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Musik

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Page 1: Musik

MUSIK

MAGAZINBESTELLEN UNTER:

www.postdigital-magazin.de

Page 2: Musik

Dreh den auf ...Sommer

...mit Coke und 18 Millionen kostenlosen Songs auf

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Anzeige CC Summer “ Spotify“ Format 210mm x280mm

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3Editorial   |

iebe Leserin, lieber Leser,

die Überschrift dieses Editorials könnte auch »Everything but stag- nation« lauten. Uns geht es in der Redak-tion nicht nur darum, neue Dinge zu ent-decken und Sichtweisen herauszuarbeiten – nein, wir geben diesem Magazin auch immer einen anderen visuellen Anstrich. Das fordert und fördert Kreativität und hält uns beweglich. Flexibilität und Veränderung sind auch für eine andere Branche Programm gewor-den: die Musikindustrie. »Es muss immer weitergehen. Musik als Träger von Ideen«, hieß es bei den Elektronik-Pionieren von Kraftwerk schon 1986. Damit tat sich die Branche allerdings lange schwer. Sie war über Jahrzehnte erfolgsverwöhnt, am Ende träge und in vielen Bereichen faktisch pleite. Der Grund: Mit dem Einzug digi-taler Medien veränderte sich alles radikal. Umdenken und neue Wege gehen in kurzer Zeit? Für die meisten unmöglich. Die Musikindustrie fiel erst in eine Schock-starre, dann in großes Selbstmitleid. Und das über lange, lange Zeit.Diese Phase scheint nun überwunden. Wer am Abgrund steht, ist gezwungen zu handeln. Frei nach dem Motto: raus aus der Lethargie, rein in die Mechanismen digitaler Kommunikation – kombiniert mit dem Besten aus unserer analog geprägten Vergangenheit. Künstler, Labels und Konzerte verkaufen sich immer stärker über Inhalte und echte oder inszenierte Lebenswelten, die PR- und Marketingexperten auf verschiedenen Kanä- len um die Musik herum kreieren. Die Musik selbst liefert also nicht mehr die Inspiration sondern muss heute inspiriert kommuniziert werden. Das führte zu Kom- munikationsbrüchen, zu massiven Verände- rungen und Umstrukturierungen im Musik- business – und es erzeugt heute ein hohes Maß an Kreativität und neuen kommu- nikativen wie wegweisenden Ansätzen. Genau diese Entwicklung hat uns zu dieser Ausgabe mit dem Titel »Musik« geführt.

Ohne Zweifel: Von dieser Branche kann man heute lernen. Und damit meine ich nicht die Diskussionen um Urheber- und Verwertungsrechte oder die angekündigte Tarifreform der GEMA. Obwohl das schon wieder ein prima Beispiel dafür wäre, wie sich eine Organisation in einer unnachahmlichen (und nicht empfehlens- werten) Art kommunikativ ins Abseits schießen kann. Nein, gemeint sind die erfolgreichen Ver-marktungsansätze von Künstlern, durch Inhalte über Dialog und Interaktions-kanäle Fans zu gewinnen; die Erfindung von wegweisenden Präsentations- und Erlebnisformaten oder die Neuinterpreta-tion und Re-Produktion von Live-Kom-munikation. Themen, Geschichten und Entwicklungen, die inspirieren, von denen sich fast jeder etwas für die eigene Arbeit abschauen kann. Die zeigen, wie sich Anbieter und Verbraucher neu arrangieren, miteinander interagieren und voneinander profitieren. Daher ist das Thema Musik das beste Beispiel für modernes Campaigning. »Everything but stagnation« ist zum tra-genden Leitgedanken einer gleichermaßen Musik verarbeitenden wie konsumierenden Generation geworden. Das wollen wir auf den folgenden Seiten abbilden. In diesem Sinne: Lassen Sie sich inspirieren, viel Spaß beim Lesen!

IhrMichael SodarHerausgeber

PS: Vielen Dank für die Denkanstöße, das positive Feedback und die konstruktive Kritik zu unserer ersten Ausgabe! Das alles lassen wir kontinuierlich on- und offline einfließen. Ihre Hilfe, Anregung und Unterstützung sind immer willkommen unter: [email protected] oder analog per Post.

Michael Sodar

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Page 4: Musik

Fon 030 / 27 57 66 99 Mail [email protected] Web www.clubconsult.deClubConsult, brückenstr. 1, 10179 berlin

Gefördert durch die Initiative Musik gemeinnützige Projektgesellschaft mbH mit Projektmitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grund eines Beschlusses des Bundestages.

ClubConsult bündelt und vermittelt expertenwissen für ein optimiertes Management, wirtschaftliche effizienz sowie nachhaltigkeit in der Musikwirtschaft.

Wir beraten Sie gern.BE PART OF IT!

ClubConsult ist ein Projekt der Clubcommission berlin – Verband der berliner Club-, Party- und Kulturereignis veranstalter e.V. und wird gefördert von:

AGENTUR FÜR CLUBKULTUR UND NACHHALTIGKEIT

InFORmATIOn- Sponsoring-aktivierung

- Corporate Social Responsibility- Vertriebspartner akquise

- Trendentwicklung

SOluTIOn- individuelle lösungsstrategien- Konzept- u. Projektentwicklung

- nachhaltigkeitsförderung

COnSulTIng

- Corporate Consulting Service- Produkt- u. Markeneinführung

- Sales Promotion- Coaching

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Von Musik und Mäusen

Alles bleibt anders wie der digitale wandel die Kommunikation von musik verändert

»When I'm more than I thought I could be« Karaoke als akt der Kommunikation, aufgenommen in monster ronson’s ichiban Karaoke, Berlin

»Interaktion – das richtige Rezept für die Marke« michael willeke, director marketing Communications bei Coca-Cola, zur Kooperation mit Spotify

Welchen Song haben Sie früher immer falsch verstanden?

Crowdfunding

Spiel mir das Lied von …

Crowdfunding für die Bindung markus linde, musikmanager und inhaber der agentur thag’s agent, zum vermarktungskonzept

Live und in Farbe immer mehr deutsche besuchen live-Konzerte – eine Suche nach den gründen

Fernsehen im Netz mit Stephanie renner, tape.tv

Draußen nur Kännchen! Service-design versus illegale downloads

Green Clubbing warum nachhaltige Events im trend liegen

Weil die Welt keine Scheibe mehr ist gastautor Klaus gropper, freier Kommunikationsberater, über digitale Kreativität

imprESSUm

Herausgeber Aperto Plenum GmbH, Chausseestraße 5, 10115 Berlin

eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg unter HRB 132279 B

Geschäftsführung: Michael Sodar,+49 30 283921 - 0, [email protected], www.aperto.de

AnzeigenBirthe Bruhns, +49 30 283921-493, [email protected]

RechtshinweisNachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicherGenehmigung der Aperto Plenum GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Autors wieder. Diese muss nicht der Meinung der Redaktion oder der Agentur Aperto AG entsprechen. Für unverlangt eingesandte Materialien wird keine Gewähr übernommen. Auch alle anderen Informationen in diesem Heft nachbestem Wissen, aber ohne Gewähr.

Papier: FSC 100 % RecycledDruck: Druckteam Berlin

Redaktionpostdigital, c/o Aperto Plenum GmbH, Chausseestraße 5, 10115 Berlin,+49 30 283921 - 493, [email protected], www.postdigital-magazin.de, Gründer und Herausgeber: Michael Sodar (V.i.S.d.P.)

Chefredaktion: Helge Birkelbach [email protected]. Chefredaktion, Textchefin, CvD: Birthe Bruhns, [email protected]  Direction: Dana Pfützenreuter, Denny Rosenthal,[email protected]: Karim Chughtai, Annekathrin Donath, Pauline Drewfs, Sven Golob, Kristina Heilgenthal, Katharina Heller, Henning Lisson, Jasmina Sierakowski

postdigital September 2012

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ERLÖSANTEILE AM

VERKAUF EINES

DOWNLOADALBUMS

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VERKAUF EINER

COMPACT DISC

9,9% KÜNSTLER

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16% MWST

18,6% VERTRIEB

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22% HANDEL

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15% GEMA

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BERECHNUNGSGRUNDLAGE: COMPACT DISC 15,90€ | DOWNLOADALBUM 9,99€ | EIN STREAM DES ALBUMS (die aufgeführten Werte entsprechen durchschnittlichen Erlösanteilen)

KÜNSTLERERLÖS: 1,57 €

KÜNSTLERERLÖS: 1,88 €

KÜNSTLER*

ERLÖSANTEILE AM

STREAMING EINES

ALBUMS AUF SPOTIFY

» I'm alive, I'm dead …« The Cure

*

62%DEATHSELLS

Anstieg der Albumverkäufe

(vier Monate vor versus vier Monate nach dem Tod)

60% LABEL

20% KÜNSTLER

20% VERTRIEB

QUELLEN: Statistisches Bundesamt, Bundesverband Musikindustrie e.V., »Selling the drama« (UZH)

KÜNSTLERERLÖS: 0,02 €

Sämtliche Absätze physischer Tonträger fallen weltweit seit mehreren Jahren – nur der von Vinyl-Alben steigt rasant: in Deutschland betrug das Wachstum der vergangenen 5 Jahre rund 200%.

In den letzten 10 Jahren sank der weltweite Absatz von Alben um circa 50%. Der von Singles erhöhte sich dagegen um 700%.

Nur 3,6% der in Deutschland abgesetzten Singles sind noch physischer Natur. Trotzdem überstiegen die Verkaufszahlen von CD-Alben im Jahr 2011 die der Single-Downloads.

Seit 2007 sank der Preis für Musikdownloads in Deutschland um etwa 25%. Der Musik-Download ist damit das einzige Kultur- und Medienprodukt, dessen Preis in der vergangenen Dekade nicht stieg.

Rund 10% des Umsatzes im digitalen Musikmarkt wird durch Streamingangebote erwirtschaftet.

Idee: Annekathrin Donath, Karim Chughtai | Grafik: Denny Rosenthal

Die Musikbranche ist im postdigitalen Wandel. Das sieht man besonders beim lieben Geld: Es gibt immer mehr Möglichkeiten, Musik an die Frau oder den Mann zu bringen. Wer verdient – neben den Künstlern – eigentlich alles daran mit?

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ERLÖSANTEILE AM

VERKAUF EINES

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ERLÖSANTEILE AM

VERKAUF EINER

COMPACT DISC

9,9% KÜNSTLER

5,2% CD-HERSTELLUNG

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KÜNSTLER*

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STREAMING EINES

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» I'm alive, I'm dead …« The Cure

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62%DEATHSELLS

Anstieg der Albumverkäufe

(vier Monate vor versus vier Monate nach dem Tod)

60% LABEL

20% KÜNSTLER

20% VERTRIEB

QUELLEN: Statistisches Bundesamt, Bundesverband Musikindustrie e.V., »Selling the drama« (UZH)

KÜNSTLERERLÖS: 0,02 €

Sämtliche Absätze physischer Tonträger fallen weltweit seit mehreren Jahren – nur der von Vinyl-Alben steigt rasant: in Deutschland betrug das Wachstum der vergangenen 5 Jahre rund 200%.

In den letzten 10 Jahren sank der weltweite Absatz von Alben um circa 50%. Der von Singles erhöhte sich dagegen um 700%.

Nur 3,6% der in Deutschland abgesetzten Singles sind noch physischer Natur. Trotzdem überstiegen die Verkaufszahlen von CD-Alben im Jahr 2011 die der Single-Downloads.

Seit 2007 sank der Preis für Musikdownloads in Deutschland um etwa 25%. Der Musik-Download ist damit das einzige Kultur- und Medienprodukt, dessen Preis in der vergangenen Dekade nicht stieg.

Rund 10% des Umsatzes im digitalen Musikmarkt wird durch Streamingangebote erwirtschaftet.

Idee: Annekathrin Donath, Karim Chughtai | Grafik: Denny Rosenthal

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Wie der digitale Wandel die Kommunikation von Musik verändert.Ein Gespräch in der Berliner Bar »Süß war gestern«.

Uwe Viehmann arbeitete zwölf Jahre lang für das deutsche Musik-Journal »Spex – das Magazin für Popkultur« – die letzten sechs Jahredavon als Chefredakteur. Im Jahr 2007 zog er für den Aufbau des Internet-Start-Ups Hobnox.com von Köln nach Berlin und verantwortete das WebTV der Plattform. Inzwischen arbeitet Viehmann als Konzepter für Digital-Projekte.

hendrik menzl ist Sänger und Produzent der deutschen Electronic-Band Supershirt und arbeitet als Booker und Manager beim Hamburger Label Audiolith. Audiolith gilt im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen aus dem Musikbereich als eines, das von den Möglichkeiten des Internets profitiert und diese besonders kreativ für sich nutzt.

Moderation: Pauline DrewfsFotos: Denny Rosenthal

Page 9: Musik

postdigital: Herr Schweizer, Sie haben gerade Ihren Künstler Cro mittels YouTube und Facebook auf Platz 1 der Albumcharts be-fördert. War das Glück oder Strategie?

SebaStian Schweizer: Beides. Glück hat natürlich eine Rolle gespielt, aber tatsäch-lich stecken zehn Jahre Arbeit dahinter. In dieser Zeit haben wir ein Netzwerk und die entsprechenden Strukturen aufgebaut, die es nun ermöglichen, das so erfolgreich zu kanalisieren. Mittlerweile hat Cro über eine Million Facebook-Fans.

pd: Verkauft man heute Neuentdeckungen über Social Media, Superstars wie Rihanna & Co. hingegen über Plakate?

thorSten klageS: Die Zeiten der Patent-rezepte sind vorbei. Es gibt nicht mehr die Handvoll klassischer Hebel, die man zieht und man weiß, es wird funktionieren. Frü-her zum Beispiel war die Videorotation auf einem Musiksender für einen New-comer ein großer Erfolgsgarant, heute ist sie ein Baustein von vielen. Die Kanäle und Mechanismen, über die man poten-zielle Käufer erreichen kann, sind komplexer. Daher spielt digitale Kommunikation auch für uns eine immer größere Rolle. Das fängt mit der Bewertung von neu entdeckten Künstlern an. Man kann jetzt früh erken-nen, wie weit eine Band aus eigener Kraft gekommen ist, wie groß ihr Netzwerk bereits ist, wie viel Aufbauarbeit noch ansteht.

pd: Kann man sich mit einer guten Social-Media-Strategie von der Musikpresse und dem Feuilleton unabhängig machen?

Uwe Viehmann: Nein, das glaube ich nicht. Und vor allem nicht ausschließlich mit einer schlauen Strategie. Entweder man macht das, weil man Lust dazu hat und es gut kann, oder man lässt es lieber. Eine Strategie ohne Selbstverständlichkeit von Seiten des Künstlers wirkt immer auf-gesetzt. Die Fans merken es, ob jemand die Kanäle gerne und natürlich bespielt, oder nicht. Es gibt Künstler, die ihr ganzes Leben nach außen tragen, das gefällt den Leuten natürlich, da es dann in der Regel auch zu den jeweiligen Künstlern passt.

thorSten klageS ist seit dem Jahr 2000 im Bereich New Media bei der Universal Music GmbH tätig. Zurzeit ist er als Director of New Media in der Domestic Division für die Online-Kommunikation von primär nationalen Künstlern verantwortlich. Zuvor arbeitete er als freierMitarbeiter im Bereich Digitale Kommunikation für diverseHamburger Agenturen.

SebaStian andrej Schweizer gründete 1999 das HipHop-Label CHIMPERATOR PRODUCTIONS, das u.a. Künstler wie Maeckes, Kaas, Tua und Die Orsons vertritt.Aktuell macht Chimperator vor allem mit Cro auf sich aufmerksam,der über Youtube und Facebook bekannt wurde und mit seinemAlbum Raop ab Veröffentlichung auf Platz 1 der deutschen Charts einstieg.

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Und dann gibt es diese Fälle, bei denen man deutlich merkt, dass eine dritte Per-son dahinter steckt. Das kann auch okay sein, aber die Relevanz ist nicht dieselbe und es gibt viel weniger Interaktion. Auch zur Presse hat der eine Künstler vielleicht einen besseren Draht, weil er ein Selbst-darsteller ist und sowieso jeden kennt und der andere ist eher der Zurückhaltende, der viel Unterstützung von PR-Experten braucht. Social Media ersetzt also nichts, es ist nur ein weiterer Weg, die Leute zu errei-chen. Was allerdings heute wichtiger ist für den Erfolg, darüber muss man nicht lan-ge nachdenken. Wenn man das Digitale beherrscht, ist das schon sehr hilfreich.

klageS: Es hilft sehr, wenn ein Künstler in der Lage ist, auf vielen Plattformen zu überzeugen und seine Persönlichkeit und sein Talent erkennbar werden: Auf der Bühne, durch einzigartigen Con-tent auf den Social Media Kanälen, im Umgang mit Medienpartnern und so weiter. Daraus können sich bei der Mar-kenbildung starke Synergien ergeben.Lana Del Rey ist ein gutes Beispiel. Ihr Weg waren großartige, eigenproduzier-te Videos, die sich viral verbreitet haben. Sie hat einen sehr persönlichen Stil – musikalisch, aber auch auf anderen Ebe-nen, wie zum Beispiel bei ihren Face-book-Postings. Sie war in der Lage, den Hype auf Basis ihrer Internet-Story richtig zu nutzen und die Türen, die sich für sie dadurch geöffnet haben.

Viehmann: Ich habe eine Weile lang Bands in dem Bereich gecoacht. Die fanden das meist erst mal albern, weil sie dachten, Social Media heißt, Dinge wie »habe gerade gegessen« zu posten. Und wenn man dann eine Weile mit denen gearbeitet hatte, dann machte es bei der einen Hälfte plötzlich Klick und die Begeisterung war da. Gerade auch darüber, dass sie selbst bestimmen können. Das ist ja für Künst-ler, die in einem größeren Zusammenhang

stehen, eher selten. Und die andere Hälfte möchte einfach nicht über Social Media kommunizieren und dann nützt auch die Strategie nichts. Manchmal helfen dann noch Tricks; zum Beispiel könnte man einen Twitter-Account für die Gitarre ein-richten, wenn der Sänger selbst dort nicht sprechen möchte. »Konzert war super, aber jetzt bin ich wieder in diesem dunklen Loch während die anderen trinken gehen«. Das kann auch lustig sein. Aber eben nur, wenn es auch klar für die Fans ist, was da passiert. Schwierig wird es vor allem dann, wenn eine dritte Person die Postings macht und das nicht klar kommuniziert wird. Das führt schnell zu Verwirrung, weil die Leute es inzwischen gewohnt sind, dass der Künstler selbst spricht. Und wenn man merkt, dass es nur so aussehen soll …

klageS: Oh, das ist ganz schlecht. [Lachen]

Schweizer: Auf lange Sicht merken die Leute das tatsächlich immer. Dann sind sie natürlich enttäuscht und das kann einen großen Image-Schaden bedeuten.

pd: Herr Menzl, Sie gehören mit Ihrem Electro-Trio Supershirt zu den Künst-lern, die ihre Social-Media-Kanäle selbst bespielen. Wie gehen Sie das an, wenn ein neues Album kommt – entwickeln Sie eine richtige Strategie?

hendrik menzl: Ja, als Band machen wir uns schon einen Plan. Wir setzen uns zu-sammen und denken uns lustige Content- Ideen aus, die in Zusammenhang mit uns,

unserer Musik und der neuen Platte stehen und die über einen längeren Zeitraum tragen. Die Leute wollen ja auch über die Musik hinaus unterhalten werden. Beim letzten Album haben wir uns zum Beispiel gefilmt, wie wir Kunstwerke machen. Dazu haben wir Fotos gemacht, während des Entstehungsprozesses darüber berichtet und die Videos online gestellt. Mit den Kunstwerken haben wir dann eine Ver- nissage veranstaltet, davon gab es auch wieder Fotos und Videos.

pd: Lars Lewerenz, der Gründer von Audio-lith, sagt, ohne das Internet gäbe es das Label nicht. Gilt das auch für Supershirt?

menzl: In gewisser Weise schon, weil dort eben die Kommunikationskanäle sind, über die wir am meisten machen. Wir hatten nie viel Geld, um Promotion-Agenturen zu engagieren. Stattdessen sind wir immer viel getourt und haben darüber berichtet. Damit erreichen wir dann auch die Leute außerhalb des Konzerts.

pd: Klassische PR und Werbung sind in der Regel One-Way-Kommunikation – über Social-Media-Tools bekommt man oft ein starkes User-Feedback. Ist das verwertbar?

Schweizer: Ja, wir gucken da schon regel-mäßig drüber. Aber ich finde Feedback im Netz ist fast nie konstruktiv. Man darf das nicht zu nah an sich heranlassen. Für mich ist es nicht so schwierig, weil es nicht

»Entweder man macht das, weil man Lust dazu hat, oder man lässt es lieber. Eine Strategie ohne Selbstver-ständlichkeit wirkt immer aufgesetzt.«

Uwe Viehmann

»Feedback im Netz ist fast nie konstruktiv. Zu viel darüber nachzudenken ist für den Künstler eher kontraproduktiv.«

SebaStian Schweizer

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meine Musik ist. Aber für Carlo [Anm. d. Red.: Cros bürgerlicher Name] ist das schon manchmal komisch und darüber reden wir auch oft. Zu viel darüber nach-zudenken ist für den Künstler allerdings eher kontraproduktiv, denke ich.

pd: Es kommt aber nicht unbedingt nur Kritik, es kommen auch Wünsche, zum Beispiel an einem bestimmten Ort ein Konzert zu spielen oder Ähnliches. Fließt das dann auch in die Tourplanung ein?

klageS: Das sind interessante Informa- tionen, auch wenn es zum Beispiel um die Erschließung internationaler Märkte geht. Da kann man oft schon früh erkennen, wo gerade eine Nachfrage entsteht.

Schweizer: Wir haben das für Cros Plakat- kampagne genutzt. Da haben wir geschaut, welche Städte die Top 10 mit den meisten Fans sind und wo eher weniger Interesse war, haben wir entsprechend weniger pla-katiert.

pd: Man könnte meinen, dass es durch das Internet einfacher und kostengünstiger ge-worden ist, seine Fans oder potenziellen Fans zu erreichen. Aber ist es nicht gleich-zeitig viel schwieriger geworden, sich aus der Masse hervorzuheben?

klageS: Das wird leider zusehends eine Frage des Geldes. Facebook lässt sich die Sichtbarkeit mehr und mehr bezahlen. Ein cleveres Geschäftsmodell.

menzl: Genau das macht Facebook aber für uns in letzter Zeit wieder uninteres-santer. Wir sind ja da hingegangen, weil es umsonst war. Und jetzt kostet es eben doch etwas, zumindest wenn man wirk-lich etwas erreichen will. Wir versuchen jetzt wieder, auf anderen Kanälen mehr zu machen. Facebook ist ja nun auch nicht alles. Viehmann: Das gilt tatsächlich für alle anderen Bereiche wie Werbung, Marken und Produkte ganz genauso. Der Trend ist, wer nicht schon erfolgreich auf Facebook ist, der lässt es besser bleiben. Der Zug ist abgefahren. Das ist für eine Privatperson erst mal uninteressant, aber für jedes wirt-schaftliche Interesse ist klar, dass in zwei

Uwe Viehmann, Thorsten Klages, Sebastian Schweizer, Hendrik Menzel und Pauline Drewfs (v.l.n.r.)

Page 12: Musik

Jahren einfach alles nur noch für 50 oder 200 Dollar geht: Wer wie sichtbar ist, diese Stellschrauben drehen andere. Und das Wichtigste bei all dem ist, sich bewusst zu machen, dass Social-Media-Kanäle keine Wohltätigkeitsvereine sind. Was denen nicht passt, wird abgeschaltet. Das ist alles nur geliehen. Man schenkt jemandem etwas – nämlich Content – dafür, dass man sich kurzfristig seine Technik leiht.Wer das nutzt, sollte rechtzeitig daran den-ken, sich woanders etwas aufzubauen, gera-de wenn es gut läuft. Weil es morgen ein- fach vorbei sein kann. Facebook könnte einfach pleite sein, dann ist es weg. Dann stehen da hunderttausende von Bildern, die längst keiner mehr auf seinem Handy hat, im Nichts herum. Was nicht so eine schöne Vorstellung ist. Genauso die Blog-Systeme wie Tumblr, auch das kann einfach morgen abgeschaltet werden. Dann wären so 20.000 Postings einfach weg, wenn man sich nicht um Backups kümmert. Das ist dann der Preis für das Umsonst.

pd: Welche Rolle können Kooperationen mit Marken spielen, ist das ein Weg für mehr Sichtbarkeit?

menzl: Für uns geht das nur bedingt, es kommt sehr stark auf die Marke an. Wir gucken uns die Partner schon sehr genau an, mit denen wir zusammenarbeiten.

pd: Wie müsste denn eine Marke auf einen Künstler zugehen?

menzl: Ich glaube, bei uns hat das tat-sächlich noch nie geklappt. Wenn, dann hat es sich über persönliche Kontakte ergeben. So ein offizielles Anschreiben, das wirkt auf uns immer zuerst mal sus-pekt und ist es dann meistens auch.

Schweizer: Mit Cro wollen natürlich gerade alle alles machen, und wir haben bisher nichts gemacht. Jetzt machen wir zum ersten Mal etwas Kleines mit Adidas, da hat natürlich auch das Geld eine Rolle gespielt. Aber Carlo muss es eben auch gut finden und Lust drauf haben. Wir hatten eine lustige Anfrage von einem Wursthersteller, der hat uns für einen einzigen Facebook-Post auf Carlos Seite

10.000 Euro geboten. 10.000 Euro sind natürlich schön, aber was für ein Quatsch! Haben wir natürlich nicht gemacht.

menzl: Das klingt für uns wiederum sehr interessant! [Lachen]

pd: Wird weiterhin viel Geld in klassische PR investiert oder ist auch da deutlich, dass Social Media an Bedeutung gewon-nen hat?

klageS: 40 Prozent des Gesamtumsat-zes wandern inzwischen über digitale Plattformen und entsprechend verschie-ben sich auch Budgets. Aber es ist nach wie vor wichtig, die klassischen Kanäle

»Es ist nach wie vor wichtig, die klassischen Kanäle zu bedienen, um die Leute über einen sinnvollen Kommuni- kationsmix zu erreichen.«

thorSten klageS

Die Bar »Süß war gestern« in der Wühlischstraße 43 in Berlin-Friedrichshain

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Inhalte der Kategorie »witzige Bilder« gepostet. Wer auch immer sich darum kümmert, denkt vielleicht, dass Facebook vor allem jüngere Leute anspricht, die man so auf das ZEIT-Abo in zehn Jahren vorbereitet. Es ist gar nicht unbe-dingt falsch, die Leute freut es ja und das ZEITmagazin hat unglaublich vie-le Fans [Anm. d. Red.: knapp 75.000 aktuell]. Aber da entsteht so eine Schief-lage zu dem, was DIE ZEIT eigentlich ausmacht.

Im Falle einer Band, die so einen »Comedy-Kanal« auf Facebook betreibt, heißt das, dass sie zwar unfassbar viele Fans auf Facebook haben, aber auf den Konzerten stehen dann 100 Leute. Das ist also alles lustig und nett, aber am Ende hat man nichts davon.

pd: Das heißt, die Fan-Zahl sagt nichts darüber aus, wie viele Leute am Ende das Konzert besuchen oder das Produkt kaufen?

Viehmann: Nur bei diesen Extrembei- spielen. Allgemein ist so eine Fan-Zahl schon ein ganz guter Gradmesser. Zumindest dann, wenn die Aktivitäten einen erkennbaren Bezug zum Künstler und seinem Schaffen haben.

menzl: Aktuell stimmt das noch, aber das kann sich genau wie bei MySpace in einem Jahr völlig umdrehen. Wenn sich jede langweilige Band eine Million Fans gekauft hat, dann wird auch Facebook für uns irrelevant werden.

klageS: Auch die Produkte gab es ja frü-her in dieser Vielfalt nicht. Da gab es die Schallplatte: Covermotiv vorne, Tracklis-ting auf der Rückseite – fertig. Das hat sich unglaublich diversifiziert. Für jeden Ver-triebskanal gibt es jetzt eigene Produktde-rivate, die Planung einer Kampagne ist viel kleinteiliger geworden. Noch vor zehn Jahren war das wesentlich einfacher, jetzt muss der Produktmanager die Kanäle und deren Spezialisten regelrecht durchorches-trieren. Dadurch erhöht sich natürlich auch das Risiko, Fehler zu machen.

pd: Tatsächlich? Man könnte ja auch mei-nen, die Vielzahl der Optionen erhöhe die Chance, dass eine davon zum Erfolg führt.

klageS: Richtig, aber man kann wie gesagt auch viel mehr falsch machen. Es gibt so viele Bands die es schaffen könnten, aber das Nadelöhr zum Erfolg wird immer enger. Das ist wesentlich schwieriger ge- worden und verlangt viel Durchhalte-vermögen. Herr Schweizer sagte, hinter Chimperator und dem Erfolg von Cro stehen zehn Jahre Aufbauarbeit, da muss man schon sehr an die eigene Stärke glauben, um diesen Weg bis zum guten Ende durchzuhalten.

pd: Kann man diese Entwicklung auch auf andere Bereiche übertragen?

klageS: Musik ist natürlich ein spezieller Fall, denn Musik ist eine Herzensange-legenheit, bei der nicht immer ein mone-tärer Gedanke im Vordergrund steht. Aber in der Kommunikation ist es sicher für alle komplexer geworden. Große Marken neh-men sich große Agenturen nur für ihre Facebook-Strategie. Es ist immer ein hoher Aufwand nötig, damit sich etwas von der Masse abhebt.

Viehmann: Erstaunlich ist, wie viele das Social Web noch immer nicht richtig ernst nehmen. Das ZEITmagazin ist so ein Beispiel, dort werden eigentlich nur

zu bedienen, um über einen sinnvollen Kom-munikationsmix die Leute zu erreichen. TV und Radio sind weiterhin wichtige Kanäle, über die man viel erreicht, und genauso die Presse. Aber es geht schon vermehrt in den Online-Bereich, das ist deutlich zu spüren. Die Aufgabe ist dort, verstärkt relevanten und mediengerechten Content zu schaffen. pd: Kommunikation ist also insgesamt kom- plexer geworden?

Viehmann: Definitiv. Alles ist unfassbar klein-teilig geworden. Ständig müssen Mikroent- scheidungen getroffen werden, bei denen trotz-dem alle mit den Schultern zucken und sich fragen, ob sie draufklicken sollen oder nicht.

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»Wir versuchen jetzt wieder, auf anderen Kanälen mehr zu machen. Facebook ist ja nun auch nicht alles.«

hendrik menzl

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Wer sich auf eine Bühne stellt, hat etwas zu sagen. Auch und gerade beim Singen. Karaoke ist ein besonderer Fall –den Song hat jemand anderes schon gesungen und das in der Regel besser. Also wird alles in die Performance gelegt, um mitzureißen, sich darzustellen und zu zeigen, was man zu sagen hat. Ein purer Akt der Kommunikation, aufgenommen in Monster Ronson’s Ichiban Karaoke, Berlin.

Fotos: Julia Schauenburg • www.juliaschauenburg.com * Whitney Houston / One Moment In TimeBERLIN

Markus

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15FOTOSTRECKE   |

4 Non Blondes / What’s UpBERLIN

stephanie

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Madonna / Like A VirginTEL AVIV

Galia und …

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Madonna / Like A VirginTEL AVIV… OMer

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Queen / Bohemian RhapsodyHELSINKIJOOnas

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Britney Spears / I'm Not A Girl, Not Yet A WomanBERLINdavid

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www.wasser-wirkt.de

Gründe eine Spenden-Band und sammel Spenden für Kinder in Not!

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Michael Willeke, Director Marketing Communications bei Coca-Cola, über die Kooperation seines Hauses mit Spotify Interview: Birthe Bruhns / Pauline Drewfs

pd: Herr Willeke, Coca-Cola lässt das Publikum jetzt seinen eigenen Sound zur Marke zusammenstellen. Wie genau funktioniert das?

willeke: Die Verbindung zu Musik hat bei Coca-Cola lange Tradition, ganz originär natürlich mit den Songs aus unseren TV-Spots, die sich großer Beliebtheit erfreuen: Das fängt an bei den berühmten, allseits beliebten Songs zu unseren Weihnachts TV-Commercials, die es regelmäßig in die Charts schaffen; aber auch beim aktuellen Spot zur Coca-Cola-Summer-Kampagne sehen wir gerade im Bereich Social Media wiederholt ein vermehrtes Nachfragen zum Song, der absolut passend zu den Bildern das perfekte Gesamtbild formt. Der Song heißt übrigens »Open Hap-piness« und stammt im Original von Butch Walker. Durch unsere enge Partnerschaft mit dem Streaming-Anbieter Spotify haben wir nun ein Feature entwickelt, das in dieser Form absolut einzig- artig ist und weltweit noch nicht umgesetzt wurde: User können ihre eigene Playlist erstellen und dazu das Album-Cover über Facebook Connect personalisieren. So produzieren sie praktisch ihr eigenes Album, mit individuellem Cover.

pd: Normalerweise verbindet man eine Marke mit dem Lied des aktuellen Werbespots. Über Spotify kann das Publikum Ihre Marke nun mit 18 Millionen verschiedenen Songs verbinden. Sorgen Sie sich nicht um eine Verwässerung des Images?

willeke: Der TV-Commercial hat einen starken Sympathie- faktor und Wiedererkennungswert durch die Musik. Nichtsdesto-trotz ist Musik immer etwas sehr Individuelles und variiert. Es ist abhängig von der Stimmung, wann man sie hört oder davon, wo man gerade ist. Genau aus diesem Grund geben wir den Usern die Möglichkeit, für ihren eigenen Gemütszustand passende Playlists anzulegen und diese mit ihren Freunden zu teilen. Um die User entsprechend zu inspirieren, haben wir mit DAS BO einen ab-soluten Musikexperten mit hoher Glaubwürdigkeit, der als Inspi- ration eigene Playlists erstellt. Damit motiviert er die User über

verschiedene Werbemittel, Gleiches zu tun. Jede Woche küren wir die beliebteste Playlist und belohnen den Ersteller mit einem Premium-Abo. Wir erachten diese Art von Interaktion als genau die richtige Art, als Marke mit den Usern zu kommunizieren, ihnen einen echten und relevanten Mehrwert zu geben und auf-zusetzen auf existierenden Verhaltensweisen, anstatt den Usern künstlich etwas aufzwingen oder beibringen zu wollen.

pd: Sie sind für die Konzeption sowie Umsetzung integrierter Marketing-Kampagnen und Mediastrategien aller Coca-Cola- Marken zuständig. Heute binden wir Digitales wie Spotify selbst- verständlich in unseren Alltag ein. Inwiefern müssen wir Kampa- gnen-Kommunikation neu denken? willeke: Wir trennen schon lange nicht mehr in Online und Offline. Wir starten immer mit einer medien- und kanalüber- greifenden Kampagnen-Idee. Dann überlegen wir uns, welche Kanäle besonders dafür geeignet sind, diese Idee zu unterstützen und legen eine entsprechende Strategie fest. Digitale Kanäle spielen da natürlich immer eine Rolle, weil unsere Kampagnen-Inhalte dort sowieso diskutiert werden und damit digital und »social« sind. Ein TV-Commercial wird zwar für die Ausstrahlung im TV gedreht, aber auf YouTube diskutiert. Wir wollen natür-lich Teil dieser Konversationen sein und freuen uns über den Dialog mit unseren Nutzern, demnach designen wir die entspre-chenden Bestandteile unserer Kampagnen genau unter diesem dialogischen Aspekt.

pd: Sie haben einmal gesagt, digitales Marketing sei ein Dauer-lauf, kein Sprint. Ihre Kooperation mit Spotify ist eine innovative Sache – was kommt danach?

willeke: Music Streaming ist ein Trend, der sich unserer Mei- nung nach in Zukunft noch sehr stark etablieren wird. Als Coca-Cola unterstützen wir diesen Trend daher sehr gerne, um unseren Nutzern zusammen mit Partnern wie Spotify solche Plattformen, Services und den Zugang zu Musik kostenfrei zu ermöglichen – auch durch unser Engagement. Music Streaming ist ein Trend, der im Moment noch in den Kinderschuhen steckt, aber enorme Potentiale hat. Deshalb sind wir sehr zuversichtlich, diesen Trend langfristig zu unterstützen und immer mit innovativen Weiter-entwicklungen aufzuwarten, auch im Rahmen unserer globalen Partnerschaft mit Spotify. Im digitalen Marketing haben wir das Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft und setzen hier weiterhin auf Innovationen und Trends.

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»Ich hab mich damals schon immer gefragt, wer dieser Mirko sein soll, bin der Sache aber nie auf den Grund gegangen. Aufgeklärt hat sich das Missverständnis für mich erst vor wenigen Jahren.«

»Niemand hat es je gehört, aber er sagt es. Mit Sicherheit. Der Song fängt mit Percussions an und baut sich langsam auf. Und das allererste Wort, das er dann sagt, ist: Gisela.«

»laSt night i heard my mama Singing a Song«

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Middle Of The Road »Chirpy Chirpy Cheep Cheep«

The Rolling Stones »Sympathy For The Devil«

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Hot Chocolate »You Sexy Thing«

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The Black Eyed Peas »Just Can't Get Enough«

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i'm addicted to thegerman Side of life«

rUNdrUF  |

Page 24: Musik

NErdiSCHÕ

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Ù Crowd  | fun  | ding

Text: Sven Golob

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein finnischer Filmemacher klingelt an Ihrer Tür und sagt: »Hallo. Ich sammle Geld für einen Film über Nazis, die auf der dunklen Seite des Mondes unentdeckt eine Basis errichtet haben und im Jahr 2018 auf die Erde zurückkehren. Wollen Sie spenden?«Und jetzt stellen Sie sich vor, er hätte auf diese Weise 16 Prozent des gesamten Film-budgets gesammelt. Unfassbar? Realität! Der Film heißt »Iron Sky« und ist eines der bekanntesten Crowdfunding-Projekte der letzten Jahre. Crowdfunding – Finanzierung durch die Community. Für diese neue Art des Geldsammelns ist Kickstarter eine der wichtigsten Platt- formen. Allein dort sind so bereits 238 Millionen US-Dollar für insgesamt 26.374 Projekte zusammengekommen. Beworben wird hier alles, vom Musikprojekt bis hin zur Mondsonde. Zur Belohnung für erfolg-reiche Unterstützung bieten Kreative dem geneigten Spender Extras, zum Beispiel ein handsigniertes Exemplar der co-finan-zierten Erfindung. In der Independent-Szene wird gemunkelt, die Musik- und Filmbranche würde durch

Crowdfunding revolutioniert. Die Mittels-männer zwischen Künstlern und Publikum, also etwa Plattenlabels und Vermarkter, fallen bei diesem Konzept schließlich weg. Der Kreative wird von seinem Publikum finanziert – solange die Kunst gefällt.Vor allem kleine Projekte mit Spenden- zielen unter 10.000 US-Dollar, die sich viel Zeit mit dem Geldsammeln lassen, können von Crowdfunding profitieren. Wer eine größere Summe einnehmen will, braucht eine breite Fanbase: Die US-amerikani-sche Bloggerin Jeanne Pi und der Statistik- Professor Ethan Malick fanden heraus, dass ein durchschnittliches Crowdfunding- Projekt ein Spendenziel von 10.000 US-Dollar wahrscheinlicher erreicht, je mehr Facebook-Freunde die Initiatoren haben.

Erst ab 10.000 Freunden hat das Projekt eine 40-prozentige Erfolgswahrscheinlichkeit.Jetzt mag sich so mancher Kommunika-tionsexperte denken: Nette Sache, aber was bringt mir Crowdfunding für meinen Arbeitsalltag in meinem Unternehmen? Der Aufwand, ständig mit den Spendern in Kontakt zu bleiben und neue anzuwerben, scheint ja ziemlich hoch zu sein.Die Antwort ist einfach: Handelt es sich um ein interessantes Projekt, mit dem sich die Individuen der Zielgruppe identifizie-ren, können sie sich in glühende Verfechter der Sache verwandeln. In Fans, die Freun-de und Bekannte für das Projekt des Unter-nehmens gewinnen wollen. Und kann es einen überzeugenderen Multiplikator ge- ben, als einen glühenden Fan? Eben.

Spiel mir das Lied von ... ?

Teilnahme ab 18 Jahren; ausgenommen: Aperto- und Juke-Mitarbeiter. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Aperto Plenum lost drei Gewinner aus und benachrichtigt sie per E-Mail. Bei Unzustellbarkeit wird neu gelost. Der Teilnehmer stimmt zu, dass personenbezogene Daten (gemäß Bundes- datenschutzgesetz) im erforderlichen Umfang verarbeitet werden. Er hat Anspruch auf Auskunft oder Berichtigung nach den gesetzl. Vorgaben und kann die erteilte Einwilligung widerrufen, was den Ausschluss vom Gewinn- spiel zur Folge hat.

Folge der URL www.postdigital-magazin.de/play und tippe die nebenstehende Buchstabenfolge auf deiner Computertastatur. Welches Lied suchen wir? Schicke uns deine Antwort an: info@postdigital- magazin.de ! Vor-, Nachname und Postadresse nicht vergessen. Teilnahmeschluss ist der 15.10.2012.

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Page 25: Musik

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Markus Linde ist Inhaber der Synchronisationsagentur »thag’s agent« und ehemaliger Geschäftsführer der renom-mierten Hamburger Freibank Musikverlage. Mit der Berliner Musikerin Diane Weigmann, die er als Manager betreut, wagt Linde das Experiment Crowdfunding: Das neue Album soll mit Unterstützung der Fans finanziert werden. Interview: Pauline Drewfs

pd: Sie haben sich entschieden, das neue Album von Diane Weig- mann teilweise über Crowdfunding zu finanzieren. Warum?

linde: Diane hat ihr Album, das im Februar 2013 erscheinen soll, ohne Plattenfirma frei von Verträgen und Druck selbst produziert und finanziert. Dabei wurde klar, dass sie auch für die Vermark-tung auf die übliche Bittsteller-Runde bei den großen Platten- firmen verzichten will. Mit Crowdfunding bittet man nicht unbeteiligte Dritte wie zum Beispiel Banken um Geld, sondern die Menschen, für die man die Musik macht, diejenigen, die eine besondere Verbundenheit und ein spezielles Interesse daran haben: die Fans. So wird der pragmatische Geldbedarf als Motiv für Crowdfunding durch die ganz unmittelbaren Kommunika-tions- und Bindungsmöglichkeiten ergänzt. Das entspricht auch in hohem Maß Dianes Wesen.

pd: Also ist Crowdfunding auch eine Möglichkeit, langfristig Fans zu binden?

linde: Ja, Persönlichkeit und Originalität in der Ansprache und die Qualität der angebotenen Inhalte machen den Unterschied. Wenn Crowdfunding nicht nur als interessantes Shopsystem mit ausgesuchten Produkten, sondern auch als Kommunikations-plattform verstanden wird, wenn der Fan darin seinen Künstler erkennt und eine solidarisch-loyale Nähe entsteht, dann kann dar-aus eine langfristige und immer neu belebbare Verbindung werden.

pd: Wie rufen Sie die Fans zum Spenden auf? linde: Wir holen die Fans dort ab, wo sie sind: bei Facebook, auf Dianes Website, im Mail-Verteiler. Wir laden sie initial zum Mitmachen ein, mit einem neuen Song und einem sehr schönen persönlichen Video aus Material, das die Fans geschickt haben. Diane ist es ein Anliegen, ihren Fans das Konzept zu erklären und wofür sie ihre Unterstützung braucht. Es wird über den gesamten Aktionszeitraum – August bis November 2012 – eine Ansprache auf zwei Ebenen geben: einmal die Pflege der bereits gewonnenen Teilnehmer und, ganz wichtig, die Akquisition neuer Fans und Spender. Das alles passiert über exklusive musikalische Angebote teilweise sehr persönlicher Art, über Botschaften und Aktionen, die die Leute im Gegenzug für ihre Unterstützung bekommen.

pd: Und was gewinnen die Fans dabei?

linde: Im Idealfall mindestens ein gutes Gefühl von Schulter-schluss und Gemeinsamkeit. Sie lernen Diane näher kennen. Und sie bekommen exklusive Musik und wirklich ausgesuchte persön-liche Inhalte vom Privatkonzert bis zu Mamas selbst gestrickten Kuschelsocken, je nach Höhe des Spendenbetrags.

pd: Wie verändert Crowdfunding das Berufsbild des Künstlers, was braucht man dafür und wie wirkt es sich auf die Kommunikation aus?

linde: Crowdfunding kann für professionelle Künstler ein Weg zu wirtschaftlicher Emanzipation sein. Das Prinzip der kompromiss- reichen Geschäftspartnerschaft mit einer geldgebenden Platten- firma kann durchbrochen werden – zu Gunsten konstruktiverer stra-tegischer Partnerschaften und Modelle. Gleichzeitig stellt Crowd-funding neue Ansprüche an Kreativität und Fleiß in der individu-ellen Kommunikationskompetenz und im künstlerischen Schaffen. Schließlich müssen Unterstützer sorgfältig gepflegt werden. Man kommt den Fans deutlich näher. Man spricht sie direkt an, er- klärt ihnen ein Stück weit eine als privat empfundene Situation, nämlich Geldbedarf, und bietet persönliche Waren und Leistun- gen im Gegenzug. Das ist eine deutlich anspruchsvollere Kommu-nikation als das Versenden von Newslettern und bindet Künstler und Fans stärker aneinander. Davon kann man nur profitieren.

Mehr Infos zu Diane Weigmann auf www.diane-weigmann.de.

Markus LindeDiane Weigmann

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ereinzelte Schreie und Rufe, kleine Blitze von Smartphones und Digi-cams erhellen für Momente die riesige Halle. Es wird dunkler,

von den hinteren Reihen aus schieben die Massen nach vorne – 13.000 Menschen im Fieber: Sie alle sind wegen derselben Sache zusammen gekommen. Sie alle werden Madonna live sehen.Bis zu 194 Euro zahlten die Fans im Sommer dieses Jahres für das ausverkaufte Konzert der Künstlerin in der Berliner o2 World. Damit liegen sie im Trend: Die Preise für Konzertkarten steigen, allein in den ver-gangenen Jahren erhöhten sie sich um acht Prozent auf durchschnittlich 32,30 Euro. Das ergibt eine aktuelle Studie der Gesellschaft für Konsumforschung und des Bundesverbandes für Veranstaltungs-wirtschaft. Dem Umsatz der Live-Industrie tut das keinen Abbruch: 2.763 Millionen Euro wurden im Jahr 2011 mit Musik-veranstaltungen erwirtschaftet, 22 Prozent mehr als in der letzten Erhebung 2009.Aber warum geben wir überhaupt noch Geld aus, um Künstler live zu sehen? Streams von Konzerten sind doch massen-haft im Internet verfügbar und jederzeit bequem abrufbar.Für die Musik- und Kulturwissenschaft-lerin Susanne Binas-Preisendörfer ist die Antwort klar: »Wer ein Live-Event besucht, bricht mit dem Alltag und überschreitet seine Grenzen«, sagt die Professorin am Institut für Musik der Universität Olden-burg. Die Lautstärke, die Menschenmassen, spät zu Bett gehen und ungewöhnlich

viel Geld ausgeben – das macht Konzerte zu etwas Besonderem. »Wir sprechen hier von Grenzüberschreitungen, die wir etwa von Weihnachts- und Hochzeitsfesten kennen«, erklärt Binas-Preisendörfer. So wird das Konzert zu einem Ritual, zu einem erfreulichen Ausbruch aus dem Alltag.Die Argumentation des Musikpsychologen Hans Neuhoff hingegen rührt an die Grundlagen, die das menschliche Zusam-menleben bestimmen. »Ausschlaggebend ist die Anwesenheit vieler anderer Personen und die räumliche Nähe zu ihnen«, sagt der Professor an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. »Das löst kognitive und hormo-nelle Prozesse aus, die als angenehm emp-funden werden und das ist letztlich der Grund, warum wir Live-Events aufsuchen.«

Faszination durch MenschenmassenDer Mensch als Herdentier – also besteht der Hype um Live-Events vor allem wegen des Publikums, nicht wegen der Bands? Diese These scheint ein neuer Trend zu bestätigen: So lockt die Übertragung von Pop- und Rock-Konzerten immer mehr Besucher in die Kinos. Im Jahr 2012 sahen zum Beispiel mehr als 20.000 Menschen in Holland, Spanien, Österreich, Finn-land und Schweden vom Kinosessel aus die Konzerte von NKOTBSB. Dahin-ter verbergen sich die erfolgreichen Boy-bands New Kids On The Block und die Backstreet Boys. Ihre gemeinsame Tour war ein riesiger Erfolg und spielte mit 51 Live-Konzerten über 40 Millionen Dollar ein. Wer nicht das Glück hatte,

live dabei zu sein, konnte das Konzert aus der Londoner o2-Arena am 29. April 2012 live auf der Leinwand verfolgen – in einem von 39 Kinos europaweit.

Live-Event fürs FirmenimageSzenenwechsel: Im Sommer vergangenen Jahres versammeln sich rund 20.000 Men-schen vor einer 180 Quadratmeter großen LED-Leinwand, um Wagners »Lohengrin« zu sehen. Es ist heiß, die Sonne knallt auf den Festspielplatz in Bayreuth. Niemand ist in der für die Festspiele üblichen Abend-garderobe gekommen. Stattdessen Familien auf gemütlichen Campingstühlen, Picknick-decken, selbstgemachte Sandwiches und kühle Getränke.Auf die Beine gestellt hat das Public Viewing nicht ein Konzertveranstalter, sondern Siemens. Der Großkonzern gehört zu einer ganzen Reihe von Firmen außerhalb der Musikindustrie, die den aktuellen Live- Trend für ihr Marketing nutzen. »Siemens geht es bei solchen Live-Übertragungen wie etwa aktuell bei den Salzburger Festspielen darum, Kultur und Kunst an Zielgruppen zu vermitteln, die es sich sonst nicht leisten können, die Festspiele zu besuchen, und es geht darum, positive Nebenwirkungen für das Unternehmen zu erzielen«, sagt Karlheinz Groebmair, Pressesprecher der Siemens AG. Zudem schlage die Ausrichtung solcher Live-Events gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: sie seien nicht nur presserelevant, sondern erzielten auch eine positive Reso- nanz bei den eigenen Mitarbeitern und bän-den sie dadurch an das Unternehmen.

immer mehr deutsche besuchen live-konzerte – obwohl die ticketpreise steigen und Video-mitschnitte jederzeit online verfügbar sind. eine Suche nach den gründen.

Text: Katharina Heller /Jasmina Sierakowski

Page 28: Musik

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Für die seit Jahren monetär schwächelnde Musikindustrie sind Live-Events in jedem Fall zu einer lukrativen Einnahmequelle geworden. Mit 360-Grad-Modellen ver-dienen Major-Labels nicht mehr allein an den Einnahmen von CD-Verkäufen, son-dern zielen auf eine möglichst umfassende Teilhabe an der Wertschöpfungskette von Künstlern. So berichtete SPIEGEL Online schon 2008, dass Sony Music jeden, der einen Plattenvertrag unterschreibt, auch dazu verpflichte, Teile seiner Live-Einnah-men an Sony abzugeben.Live ist Trumpf – das zeigt auch ein Auf-tritt von Kool Savas. Der Battle-Rapper ist der selbsternannte King of Rap, und das tut er jetzt auch kund. Das heißt, eigentlich spuckt Savas die Worte förmlich ins Mikro-phon. Er springt von einer Seite der Bühne zur anderen, aggressiv, einnehmend, als sei die Stage zu klein für seine Performance. Lautes Grölen und hektisches Gewirr in der ersten Reihe, sobald er das Mikro in die Menge hält. Über 70 Minuten dauert der Auftritt – online auf tape.tv.Das erfolgreiche Geschäftsmodell des Inter-net-Musikfernsehsenders scheint die These vom Herdentier zu widerlegen. Schließlich geht es hier nicht darum, mit anderen Menschen ein Konzert zu gucken, weder vor Ort, noch beim Public Viewing. Den Auftritt von Kool Savas kann man sich jederzeit alleine Zuhause ansehen. Seit der Gründung im Jahr 2008 ist tape.tv zur größten Streaming-Plattform für Musikvideos in Deutschland avanciert und erwirtschaftete im vergangenen Jahr Brutto- Umsätze in Höhe von rund 20 Millionen Euro. Der Sender bietet gleich mehrere Formate von Konzert-Mitschnitten aktu-eller Künstler: Der User entscheidet, ob

er den Mitschnitt eines großen Hallen- konzerts von Deutschrapper Marteria sehen möchte oder doch die Punkrock-Band Jupiter Jones in gemütlicher Clubatmo-sphäre. Das Format »the night starts here« beliefert Fans elektronischer Tanzmusik mit Live-Sets wöchentlich wechselnder DJs und unter dem Motto »Auf den Dächern« performen Künstler live auf Hochhäusern. Zwei Klicks genügen.

Emotion per VideoclipDie Deutschen müssen also offenbar nicht vor Ort sein, auch das digitale Live- Erlebnis liegt im Trend. Der Musik- psychologe Neuhoff sieht dadurch seine These allerdings trotzdem nicht wider-legt: »Das Betrachten von Aufzeichnun-gen solcher Ereignisse löst in mancherlei Hinsicht ebenfalls eine Emotionalisie-rung aus. Es werden durch ein imaginäres Dabeisein zum Teil dieselben Gehirn- regionen aktiviert wie beim Live-Event« , so Neuhoff. Zudem habe man zu Hause alle möglichen Bequemlichkeiten zur Verfügung, die man bei Live-Konzerten misst: Getränke und Toi-lette sind nicht weit und es gibt auch kei-nen zwei Meter großen Mann, der bei solchen Veranstaltungen sonst immer aus-gerechnet vor einem zu stehen scheint. »Trotzdem wird die digitale Übertragung das Live-Event nicht ersetzen«, stellt Neu-hoff klar. Vielmehr handele es sich hier um einen Diversifizierungsprozess, wie man ihn aus der Medienlandschaft bereits kenne, erklärt der Musikpsychologe: »Trotz E-Book und E-Paper existieren gedruck-te Bücher und Zeitungen nach wie vor.«Der Unternehmer und Singer-Songwriter Tex Drieschner aus Berlin hat eine Idee

entwickelt, die genau darauf baut. Sein Format TV Noir greift beide Trends auf – den des Live-Erlebens vor Ort und den des Streamens von Konzerten auf dem hei-mischen Sofa. TV Noir ist eine Mischung aus Live-Musik, Talk, Spiel und Interaktion mit dem Publikum. In gemütlicher Wohn-zimmeratmosphäre plaudert der Mode-rator mit zwei Gästen, die zwischendurch mit Musikstücken auftreten. Das Publi-kum kann bei kleinen Aktionen mitma-chen – beim »fleischgewordenen Jingle« zum Beispiel rennt ein Zuschauer mit einer Tafel über die Bühne, die das nächste Spiel ankündigt.

Bindung zu den StarsDrieschners Konzept hat Erfolg: Die Tickets seien regelmäßig innerhalb weniger Stunden ausverkauft, berichtet er. Und die monatlich neu entstehenden Folgen der Show, die als YouTube-Videos auf tvnoir.de zu sehen sind, strahlt seit Mai vergangenen Jahres nun auch der TV-Sender ZDFkultur aus. Trotz der digitalen Komponente ist das Live-Erlebnis auch für Drieschner durch nichts zu ersetzen: »Bei einem Auftritt nehmen sich nicht nur die Zuschauer Zeit für den Künstler, auch der Künstler nimmt sich Zeit für die Fans und so entsteht eine besondere, emotionale Bindung, die es nur beim Live-Konzert geben kann.« Worin liegt also die Faszination des Live-Events in einer digitalisierten Gesellschaft? In der Zwischenmenschlichkeit, im Nicht-Alltäglichen. Letztendlich geht es um grundlegende Parameter, die unser Leben lebenswert machen. So betrachtet, erscheinen 194 Euro für ein Madonna-Ticket viel-leicht selbst so manchem knausrigen Zeit-genossen wie eine sinnvolle Investition.

»Ausschlaggebend ist die Anwesenheit vieler anderer Personen und die räumliche Nähe zu ihnen. Das löst kognitive und hor-

monelle Prozesse aus, die als angenehm empfunden werden.«

hanS neUhoff | mUSikPSychologe

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Stephanie Renner

An dieser Stelle be- fragen wir in jeder

Ausgabe eine Person zu ihren Anfängen

in der digitalen Welt.

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»Web TV bedeutet für mich nicht, einfach nur Content ins Netz zu stellen. Es bedeutet, mit den Möglichkeiten, die das Netz bietet, ein ganz neues Fernsehen zu machen. Mein Aha-Erlebnis in dieser Hinsicht hatte ich 2007: Mit Joost, einem Portal von Skype-Erfinder Niklas Zenström, gab es damals zum ersten Mal eine wirklich funktionie-rende Form von Fernsehen im Netz. Etwa zeitgleich habe ich auch La Blogothèque entdeckt, ein Blogportal aus Frankreich. Dort gibt es ganz einfach produzierte und dabei sehr schöne Clips von kleinen Akustik-Gigs.Der technologische Anspruch von Joost kombiniert mit Content und Look von La Blogothèque haben mir klarge-macht, dass da etwas ganz Neues möglich ist. Zusammen mit den Empfehlungssystemen der Internetradios Pandora und Last.fm waren das die Inspirationsquellen für tape.tv.«

Stephanie Renner | geschäftsführende Gesellschafterin, COO und Vorstandsmitglied bei der tape.tv AG. 1999 lernte sie Conrad Fritzsch bei der Werbeagentur Fritzsch & Mackat kennen. Beide mit MTV aufgewachsen, gründeten sie 2008 tape.tv.

tape.tv ist ein Online-Musikfernsehsender aus Berlin, der personalisier-tes Musikfernsehen liefert. Das Ziel: Deine Musik findet dich. Im September wird eine neue Version von tape.tv gelauncht.

frau renner, wann erschien ihnen web-tV zum ersten mal relevant  ?

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31digital  |

eit drei Tagen bin ich Abonnent eines kostenpflichtigen Musik- Streaming-Dienstes. Im Moment läuft »Someone Great« von LCD

Soundsystem, ein guter Song. Um diesen und circa 14 Millionen andere Songs zu jeder Zeit hören zu können, sind pro Monat etwa zehn Euro zu zahlen. Wie ich finde, ein fairer Preis, ein guter Service.Über den Dienst selbst oder Ausschüttungs-beträge an die Künstler möchte ich jedoch an dieser Stelle nicht sprechen. Darüber haben sich andere schon die Finger wund getippt. Ich möchte über Nutzung, Zugang und Chancen von Musik- und Bewegtbild-Inhalten sprechen. Es geht um den Kon-flikt, der mit der Digitalisierung über die ehemals friedliche Dreiecksbeziehung aus Nutzern, Anbietern und Regulatoren her-eingebrochen ist.Die Digitalisierung von Musik und Bewegt-bild hat einen Paradigmenwechsel im Nutzer- verhalten provoziert, ähnlich wie die Ein-führung des Musikfernsehens etwa 25 Jahre zuvor: Mit MTV und Co. wandelte sich Musikrezeption von einer auditiven hin zu einer audiovisuellen Angelegenheit. Digi-talisierung hat nun die Verfügbarkeit von Inhalten und das Wertempfinden gegen-über dem Content veritabel durcheinander-gewirbelt. Songs und Filme sind nicht mehr an ein festes Medium, einen Tonträger, gebunden. Und komplette Musiksammlungen passen nicht nur in eine Hosentasche, sondern nahezu alle Musikstücke und Clips der Welt sind per Streaming immer und überall verfügbar. Mittlerweile löst die Verfügbar-

keit den Speicherplatz als entscheidendes Nadelöhr beim Umgang mit Inhalten ab.Die Nutzerzahlen von Streaming-Diensten wie Spotify und Juke (Musik) oder Netflix und Maxdome (Filme und Serien) ver-zeichnen steigende Zuwachsraten. Von den weltweit 15 Millionen Nutzern des schwe-dischen Branchenprimus Spotify sind über ein Viertel zahlende Abonnenten. Die Erkenntnis, dass ein Teil der Nutzer bereit ist, für Inhalte zu zahlen, liegt also nahe. Allerdings, und das ist nicht nur meine Erkenntnis, müssen dafür bestimmte Rah-menbedingungen vorhanden sein. Neben einer als fair empfundenen Preisgestaltung, ist Service-Design der entscheidende Fak-tor jedweder Dienstleistung. Der Service muss den Nutzer verstehen und nicht um-gekehrt. Eine Analyse des Forbes Magazins scheint das zu bestätigen: Es berichtete im Früh-jahr, dass amerikanische Serien wie »Game of Thrones« oder »Mad Men« einen Tag nach Ausstrahlung die Download-Charts der Tauschbörsen vor allem in Europa anführten. Also dort, wo man die Serien nicht via Pay-TV, sondern erst ein Jahr später und mittelmäßig synchronisiert auf DVD erwerben konnte. Die am häufigsten illegal heruntergeladenen Inhalte waren also jene, die nicht mit Hilfe eines prak-tikablen Services zu fairen Preisen angebo-ten wurden.Das heißt: Rechte-Inhaber, Pay-TV-Sender und Musik-Labels stellen bestimmte Ange-bote erst gar nicht zur Verfügung und die potentiellen Kunden suchen sich offen-sichtlich andere Beschaffungswege. Natür-lich rechtfertigt das fehlende Angebot nicht

das illegale Downloaden. Das Verhalten der User zeigt aber: Wer kluge Angebote offe-riert, der kann gute Geschäfte machen. Denn wenn man etwas aus der digitalen Revolution der letzten anderthalb Jahr-zehnte gelernt haben sollte – inklusive Mit-machnetz, Instant Customer Feedback, Social Graph und Kommunikation auf Augenhöhe – dann ist es Folgendes: Nut-zer möchten ernst genommen werden. Das ist wichtig, gerade, wenn man nachhaltig mit Ihnen arbeiten und kommunizieren möchte. Aktuell geht es vielen Nutzern wie in einem dieser Ausflugscafés, in denen man draußen nur Kännchen Kaffee bestellen kann und die kleineren Tassen aus uner-findlichen Gründen den Drinnensitzern vorbehalten sind. Man stelle sich nur mal vor, Mitte der Neunziger Jahre hät-ten die Content-Anbieter auf der digitalen Außenterrasse auch mal Tassen erlaubt. Und zwar bevor sich eine ganze Genera-tion daran gewöhnt hatte, Kaffeetassen nach draußen zu schmuggeln. Nehmen wir an, Contentanbieter hätten sich untereinander darauf geeinigt, Services zu entwickeln, die die Wünsche der User nach fairen Preisen und gutem Service-Design tatsächlich ernst nehmen und berücksichtigen. Die Verantwortlichen der Contentindustrie hätten also vor 15 Jahren Angebote mit einfacher Handhabung ent-wickelt, die parallel zur internationalen Erstausstrahlung oder Veröffentlichung verfügbar sind – und das in guter Qualität. Man stelle sich also nur mal vor, jeder könnte selbst bestimmen, was er wo und in welcher Menge bestellen möchte!

Text: Henning Lisson

Service-Design versus illegale Downloads

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33BEriCHt  |

»Für einen ersten Schritt ist es nie zu spät! / Ich habe angefangen / Ich hab’ jetzt Ökostrom.«* Was die Berliner Band MIA. hier in ihrem Song * »Ökostrom« thematisiert, liegt in der Veranstaltungsbranche zunehmend im Trend: Nachhaltige Events haben Kon-junktur, melden Branchenverbände wie der Verband für Medien- und Veranstaltungs-technik. So ging beispielsweise unlängst der Nachhaltigkeitskodex »fairpflichtet« an den Start, initiiert vom Europäischen Verband der Veranstaltungszentren und dem ent-sprechenden nationalen Zusammenschluss, dem German Convention Bureau. In der Clubszene gehört der Salon Han-sen in Lüneburg zu den grünen Vorrei-tern: Er nutzt Ökostrom, eine energiespa-rende LED-Lichtanlage und das Programm erscheint nur einmal im Monat auf Recy-clingpapier. Die Bio-Getränke stammen aus der Region und obendrauf generiert der Club mit Events regelmäßig Spenden für soziale Projekte. Für Alexander Spang, Mitbetreiber und Initiator des Salons, ist Energie-, Ressourcenschonung und soziale Verträglichkeit eine Herzensangelegenheit. Und es ist gut fürs Image: »Unsere Gäste reagieren auf unser Nachhaltigkeitsengage-ment durchweg sehr positiv«, so Spang.Nachhaltigkeit ist gut fürs Image, fürs Gewissen, die Clubszene steht ihr positiv gegenüber – und trotzdem hat sie das grüne

Potenzial bisher nicht ausgeschöpft. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Fachhochschule Potsdam und des Think-Do-Tanks »Green Music Initiative«, der sich deutschlandweit für grüne Musik-events einsetzt. Über die Hälfte der Befrag-ten aus dem Clubbereich gab an, dass dem Klimawandel noch zu wenig Beachtung geschenkt werde. Die Gründe kennt Rainer Grigutsch, Geschäftsstellenleiter der Berliner Club-commission. Das Netzwerk der Club-, Party- und Kulturereignisveranstalter ist das größte auf Bundesländerebene. »Ange-bote zu grüner Veranstaltungstechnik sind Mangelware, genauso Energieberater, die auf Veranstaltungsräume spezialisiert sind«, erklärt er. Viele Lokalitäten sind zudem nur zur Zwischennutzung für Events frei-gegeben. »Das ist gerade im Clubbe-reich ein Problem, denn teurere energie- sparende Geräte oder energieeffiziente Sanierungen können sich so nicht amorti-sieren«, so Grigutsch. Trotz der Hindernisse sieht er im Nachhal-tigkeitstrend die Chance, eine Win-Win-Situation für alle herzustellen – für Betrei-ber, Equipment-Hersteller, Vermieter und Gäste: »Es muss schließlich nicht immer der große Wurf sein, auch kleine Maßnah-men helfen«, betont Grigutsch. So könne man zum Beispiel Getränke-Kühlschränke erst im Laufe des Nachmittags anschalten, damit das Bier abends kalt sei. Im Rahmen

der Beratungsagentur ClubConsult wollen Grigutsch und seine Mitstreiter mehr Club-betreiber zu nachhaltigem Wirtschaften animieren. Dabei geht es nicht nur darum, dass Clubbetreiber der Umwelt Gutes tun sollen, wie Grigutsch klarstellt: »Nachhal-tigkeit ist gut fürs Image – und spart vor allem Kosten. «Grün sein für den Geldbeutel – das ist für den MATRIX Club Berlin eine Selbst-verständlichkeit. Der Club verzichtet bis-her sogar darauf, seine Leistung bei seinem jungen Party-Publikum zu kommunizie-ren. Hier geht es nicht in erster Linie ums Image, sondern um die Finanzen. »Wir sparen konsequent, angefangen bei der wie-derbefüllbaren Putzmittelflasche bis hin zur Verwendung von stromsparender Technik«, betont Geschäftsführer Alexander Skor-nia. Er hat beispielsweise 36-Watt-Leucht-stoffröhren gegen 31-Watt-LED-Leuch-ten getauscht. Die pro Lampe jährlich ein-gesparten 3,80 Euro bei einem Strompreis von 19 Cent und einem Verbrauch von 4.000 Stunden klingen erst mal gering. »Rechnet man das aber mal hoch, sparen wir so über 1.000 Euro im Jahr«, berichtet Skornia. Und die Umwelt profitiert noch nebenbei. Wenn Beispiele wie dieses branchenweit Schule machen, dann hört man Deutsch-lands Clubbetreiber vielleicht bald gemein-sam leise summen: »Ich habe angefangen, ich hab jetzt Ökostrom … «

der trend nachhaltigkeit nimmt in der Veranstaltungsbranche an fahrt auf, auch in der clubszene. grünes engagement ist allerdings noch nicht überall selbstverständlich – doch es lohnt sich, sagen branchenvertreter.

Text: Kristina Heilgenthal / Birthe Bruhns

Page 34: Musik

NoCH waS …

Gastautor Klaus Gropper sieht in der Digitalisierung der Musik- und Medienbranche eine neue Chance für Krea-tivität. Der freie Berater war jahrelang Herausgeber der Zeitschrift De:Bug, die sich mit Musik und elektronischen Lebensaspekten beschäftigt.

Die Demarkationslinien unserer Medienwelt bröckeln: Früher gab es Produzenten und es gab Konsumenten, heute weiß man das nicht mehr so genau.Medien funktionierten lange als Produktzyklen, die ihre indust-riellen Inhalte immer wieder in den Kreislauf ihrer Verwertungs-logik einspeisen konnten. Dann kamen die Gadgets, die uns Content erst über ständige Zugriffsmöglichkeiten und schließlich über die Interaktion weiterhin schmackhaft machen sollten. Und jetzt ist Sand im Getriebe. Konsumenten nutzen die neuen Inter-aktionsmöglichkeiten und damit das Raster dieser Ökonomie lieber, um sie teilend und hochladend auszuhebeln. User generieren jetzt ihren eigenen Content und die Medienwelt weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Denn gegen solche neuen Marktbedin-gungen lässt sich kein Geld verdienen, nur mit ihnen.Fakt ist: Medien verändern sich. Das liegt in ihrer Natur, weil sie Abbild von Kommunikation und damit Indikator zivilisatori-scher Entwicklung sind. Als vor 5500 Jahren die ersten Alphabe-te auftauchten, war das bestimmt ein ziemlich großes Ding. Und heute? Kennen wir nur noch jene Überlieferungen, die durch das neue Medium Schrift ermöglicht, nicht jene, die durch Schrift verdrängt wurden. Solange die Contentindustrie den Mediensprung von Rillen zu Pits in einer Kunststoffscheibe noch nicht verdaut hat, mag das zynisch klingen, aber unsere Medienwelt hat sich schon wieder verändert. Nur grundlegender, weil die Leser und Hörer jetzt begriffen haben, wie man durch digitale Medien kommuniziert. Digitalisierung heißt die Auflösung fester Werte in Binärcode,

das Wort bezeichnet also die Rasterung von Information. Anfang des 19. Jahrhunderts verstand man darunter noch Brailleschrift und Morsecode. Aber bald schon erkannten ein paar Nerds, dass der Wumms dieser Idee weniger im Informationstransfer, als in neuen interaktiven Spielarten von Kommunikation liegt. Dabei bedient sie sich eingeübter Mechanismen: Habe ich ein Blatt Papier vor mir, fange ich unweigerlich an zu kritzeln. Ein Touch-screen löst denselben Reflex aus, ich zoome, swipe, pinche. Con-tent ohne Interaktionsmöglichkeit – und sei es nur die Funkti-onalität einiger interaktiver Gesten – scheint heute hölzern und unvollständig.Vor der Digitalisierung war das anders. Aufgenommene Musik konnte damals nur angehört werden. Das war für die Musik-industrie in Ordnung, weil sie die Methoden der Produktion und des Konsumierens diktieren konnte. Wir mussten uns also unsere eigenen Partizipationsmodelle mit Moden, sexuellem Habitus oder Politik irgendwie um Musik herum schaffen. Heute zerlegen wir die Musik selbst und remixen uns daraus unsere eigene Welt. War das 20. Jahrhundert die Zeit gespeicherter Information, wird das 21. dasjenige prozessierter Inhalte, die Einlösung des digita-len Versprechens. Content in seiner digitalisierten, aufgelösten Form ist immer Aufforderung zur Kreativität an seiner Substanz. In ihrer einfallslosesten Form als Kopie oder Playlist, in ihrer Voll-endung als Abstraktion, Neuarrangement, Kommunikation.Der typische Skeptizismus gegenüber diesem Szenario lautet: Es ist immer einfacher, etwas zu lesen als zu schreiben. Das mag ja stimmen, aber hätte jemand vor 15 Jahren gedacht, dass normale Leute sich massenweise teure Computer kaufen, um eine Auszeit vom Fernseher zu nehmen und nebenher mehr als eine Billion Webseiten herzustellen?Vor der Digitalisierung haben die Medienformate Interaktion unter- bunden. Das ist jetzt vorbei. Und egal, was als Nächstes kommen mag, es wird kommen, weil wir alle wieder mitspielen können.

Klaus Gropper

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