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composer Unsuk Chin Johannes Maria Staud artists Christian Gerhaher Barbara Hannigan Heinz Holliger Sergey Khatchatryan SPECIAL EDITION LUZERN FESTIVAL SOMMER 2014 «Psyche» thema Andris Nelsons und das Lucerne Festival Orchestra Tod Machover, der Komponist als Klangsammler Young Performance – frisch, unverbraucht, überraschend

Musik und theater special lucerne festival 2014

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Special Edition of Swiss Music Magazine for the Lucerne Festival 2014

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Page 1: Musik und theater special lucerne festival 2014

c o m p o s e rUnsuk Chin

Johannes Maria Staud

a r t i s t sChristian Gerhaher

Barbara Hannigan

Heinz Holliger

Sergey Khatchatryan

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«Psyche»

t h e m aAndris Nelsons und das Lucerne Festival Orchestra

Tod Machover, der Komponist als Klangsammler

Young Performance – frisch, unverbraucht, überraschend

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der Erforschung neuer Therapien und Diagno-

severfahren, sondern auch bei der Förderung

von Kunst und Kultur.

In Partnerschaft mit Lucerne Festival und

Lucerne Festival Academy vergeben wir im

Rahmen der Roche Commissions und Roche

Young Commissions regelmässig Komposi-

tionsaufträge an herausragende Komponisten

und Komponistinnen der zeit genössischen

Musik. Die neu geschaffenen Werke werden

vom Lucerne Festival Academy Orchestra am

Lucerne Festival uraufgeführt.

So bringt Roche Innovation nicht nur in die

Forschung, sondern auch in die Musik.

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Quietschende Zugbremsen, tuschelnde Teenager, ein zischendes

Schweissgerät – was hat das mit Musik und mit einem Festival zu

tun? Zunächst mal nichts, dann aber sehr viel. Auch in Luzern wird

das traditionelle Konzertpublikum nicht jünger. Der festliche Abend

allein ist nicht mehr Attraktion genug. Auch noch so berühmte

und traditionsreiche Orchester füllen nicht mehr bloss dank ihres

Namens den Saal, mag er auch als architektonische Ikone wahr-

genommen werden. Das ist in Luzern nicht anders als überall.

Vielleicht läuft inzwischen auch zu viel, das ganze Jahr hindurch,

dass sich eine gewisse Übersättigung an den immer gleichen kul-

turellen Menügängen bemerkbar macht. Exklusivität scheint keine

Garantie mehr für ein ausverkauftes Haus zu sein, von Salzburg

bis Luzern. Eben da gilt es, die Weichen auf Zukunft zu stellen.

Genau dies regt Michael Haefliger mit seinem stets erfrischend

agilen Team geistreich an. Unter anderem mit einer breiten und

farbigen Palette unterschiedlichster Konzertformen für Menschen

allen Alters. Aber nicht nur. Auch neue soziologische Verhaltens-

muster können mit Lust ausgespielt und erkundet werden. Zum

Beispiel mit einem Projekt wie der dieses Jahr lancierten «Sinfonie

für Luzern». Lassen Sie sich davon inspirieren, mit offenen Ohren,

jugendlicher Neugier und Freude am sinnlichen Spiel. Dann kann

ein derart offenes Projekt gelingen, Ideen anregen, vom Schnee-

ball zur Lawine wachsen. Luzern als klingende Stadt – das ist eine

verlockende Vision. Weit über einen touristischen Werbeslogan hi-

naus. Aber für anbiedernde Banalität auf dieser Ebene hätte Tod

Machover ohnehin bloss ein ironisches Lächeln übrig. Aber lesen

Sie doch das Gespräch mit dem amerikanischen Komponisten

über seine Motivation, seine Ideen und seine ersten Begegnungen

mit Luzern in dieser Ausgabe!

Ich wünsche Ihnen eine an- und aufregende Festivalzeit in Lu-

zern. Selbstverständlich auch mit grandiosen Konzerterlebnissen

im ganz gewohnten Rahmen!

Herzlich Ihr,

Andrea Meuli

Liebe Leserin, lieber Leser

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Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

c o m p o s e rUnsuk Chin: Ein dichtes Spiel von Licht und Farben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Johannes Maria Staud und die Rolle des Komponisten in unserer Zeit . . 38

a r t i s t sBarnara Hannigan: «Ich bin gesund!» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Sergey Khatchatryan: «Wir Armenier lieben das Drama» . . . . . . . . . . . . . . 34

Christian Gerhaher: «Ich bin ein Epigone» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

t h e m aAndris Nelsons: «Sein Herz öffnen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Tod Machover: Wie klingt Luzern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Heinz Holliger und sein Hölderlin-Psychogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Inszenierte Heldenmusik, ein Pilotprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

s t u d i oClaudio Abbados klingender Nachlass aus Luzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

s e r v i c eLucerne Festival im Sommer – die Special Events . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Titelfoto: Priska Ketterer

Ihre Sensibilität für Klanglichkeit

und Farben faszinieren immer

wieder. Diesen Sommer ist die Ko-

reanerin Unsuk Chin «Composer in

Residence» am Lucerne Festival.

Johannes Maria Staud beschäftigt

sich intensiv mit der Rolle des

Komponisten in unserer Zeit. Und

schreibt ein neues Musiktheater

für das Lucerne Festival.

Andris Nelsons leitet diesen

Sommer das Lucerne Festival

Orchestra. Das M&T-Gespräch.

Christian Gerhaher ist der Christus

in Peter Sellars’ Umsetzung von

Bachs Matthäuspassion.Tod Machover begibt sich auf Klangsuche in Luzern. Das Gespräch zu

einem ambitiösen Projekt.

S e i t e 1 2

S e i t e 3 8

S e i t e 6 S e i t e 3 0S e i t e 1 6

Die Sopranistin Barbara Hannigan

gehört zu den schillerndsten Per-

sönlichkeiten der heutigen Musik-

szene, auch bei Lucerne Festival.

Das grosse M&T-Interview.

Sergey Khachatryan ist der

diesjährige Preisträger des Credit

Suisse Young Artist Award. Das

Gespräch.

S e i t e 2 4

S e i t e 3 4

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Andris Nelsons über Claudio Abbado, das Lucerne Festival Orchestra und bedingunslose Ehrlichkeit beim Musizieren

«Sein Herz öffnen»An Ostern leitete Andris Nelsons das Lucerne Festival Orchestra im Gedenkkonzert für seinen Gründer und Leiter Claudio Abbado. Im

Sommer übernimmt er nun auch dessen Programme zur Eröffnung des Festivals. Ein Gespräch mit dem lettischen Dirigenten nach

seiner ersten Begegnung mit diesem Orchester.

Andrea Meuli

Pulsierend, energiegeladen: Andris

Nelsons dirigiert diesen Sommer das

Lucerne Festival Orchestra.

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M&T: Sie haben im April das Lucerne Festival Orchestra im Gedenkkonzert für Claudio Abba-do dirigiert. Wie haben Sie diese erste Begeg-nung mit diesem besonderen und für Sie neuen Orchester erlebt?Andris Nelsons: Es war natürlich ein sehr

emotionaler Moment, für alle. Für das

Orchester, da die Musiker erstmals seit

Claudio Abbados Tod zusammenkamen.

Und für mich, da ich in diese Situation

mit einbezogen wurde, war es die emo-

tionalste Konzerterfahrung bisher. Auf

der andern Seite war es eine Begegnung

mit einem fantastischen Orchester. Wie

wir ja wissen, kamen alle in dieser Beset-

zung als Freunde und Kollegen Claudios

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zusammen – geeint einzig vom Willen

und der Leidenschaft, Musik zu ma-

chen. Diese Atmosphäre, Musik mitein-

ander zu leben und auch zu geniessen

war in diesem Moment sehr intensiv zu

spüren, auch wenn der Anlass natürlich

ein anderer war als die üblichen Konzer-

te im Sommer.

M&T: Zweifellos aufwühlend auch für Sie.Andris Nelsons: Auf jeden Fall. Dieses

Ereignis erlebte ich sowohl als Gedächt-

niskonzert für Claudio, aber genauso als

Feier seines Lebens, was er alles erreicht

und gegeben hat. Als Christ glaube ich

an ein Leben nach diesem irdischen, wo

wir uns alle wieder begegnen. Er ist be-

reits in jener anderen Welt. Neben tiefer

Trauer gibt es jedoch auch den Glauben

an die Auferstehung. Das mag ein wenig

philosophisch klingen, aber wir dürfen

auch dankbar sein über dieses reiche

künstlerische Leben. In diesem Konzert

sollte noch einmal seine spezielle Liebe

zum Lucerne Festival Orchestra erleb-

bar werden. Mir war es wichtig, mich vor

ihm zu verneigen und mit dem Orches-

ter durch die Musik in diesen Gefühlen

verbunden zu sein. Mit Musik konnten

wir uns alle bei ihm bedanken. Wie wir

alle wissen, war er – ob in den Proben

oder in seinem Leben – ein eher wort-

scheuer Mensch. Er drückte sich und

seine Gefühle durch Musik aus. Und so

versuchten auch wir, unsere Dankbarkeit

und unsere Bewunderung durch Musik

statt durch Reden auszudrücken. So

wollten wir an Claudio als grossen Maes-

tro erinnern.

M&T: War es für Sie schwierig, in dieser beson-deren Situation eine eigene musikalische Kon-zeption zu verwirklichen?Andris Nelsons: Es gibt nur einen Weg,

ein Stück zu dirigieren, und das ist der

eigene. Ich kann nur versuchen, aus

meiner Perspektive das zu vermitteln,

was uns der Komponist zu sagen hat.

Dabei möchte ich mich allerdings nie

selber in den Vordergrund stellen, son-

dern die Musik sprechen lassen – sozusa-

gen durch meine Gefühle, durch meine

Vorstellungen hindurch. Wir sollen den

Komponisten dienen und dürfen uns

glücklich schätzen, ihre grossen Meis-

terwerke aufzuführen. In diesem Ge-

denkkonzert erklangen ja alles Werke,

die Claudio sehr viel bedeutet haben

und die uns daher in diesem Augenblick

noch mehr berührten. Zumal in Schu-

berts «Unvollendeter», die zu Beginn

ohne Dirigent erklang. Auf jeden Fall

war seine Seele an diesem Nachmittag

mit dabei.

M&T: Wenn Sie nun im Sommer die Konzerte des Lucerne Festival Orchestra dirigieren, fin-den Sie andere Voraussetzungen vor. Werden dieselben Orchestermusiker wie letzten Som-mer nach Luzern zurückkehren, oder gibt es da Veränderungen?Andris Nelsons: Es werden mehr oder

weniger dieselben Musikerinnen und

Musiker mit dabei sein, allerdings in ei-

ner etwas kleineren Besetzung. Brahms

ist ja nicht Mahler! Aber die Programme

hatte Claudio noch vollständig selber

geplant. Abgesehen davon, dass Mauri-

zio Pollini nun nicht das erste Klavier-

konzert von Brahms, sondern jenes von

Chopin spielen wird. Ich liebe Brahms

so sehr! Diese grosse Musik mit diesem

grossen Orchester an diesem bedeu-

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tenden Festival aufzuführen, das spornt

mich an.

M&T: Das Lucerne Festival Orchestra wurde immer wieder als «Orchester der Freunde» ti-tuliert. Was bedeutet Ihnen ein partnerschaftli-ches Musizieren?Andris Nelsons: Unabhängig davon, ob

ich für ein Orchester verantwortlich bin

oder als Gast eingeladen werde, ist für

mich ein gegenseitiges musikalisches

Verstehen sehr wichtig. Aber mindestens

genauso die menschliche Chemie zu den

Musikern, mit denen ich arbeite, Sensibi-

lität untereinander und füreinander. Als

Claudio dieses Orchester gründete und

zusammenstellte, lud er seine Freunde

ein, weil er genau wusste, dass sie dafür

brannten, mit ihm zu musizieren, dass

sie ihn gleichsam trugen. Und alle spür-

ten es, wie eng er ihnen verbunden war.

Das war die Basis für all die wunderba-

ren Resultate. Natürlich gelangen ihm

auch mit allen anderen Orchestern, die

er dirigierte, grosse Konzerte. Aber das

familiäre Gefühl, der innere Zusammen-

halt mit dem Lucerne Festival Orchestra

verlieh diesen gemeinsamen Auftritten

eine unvergleichliche Tiefe. Auch be-

deutet dieses Gefühl einer tiefen gegen-

seitigen Verbundenheit sehr viel.

M&T: Also werden Sie im Sommer versuchen, mit dem Lucerne Festival Orchestra ebenfalls ein Verhältnis familiärer Harmonie zu schaffen?Andris Nelsons: Auf jeden Fall! Mit mei-

nem Orchester in Birmingham pflegen

wir ebenfalls eine wirklich familiäre At-

mosphäre, auch wenn die kommende

Saison meine letzte als Musikdirektor

dort sein wird. Menschlich wie musika-

lisch gibt es eine wunderbare, gegen-

seitig ermutigende Chemie zwischen

uns. Mir liegt viel daran, eine solche At-

mosphäre auch bei meinem künftigen

Orchester, dem Boston Symphony, zu

erreichen: gemeinsam zu wachsen, ein-

ander gegenseitig zu unterstützen. Ich

bin zutiefst überzeugt davon, dass man

sein Herz öffnen und all seine Sensoren

aktivieren muss, um wirklich das Bes-

te zu erreichen. Auch wenn man dabei

verletzlich und angreifbar wird und man

sich manchmal entblösst vorkommt.

M&T: Ist das im heutigen Betrieb überhaupt möglich?Andris Nelsons: Ich glaube daran. Zu-

nächst der Musik, dann den Musikern

gegenüber. Gelingt uns dies, überträgt

sich diese Intensität auch auf das Pub-

likum. Dann ist es leicht, die Hornhaut

unserer Gefühle zu durchbrechen und

wirklich die Herzen und Seelen zu er-

reichen, ein Publikum zu berühren. Das

erlebt natürlich jeder sehr individuell.

Und es gibt durchaus Dirigenten, die

anders denken mögen. Um grosse Musik

zu machen, scheint es mir jedoch unent-

behrlich, dass Dirigent und Musiker in

einen gemeinsamen Fluss der Gefühle

und Empfindungen kommen.

M&T: Ein Plädoyer für bedingungslose künstle-rische Ehrlichkeit also.Andris Nelsons: Es mag idealistisch

klingen, aber für mich ist genau dies

unabdingbare Voraussetzung, wenn ich

musiziere. Wie wollen Sie einen «Tris-

tan», eine Pastorale oder was immer

dirigieren, wenn Sie nicht die Musik zu-

tiefst lieben? Und auch den Menschen,

mit denen Sie zusammenarbeiten, po-

sitive Gefühle entgegenbringen? Wenn

Sie vor einem Orchester wissen, dass

fünfzig Prozent Sie hassen: Wie wollen

Sie da dirigieren? Ich kann mir heute

kaum mehr vorstellen, dass Leute wie

Toscanini oder auch Karajan und ande-

re vor einem Orchester funktionieren

konnten.

M&T: Die Musiker würden heute wohl bald einmal gegen allzu autokratische Pultheroen rebellieren…

Andris Nelsons: Sicher, schon dirigiert

zu werden mögen viele nicht, gesagt zu

bekommen, was man zu tun hat. Daher

ist es in unserer Zeit umso wichtiger, sei-

ne Forderungen auf eine diplomatische

Art und Weise anzubringen, um seine

musikalischen Vorstellungen zu verwirk-

lichen. Man sollte auch nicht vergessen,

es sind letztlich immer die Musiker, wel-

che ein Werk zum Erklingen bringen.

Als Dirigent sollte man Charisma und

Fantasie ins Spiel bringen und die Musi-

ker damit infizieren und ermutigen, dass

sie einem folgen. Nicht weil ich oder je-

mand anderer etwas Bestimmtes so ha-

ben möchte, sondern weil die Musik es

verlangt. Dirigieren hat so viel mit Psy-

chologie zu tun: die Musiker anspornen

ihr Bestes zu geben, nicht zu zerstören,

vielmehr zu helfen, wo sie einen brau-

chen!

M&T: Charakter und Persönlichkeit eines Diri-genten als Voraussetzung für wirklich erfolgrei-ches gemeinsames Musizieren?Andris Nelsons: Wenn ein Dirigent auf

eine naiv-ursprüngliche Weise beses-

sen von der Musik ist, kann es gelin-

gen die Musiker so mitzureissen, dass

sie ihr Bestes geben. Das muss das Ziel

sein, das eigene Ich und alle eigenen

Qualitäten während des Spielens ein-

zusetzen, um es zu überwinden. Man

braucht Ambitionen, aber während ei-

ner Aufführung muss man das Leben

des Komponisten leben. Das ist sehr

individuell, auch mystisch. Claudio

Abbado sprach wenig, aber durch sein

Dirigieren, durch die Sprache seiner

Hände erreichte er, was er vermitteln

wollte. Ein Genie wie Carlos Kleiber

vermittelte ebenso etwas Geistiges, was

weit über das hinausging, was er in sei-

nen Problem formulierte. Auch Mariss

Jansons und einige andere haben diese

unbegreifliche Intensität.

Andris Nelsons: «Auf jeden Fall war Claudio

Abbados Seele an diesem Nachmittag mit

dabei.»

Bild: Georg Anderhub

«Dirigieren hat so viel mit Psychologie zu tun»

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t h e m a10

MOZARTWOCHE2015

22. JÄNNER– 1. FEBRUAR

Konzerte

Mozartwoch

eWissenschaft

Museen

Tick

ets:Tel.+43-662-873154,w

ww.m

ozarteum.at

Mozart DAVIDE PENITENTE Bartabas, Regie und Choreographie · Pferde und Reiter der Académie équestre deVersailles · Marc Minkowski, Dirigent · Les Musiciens du Louvre Grenoble, Salzburger Bachchor, Christiane Karg,Marianne Crebassa, Stanislas de Barbeyrac Dirigenten Pierre-Laurent Aimard, Giovanni Antonini, LaurenceEquilbey, Thomas Hengelbrock, Pablo Heras-Casado, Christoph Koncz, Antonello Manacorda, Lorin Maazel,Marc Minkowski, Andrés Orozco-Estrada, Ainars Rubikis, András Schiff, Juraj Valcuha OrchesterCamerata Salzburg,Cappella Andrea Barca, Chamber Orchestra of Europe, Il Giardino Armonico, Insula Orchestra, Les Musiciens duLouvre Grenoble, Mozart Kinderorchester, Mozarteumorchester Salzburg, Sinfonieorchester der UniversitätMozarteum, Wiener Philharmoniker Sänger Kerstin Avemo, Stanislas de Barbeyrac, Marianne Crebassa, DianaDamrau, Julie Fuchs, Benjamin Hulett, Christiane Karg, Genia Kühmeier, Alastair Miles, Michael Nagy, ChristineSchäfer, Toby Spence, Johannes Weisser, Markus Werba Solisten Pierre-Laurent Aimard, Piotr Anderszewski,Kristian Bezuidenhout, Florian Birsak, Gautier Capuçon, Francesco Corti, Veronika Eberle, Isabelle Faust, Marie-Elisabeth Hecker, Jos van Immerseel, Sunnyi Melles, Sabine Meyer, Thibault Noally, Emmanuel Pahud, FazilSay, András Schiff, Eric Schneider, Midori Seiler, Daniel Sepec, Mitsuko Uchida Ensembles & Chöre Chœur deChambre Accentus, Dimitri Naiditch Trio, Hagen Quartett, Salzburger Bachchor, Superar-Chor

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Andris Nelsons und dasLucerne Festival Orchstra

15. und 16. August, 18.30 Uhr

Brahms: Serenade Nr. 2 A-Dur op. 16

Alt-Rhapsodie op. 53

Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73

Sara Mingardo, Alt

22. und 24. August, 19.30 Uhr

Chopin: Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11

Brahms: Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90

Maurizio Pollini, Klavier

Andris Nelsons und dasCity of Birmingham Symphony Orchestra

30. August, 18.30 Uhr

Beethoven: Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73

Elgar: Sinfonie Nr. 2 Es-Dur op. 63

Rudolf Buchbinder, Klavier

31. August, 11. 00 Uhr

Wagner: Auszüge aus «Parsifal» und

«Lohengrin»

Beethoven: Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92

Klaus Florian Vogt, Tenor

M&T: Kann es sein, dass es gerade die von Ih-nen angeführte hundertprozentige Ehrlichkeit der Kunst gegenüber ist, welche solche Energi-en erlebbar macht?Andris Nelsons: Man kann subjektiv

falsch liegen, aber wenn man ehrlich

ist, spürt das ein Orchester. Das kann

man nicht lernen. Orchester können

sehr wohl unterscheiden, ob einer auf-

richtig musiziert oder bloss eine Show

abzieht. Aber noch einmal: Was ist der

richtige Weg? Es gibt ganz verschiede-

ne Wege des Dirigierens, heute wie in

der Geschichte. Nicht gering zu achten

ist auch die Selbstdisziplin, sich perfekt

auf jede Probe vorzubereiten. Das habe

ich von Mariss Jansons mitbekommen –

zu wissen, wie man proben will, und an

jede Probe voller Ideen zu erscheinen.

Orchestermusiker wollen jemanden vor

sich haben, der sie zu inspirieren ver-

mag, der Ideen in den Raum stellt.

M&T: Also nicht den harmlos netten Herrn am Pult, der möglichst keine Probe überzieht…Andris Nelsons: Anbiederung funktio-

niert nie, weder musikalisch noch auf

einer menschlich gesellschaftlichen

Ebene. Letztlich ist nur menschliche wie

musikalische Qualität gefragt. Geliebt zu

werden kann man nicht aktiv beeinflus-

sen.

M&T: Ganz verschiedene Persönlichkeiten wer-den sich auch verschieden verhalten. So wie es ganz unterschiedliche Meinungen darüber gibt, wie aktiv ein Dirigent auf dem Podium agieren soll.Andris Nelsons: Einer meiner Lehrer,

Jorma Panula, hat immer gesagt: Das

Orchester muss schwitzen, nicht du! Na-

türlich garantiert wildes Herumhüpfen

nicht eine grössere Autorität. Aber man

kann das nicht immer steuern. Noch

einmal: Man muss sich selber sein. Wenn

jemand eine impulsivere Natur ist, kann

er nicht ruhig dastehen. Gelassenheit

hat vielleicht auch etwas mit Erfahrung

zu tun.

M&T: Hat sich Ihr Verständnis von Dirigieren im Lauf der Zeit, mit zunehmender Erfahrung, gewandelt?Andris Nelsons: Ja, etwa mit dreissig hat

sich etwas geändert in meinem Verständ-

nis, was Dirigieren sein kann. Ich ver-

traue heute viel mehr, statt zu kontrollie-

ren. Das schliesst eine klare und konzise

Arbeit an den Details keineswegs aus.

Ich weiss genau, was ich erwarte und was

ich erreichen möchte. Aber auch, was

ich bieten möchte. Das vermengt sich in

den Proben mit allen Impulsen, die von

den Orchestermusikern kommen. Es

gibt kein richtig oder falsch, es gibt kein

definitiv festgeschriebenes Tempo. Je-

wgeni Mrawinski hat das immer gesagt.

Letztlich zählt nur, ob eine Interpreta-

tion berührt und fesselt. Schafft es ein

Dirigent mit seiner Interpretation, etwas

auszulösen beim Publikum, seien es Trä-

nen oder Glücksgefühle – dann hat es

funktioniert. Nur dies zählt.

M&T: Was ist wichtiger beim Dirigieren, Intellekt oder Emotion?Andris Nelsons: Wagner formulierte ein-

mal, dass die Musik die höchste Kunst-

form sei, um Gott näher zu kommen,

weil sie alles überhöhe und in Bereiche

erhebe, die man weder erklären noch

rational verstehen könne. Das heisst,

Musik hat mehr mit emotionaler und

kosmischer Energie zu tun. Da, wo ich

heute in meinem Leben stehe, bedeutet

mir dies sehr viel. Um allerdings dahin

zu kommen, um Musik als die höchste

der Künste adäquat umzusetzen, ist der

Intellekt unentbehrlich.

M&T: Was letztlich wohl auch für die Musik sel-ber gilt.Andris Nelsons: Natürlich, bei Brahms

etwa finden wir die perfekte Form, die

viel Intellekt voraussetzt. Oder auch die

Architektur bei Bruckner. Aber es geht

darüber hinaus. Man fühlt die Berüh-

rung von Gott.

M&T: Sie musizieren stets mit sichtbar höchs-tem physischem wie emotionalem Einsatz. Be-fürchten Sie nie, sich zu überfordern?Andris Nelsons: Jedem menschlichen

Wesen sind seine physischen wie emoti-

onalen Grenzen gesetzt. Mir fällt es sehr

schwer nein zu sagen…

M&T: …noch eine Gemeinsamkeit mit Ihrem Lehrer und Vorbild Mariss Jansons…Andris Nelsons: …aber ich komme mit

meinen festen Aufgaben nicht darum

herum, auch Orchestern abzusagen,

die mir viel bedeuten. Musik ist mehr

als ein Beruf. Ohne sie zu exisitieren

wäre schwierig. Sie ist wie Nahrung: Man

braucht sie, man kann nicht darauf ver-

zichten, aber man sollte sich auch nicht

überessen. (Lacht) Sonst wird man fett.

Vielleicht ist es dasselbe mit der Musik.

Pausen können die Lust auf ein Werk er-

höhen…!

Andris Nelsons: «…die Musiker anzuspornen ihr Bestes zu geben.»

Bild: Marco Borggreve

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Die Koreanerin Unsuk Chin ist Composer-in-Residence beim diesjährigen Lucerne Festival

Spiel von Licht und FarbenAls «Abbild meiner Träume» hat die Koreanerin Unsuk Chin ihre Musik einmal bezeichnet. Ihren schöpferischen Sinn für

Klangfarben kann man diesen Sommer beim Lucerne Festival von ganz unterschiedlichen Seiten her erleben. Unter anderem

in der Uraufführung eines neuen Stückes, «Le Silence des Sirènes», im Rahmen der Roche Commissions. Simon Rattle dirigiert

dabei erstmals das Lucerne Festival Academy Orchestra, Barbara Hannigan ist die Solistin.

Thomas Meyer (Text) & Priska Ketterer (Bilder)

Eines der grossen, unvollendeten Pro-

jekte des 2006 verstorbenen ungari-

schen Komponisten György Ligeti war

eine Oper nach dem zweiten Alice-Buch

von Lewis Carroll: «Through the Loo-

king Glass». Er schaffte es nur, 1988 eini-

ge Nonsense-Verse Carrolls zu vertonen.

Eine seiner Schülerinnen aber holte die

Oper später für ihn nach: Unsuk Chin,

1961 in Seoul geboren, studierte 1985-

88 bei Ligeti in Hamburg. Mit «Alice in

Wonderland» legte sie ihre erste Oper

vor, in der sie die fantastischen Szenen

auf ungemein farbige Weise vertonte.

Diese Idee hatte sie schon jahrelang mit

sich herumgetragen. 1991 schon vollen-

dete sie mit «Akrostichon-Wortspiel» ein

erstes Werk auf Texte von Carroll sowie

von Michael Ende; aber, so schrieb sie,

«erst als ich erfahren hatte, dass Ligeti

das Projekt wahrscheinlich nicht realisie-

ren wird, wagte ich, die Idee zu konkre-

tisieren.»

2003/04 entstand mit dem Zyklus

«snagS&Snarls» eine Art Vorstudie zur

Oper, die dann 2007 in München urauf-

geführt wurde. Eine weitere Oper über

das zweite Alice-Buch entsteht zur Zeit

für das Royal Opera House in London.

Unsuk Chin empfindet das, so schreibt

sie in einer Mail, «als eine noch grös-

sere Herausforderung, da ‚Through

the Looking Glass‘ ja kaum noch nar-

rativ ist, sondern auf quasi mathema-

tisch durchgeführten Sprachspielen

basiert». Die Uraufführung ist für die

Saison 2018/19 geplant, und man darf

annehmen, dass die Engländer Freude

an dem Stück haben werden, denn ei-

nerseits liebt Unsuk Chin das Wortspiel

und andererseits arbeitete sie schon in

ihrer ersten Oper auf oft parodistische

Weise mit den musikalischen Genres:

Das Stück ist voller Anspielungen und

Ironie.

Man möchte also von einem Schlüs-

selwerk sprechen: Da widerspricht die

Komponistin allerdings. «Alice in Won-

derland» sei «von Stil und Faktur her

doch sehr anders als die meisten ande-

ren Kompositionen von mir, was nicht

nur am Operngenre liegt, sondern an

der Charakteristik des ausgewählten

Stoffes. Ich hatte versucht, in Entspre-

chung zu den intertextuellen Techniken

Lewis Carrolls und der Fantastik der

Handlung eine Musik zu schreiben, die

einem Zerrspiegel gleicht und ironisch

ist.»

Überhaupt wolle sie sich nicht wie-

derholen. Mit jedem neuen Werk «ver-

suche ich der jeweils gestellten Aufgabe

gerecht zu werden, einer Aufgabe, die

von Stück zu Stück sehr variieren kann.

Eines der Qualitätskriterien für mich

ist überhaupt, zu versuchen, dass jedes

Stück vom Charakter her einzigartig ist.

So gesehen bin ich mir persönlich nicht

sicher, ob es ein Stück von mir gibt,

das man als Schlüsselwerk bezeichnen

kann.»

Page 14: Musik und theater special lucerne festival 2014

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Immerhin aber ist die Oper in ih-

rer bildhaften, fantastischen Art schon

typisch für Unsuk Chin. Ihre Musik ist

nie von der Blässe des Gedankens an-

gekränkelt. Schon Ligeti habe ihr die

abstrakten Kompositionstechniken wie

den Serialismus ausgetrieben. Bald fand

sie zu ihrer eigenen musikalischen Logik

und Imagination: «Meine Musik ist das

Abbild meiner Träume. Die Visionen

von immensem Licht und von unwahr-

scheinlicher Farbenpracht, die ich in al-

len meinen Träumen erblicke, versuche

ich in meiner Musik darzustellen als ein

Spiel von Licht und Farben, die durch

den Raum fliessen und gleichzeitig eine

plastische Klangskulptur bilden, deren

Schönheit sehr abstrakt und auch dis-

tanziert ist, aber gerade dadurch unmit-

telbar die Gefühle anspricht und Freude

und Wärme vermittelt», äusserte Unsuk

Chin einmal – und diese Neigung geht

offenbar auf ihre frühe Kindheit zurück:

«Dank meiner Träume beschäftigte ich

mich schon als ganz kleines Kind mit vie-

len Fragen. Wo und wie existieren diese

Phänomene und was ist das Geheimnis

der Einheit von Licht, Farbe, Klang und

Zahlen, die in einem zeitlichen Verlauf

fliesst, aber gleichzeitig in einem winzi-

gen Moment der Zeitlosigkeit plastisch

eingefroren ist? Von meiner Kindheit

an bis jetzt habe ich nie aufgehört, mir

diese Frage, die für mich auch die Fra-

ge nach dem Wesen der Musik ist, zu

stellen. Vielleicht werde ich in diesem

Leben nie an die Wahrheit herankom-

men». Diese Träume seien eine existen-

zielle Erfahrung und «die grösste Freu-

de meines Lebens».

Auch darin folgt sie ihrem Lehrer.

«Musikalische Bedeutung und musi-

kalische Logik verhalten sich, in den

Worten György Ligetis, zu tatsächlicher

Bedeutung und Logik wie Träume zur

Realität», schreibt sie. Logik nämlich

erweist sich in der Musik als etwas zuwei-

len Skurriles: Sie zeitigt mechanistische,

zuweilen quasi-mathematische und aufs

erste unsinnige, «unmusikalische» Ge-

bilde, die dann aber doch höchst ein-

dringliche Abläufe erzeugen. In den

Klängen steckt ja zuweilen ein faszinie-

render Nonsens, eine andere Logik.

Und da sind wir wieder in der Nähe von

Alice und ihren verrückten Abenteuern.

Sie sei erstaunt gewesen, als sie als Er-

wachsene erstmals Lewis Carroll las und

dabei Parallelen zu ihren Träumen ent-

deckte, sagt Chin.

Es wäre naheliegend, diese Bilder-

welt und diesen Farbenreichtum auch

mit ihrer Herkunft in Verbindung zu

bringen. Weniger als bei anderen Kom-

ponisten, die aus dem Fernen Osten

nach Europa oder Amerika gekommen

sind, fallen bei Unsuk Chin allerdings

Anlehnungen an asiatische Musik auf.

Sie sei in einem Korea aufgewachsen,

«das von neuen Ideen und rasanten Ent-

wicklungen im Gegensatz zu der uralten

Tradition geprägt war». Die multikultu-

relle Vermittlung bleibt so weitgehend

ausgeblendet.

Chin versucht nur selten, koreani-

sche Volksmusik mit europäischer Avant-

garde zu verbinden, aber sie habe, wie

sie selber sagt, «eine gewisse Abneigung

gegen das typische Klangbild des euro-

päischen Orchesters», das aus dem 19.

Jahrhundert stammt, und versuche des-

halb die Farbnuancen auch aussereuro-

päischer Musik einzubringen: «Wir sind

ein Volk, das Farben sehr mag. Schon

als Kind hatte ich, wenn ich Musik hör-

te, von jedem Ton eine Farbvorstellung,

zum Beispiel Gelb mit schwarzen Strei-

fen oder ähnliches. Das ist ein in meiner

Arbeit sehr wichtiger Punkt.»

Schön zu erleben ist das im Doppel-

konzert für präpariertes Klavier, Schlag-

zeug und Orchester von 2002. «Ich woll-

te eine Musik schreiben, die sehr farbig

im Charakter und im Ausdruck ist, frei

fliessend und beweglich und die sich mit-

unter in gänzlich unerwartete Richtun-

gen bewegt.» Verspielt kann sie deshalb

sein, die Musik von Unsuk Chin, frech

und witzig. Für ihr Ensemblestück «Graf-

fiti» zum Beispiel, liess sie sich von knal-

liger Strassenkunst inspirieren. Längst ist

ihre Musik international bekannt: 2004

erhielt ihr Violinkonzert den renom-

mierten Grawemeyer Award. Ihre Werke

werden nicht nur uraufgeführt, sondern

auch nachgespielt; auf den Avantgarde-

Zirkel bleiben sie nicht beschränkt.

Unsuk Chin, die seit einiger Zeit in

Berlin lebt, steuert dieses Jahr im Auf-

trag der Roche ein neues Stück zum

Lucerne Festival bei: «Le Silence des

Sirènes». Die Sopranistin Barbara Han-

nigan, Artiste-étoile des Festivals, wird

das Monodrama zusammen mit dem

Academy Orchestra unter Simon Rattle

uraufführen. Der Titel erstaunt. Tatsäch-

lich erwartet man von den Sirenen, die

einst Odysseus zu verführen suchten,

doch eher einen Gesang. Hier aber wird

ihr Schweigen beschworen, das noch

viel furchtbarer sei. Der Gedanke dazu

stammt von Franz Kafka: «Es ist zwar

nicht geschehn, aber vielleicht denkbar,

dass sich jemand vor ihrem Gesang ge-

rettet hätte, vor ihrem Verstummen ge-

wiss nicht. Dem Gefühl aus eigener Kraft

sie besiegt zu haben, der daraus folgen-

den alles fortreissenden Überhebung

kann nichts Irdisches widerstehn.» Das

Libretto des neuen Werks entstammt

zwei Quellen: dem zwölften Kapitel der

«Odyssee» Homers sowie dem Anfang

des elften Kapitels des «Ulysses», in dem

sich James Joyce auf die Sirenen bezieht.

«Diese Quellen werden äusserst frei

verwendet und keineswegs auf traditio-

nelle Weise ‚vertont‘. Das Stück besteht

aus unzählig vielen kleinen Fragmen-

ten, die aneinandergereiht werden. Mit

dem Resultat, dass die so daraus entste-

hende Gesamtstruktur einem Labyrinth

gleicht. Zusammenhalt bietet da eine

Art Leitmotiv, welches in verschiedens-

ter Verkleidung und oft versteckt das

Monodram wie ein roter Faden durch-

zieht.» Es ist anzunehmen, dass Unsuk

Chin von Sirenen geträumt hat.

Unsuk Chin am Lucerne Festi-val

17. August, 11.00 Uhr

Doppelkonzert für Klavier, Schlagzeug

und Ensemble

Ensemble intercontemporain;

Matthias Pintscher, Leitung

23. August, 18.30 Uhr

«Li Silence des Sirènes» für Sopran

und Orchester

Uraufführung, Auftragswerk Roche

Commissions

Lucerne Festival Academy Orchestra;

Simon Rattle, Leitung

Barbara Hannigan, Sopran

4. September, 12.15 Uhr

Etüden für Klavier

Mei Yi Foo

11. September, 20.00 Uhr

Porträtkonzert

Studierende der Hochschule Luzern

und der Lucerne Festival Academy

«…Visionen von immensem Licht und von unwahrscheinlicher Farbenpracht»

Page 15: Musik und theater special lucerne festival 2014

c o m p o s e r 15

Page 16: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a16

Tod Machover über Klänge und Kunst, über Technologie und Freiheit sowie über seine ersten Erfahrungen als klangsensibler Stadtbegeher

«Mit einem offenen Ende»Tod Machover ist ein offener Geist. Und ein Komponist, der die Schranken zwischen Kunst und ihrer gesellschaftlichen Wahrneh-

mung aufzubrechen sucht. Zum Beispiel, indem er ganze Städte auf ihre klangliche Individualität untersucht. Dies unter Mitwirkung

möglichst breiter Kreise und mit dem Einsatz aktuellster Technologien. Sein neuestes amibitiöses Projekt ist eine «Sinfonie für

Luzern», die im Sommer 2015 beim Lucerne Festival uraufgeführt wird. Doch der Prozess dazu hat bereits begonnen.

Andrea Meuli (Text) & Priska Ketterer (Bild)

Page 17: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a 17

Tod Machover: «Ich versuche, einen ideellen

Kontext zu schaffen, in welchem Leute über einen

Ort und seine Klänge nachdenken.»

Page 18: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a18

V O R V E R K A U F

Neue Konzertreihe Zürichab 1.9.2014: Tonhalle-Billettkasse 044 206 34 34

Haydn 2032 und Building Bridgesab sofort: schriftlich bei Hochuli Konzert AGspezielle Konditionen für Abonnenten der Neuen Konzertreihe Zürich

Aktuelle Informationen: www.hochuli-konzert.chHochuli Konzert AG, Postfach 41, 9056 GaisTel. 071 791 07 70, Fax 071 791 07 72 [email protected]

H o c h u l i K o n z e r t A G w w w . h o c h u l i - k o n z e r t . c h

Montag, 17. November 2014 – 19.30 Uhr

Orchestra Sinfonica Nazionale Rai TurinJuraj Valčuha LeitungArcadi Volodos Klavier

Tschaikowsky Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23 Dvořák Sinfonie op. 95 «Aus der Neuen Welt»

Montag, 1. Dezember 2014 – 19.30 Uhr

Vilde Frang ViolineMichail Lifits Klavier

Werke von Beethoven, Brahms, Albéniz, Strauss und Ravel

Samstag, 7. Februar 2015 – 19.30 Uhr

Sol Gabetta VioloncelloBertrand Chamayou Klavier

Werke von Beethoven, Mendelssohn und Chopin

Montag, 9. März 2015 – 19.30 Uhr

Camerata BernRadovan Vlatković HornLuis Vieira Horn

Mozart Hornkonzert Nr. 3 Es-Dur KV 447 und weitere Werke von Haydn, Rosetti und Mozart

Freitag, 10. April 2015 – 19.30 Uhr

Grigory Sokolov Klavier

Das Programm wird noch bekannt gegeben.

Montag, 18. Mai 2015 – 19.30 Uhr

Kammerorchester BaselJulia Lezhneva Sopran

«Arianna in Arcadia» – Arien und Werke von Torelli, Albinoni, Sarro, Händel und Porpora

Dienstag, 7. Juli 2015 – 19.30 Uhr

Anne-Sophie Mutter ViolineLambert Orkis Klavier

Werke von Beethoven, Ravel, Respighi und Bartók

Samstag, 17. Januar 2015 – 19.30 Uhr

Kammerorchester BaselGiovanni Antonini LeitungKhatia Buniatishvili Klavier

Beethoven Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll op. 37und weitere Werke von Haydn und Mozart

NEUE KONZERTREIHE ZÜRICH 2014/158 AbonnementskonzerteTonhalle Zürich, Grosser Saal

Samstag, 7. Februar 2015 – 17.00 UhrAdam Golka KlavierBeethoven und Brahms

Montag, 9. März 2015 – 17.00 UhrKuok-Wai Lio KlavierSchubert, Schumann und Janácek

Samstag, 17. Januar 2015 – 17.00 UhrRoman Rabinovich KlavierBach, Smetana, Brahms und Bartók

BUILDING BRIDGESSir András Schiff präsentiert junge PianistenTonhalle Zürich, Kleiner Saal

Freitag, 7. November 2014

Il Giardino ArmonicoGiovanni Antonini

Haydn Sinfonien Nrn. 1 d-Moll, 39 g-Moll und 49 f-Moll «La Passione» Gluck Don Juan ou le festin de Pierre Rahmenprogramm

Das Projekt Haydn2032 lässt eine Vision lebendig werden: Unter der musikalischen Leitung von Giovanni Antonini werden bis zum 300. Geburtstag Joseph Haydns im Jahr 2032 alle 107 Sinfonien in einem einzigartigen Konzertzyk-lus europaweit und eben auch bei uns in Zürich aufgeführt: www.haydn2032.com

HAYDN 2032 Haydn Lounge No. 1 «La Passione»Tonhalle Zürich, Grosser Saal

Unsere Kulturreisen 2014/15Do, 6. – So, 9. November

Fr, 23. – So, 25. JanuarDo, 30. April – Mo, 4. Mai

Wir senden Ihnen gerne die Detailprogramme.

Page 19: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a 19

M&T: Tod Machover, Sie nutzen die Klangprofile bestimmter Städte als musikalisches Material. Haben Sie Luzern schon erkundet?Tod Machover: Heute habe ich damit be-

gonnen! Ich war letztes Jahr am Ende des

Sommerfestivals erstmals hier in Luzern.

Damals führten wir erste Gespräche über

dieses Projekt. Allein machte ich mich

für einige Stunden auf, um Luzern zu

begehen. Ich wusste, dass es den See und

den Fluss gibt, aber nicht viel mehr.

M&T: Wie müssen wir uns das vorstellen, wenn Sie sich in einer Stadt auf Klangexpedition be-geben?Tod Machover: Das hängt ganz vom Ort

ab. Erstens einmal ist es mir wichtig, vor-

weg viel über eine Stadt zu lesen. Dann

liebe ich es, mich auf lange Stadtwan-

derungen zu machen, mich auf die Be-

sonderheiten eines Ortes einzulassen.

Luzern kannte ich nicht sehr gut. Als

auffallendes visuelles Wahrzeichen präg-

te sich mir die Natur mit den markanten

Bergen ein.

M&T: Wie lassen sich solche Erfahrungen in Klänge und letztlich in strukturierte Musik um-wandeln?Tod Machover: Das ist eine wichtige

Frage! Ich denke, das Interessante eines

solchen Prozesses ist es, gemachte Er-

fahrungen in Klang zu übersetzen. Das

beginnt bei einer ganz direkten, authen-

tischen Bestandesaufnahme: Welche

Klänge nehmen wir in der Stadt wahr?

Was hören wir? In welchem Kontext sind

sie interessant oder definieren eine Be-

sonderheit des betreffenden Ortes. Der

imaginäre Weg, eine Stadt über ihre

klangliche Wirklichkeit zu erforschen,

hat ein starkes Potenzial. Es fällt auf,

dass in dieser Stadt, neben den erwähn-

ten kraftvollen visuellen Eckpunkten der

Berge, sehr viele Details zu entdecken

sind – die Stadt ist nicht auf ein Wahr-

zeichen wie eine Kathedrale oder einen

zentralen Platz als urbaner Mittelpunkt

konzentriert. Es gibt mehrere Brücken,

alles hat hier seinen Reiz, seine beson-

dere Atmosphäre, jedes kleine Gäss-

chen. Ja, die Details faszinieren mich in

Luzern vor dieser starken Naturkulisse.

Und langsam beginne ich einige der

wichtigen Fragen zu verstehen, die mich

hier interessieren.

M&T: Welche Fragen brechen auf?Tod Machover: Etwa jene nach der Mi-

schung zwischen progressiven Ideen und

einem konservativen Geist, woran ich zu-

vor nicht gedacht hatte. Ungewöhnlich

ist, dass dieser Ort – mitten in Europa,

umgeben von Bergen, alles ist beschützt

– seit Jahrhunderten auch ein Ort des

Durchgangs war und ist. Leute kommen

und machen hier Urlaub, andere fahren

durch mit dem Ziel Italien. Es ist sehr un-

üblich, einen Ort zu finden, an welchem

diese beiden Voraussetzungen in einer

solchen Balance vorhanden sind. Wenn

wir über eine Art psychologischen Zugang

zu einem Ort reden, wie wir eine Stadt

oder eine Gegend erkunden, damit sie

auf eine bestimmte Art und Weise in Mu-

sik ausgedrückt werden kann – dann tref-

fen wir den Punkt, der mich interessiert.

M&T: Eine Stadt wie Luzern oder überhaupt die europäischen Städte sind ganz verschieden zu den amerikanischen Metropolen entstanden und gewachsen. Konsequenterweise haben sich über die Jahrhunderte hinweg auch andere Strukturen entwickelt.

Tod Machover: Auf jeden Fall. In einer

Stadt wie Toronto beispielsweise gibt es

viele Brachflächen, die einen animieren,

diesen Raum mit neuen Ideen zu beset-

zen. Man muss dort nicht alles in bereits

bestehende Strukturen integrieren. So-

gar in Manhattan ist das ganz anders.

Sicher sind es genau diese Zusammen-

hänge, die einen Ort wie diesen hier ein-

zigartig machen.

M&T: Wie wichtig ist Ihnen der Gedanke, wie eine Stadt oder ein Ort sich selber gerne erfah-ren möchte?Tod Machover: Das ist eine wichtige Fra-

ge! Und ich bin ständig daran, dieser

Frage nachzugehen, Antworten darauf

zu finden. Mit jedem neuen Projekt. In

Toronto, bei meinem ersten derartigen

Projekt, versuchte ich, so viele Materiali-

en wie möglich einzubauen und letztlich

in dem Stück zu verwenden. Sehr viele

Leute waren daran beteiligt und steuer-

ten Klangmaterial bei, und ich verwende-

te möglichst alles, was irgendwie zu ver-

wenden war. Mit dem Resultat, dass das

Stück zwar interessant wurde. Aber heute

denke ich, dass ich zu zaghaft und zu re-

spektvoll in der Auswahl war. Könnte ich

das Stück heute nochmals herausbrin-

gen, würde ich selektiver auswählen. Das

zweite Werk entstand in Edinburgh – mit

einem entgegengesetzten Resultat. Ich

kannte wohl die Stadt seit Langem, reiste

für das Projekt allerdings bloss zweimal

hin und entwickelte das Stück vorwie-

gend in meinem Studio in Boston. Dabei

verarbeitete ich ausschliesslich Material,

welches mir für das Stück unentbehrlich

schien – also das genaue Gegenteil des

ersten Projekts! Mit der Konsequenz,

dass das Stück noch ganze zwölf Minuten

dauerte, während jenes aus Toronto 35

Minuten lang war. Mit meiner jüngsten

Arbeit in Perth denke ich, nun so etwas

wie einen Ausgleich erreicht zu haben.

M&T: Welche Leitplanken stellen Sie für die «Lucerne Symphony» auf? Tod Machover: Ich weiss es noch nicht.

Sicherlich wird es kein Stück für das

Tourismusbüro, um damit Werbung für

die Stadt zu machen. Es ist aber auch

nicht als Kritik gedacht, vielmehr als

eine emotionale wie psychologische Er-

fahrung. Vielleicht bringt das Werk Leu-

te dazu, Dinge zu erkennen und darüber

nachzudenken, die ihnen bis dahin gar

nicht bewusst waren.

M&T: Wie bewahren Sie Ihre Projekte davor, bloss oberflächliche, additive Klangsammlung zu sein?Tod Machover: Wesentlich sind zwei As-

pekte: wie viel von einem Konzept, von

einer strukturierten Idee früh in das Pro-

jekt einfliesst und zu welchem Zeitpunkt

die Materialsammlung gestoppt wird, be-

vor sie ins Beliebige ausufert. Für Luzern

habe ich mir vorgenommen, so lange als

möglich zu warten, bevor das Material in

eine konkrete Form gebracht wird.

M&T: Was entzündet Ihre künstlerische Fanta-sie, was ist Ihre Strategie?Tod Machover: Ich bin zutiefst davon

überzeugt, dass wir eine neue Beziehung

zwischen Künstler und Publikum finden

müssen. Dabei darf allerdings der quali-

tative Anspruch nie einer flachen Bana-

lität geopfert werden. Man muss nur mal

schauen, was heute in den Social Media

abläuft, wie darin jeder – überall und zu

jedem Thema – sich ein Urteil anmasst

und dies als öffentliche Meinung kund-

tut. Demgegenüber versuche ich ein

anderes Modell der Zusammenarbeit zu

aktivieren, bei dem Leute Material bei-

steuern und den Weg der Ideen mitbe-

stimmen können.

M&T: Wie geschieht das?Tod Machover: Es gibt viele Stufen des

Projekts: wenn jemand Ideen und Klänge

einsendet, wenn Klänge vermischt wer-

den können, wenn ich Resultate mitein-

ander verbinde und wieder nach aussen

senden kann. Wir entwickeln eine Soft-

ware, welche es den Leuten ermöglicht,

mit den verschiedenen Teilen eines Stü-

ckes zu experimentieren und sie auch zu

bearbeiten. Schliesslich suche ich an je-

«Luzern so zu hören, wie es niemand erwartet hätte!»

Page 20: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a20

lucernechamber

circle

Die Konzertreihe ausserhalb der Festivals im Kultur- und Kongresszentrum Luzern

Saison 2014 / 2015

Sonntag, 7. Dezember 2014, 11.00 Uhr (Matinee)

Adventsmatinee: Hespèrion XXI«Folías Antiguas y Criollas»Andrew Lawrence-King, HarfeJordi Savall, Viola da gamba und Leitung

Sonntag, 21. Dezember 2014, 18.30 Uhr

J. S. Bach: WeihnachtsoratoriumCappella AmsterdamLe Concert LorrainDaniel Reuss, LeitungHana Blažíková, SopranMarie-Claude Chappuis, AltThomas Hobbs, TenorPeter Harvey, Bass

Dienstag, 30. Dezember 2014, 19.30 Uhr

Nussknacker zu 8 HändenGershwin Piano QuartetMischa Cheung, André Desponds, Benjamin Engeli, Stefan Wirth

Sonntag, 4. Januar 2015, 11.00 Uhr (Matinee)

Salzburger Neujahrskonzert: Grüsse aus Küche und KellerCamerata SalzburgGregory Ahss, Chefkoch und musikalische LeitungJosef Radauer, Oberkellner und Kontrabass

Sonntag, 18. Januar 2015, 18.30 Uhr

Cuzzoni vs. Bordoni: 2 Diven – 2 RivalinnenCappella GabettaAndrés Gabetta , Violine und LeitungSimone Kermes, Sopran (Cuzzoni)Vivica Genaux, Mezzosopran (Bordoni)

Karfreitag, 3. April 2015, 18.30 Uhr

J. S. Bach: Matthäus-PassionBalthasar-Neumann-ChorLe Concert LorrainChristoph Prégardien, Evangelist und LeitungHana Blažíková, SopranSophie Harmsen, AltJames Gilchrist, TenorKonstantin Wolff, BassDietrich Henschel, Bass

Montag, 13. April 2015, 19.30 Uhr

Macht süchtig: Opium IIPhilippe Jaroussky, CountertenorJérôme Ducros, KlavierQuatuor Ébène

Sonntag, 10. Mai 2015, 18.30 Uhr

Frühromantik zum MuttertagKammerorchester BaselChristian Zacharias, Klavier und Leitung

Vorverkauf: Wählen Sie online Ihren Sitzplatz aus: www.kulturticket.ch Bezahlung mit Kreditkarte (MasterCard/Visa), Postcard oder gegen Rechnung Tel. 0900 585 887 oder 0900kultur (Mo-Fr, 10.30-12.30 h, CHF 1.20/Min.)

Veranstalter: swiss classics gmbh, sängergasse 5, 4054 basel. www.swissclassics.ch, [email protected]änderungen vorbehalten

Page 21: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a 21

dem dieser Orte nach unverwechselbaren

Dingen, die wirklich interessant sind und

auch überraschen. Ansonsten würden die

Projekte ja überall gleich daherkommen.

Es gehört auch dazu, bestimmte Kreise –

Schulen etwa mit dem richtigen Lehrer –

einzubinden. Dann können geradezu be-

rührende Resultate entstehen. Vielleicht

kommt jemand darauf, Luzern so zu hö-

ren, wie es niemand erwartet hätte! Viel-

leicht ein fünfminütiger Gang durch das

Stadtzentrum, vielleicht eine besondere

psychologische Situation. Solche Dinge

geschehen. Und wenn sie geschehen,

dann entsteht ein Stück, wie ich es selber

nie verwirklichen könnte. Ich versuche,

eine offene Struktur zu schaffen, welche

es ermöglicht, dass solche Überraschun-

gen tatsächlich geschehen.

M&T: Ihre Stadtprojekte sind ausgesprochen prozessual angelegt. Betrachten Sie den Weg dorthin als das eigentliche Werk – oder doch eher das am Ende aufgeführte Stück als musi-kalisches Kondensat?Tod Machover: Ich denke, es gibt noch

eine dritte Option: eine Umgebung zu

schaffen, einen ideellen Kontext, in wel-

chem Leute fortlaufend über einen Ort

und seine Klänge nachdenken. Mit einem

offenen Ende. Das Luzerner Projekt hin-

gegen sehe ich als eine Kombination der

beiden von Ihnen genannten Optionen.

Würde es auf eine der beiden Haltungen

eingeschränkt, wäre ich unglücklich. In

Toronto war eine Tendenz zu beobach-

ten die vielleicht generell gilt: Die Mu-

sikkritiker betrachteten das Projekt und

meinten: «Fantastischer Prozess, aber wir

mögen das Stück nicht!» In Edinburgh

wie in Perth war das Werk an sich stärker

in den Prozess integriert. Ich will wirklich,

dass die Stücke ein Eigenleben bekom-

men! Möglich, dass mir dies nicht gelingt,

aber ich strebe es an. Es ist mir wichtig.

M&T: Sie möchten am Ende ein musikalisches Werk präsentieren, welches ein Orchester auch an einem anderen Ort spielen könnte?Tod Machover: Ja, genau! Vielleicht wer-

den wir uns in unserem nächsten Projekt

nach Luzern auf diesen dritten Aspekt

konzentrieren: Können wir einen Pro-

zess und ein Stück initiieren, bei dem im

Vordergrund steht, dass das daraus ent-

stehende Werk weiterlebt und auch für

spätere Eingriffe offen bleibt?

M&T: Ist es möglich, dass ein so konzipiertes und realisiertes Werk eigenständig, ohne seinen Initiator überleben kann?Tod Machover: Ja. Ich denke, das kann

funktionieren. Einige meiner Werke

sind schwierig aufzuführen. Meine letzte

Oper, «Death and the Powers», verlangt

beispielsweise Roboter auf der Bühne,

man braucht dafür ein sehr kompli-

ziertes Set mit komplexen Geräten und

Anlagen. Hier in Luzern spielt das Or-

chester unverstärkt, die elektronischen

Klänge werden hinzugemischt. Aber

alle meine Vorstellungen – etwa von

Klangeinblendungen – sind notiert. Das

schafft überhaupt keine Probleme, ein

solches Werk später oder anderswo wie-

der aufzuführen.

M&T: Andernfalls gäbe es kein künstlerisches Weiterleben für Sie als Komponist…Tod Machover: … ich versuche natürlich

die Voraussetzungen zu schaffen, damit

es gelingt, dem Werk ein Weiterleben

ohne mich für eine hoffentlich lange

Zeit zu sichern. Aber solchen Strategien

sind immer Grenzen gesetzt. Über einen

gewissen zeitlichen Rahmen hinaus ist

das kaum zu beeinflussen oder gar zu

kontrollieren. Kommt hinzu, dass Din-

ge, die uns heute beschäftigen oder gar

berühren, in zehn oder zwanzig Jahren

möglicherweise oberflächlich und banal

erscheinen. (Lachend) Vielleicht gelingt

das jemand anderem besser als mir…

M&T: Ihre Ideen nutzen das kreative Potenzial komplexer Technologien. Öffnet Ihnen die Tech-nologie auch künstlerische Freiräume?Tod Machover: Ich denke, wenn Sie die

die Technologie beherrschen, kann Sie

Ihnen tatsächlich eine bestimmte Art

von Freiheit geben. Aber natürlich gibt

es nicht nur diese eine Freiheit. Ich versu-

che die aktuellen technologischen Mög-

lichkeiten zu nutzen, um die verschie-

densten Fragen zu erkunden: wie sich

eine Ausdrucksgeste umsetzen lässt, was

eine Phrase bedeuten kann, wie kom-

plex ein Klang sein kann oder wie die

Beziehung zwischen Ausführenden und

Publikum einbezogen werden kann.

Ich glaube heute – auch wenn es mittels

technologischer Mittel geschieht –, es

braucht den direkten menschlichen Kon-

takt, um einen wirklichen Prozess in Gang

zu bringen. Das möchte ich auch mit die-

sem Luzerner Projekt erreichen. Wenn

ich im August zurückkehre, versuche ich

daher so viele kommunikative Situationen

als möglich zu schaffen: Leute können

mir Klänge bringen, mir eine Geschichte

erzählen, wir können uns über die Stadt

unterhalten. Sicher wird das der Start zu

einem Prozess voller Überraschungen!

Tod Machover am Lucerne Festival 2014

23. August: 11.00 – 13.00

Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz

24. August: 16.00 – 18.00

Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz

25. August: 19.30

Workshop, KKL Luzern, Clubräume

Teilnahme am Workshop nach Voranmel-

dung unter [email protected]

26. August: 16.00 – 18.00

Street Studio mit Tod Machover, Europaplatz

27. August: 19.30

Workshop, KKL Luzern, Clubräume

Teilnahme am Workshop nach

Voranmeldung unter

info@sinfoniefuerluzern

Tod Machover – The Lucerne Symphony

Der amerikanische Komponist Tod Machover

demonstriert mit seiner Musik eine ausser-

gewöhnliche stilistische Bandbreite, die dazu

beigetragen hat, die Definition der Musik

selbst und ihre Wirkung auf die Gesellschaft

weiterzuentwickeln. Machover ist für seine in-

novativen Werke bekannt wie zum Beispiel die

«Roboter-Oper» Death and the Powers. Seit

2012 arbeitet Machover an einer Serie von

«Stadt-Sinfonien», so entstanden in Toronto,

Edinburgh und Perth (Australien) ähnliche Sin-

fonien wie die geplante in Luzern.

Er wurde 1953 in New York geboren, studierte

an der Juilliard School bei Elliott Carter und

wirkte an Pierre Boulez‘ IRCAM in Paris als

«composer-in-residence» und als erster Di-

rector of Musical Research. Machover ist als

«Muriel R. Cooper Professor of Music and Me-

dia» und Director der sogenannten Opera of

the Future Group am MIT Media Lab in Boston

tätig. Er ist bekannt dafür, neue Technologien

für musikalische Aufführung und Komposition

zu entwickeln. Tod Machover ist der Erfinder

der Hyperinstruments, die die musikalischen

Ausdrucksmöglichkeiten für Künstler wie Yo-

Yo Ma oder Prince erweitert haben.

Darüber hinaus wurden vom MIT Media Lab

für die breite Öffentlichkeit die revolutionären

Videospiele «Guitar Hero» oder «Rock Band»

entwickelt. Machover arbeitet ausserdem an

musikalischen Systemen und Technologien, die

die Förderung der physischen und mentalen Ge-

sundheit und des Wohlbefindens zum Ziel haben.

Das gesamte Projekt «Eine Sinfonie für Lu-

zern» wird von Lucerne Festival filmisch be-

gleitet. Am Ende steht eine Dokumentation, die

im Zusammenhang mit der Uraufführung des

Werks am 5. September 2015 gezeigt wird.

www.todmachover.com

Page 22: Musik und theater special lucerne festival 2014

i n s e r a t e22

In aller Leute Mund.Rezital Jonas Kaufmann Montag, 13. Oktober 2014 | 19.30 Uhr | KKL Luzern, KonzertsaalJonas Kaufmann, Tenor | Helmut Deutsch, Klavier

Robert Schumann: Auswahl aus den «Kerner-Liedern» op. 35 «Dichterliebe» op. 48Richard Wagner: «Wesendonck-Lieder» WWV 91Franz Liszt: Tre sonetti di Petrarca S. 270

Preise: CHF 250 | 190 | 140 | 90 |40

Eine der bedeutendsten Pianistinnen der Gegenwart.Maria João Pires spielt BeethovenMittwoch, 15. Oktober 2014 & Donnerstag, 16. Oktober 201419.30 Uhr | KKL Luzern, KonzertsaalLuzerner Sinfonieorchester LSO | James Gaffigan, Leitung | Maria João Pires, Klavier

Carl Maria von Weber: Ouvertüre zur romantischen Oper «Oberon»Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37 und Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25

Saison-Höhepunkte 2014/15mit Chefdirigent James Gaffiganund dem LSO.

Page 23: Musik und theater special lucerne festival 2014

i n s e r a t e 23

Händels erfolgreichste italienische Oper.Cäsar und Cleopatra mit Natalie DessayDienstag, 18. November 2014 | 19.30 Uhr | KKL Luzern, KonzertsaalLe Concert d’Astrée | Emmanuelle Haïm, LeitungNatalie Dessay, Sopran | Christophe Dumaux, Countertenor

Georg Friedrich Händel: Ausschnitte aus der Oper «Giulio Cesare in Egitto»

Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25

Eine Legende mit Mozarts letztem Klavierkonzert.Menahem Pressler & Thomas DausgaardMittwoch, 3. Dezember 2014 & Donnerstag, 4. Dezember 201419.30 Uhr | KKL Luzern, KonzertsaalLuzerner Sinfonieorchester LSO | Thomas Dausgaard, LeitungMenahem Pressler, Klavier

Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 27 B-Dur KV 595Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 7 E-Dur

Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25

Stargitarrist Miloš zu Neujahr.Il Regno di NapoliDonnerstag, 1. Januar 2015 | 17.00 Uhr ] Freitag, 2. Januar 2015 | 11.00 Uhrjeweils KKL Luzern, KonzertsaalLuzerner Sinfonieorchester LSO | James Gaffigan, Leitung | Miloš, Gitarre

Joaquín Turina: «Danzas gitanas» für OrchesterJoaquín Rodrigo: «Concierto de Aranjuez» für Gitarre und OrchesterAlessandro Scarlatti: Concerto grosso Nr. 5 d-MollDomenico Scarlatti: Eine Sonate für KlavierDomenico Cimarosa: Ouvertüre zur Oper «Il matrimonio segreto»Giuseppe Verdi: Ouvertüre zur Oper «Alzira»Nino Rota: Tänze aus der Filmmusik zu «Il Gattopardo» und andere

Preise: CHF 110 | 90 | 65 | 45 | 25

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Bestellen Sie jetzt das Saisonprogramm 2014/15 und sichern Sie sich Ihre Plätze! Beratung & Verkauf: Telefon 041 226 05 15 oder www.sinfonieorchester.ch

Page 24: Musik und theater special lucerne festival 2014

a r t i s t s24

Sie zählt zu den vielseitigsten Musikerpersönlichkeiten der Gegenwart. Als Sopranistin und Dirigentin pflegt Barbara Hannigan

ein breites Repertoire, das von der alten bis zur neuesten Musik reicht. Darüber hinaus lebt sie als Dirigentin ein kollegiales

Miteinander, fernab von jeglichem Dünkel. Beim Lucerne Festival ist die Kanadierin nun «artiste étoile», mit umfassenden

Einblicken in ihr Wirken. Wir trafen sie in München, wo sie jüngst in Bernd Alois Zimmermanns «Die Soldaten» zu erleben war.

Marco Frei (Text) & Priska Ketterer (Bilder)

Barbara Hannigan über Mahlers Parodiefalle, den Umgang mit Tradition und die Kraft der Stille

«Ich bin gesund!»

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M&T: Barbara Hannigan, wie singt man im Zweiten Streichquartett von Arnold Schönberg die «Luft von anderem Planeten» – oder den «kindlich heiteren Ausdruck» im Finalsatz der Vierten Sinfonie von Gustav Mahler?Barbara Hannigan: Indem man bei Mah-

ler nicht in die Parodiefalle tappt. Mah-

ler hat diese Anweisung ernst gemeint.

Zudem muss der «kindliche Ausdruck»

nicht zwangsläufig den Ton meinen, son-

dern eine Haltung – die Art des Vortrags.

Ich liebe es, die Vierte von Mahler zu

singen. Insbesondere heute. Es war eines

meiner ersten Orchesterstücke, als ich

jung war. Ich hörte all die Aufnahmen,

aber vor allem in den zurückhaltenden

Momenten war es oft so gross und dick.

Das konnte ich nicht verstehen, weil es

mir wie Protzerei vorkam – mit viel Vib-

rato. Für mich war es sehr schwer, damit

umzugehen. Aber jetzt bin ich älter und

muss niemandem mehr beweisen, dass

ich singen kann. Ich bin nicht in einem

Wettbewerb und fühle mich einfach wohl

in dieser Musik – in der Unschuld des

Klanges eines Kindes, das im Himmel die

Tiere rennen sieht und sich nicht vor-

stellen kann, dass das Essen dort so gut

sei. Es ist eine Art Bewusstseinswerdung,

die sehr spontan ist und sehr rasch. Des-

wegen verlangt Mahler ständig: «Nicht

schleppen». Denn die Assoziationen von

Kindern kommen und gehen schnell,

auch das meint das «Kindlich». Es be-

wegt sich stets vorwärts, ohne zu zögern.

M&T: Und das Zweite Streichquartett von Schönberg?

Barbara Hannigan: Dort trage ich eine

Art Wettbewerb mit mir selber aus. Und

wie viel Geld ich verliere, wenn ich dieses

Stück singe! Ich singe es nämlich oft um-

sonst, weil ich keine Gelegenheit verpas-

sen möchte – dafür liebe ich es zu sehr.

Wie man die «Luft von anderem Plane-

ten» singt? Ich denke, indem man vor

allem sehr genau und sehr tief zuhört.

Ich höre dem Klang des Streichquartetts

zu, um wirklich die Luft in diesem Klang

zu spüren. Und wenn das Quartett die

letzten fröstelnden Noten spielt, bevor

der Gesang anbricht, und es schwingt

bereits die Ahnung einer Farbe in der

Luft mit: Das ist es. Es ist für mich eine

türkis-blaue Kühle, die diesen Klang

hervorruft und Gänsehaut verleiht – ein

Klang jenseits der Sterne.

M&T: Ist auch für den «Klang jenseits der Ster-ne» die Frage nach dem Vibrato entscheidend – auch im Sinne eines «non vibrato»?Barbara Hannigan: Der Gebrauch des

Vibratos ist tatsächlich sehr entschei-

dend. Ein Dauervibrato wirkt künst-

licher und hat nichts zu tun mit der

Freiheit oder Unschuld eines Kindes.

Ich benutze das Vibrato sehr bewusst,

mache den Ton straffer und klarer oder

füge Vibrato hinzu. In komischen Rol-

len parodiere ich auch das Vibrato, bei

Mahler aber sollte das Vibrato wirklich

minimal sein – allerdings ohne Zwang,

weil das auch wieder künstlich wäre und

gewollt. Bei Schönberg hingegen muss

man im Klang des Quartetts sein, es ist

ein miteinander Atmen. Man kann das

Zweite Streichquartett nicht ganz ohne

Vibrato singen, wegen des klanglichen

Volumens, gerade in den tieferen Regis-

tern. Für mich steht grundsätzlich fest,

dass ein Dauervibrato, wie es noch heute

gerne gelehrt wird, ziemlich langweilig

ist. Man muss es beherrschen, ja, aber

frei einsetzen. Generell arbeite ich sehr

hart und mit viel Disziplin an meiner

Technik, um frei zu sein.

M&T: Weil flexibel?Barbara Hannigan: Ja. Natürlich muss

man spontan sein, aber wie schon Pierre

Boulez stets zu mir sagte: «Du kannst

erst spontan sein, wenn du diszipliniert

gearbeitet hast, um alle Möglichkeiten

zu besitzen. Erst sie erlauben dir, das zu

erreichen.» Wenn ich das Zweite Streich-

quartett von Schönberg singe, spüre ich

den musikhistorischen Wandel – die

Tradition und das Loslassen von ihr. Wir

müssen unser Musizieren mit unserem

Wissen konfrontieren, aber ohne den

Zwang von Tradition. Die Tradition soll-

te nichts damit zu tun haben, wie man

ein Stück singt. Kein Komponist hat mir

je gesagt: «Bitte singe mein Stück so, wie

es andere tun.» Sie sagen: «Schau in die

Barbara Hannigan: «Ich promote Partituren, das ist mein Job.

Denn Musik ist das Medium, durch das ich den Menschen

helfen kann, sich selber zu betrachten.

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Noten.» Nur das ist ihr Erbe, nicht ir-

gendeine Interpretationstradition.

M&T: Was hat Ihnen Boulez gegeben?Barbara Hannigan: Zuerst haben wir

Anton Webern und Igor Strawinsky ge-

macht, und dann kam sein eigenes Werk

«Pli selon pli». Das war für mich unver-

gesslich. Wir kannten uns bereits gut und

vertrauten uns sehr. Er sagte mir nie, wie

ich zu singen hätte. Ich fühlte mich frei,

spürte den Fluss, fast schon eine impro-

visierende Qualität – obwohl die rhyth-

mische Kontrolle und die Koordination

mit den Instrumentalisten in dem Werk

wirklich hart ist. Was wir gemeinsam ent-

deckten, war die dramatische Präsenz

des Stücks. Zuvor hatte mich György Li-

geti als erster für vieles befreit. Die He-

rausforderungen in seiner Musik waren

so gross, aber ich sage oft, dass moderne

Komponisten meine Gesangslehrer sei-

en. Natürlich – wenn du Mozart nicht

singen kannst, ist etwas falsch. Er ist der

Test. Aber ich habe Klänge und Farbe

entdeckt durch so viele moderne, zeitge-

nössische Komponisten. Sie alle haben

mir etwas beigebracht und mich unter-

richtet. Und sie tun es noch immer.

M&T: Woher rührt Ihre Neugierde für neue Musik?Barbara Hannigan: Ich komme aus einer

kleinen Stadt in Kanada, wo ich zwar ei-

nen guten Gesangsunterricht hatte, aber

keinen allzu kenntnisreichen Musikun-

terricht. Mit 17 zog ich nach Toronto.

Dort begann ich, Mahler zu hören und

Bruckner, auch Ligeti und Boulez. Alles

war neu für mich. Ich bin mindestens

drei- oder viermal die Woche ins Kon-

zert gegangen, alte und moderne Musik,

alles. Für mich war nie ein Stil besser als

der andere.

M&T: Viele junge Sänger meinen, neue Musik ruiniere die Stimme.Barbara Hannigan: Ach, das wurde

schon immer gesagt. Seit der zweiten

Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich

diese Ressentiments wohl noch ver-

stärkt. Aber echte Sängerinnen, wie

Cathy Berberian, haben bewiesen, dass

neue Musik die Stimme nicht ruinieren

muss. Sie waren erfolgreich und hatten

gesunde Stimmen. Ich habe über 80 Stü-

cke uraufgeführt – und es geht mir sehr

gut. Ich bin gesund!

M&T: Sie geben in Luzern diesen Sommer einen Meisterkurs. Was ist Ihr «Geheimrezept», das Sie in Luzern dabei verraten werden?Barbara Hannigan: Zunächst einmal

sind die meisten Stimmen durch über-

mässiges Singen ruiniert. Schauen Sie

sich die Wagner-Sänger an: Es gibt so

viele, die medizinische Hilfe benötigen

für ihre Stimmbänder. Wir kennen sie,

und das hat nichts mit moderner Musik

zu tun. Eine gesunde Technik ist eine

gesunde Technik. Man muss diszipliniert

sein und einen Plan haben, um Musik

einzustudieren. Ich bin auf Proben sehr

vorsichtig und muss niemandem etwas

beweisen. Ich gebe in der Aufführung

mehr als in den Proben.

M&T: Sie mögen Yoga, oder? Barbara Hannigan: (lacht) Ich habe mir

für meinen Meisterkurs in Luzern tat-

sächlich einen Yogalehrer gewünscht,

aber es hätte auch etwas anderes sein

können. Ich bin keine Yoga-Fanatikerin

– überhaupt nicht. Aber ich wollte einen

Bewegungskurs integrieren, weil es wirk-

lich wichtig ist, den ganzen Körper zu

«Heute umarme ich diese Einsamkeit!»

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Barbara Hannigan

am Lucerne Festival

16. August, 22.00 Uhr («Late Night»)

Werke von Rossini, Mozart, Ligeti und Fauré

Mahler Chamber Orchestra,

Barbara Hannigan, Dirigentin und Sopran

23. August, 18.30 Uhr

Chin: «Le Silence des Sirènes»

(Uraufführung)

Lucerne Festival Academy Orchestra &

Chorus

Simon Rattle, Dirigent

25. – 30. August, 11.00 Uhr

Meisterkurs Gesang mit Barbara Hannigan

Studierende der Lucerne Festival Academy

30. August, 22.00 Uhr («Late Night»)

Abschlusskonzert Meisterkurs

29. August, 22.00 Uhr

Barbara Hannigan in der Festival Lounge

6. September

Mahler 4. Sinfonie G-Dur

Lucerne Festival Academy Orchestra,

Matthias Pintscher, Dirigent

trainieren. Sehr viel häufiger gehe ich

ins Fitnesscenter, einfach um gesund zu

bleiben.

M&T: Zumal heute der kulturpolitische Druck auf die Klassik wächst, und auch die PR-Ma-schinerie gnadenlos ist?Barbara Hannigan: Natürlich, das ist

wahr. Aber noch wichtiger ist, dass man

sich selber gegenüber ehrlich und auf-

richtig ist. Wenn du nicht dem folgst, was

andere meinen, was du tun solltest, gibt

es dir wirklich Energie. Ich habe immer

sehr viel gearbeitet, auch heute noch.

Schon als Kind wollte ich viel beschäftigt

sein. Andere Menschen benötigen mehr

Raum. Es geht also darum, was man sel-

ber braucht. Und was die «PR-Maschine»

betrifft: Ich möchte die Komponisten

promoten, seien sie nun tot oder leben-

dig. Ich promote Partituren, das ist mein

Job. Denn Musik ist das Medium, durch

das ich den Menschen helfen kann, sich

selber zu betrachten. Die Botschaften in

Zimmermanns «Soldaten» oder in Bergs

«Lulu» künden davon, Dinge zu ändern.

M&T: In Luzern sind Sie auch als Dirigentin zu erleben. Warum sind bis heute Vorbehalte ge-genüber dirigierenden Frauen weit verbreitet?Barbara Hannigan: Jedenfalls ist der

Druck auf Frauen, besser zu sein, sehr

viel höher – das stimmt. Eigentlich muss

man als Frau immer besser sein. Für

mich muss man einfach ein guter Musi-

ker sein, ob Mann oder Frau. Punkt. Für

mich ist das Dirigieren normal. Es macht

15 Prozent meines Jahres aus, und es

wird mehr werden – zumal man nicht

ewig singen kann. Ich mache es seit ei-

nigen Jahren und sage nicht: «Hey, ich

bin eine Frau.»

M&T: Haben Sie Angst vor der Stille?Barbara Hannigan: Nein, die Stille ist so

wichtig wie der Klang. Ich geniesse sie.

Und für meine Stimme ist das Schwei-

gen notwendig. Wann immer ich kann,

fahre ich nach Nova Scotia in Kanada,

wo es sehr still ist. Da komme ich her.

Für mich war es anfangs sehr hart, mei-

ne Heimat zu verlassen – die innere

Einsamkeit. Aber jetzt bin ich daran ge-

wöhnt und sehe das Alleinsein als etwas

Positives. Um es mit Rilke zu sagen: Heu-

te umarme ich diese Einsamkeit.

M&T: War die Einsamkeit der Preis der Karriere?Barbara Hannigan: Ja, und heute ist

es ein schöner Preis. Man muss dem

Nachwuchs erklären, dass man bereit

sein sollte, etwas aufzugeben. Es ist ein

grosses Opfer. Du bist selten zu Hause,

immer woanders, deine Freunde und

persönlichen Sachen sind weit weg. Man

muss wenig reden, um die Stimme zu

schonen. Manchmal kann ich deswegen

nicht mit meiner Familie sprechen. Aber

ich habe einen wundervollen Partner,

der mich genau versteht und weiss, wie

ich arbeite. Er schenkt mir den Raum,

den ich brauche – für meine Kunst.

Page 30: Musik und theater special lucerne festival 2014

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Christian Gerhaher über Gesangs-Emphase, seine Entwicklung als Liedersänger und die Ikone Dietrich Fischer-Dieskau

«Ich bin ein Epigone»Seine Liedinterpretationen schürfen tief, und in der Oper dringt er Schritt für Schritt in neue Gefilde vor. Der Bariton Christian Gerha-

her hat viel erreicht in seiner Karriere. Und Selbstzweifel wie Eigenkritik dabei nie verloren. Diesen Sommer verkörpert er am Lucer-

ne Festival in der halbszenischen Umsetzung von Johann Sebastian Bachs «Matthäuspassion» den Christus. Eine ganz besondere

Herausforderung.

Kai Luehrs-Kaiser

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M&T: Herr Gerhaher, es gibt derzeit wenige Sänger, die so stark bewundert werden wie Sie – auch von Musikerkollegen. Wie gehen Sie damit um? Christian Gerhaher: Ich fühle mich

eher geniert und kann nur versuchen,

das Lob zurückzugeben. In letzter Zeit,

das stimmt, häufen sich die Dinge bei

mir, zum Beispiel dadurch, dass ich «Ar-

tist in Residence» bei den Berliner Phil-

harmonikern war. Es liegt eine Gefahr

darin, Lob zu glauben. Ich selber sehe

mich als einen typischen Stimmbesit-

zer. Aber ein richtiger Musiker bin ich

nicht.

M&T: Wie bitte?!Christian Gerhaher: Das Material meiner

Stimme, glaube ich, gibt mir bestimmte

Möglichkeiten. Aber zugleich muss ich

zugeben, dass ich die Musik, die mein

Beruf ist, oft nicht verstehe. Gestern

in der Berliner Philharmonie habe ich

Simon Rattle mit der 3. Snfonie von

Brahms gehört. Er hat es phantastisch

dirigiert, und doch weiss ich überhaupt

nicht, wie das aufgebaut ist. Ich empfin-

de mich als Laien.

M&T: In die Schweiz, nach Luzern, kommen Sie diesen Sommer mit Bachs «Matthäus-Passion», inszeniert von Peter Sellars. Den Jesus haben sie auch früher schon gesungen. Hat Sellars et-was an Ihrer Interpretation bewirkt?Christian Gerhaher: Oh ja, sehr viel. Ich

hatte die «Matthäus-Passion» sogar frü-

her schon einmal mit Simon Rattle in

Birmingham aufgeführt. Ich fand’s ide-

al und war nie wieder so überzeugt von

einer Matthäus-Passion. Trotzdem muss

ich sagen, dass ich die Figur des Jesus

erst in Salzburg durch Peter Sellars ver-

standen habe. Sellars hat einfach zu mir

gesagt: «Bitte freundlicher!»

M&T: Was wollte er damit sagen?Christian Gerhaher: Ich war davon aus-

gegangen, dass Jesus sehr stark durch

sein Menschsein geprägt ist. Sellars

dagegen wollte, dass ich die Milde, die

Freundlichkeit und eine unverbrüchli-

che Liebe stärker zeige. Darauf konnte

ich mich gut einlassen. Für mich hat

Sellars selber etwas stark Auratisches. Er

sagt immer, das Ergebnis sei nicht das

Entscheidende. Und darin hat er Recht.

Genau das ist die Unschärferelation in

allem Künstlerischen. Was wissen wir

schon in Bezug auf das, was wir wirklich

wollen?! Was herauskommt, hat seine ei-

gene Wahrheit.

M&T: Bei Sellars’ «Ritualisierung» handelt es sich um eine halb- oder dreiviertelszenische Aufführung, die mit wenig Mitteln den Eindruck erweckt, in sich vollständig zu sein. Richtig?Christian Gerhaher: Ja, es fehlt nichts.

Inzwischen haben wir auch die «Johan-

nes-Passion» gemeinsam aufgeführt. Es

ist das viel reflektiertere Stück. Ich habe

den Ausdruck «Ritualisierung» immer

ein bisschen merkwürdig oder sogar prä-

tentiös gefunden. Aber es steht ein uner-

hörtes musikalisches Vorstellungsvermö-

gen dahinter. Der Mann ist grossartig.

M&T: Ursprünglich erfolgte Ihr Auftritt als Jesus aus dem Publikum heraus. Sie mussten schon lange vorher, für alle sichtbar, im Publikum sit-zen?

Christian Gerhaher: Ich muss gestehen,

dass das eine schreckliche Situation war!

Man darf sich nicht rühren. Die Angst

steigt. Wir haben das szenisch jetzt Gott

sei Dank verändert.

M&T: Ist es nicht so, dass Lampenfieber und Angst aufhören, sobald man auf der Bühne steht?Christian Gerhaher: So sollte es sein. Es

kann aber auch passieren, dass man

die Angst während des ganzen Auftritts

beibehält. Das merkt man im Publikum

vielleicht nicht. Aber es bleibt ziemlich

schwierig.

M&T: Bei der Schubertiade Hohenems singen Sie im September einen Liederabend. Wenn man Ihre heutigen Liedaufnahmen mit früheren vergleicht, so stellt man eine erstaunliche Ent-wicklung fest. Ihr Timbre ist weicher und voller geworden, das Legato hat sich entwickelt und es ist eine Emphase eingekehrt, die Ihnen heute keiner nachmacht. Christian Gerhaher: Dass sich das Lega-

to verbessert hat, freut mich. Dennoch

waren dies alles nicht die Baustellen,

an denen ich gearbeitet habe. Meine

grösste Baustelle ist, dass ich überhaupt

durchgehalten habe. Damit meine ich:

gesundheitlich und konditionell. Dazu

gehört, dass man das Repertoire, das

man bedient, weiterführen kann und

immer neu entwickelt.

M&T: Woran haben Sie konkret gearbeitet?Christian Gerhaher: An der Aussprache!

Ich habe früher überartikuliert. Und

nicht ganz die Rolle der Konsonanten

beim Singen begriffen. Dieses Missver-

ständnis führt dann zum sogenannten

‚Konsonantenspucken’. Ein anderes

Problem besteht darin, dass ich mein

Bayerisch nie ganz wegbekomme.

M&T: Dietrich Fischer-Dieskau, dem verschie-dentlich «Konsonantenspucken» angelastet wurde, hielt die Mitlaute für das beste Mittel, um sein Legato zu pflegen. Sie nicht?Christian Gerhaher: Nein, ich nicht.

Konsonanten sind nicht automatisch

Legatofreunde. Schauen Sie sich die

Gesangskultur in Italien an. Dort wer-

den die Konsonaten traditionell kurz-

gehalten. Was ich viel wichtiger finde

und woran ich arbeite, ist eine stärkere

Differenzierung der Vokale. Es gibt im

Deutschen so viele verschiedene O’s, I’s,

E’s, A’s und U’s wie in keiner anderen

europäischen Sprache. Es ist ein deut-

sches Phänomen, vor allem innerhalb

der gesungenen Sprache. Ich bin grund-

sätzlich gegen ein Patex-Legato. Ent-

scheidend bleibt die Verständlichkeit.

Dabei machen sogar Unterbrechungen

das Legato lebendiger. Ein Zerhacken ist

nicht nötig.

Christian Gerhaher: «Man darf nicht in den ei-

genen Empfindungen rühren, aber man muss

doch eigene Empfindungen haben.»

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Page 32: Musik und theater special lucerne festival 2014

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Christian Gerhaher:

«Meine grösste Baustelle

ist, dass ich überhaupt

durchgehalten habe».

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Christian Gerhaher

3. September, 18.30 Uhr

Johann Sebastian Bach: «Matthäus-

Passion»

Regie: Peter Sellars,

Berliner Philharmoniker, Rundfunkchor

Berlin, Luzerner Kantorei,

Simon Rattle (Dirigent)

Mit Magdalena Kozena, Topi Lehtipuu,

Mark Padmore, Eric Owens und Christian

Gerhaher (Christus).

21. September,

Schubertiade Hohenems, 20.00 Uhr

Lieberabend mit Gerold Huber, Klavier

Werke von Schubert und Rihm

Neue CD:

«Nachtviolen». Ausgewählte Lieder von

Franz Schubert

Mit Gerold Huber, Klavier

Sony Classical 88883712172

M&T: Sehen Sie sich als Kritiker Fischer-Dies-kaus?Christian Gerhaher: Nein, ganz im Ge-

genteil, ich sehe mich als Epigonen von

Fischer-Dieskau. Nur habe ich nie ver-

leugnet, dass man als Sänger eine eigene

Identität haben muss. Was Fischer-Dies-

kau erreicht hat, kann ich niemals errei-

chen. Er ist und bleibt die Ikone des 20.

Jahrhunderts, und zwar wegen des Ni-

veaus, auf welches er das Lied überhaupt

gehoben hat. Durch Fischer-Dieskau ist

Liedgesang nicht mehr abhängig von

Sentimentalität, das ist seine Errun-

genschaft. Ausserdem hat er sich dafür

eingesetzt, dass die Stimme hell geführt

wird. Das halte ich für keinen Nachteil.

M&T: Glauben Sie, dass im Allgemeinen eine Gefahr besteht, die Stimme zu dunkel zu füh-ren?Christian Gerhaher: Jedenfalls gibt es in

der Gesangsschule von Manuel Garcia

eine gewisse ‚Verdunkelungstendenz’.

Garcia sprach von einer Eindunkelung

der Stimme als Ziel. Das erreicht man

durch einen präphonatorischen Druck.

Es wäre im 18. Jahrhundert gar nicht

möglich gewesen. Fischer-Dieskau hat

diese Tendenz ein Stück weit rückgän-

gig gemacht, was bei ihm auch mit einer

Intellektualisierung einherging. Es war

eine Art Aufklärung des Gesangs.

M&T: Was betrachten Sie als weniger positiv an Fischer-Dieskau?Christian Gerhaher: Was ich kritisch

an ihm sehe, ist vor allem, dass er ein

zu grosses Repertoire bedient hat. Der

Grundsatz, nach Möglichkeit alles auf-

zunehmen, ging auf Kosten der stilis-

tischen Individualität von Werken und

Komponisten. Ich würde dies sogar als

die Tragik Fischer-Dieskaus ansehen.

M&T: Es gibt bei Ihnen ein unverwechselbares Mass deklamatorischer Intensität, und, wenn man so sagen kann: an Inständigkeit. Woher kommt das?Christian Gerhaher: Es ist, glaube ich,

nach und nach gekommen. Einen be-

stimmten Ausdruckswillen hatte ich

schon früher, aber der war zu persön-

lich geprägt. Sie müssen bedenken, dass

der Herr Huber und ich ja nun schon

mehr als 25 Jahre mit Liedern arbeiten.

Das geschah am Anfang sehr selbstbe-

züglich. Mit den Jahren sieht man die

eigene Aufgabe immer stärker in einer

Art Selbstdistanzierung. Man muss von

sich selber wegkommen, um zum Inhalt

übergehen zu können.

M&T: Es kommt alles vom Inhalt her?Christian Gerhaher: Ja. Und muss doch

zwangsläufig den Weg über das Selbst

nehmen. Das ist das Paradox des Sän-

gers. Man darf nicht in den eigenen

Empfindungen rühren, aber man muss

doch eigene Empfindungen haben. Wo-

rauf es einzig und allein ankommt, ist

die Darstellung des Geschriebenen.

M&T: Halten Sie Liedgesang nicht trotzdem für eine subjektive Sache?Christian Gerhaher: Sagen wir so: Ich

halte Selbstbezogenheit für einen nö-

tigen Umweg. Aber für einen Umweg.

Wie Gerald Huber immer sagt: Es muss

einmal durch einen durch.

M&T: Wie bei einer Kaffeemaschine?Christian Gerhaher: Ja. Und der Kaffee-

satz kann weg.

M&T: Man könnte vermuten, dass Sie auch durch die Oper zu neuen Ausdrucksmöglichkei-ten gefunden haben?Christian Gerhaher: Das ist auf jeden

Fall richtig. Ohne Wolfram im «Tann-

häuser» hätte ich die Karriere so wie sie

sich jetzt entwickelt nie machen können.

Die Partie ist ja nicht so liedhaft wie man

vielleicht denken könnte. Sie ist ziem-

lich massiv. Daran wächst die Stimme,

und das muss auch so sein. Nach der

Rom-Erzählung im 3. Akt nimmt die Par-

tie des Wolfram heldische Qualitäten an,

die man in sich entwickeln und durch-

halten muss.

M&T: Sie könnten gewiss Ihre Opernkarriere forcieren, wenn Sie das wollten. Nach welchem Prinzip sortieren Sie die Angebote?Christian Gerhaher: Das war früher

schwieriger als es heute ist. Weil im-

mer gesagt wurde: ‚Der hat so eine

kleine Stimme.’ Also habe ich mich

erst langsam vorgearbeitet. Wichtig

war Monteverdis «Orfeo» 2005 an der

Oper Frankfurt. Und daran anschlies-

send weitere Rollen an diesem Haus.

Alle Rollen sind für mich immer stark

verbunden mit der Frage, an welchem

Haus sie herauskommen. In Zürich ist

jetzt ein «Wozzeck» mit Andreas Ho-

moki geplant. In München noch ein-

mal ein Marquis Posa in «Don Carlo».

Irgendwann wird Amfortas folgen. Hof-

fentlich auch Simon Boccanegra. Und

eventuell Guillaume Tell. Der entschei-

dende Aspekt bleibt, dass ich durch

Opernrollen meine Liedkarriere nicht

gefährden will.

M&T: Bedeutet die Tatsache, dass Ihre Stimme nie die Grösste war, eine Beschränkung?Christian Gerhaher: Anfangs war das

so. Das Problem hat sich erst verloren,

als die Stimme grösser geworden ist.

Und weil man mich inzwischen viel-

leicht stärker respektiert. Ich hatte im-

mer Komplexe, dass die Stimme nicht

viril und nicht gross genug ist. Aber

wenn man mit dem agiert, was man

hat, und sich den eigenen Komplexen

nicht einfach ergibt, dann wird man

auch damit akzeptiert. Für viele männ-

liche Sänger ist der Verdacht schreck-

lich, dass an ihrer Männlichkeit gezwei-

felt wird. Eine gute Sache am Erfolg ist,

dass einem zugetraut wird, was einen

eigentlich überfordern würde: zum

Beispiel Beckmesser oder Amfortas,

der mir schon vor vielen Jahren ange-

boten wurde. An diesen Dingen wächst

man mit. Man muss nur aufpassen, die

Rollen nicht anzunehmen. Sonst wird’s

gefährlich.

«Was herauskommt, hat seine eigene Wahrheit»

Page 34: Musik und theater special lucerne festival 2014

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Sergey Khachatryan ist Preisträger des Credit Suisse Young Artist Award

«Wir Armenier lieben das Drama»Der armenische Geiger ist seit seinem Sieg beim Sibelius-Wettbewerb 2000 ein fester Wert im Universum der Konzertgeiger. Ein

Gespräch über Karriere, Armenien und das Violinkonzert von Beethoven, das Khachatryan im Preisträgerkonzert mit den Wiener

Philharmonikern spielen wird.

Reinmar Wagner

«Wenn man in einem

Werk nicht wirklich

etwas Persönliches zu

sagen hat, dann sollte

man es nicht spielen.»

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Page 35: Musik und theater special lucerne festival 2014

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M&T: Das Preisträgerkonzert des Credit Suisse Young Artist Award am 13. September leitet Gustavo Dudamel. Kennen Sie ihn schon?Sergey Khachatryan: Wir haben vor ei-

nigen Jahren zusammen musiziert, mit

dem Orchester aus Göteborg. Ich fand

damals toll, wie er das Orchester mitreis-

sen konnte, und ich denke, das ist schon

eine der wichtigsten Eigenschaften für

einen Dirigenten. Wie Dudamel seine

Energie transformieren und auf die Mu-

siker übertragen kann, das hat mich sehr

beeindruckt.

M&T: Sie spielten das Violinkonzert von Sibeli-us, für das Sie seit ihrem Sieg beim Sibelius-Wettbewerb wohl sehr oft angefragt wurden?Sergey Khachatryan: Es war damals mein

Lieblingskonzert, deswegen wollte ich

auch den Sibelius-Wettbewerb machen.

Inzwischen liebe ich es immer noch, und

ich habe es auch noch besser verstan-

den, nachdem ich in Finnland war, fin-

nische Literatur gelesen, die Landschaf-

ten mit den vielen Seen gesehen habe.

Die Melancholie in diesem Werk hat

mich schon immer fasziniert, und nach-

dem ich die Atmosphäre erlebt habe,

sind gewisse Bilder sehr stark geworden.

Dennoch ist es ein sehr dramatisches

Konzert, und wir Armenier lieben das

Drama.

M&T: Auch die Melancholie?Sergey Khachatryan: Armenische Folklo-

re ist sehr rhythmisch, aber was mich da-

ran mehr fasziniert, was auch die Kom-

ponisten eingefangen haben wie etwa

Khatchaturian in seinem Violinkonzert,

ist die Tiefgründigkeit, die Melancholie,

die Tragödie, die auch in der Folklore

sehr tief ist. Natürlich auch aus der ar-

menischen Geschichte heraus.

M&T: Der Völkermord wird von der Türkei immer noch geleugnet.Sergey Khachatryan: Wissen Sie, dieses

Leugnen hat nichts mit wirklichen Zwei-

feln zu tun, historisch ist ja alles belegt.

Heute ist das Politik. Und viele europäi-

sche Länder sind im Moment nicht inte-

ressiert, die Türkei zu brüskieren, leider

Gottes. Als Armenier darf man so etwas

natürlich nicht vergessen. Aber ich finde

auch, wir sollten vielleicht etwas mehr

in die Zukunft schauen. Schmerzvoll

ist diese nationale Erfahrung natürlich,

weil der Völkermord nicht anerkannt

wird. Eineinhalb Millionen Tote, auch

die ehemals armenischen Gebiete, die

wir dadurch verloren haben. Aber heu-

te denken die meisten Armenier nach

vorne.

M&T: Spielen Sie auch armenische Musik?Sergey Khachatryan: Ja, meine nächs-

te CD wird armenischer Folklore aber

auch klassisch armenischer Musik gewid-

met sein. Man kennt in Europa vielleicht

Khatchaturian oder Komitas, der wie

Bartok durch die Dörfer zog und noch

vor dem Genozid die Volksmusik sam-

melte. Aber es gibt noch viele weitere

interessante Komponisten.

M&T: Welche Rolle spielt die Geige in diesem Repertoire?Sergey Khachatryan: Die originalen Me-

lodien sind in erster Linie für Stimme,

also Lieder. Komitas hat Volkstänze für

Klavier arrangiert und dabei auch ein

wenig seine eigene Sprache mit einge-

bracht. Es ist eine ganz eigenständige

Welt, ich kann es mit keinem anderen

Idiom oder Stil vergleichen. So eigen

wie die Sprache oder unser Alphabet. Es

existiert seit dem fünften Jahrhundert,

hat 39 Buchstaben und ist weder mit ky-

rillisch noch Latein verwandt.

M&T: Überdurchschnittlich viele klassische Mu-siker haben armenische Wurzeln. Woher kommt diese Affinität?Sergey Khachatryan: Schwer zu sagen.

Auf jeden Fall muss man festhalten, dass

es zur Sowjet-Zeit tolle Schulen gab, die

Sowjetunion hatte auch gute Seiten. Bil-

dung wurde auch in dezentralen Gegen-

den wie Armenien sehr hoch geschätzt.

Die besten Musiker konnten in Moskau

studieren und kamen als Lehrer wieder

zurück. Man kann über die russische

Geigenschule streiten, ihre Ästhetik

hinterfragen, aber es war eine blühen-

de, lebendige und technisch sehr hoch

stehende Schule. Und die Armenier hat-

ten schon immer eine sehr innige Bezie-

hung zur Geige. Ich weiss nicht warum.

M&T: Ihre Eltern waren Pianisten...Sergey Khachatryan: ...auch meine ältere

Schwester. Ich bin die Ausnahme. Meine

Schwester hat mit Klavier angefangen,

und da haben meine Eltern gefunden,

ich soll ein anderes Instrument lernen.

Wobei sie mich nicht gezwungen haben,

Musiker zu werden. Es war sehr üblich

damals, dass alle Kinder ein Musikinst-

rument spielen, so wie in Deutschland

früher.

M&T: Sie kamen mit sieben Jahren nach Deutschland. Wie haben Sie diesen Wechsel erlebt?

Sergey Khachatryan: Es war eigentlich

sehr einfach. Wir haben spielerisch

Deutsch gelernt, hatten einen tollen

Lehrer, der zu unserem Glück auch mu-

sikbegeistert war. Die Sprache war na-

türlich neu, aber der andere Schulstoff

war für uns eher einfach, weil man in Ar-

menien früher ein höheres Schulniveau

hat. Ich finde wirklich schade, wie in

Deutschland die Kinder die ersten vier

Jahre eigentlich nur Zeit verschwenden.

Sie wären in diesem Alter so aufnahme-

fähig. Das sind meiner Ansicht nach ver-

schenkte Möglichkeiten.

M&T: Auch das Geige spielen ist Ihnen offenbar leichtgefallen. Sie galten als Wunderkind.Sergey Khachatryan: Ich habe mit sechs

angefangen, mit neun das erste Solo-

konzert gespielt. Ich bin schnell voran

gekommen, das stimmt. Ich hatte eigent-

lich kaum Schwierigkeiten, habe aber

auch nicht so viel geübt. Wenn die Eltern

nicht zu Hause waren sogar überhaupt

nicht. Wie ein ganz normales Kind.

M&T: Gab es später Momente, in denen Sie Schwierigkeiten überwinden mussten?Sergey Khachatryan: Mir ist alles wirk-

lich sehr leichtgefallen. Meine Karriere

hat sich wie von selbst entwickelt. Sie

startete in Südfrankreich über einen

befreundeten Musiker, und mit der in-

ternationalen Öffentlichkeit nach dem

Sieg beim Sibelius-Wettbewerb.

M&T: Sie spielen oft im Duo mit Ihrer Schwester. Sergey Khachatryan: Wir sind uns auch

menschlich nach wie vor sehr nahe. Lu-

sine ist einer der wenigen Menschen,

denen ich komplett vertraue, das macht

auch unser Duo für mich einzigartig.

Abgesehen davon dass sie eine tolle Mu-

sikerin ist, mit viel Fantasie, die viel zu sa-

gen hat. Wir sind als Menschen verschie-

den, aber es herrscht eine unglaubliche

Harmonie zwischen uns. Ich denke, das

wäre nicht möglich mit einem anderen

Pianisten. Sicher wäre es interessant,

sofern überhaupt einer bereit wäre, die

nötige Zeit zu investieren.

M&T: Warum, weil die Pianisten lieber solo spie-len?Sergey Khachatryan: Nein, weil man all-

gemein heute immer weniger probt und

«Heute ist alles schneller und routinierter»

Page 36: Musik und theater special lucerne festival 2014

a r t i s t s36

WER MOZART

ZKO LIEBEN.MAG, WIRD DAS

HIGHLIGHTS AUS UNSEREM PROGRAMM:

VIVALDI: DIE VIER JAHRESZEITEN SAINTSAËNS: LE CARNAVAL DES ANIMAUX MOZART: SINFONIE NR. 40 BEETHOVEN: KLAVIERKONZERT NR. 3 BACH: VIOLINKONZERT NR. 2

zko.ch | Tel. Billettkasse: 0848 848 844

Page 37: Musik und theater special lucerne festival 2014

a r t i s t s 37

investiert. Das sieht man vor allem bei

den Orchestern. Meistens gibt es zwei

Proben für ein Solokonzert. Wenn es ein

tolles Orchester ist, und auch die Che-

mie zwischen Dirigent und Solist stimmt,

dann kann es unglaublich toll werden.

Aber wenn dieses Verhältnis aus irgend-

einem Grund nicht stimmt, wenn beide

eine andere Sprache sprechen, andere

Ansichten haben, dann reichen diese

zwei Proben nicht, um wirklich zu arbei-

ten. Man arbeitet eigentlich gar nicht:

Ein bisschen Schleifen, ein bisschen Ba-

lance, etwas Koordination – das ist nicht

wirkliches Arbeiten.

M&T: Mit welchen Dirigenten haben Sie das Konzertieren besonders partnerschaftlich er-lebt?

Sergey Khachatryan: Mit Valery Gergiev

habe ich oft gespielt, und im ersten Kon-

zert von Schostakowitsch habe ich zum

ersten Mal gespürt, dass der Dirigent

wirklich mit mir atmet, also nicht einfach

nur mitzugehen versucht. Es war der ers-

te Auftritt mit ihm, und wir hatten gar

keine Probe gehabt, weil er ein Problem

mit dem Flugzeug hatte. Das Publikum

sass schon im Saal als er ankam, er be-

sprach mit mir einige Tempi zur Orien-

tierung und wir haben uns reingestürzt.

Ich kenne ihn unterdessen, er braucht

dieses Adrenalin, diesen Stress. So wie

mit ihm habe ich mit keinem Schosta-

kowitsch erstes gespielt. Ich will damit

nicht sagen, es wird gut, wenn man nicht

geprobt hat. Aber es war unglaublich,

wie das Orchester mitgekommen ist. Da

habe ich auch gemerkt, welchen Einfluss

ein Dirigent auf ein Orchester haben

kann. Natürlich, das war sein eigenes

Orchester, das er seit Jahren aufgebaut

hatte und das ihn kennt. Das geht sicher

nicht bei jedem Orchester.

M&T: Sie sind jung, wie ist Ihr Verhältnis zu den Dirigenten in Ihrem Alter?Sergey Khachatryan: Ich finde eigentlich

eher die ältere Generation interessant.

Eine Zeit lang bin ich öfter mit Kurt

Masur aufgetreten, wir haben auch die

Schostakowitsch-Konzerte aufgenom-

men. Diese ältere Generation hat etwas,

was ich bei den Jungen weniger finde,

vom Gefühl, vom Bezug zur Musik, der

Einstellung, wie sie an ein Werk heran

geht. Heute ist alles schneller und rou-

tinierter, es gibt diese Persönlichkeiten

als Musiker und Menschen kaum mehr,

weil das System es nicht mehr zulässt: al-

les muss reibungslos und schnell funkti-

onieren. Die Dirigenten werden immer

jünger, vielleicht steht in zwanzig Jahren

ein 15-Jähriger bei den Berlinern am

Pult. Möglicherweise wird das toll, weil

die Jungen sehr schnell denken und re-

agieren können. Aber die Musik braucht

auch Zeit.

M&T: Bei Ihnen selber, spüren Sie diesen Rei-feprozess?Sergey Khachatryan: Ich spiele 40 Kon-

zerte im Jahr, im Vergleich zu meinen

Kollegen eine lächerliche Anzahl. Aber

ich kann von Glück reden, dass ich mir

diesen Luxus leisten kann. Die Karriere-

maschine verlangt von dir, dass du über-

all präsent bist, damit du oben bleibst.

Bis jetzt konnte ich mich dem entziehen,

ich konnte mit den besten Orchestern

und Dirigenten spielen. Und auf lange

Sicht, denke ich, wird das nachhaltiger.

Mein Lehrer riet mir, jedes Konzert so zu

spielen, als ob es mein letzter Tag wäre.

Ich verausgabe mich sehr bei einem

Auftritt, und ich brauche Zeit um mich

emotional wieder zu füllen.

M&T: Ist in dieser Beziehung jedes Konzert gleich intensiv?Sergey Khachatryan: Eigentlich schon,

weil ich natürlich das Repertoire spiele,

das ich auch liebe. Und das würde ich

jedem Künstler raten. Es ist toll, ein gros-

ses Repertoire zu haben, aber wenn man

in einem Werk nicht wirklich etwas Per-

sönliches zu sagen hat, dann sollte man

es nicht spielen.

M&T: Beim Lucerne Festival spielen Sie nun zum ersten Mal mit den Wiener Philharmoni-kern. Mit welchem Gefühl?Sergey Khachatryan: Wir haben lange

versucht, einen Auftritt mit den Wie-

nern zu bekommen, deswegen habe

ich mich auch so gefreut über den

Preis. Und ich kann das Beethoven-Vi-

olinkonzert spielen, das ist momentan

mein Lieblingskonzert. Zusammen mit

Schostakowitsch eins. Da hat mich die

Aufnahme von Vengerov mit Rostropo-

witsch total umgehauen. Seither liebe

ich Schostakowitsch, habe auch die So-

nate gespielt, die Sinfonien gehört. Ich

glaube, diese Musik passt zu meinem

Charakter.

M&T: Mehr die tragische oder die sarkastische Komponente?Sergey Khachatryan: Das Tragische. Das

Groteske vielleicht nicht wirklich, aber

ich fühle mich in dieser Musik sehr zu

Hause. Vielleicht schätze ich das Konzert

von Beethoven heute noch ein bisschen

höher, wobei man eigentlich in der Mu-

sik nicht vergleichen sollte. Aber mich

fasziniert, dass er ein Level erreicht, wo

er übermenschlich ist. Im zweiten Satz

fühlt man sich wie nicht mehr von dieser

Welt. Schostakowitsch schreibt über die

Tragik des Lebens, über das katastropha-

le Regime und die Tragödie der Mensch-

heit. Beethoven kann sich komplett dar-

über erheben.

M&T: Welche klangliche Vorstellung haben Sie im Konzert von Beethoven?Sergey Khachatryan: Ich bin ein Geiger,

der gerne mit sehr viel Klangintensität

und Vibrato spielt. Ich weiss, dass Beet-

hoven auch ohne oder mit wenig Vibra-

to gemacht wird, und dass manche das

sehr mögen. Aber ich spiele immer mit

Vibrato, weil das eine Möglichkeit ist,

mit vielen Farben zu arbeiten. So spiele

ich auch Bach.

M&T: Welche CD-Pläne haben Sie neben dem erwähnten Armenien-Projekt? Sergey Khachatryan: Ich würde sehr

gerne die Solosonaten von Ysaye auf-

nehmen. Dies auch deshalb, weil ich die

Ysaye-Geige jetzt spielen darf. Eine Gu-

arneri mit einer Etikette, auf die Ysaye

1928 notierte: «Le plus fidèle compa-

nion de ma carrière». Offenbar hat er

die Geige sehr geliebt. Nach seinem Tod

hat man die Geige vor sein Grab getra-

gen.

M&T: Und zum Glück nicht mit begraben...Sergey Khachatryan: Nein, sie kam zu

Isaac Stern, nach dessen Tod an die Nip-

pon-Foundation, die sie mir ausgeliehen

hat. Ich wollte dieses Instrument schon

immer. Eine Zeit lang spielte es Pinkas

Zukerman, und man bot mir bei einem

seiner Konzerte an, darauf Probe zu

spielen. Aber das wollte ich lieber nicht,

wenn ich nicht eine Chance bekam, die

Geige wirklich zur Verfügung zu haben.

Schliesslich hat das geklappt.

M&T: Der eher dunklere Guarneri-Klang im Ver-gleich zur Brillanz der Stradivari liegt Ihnen?Sergey Khachatryan: Ein grosser Vorteil

dieser Guarneri ist, dass sie beides bietet:

dunkle Tiefe und Brillanz. Ich habe eine

Zeit lang gebraucht, mich an sie zu ge-

wöhnen, aber jetzt bin ich sehr glücklich

damit.

«Wenn die Eltern nicht zu Hause waren, habe ich überhaupt nicht geübt»

Page 38: Musik und theater special lucerne festival 2014

c o m p o s e r38

Johannes Maria Staud ist composer-in-residence beim Lucerne Festival – ein Porträt

Der Komponist und die GesellschaftDie Rolle des Komponisten in unserer Zeit beschäftigt ihn: Widerständig und gefällig sollte er gleichzeitig sein. Also Erwartungen

erfüllen, die kaum zu erfüllen sind. Woraus Johannes Maria Staud die Konsequenz zieht, dass alles kompositorische Tun vor dem

eigenen Ich Bestand haben muss und seine eigene Lust auf das Hören befriedigt werden will. Nachzuerleben ist das facettenreich

diesen Sommer in Luzern, unter anderem mit mehreren Uraufführungen, so einem Violinkonzert und dem Musiktheater «Die Antilope».

Fritz Trümpi (Text) & Priska Ketterer (Bilder)

Page 39: Musik und theater special lucerne festival 2014

c o m p o s e r 39

Komponieren – sonst nichts. Johannes

Maria Staud hat viel riskiert, und damit ist

der 1974 geborene Tiroler, der mittlerwei-

le in Wien lebt, weit gekommen. Er habe

kein zweites Standbein, keine Professur,

die ihm den Lebensunterhalt sichern

würde, sondern bloss ein Kompositions-

studium, das ihm den Rücken gestärkt

habe bei seiner Entscheidung, Komponist

zu werden. «Ich habe damals versucht,

den Übergang vom Studium in die freie

darwinistische Welt fliessend zu gestalten

– und habe mich dann ins Komponieren

gestürzt als gäbe es kein Morgen.»

Seither sind es klingende Namen,

die bei ihm Kompositionen in Auftrag

geben und Uraufführungen seiner Wer-

ke gestalten: die Wiener Philharmoniker

(Segue, 2006) und die Berliner Philhar-

moniker (Apeiron, 2004/5), die Staats-

kapelle Dresden (Tondo sowie «Der Riss durch den Tag», 2010/11), das Cleveland

Orchestra («On Comparative Meteorology», 2009) oder das Symphonieorchester des

Bayerischen Rundfunks (Maniai, 2012),

unter der Leitung von Dirigenten wie

Pierre Boulez, Simon Rattle, Daniel Ba-

renboim oder Mariss Jansons.

Doch ein solches Namedropping

interessiert Staud herzlich wenig. «In ei-

nem Kompositionskurs fragte mich eine

junge Studentin einmal, wie man denn

an einen Kompositionsauftrag eines be-

rühmten Orchesters herankomme, und

wie man dann für dieses schreiben müs-

se», erzählt Staud sichtlich erheitert – er

empfand die Frage als äusserst seltsam.

Denn solch kalkuliertes Komponieren

sei im stets fremd gewesen – und eine

Orientierung an einem vermeintlichen

Geschmack des Auftraggebers wäre wohl

auch nicht zielführend gewesen.

«Es geht beim Komponieren nicht

darum, so zu schreiben, damit das Stück

ein Erfolg wird – handelte ich so, wür-

de ich mich selbst verraten.» Es freue

ihn selbstverständlich, wenn seine Wer-

ke positiv aufgenommen würden, doch

nicht um jeden Preis. Denn Erfolg ist für

Staud zwiegesichtig: Er beinhalte beim

Komponieren, wie in allen anderen Be-

rufen, die Gefahr der Bequemlichkeit,

der Etabliertheit, ja der Korrumpierung.

«Eine Erhöhung der Selbstkritik ist ab-

solut notwendig, um der eigenen Arbeit

gegenüber trotz schönen Erfolgen treu

zu bleiben.» Doch Staud ist sich auch be-

wusst, dass gerade der Musikbetrieb von

relativ starren Erwartungshaltungen der

Konzertveranstalter wie des Publikums

geprägt ist.

Dies darum, weil der Musikbereich,

anders als etwa die Literatur oder die bil-

dende Kunst, stark vergangenheitsfixiert

ist. «Als Komponist ist man heute weit

stärker mit den grossen Werken der Ver-

gangenheit konfrontiert als dies etwa bei

einem Schriftsteller oder einer Malerin

der Fall ist.»

Staud hält dieser Umstand aber

nicht davon ab, seinen Weg abseits von

ästhetischen Kompromissen zu gehen:

«Wenn meine Kompositionen in ei-

nem Abonnementkonzert der Wiener

Philharmoniker keinen Widerspruch

erzeugten, würde ich wohl etwas falsch

machen.» Dazu passt, dass sich Staud

auch schon geweigert hat, mit dem Di-

rigenten Christian Thielemann bekannt

gemacht zu werden, nachdem dieser

in einem Konzert mit der Staatskapelle

Dresden im Anschluss an Strauss’ Zara-

thustra Wagners Meistersinger-Ouver-

türe als Zugabe in den Saal gepeitscht

hatte: «Die Kombination dieser beiden

in der NS-Zeit so missbrauchten Werke

wird von genügend Leuten, gerade in

Wien, als politischer Subtext verstan-

den – die frenetische Publikumsreaktion

widerte mich dermassen an, dass ich es

damals vorzog, still und heimlich zu ver-

schwinden.» Auch dort ging es darum,

sich selbst nicht untreu zu werden. Für

einen dezidiert politischen Komponis-

ten hätte Staud wohl zwar allzu hermeti-

sche Vorstellungen von Musik, aber sein

feines Gehör für allerlei Arten von Zwi-

schentönen macht auch vor politischen

Zusammenhängen nicht halt.

Schon sein Studium verbrachte er

ohne Scheuklappen: Neben Kompositi-

on schrieb er sich auch für Musikwissen-

schaft und Philosophie ein. Allerdings

habe er bald feststellen müssen, dass er

beide Disziplinen schamlos missbraucht

habe, um auf Ideen für das Kompo-

nieren zu kommen: «Das interesselose

Wohlgefallen an puren philosophischen

«…die pure Freude an der klein-gliedrigen Kombinatorik und am Fortspinnen musikalischer Formen»

Page 40: Musik und theater special lucerne festival 2014

c o m p o s e r40

Musiques Suisses – Schweizer Klassik, Neue Volksmusik und Jazz

Zisman / FulgidoSoul Tango Invasion

feat. Billy Cobham, William Evans, Matthieu Michel, Wolfgang Zwiauer

MGB CD Jazz 12

eifachs.chBauernkapellen 1825–1925

MGB-NV CD 28

Beat Furrer

Grammont Portrait CTS-M CD 141

Am Bruch zur ModerneSchweizer Lieder nach 1900

MGB CD 6280

Musiques Suisses/Neue Volksmusik wird getragen von Pro Helvetia, Suisa-Stiftung, Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz, Haus der Volksmusik Altdorf und Migros-Kulturprozent.

Pro Helvetia, Suisa, Suisa-Stiftung, Schweizerischer Tonkünstlerverein, Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft und Migros-Kulturprozent bilden die Trägerschaft von Grammont Portrait.

www.musiques-suisses.ch

Ein Projekt des

1 Aer2 . . . cold and calm and moving3 Lied4 auf tönernen füssen5 Studie

Florian Walser, Klarinette; Heinz Saurer, Trompete/Cornet; Herbert Kistler, Flügelhorn; Christoph Hertig, Es-Althorn;Thomas Rüedi, Euphonium; Karl Schimke, Tuba

Schweizer Lieder vonEmil Frey, Walter Lang, Marcel SulzbergerMax ZehnderSolisten: Valentin Johannes Gloor, TenorSybille Diethelm, Sopran; Edward Rushton, Klavier

1 Escualo 6 Milongology2 Libertango 7 Caruso3 El día que me quieras 8 Rock on, Mike!4 Fratello 9 For both of You5 In the Box

Page 41: Musik und theater special lucerne festival 2014

c o m p o s e r 41

Johannes Maria Staud am Lucerne Festival

17. August, 11.00 Uhr

Monodram «Der Riss durch den Tag»

Ensemble intercontemporain, Matthias

Pintscher

Robert Hunger-Bühler

27. August, 18.20 Uhr

Lucerne Festival 40min

Ausgewähle Kammermusik

Studierende der Lucerne Festival Academy

27. August, 19.30 Uhr

Violinkonzert (Uraufführung)

Luzerner Sinfonieorchester,

James Gaffigan, Dirigent

Midori, Violine

3., 5., 7. September, 19.30 Uhr

Musiktheater «Die Antilope» (Uraufführung)

Text Lurs Grünbein

Luzerner Sinfonieorchester,

Chor und Solisten des Luzerner Theaters

Dominique Mentha, Regie

Howard Arman, Dirigent

6. September, 18.30

«Zimt. Ein Diptychon für Bruno Schulz»

(Uraufführung der Gesamtfassung)

Lucerne Festival Academy Orchestra

Matthias Pintscher. Dirigent

Gedanken hat sich bei mir ebenso wenig

eingestellt wie die Begeisterung für Mu-

sikanalysen als Selbstzweck.»

Letztere halfen ihm jedoch für die

Verfertigung seiner eigenen musikali-

schen Konstruktionen. So untersuchte

Staud beispielsweise, wie Morton Feld-

man mit Oktaven umging und bekennt

heute, dass dies jener Komponist sei, von

dem er kompositionstechnisch am aller-

meisten gelernt habe. «Alleine schon

was die Akkordfortschreitungen oder

der Verarbeitungsprozess von kleinglied-

rigen Zellenstrukturen hin zu einem

grossen, dichten Klanggewebe betrifft,

lassen sich bei Feldman unglaublich

spannende Dinge beobachten.»

Aber auch ein György Ligeti bildet

für Stauds eigenes Komponieren eine

zentrale Referenz. «Ich komme aus der

postseriellen Ecke, und es war für mich

schon immer befremdlich, wenn Kom-

ponisten mehr über Gefühle als über

ihre Musik reden», bekennt Staud mit

anerkennendem Blick auf Ligeti. Denn

die Musik repräsentiere doch nicht ir-

gendwelche kruden Gefühlsausdrücke,

sondern vielmehr «eine Kompositions-

ethik», in der es um nichts anderes als

um «die pure Freude an der kleingliedri-

gen Kombinatorik und am Fortspinnen

musikalischer Formen» gehe.

Dabei gesteht Staud, dass er das Ge-

genteil eines Improvisators sei. Seine

Kompositionen entstehen denn auch

nach einem streng geregelten Arbeits-

prozess. Am Anfang steht eine kleine

Zelle, ein «motivischer Kleinsteinfall»,

wie Staud diese bezeichnet. Diesen Ein-

fall klopft er dann zunächst auf seine

Potenzialität hin ab und spaltet ihn in

der Folge «in seiner Linearität auf», um

daraus harmonische und rhythmische

Strukturen zu entwickeln. Doch trotz

der sich dadurch herausbildenden Viel-

falt in Form und Klang möchte er eine

Durchhörbarkeit des Ganzen gewähr-

leisten, wie Staud seine kompositorische

Zielsetzung formuliert: «Ich versuche, in

jedem meiner Werke etwas anderes, ei-

genes zu entdecken.»

Ob er dies für die frühen Werke auch

geltend machen würde? Auf seine Anfän-

ge als Komponist zurückblickend meint

Staud auf diese Frage, die meisten seiner

älteren Stücke könne er auch heute gel-

ten lassen, obwohl er inzwischen vieles

anders gestalten würde. So fällt ihm etwa

auf, dass er früher mitunter «aus einem

Bedürfnis der Verunklarung heraus» ope-

riert habe, während er seinen Umgang

mit dem musikalischen Material heute als

ungleich stringenterer bezeichnet.

Der Aspekt der Stringenz kennzeich-

net denn auch Stauds aktuelle Arbeit an

der Oper «Die Antilope», die in Luzern

uraufgeführt wird. Zusammen mit sei-

nem Librettisten Durs Grünbein wollten

sie «konzis und schlüssig eine Endlos-

schleife auf der Bühne» kreieren, erläu-

tert Staud das Projekt in Abgrenzung zur

verbreiteten Lesart, das Schreiben von

Opern sei heutzutage ein Anachronis-

mus. Dieser würde für Staud höchstens

dann zum Problem, wenn er «die Form

der grossen Oper reanimieren» müsste.

Doch das auf Theatralisches fokussierte

Musikschaffen ist für Staud durchaus

zeitgemäss, zumal er an seinem aktuel-

len Stoff eine zeit- und gesellschaftskriti-

sche Dimension festmacht.

Und überhaupt, die Frage nach ad-

äquaten Kunstformen ist für Staud die

Frage nach dem Sinn von Kunst insge-

samt: «Wozu überhaupt Kunst in einer

Welt, die Kunst nicht benötigt?» Antwor-

ten darauf wird Johannes Maria Staud in

Luzern liefern – zuhauf.

Johannes Maria Staud: «Ich habe

mich ins Komponieren gestürzt als

gäbe es kein Morgen».

Page 42: Musik und theater special lucerne festival 2014

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Heinz Holligers klingendes Hölderlin-Psychogramm als Leuchten nach innen

«…wie Wolken um die Zeiten legt…»Das Lucerne Festival hat diesen Sommer ein Hauptwerk von Heinz Holliger, den «Scardanelli-Zyklus», sowie eine

Uraufführung nach Gedichten der Bündnerin Luisa Famos im Programm. Und bewegt sich damit gleichsam ins Epizentrum

des Festivalthemas «Psyche».

Thomas Meyer

Die letzten 36 Jahre, und damit seine

ganze zweite Lebenshälfte, verbrachte

Friedrich Hölderlin zurückgezogen in

einem Turmzimmer in Tübingen, ober-

halb des Neckars. Dort verfasste er «ge-

gen eine Pfeife Tabak» für die Besucher

kurze Gedichte, häufig über die Jah-

reszeiten, versah sie teilweise mit völlig

absurden Datierungen («d. 3ten März

1648»; «d. 9ten Merz 1940»), und unter-

schrieb mit Pseudonymen wie «Scarda-

nelli».War er wahnsinnig? Oder hatte er

sich resigniert in den Wahnsinn geflüch-

tet? Die Meinungen darüber gehen bis

heute auseinander.

Lange hat es gedauert, bis das In-

teresse für Hölderlin wieder erwachte,

nachdem er zuvor – völlig zu Unrecht

– «verdächtig» geworden war, weil die

deutschen Soldaten seine Hymnen wäh-

rend des Feldzugs in den Tornister ge-

packt hatten. Mitte der 70er-Jahre aber

erhielt das Wirtschaftswunder der Nach-

kriegsjahre mit der Ölkrise und der

Rezession seinen ersten Knacks. Gleich-

zeitig wurde auch den überzeugtesten

68ern bewusst, dass es mit den Verän-

derungen so leicht nicht werden würde.

Eine bleierne Zeit brach an.

Entsprach das nicht der Stimmungs-

lage Hölderlins? Jedenfalls begannen

sich die Komponisten wieder für ihn zu

interessieren: Luigi Nono etwa mit sei-

Extreme kompositorische

Mittel für eine psychische

Extremsituation – Heinz

Holligers Vertiefung in den

späten Hölderlin.

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Page 43: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a 43

Heinz Holliger am

Lucerne Festival 2014

30. August, 11.00 Uhr

«Scardanelli-Zyklus» für Soloflöte,

Orchester, Tonband und gemischten Chor.

Lucerne Festival Academy Orchestra,

Lettischer Rundfunkchor;

Heinz Holliger, Leitung

Felix Renggli, Flöte

30. August, 16.00 Uhr

Streichquartett Nr. 2

«Increschantüm». Gedichte der Luisa Fa-

mos (1930–1974) für Sopran und Streich-

quartett (Uraufführung)

Zehetmair Quartett

Anu Komsi, Sopran

13. September, 11.00 Uhr

Klaus Huber – Hommage zum

90. Geburtstag

Uraufführung eines neuen Werkes

nem Streichquartett «Fragmente – Stil-

le, An Diotima» (1979/80), Wolfgang

Rihm mit seinen «Hölderlin-Fragmen-

ten» (1976/77) und etwas zuvor bereits

Heinz Holliger. In seinem «Scardanelli-

Zyklus», den er 1975 begann und zehn

Jahre später abschloss, widmete er sich

vor allem dem späten Hölderlin. Es

handle sich hier mit den «luziden Korre-

spondenzen zwischen Text und Musik»

gleichsam um «ein klingendes Psycho-

gramm des Dichters», meint Mark Satt-

ler vom Lucerne Festival, und deshalb

passe das Werk exemplarisch zum The-

ma «Psyche». «Hölderlin steht symbol-

haft für ein Künstlerschicksal, dessen

Seele an der Wirklichkeit einerseits zer-

schellt ist, der andererseits mit seinen

so reinen, klaren und scheinbar naiven

Natur beschreibenden Gedichten aus

der Turmzeit eine besondere Seelenhar-

monie beschwört.»

Die Mittel, die Heinz Holliger in die-

sem zweieinhalbstündigen Zyklus für So-

loflöte, kleines Orchester und gemisch-

ten Chor verwendet, sind extrem. So

beispielsweise jene Töne, die ausgelöscht

werden, von «Klanglöchern» schreibt

der Komponist in seinem Kommentar.

Die Sänger singen im Tempo ihres Puls-

schlags, im Strohbass oder «jubilierende

Akkorde» im Einatmen. Die Kanonstim-

men werden in Viertel- und Achteltönen

geführt. Die Interpreten werden bis an

die Grenzen des Möglichen gefordert.

Aber diese Techniken sind kein Selbst-

zweck: Auf vielfältige Weise brechen sie

die Leuchtkraft der Klänge, machen sie

fahl, ja matt. Dur-Klänge werden so ver-

setzt, dass sie sich gegenseitig aufheben;

ein Espressivo mit fast leeren Lungen

überträgt sich auch auf den Hörer. Und

selbst wenn der Klang einmal normal

und schön sein könnte, dann wird er auf

spannungslose Weise harmonisiert.

So wirken diese Gesänge nur noch

wie ein Abglanz, ähnlich wie die hier

vertonten Gedichte des späten Hölder-

lin nur noch einen Schimmer seiner

früheren Sprachgewalt spiegeln. Aber

welche hellen Nuancen zeigen sich in

dieser Fahlheit! Darin zeigt sich die

ausserordentliche kompositorische Leis-

tung Holligers. Er bringt uns Hölderlin

nahe, zwar nicht in der herkömmlichen

Weise, dass nun irgendwelche Gefühle

musikalisch dargestellt würden. Der Weg

verläuft umgekehrt: Die Musik löst die

Gefühle auch bei uns aus.

«Durch die bis zum Äussersten ge-

hende Strapazierung barocker Trioso-

naten-Konventionen und die bis an die

Grenzen physischer und instrumentaler

Möglichkeiten getriebenen Anforderun-

gen an die Bläser, erhält die Musik eine

innere Spannung, ja eine eigentliche

Körperlichkeit, die sie sehr deutlich von

kleinmeisterlicher barocker Spielmusik

abhebt, die sie aber auch grundlegend

von der in sich ruhenden Geschlossen-

heit und Monumentalität der Bachschen

Kunst unterscheidet.» schrieb Holliger

einst über die Musik des Barockkom-

ponisten Jan Dismas Zelenka, an des-

sen Wiederentdeckung er massgeblich

beteiligt war. Was er hier hervorhob,

strebte auch er in seiner Musik – und vor

allem in jenen Kompositionen, die etwa

zwischen 1970 und 1980 entstanden, an:

ein bis an die Grenze gehen, ein Sich-Hi-

neinbohren in die Musik bis zur Atemlo-

sigkeit. Das macht letztlich auch die Un-

mittelbarkeit von Holligers Musik aus.

Heinz Holliger war jedoch immer

auch ein Vorreiter und stand am An-

fang gewisser Strömungen, ja Moden.

Mit dem «Scardanelli-Zyklus» eben, dem

bald zahllose Hölderlin-Vertonungen

folgten, in der Beschäftigung mit Robert

Schumann oder mit Robert Walser. Und

sein «Alb-Chehr» steht bei den Avantgar-

disten am Anfang der «Neuen Schweizer

Volksmusik». In den letzten zehn Jahren

hat er weitere Schriftsteller entdeckt:

den Brienzer Mundartdichter Albert

Streich etwa oder Anna Maria Bacher,

die im Walserdeutsch des Pomattertals

schreibt. Auch da sind ihm mittlerweile

verschiedene Kollegen gefolgt.

Jetzt hat Holliger – nicht als erster

– Gedichte der Bündnerin Luisa Famos

vertont: eine grossartige Dichterin. Sie

war ein Zugvogel, jene Schwalbe, von

der sie schreibt, und blieb doch verbun-

den mit ihrem Daheim. In Ramosch im

Unterengadin kam sie 1930 zur Welt,

und in diesem kleinen Dorf starb sie

1974 auch. Dazwischen hat sie die Welt

durchquert. Sie wurde in Chur zur Pri-

marlehrerin ausgebildet, unterrichtete

im Bündnerland, im Zürcherischen und

im Appenzellischen, moderierte die

erste rätoromanische Fernsehsendung,

publizierte zunächst unter dem Pseu-

donym Flur da Riva (Uferblume), bald

auch unter ihrem richtigen Namen, sie

lebte in Paris und Zürich, schliesslich

mit ihrem Mann, dem Ingenieur Jürg

Pünter, und den beiden Kindern in La-

teinamerika, dann im Urnerland, bevor

sie heimkehrte.

«Increschantüm» heisst Holligers Zy-

klus für Sopran und Streichquartett. Der

Titel, der die Grundstimmung andeutet,

ist kaum adäquat zu übersetzen. «Im

Wort increschantüm verbirgt sich etwas,

das im deutschen Heimweh gar nicht

aufscheint» schreibt dazu der Philosoph

und Romanist Iso Camartin: «Die Wurzel

ist das Lateinische increscere. Es heisst: hi-

neinwachsen, dann auch: sich steigern.

Heimweh ist etwas, das auf unheilsame

Art heranwächst, eine übertriebene

Form der Anhänglichkeit und Abhän-

gigkeit, die schmerzt und peinigt. Am

Heimweh spüren die Lebenden, dass die

Toten in die Welt zurückdrängen. Beide

leiden an dieser Haftung, und Heimweh

ist danach nie mehr etwas, was sich senti-

mentalisch verklären lässt.»

Die neuen Gedichtvertonungen er-

klingen im Konzert mit der finnischen So-

pranistin Anu Komsi und dem Zehetmair-

Quartett. Zu hören sind an diesem Abend

ausserdem Debussys Streichquartett von

1893 und Holligers 2. Quartett von 2007.

Auch dieses Stück bezieht sich übrigens

auf Hölderlin: Zugrunde gelegt sind ihm

– unhörbar – die letzten Worte, die vom

Dichter im Nachruf einer Zeitung über-

liefert sind, sie stammen wohl aus einem

letzten Herbstgedicht Scardanellis: «…

wie Wolken um die Zeiten legt…»

Iso Camartin: «Am Heimweh spüren die Lebenden, dass die Toten in die Welt zurückdrängen»

Page 44: Musik und theater special lucerne festival 2014

s t u d i o44

Neue Ton- und Filmdokumente vom Lucerne Festival 1977 bis 2013 mit dem Dirigenten Claudio Abbado

«Was bleibet aber»Werner Pfister

Fast fünf Jahrzehnte lang war Claudio

Abbado dem Lucerne Festival (und den

früheren Internationalen Musikfestwo-

chen Luzern) verbunden – was für eine

enorme Zeitspanne! In den letzten elf

Jahren intensivierte sich diese künstle-

rische Beziehung auf wohl weltweit ein-

malige Weise: Im Festspielsommer 2003

konnte Claudio Abbado erstmals das von

ihm neu gegründete Lucerne Festival

Orchestra vorstellen. Fortan dirigierte

er mit diesem Elite-Klangkörper alljähr-

lich die ersten Konzertprogramme zur

Festival-Eröffnung. Wer das Glück hatte,

hier dabei sein zu können, wird es wohl

nie vergessen: Es waren Sternstunden

eines einzigartig erfüllten Musizierens,

welches aus dem tiefsten künstlerischen

und persönlichen Einverständnis zwi-

schen dem Dirigenten und einem von

ihm handverlesenen Ensemble an Or-

chestermusikern schöpfte.

Ein letztes Mal, im August 2013, mit

Bruckners neunter Sinfonie – es sollte

nicht nur Abbados letzter Auftritt mit

seinem Lucerne Festival Orchestra wer-

den, sondern sein letztes Konzert über-

haupt. Am 20. Januar 2014 verstarb er.

Was bleibt, sind unsere Erinnerungen

und, zum grossen Glück, Tondoku-

mente – neu veröffentlichte Luzerner

Konzertmitschnitte, drei von ihnen mit

Bruckner-Sinfonien. Wie gesagt, mit der

Neunten nahm er Abschied – ein unge-

mein berührender Abschied. Weich im

Klangbild, raumgreifend in der Klang-

entfaltung, luzide und ohne jede ka-

thedralenhafte Monumentalität. Scho-

penhauers Diktum, dass Architektur

Claudio Abbado bei der Generalprobe zu seinem letzten Konzert mit dem Lucerne Festival Orchestra im Sommer 2013.

Bild: Priska Ketterer

Page 45: Musik und theater special lucerne festival 2014

s t u d i o 45

Sternstunde der Bartók-Interpretation Rafael Kubeliks

Er war in diesem Fall – am 15. August

1962 an den Internationalen Musikfestwo-

chen Luzern – nur Einspringer, aber gleich-

zeitig einer der bedeutendsten Dirigenten

seiner Zeit: Rafael Kubelík übernahm für

den erkrankten Ferenc Fricsay die Leitung

einer konzertanten Aufführung von Bartóks

Operneinakter «Herzog Blaubarts Burg». Mit

Irmgard Seefried und Dietrich Fischer-Dies-

kau standen bedeutende, geradezu ideale

Sängerpersönlichkeiten zur Verfügung – ein

einzigartiges Gipfeltreffen, das in dieser le-

gendären Konstellation auf Schallplatte nie

verewigt wurde und nur hier, im erstmals

veröffentlichten Live-Mitschnitt aus dem

Luzerner Kunsthaus, zu erleben ist.

Zwar bekundet das Schweizerische Fest-

spielorchester zu Beginn noch etwas Mühe

mit der ihm wohl ungewohnten Partitur,

doch Kubelik versteht es auf magistrale

Weise, die Kräfte zu bündeln und zu binden

und aus der von allem Anfang an spürba-

ren Glut Feuer zu schlagen. Seefried und

Fischer-Dieskau erschliessen auf sugges-

tive Weise die den sieben Seelenbildern

innewohnenden psychologischen Schichten

und identifizieren sich derart stark mit

ihren Rollen, dass die Aufführung zu einem

veritablen Krimi gerät, dessen vibrierender

Spannung man sich kaum entziehen kann.

Dass Irmgard Seefried da und dort (vor

allem in tiefen Lagen) an Grenzen geht (und

auch an Grenzen stösst) und zudem von

der Tontechnik etwas zweitrangig behandelt

wurde, vermag dieser Sternstunde der

Bartók-Interpretation kaum Abbruch zu tun.

Werner Pfister

Bartók, «Herzog Blaubarts Burg». Seefried,

Fischer-Dieskau, Kubelik. CD Audite 95.626

gefrorene Musik sei, wird hier gleichsam

ins Gegenteil gekehrt: Formale Architek-

tur ergibt sich unter Abbados Dirigat da-

durch, dass er die Musik auf natürlichs-

te Weise in lebendigem Fluss hält. Eine

Interpretation, die nach Sternen greift

und dabei den Himmel erreicht – beson-

ders überwältigend im leisen Abgesang

des feierlichen Adagios, den Abbado mit

unendlicher Zartheit gestaltet.

Verletzlicher BrucknerÜberhaupt scheint es charakteristisch zu

sein für Abbados spätes Bruckner-Bild

(im Unterschied zu seinen früheren

Einspielungen mit den Wiener Philhar-

monikern), dass er selbst die grossen

kathartischen Blechbläser-Kaskaden

sozusagen mit leichter Hand anfasst –

was, zumindest vom Ansatz her, auch

für seine memorable Interpretation von

Bruckners fünfter Sinfonie vom Luzer-

ner Sommer 2011 gilt, die hier in einer

vorzüglich gefilmten Version vorliegt. In

den leisen Stellen (und davon gibt es bei

Bruckner viele) ergibt sich daraus eine

Atmosphäre von zarter Verletzlichkeit –

so wie man sie aus vielen (späten) Wer-

ken Schuberts, aber kaum bei Bruckner

kennt.

An Schubert erinnert auch Abba-

dos sehr kantables Musizieren – in den

liedhaft ausgestalteten Melodien eben-

so wie in den idyllischen Ländlerpassa-

gen. Und das selbst in einem so kecken,

ja sperrigen Werk wie Bruckners erster

Sinfonie. Einen Sonderstatus hat dieses

Luzerner Tondokument, weil Abbado

hier die selten gespielte, späte Wiener

Fassung dirigierte (im Unterschied zu

seiner DG-Einspielung, wo er die Lin-

zer Fassung wählte). Unnachahmlich

der stürmische Elan in den pochenden

Bassrhythmen – hier scheint das Recht

des noch jungen Komponisten auf Re-

bellion mitzuklingen, und gleichzeitig

spürt man in dieser Musik den Aufbruch

zu einer neuen sinfonischen Dimension.

Eine Referenz-Einspielung.

Beethoven mehrdimensionalEbenfalls von Abbados letztem Luzerner

Sommer mit dem Lucerne Festival Or-

chestra stammt ein DVD-Mitschnitt mit

Brahms‘ Tragischer Ouvertüre, dem Zwi-

schenspiel sowie dem Lied der Waldtau-

be aus Schönbergs «Gurre-Liedern», ei-

nem von Abbado besonders geschätzten

Werk, sowie Beethovens «Eroica». Hier

fällt auf, wie wenig Abbado in seinen al-

lerletzten Jahren dem herkömmlichen,

sogenannt «modernen» Beethoven-Bild

gehuldigt hat. Im Gegenteil, so getragen,

so sehr nach innen gewendet, so zeitver-

sunken hat man den Trauermarsch noch

nie gehört. Und selbst der Finalsatz, mit

über 16 Minuten Spielzeit viel breiter als

früher (in den Einspielungen mit den

Berliner und Wiener Philharmonikern)

genommen, wirkt irgendwie abgeklärt

– utopische Grösse aus altersweiser Dis-

tanz reflektiert?

Denn früher klang Abbados Beet-

hoven anders, wie das ein Luzerner

Konzertmitschnitt von 1988 mit dem

Chamber Orchestra of New York und

hier mit Beethovens Zweiter zeigt. Die

Tempi orientieren sich (zwar nie skla-

visch) an Beethovens sehr schnellen

Metronomangaben, wobei aber auch

hier der langsame zweite Satz im Tempo

merklich gedehnter genommen wird.

Eine «klassische», aber detailgenau aus-

gehorchte Interpretation von Schuberts

«Unvollendeter» (1978 mit den Wiener

Philharmonikern) sowie – eine Premi-

ere in Abbados Diskografie – Wagners

«Siegfried-Idyll» runden auch diese

Produktion zu einem wertvollen Doku-

ment.

«Was bleibet aber, stiften die Dich-

ter»: Der letzte Vers in Hölderlins später

Hymne «Andenken» wird oft – und miss-

verständlich – als Selbstlob des Dichters

gedeutet. Dabei meint er allein dies:

Nicht schon die grosse Tat allein macht

den Helden unsterblich, sondern erst

der ihn wortgewaltig rühmende Dichter.

Dürfte man daraus folgern: Nicht schon

das grosse Werk allein macht Kompo-

nisten unsterblich, sondern erst der sie

kundig auslegende, eben «rühmende»

Interpret? In diesem Sinne wäre Clau-

dio Abbado tatsächlich mit jenem viel-

beschworenen Dichter zu vergleichen

– einer, der viele der grössten Werke der

Musikgeschichte bezwingender «zu Wort

Claudio Abbado bei Lucerne Festival

Bruckner, Sinfonie Nr. 9. Abbado.

CD DG 479 3441

Bruckner, Sinfonie Nr. 1. Abbado

CD Accentus Music 30274

Bruckner, Sinfonie Nr. 5. Abbado.

DVD Accentus Music 20243

Schubert, Sinfonie Nr. 7 «Unvollende-

te»; Beethoven, Sinfonie Nr. 2; Wagner,

«Siegfried-Idyll». Abbado. Audite CD 95.627

Brahms, Tragische Ouvertüre; Schönberg,

Zwischenspiel und Lied der Waldtaube aus

den «Gurre-Liedern»; Beethoven, Sinfonie

Nr. 3. Fujimura, Abbado.

Accentus Music DVD 20282

gebracht», also interpretiert hat, als die

meisten anderen Dirigenten seiner Ge-

neration. Diese Luzerner Mitschnitte

zeigen es erneut – ein Andenken ganz

besonderer Art.

Page 46: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a46

«Lucerne Festival Young Performance» – ein Pilotprojekt erkundet neue Konzertformate

Inszenierte HeldenmusikErstmals gibt es mit «Lucerne Festival Young Performance» ein eigenes Ensemble für Kinderkonzerte. Die jungen Musiker haben

eine eigene musikalische Geschichte kreiert: «Heroïca» – eine Heldenmusik für Neunjährige.

Jenny Berg

Seit einigen Jahren investiert das Lu-

cerne Festival vermehrt Energie und

Kreativität in die Entwicklung neuer

Konzertformate. Gerade im Sektor der

Kinder- und Jugendkonzerte ist vieles

in Bewegung. Einerseits, weil Kinder ein

anspruchsvolles Konzertpublikum dar-

stellen und sich nur selten durch alther-

gebrachte Konzertrituale und strenges

Stillsitzen für klassische Musik begeis-

tern lassen. Andererseits sind die meis-

ten Kinder vorurteilsfrei und offen für

Bild

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erne

Fes

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eter

Fis

chli

Page 47: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a 47

Neues. «In einem Sinfoniekonzert die

Rituale zu ändern, ist deutlich schwieri-

ger», weiss Johannes Fuchs, Leiter von

Lucerne Festival Young.

Deshalb hat er für diese Saison ein

auf drei Jahre angelegtes Pilotprojekt

lanciert: «Lucerne Festival Young Per-

formance» heisst es. Dank Unterstüt-

zung der Zürich Versicherungs-Gesell-

schaft AG können junge Musiker mit

erfahrenen Regisseuren und Choreo-

grafen intensiv und in einem längeren

Probenprozess an neuen Konzertfor-

maten arbeiten. Theoretisch bedeutet

das: «Die Trennung, ja Zersplitterung

von zeitgenössischer Komposition, pä-

dagogischer Forschung, künstlerisch-

interpretatorischer Produktion und

der Ausbildung junger Musiker soll

hier aufgehoben werden», so Johannes

Fuchs. «Wir möchten diese Aspekte in

der Praxis kreativ vernetzen, um neue

Erfahrungen des Musizierens und neu-

artige Formen der Musikpräsentation zu

gestalten.»

Praktisch sieht das bei den Proben

erst einmal so aus: Eine Klarinettistin,

die im Liegen auf ihrem Instrument

spielt und dabei von acht Händen in

höchster Höhe getragen wird. Eine Hor-

nistin, die mit ihrem Hornkoffer ganz

selbstverständlich in einer komplexen

Choreografie mit ihren Mitspielern mit-

tanzt. Eine Geigerin, die stehend auf

dem wackeligen Rücken ihres Kollegen

musiziert. Und bei all dem erklingt live

gespielt Musik von Mozart, Holst, Fauré,

Bach, Kurtág, Stockhausen.

Es ist eine agile, wache Gruppe

junger Musikerinnen und Musiker. Sie

stammen aus vier Nationen und drei

Kontinenten; sind allesamt ehemalige

Teilnehmer der Lucerne Festival Acade-

my, die in einem aufwendigen Casting

ausgewählt wurden. Hier mussten sie

ihre Bereitschaft zur Körperarbeit unter

Beweis stellen, auch ihre Bühnenprä-

senz und ihre musikalische Kreativität.

Denn die Instrumentalisten sollen sich

selbst in die Gestaltung des neuen Kon-

zertformates einbringen. Der Regisseur

Dan Tanson und die Choreografin Lau-

ra van Hal leisten dabei im besten Sinne

Geburtshilfe für das neue Projekt.

Johannes Fuchs: «Es soll nicht dar-

um gehen, den Kindern wie in einem

normalen Konzert Musik vorzuspie-

len. Denn sie sind Hörzuschauer und

nehmen Musiker als Personen eines

Bühnengeschehens wahr.» Deshalb

konnten die sieben Instrumentalisten

auch selbst Stücke vorschlagen, die zu

ihnen passen oder die ihnen gerade

wichtig sind. «Anfangs war es für sie

ungewohnt, über die gespielte Musik

mitzuentscheiden. Aber dann purzel-

ten die Vorschläge nur so auf uns he-

rein», berichtet Fuchs lachend. «Aus

den Werkvorschlägen der Musiker sind

dann die Figuren entstanden, welche

die Geschichte erzählen – ganz ohne

Worte, nur mit Tönen.»

Diese Art Stückentwicklung ist im

Theater bereits eine Selbstverständlich-

keit – für die klassische Musik aber ist

sie komplett neu. Doch die jungen Mu-

siker geniessen den kreativen Freiraum,

den sie sonst nicht einmal in ihrer Aus-

bildung an den Musikhochschulen ein-

geräumt bekommen, berichtet Fuchs.

«Hier treten sie auf wie eine Band, sie

spielen alles auswendig. Es gibt ein sehr

breites Spektrum an Sounds, von der

Solonummer bis hin zum orchestralen

Vollklang.» Erik Borgir arbeitet musi-

kalisch mit den Studierenden – denn

da sind die jungen Musiker ehrgeizig:

Auch beim Kinderkonzert muss die mu-

sikalische Qualität auf höchstem Niveau

sein.

Inhaltlich geht es bei «Heroïca» um

das Heldendasein der Neun- und Zehn-

jährigen. «In diesem Alter ist man halb

Kind, halb erwachsen», sagt Fuchs, «man

muss sich ständig ein Herz fassen, um

neue Dinge zu wagen. Im Stück werden

klanglich auch bedrohliche Situationen

dargestellt, für deren Bewältigung es viel

Mut braucht – Helden eben.»

Die Altersbeschränkung ist für Fuchs

ein ganz wichtiger Aspekt bei Kinder-

und Jugendkonzerten: «Kinder machen

eine rasante Entwicklung durch. Der Hu-

mor eines Siebenjährigen kann sich von

dem eines Neunjährigen grundlegend

unterscheiden. Und wenn ein Zwölfjäh-

riger in den vorderen Reihen Kleinkin-

der sieht, will er die Veranstaltung am

liebsten gleich wieder verlassen», berich-

tet Fuchs von seinen Erfahrungen.

Deshalb gibt es bei Lucerne Festival

für die Heranwachsenden ganz verschie-

dene Angebote: Ein Sitzkissenkonzert

für Kinder ab vier Jahren über «Oskar

und der sehr hungrige Drache», ein Fi-

gurentheater mit dem Titel «Rusalka,

die kleine Meerjungfrau» für Kinder

ab fünf Jahren, ein inszeniertes Fami-

lienkonzert für Kinder ab sieben Jah-

ren mit dem Titel «Das goldene Herz»,

schliesslich ein Jugendkonzert, bei dem

Strawinskys «Geschichte vom Soldaten»

als multimediale Inszenierung mit Kam-

mermusik, Schauspiel, Erzählung, Tanz

und Animationen gezeigt wird – auch

im Late-Night-Programm für Erwachse-

ne. Und eben «Heroïca», das szenische

Konzert, das die Musiker zu handelnden

Figuren, die Musik zur Erzählsprache

werden lässt.

«Das ist mein Credo», sagt Johan-

nes Fuchs abschliessend: «Es darf nicht

darum gehen, Musik zu illustrieren,

etwas dazu zu erzählen. Sondern man

muss die Dinge wie in einer Kompositi-

on zusammenbringen, muss Musik und

Theater, Szene und Klang zu einer ganz-

heitlichen, sinnlichen Erfahrung ver-

schmelzen lassen».

Mit diesem Ansatz betritt das Lu-

cerne Festival Neuland – eines, welches

das junge Publikum sogar ausserhalb

Luzerns entdecken kann: Im Herbst

gibt es mit «Heroïca» Gastspiele in St.

Gallen, Lausanne und Basel; im Früh-

jahr in Bern und Winterthur. Und in der

nächsten Saison wird eine neues, ande-

res Konzertformat erarbeitet. Die Ideen

dafür scheinen Johannes Fuchs nicht

auszugehen.

Informationen:

http://www.lucernefestival.ch/de/entdecken/

young/

Inszenierte Heldenklänge von agilen jungen

Musikerinnen und Musikern aus drei Konti-

nenten.

Page 48: Musik und theater special lucerne festival 2014

t h e m a48

Neue Konzertformate für die jüngsten

Luzerner Festivalbesucher. Impressionen von

Proben des neu gegründeten Ensembles.

Bilder: Priska Ketterer

Page 49: Musik und theater special lucerne festival 2014

s e r v i c e 49

LUCERNE FESTIVAL im Sommer15. August – 14. September 2014

LUCERNE FESTIVAL 40MIN

Kein Dresscode, kein Vorwissen. Stattdessen

Musik zum Kennenlernen und für Kenner, zum

Einsteigen und Eintauchen. In der Reihe «LUCERNE

FESTIVAL 40min» können Sie abwechslungsreiche

Programme erleben, die länger sind als ein blosser

Appetizer und doch nicht so lang wie ein komplet-

tes Konzert – und das auch noch gratis!

Ausgewählte Festival-Künstler, grosse und kleine

Formationen, präsentieren Werke von der Renais-

sance bis zur Jetztzeit – und richten das Wort

direkt ans Publikum, berichten davon, wie eine

neue Komposition entsteht, wie ein Orchester probt

und was sich bei der Interpretation im Wortsinn

«abspielt».

10x während des Festivals | jeweils 18.20 – 19.00

Uhr | KKL Luzern, Luzerner Saal

Montag, 18. August 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 1

Ganz nah dran: Das Mahler Chamber Orchestra

probt Dvorák

Dienstag, 19. August 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 2

Auftritt mit Fanfare! Die Blechbläser des LUCERNE

FESTIVAL ORCHESTRA

Mittwoch, 20. August 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 3

Festivalorchester en miniature:

Kammermusikalische Hors d’Œuvres

Freitag, 22. August 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 4

40 Minuten für 40 Sänger

Mittwoch, 27. August 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 5

Komponieren heute: «composer-in-residence»

Johannes Maria Staud stellt sich vor

Freitag, 29. August 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 6

Der Meister und seine Schüler. Abschlusskonzert

des «Meisterkurses Dirigieren»

Montag, 1. September 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 7

Aus erster Hand: Matthias Pintscher präsentiert

eigene Kammermusik

Dienstag, 2. September 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 8

Saite an Saite: Streicher satt mit der LUCERNE

FESTIVAL ACADEMY

Freitag, 5. September 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 9

Zwei neue Orchesterwerke entstehen: Ein Blick in

die Komponierwerkstatt

Dienstag, 9. September 2014 |

LUCERNE FESTIVAL 40min 10

Was sehen meine Ohren, was hören meine

Augen? Musik, szenisch gespielt

LUCERNE FESTIVAL LOUNGE

Und was passiert nach dem Schlussapplaus?

Immer freitags läutet die LUCERNE FESTIVAL

Lounge das Wochenende ein:

mit Live-Performances zwischen Klassik

und Clubkultur.

LUCERNE FESTIVAL Lounge 1

22. August | ab 22.00 Uhr | Bourbaki

Midori | Michael Zismann

LUCERNE FESTIVAL Lounge 2

29. August | ab 22.00 Uhr | Bourbaki

Barbara Hannigan, Huw Watkins & Studieren-

de der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY | Alliage

Quintett

LUCERNE FESTIVAL Lounge 3

5. September | ab 22.00 Uhr | Bourbaki

Kaleidoscope String Quartet | David Bithell &

Studierende der LUCERNE FESTIVAL ACADEMY

LUCERNE FESTIVAL Lounge 4

12. September | ab 22.00 Uhr | Bourbaki

Klaus Steffes-Holländer | Ensemble This/

Ensemble That

ZU GAST BEI DER BUVETTE

Abwechslungsreiche Open-Air-Konzerte am Ufer

des Vierwaldstättersees, gestaltet von Festival-

Künstlern, die sich abseits der grossen Bühne

und in ungezwungener Atmosphäre mit eigenen

Projekten präsentieren: Auch diesen Sommer ist

LUCERNE FESTIVAL wieder zu Gast bei der Buvette,

der Freiluft-Bar auf dem Luzerner Inseli. Die Kon-

zerte finden an insgesamt drei Donnerstagen von

18.00 bis 19.00 Uhr statt; der Eintritt ist frei. Bei

schlechtem Wetter bleibt die Buvette geschlossen.

Aktuelle Angaben zum Programm erhalten Sie

während des Festivals auf www.lucernefestival.ch

Sämtliche Termine:

21. August | Open-Air-Konzert mit Überra-

schungsprogramm

28. August | Belcirque: Swing der Zwanziger und

Dreissiger Jahre

4. September | Open-Air-Konzert mit Überra-

schungsprogramm

SOUNDZZ.Z.ZZZ…Z

Passend zum Festivalthema «Psyche» hat

David Bithell, Gewinner des gemeinsam mit dem

Kunstmuseum Luzern lancierten Wettbewerbs

Soundzz.z.zzz…z, fünf interaktive Klangskulpturen

entwickelt, in denen Passanten ihre innersten See-

lenregungen aufzeichnen können – im Flüsterton.

Aus diesem Material entstehen fünf Live-Perfor-

mances. Bei zweien von ihnen

(am 22.8. und am 11.9.) kann jeder mitmachen:

www.placeofwhispers.com.

Sämtliche Termine:

15. August | 19.15/20.30/22.00 Uhr | Europaplatz

(bei schlechtem Wetter im KKL-Foyer)

The Place of Whispers. Live-Performance mit

David Bithell

22. August | 19.15 Uhr | Kunstmuseum Luzern

The Place of Whispers. Live-Performance mit

David Bithell und Flüsterchor

31. August | 19.00 Uhr | Seebad Luzern

The Place of Whispers. Live-Performance mit

David Bithell und Studierenden der LUCERNE

FESTIVAL ACADEMY

11. September | 19.15 Uhr | Kunstmuseum Luzern

The Place of Whispers. Live-Performance mit

David Bithell und Flüsterchor

IN DEN STRASSEN

Dienstag, 26. August – Sonntag, 31. August |

18.00 – 22.00 Uhr (anschliessend Sentitreff) |

Strassen und Plätze der Stadt Luzern

Musik kennt viele Spielarten – und so ist es zu

einer schönen Tradition geworden, dass LUCERNE

FESTIVAL im Sommer die Strassen und Plätze

der Luzerner Altstadt mit Musikgruppen aus aller

Welt bevölkert: ein faszinierendes musikalisches

Panorama unseres Planeten.

Belcirque | Carmatango | Ensemble Mahasa-

rakham | Guappecarto | Hudaki Village Band |

Mercadante & Battaglia | Ny Malagasy Orkestra |

Palmas & Cernuto

Eröffnungsveranstaltung mit allen Gruppen:

Dienstag, 26. August | 17.30 Uhr | Europaplatz

beim KKL Luzern

Abschlussfest mit allen Gruppen:

Sonntag, 31. August | ab 14.00 Uhr auf der See-

promenade | ab 16.00 Uhr auf dem Europaplatz

beim KKL Luzern

Karten und Informationen

www.lucernefestival.ch

[email protected]

+41 41 226 44 80

FESTIVAL-TERMINE | VORSCHAU

LUCERNE FESTIVAL am Piano

22. – 30. November 2014

Evgeny Kissin | Leif-Ove Andsnes & Mahler

Chamber Orchestra | Marc-André Hamelin |

Martin Helmchen | Maurizio Pollini | Paul Lewis  |

Pierre-Laurent Aimard  u. a.

Online-Direktbuchung ab Montag, 4. August 2014,

12.00 Uhr | Schriftlicher Kartenverkauf ab Montag,

11. August 2014 | Schalterverkauf im KKL Luzern

ab 15. August 2014 | Telefonischer Kartenverkauf

ab Montag, 15. September 2014

Page 50: Musik und theater special lucerne festival 2014

50

i m p r e s s u m

30. Jahrgang, xxxxxxxxxxxxx 2011Erscheinungsweise neunmal jährlich + Specials

Redaktionsanschrift:Musik&TheaterNeugasse 10, CH-8005 Zürich Telefon 044 491 71 88, Telefax 044 493 11 76http://www.musikundtheater.chE-Mail: [email protected]

HerausgeberSüdostschweiz Presse und Print AG

ChefredaktorAndrea Meuli

RedaktionReinmar Wagner, Werner Pfister

Autorinnen und Autoren dieser Ausgabexxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

AnzeigenMusik&Theater +41 44 491 71 [email protected]

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Für unverlangt eingesandtes Bild- und Tonmaterial übernimmt der Verlag keine Haftung. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.

ISSN 0931-8194

i m p r e s s u m34. Jahrgang August/September 2014Special Edition Lucerne Festival Sommer 2014Erscheinungsweise siebenmal jährlich + Specials

Redaktionsanschrift:Musik&TheaterNeugasse 10, CH-8005 Zürich Tel. +41 44 491 71 88, Telefax 044 493 11 76http://[email protected]

HerausgeberinSomedia (Südostschweiz Presse und Print AG)Kasernenstrasse 1Postfach 508, CH-7007 Chur

VerlagsleitungRalf SeeligTel. +41 81 255 54 [email protected]

ChefredaktorAndrea Meuli

RedaktionReinmar Wagner, Werner Pfister

BildkonzeptionPriska Ketterer

Autorinnen und Autoren dieser AusgabeJenny Berg, Marco Frei, Kai Luehrs-Kaiser, Andrea Meuli, Thomas Meyer, Werner Pfister, Fritz Trümpi, Reinmar Wagner

AnzeigenMusik&Theater +41 44 491 71 [email protected]

Abonnementverwaltung Abo- und ZustellserviceKasernenstrasse 1Postfach 508, CH-7007 ChurTel. 0844 226 [email protected]

HerstellungSomedia Production

KorrektoratErnst Jenny

CopyrightMusik&Theater, SomediaAlle Rechte vorbehalten

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Studenten (mit beigelegter Legitimation): CHF  78.– Euro 70.–

Schnupperabonnement (3 Ausgaben): CHF  25.– Euro 25.–

Ausland Luftpost:1 Jahr CHF 200.– Euro 150.–

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Bekanntgabe von namhaften Beteiligungen i.S.v. Art. 322 StGB:Südostschweiz Radio AG, Südostschweiz TV AG, Südostschweiz Emotion AG, Südostschweiz Pressevertrieb AG, Südostschweiz Partner AG

ISSN 0931-8194

Page 51: Musik und theater special lucerne festival 2014

i n s e r a t e 51

UA Uraufführung

SE Schweizer Erstaufführung

DSE Deutschsprachige Erstaufführung

WA Wiederaufnahme

www.luzernertheater.ch

PremierenübersichtJubiläums-Spielzeit 2014/15

30.8.2014 Schmutzige Schöpfung – Making of Frankenstein | SE Schauspiel von Thomas Melle; Inszenierung: Johanna Wehner

3.9.2014 Die Antilope | UA Oper von Johannes Maria Staud Koproduktion mit LUCERNE FESTIVAL und der Oper Köln Gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Dominique Mentha

14.9.2014 Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch | WA Komische Oper von Elisabeth Naske; Koproduktion mit der Oper Graz Musikalische Leitung: Florian Pestell; Inszenierung: Dominique Mentha

1.10.2014 Tanz 16: Don Juan | UA Choreografie von Fernando Melo; Musik von Christoph Willibald Gluck

17.10.2014 The Black Rider Schauspielmusical von William S. Burroughs, Tom Waits und Robert Wilson; Inszenierung: Andreas Herrmann

8.11.2014 Die lustige Witwe Operette von Franz Lehár; Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Dominique Mentha

25.11.2014 A Christmas Carol | DSE Schauspiel von Enda Walsh; Inszenierung: Katharina Cromme

26.11.2014 Pippi Langstrumpf Kinderstück von Astrid Lindgren; Inszenierung: Benno Muheim

27.11.2014 Tanz 17: Cosa Nostra | UA Tanzstück von Sandra Marín Garcia und Zoran Markovic

13.12.2014 Antigone Tragödie von Sophokles; Inszenierung: Wojtek Klemm

10.1.2015 Cantos de Sirena | UA Musiktheater von «La Fura dels Baus»; Koproduktion mit der Oper Köln und dem Festival Castell de Peralada Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Carlus Padrissa

17.1.2015 Strange Case(s) of Dr. Jekyll and Mr. Hyde | UA Monologe von Martina Clavadetscher, Verena Rossbacher und Ivna Žic; Inszenierung: Marc Wortel

28.1.2015 Die Affäre Rue de Lourcine Komödie von Eugène Labiche; Inszenierung: Andreas Herrmann

30.1.2015 Dracula oder Frust der Unsterblichkeit Eine theatralische Soirée; Inszenierung: Lia Schmieder

27.2.2015 La Bohème Oper von Giacomo Puccini; Inszenierung: Achim Thorwald

5.3.2015 Die lächerliche Finsternis | SE Hörspiel von Wolfram Lotz; Inszenierung: Andreas Herrmann

14.3.2015 Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade

Drama von Peter Weiss; Inszenierung: Bettina Bruinier

1.4.2015 Tanz 18: Celebration! | UA/SE Choreografien von Andonis Foniadakis, Cayetano Soto und Fernando Hernando Magadan

19.4.2015 Ariadne auf Naxos Oper von Richard Strauss; Musikalische Leitung: Howard Arman; Inszenierung: Holger Müller-Brandes

8.5.2015 Geister sind auch nur Menschen (Arbeitstitel) | UA Schauspiel von Katja Brunner; Inszenierung: Tina Lanik

13.5.2015 Prima la musica, poi le parole Divertimento teatrale von Antonio Salieri; Koproduktion mit der Hochschule Luzern - Musik Musikalische Leitung: Andrew Dunscombe; Inszenierung: Christian Kipper

29.5.2015 Dancemakers Series #6 | UA Choreografien aus dem Tanzensemble; Künstlerische Leitung: Kathleen McNurney

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