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Musik des Mittelalters 1. Geschichtliches Umfeld: Das Mittelalter geht über eine sehr lange Zeitperiode, von der Völkerwanderung bis zur Entdeckung Amerikas, also ungefähr die Zeit zwischen 500 und 1500. Als Frühmittelalter (500 bis 900) wird jene Zeit bezeichnet, in der - das Weströmischen Reich unterging - Europa christianisiert wurde - Die Bischöfe Roms und Konstantinopels darum stritten, wer die christliche Kirche anführen darf - die Araber Spanien eroberten und - das Frankenreich zur führenden Macht Europas aufstieg. Im Hochmittelalter (ca. 900 bis 1200) - erblühte das Rittertum - wurde das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gegründet - spalteten sich die römisch-katholischer und die griechisch-orthodoxe Kirche voneinander ab und - erlebte Europa einen richtigen Kultursprung durch den Kontakt mit der arabischen Kultur in den Kreuzzügen. Im Spätmittelalter schließlich (1200 bis 1500) - blühten die Städte und das Bürgertum auf - erfolgte der Wechsel von Tauschwirtschaft auf Geldwirtschaft - begann die christliche Rückeroberung Spaniens und - kam es zu großen Katastrophen wie der Pest und den Hexenverfolgungen. 2. Die ersten musikalischen Aufzeichnungen Papst Gregor I. (ca. 540 – 604) gilt in der katholischen Kirche als einer der vier großen Kirchenlehrer an der Wende von der Spätantike zum Mittelalter. Um seinen Anspruch als Führer der Christenheit zu unterstreichen ließ er im gesamten Einflussgebiet der katholischen Kirche die verwendeten Kirchengesänge aufzeichnen und aussortieren. Auf diese Weise entstand die erste große musikalische Sammlung Europas (abgesehen von der Musik der griechischen Antike). Zu Ehren Gregors nennt man sie noch heute Gregorianischer Gesang oder Gregorianik. Die Kennzeichen dieser Musik sind: lateinische Gesänge religiöse Inhalte einstimmige (!) Gesänge, die solistisch oder chorisch aufgeführt werden ohne Instrumentalbegleitung frei phrasiert (ohne durchgehendes Taktschema) 4. Klasse

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Musik des Mittelalters

1. Geschichtliches Umfeld:

Das Mittelalter geht über eine sehr lange Zeitperiode, von der Völkerwanderung bis zur Entdeckung Amerikas, also ungefähr die Zeit zwischen 500 und 1500.Als Frühmittelalter (500 bis 900) wird jene Zeit bezeichnet, in der

- das Weströmischen Reich unterging- Europa christianisiert wurde- Die Bischöfe Roms und Konstantinopels darum stritten, wer die christliche

Kirche anführen darf - die Araber Spanien eroberten und - das Frankenreich zur führenden Macht Europas aufstieg.

Im Hochmittelalter (ca. 900 bis 1200) - erblühte das Rittertum - wurde das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gegründet- spalteten sich die römisch-katholischer und die griechisch-orthodoxe Kirche

voneinander ab und - erlebte Europa einen richtigen Kultursprung durch den Kontakt mit der

arabischen Kultur in den Kreuzzügen.Im Spätmittelalter schließlich (1200 bis 1500)

- blühten die Städte und das Bürgertum auf- erfolgte der Wechsel von Tauschwirtschaft auf Geldwirtschaft- begann die christliche Rückeroberung Spaniens und- kam es zu großen Katastrophen wie der Pest und den Hexenverfolgungen.

2. Die ersten musikalischen Aufzeichnungen

Papst Gregor I. (ca. 540 – 604) gilt in der katholischen Kirche als einer der vier großen Kirchenlehrer an der Wende von der Spätantike zum Mittelalter. Um seinen Anspruch als Führer der Christenheit zu unterstreichen ließ er im gesamten Einflussgebiet der katholischen Kirche die verwendeten Kirchengesänge aufzeichnen und aussortieren. Auf diese Weise entstand die erste große musikalische Sammlung Europas (abgesehen von der Musik der griechischen Antike). Zu Ehren Gregors nennt man sie noch heute Gregorianischer Gesang oder Gregorianik.Die Kennzeichen dieser Musik sind: lateinische Gesänge

religiöse Inhalteeinstimmige (!) Gesänge, die solistisch oder

chorisch aufgeführt werdenohne Instrumentalbegleitungfrei phrasiert (ohne durchgehendes

Taktschema)

4. Klasse

links: Papst Gregor diktiert einem Schreiber (Abbildung ca. 1000)rechts oben: Neumen

rechts unten: Choralnotation

3. Rittertum und Minnesang

In den Wirren der Völkerwanderung entstand ein neuer Berufsstand, der ursprünglich die ansässige Bevölkerung verteidigte und Kriegsdienst versah, sich aber schnell auch Privilegien verschaffte: die Ritter.Sowohl im Süden Frankreichs (Spanien war seit 711 unter arabischer Herrschaft) als auch in Palästina (Kreuzzüge ab 1095) kamen sie in Kontakt mit der damals weit überlegenen arabischen Kultur. Von den Arabern übernahmen sie unter anderem eine sehr ausgefeilte Dichtkunst, die oft dem Lob der Frauen gewidmet war. Diese Dichter wurden in Südfrankreich „Troubadours“ genannt, in Nordfrankreich „Trouvères“ und in Deutschland „Minnesänger“ (von Minne = Liebe). Ihr Publikum ist höfisch, also adelig, und nicht aus dem Volk.Einige Quellen verzeichnen nicht nur Texte, sondern auch Melodien, auf die diese gesungen wurden. Damit ist der Minnesang die erste weltliche Kunstmusik Europas.

Es ist bekannt, dass die Minnesänger auf Instrumenten begleitet wurden, die sie entweder selbst spielten, oder für die sie eigene Diener hatten. Die Instrumentalisten improvisierten Verzierungen der Gesangsmelodie, wodurch ein Mittelding zwischen Ein- und Mehrstimmigkeit entstand. Diese Praxis (eine Melodie kommt zugleich unverziert und verziert vor) wird Heterophonie genannt und bis heute in persischer, arabischer und türkischer Kunstmusik gepflegt.

Instrumente: Flöten und PfeifenFideln (Vorformen der Geige)

4. Klasse

Schalmeien (Vorformen der Oboe)Lauten, HarfenTrommeln und RasselnDudelsackDrehleier

a) b) c) d) e) f)

a) Flöteb) Trommelc) Schalmeid) Fidele) Fidelf) Dudelsack

Der erste Troubadour war Herzog Wilhelm von Aquitanien. Er gilt als der erste Dichter im christlichen Europa, der in einer Volkssprache dichtete.

Wichtige Minnesänger: Walther von der Vogelweide (lernte

in Wien „dichten und singen“. 90 Lieder erhalten!)Neidhart von Reuenthal (lebte in Wien. Fresken unter dem Haus Tuchlauben 19 im 1. Bezirk)Oswald von Wolkenstein (berühmt für autobiographische Lieder)

Links: Heinrich Frauenlob

4. Klasse

Walther von der Vogelweide Neidhart von Reuenthal

Oswald von Wolkenstein

4. Die Entstehung der Mehrstimmigkeit

Die Entwicklung von einstimmiger zu mehrstimmiger Musik erfolgte allmählich vom 9. bis zum 12. Jahrhundert. Die älteste Form ist auf jeden Fall die Borduntechnik, bei der unter einem Lied ein durchgehender Ton erklingt.

4. Klasse

Im 9. und. 10. Jahrhundert etablierte sich das Organum, bei dem zwei Stimmen völlig parallel geführt werden. Später wurde auch eine Gegenbewegung möglich.Um 900 gibt es im Traktat musica enchiriadis ein Notenbeispiel, das erstmals eine selbstständige zweite Stimme abbildet:

Das ist in heutiger Schrift so zu lesen:

Schließlich wurde in der Kathedrale Notre Dame de Paris daraus um 1200 eine richtig selbstständige Zwei- oder Dreistimmigkeit, die erstmals einen einprägsamen Rhythmus aufwies. Hauptmeister waren Leonin und Perotin.

Die (meiner Meinung nach) erste wirklich interessante Musikepoche ist das 14. Jahrhundert mit Guillaume de Machaut (gest. 1377) und Francesco Landini (gest. 1397). Machaut, der auch bedeutender Dichter war, schrieb die erste vierstimmige Messe der Musikgeschichte und unzählige Lieder und Motetten (geistliche Kompositionen. Von „mot“ = Wort, also das Wort Gottes).Landini lebte in Florenz und schrieb Madrigale (weltliche Kompositionen, die ein „ländliche“ Stimmung aufweisen. Von „matricalis“ = muttersprachlich oder „mandra“ = Herde), die sich zwar an der Satztechnik der Motette anlehnten, aber viel sanglichere Melodien aufwiesen.

5. Musik des Volks

Selbstverständlich gab es immer „normale“ Musik: Liebeslieder, Spottlieder, Kampflieder, Schlaflieder, Tanzmusik, usw., aber die wurde meistens nicht aufgeschrieben. Pergament und später Papier war sehr teuer, und die meisten Menschen konnten weder schreiben noch lesen. Deshalb haben wir erst sehr spät auch Noten von solcher Musik.Ab der Zeit der Minnesänger sind außerdem Spielleute und Vaganten nachgewiesen, die als fahrende Musiker und Unterhaltungsprofis für das Volk umherzogen.Das berühmteste Beispiel von Vagantenlyrik ist die Sammmlung „Carmina burana“, die von Carl Orff neu vertont wurde.

4. Klasse