und dick. Böse Zungen bezeichnen sie als «Fäss chen». Sie fliegen zum Teil etwas unpräzise und verlieren durch den gro-ssen Luftwiderstandskoeffizient schneller an Geschwindigkeit als

SCHWERPUNKTTHEMA

windschlüpfrige Geschosse. Das sind Fakten, welche auf grossen Schussdistanzen von Bedeutung sind. Vonow hat ein langes Ge-schoss entworfen und das Gewicht durch eine grosse Bohrung im Heck reduziert. Eine gute Idee. Allerdings könnte im Bereich der Bohrung der Anpressdruck im Lauf leicht erhöht werden. Im Gegenzug vergrössert sich der Pulverraum, so dass die Patrone etwas stärker geladen werden kann. Gemäss ersten Tests scheint das Projektil sehr präzise zu sein. Es ist 13 Gramm schwer und nennt sich HIT. Sämtliche dieser Geschosse können natürlich auch mit der bewährten 10,3x60 R verschossen werden.

Ebenfalls neu: 10,3x68 CapraZeitgleich, das heisst an der Churer Fischerei- und Jagdmesse in diesem Frühjahr, wurde eine Patrone 10,3x68 vorgestellt mit der Bezeichnung «Capra». Diese Patrone stammt aus der Küche von Eric von Schulthess und Klaus Herrlinger vom Labor für Ballistik aus der BRD. Eric von Schulthess ist mir bekannt als Jäger und Unternehmer. Im Prinzip ist seine Patrone ohne Rand gedacht für Repetierer. Die Leistungsdaten liegen etwas über der 10,3x60 R. Als Ausgangshülse diente eine handelsübliche 9,3-mm-Hülse.

Passende Läufe von Blaser und SauerFür die neue Patrone 10,3x68 Magnum konnte die Fa. Blaser als Laufhersteller gewonnen werden. Zudem sind auch Läufe für die Sauer 404 seit kurzem erhältlich. Wer eine Blaser oder Sauer Büchse besitzt, kann gegen einen entsprechenden Preis einen Lauf für dieses Kaliber erwerben. Für Bündner Jäger, die aus-nahmslos nur in Grau Rätien jagen, bringt das kaum Vorteile, da der Hauptvorteil der Patrone – das Verladen im Magazin eines Repetierers – gesetzlich bedingt wegfällt. Die Ausgangshülse stammt von der .45-Basic-Hülse, einer standardisierten Mag-numhülse, welche zum Beispiel auch für die 8mm Rem Mag, .300 Win Mag, .375 HH Mag, .416 Taylor, .416 Hoffmann, .416 Rem Mag, .458 Win Mag usw. verwendet wird. Das ist vernünf-

tig, wenn man neue Patronen testen will. Magnumhülsen, kennt-lich am Ring am Hülsenboden, wurden auch als Gürtelhülsen bezeichnet und galten lange als Inbegriff der besonders leis-tungsfähigen Patronen – für Machos. Nachdem man erkannte, dass der Ring zu nichts nutze war ausser zur Dekoration, flaute der Magnum-Boom deutlich ab. Heute werden starke Patronen aus – mehr oder weniger – normalen, randlosen Hülsen gefer-tigt. Das mindert die Gebrauchstüchtigkeit der 10,3x68 Mag-num keineswegs. Die Verwendung handelsüblicher Hülsen ist der weitaus günstigste Weg, eine neue Patrone zu kreieren. Vonow hat als Mechanikermeister alter Schule keinerlei Prob-leme, Werkzeuge und Lehren aller Art in seiner Werkstatt als Einzelstücke in einer Präzision herzustellen, welche den Ver-

gleich mit Erzeugnissen aus digital gesteuerten Maschinen nicht zu scheuen brauchen.

Aus alt mach neuNun, beide neuen Patronen sind alter Wein in neuen Schläu-chen. Der Zuger Büchsenmacher Dieter Häberli hat vor über 30 Jahren Patronen hergestellt, welche den beiden neuen in Bezug auf die Leistung ebenbürtig sind. Das sind vor allem die beiden Patronen 10,3x60 Magnum. Je eine mit klassischem Rand und eine in randloser Ausführung für Repetierwaffen. Das soll die neuen Patronen keinesfalls degradieren, sondern zeigt exem-plarisch auf, was innovative Büchsenmacher auch in der Ver-gangenheit zu leisten vermochten. Die Häberli Magnumpatro-nen hatten zudem den Vorteil, dass der alte Lauf beibehalten werden konnte. Es musste lediglich das Patronenlager nach-geschnitten werden. Die Nachfrage nach diesen Patronen ging mit der Einführung der .416 Rem Mag zurück, einer noch po-tenteren Patrone. Die Geschichte wiederholt sich, wem die 10,3x68 zu schwach ist, greift neuerdings zur noch stärkeren .416 Rigby, einer uralten Patrone, ca. aus dem Jahr 1911 stam-mend, welche sich neustens wieder grosser Beliebtheit welt-weit erfreut. Trotz oder wegen fehlendem Magnumring… Das Hülsenvolumen steht für das Pulveraufnahmevermögen und ist ein wichtiges Indiz für die aus einer Patrone zu erreichende Leistung. Warum RWS eine Patrone 10,3x68 Magnum lancierte wird ihr Geheimnis bleiben. Das 10,3er Kaliber oder internatio-nal als .413" Kaliber bezeichnet ist ein exotisches Kaliber, wel-ches nur regionale Bedeutung im Kanton Graubünden besitzt. Für das nur RWS, Blaser und neuerdings Klaus Herrlinger Patro-nen fertigt. Das naheliegende standardisierte Kaliber wäre das .416" gewesen. Da gibt es aber bereits reichlich potente und wirkungsvolle Patronen: z.B. .416 Rigby und die .416 Rem Mag.

FazitDie neue RWS Patrone wird auch als Smart Magnum Patrone bezeichnet. Das ist klug, pfiffig, clever, intelligent, schlau etc., denn Smart ist das Synonym all dieser Adjektive. Die Patrone wird begeisterte Anhänger finden, aber auch solche, welche sie verdammen. Das ist normal und z.B. auch bei Autos so. Letzt-endlich ist es Innovation, welche zum Fortschritt führt und nicht geistiger Stillstand. Wir wünschen allen Bündner Jägern «in Bocca d’ luf» und warten gespannt auf Abschussberichte.

Die Auswertung der Versuche mit den neuen Geschossen folgt demnächst in

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Flugbahnen RWS 10,3x68 im Vergleich zur GR Spezial 10,3x60 R GRSpezial12g/185gr EVOGreen13,5g/208gr SpeedTipPro18,5g/285gr Hit13g/200gr

GRSpezial/GEE=162

EVOGreen/GEE=184

SpeedTipPro/GEE=167

HIT/GEE=184

Hülsenvolumen von Bündner Patronen, randvoll in Grains Patrone Grains

10,4 x 38 R Vetterli 53

10,4 x 42 R Vetterli 58

10,4 x 47 R Vasella 72

10,3 x 65 R Bänziger 85

10,3 x 68 Capra 88

10,3 x 60 R M+FA 91

10,3 x 64 Mag. Häberli 94

.458 Win Mag. 95

10,3 x 60 R Mag. Häberli 97

10,3 x 60 RL Mag. Häberli 97 RL = randlos

10,3 x 68 Magnum 99

.416 Rem. Magnum 107

.416 Rigby 127

Bild oben: 10,3x68 von LfB/v. Schulthess, 10,3x68 Magnum RWS mit HIT CU Geschoss, bleifrei, do. mit Bleigeschoss Speed Tip PRO, do. gleiches Geschoss mit Zinnkern, also bleifrei (vl).

Bild oben rechts: Häberli Patronen: 10,3x60 R Magnum, 10,3x60 RL, 10,3x64 Magnum, 10,3x 55 (aus 7,5x55) und ganz rechts die 10,3 x 60 R.

Bild links: 10,3x38R Vetterli RF, 10,4x42R Vetterli Zentral, 10,4x46, 10,3x47 R Vasella, 10,3x65R Bänziger und 10,3x60 R (vl).

Oben: Mit goldfarbener Spitze: EVO Green, bleifrei, 13,5 g /208 gr. Unten mit schwarzer Spitze das Speed TIP Professional Geschoss im genau gleichen Geschossmantel wie das EVO Green, aber mit Blei gefüllt, daher schwerer: 18,5 g / 285 gr.Oben rechts: Neues Geschoss .413", 13g/200gr HIT von RWS. Interessante bleifreie Konstruktion von Peter Vonow.

Flugbahnen RWS 10,3x68 im Vergleich zur GR Spezial 10,3x60 R

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