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VORARLBERGER LANDESMUSEUMSVEREIN 2011 museums jahrbuch verein

museums verein jahrbuch - uibk.ac.at · stände (Militaria) gefunden. Das Spektrum der bisher zweifelsfrei als Militaria identifizierten Funde umfasst Waffen (Pfeil- und Lanzenspitzen,

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VORARL B ERGER L ANDE SMUS EUMSV ER E I N 2011

museums

jahrbuchverein

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Inhalt6 Vorwort

8 Maria Bader

Militärische und zivile Siedlungsreste aus der Römerzeit

am Böckleareal in Bregenz. Ein Vorbericht

68 Julia Kopf

Rückblick und Ausblick: Spuren frührömischen Militärs

in Brigantium

76 Julia Kopf

Zur Siedlungs entwicklung Brigantiums in der späten

mittleren Kaiserzeit

114 Franziska Würfel, Tanja Zerl, Rüdiger Krause

Neue Ergebnisse der archäologischen Forschungen im

Montafon (Vorarlberg)

144 Alexander Schwille, Klaus Pfeifer, Michael Konrad, Daniel Neubauer

Eine Wegprospektion im Schwarzen See bei Satteins

164 Michael Kasper

Armut und Reichtum im alpinen Raum.Eine Skizze zur Sozialstruktur im Montafon an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert

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184 Edith Hessenberger

Tourismusgeschichten.Erinnerungserzählungen vom Aufschwung des Tourismus seit dem Zweiten Weltkrieg

204 Sebastian Fink

Der Vorarlberger Retter der Donaumonarchie

230 Kurt A. Czurda

Der Bregenzerwälder Bildhauer Kaspar Albrecht.

Aus seinem Skulpturen werk die Kruzifixe und Kreuzigungsgruppen

252 Helmut Swozilek

Zum Gedenken an Univ.-Prof. Dr. Elmar Vonbank

6. Juli 1921 Bludenz – 3. August 2009 Bregenz

Direktor i.R. des Vorarlberger Landesmuseums

264 Rezensionen

265 Großhammerzunft Feldkirch (Hg.),

Großhammerzunft Feldkirch (Karlheinz Albrecht)

268 Karin Rase, Skisport in Kunst und Design (Andreas Brugger)

272 R. Aßkamp/T. Esch (Hg.), Imperium – Varus und seine Zeit (Brigitte Truschnegg)

274 Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt (Hg.),

50 Jahre Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt (Christoph Volaucnik)

275 Michael Selb, Die goldene Bodensee-Radhaube (Christoph Volaucnik)

276 Autor/innenverzeichnis

278 Register

Rückblick undAusblick: Spuren frührömischen Militärsin Brigantium

Appendix zum Artikel: Militärische

und zivile Siedlungsreste aus der

Römerzeit am Böckleareal in Bregenz.

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Ein siedlungsgeschichtlich äußerst interessantes Resultat der jüngsten Gra bu n -

gen am Böckleareal in Bregenz (siehe Grabungsbericht in diesem Band) ist die

Auffindung von baulichen Resten und Klein fund ma terial des frühkaiserzeitlichen

Militärlagers von Brigantium. Militärische Aus rüstungsgegenstände der frühen

Kaiserzeit liegen aus Bregenz sowohl aus dem Bereich der Zivilsiedlung als auch

aus dem Gräberfeld seit langem vor1, weshalb die Frage nach einem frührömi-

schen Militärlager bereits seit dem späten 19. Jh. im Raum steht.2 1953 erschien

ein Artikel von A. Hild mit dem Titel „Brigantiums Frühkastell“.3 Darin beschreibt

er jene Baureste der bisherigen Grabungen auf dem Ölrain-Plateau, welche seiner

Meinung nach mit einem frühkaiserzeitlichen Militärlager in Verbindung stehen

könnten. Es handelt sich dabei um den Rest eines breiten Grabens4, einen lang -

gestreckten Lehmfachwerkbau5, ein holzverschaltes (Wasser-)Becken6 und einen

Holzbretterboden mit Abfluss kanal.7

Die von A. Hild vorgelegten Befunde und die daraus abgeleitete Existenz eines

frührömischen Kastells auf dem Ölrain wurden in den letzten Jahrzehnten in

der Fachliteratur unterschiedlich bewertet.8 Von den Befürwortern wird das

ver meint liche Militärlager meist in die frühtiberische bis frühclaudische Zeit da -

tiert9, womit es Teil der gleichen Kastellkette wäre wie etwa das frühkaiserzeit -

liche Kastell in der Kaiseraugster Unterstadt und die Kastelle von Zurzach.10 Da

diese Verteidigungslinie sicher an Bregenz vorbeiführte, erscheint eine militäri-

sche Sicherung dieses in der Frühzeit der Provinz Raetien bedeutenden Ortes im

Grunde zwingend notwendig.11 Nichtsdestotrotz konnte auf der Grundlage der

bisherigen Befunde aber nicht sicher entschieden werden, ob Brigantium als

Militärlager bzw. –posten mit zugehörigem vicus oder als zivile Straßensiedlung

mit einem militärischen Sicherungskontingent entstanden ist.12 Die Auffindung

zweier mächtiger Spitzgräben im Böckleareal (siehe Grabungsbericht in diesem

Band und Abb. 7) scheint diese Frage nun endgültig pro Kastell entschieden zu

haben.

1 Jenny 1883/84, 9 f. Abb. 6–8; von Schwerzenbach/Jacobs 1910/11, 47 Abb. 10 (B.G. 669, 673); 69 Abb. 19 (B.G. 856).2 S. Jenny vermutete in der Oberstadt ein frühes Kastell (Jenny 1897, 25), während R. von Scala die militärischen

Ausrüstungsgegenstände durchziehenden Soldaten zuschrieb (von Scala 1914, 35).3 Hild 1953.4 Hild 1948, 140–142 Abb. 34.5 Hild 1948, 130–133.6 Hild 1930, 130 f.; Hild 1948, 140 f.7 Hild 1930, 137–140 Abb. 60–62.8 Zusammenfassungen der wichtigsten Forschungsmeinungen zum Thema finden sich bei Schimmer 2005a, 51–57 und

Zanier 2006, 82–86.9 Hild 1953, 711 f.; Overbeck 1982, 191 f.10 Deschler-Erb u.a. 1991; Hänggi u.a. 1994. 11 M. Konrad nimmt schon für die augusteische Zeit einen Militärposten in Brigantium an (Konrad 1989, 24 f.). – Für

die Bedeutung der Siedlung in der 1. Hälfte des 1. Jh. n.Chr. sprechen u.a. die Ehreninschrift für Drusus den Jüngeren (CIL III 5769 = 11879) und die beachtliche Ausdehnung der Siedlung in dieser Zeit, welche aus der Verbreitung der italischen Terra Sigillata abgeleitet wird (Schimmer 2005a, 11 Abb. 3; 51; 55 f.).

12 Schimmer 2005a, 60.

Neben den militärisch gedeuteten baulichen Befunden wurden am Böckleareal

bei den Grabungen 2009/2010 auch zahlreiche militärische Ausrüstungs gegen -

stände (Militaria) gefunden. Das Spektrum der bisher zweifelsfrei als Militaria

identifizierten Funde umfasst Waffen (Pfeil- und Lanzenspitzen, Dolch scheiden -

fragmente) und Gürtelbestandteile (Gürtelbleche, Knopfschließe, Schurzan -

hänger). Eine Quantifizierung des Materials kann noch nicht vorgenommen

werden, da der Großteil der Metallfunde noch nicht restauriert ist. Zeitlich

reihen sich die bis jetzt bestimmten Militaria hauptsächlich in die tiberisch–nero-

nische Zeit (14–68 n.Chr.) ein; als militärische „Leitfossilien“ dieses Zeitraums

gelten etwa Dolchscheiden des Typus Mainz mit Rosettenverzierung13 (Abb. 1)

und Gürtelbleche mit Niello-Einlagen14 (Abb. 2–5). Aus dem südöstlich

an das Böckleareal angrenzenden Bereich sind von den Altgrabungen ähnliche

frühkaiserzeitliche Militaria-Funde bekannt15, sodass die von A. Hild aufgrund

der vor gelegten „Kastellbefunde“ vermutete Lokalisierung des Militärlagers im

westlichen Bereich des Ölrains durch das Kleinfundmaterial gestützt wird.16

Die gesicherte Zuweisung von Bauresten an dieses Lager und die Datierung der

Anlage sowie ihrer Auflassung (u.a. anhand der Funde aus den Spitzgraben -

verfüllungen) sind ein Hauptziel der Grabungsaufarbeitung. Weiters sollen im

Rahmen der Dissertation der Verfasserin die Militaria der Altgrabungen voll -

ständig vorgelegt und die von A. Hild militärisch interpretierten Befunde einer

neuerlichen Beurteilung unterzogen werden.17

Katalog ausgewählter militärischer Kleinfunde der Ausgrabungen

am Böckleareal 2009/2010

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13 Obmann 2000, 8 f.14 Deschler-Erb u.a. 1991, 27 f.15 Siehe etwa Hild 1930, 140; 142 Abb. 63; Hild 1948, 133–135 Abb. 32; 137 f. Abb. 33; 143 Abb. 35; 146 f. Abb. 38;

151. Eine Zusammenstellung der aus Vorberichten bekannten Militaria aus Bregenz findet sich bei Ubl 1999, eine genauere Bestimmung und zeichnerische Wiedergabe einiger Stücke bei Schimmer 2005b, 611 f.; 620 f. Abb. 10–11.

16 Siehe dazu die Verbreitungskarte der frühkaiserzeitlichen Militaria bei Schimmer 2005b, 622 Abb. 13. Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass ein Teil der Funde (v.a. Gürtelbestandteile) von Veteranen stammt, die sich in Brigantium angesiedelt haben. Zu diesem Thema siehe Mackensen 1987, 158 f.

17 Die Dissertation wird durch ein Doktoratsstipendium der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Vizerektorat für Forschung, gefördert.

Abb. 1: Fragmente einer Dolchscheide vom Typ Mainz aus Eisen mit Resten der Verzierung aus Bunt metall-Einlagen (Rosetten, Win kelhaken) sowie geritztem Lorbeer kranz (ur sprüng lich mit Email ge füllt). Länge (großes Fragment): 19,8 cm. Inv.Nr. Bö 827, aus Bef.Nr.174. Lit.: Obmann 2000, Taf. 5,GB 25; 7,NL 8; 15,D 27;23,HR 2; 73; Unz/ Deschler-Erb 1997, Taf. 12,206. Datie rung: augusteisch – Mitte 1. Jh. n.Chr.

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Abb. 2: Gürtelblech aus Buntmetall mitNiellodekor. Im Zentrum der dreigeteiltenMittelzone ein Ährenkreuz, in den beidenRandfeldern eine Art Schachbrettmuster.Äußere Rahmung durch Dreieckfries. 3 Nieten erhalten. Länge: 5 cm. Inv.Nr. Bö 838,aus Bef.Nr. 174. Lit.: Deschler-Erb 1999, Taf. 19,354; Unz/Deschler-Erb 1997, Taf. 40,1013–1023. Datierung: tiberisch–neronisch.

Abb. 3: Gürtelblech aus Buntmetall mit Niellodekor. Zwei Felder mit Kreuz- und Blütendekor, außen doppelter Recht -eck rahmen. Alle 4 Nieten erhalten. Länge:5,1 cm. Inv.Nr. Bö 1021, aus Bef.Nr. 174.Lit.: Unz/ Deschler-Erb 1997, Taf. 38,974.Datierung: tiberisch–neronisch.

Abb. 4: Gürtelblech aus Buntmetall mitNiellodekor. Schachbrettmuster, gerahmtvon Dreieckfries. 2 Nieten erhalten. Länge: 4,7 cm. Inv.Nr. Bö 990, aus Bef.Nr. 271. Lit.: Unz/Deschler-Erb 1997,Taf. 40,1028–1029. Datierung: tiberisch–neronisch.

Abb. 5: Gürtelblech aus Buntmetall mitNiellodekor. Drei Ährenkreuze (getrenntdurch stilisierte Blätter), außen Recht -eckrahmen. Keine Niete erhalten. Länge:4,3 cm. Inv.Nr. Bö 1024, aus Bef.Nr. 174.Lit.: Unz/Deschler-Erb 1997, Taf. 39,989;Deschler-Erb 1999, Taf. 19,352. Datierung: tiberisch–neronisch.

Abb. 6: Fragment einer Knopfschließe aus Buntmetall (für die Befestigung derDolchscheide am Militärgürtel) mit Niel -lodekor und Scharnier am Übergang zum(ansatzweise erhaltenen) Gürtelblech. Länge: 3,2 cm. Inv.Nr. Bö 157, aus Bef.Nr. 116. Lit.: Unz/Deschler-Erb 1997,Taf. 45,1214; Deschler-Erb 1999, 42.Datierung: 1. Jh. n.Chr.

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Abbildungsnachweis

Abb. 1-6: Julia Kopf.Abb. 7: TALPA GnbR.

Literaturverzeichnis

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Abb. 7: Östlicher Spitzgraben (Bef. 534, 535)der Grabung Bregenz Böckleareal 2009/2010.