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64 AUTOBILD.DE 22. JULI 2016 65 AUTOBILD.DE 22. JULI 2016 SERVICE | RECHT S EIT 2013 WAR KLAR: Führer- scheine müssen offiziell im 15-Jahres-Takt erneuert werden. Bis 2033 werden alle alten Lap- pen durch den EU-Führerschein ersetzt. Doch für rund 45 Millionen deutsche Autofahrer wird es wohl schneller gehen als geplant. Denn die Bundesländer wollen das Verfalls- datum vorziehen. AUTO BILD-Rechts- experte Uwe Lenhart erklärt, was es damit auf sich hat. Warum wollen die Bundesländer den Führerscheintausch beschleu- nigen? Da noch nicht klar ist, wie der Um- tausch organisiert wird und weil es um eine große Zahl von Dokumenten geht, wollen die Länder die Aktion über ei- nen längeren Zeitraum strecken. Da- mit wollen sie einen Ansturm im Jahr 2033 verhindern und so den Hersteller der Führerscheine sowie die Fahrer- laubnisbehörden entlasten. Warum müssen wir die Führer- scheine umtauschen? 1999 wurde der Scheckkartenführer- schein mit Buchstabensystem in Deutschland eingeführt, um das Füh- rerscheinrecht europaweit anzuglei- chen. Die zweite Reform samt regel- mäßiger Erneuerungspflicht von 2013 soll Missbrauch und Fälschungen ver- hindern. Die einmal erworbene Fahr- erlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B, BE, L oder T gilt unbefristet weiter. Muss jeder Führerschein umge- tauscht werden? Ja. Alle ab dem 19. Januar 2013 ausge- stellten Führerscheine gelten nur für 15 Jahre. Und müssen zum Stichtag, der auf dem Führerschein eingetragen ist, umgetauscht werden. Führerscheine, die vorher ausgestellt wurden, also auch der graue Lappen, das rosafarbene Faltdokument sowie alle DDR- oder NVA-Führerscheine gelten weiter bis zum 19. Januar 2033. Sie müssen erst bis zu diesem Stichtag ersetzt werden. Wo steht das Verfallsdatum auf dem EU-Führerschein? Das Datum der Ausstellung bezie- Bisher sollten alte Führerscheine noch bis 2033 gültig sein. Nun droht den Lappen schon früher das Aus hungsweise des Umtauschs wird in das Feld 4a eingetragen. Die Befristung steht in Feld 4b des Führerscheins. Was passiert, wenn ich nicht um- tausche? Die Befristung der Dokumente hat kei- ne Auswirkung auf die Fahrerlaubnis, die der Führerschein-Inhaber vor Jah- ren erworben hat. Zum Stichtag wird nur das Dokument ungültig, mit dem er die Fahrerlaubnis nachweisen kann. Der Gültigkeitszeitraum ist im Zen- tralen Fahrerlaubnisregister gespei- chert und kann jederzeit abgerufen werden. Wer den Führerschein nicht neu ausstellen lässt, fährt also nicht ohne Fahrerlaubnis, sondern nur oh- ne Dokument. Das heißt, man verstößt zwar gegen das Gesetz (§ 25 Absatz 3a FeV), muss aber kein Bußgeld zahlen. Zehn Euro Verwarngeld werden erst dann fällig, wenn man den gültigen Führerschein bei einer Kontrolle nicht vorzeigen kann. Was muss ich beim Führerschein- tausch beachten? Auch Kanzlerin Merkel muss den Führerschein bis 2033 umtauschen Rosa Führerschein Wurde von 1986 bis 1998 aus- gehändigt. Gültige Klassen sind gestempelt. Umtausch bis 19. 1. 2033 DDR-Führerschein wurde 1982 von Ziffern- auf Buchstabenkennung umgestellt und bis zur Wende ausgestellt. Umtausch bis zum 19. 1. 2033 EU-Führerschein trat am 1. 1. 1999 in Kraft. Umtausch bis 19. 1. 2033. Gültigkeitsdauer ab 19. 1. 2013: jeweils 15 Jahre Grauer Führerschein Wurde in verschiedenen Versionen bis 1986 ausgegeben. Vorläufer des rosa Führerscheins. Umtausch bis 19. 1. 2033 Neue Führerscheinregeln Muss ich umtauschen? Bei Umtausch oder Verlängerung des Führerscheins (§ 25 Absatz 2 Satz 1 FeV) muss ein neuer Führerschein an- gefertigt werden, da der EU-Führer- schein nur die neuen Klassen aufweist. Dabei müssen Sie darauf achten, dass Ihre alten Rechte mit übertragen wer- den. Tipp: Kontrollieren Sie bei Über- nahme des neuen Führerscheins, ob alle Ihnen erteilten Führerscheinklas- sen eingetragen sind. Kann man vergessene Klassen nachtragen lassen? Ja. Das kann aber länger dauern, da diese Daten nur dann im Zentralen Fahrerlaubnisregister (ZFER) gespei- chert sind, wenn die Fahrerlaubnis nach dem 1. Januar 1999 neu erteilt, verlängert, erweitert, umgestellt oder ein Ersatzführerschein angefertigt wurde. Tragen die neuen Dokumente wie- der ein Verfallsdatum? Ja. Alle seit dem 19. Januar 2013 aus- gestellten Führerscheine werden ge- mäß § 24a Absatz 1 Satz 1 FeV auf 15 Jahre befristet, unabhängig davon, ob es sich um eine Neuerteilung, Ver- längerung, Erweiterung oder Um- stellung handelt. Muss man beim Tausch zum Arzt oder zur Prüfung? Nein. Befristung und Umtausch der Führerscheindokumente dient aus- schließlich der Fälschungssicherheit. Das neue Dokument wird ohne Prü- fung oder Arztbesuch ausgestellt. Gibt es nur bei uns befristet gültige Führerscheine? Nein, unsere europäischen Nachbarn sind oft noch viel strenger. In Spanien müssen Autofahrer bis 45 alle zehn Jahre zum Gesundheitscheck, danach alle fünf Jahre. Außerdem ist der Arzt- besuch für Fahrer ab 70 im Zwei-Jah- res-Abstand Pflicht. In Italien muss man einen Augen- und Reaktionstest bestehen – ab einem Alter von 65 alle zwei Jahre. Interview: Stefan Szych DIESE NEUEN KLASSEN GELTEN BEIM UMTAUSCH Klasse alt BRD Klasse alt DDR Klasse neu 1 1 oder A A 1a A2 1b A1 C B, BE, C1, C1E, C, M, L 2 5 oder CE C, CE 3 4 oder B und BE B, BE, C1, C1E 4 3 und 2 oder M AM 5 T L Es gibt einen Unter- schied zwischen der Befristung der Fahr- erlaubnisklassen (etwa für LKW) und der Befristung des Führerscheindoku- ments. Die Fahrerlaub- nisklasse sollte man rechtzeitig verlängern. Ist sie abgelaufen, darf man ein Fahrzeug dieser Klasse erst nach erneuter Fahr- prüfung und mit ent- sprechendem Führer- schein fahren. Sonst drohen eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis wegen Fahrens ohne Fahr- erlaubnis (§ 21 StVG). MEIN TIPP Rechtsexperte UWE LENHART AUTO BILD ERKLÄRT DEN EU-FÜHRERSCHEIN DIE HISTORIE DES FÜHRERSCHEINS Der EU-Führerschein wird seit 1999 als Scheckkarte aus- gegeben. Er enthält Namen, Geburtsort und -datum. In Zeile 4a 1 steht das Ausstellungs- datum, egal ob der Führerschein erstmals ausgestellt, ver- längert oder geändert wurde. Zeile 4b 2 zeigt bei Führer- scheinen ab 19. 1. 2013 das Ver- fallsdatum, bei älteren Doku- menten ist die Zeile leer. Auf der Rückseite sind die Führer- scheinklassen vermerkt. Spal- te 10 3 dokumentiert, wann der Inhaber sie erworben hat. Spalte 11 4 verrät, wann welche Fahrerlaubnis erlischt (hier CE). Spalte 12 5 ent- hält codierte Beschränkungen oder Bemerkungen wie „Pflicht, eine Brille zu tragen“ etc. Die erste in Deutschland ausgestellte Fahrerlaubnis erhielt 1888 Carl Benz, der Erfinder des Automobils. Der erste für ganz Deutschland gültige Führer- schein wurde am 3. Mai 1909 ausgestellt. Er galt in seiner Form bis zur Führer- scheinreform von 1999. Dann folgte der EU-Kartenführerschein mit der internationalen Buchstabenkennung für die Fahrerlaubnisklassen. Führerscheine aus Vorläufern der Bundesrepublik gelten heute noch, sofern ihre Besit- zer noch leben: etwa Deut- sches Reich (1917, re. unten) oder Saarland vor dem Beitritt zur BRD (bis 1957, re. oben) 1 2 3 4 5 FOTOS: R. TIMM (5), F. STANGE (2), HERSTELLER, DDP, PRIVAT

Muss ich umtauschen?...Bisher sollten alte F hrerscheine noch bis 2033 g ltig sein. Nun droht den Lappen schon fr her das Aus hungsweise des Umtauschs wird in das Feld 4a eingetragen

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Page 1: Muss ich umtauschen?...Bisher sollten alte F hrerscheine noch bis 2033 g ltig sein. Nun droht den Lappen schon fr her das Aus hungsweise des Umtauschs wird in das Feld 4a eingetragen

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SEIT 2013 WAR KLAR: Führer-scheine müssen offiziell im 15-Jahres-Takt erneuert werden. Bis 2033 werden alle alten Lap-

pen durch den EU-Führerschein ersetzt. Doch für rund 45 Millionen deutsche Autofahrer wird es wohl schneller gehen als geplant. Denn die Bundesländer wollen das Verfalls-datum vorziehen. AUTO BILD-Rechts-experte Uwe Lenhart erklärt, was es damit auf sich hat.

Warum wollen die Bundesländer den Führerscheintausch beschleu-nigen?Da noch nicht klar ist, wie der Um-tausch organisiert wird und weil es um eine große Zahl von Dokumenten geht, wollen die Länder die Aktion über ei-nen längeren Zeitraum strecken. Da-mit wollen sie einen Ansturm im Jahr 2033 verhindern und so den Hersteller der Führerscheine sowie die Fahrer-laubnisbehörden entlasten.

Warum müssen wir die Führer-scheine umtauschen?

1999 wurde der Scheckkartenführer-schein mit Buchstabensystem in Deutschland eingeführt, um das Füh-rerscheinrecht europaweit anzuglei-chen. Die zweite Reform samt regel-mäßiger Erneuerungspflicht von 2013 soll Missbrauch und Fälschungen ver-hindern. Die einmal erworbene Fahr-erlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B, BE, L oder T gilt unbefristet weiter.

Muss jeder Führerschein umge-tauscht werden? Ja. Alle ab dem 19. Januar 2013 ausge-stellten Führerscheine gelten nur für 15 Jahre. Und müssen zum Stichtag, der auf dem Führerschein eingetragen ist, umgetauscht werden. Führerscheine, die vorher ausgestellt wurden, also auch der graue Lappen, das rosafarbene Faltdokument sowie alle DDR- oder NVA-Führerscheine gelten weiter bis zum 19. Januar 2033. Sie müssen erst bis zu diesem Stichtag ersetzt werden.

Wo steht das Verfallsdatum auf dem EU-Führerschein? Das Datum der Ausstellung bezie-

Bisher sollten alte Führerscheine noch bis 2033 gültig sein. Nun droht den Lappen schon früher das Aus

hungsweise des Umtauschs wird in das Feld 4a eingetragen. Die Befristung steht in Feld 4b des Führerscheins.

Was passiert, wenn ich nicht um-tausche?Die Befristung der Dokumente hat kei-ne Auswirkung auf die Fahrerlaubnis, die der Führerschein-Inhaber vor Jah-ren erworben hat. Zum Stichtag wird nur das Dokument ungültig, mit dem er die Fahrerlaubnis nachweisen kann. Der Gültigkeitszeitraum ist im Zen-tralen Fahrerlaubnisregister gespei-chert und kann jederzeit abgerufen werden. Wer den Führerschein nicht neu ausstellen lässt, fährt also nicht ohne Fahrerlaubnis, sondern nur oh-ne Dokument. Das heißt, man verstößt zwar gegen das Gesetz (§ 25 Absatz 3a FeV), muss aber kein Bußgeld zahlen. Zehn Euro Verwarngeld werden erst dann fällig, wenn man den gültigen Führerschein bei einer Kontrolle nicht vorzeigen kann.

Was muss ich beim Führerschein-tausch beachten?

Auch Kanzlerin Merkel muss den Führerschein bis 2033 umtauschen

Rosa FührerscheinWurde von 1986 bis 1998 aus - gehändigt. Gültige Klassen sind

gestempelt. Umtausch bis 19. 1. 2033

DDR-Führerscheinwurde 1982 von Ziffern- auf Buchsta benkennung umgestellt und bis zur Wende ausgestellt. Umtausch bis zum 19. 1. 2033

EU-Führerschein trat am 1. 1. 1999 in Kraft. Umtausch bis 19. 1. 2033. Gültigkeitsdauer ab 19. 1. 2013: jeweils 15 Jahre

Grauer FührerscheinWurde in verschiedenen Versionen bis 1986 ausgegeben. Vorläufer des rosa Führerscheins. Umtausch bis 19. 1. 2033

Neue Führerscheinregeln

Muss ich umtauschen?Bei Umtausch oder Verlängerung des Führerscheins (§ 25 Absatz 2 Satz 1 FeV) muss ein neuer Führerschein an-gefertigt werden, da der EU-Führer-schein nur die neuen Klassen aufweist. Dabei müssen Sie darauf achten, dass Ihre alten Rechte mit übertragen wer-den. Tipp: Kontrollieren Sie bei Über-nahme des neuen Führerscheins, ob alle Ihnen erteilten Führerscheinklas-sen eingetragen sind.

Kann man vergessene Klassen nachtragen lassen?Ja. Das kann aber länger dauern, da diese Daten nur dann im Zentralen Fahrerlaubnisregister (ZFER) gespei-chert sind, wenn die Fahrerlaubnis nach dem 1. Januar 1999 neu erteilt, verlängert, erweitert, umgestellt oder ein Ersatzführerschein angefertigt wurde.

Tragen die neuen Dokumente wie-der ein Verfallsdatum? Ja. Alle seit dem 19. Januar 2013 aus-gestellten Führerscheine werden ge-mäß § 24a Absatz 1 Satz 1 FeV auf 15 Jahre befristet, unabhängig davon, ob es sich um eine Neuerteilung, Ver-längerung, Erweiterung oder Um-stellung handelt.

Muss man beim Tausch zum Arzt oder zur Prüfung? Nein. Befristung und Umtausch der Führerscheindokumente dient aus-schließlich der Fälschungssicherheit. Das neue Dokument wird ohne Prü-fung oder Arztbesuch ausgestellt.

Gibt es nur bei uns befristet gültige Führerscheine? Nein, unsere europäischen Nachbarn sind oft noch viel strenger. In Spanien müssen Autofahrer bis 45 alle zehn Jahre zum Gesundheitscheck, danach alle fünf Jahre. Außerdem ist der Arzt-besuch für Fahrer ab 70 im Zwei-Jah-res-Abstand Pflicht. In Italien muss man einen Augen- und Reaktionstest bestehen – ab einem Alter von 65 alle zwei Jahre. Interview: Stefan Szych

DIESE NEUEN KLASSEN GELTEN BEIM UMTAUSCH

Klasse alt BRD Klasse alt DDR Klasse neu1 1 oder A A

1a – A21b – A1– C B, BE, C1, C1E, C, M, L2 5 oder CE C, CE3 4 oder B und BE B, BE, C1, C1E4 3 und 2 oder M AM5 T L

Es gibt einen Unter-schied zwischen der Befristung der Fahr-

erlaubnisklassen (etwa für LKW) und der Befristung des Führerscheindoku-

ments. Die Fahrerlaub-nisklasse sollte man

rechtzeitig verlängern. Ist sie abgelaufen, darf

man ein Fahrzeug dieser Klasse erst

nach erneuter Fahr-prüfung und mit ent-

sprechendem Führer-schein fah ren. Sonst

drohen eine Geldstrafe oder bis zu einem Jahr

Gefängnis wegen Fahrens ohne Fahr-

erlaubnis (§ 21 StVG).

MEIN TIPP RechtsexperteUWE LENHART

AUTO BILD ERKLÄRT DEN EU-FÜHRERSCHEIN

DIE HISTORIE DES FÜHRERSCHEINS

Der EU-Führerschein wird seit 1999 als Scheckkarte aus-gegeben. Er enthält Namen, Geburtsort und -datum. In Zeile 4a 1 steht das Ausstellungs-datum, egal ob der Führerschein erstmals ausgestellt, ver-längert oder geändert wurde. Zeile 4b 2 zeigt bei Führer-scheinen ab 19. 1. 2013 das Ver-fallsdatum, bei älteren Doku-menten ist die Zeile leer. Auf der Rückseite sind die Führer-scheinklassen vermerkt. Spal-te 10 3 dokumentiert, wann der Inhaber sie erworben hat. Spalte 11 4 verrät, wann welche Fahrerlaubnis erlischt (hier CE). Spalte 12 5 ent- hält codierte Beschränkungen oder Bemerkungen wie „Pflicht, eine Brille zu tragen“ etc.

Die erste in Deutschland ausgestellte Fahrerlaubnis erhielt 1888 Carl Benz, der Erfinder des Automobils. Der erste für ganz Deutschland gültige Führer- schein wurde am 3. Mai 1909 ausgestellt. Er galt in seiner Form bis zur Führer-scheinreform von 1999. Dann folgte der EU-Kartenführerschein mit der internationalen Buchstabenkennung für die Fahrerlaubnisklassen.

Führerscheine aus Vorläufern der Bundesrepublik gelten heute noch, sofern ihre Besit-zer noch leben: etwa Deut-sches Reich (1917, re. unten) oder Saarland vor dem Beitritt zur BRD (bis 1957, re. oben)

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