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7/30/2019 Musik: Daniel Barenboim über Fußball und Beethoven - Kunst - FOCUS Online - Nachrichten
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7/30/2019 Musik: Daniel Barenboim über Fußball und Beethoven - Kunst - FOCUS Online - Nachrichten
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26.11.12 02:07Musik: Daniel Barenboim über Fußball und Beethoven - Kunst - FOCUS Online - Nachrichten
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Barenboim: „Ich führte ein Doppelleben. Wenn ich aufstand, war ich eine
Dreiviertelstunde erwachsen und habe Klavier geübt. Dann ging ich in die
Schule und war wieder Kind. Nachmittags habe ich geübt und danach
Fußball auf der Straße gespielt. Meine Mutter hat mich um halb sechs vom
Balkon gerufen, ich solle hochkommen, duschen und ein Konzert spielen
oder in ein Konzert gehen.“
Vom Fußballspiel zu Beethoven...
Barenboim: „Ich bin meinen Eltern sehr dankbar, dass sie mich so trainierthaben, dass ich mich sofort auf eine Sache konzentrieren kann. Viele
Musiker brauchen viel Zeit dafür. Das geht bei mir ohne Vorbereitung.“
Die Entscheidung für die Musik ...
Barenboim: „...ging bei mir ganz natürlich und automatisch. Mit zehn hatte
ich ja bereits in Wien, Rom und Tel Aviv gespielt, später in Paris, London
und New York. Mit 17 war ich auf einer Tournee in Südamerika. Ich
erinnere mich noch genau, wie ich in Brasilien ein Schubert-Impromptu
übte, die Finger liefen nicht so wie ich es wollte. Da wurde ich sehr
ungeduldig und habe mir gesagt, entweder die Finger laufen oder sie
laufen nicht. Es klingt vielleicht melodramatisch, immerhin hatte ich in dem
Alter bereits alle Beethoven-Sonaten gespielt. Aber in dem Augenblick
wurde für mich klar: Ich will nur das machen. Es war der Moment, den ichheute im Rückblick als Zeitpunkt für die Ablehnung der Zweifel sehe.“
Und seitdem haben Sie auch kein Lampenfieber mehr?
Barenboim: „Doch, aber ich zweifle nicht. Und außerdem: Was hätte ich
sonst machen sollen? Mich hat aber damals schon gestört, dass viele
Musiker sich im Elfenbeinturm fühlten. Artur Rubinstein sagte, er habe viele
Freunde auf der Welt, aber keine Pianisten darunter. Denn die hätten nur
ein Buch: Das Telefonbuch. Heute würde er sagen: Und nicht einmal das,
sondern nur das Internet.“
Was stört Sie an Spezialisten?
Barenboim: „Mein Freund Edward Said sagte, ein Spezialist ist jemand, der mehr und mehr über weniger und weniger weiß. In meiner Kindheit gab es
wunderbare Hals-, Ohren- und Nasenärzte. Heute hat man Fachleute nur
für das linke Ohr.“
In der Musik auch?
Barenboim: „Musik wird nicht mehr als Teil der Kultur eines Menschen
angesehen. Man lernt Erdkunde, Mathematik, Biologie, aber keine Musik
mehr in der Schule. Politiker meinen, das sei zu teuer – und nutzlos. Da
fällt dann immer das Beispiel Hitler, der Millionen Menschen umbringen ließ
und mörderische Entscheidungen traf, aber zu Tränen gerührt sein konnte
beim „Lohengrin“ in Bayreuth. Dem antworte ich: Wer die Werte der Musik
versteht, kann kein Massenmörder sein.“
Das klingt sehr optimistisch.
Barenboim: „Wir müssen eine Verbindung zwischen der Musik und dem
realen Leben schaffen. Musik muss organischer Teil des Lebens sein,
keine Insel.“
Also darf Musik nicht entspannen...
Barenboim: „Ja, klar, das darf sie auch. Stellen Sie sich vor, Sie kommen
nach Hause, haben Zahnschmerzen oder waren beim Steuerberater oder
hatten Krach mit Ihrem Partner. Da legen Sie sich ein Nocturne von Chopin
auf. Das ist nicht weiter schlimm. Aber Musik ist doch viel mehr als das.“
Mit Beethoven lernen für das Leben?
Barenboim: „Ich erzähle Ihnen eine Anekdote. Mein Vater gab mir Stücke
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zu spielen, für die man nach traditionellem Verständnis große menschliche
Reife braucht, etwa späte Beethoven-Sonaten. Der Pianist Arturo Benedetti
Michelangeli sagte mir einmal, Dein Vater hätte Dir das nicht erlauben
sollen. Was wusstest Du schon mit dreizehn von Opus 111. Dazu hätte
mein Vater geantwortet: Man muss ein Stück nicht bis zum Ende
durchdenken, um es zu spielen, das kann man in der Musik ohnehin nicht.
Außerdem werden die Werke nicht reifer, wenn man sie in der Schublade
lässt. Und drittens: Von der Musik kann man tatsächlich für das Leben
lernen.“
Sie halten offenbar nicht viel von Inspiration.
Barenboim: „Ich bin kein religiöser Mensch, aber wenn es einen Gott gibt,
dann mag er sicher keine dumme Menschen. Dazu ein Beispiel: Wenn Sie
in einem Stück ein Crescendo spielen, also immer lauter werden sollen,
dann ist das nicht nur eine emotionale, instinktive Angelegenheit. Denn
meistens steht so etwas gedruckt in der Partitur. Und dann müssen Sie
entscheiden, wie schnell Sie das Crescendo spielen sollen und wie viele
Takte Sie dafür haben. Und auch wenn ich dirigiere, muss ich einen klaren
Kopf behalten. Leidenschaft und Wissen gehören eben immer zusammen.“
Sie sind Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper, Musikdirektor an
der Mailänder Scala, Sie leiten das West-Eastern-Divan Orchestra, spielenüberall auf der Welt als Solist am Klavier – ohne Leidenschaft geht so ein
Pensum doch nicht.
Barenboim: „Ich höre immer wieder, dass ich soviel mache. Aber ich
mache das, was mir gefällt. Niemand zwingt mich etwa an meinem
Geburtstag zu spielen, ich mache es, weil ich Spaß daran habe. Die
Musiker der Staatskapelle haben mir mal nach einem guten Beethoven-
Abend gesagt, wie sehr sie den Trauermarsch der „Eroica“ genossen
hätten. Ein Trauermarsch als Genuss – so etwas gibt es nur in der Musik.“
dpa
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