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Musikschule - gestern und heute 14 „Nirgends steht geschrieben, dass Singen not sei.“ Das sagte der einst so einflussreiche Musikphilosoph Theodor W. Adorno in seiner Mitte der fünfziger Jahre erschienenen Attacke gegen die Jugendmusik. Der junge Volksschullehrer Leo Niessen war da anderer Meinung. Schon ein Vierteljahrhundert vor dieser Auseinandersetzung, im Frühjahr 1931, hatte er sich aufgemacht, in den neuen vierten Schuljahrgängen der Aachener Volksschulen – so hießen sie damals noch – nach singfreudigen Jungen und Mädchen zu fahnden, die bereit waren, mittwoch- und samstagnachmittags in der Schule Sandkaulbach mit ihm zu singen. Das war die Geburt der „Städtischen Volkssingschule“ nach dem Vorbild der Singschule in Augsburg. Niessen hatte sie kennengelernt und machte zeitlebens aus seiner Verehrung für deren Gründer und Leiter Albert Greiner keinen Hehl. Bei diesem Modell ging es nicht nur um die Musik. Der „Stimmgebrauch“ wurde als physisches wie psychisches Mittel zur Entfaltung allgemein-mensch- licher Bildung und Formung ange- sehen. „Vergessen Sie nicht, zu atmen und zu tönen!“ Diese Parole hätte der junge Aachener Sing- schulgründer gerne täglich auf dem Titelblatt der Zeitung gese- hen, wie er selbst berichtete. Das mag uns heute fern stehen. In einer Zeit, da in der Schule kaum noch, in der Familie überhaupt nicht mehr gesungen wird, da das Singen sich auf Musikfreunde beschränkt, die in Chorvereinigungen mehr oder weni- ger ehrgeizige Realisierungen der reichen Chorliteratur erstreben, bei denen also die künstlerische Leistung im Vordergrund steht, ist das Singen als therapeutisches Mittel kaum mehr vermittelbar. Es wird als Relikt der Jugendmusikbewegung, als zeitbedingte Erscheinung abgetan. Die Korrumpierung der deutschen Singbe- wegung durch das Dritte Reich, der von vielen ihrer Verfechter demonstrativ zur Schau gestellte antiro- mantische Affekt mögen zu dieser Abwertung beige- tragen haben. Dennoch haben wir heute allen Grund, den Verlust des Singens in Schule und Familie und damit der Basis allen Musizierens zu beklagen. Ohne diese bescheidenen Anfänge in der Schule Sandkaulbach würde es heute keine „Musikschule der Stadt Aachen“ geben. Schon im März 1932 trat man an die Öffentlichkeit. Der erste „Junggesang“ – so hieß die alljährliche Präsentation der Singschülerinnen und Singschüler – fand im Probensaal des Städtischen Gesangvereins im Konzerthaus an der Couvenstraße statt. Leo Niessen, der neben seiner Lehrertätigkeit ehrenamtlich arbeitete, hatte ehrenamtliche Mitstrei- ter gewonnen. Im siebten Jahr ihres Bestehens wies die Stadt für die Neugründung erstmals einen höheren Betrag von 3.500 Mark als Zuschuss im städtischen Etat aus. Damals war die Zahl der Schüler bereits auf über 700 angewachsen. Im gleichen Jahr 1938 durfte Leo Niessen seine Tätig- keit als Volksschullehrer aufgeben, um hauptamtlich die Leitung seiner Schule zu übernehmen. Das jährliche Schulgeld betrug 5 Mark, aber jede dritte Stelle war eine Freistelle aus sozialen Gründen. Man vergesse heute nicht: die ersten Jahre der Aachener Volkssing- schule fielen in die Zeit der großen Wirtschaftskrise mit ihren sechs Millionen Arbeitslosen in Deutschland. Niessens stimmtherapeutische Fähigkeiten, sein Ruf nach Atmen und Tönen war auch einem Mann zu Ohren gekommen, dem Musik- Aachen damals zu Füßen lag: Herbert von Karajan, dem jungen Aachener Generalmusikdirektor. Musikschule - gestern und heute Text: Alfred Beaujean Albert Greiner, Gründer der Augsburger Singschule und Mentor und Vorbild für Leo Niessen • Festschrift_FINAL 12.08.2007 20:32 Uhr Seite 14

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Musikschule -gestern und heute

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„Nirgends steht geschrieben, dass Singen not sei.“Das sagte der einst so einflussreiche MusikphilosophTheodor W. Adorno in seiner Mitte der fünfziger Jahreerschienenen Attacke gegen die Jugendmusik. Derjunge Volksschullehrer Leo Niessen war da andererMeinung. Schon ein Vierteljahrhundert vor dieserAuseinandersetzung, im Frühjahr 1931, hatte er sichaufgemacht, in den neuen vierten Schuljahrgängen derAachener Volksschulen – so hießen sie damals noch –nach singfreudigen Jungen und Mädchen zu fahnden,die bereit waren, mittwoch- und samstagnachmittagsin der Schule Sandkaulbach mit ihm zu singen. Das war die Geburt der „Städtischen Volkssingschule“nach dem Vorbild der Singschule in Augsburg. Niessenhatte sie kennengelernt und machte zeitlebens ausseiner Verehrung für deren Gründer und Leiter AlbertGreiner keinen Hehl. Bei diesem Modell ging es nichtnur um die Musik.

Der „Stimmgebrauch“ wurde alsphysisches wie psychisches Mittelzur Entfaltung allgemein-mensch-licher Bildung und Formung ange-sehen. „Vergessen Sie nicht, zuatmen und zu tönen!“ Diese Parolehätte der junge Aachener Sing-schulgründer gerne täglich aufdem Titelblatt der Zeitung gese-hen, wie er selbst berichtete.

Das mag uns heute fern stehen. In einer Zeit, da in derSchule kaum noch, in der Familie überhaupt nicht mehrgesungen wird, da das Singen sich auf Musikfreundebeschränkt, die in Chorvereinigungen mehr oder weni-

ger ehrgeizige Realisierungen der reichen Chorliteraturerstreben, bei denen also die künstlerische Leistung imVordergrund steht, ist das Singen als therapeutischesMittel kaum mehr vermittelbar. Es wird als Relikt derJugendmusikbewegung, als zeitbedingte Erscheinungabgetan. Die Korrumpierung der deutschen Singbe-wegung durch das Dritte Reich, der von vielen ihrerVerfechter demonstrativ zur Schau gestellte antiro-mantische Affekt mögen zu dieser Abwertung beige-tragen haben. Dennoch haben wir heute allen Grund,den Verlust des Singens in Schule und Familie unddamit der Basis allen Musizierens zu beklagen.

Ohne diese bescheidenen Anfänge in der SchuleSandkaulbach würde es heute keine „Musikschule derStadt Aachen“ geben. Schon im März 1932 trat manan die Öffentlichkeit. Der erste „Junggesang“ – sohieß die alljährliche Präsentation der Singschülerinnenund Singschüler – fand im Probensaal des StädtischenGesangvereins im Konzerthaus an der Couvenstraßestatt. Leo Niessen, der neben seiner Lehrertätigkeitehrenamtlich arbeitete, hatte ehrenamtliche Mitstrei-ter gewonnen. Im siebten Jahr ihres Bestehens wiesdie Stadt für die Neugründung erstmals einen höherenBetrag von 3.500 Mark als Zuschuss im städtischenEtat aus. Damals war die Zahl der Schüler bereits aufüber 700 angewachsen.

Im gleichen Jahr 1938 durfte Leo Niessen seine Tätig-keit als Volksschullehrer aufgeben, um hauptamtlichdie Leitung seiner Schule zu übernehmen. Das jährlicheSchulgeld betrug 5 Mark, aber jede dritte Stelle wareine Freistelle aus sozialen Gründen. Man vergesseheute nicht: die ersten Jahre der Aachener Volkssing-schule fielen in die Zeit der großen Wirtschaftskrisemit ihren sechs Millionen Arbeitslosen in Deutschland.

Niessens stimmtherapeutischeFähigkeiten, sein Ruf nach Atmenund Tönen war auch einem Mannzu Ohren gekommen, dem Musik-Aachen damals zu Füßen lag:Herbert von Karajan, dem jungenAachener Generalmusikdirektor.

Musikschule - gestern und heute

Text: Alfred Beaujean

Albert Greiner, Gründer derAugsburger Singschule undMentor und Vorbild für LeoNiessen

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Der litt an permanenter Heiserkeit, was nicht zu über-hören war, wenn er in den Proben zu Bachs Matthäus-passion die Partie des Evangelisten mimte. In mehreren Sitzungen mit intensiven Atemübungenwusste Niessen das Übel zu vertreiben, wie ein Dank-schreiben des Dirigenten im Nachlass des Singschul-leiters bezeugt. Er habe nie einen konzentrierterenSchüler gehabt als Karajan, erklärte der Lehrer später.

Das „Dritte Reich“ war 1933 angebrochen und mit ihmeine neue, verhängnisvolle Kulturpolitik. 1934 fand der„Junggesang“ erstmals im großen Konzertsaal desKonzerthauses an der Couvenstraße statt. Der Erfolgermutigte den der Singschule gewogenen Dezernentenund Stadtschulrat Kremer, für 1935 den Oberbürger-meister Quirin Jansen, die braunen Ratsherren und denNSDAP-Kreisleiter Eduard Schmeer einzuladen. Ein ver-hängnisvoller Fehler. Die Nazigrößen vermissten aufdem Programm das braune Liedgut der Hitlerjugend, jasie entdeckten sogar religiöse Texte. Die Folge war einsofortiges Verbot der Singschule. Vier bange Wochendauerte es, bis es Dezernent Kremer gelang, das Ver-bot aufzuheben. Aber nun mussten in Zukunft Liedgutund Programme parteiamtlich geprüft und genehmigtwerden. Die Kinder hatten in Hitlerjugend-Uniformaufzutreten, und am Ende eines „Junggesangs“ mussten das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied gesungen werden. Außerdem war der Saal mitHakenkreuzfahnen auszuschmücken.

Der Krieg brachte neue Schwierigkeiten. Dennochkonnte das zehnjährige Bestehen der Singschule 1941mit vier Aufführungen festlich begangen werden,einem „Junggesang“ aller Klassen im Konzerthaus,einer Kammermusik der Oberklasse und desGemischten Chores im Ballsaal des Alten Kurhauses,einer Sing- und Instrumentalmusik für Kinder derAachener Volksschulen und einem „Offenen Singen“im Kurpark. Angesichts der immer heftiger werdendenLuftangriffe musste der Abendunterricht schließlichauf den Sonntagmorgen verlegt werden. 1943 wurdeNiessen zur Wehrmacht einberufen. Theodor Stein-hauer übernahm die Aufgaben des Schulleiters, aberbald machten die Kriegsereignisse ein weiteres Arbei-ten unmöglich.

Das Schulgebäude Sandkaulbachsowie die meisten der mittlerweilesechs Zweigstellen fielen demBombenhagel zum Opfer und mitihnen das Inventar an Noten undInstrumenten.

Leo Niessen war nicht der Mann, der 1945 nach seinerHeimkehr resigniert hätte, obgleich es ihm die ameri-kanischen Besatzer nicht gerade leicht machten.Zusammenkünfte größerer Art waren zunächst verbo-ten, wenn man von den Proben des unverdächtigenDomchores unter Domkapellmeister Rehmann absieht.So versammelten sich die ersten Getreuen um LeoNiessen in seiner Privatwohnung in der Bismarck-straße. Niessen war Mitglied der NSDAP gewesen,zwangsläufig als beamteter Rektor einer städtischenSchule. Ohne diese Mitgliedschaft hätte er die Schul-leitung nicht ausüben können. Und nun wartete er aufseine „Entnazifizierung“, wie das damals hieß.

Musikschule - gestern und heute

Die ersten Singklassen-jahrgänge auf einemAusflug 1932

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Die Frage „Wann singen wir wie-der?“ wurde von immer mehrSingschülern gestellt.

Zu keiner Zeit war der Hunger nach Musik, nach geisti-gen Werten größer als damals, als viele der Tausende,die aus der Evakuierung nach Aachen zurückströmten,nicht einmal wussten, wo sie wohnen würden undetwas zu essen fanden.

Im September 1945 stellte Leo Niessen einen Antragan den Oberbürgermeister auf offizielle Wiedereröff-nung der Volkssingschule. Er wurde genehmigt, aberNiessen sah sich jetzt neuen restriktiven Auflagengegenüber, diesmal seitens der Besatzungsmacht: DieLieder mussten den amerikanischen Stellen vorgelegtwerden. Dennoch, es ging wieder aufwärts, wenn auchdie ersten Singstunden - jeden Montag - in der Kücheder Familie Niessen im Hause Kaiserallee 107 stattfin-den mussten.

Schon im Juli 1947 war die Oberstufe wieder so leistungsfähig, dass im heilgebliebenen Suermondt-Museum dreimal hintereinander eine anspruchsvolleKammermusik stattfinden konnte. Im gleichen Jahrwurden fünf neue Unterklassen gebildet. Und der

„Junggesang“ 1947 fand in der überfüllten Talbothallestatt, einer Sporthalle der Technischen Hochschule, dieauch den Städtischen Konzerten als Heimstatt diente.Sein Motto „Von Menschen Not und Trost“ sagt allesüber die äußeren Bedingungen in jener Zeit.Aber es ging unaufhaltsam aufwärts. Im März 1947war der Gemischte Chor wiederum so leistungsstark,dass er die musikalische Umrahmung der Eröffnungs-feier zur Ausstellung „Holländische und flämischeMalerei“ im Suermondt-Museum gestalten konnte. Mit der allmählichen Normalisierung der wirtschaft-lichen Verhältnisse nach der Währungsreform 1948waren jedoch auch vorübergehende Schwierigkeitenverbunden: Es kam zu Differenzen mit den AachenerPrivatmusiklehrern, die den Instrumentalunterricht derStädtischen Volkssingschule als berufliche Konkurrenzkritisierten. 1950 konnten die Probleme ausgeräumtwerden.

Das Anwachsen der Schülerzahlhatte zur Folge, dass 1953 derUnterricht in 13 verschiedenenSchulgebäuden erteilt werden musste, so dass der Ruf nach einerZentrale, wie sie bis 1944 in derSchule Sandkaulbach gegeben war,laut wurde.

Man fand zumindest eine Notlösung in den Räumendes Schulneubaus Saarstraße/Bergstraße. Für den all-jährlichen „Junggesang“ stand ab 1948 die wiederauf-gebaute Aula der Technischen Hochschule am Templer-graben bereit. Das Bild der singenden und musizieren-den jungen Heerscharen, die das Podium zu sprengendrohten und unter der anfeuernden Leitung LeoNiessens ihr Können demonstrierten, blieb jedem un-vergessen, der diese Jahressingen miterlebte.

Musikschule - gestern und heute

linkes Bild:

Junge Damen mit ihrem ver-ehrten Meister 1936

rechtes Bild:

Junggesang im „DrittenReich“ im legendären Saaldes Konzerthauses an derCouvenstraße.BDM-Uniformen undHakenkreuzfahnen warenVoraussetzung für eineWeiterführung derSingschule

Plakat Junggesang 1947

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Zum Erfolg trug nicht zuletzt Dr. Karl Vent bei, Musik-studienrat am Kaiser-Karls-Gymnasium, der die unter-schiedlichen Darbietungen mit seinen improvisatori-schen Vor- und Zwischenspielen am Flügel erfrischendeinfallsreich miteinander verband.

In den fünfziger Jahren wurden auch die erstenKontakte zu ausländischen Musikschulen geknüpft. ImNovember 1950 nahmen Oberklasse und GemischterChor an einem internationalen Festival der Jugend-chöre im Konzertsaal des Conservatoire Lüttich teil.1956 konzertierte man am Conservatoire Verviers undin Chèvremont. Hauptereignis des Jahres war jedoch die Feier des 25-jährigen Bestehens. In der Aula der TechnischenHochschule fanden am 12. und 13. Mai festlicheKonzerte statt, klingende Rechenschaftsberichte überdie Arbeit aller singenden und musizierendenAltersgruppen. Im Juli 1957 beteiligte sich dieVolkssingschule in Gestalt eines „Offenen Singens“ inder Hochschule am Niederrheinischen Musiksfest. DerWestdeutsche Rundfunk übertrug die Veranstaltung.Im April 1959 sang der Gemischte Chor in der Abtei-kirche Malmedy eine Mozart-Messe im Rahmen einesHochamtes. Ein einziges Mal musste der „Junggesang“ ausfallen.Das war 1961, als eine in Aachen grassierende Polio-Seuche Massenveranstaltungen von Kindern undJugendlichen verbot. Im Oktober 1962 konzertierte derGemischte Chor anlässlich einer Tagung des Verbandesder Jugendmusikschulen im Düsseldorfer Robert-Schumann-Saal.Es sollte das letzte auswärtige Auftreten von LeoNiessen sein.

Am 1. April 1963 übergab er alsFünfundsechzigjähriger schwerenHerzens die Leitung der Schule anseinen bestallten NachfolgerWalter Müllenberg.

850 Schülerinnen und Schüler wurden zu diesemZeitpunkt in der Hauptstelle Saarstraße und 8 Zweig-stellen von zwei hauptamtlichen und 21 nebenamt-lichen Lehrkräften unterrichtet. Eine Aera ging zuEnde.

Walter Müllenberg kam aus Lindau am Bodensee, woer eine Singschule geleitet hatte, war also ein erfahre-ner Mann, aber weniger traditionsbelastet als seinVorgänger. Er erkannte die Zeichen der Zeit: DasSingen als Schwerpunkt der Schularbeit mit den Im-plikationen humaner und therapeutischer Zielsetzun-gen, wie sie aus der Jugendbewegung hervorgegangenwaren, dieses Ideal eines Leo Niessen war auf dieDauer nicht mehr tragfähig.

Müllenberg, von Hause aus Geiger,verlagerte den Schwerpunkt seinerArbeit auf das Instrumentale.

Instrumentalunterricht hatte es auch bereits zuNiessens Zeiten gegeben, aber nunmehr rückte dieArbeit mit Orchestern und Ensembles in den Vorder-grund. Der Wechsel ging nicht ohne Probleme vonstat-ten. Leo Niessen, nunmehr Pensionär, hat unter demWechsel, den er von seinem Standpunkt aus für ver-derblich hielt, gelitten. Er war jedoch zu vornehm undinteger, um sich jemals in der Öffentlichkeit in dieDiskussionen, die auch im Stab der haupt- und neben-amtlichen Mitarbeiter aufbrachen, einzumischen.

Musikschule - gestern und heute

Junggesang nach demKriege: Scharen von Kindernin der Aula der RWTH 1953

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Aber Müllenbergs „neue Linie“ traf zweifellos denNerv der Zeit. In relativ kurzer Zeit formierte er dreiOrchester, die sich den Altersstufen der Musikantenentsprechend auf sehr beachtlichem Spielniveau be-wegten. Darüber wurde das Singen nicht vergessen,wie ein Bach-Abend in der Kirche St. Adalbert imDezember 1967 zeigte. Eine Bach-Kantate und dasMagnificat gelangten zur Aufführung. Der „Jung-gesang“ wurde fortan in „Jahressingen“ umbenannt;allerdings zeigte sich, dass das Interesse der Schüle-rinnen und Schüler sich mehr und mehr demInstrumentalen zuwandte. Dennoch suchte Müllenbergdas vokale Fundament zu bewahren.

In Kinderkursen wurden rund 200Drei- bis Siebenjährige auf dieAufnahme in die Singklassen vor-bereitet. Auch instrumentale Ein-zelleistungen förderte Müllenberg.In so genannten „Studio-Konzer-ten“ präsentierten sich begabteGeiger und Pianisten.

So gelangten im Februar 1967 Stücke für Violine undKlavier des Aachener Komponisten Wolfgang Meyer-Tormin zur Aufführung. 1970 kam es zu einem Austausch mit der Jugendmusik-schule Maastricht.

Mit all diesen Aspekten kam ein Faktor ins Spiel, derbei Niessen wenn überhaupt, so doch nur eine gänz-lich untergeordnete Rolle gespielt hatte: das Leis-tungsprinzip. Und hier schieden sich bald die Geister.

Ohne den Drang nach künstleri-scher Leistung, die sich auch nachaußen kundtut, ist eine Musik-schule nach der VorstellungMüllenbergs nicht denkbar. Hier muss es jedoch Aufgabe desPädagogen sein, die Grenzen desjeweiligen Vermögens sorgsamabzustecken, die Vortragendennicht zu überfordern.

Leo Niessen hält eine kleineAnsprache an das Publikumbeim Auftritt des gemisch-ten Chores 1955

Der gemischte Chor 1955 inder zerstörten Rotunde desMüttergenesungswerkes

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Hier offenbarte sich eine „schwache Seite“ des an-sonsten so zielstrebigen, seine „neue Linie“ konse-quent verfolgenden Schulleiters. Seine „Studio-Abende“ gerieten mehr und mehr ins Feuer der Fach-kritik.

Die Musikkritiker der - damals drei - AachenerZeitungen hatten die Arbeit der StädtischenVolkssingschule stets mit größter Sympathie undZustimmung begleitet. Selbst wenn Leo Niessen ineiner Kammermusik Bachs Motette „Lobet den Herrn,alle Heiden“ neben belanglose Sätze von Walter Reinoder Lahusen setzte, nahm man das schmunzelnd hin.Nun aber mehrten sich die Stimmen, die MüllenbergÜberforderung der Schüler vorwarfen. So ließ er imJuni 1969 im Saal des Neuen Kurhauses, der zu dieserZeit als Konzertsaal diente, zwei der großen WienerKlavierkonzerte von Mozart spielen, vor denen selbstgestandene Meister des Klaviers hohen Respekthaben. Die Schüler waren gehalten, ohneNotenvorlage zu spielen. Das musste gründlich dane-bengehen, in einem Fall kam es gar zum peinlichenAbbruch. Die Kritik reagierte entsprechend undbezeichnete eine solche Situation für die jungenSolisten als unnötig belastend. Walter Müllenberg, der ein sehr geradliniger Charakterund alles andere als ein geschickter Diplomat war,steigerte sich im Laufe der Jahre in eine „Kritik derKritik“ hinein, der er recht freien Lauf lies. Der Disputeskalierte in einer Pressekonferenz, zu der Kultur-dezernent Dr. Fries am 5. November 1970 eingeladenhatte. Er beabsichtigte, der Presse „Entwicklung undTätigkeit der Volkssingschule“ darzulegen und konntemit erfreulichen Fakten aufwarten. Die Schule unter-richtete 700 kleine Sänger, 380 Instrumentalisten undrund 500 Blockflötenspieler. Als Forum boten sich dreiSpielkreise für Blockflöte, einer für Gitarre, ein Ge-mischter Chor und drei Orchester an. Ferner wurdeUnterricht in Klavier, Violine, Bratsche, Cello, Quer-flöte, Fagott, Oboe sowie Gitarre erteilt. AngehendeKlarinettisten sowie Interessenten für Blechblas-instrumente wurden an Aachener Musiklehrer weiter-empfohlen.

Die Volkssingschule wurde 1970 im Haushaltsplan derStadt Aachen mit rund 253.000 Mark veranschlagt.Auf der Einnahmeseite waren 127.100 Mark angesetzt.Die Stadt trug also 50% der Finanzierung. Ein Beweisdafür, wie fest die Städtische Volkssingschule in

Aachens Kulturleben verankert war und darüber hinausein Beweis für die erfolgreiche Arbeit ihres Leiters, derallen Grund gehabt hätte, erfreut zu sein. Stattdessennutzte er zum Entsetzen des Kulturdezernenten dieGelegenheit zu einem Rundumschlag gegen dieAachener Musikkritik und verwahrte sich dagegen,dass seine musikpädagogische Arbeit in einem Teil derAachener Presse zerrissen würde.

Der Eklat war da und die Antwort der Presse ließ inForm eines scharfen Artikels in den Aachener Nach-richten nicht auf sich warten. Zwar glätteten sich dieWogen wieder, aber das traditionell freundliche Ver-hältnis zwischen Presse und Schulleitung sollte sich biszu Müllenbergs Pensionierung 1975 nicht wieder ganzherstellen.

Als Müllenberg in seine Heimat amBodensee zurückkehrte, konnte ereine stolze Bilanz ziehen.

Es unterrichteten 5 hauptamtliche und 50 nebenamtli-che Lehrkräfte in der Hauptstelle Saarstraße und in 8Nebenstellen. Die Zahl der erteilten Wochenstundenhatte sich während seiner Leitung verdoppelt undbetrug nunmehr 500.

Das neue Domizil derStädtischen Volkssingschuleab 1955: Die neugebauteGrundschule Saarstraße, diebis 1983 als Hauptstelle fungierte

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Auftritt des GemischtenChores beim Junggesang inder Aula der RWTH

linkes Bild:

Walter Müllenberg, LeoNiessens Nachfolger von1965 bis 1975

rechtes Bild:

Walter Müllenberg, einerfahrener Instrumental-pädagoge und blendenderOrchestererzieher, bei einerProbe

Leo Niessen zur Zeit seinerPensionierung 1965

Es ist Walter Müllenbergs bleiben-des Verdienst, die Zeichen der Zeiterkannt und die „Volkssingschule“zu einer umfassenden Musikschuleumgewandelt zu haben.

Wenn er seinem Temperament entsprechend nichtimmer „diplomatisch“ vorgegangen ist, seine ehrgeizi-gen Ziele gelegentlich zu hoch ansetzte, was zuKonflikten führte, so ist die Situation zu berücksichti-gen. Ein Teil seiner Lehrkräfte stand immer noch imBann der Ideale seines charismatischen Vorgängers. Noch Müllenbergs zweiter Nachfolger, Dr. RudolfNeumann, hatte in den ersten Jahren seiner Leitungmehr oder weniger unterschwellig mit dieser „Erblast“zu kämpfen. An Müllenbergs orchestererzieherischen Fähigkeitenund an seiner Weitsicht sind keine Zweifel erlaubt.Obwohl er mit leisem Groll von Aachen schied, kam ernach Leo Niessens Tod noch einmal zurück, um seinemVorgänger die letzte Ehre zu erweisen. Das ehrte auchihn.

In der Geschichte der Musikschule der Stadt Aachenbildet die Wirkenszeit von Müllenbergs NachfolgerHelmut Heuler – 1976 bis 1978 – nur eine Episode.Heuler setzte die Ensemblearbeit seines Vorgängersfort und erwarb sich Verdienste um die Ausweitungauf den Bereich der Blechblasinstrumente.Dass trotz der stärkeren Hinwendung zum Instrumen-talen das Singen keineswegs nur eine untergeordneteRolle spielte, beweist der Erfolg des gemischtenChores der Musikschule 1976 beim Chorfestival inNeerpelt/Belgien.

Unter der fachkundigen Leitungdes jungen Musikstudienrats Fritzter Wey errangen die Aachenereinen 1. Preis.

Ter Wey, der als Gründer und Leiter seines „JungenChores“ über Aachen hinaus sich einen ausgezeichne-ten Ruf als Chorerzieher erworben hatte, war auchweiterhin für die Arbeit mit dem Gemischten Chorzuständig. Ende 1980 präsentierte sich dieser miteinem Chorkonzert in der Nikolauskirche.

Zu dieser Zeit hatte bereits Dr.Rudolf Neumann die Leitung derMusikschule übernommen.

Der neue Leiter, der am 1. April 1979 sein Amt antrat,kam aus der DDR und hatte dort seine schlimmen wieguten Erfahrungen gemacht. Die schlimmen: Er undseine junge Frau, eine tüchtige Geigerin, verbrachtennach misslungener Republikflucht viele Monate inGefängnishaft. Die guten: Dr. Neumann hatte alskünstlerischer Leiter der Spezialschule für Musik inLeipzig Gelegenheit, die entsprechenden Institute inMoskau, Leningrad und Kiew zu besuchen und dort diebekanntlich auf hohem Niveau stehende Musikpä-dagogik der einstigen Sowjetunion zu studieren.

Obgleich von Hause aus Pianist, brachte er also alsSchulleiter einen reichen Erfahrungsschatz mit. Soerhielt die Städtische Musikschule erstmals eineSchulordnung.

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Dr. Rudolf Neumann, Leiterder Musikschule von 1979bis 1995

Foto: Wolfgang Plitzner

Entscheidend für die weitereEntwicklung war der Umzug derHauptstelle in das Gebäude derehemaligen Baugewerkschule amBlücherplatz 1983.

Die Stadt stellte ihrer Musikschule hier großzügigeUnterrichts- und Büroräume zur Verfügung. Wichtig istvor allem der Kammermusiksaal mit Empore, für deneigens ein neuer Steinway-Flügel angeschafft werdenkonnte. So erlangte die Schule erstmalig die Möglich-keit einer sinnvollen Zentralisierung, wenn auchweiterhin die Außenstellen aus praktischen Gründenbeibehalten wurden und werden. Das großzügigeProjekt sollte bereits 1981 verwirklicht werden, aberein Dachstuhlbrand verursachte die Verzögerung.Die von Walter Müllenberg eingeschlagene Richtunghielt auch Dr. Neumann ein. Aus den „Singklassen“wurde der Fachbereich „Allgemeine Musikerziehung“mit der Musikalischen Früherziehung mit Erweiterungs-kurs und der Musikalischen Grundausbildung.

Ohne sich des persönlichkeitsbildenden und musiker-zieherischen Mediums des Singens zu begeben, wurdemehr als die Häfte der Schülerinnen und Schüler in die-sen Kursen nach den Lehrplänen des Verbandes deut-scher Musikschulen, in dem auch die Aachener Musik-schule nunmehr Mitglied war, auf den Grundlagen derIntentionen von Kodály und Orff unterrichtet. Die iminstrumentalen Unterricht erworbenen Kenntnisse undFertigkeiten finden im Gruppenmusizieren –Spielkreise, Musiziergruppen, mehrere Orchester – ihreVerwirklichung.

Schon 1980 war Aachen Tagungsort des DeutschenMusikschulkongresses gewesen. Das wiederholte sich1989. Dr. Neumann knüpfte zu Beginn der neunzigerJahre Verbindungen zu Musikschulen in Tartu (Estland)und Leningrad. Chor und Orchester konzertierten dort,und umgekehrt kamen die Musikanten von dort nachAachen. 1990 musizierte das Orchester der Musik-schule in der Aula des schönen klassizistischenUniversitätsgebäudes in Tartu, dem ehemaligenDorpat, sowie im Festsaal des historischen Jussupow-Palais in Leningrad. Ein Austausch, der damals um sobedeutender war, als sich in jenen Jahren der politi-sche Umbruch im Osten zu vollziehen begann.

Neu war auch die Gründung einer Bigband, einer Ein-richtung, die wohl am radikalsten die Wandlung vonLeo Niessens einstiger Volkssingschule deutlich mach-te. Erstmals wurden Kontakte zum „Grenzland-InstitutAachen“ der Staatlichen Musikhochschule Rheinlandgeknüpft. Bis 2003, also lange nach seiner Pensionierung alsSchulleiter, bekleidete Dr. Neumann dort eine Dozenturfür Klavierdidaktik. Zahlreiche Hochschulstudenten leisten ihr Praktikum auch heute bei Lehrkräften derMusikschule.In den Konzerten der Musikschule spielt die Musik derGegenwart eine bedeutende Rolle. Experimente wur-den nicht gescheut. So kam es 1983 zur Aufführungdes Musicals „Pontovona“ des Kölner KomponistenMichael Braunfels in Aachen und in der Kölner Musik-hochschule unter Mitwirkung des Kinder- und Jugend-chores sowie des Orchesters der Aachener Musik-schule.

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linkes Bild:

80. Geburtstag von Schul-gründer Leo Niessen 1979:Der neugekürte Leiter Dr.Rudolf Neumann gratuliertmit einer Abordnung vonKindern der Musikschule imHause des Jubilars

Foto: Sepp Linckens

rechtes Bild:

Schulleiter Dr. RudolfNeumann mit seinemFreund und Kollegen ausLeipziger Tagen ProfessorKlaus Hertel anlässlich einesViolinseminars an derStädtischen Musikschule1989

Foto: Wolfgang Plitzner

Beachtliche Erfolge erringen jedes Jahr Instrumental-schüler der Musikschule beim Wettbewerb „Jugendmusiziert“.

Am 30. Juni 1995 trat Dr. Rudolf Neumann altersbe-dingt in den Ruhestand – nach 16jährigem Wirken. DieMusikschule unterrichtete zu dieser Zeit 1.800 Schüle-rinnen und Schüler in 900 Wochenstunden. Insgesamt 69 Lehrkräfte gewährleisteten das hoheAusbildungsniveau. Die Unterrichtsstunden fanden inder Hauptstelle mit ihren 25 musikschuleigenen Unter-richtsräumen und den 20 über das gesamte Stadtge-biet verteilten Zweigstellen statt.

Dr. Neumann gab dem Institut denendgültigen Charakter einer dieganze Bandbreite musikalischerPädagogik umfassenden Musik-schule nach den Richtlinien desVerbandes deutscher Musik-schulen.

Mit Thomas Beaujean, der 1995 dieLeitung der Musikschule über-nahm, trat erstmals seit LeoNiessen wieder ein Aachener andie Spitze des Instituts.

Der neue Leiter ist in der Musikszene Aachens fest eta-bliert und war bereits seit Jahren mit der Musikschulevertraut, leitete er doch während der Wirkensjahre vonDr. Neumann das Orchester der Schule. Ein abge-schlossenes Studium der Schulmusik und der Chor- undOrchesterleitung, die jahrzehntelange Leitung eineshochgeschätzten Chores, mehrere Jahre Dirigierpraxisals Leiter des Orchesters der Musikhochschule undeines professionellen Kammerorchesters: all dieswaren gute Voraussetzungen für sein neues Amt, daser nun zwölf Jahre innehat.

Erwähnung sollten in diesem Rückblick auch die stell-vertretenden Leiter der Musikschule der letztenJahrzehnte finden: Dietrich Bachmann (1964-1990),Bruno Bastin (1990-1995) und Walter Hennecken (seit1995).

Inzwischen ist die Schülerzahl auf2.300 angewachsen, die von 82Lehrkräften in weit über 1.000Jahreswochenstunden unterrichtetwerden.

Dem Zug der Zeit folgend sind heute neu im instru-mentalen Angebot: Akkordeon, Keyboard, aber auchein so exquisites Instrument wie die Harfe. Gesang inRichtung Klassik und Pop mit zwei verschiedenenLehrkäften steht hoch im Kurs. Neuerdings gibt es vierstetig anwachsende Kurse für die türkische Langhals-laute Baglama, die vom KULTURsekretariat NRW mitSitz in Wuppertal gefördert werden und unsere türki-schen Mitbürger in die Musikschule bringen sollen,soweit sie nicht längst schon dieser angehören.

Bild unten:

Dr. Neumann weist auf dasPlakat, mit dem das Aache-ner Musikschulorchester inVilnius (Litauen) angekün-digt wurde, 1990

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Page 10: Musikschule - gestern und heute - aachen.de · gestern und heute 14 ... Aachener Volksschulen – so hießen sie damals noch – nach singfreudigen Jungen und Mädchen zu fahnden,

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linkes Bild:

Oberbürgermeister KurtMalangré verleiht LeoNiessen 1982 dasVerdienstkreuz am Bande

rechtes Bild:

Orchester unter der Leitungvon Thomas Beaujean in derStaatlichen Universität Tartu(Estland), 1990

Bild unten:

Konzertankündigung desAachener Orchesters inTartu, 1990

Neue Unterrichtsformen, verschiedene Modelle desinstrumentalen Gruppenunterrichts wurden etabliert.All dies führte nicht zuletzt dazu, dass das Haupt-gebäude am Blücherplatz aus allen Nähten platzt. Eswerden dringend weitere Unterrichtsräume benötigt.Alle Lösungsversuche, die in diese Richtung zielen,sind bisher gescheitert. Ganz abgesehen davon, dassdie Einrichtung der Offenen Ganztagsschulen derMusikschule mehr und mehr ihre Unterrichtsräume inden Zweigstellen vor Ort nimmt. Auch hier wird nachAlternativlösungen gesucht.

Zusätzlich zu ihrem vertrauten „Kernbereich“ stehendie Musikschulen in Deutschland heute einer Vielzahlvon neuen Aufgaben gegenüber, die eine echteHerausforderung darstellen und deren Bewältigung mitden vorhandenen finanziellen und personellenRessourcen kaum zu bewältigen sein wird. Dass dieOffene Ganztagsschule für die Musikschulen eine ganzspezielle Problematik darstellt, wird jedem klar sein,der sich Gedanken darüber macht, wann dieSchülerinnen und Schüler ihren Unterricht noch wahr-nehmen können und wieviel Zeit ihnen zum Übenbleibt. Die Musikschulen, die sich immer wieder den gesell-schaftlichen Veränderungen anpassen mussten unddenen dies bisher, nicht zuletzt dank der weit voraus-schauenden Arbeit ihres Verbandes, in sehr flexiblerWeise gelungen ist, werden wohl auch diese neuenAufgaben meistern.

Welcher Wertschätzung sich die Musikschule der StadtAachen nach wie vor erfreut, ist allein schon an Zahlenabzulesen: Neben den 2.300 Schülern in festenUnterrichtsverhältnissen stehen noch 1.200 auf derWarteliste. Der Zulauf ist also ungebrochen.

Für die Musikschule ein Grundmehr, anlässlich des 75. Geburts-tages mit viel Zuversicht in dieZukunft zu schauen.

Sie wird auch in den zukünftigenJahren eine Säule der AachenerKulturszene bleiben.

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