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1 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Mystische Reise auf den Spuren der Inka
vom Machu Picchu bis zum Titicacasee
Jedes Land hat seinen eigenen Geruch. Peru riecht nach Eukalyptus. Einzelne Bäume, aber
auch ganze Wälder prägen mit ihren leuchtend blaugrünen Blättern die vorbeiziehende Landschaft.
Am späten Vormittag sind die letzten unserer Gruppe in Cusco gelandet, und nun fährt der Bus mit
einer angenehmen Geschwindigkeit - Augen und Gehirn können in Muße sehen, staunen und
verarbeiten - durch das Hochland von Peru. Bis zur Ankunft in Pisaq werden noch mehrere Stunden
vergehen. Es regnet leicht, in Peru ist Sommer und hat die Regenzeit begonnen, und mein Körper
muss sich noch an die Höhe (3.400 m) anpassen. Ich falle in einen leichten Schlaf.
Der Ruf der Anden
Obwohl ich schon häufig etwas über die Weisheit der Indigenen gehört und von dem
Zusammentreffen des Rats der Ältesten aller indigener Völker des Planeten, der aufgrund der
anstehenden Zeitenwende zusammengekommen sei, konnte ich diese Informationen nicht einordnen.
2010 kam ich in Kontakt mit Munay-Ki (ein aus 9 Schritten bestehender Ritus der Quechua). Ich
bekam eine Ahnung von der Präsenz und Weisheit der Linie der Medizinmänner und -frauen. Später
begegnete ich Alberto Villoldo, und dank seiner Anleitungen sowie Büchern weiterer Autoren festigte
sich mein Zugang zur indigenen Spiritualität. Sie war mir vertraut, doch auch noch fremd. Im Oktober
2010 - ich hatte zum Kontinent Südamerika keinen Bezug - hing ich aus irgendeinem Impuls heraus
das Foto eines Anden- gipfels über meinen
Schreibtisch, und ich erinnere mich noch
gut an meine spielerische Fragestellung: "Ob
sich das wohl irgendwann manifestiert?!" Im
Frühjahr/Sommer 2011 erwähnte Michelle
Karen1 in einem News- letter, dass sie zum
21.12.2012 eine Reise nach Peru plane. Am
1 Amerikanische Astrologin: www.michellekaren.com; "Michelle Karen" <[email protected]>
2 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
15.8.2011 [im Nachhinein errechnete Quersumme: 9, d.h. Vollendung] traf ich die Entscheidung,
daran teilzunehmen. Danach war innerhalb von zwei Wochen mein Terminkalender für den Rest des
Jahres und das Jahr 2012 mit Aufträgen voll: Flugticket und Reisekosten waren gesichert.
Was ist das für eine Gruppe, die sich zu dieser 12-tägigen mystischen Reise an die heiligen
Stätten der Inka zusammengefunden hat? Statistisch sind es 22 [numerologisch eine Meisterzahl]
Personen aus 9 Ländern2, 16 Frauen und 6 Männer zwischen 17 und 75 Jahren, später am Titicacasee
kommen noch zwei Mitreisende hinzu. Die wenigsten kannten sich vorher - d.h.: in diesem Leben…
Spirituell sind es ausnahmslos alte Seelen, die zum Pachakuti3 "zu Hause" sein möchten.
Verschiedene Botschaften/Channelings, die einige Gruppenmitglieder daheim oder auch unterwegs an
verschiedenen Orten erhielten, sagten unabhängig voneinander alle dasselbe: Diese Reise würde für
alle weitreichende Auswirkungen zeigen. Die Zusammensetzung der Gruppe sei kein Zufall, auch
nicht das Zusammentreffen an unserer ehemaligen gemeinsamen Wirkungsstätte. "Wenn ihr nach
diesem Abenteuer wieder alle bei euch zu Hause seid, werdet ihr eine sehr große Einweihung
abgeschlossen haben, die vor langer Zeit begann." (Botschaft aus einem Channeling)
12.12.2012
Unsere gemeinsame mystische Reise beginnt also am 12.12.12 mittags im Meditationsraum
des Hotels in Cusco, der großräumig, hell und zu einem
Innenhof mit üppigen blühenden Pflanzen geöffnet ist.
In unsere Meditation mischen sich einige Böller von
draußen. Die Reiseleitung stellt sich vor. Michelle Karen
hatte sich bereits am Vorabend im Hotel mit den schon
vorher Angereisten getroffen. Den Rest, der wie ich erst
im Verlauf des Vormittags ankam, hatte sie mit Jose,
unserem jungen Reiseführer für das Heilige Tal,
persönlich am Flughafen abgeholt. Zwischen beiden sitzt
in der farbenfrohen Landestracht gelassen, mit einem
wachen Blick, ein Q'ero und direkter Nachkomme der
Inka - Don Pasqual, ein Schamane4. Michelle Karen hat
zu seiner Familie eine persönliche Beziehung, und schnell nehmen wir es für selbstverständlich, was
es gar nicht ist, dass er und seine Frau Santuzza uns all die Tage begleiten und an wichtigen heiligen
Plätzen eine Zeremonie durchführen. Sein Alter lässt sich nicht schätzen. Er spricht gut verständlich
2 Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Kanada, Litauen, Luxemburg, Russland, USA
3 Pachakuti: "Zeitenwende/Zeit der Umkehr zur Essenz, zum inneren Licht". Nach Auffassung der Inka endet nun ein großer Zyklus der
Dunkelheit, und es beginnt ein neuer kosmischer Zyklus mit Lichtjahren. 4 Der Begriff 'Schamane' kommt aus dem Englischen. Die Inka-"Priester" heißen in den beiden heute noch gesprochenen Dialekten
'paq'o' (Quechua, gesprochen in der Gegend von Cusco) bzw. 'yatiri' (Aymara, gesprochen in der Region von Puno, vor dem Quechua
in der Vor-Inkazeit entstanden).
3 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Spanisch; schade, dass ich nur das notdürftige Touristen-Überlebens-Spanisch beherrsche. Ich hätte
gern so viele Fragen gestellt. Eine wurde beantwortet: Wie wird man Schamane? Die Tradition kennt
zwei Wege: Die klassische Form ist die Weitergabe des geheimen Wissens über Generationen in der
Familie. Don Pasqual wurde über den zweiten Weg geleitet. Ein Blitz traf ihn, er hat überlebt und
erhielt innerhalb von ungefähr zwei Jahren den geballten 'kosmischen Download' zum Paq'o.
Da sind wir also, angekommen am 12.12.12. Was
hat es mit diesem Datum auf sich? Astronomische Berechnungen
geben keinen Hinweis auf eine besondere Konstellation. Die
weltweite Ausrichtung auf dieses Datum als Höhepunkt des
Kalenderjahres 2012 war also 'Menschenwerk'. Was faszinierte
die Menschen so, dass sie sich weltweit verbanden, um dieses
Datum zu feiern? Natürlich ist da die Freude an 'schönen' Zahlen
[dreimal die Zwölf], verbunden mit dem erleichterten Gefühl, dass das Jahr im Monat Dezember nun
bald (mehr oder weniger gut) abgeschlossen ist. Die Numerologie kann uns Einsicht in tiefere
Schichten eines Ereignisses gewähren. Da ist zunächst die Zwölf, die im Universum gültige
Berechnungseinheit. Die Zwölf bedeutet Ganzheit, wenn sie erreicht ist, beginnt ein neuer Zyklus,
numerologisch dargestellt durch die Quersumme 3 [1+2]. Die Drei steht für einen Katalysator. - Wir
haben also ein von Menschen gemachtes Ereignis, das mit seiner Energie etwas auslösen, bewirken
wird. Diese Drei wird auch noch dreimal! wiederholt - in manchen Veranstaltungen sogar fünfmal [12
Uhr 12] - Die Fünf steht für Veränderungen… Die reine Quersumme des Datums ist 9 [3+3+3]. Die
Neun steht für Vollendung. - Das Jahr 2012 ist (fast) rund, und der Zeitzyklus nach dem Mayakalender
auch, doch dazu kommen wir später. Wenn wieder die Uhrzeit hinzugerechnet wird, ergibt sich, je
nach Ansatz entweder 5*12 = 60 [6+0] oder 5*3=15=6. Die Sechs ist eine heilige, eine göttliche Zahl.
Die spirituellen Gruppen auf dem gesamten Planeten haben also alle in derselben Energie
gefeiert - Abschluss, Freude über Erreichtes, Vorfreude auf bevorstehendes Neues, aber auch die
Ungewissheit vor dem unbekannten nächsten Schritt - und damit eine Welle erzeugt, deren Ausmaß
im Universum wir uns wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können.
Und auch wir verbanden uns energetisch mit dem erzeugten globalen Kraftfeld und stimmten
uns ein auf den Reiz der gemeinsamen 'mystischen Reise' - äußerlich in dieses fremde, vertraute Land
Peru, und innerlich in unser eigenes Sein. "Dies ist für euch alle ein Riesenschritt ins Quantum."
(gechannelte Botschaft) Entsprechend lautete die Agenda: "Wir schlagen vor, dass ihr es zulasst, wie
sich die Dinge in jedem Augenblick entfalten - alle Planungen und Tagesordnungen würden nur die
Spontaneität, wie sich die Dinge entfalten wollen, behindern." Wie schon gesagt, es war eine Gruppe
alter Seelen, alle konnten sich mit dieser Grundhaltung identifizieren, und ich habe noch nie eine
derart ausgeglichene, harmonische Gruppe erlebt. Alle waren pünktlich, niemand jammerte oder
4 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
kritisierte, Selbstdarstellung und Dramen waren offensichtlich in anderen Lebenszeiten hinreichend
ausgekostet worden, und nun brachten alle ihre gelassenen, heiteren und fürsorglichen Eigenschaften
ein. "Der Himmel bescherte mir die liebevollste, spirituellste und fröhlichste Gruppe. Wir lachten und
weinten, reflektierten tief über unser Leben, veränderten uns profund und kamen als andere Menschen
mit einem offeneren Herzen, einer größeren Bewusstheit darüber, wer wir sind, und einem größeren
Licht zurück, um es mit der Welt zu teilen." (Michelle Karen, 15.1.13)
Höhenkrankheit
Den meisten von uns war jedoch zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht nach höheren
Dimensionen zumute. Lima und sein Flughafen liegen auf Meeresniveau5. Michelle Karen hat allen
geraten, erstens in Lima einen achtstündigen Stopp einzulegen, und wirklich im Hotel zu schlafen, und
zweitens sofort auf dem Flughafen Sorojchi-Pills6 zu kaufen und mit der Einnahme zu beginnen. Ich
konnte den ersten Rat nicht befolgen7 und bin in Lima sofort umgestiegen auf den Inlandsflug nach
Cusco, um zwei Stunden später auf 3.400 m Höhe zu landen. Mir ging es nicht besser als Mario8:
"Die ersten Meter habe ich mich noch völlig normal gefühlt, doch dann wurde mein Gepäck
zentnerschwer, meine Arme und Beine waren weich wie Spaghetti, und mein Kopf wurde
benommen." Doch auch die vorher Angereisten mussten sich noch an die Höhe anpassen.
Vor dem ersten Mittagessen standen also die meisten zuerst einmal Schlange vor der
Sauerstoffflasche. In allen Hotels dieser Region stehen kostenlos Sauerstoff-Atemmasken bereit, und
die Wohltat einer 10-15-minütigen Extraportion Sauerstoff ist nicht zu beschreiben. An diesem Tag
begann meine Liebe zum heißen Mate de Coca-Tee. Auch das ist ein selbstverständlicher Service in
allen Hotels. Starker Coca-Tee hilft gegen die Höhenkrankheit und steht überall, ebenfalls kostenlos,
bereit. Es gibt ihn in Teebeuteln, aber am besten schmeckt er frisch aufgebrüht mit einer guten
Handvoll Cocablättern (pro Tasse).
Peruanische Küche
Das Mittagessen war die erste Überraschung: Wie auch an den folgenden Tagen hatten wir
eine lange Tafel für uns. Die Fülle der frischen und appetitlichen Gerichte war unbeschreiblich. Es gab
mindestens: (1) köstliche Suppen: Hühnersuppe, Gemüsesuppe mit/ohne Quinoa; sie wurde unser
Favorit, und wir haben sie fast immer vorbestellt. (2) frische Salate mit aromatischen, geschälten
5 Peru wurde früher in drei Regionen eingeteilt: im Westen die trockene Wüste am Pazifischen Ozean, im Osten der Dschungel am
Amazonas - Machu Picchu liegt am Eingang des Dschungels - und in der Mitte die Anden mit der weiten Hochebene. Die offiziellen Führer sprechen heute von acht geografischen Regionen.
6 Diese Tabletten (Acetylsalicylsäure/Salophen/Koffein) gibt es erst seit einigen Jahren auf dem Markt. Nach Aussagen vieler vor Ort
haben sie die Auswirkungen der Höhenkrankheit sehr gemindert. 7 Hätte ich Michelle Karens Rat befolgt und meinen Flug für den 10.12. gebucht, dann wäre ich voll in den Streik der Flughafen-
angestellten geraten und hätte wahrscheinlich sämtliche Anschlussflüge versäumt. Es war wirklich eine 'mystische' Reise… 8 Aus Datenschutzgründen habe ich alle Namen der Teilnehmenden geändert.
5 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Tomaten, köstlichen Schlangengurken, drei/vier verschiedenen Blattsalaten, frischen Möhren, frischen
Erbsen, gekochten frischen Strauchbohnen, peruanischem weißen Mais, Paprika, Melonen, dazu
immer in einer extra Schüssel frische Avocados. (3) warme Gemüse: Erbsen, grüne Bohnen, dicke
(Sau-) Bohnen, Maiskolben, Broccoli, grüner Spargel, Blumenkohl, Paprika, Süßkartoffeln. (4)
Beilagen: Spaghetti mit Pilzen, Risotto, drei/vier Kartoffelgerichte9. (4)
Fisch (gebratene Forellen) und Fleisch (Hühnchen). (5) Dessert: Eis,
Pudding, Obst. Wohlgemerkt: Ich spreche hier von der Auswahl einer
einzigen Mahlzeit (entweder in Schüsseln auf dem Tisch oder als Buffet),
und das erhielten wir in fast allen Hotels. Diese Fülle an frischem Obst
und Gemüse gab es auch auf den Märkten zu kaufen. Auf die größte
Spezialität der peruanischen Küche haben wir allerdings verzichtet und ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass wir im Zweifel alle Vegetarier sind. Das Lieblingsessen und die größte Spezialität
der Peruaner sind - Meerschweinchen. Wie bei uns Hummer oder Karpfen kann man sie auch in
besonders edlen Lokalen selbst vor der Zubereitung auswählen.
Übrigens war das Frühstück ähnlich großzügig (warme Speisen: Spiegel-/Rühr-/gekochte Eier,
Würstchen, Schinken, mehrere Kartoffelgerichte, dazu Brot, Obst, Joghurt, alles in mehreren Sorten,
sowie Gebäck, köstliche Marmeladen, Honig, Aufschnitt, gut schmeckenden peruanischen Käse (2
Sorten), Cornflakes, Puff-Mais und -Amaranth usw.). "Die Andenbewohner essen gerne gut." sagt
Jorge Luis Delgado, der Inhaber der uns betreuenden Reiseagentur und Autor eines sehr
kenntnisreichen spirituellen Reiseführers10
. Dass die anstrengende und auch kräftezehrende Tour so
gut bewältigt wurde, lag bestimmt auch an der gesunden Ernährung.11
Der Tempel von Pisaq
Unser Gepäck vom Flughafen hatten wir im Bus gelassen, und inzwischen war auch das
Gepäck der am Vortag Angereisten im Bus verstaut. Gleich nach dem Mittagessen - einige ergriffen
noch schnell die Gelegenheit zu einer weiteren Dosis Sauerstoff - und den ersten Tassen Mate de
Coca-Tee fuhren wir mit dem Bus in unser nächstes Hotel nach Pisaq. Ich war müde, hatte
Kopfschmerzen, und als es anfing zu regnen, schlief ich ein.
Irgendwo unterwegs hielt der Bus an, und auf einer Lama-Farm (mit angeschlossenem großem
Verkaufsraum) erfahren wir, dass 'Lamas' zur Gattung der Kamele gehören und die vier in
Südamerika/Peru auftretenden Arten auch die Namensgeber für die aus ihrer Wolle hergestellten
Textilien sind. Alpaka ist wohl die bekannteste Qualität, noch feiner und edler sind Gewebe vom
9 Unterwegs fuhren wir durch eine Region, die bekannt ist für ihre 270 Kartoffelsorten.
10 Jorge Luis Delgado. Andean Awakening. An Inca Guide to Mystical Peru. 2006.
11 Ich kann gar nicht beschreiben, wie enttäuscht ich auf dem Rückflug über das einfache kontinentale Frühstück im 4-Sterne-Hotel in
Lima war.
6 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Vikunja. Die Bevölkerung findet auf den Märkten auch noch ein reichhaltiges Angebot an Ponchos aus
Schafswolle.
Wie überall auf der Welt liegen auch in Peru die meisten Städte im Tal - relativ gesehen.
Pisaq hat nur noch eine Höhe von 2970 m, und es war immer wieder spannend, wie sich der Bus von
der Hochebene in Serpentinen hinunterarbeitete und eine Stadt mit einer jeden Biegung näher kam.
Wir erreichten Pisaq erst gegen 18 Uhr, die Marktstände waren schon abgebaut, doch der Eigentümer
des Inti Wayra12
Shaman's Store hatte auf uns gewartet und noch geöffnet. Es gab dort alles, womit
sich ein Indigener mit Mutter Erde (Pachamama),
Vater Sonne (Inti/Tayta Inti) und den drei Welten
verbinden kann oder möchte: Steine, Adler-/
Kondorfedern, Flöten, Trommeln, Rasseln - und das
in einer solchen Fülle, dass es mit einem Besuch
überhaupt nicht zu erfassen ist. Dort erfuhr ich
zum ersten Mal von 'lemurischen Kristallen':
Bergkristalle in allen Formen und Größen, die an
einer Seite ein typisches Wellenmuster haben, vergleichbar einem Barcode. Der Überlieferung nach
soll das in ihnen gespeicherte Wissen abgerufen werden können, wenn man darüber meditiert.
Die drei Welten der Inka-Vorfahren begegneten uns ständig: Uku Pacha ist die Unterwelt, ihr
Symbol ist die Schlange, die für Klugheit, Geschmeidigkeit und Flexibilität steht. Eine Schlange ist
immer jung, und wie sie sollen auch wir regelmäßig unsere alte Haut abstreifen, wenn sie uns zu eng
wird, erst recht, wenn sie aus Angst, Schmerz, Kummer und Scham besteht. Kay Pacha ist unsere
reale Welt. Sie wird verkörpert durch den Puma, den Krieger und Herrscher über Leben und Tod. Er
ist immer wachsam, dabei völlig entspannt und doch stets sprungbereit. Ein Puma ist immer allein
unterwegs. Die Einheimischen sagen: "Einen Puma sieht man nicht. Doch man sieht immer, wo er
gewesen ist."13
Dies sind die Eigenschaften eines spirituellen Menschen in der Welt. Hanan Pacha ist
die obere Welt, die Welt des Lichts, des Göttlichen. Dieser Welt entstammen die großen Meister und
Lehrer der Legenden der Menschheit. In ihr sind die Apukunas (die Geister/Hüter der Berge)
beheimatet. Ihr Symbol ist der Kondor, der Bote des Kosmos, der die Wirklichkeit der Lichtwesen mit
unserer Wirklichkeit verbindet. Urteilsfrei erkennt er die Vollkommenheit der Schöpfung, egal ob er
sein Auge in die weiteste Ferne oder auf das kleinste Naheliegende richtet.
Die Unterkunft erfolgt in einer wunderschönen Hotelanlage. Ich gehe früh schlafen. Am
anderen Morgen steht die 'erste, kleine Tour' auf dem Plan.
12
Inti (Sonne; auch Name des Sonnengottes der Inka), Wayra (Wind) 13
Andean Awakening. S. 58.
7 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Erste Zeremonie
Unsere Reiseleiter sagen uns, dass die erste Tour heute nur zwei/drei Stunden dauert und
leicht ist. Wir fahren eine lange Strecke mit dem Bus, dann erprobe ich meine neue und überhaupt
meine erste Trekking-Ausrüstung.14
Der Rucksack lässt sich leicht tragen und handhaben. Die Schuhe
sind, obwohl neu, gut eingelaufen, und ich werde weder darin müde, noch habe ich Blasen bekommen.
Die Allzweckjacke ist angenehm zu tragen und wind- und regenfest. Das Innenfutter habe ich zum
Glück zu Hause gelassen. Das Regencape ist wirklich wasserdicht und wird oft gebraucht. Als Oliver,
einer der ganz 'jungen Hüpfer', einmal über meine Stöcke spottet, verrate ich ihm, dass ich jeden
Abend vor dem Einschlafen dem Erfinder der Stöcke für seine geniale Erfindung danke, die mir
manchen Auf- und Abstieg erleichtert. Oliver habe ich dafür beneidet, dass er die ganze Tour mit
Vibram Five Fingers (also wie barfuß mit festen Sohlen) lief.
Wir gehen eine Strecke leicht aufwärts, der
Kopf ist zwar freier als gestern, aber das Gehen
fällt ein wenig schwer. In dem weitläufigen
Gelände sind noch weitere Gruppen unterwegs, auf
einem kleinen Plateau (hier gibt es sogar Toiletten)
trennen wir uns. Die anderen Gruppen besteigen
einen ca. 80 m hohen Berg, wir folgen zur anderen
Seite einem kleinen Flusstal nur noch leicht
bergauf. Ich bin erleichtert. Hier sah ich als erstes
einen Kolibri. Im Vorbeigehen hörte ich die Erklärungen der anderen
Reiseleiter und stellte für mich fest, dass mich die offizielle Version
der Geschichte Perus und der Inka überhaupt nicht interessiert, und ich
bin froh, dass wir in dem geschützten Flusstal bleiben. Diesem kleinen
Bach werden wir in einigen Tagen in Aguas Calientes wieder
begegnen, wenn er als reißender Fluss Urubamba sich unterhalb des
Machu Picchu seinen Weg zum Amazonas sucht.
Auf einer kleinen ebenen Fläche richtet Don Pasqual mit Santuzza vor einem schützenden
Felsen seine erste Zeremonie aus. In der andinen Welt war die Mutter Natur seit jeher heilig. Sie barg
das Leben und stand für die Präsenz des Schöpfers der Welt. Mensch - Gott und Kosmos bilden eine
Einheit. Um diese Einheit aufrecht und im Gleichgewicht zu erhalten, führen die Indigenen gewisse
Rituale und Zeremonien regelmäßig aus. Jose, unser Reiseführer, erklärt uns, dass wir uns am Eingang
14
Zum Glück war ich so ungeduldig, dass ich bereits im Sommer einige freie Tage dazu benutzte, die Basisausrüstung einzukaufen: In
Peru war Sommer, in unseren Outdoorgeschäften hätte ich im November aber nur warme Winterkleidung gefunden. In Cusco findet sich übrigens ein komplettes Warenangebot zur Ausstattung für Trekkingtouren.
8 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
zum Heiligen Tal befinden und benennt uns die umliegenden Apus (Berge). Michelle Karen ermahnt
uns eindringlich, dass wir ab nun immer daran denken, beim Betreten einer neuen Landschaft, sei es
Fluss, Wasser, Berg, Tempel, die Hüter um Einlass zu bitten. An einem der nächsten Tage, als der Bus
sich auf dem aufgeweichten Lehmweg tief festgefahren hatte, erhielten wir die Ansage, dass wir nicht
um Durchlass gebeten hätten. Während wir das nachholten, packten die Reifen, und der Fahrer kam
problemlos weiter.
Ein Despacho ist eine Opfergabe an Pacha. Pacha hat in der Inka-Kosmologie eine Fülle an
Bedeutungen. Der Begriff steht für Zeit und Raum, für das Unfassbare, die drei Welten, das Geheim-
nisvolle, den Kosmos und das Göttliche. Pachamama ist die Bezeichnung für Mutter Erde. Taripay
Pacha ist die Zeit, um zu uns selbst zu finden.
Für die Inka bedeutet Leben Freude, Fülle, Balance,
Harmonie und ayni (Prinzip der Gegenseitigkeit)15
. Ein Despacho
ist Ausdruck dieses Lebens, und so ist es völlig normal, zwischen
der langen, farbenprächtigen Zeremonie aufzustehen,
umherzugehen oder miteinander zu reden. Wir hatten uns auf das
erste Despacho vorbereitet, das Pachamama und die Apus
begrüßen und um Schutz und Segen bitten sollte, nicht nur für die
Reise, sondern auch für alle unsere Dinge daheim, die von Don
Pasqual sehr spezifisch aufgezählt wurden (Haus/Wohnung,
Beruf, Auto, Geld, Familie, Kollegen usw.). Zuerst ließ Don
Pasqual aus einem großen Beutel an jede/n ein Cocablatt
verteilen. Das ist ein Geschenk und wird deshalb mit beiden Händen entgegengenommen. Mit einem
kräftigen Ausatmen wird auf dieses Blatt alle hucha gepustet, schwere Energien, die das lichtvolle
Leben blockieren. Anschließend wird es Pachamama übergeben, die alle Energien umwandelt. Die
Inka betrachten diese Wirklichkeit/Kay Pacha als Erfahrungsebene, damit wir unser gesamtes Sein mit
seinen schweren Energien (Kummer, Sorgen, Angst, Scham), mit unseren Gaben und mit der Essenz,
aus der wir unseren Ursprung haben, erkennen. Alle Menschen sind "Kinder der Sonne"16
. "Wir sind
hier, um unsere Erfahrungen in dieser Schöpfung zu machen, nicht, um uns selbst zu kritisieren und zu
verurteilen."17
Anschließend wählte jede/r aus dem Beutel mit den Coca-Blättern drei unbeschädigte,
schöne Blätter aus und legte sie zu einem Fächer, dem kintui, zusammen. Die Blätter werden meist
zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand gehalten: Die rechte Hand aktiviert Energie, die
linke Hand empfängt sie. Zeige- und Mittelfinger, die nach oben zeigen, stehen für Feuer und Luft.
15
Aus der Tatsache, dass sie sich jeden Tag gesegnet und beschirmt fühlen, erwächst für sie im Gegenzug die Verpflichtung zum
fürsorglichen Umgang mit allen Menschen und mit der Natur. 16
Kinder von Ti - Kinder der Sonne. Diese übliche Übersetzung müsste nach A. Villoldo eigentlich lauten: „Kinder des Lichts“. In der Inka-
Sprache ist Ti das Licht, In-Ti ist das helle Licht der Mittagssonne; die Sonne ist die Quelle des Lichts, doch sie ist nicht das Licht… 17
Paq'o Don Antonio in: Andean Awakening. S. 58.
9 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Gleichzeitig werden der Ring- und der kleine Finger Erde und Wasser, in die Handfläche nach unten
abgeknickt. Der Daumen, Äther, liegt darüber. Zu Beginn rief Don Pasqual die Energien von Pacha,
Pachamama, Mama Cocha (Wasser), Inti, den Apus und wahrscheinlich noch vielem mehr an. Die
Teilnehmenden mussten sich, d.h. ihre Herkunft, nach Inka-Art vorstellen, also nach den Bergen und
Flüssen ihrer Heimat. Ich "bin" also Apu Grimme und Apu Asten18
und Mamakocha Rur19
. Auf diese
Weise verbanden sich die Apus im Heiligen Tal mit den Apus daheim.
Die Kintui erhielten noch rote und weiße Blütenblätter (Symbole für Pachamama und Tayta
Inti. Die eigenen Wünsche wurden in sie hineingehaucht, oft werden sie auch in die Luft und der
Sonne entgegengehalten, und gegen Ende der Zeremonie legt sie jede/r auf den Opferplatz. Der
Himmel zog sich zu, es begann zu regnen, und ich beobachtete Santuzza, dass wir fast gleichzeitig
unsere Hand in die vier Himmelrichtungen erhoben.
Vielleicht haben wir auch dasselbe gedacht. Der Regen
hörte bis zum Ende der Zeremonie auf. Obwohl die Sonne
nicht ganz durch die Wolken kam, hatten abends einige
einen kräftigen Sonnenbrand im Gesicht. In den folgenden
Tagen gewöhnten wir uns schnell an das sich ständig, oft
innerhalb von einer halben Stunde verändernde Wetter und wurden dafür mit grandiosen
Wolkenbildern belohnt.
Ein Despacho in allen seinen Einzelheiten zu beschreiben, ist beinahe unmöglich. Unzählige
Zutaten, getrocknete Früchte, Süßigkeiten, Miniatursymbole aus dem Alltag, Konfetti, bunte Bänder,
frische Blütenblätter, Öllampen in Gestalt eines Lamas für das Lamafett (das Lama wird geachtet als
Symbol der Liebe und des Dienens), es ist erstaunlich, was ein Schamane alles vorab für die
Zeremonie besorgt hat und aus seinem Beutel zaubert. Die Grundstruktur ist immer dieselbe, aber
jede/r hat eine ganz eigene Handschrift. Während der Zeremonie wird normalerweise nicht
fotografiert, doch als das Kunstwerk fertig war, machte selbst Don Pasqual ein Foto mit seinem
Handy. Danach wird das Opfer sorgfältig in das neungeteilte Papier eingepackt, mit kunstvoll
gewebten Bändern verschnürt und abschließend verbrannt.
Während der Zeremonie kamen einige Einheimische hinzu, die später noch mit Don Pasqual
sprachen. Ein Paq'o wird nicht dadurch Paq'o, dass er es von sich behauptet, sondern dadurch, dass ihn
die anderen als solchen erkennen und anerkennen. Häufig haben die Paq'os auch noch weiterreichende
Aufgaben in ihren Gemeinwesen, die jedoch reihum von allen Verheirateten wahrgenommen werden.
In vielen Gemeinschaften dürfen nur Verheiratete wählen, und nur Verheirateten, die auch
18
Berge im Hochsauerland, wo ich geboren wurde 19
Fluss in der Eifel, an dem ich gerade lebe
10 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Verantwortung für ihre Familie haben, wird die jährlich wechselnde Aufgabe des Ortsvorstehers
übertragen.
Unser Rückweg zum Bus verlief dann doch noch über den gegenüberliegenden Berg, auf dem
sich Überreste einer der ersten Tempelanlagen der Inka befinden, vor allem ein System von
Wasserkanälen und Aquädukten - die Inka waren Baumeister
unvorstellbarer Bewässerungssysteme - und wohl ihr bedeutendstes
Observatorium, wobei dieser Begriff falsch ist, denn die Inka schauten
nicht nach oben, sondern bildeten die Gesetze der Gestirne in ihren
Bauwerken ab.20
Diese Anlage wurde von den Eroberern genauso zerstört
wie die nur noch im Ansatz erkennbare Bewässerungsanlage. Das
Wahrzeichen Pisaqs, das chacana (Andenkreuz), ist hier aus einem ganzen Stein gehauen. Dieses
Kreuz besteht aus vier gleich langen, dreigestuften Seiten: die vier Enden/Himmelsrichtungen der
Welt und die drei Welten. In der Mitte ist ein Loch: Hinter Vater Sonne, wissen die Inka, gibt es die
"Sonne hinter den Sonnen"21
, alles kommt aus dem Licht, und jeder Ausdruck auf der Erde ist ein
einzigartiger Strahl derselben Sonne.22
Die Aussicht über die weiten Täler und die berühmten Terrassenfelder Perus ist
unbeschreiblich. Jose zeigt mir einen Adler in der Luft. Es hatte stärker angefangen zu regnen. Jose
schob es darauf zurück, dass Oliver während des Laufens seine am Vorabend erworbene neue Flöte
spielte: Wer wie Oliver und Don Pasqual im Februar geboren sei, sei ein Regenmacher und könne mit
seinem Flötenspiel den Regen herbeirufen. Doch Oliver war nicht der einzige Spieler. Immer wieder
tauchten während unseres zweieinhalb
stündigen Fußmarsches an Wegkreuzungen
Einheimische auf, die uns mit ihrem
Flötenspiel ein Stück begleiteten. Manchmal
mit dem Hinweis auf die soeben frisch
gepresste DVD, die sie neben weiteren Flöten
zum Verkauf aus ihrer Tasche zogen, manch-
mal hatten sie auch wohl einfach Mitleid mit den gegen ihre Atemnot ankämpfenden Touristen.
20
Der Urubamba z.B. ist ein Heiliger Fluss, weil er als Abbild der Milchstraße betrachtet wird, und deshalb haben alle Orte entlang des
Flusses im Heiligen Tal ihre Entsprechung in einer bestimmten Konstellation der Milchstraße. 21
Andean Awakening, S. 2. 22
Nach einer anderen Deutung symbolisiert das Loch in der Mitte Cusco, das als frühere Hauptstadt als "Nabel der Welt" galt.
11 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Höhenluft
Nach einem köstlichen Mittagessen hatten wir am Nachmittag unseres ersten Tages alle einen
Eindruck bekommen, was uns in den folgenden Tagen erwarten sollte - Steigungen und immer wieder
in Fels gehauene Stufen, endlos, unregelmäßig, oft sehr steil, es ist später egal, ob es hinauf oder
hinunter geht. In Reiseprospekten für Trekkingtouren in diese Region
steht als Grundvoraussetzung: sehr gute Kondition, Schwindelfreiheit
und Trittsicherheit. Die Wege sind sehr gut gepflegt. Wahrscheinlich
liegt die Schwierigkeit der Anpassung weniger an der
Bodenbeschaffenheit als wirklich an der ungewohnten Höhenlage: Es
macht einen Unterschied, ob ich mich einmal kurz auf die Silvrettahütte
(2.300m) begebe und dann wieder absteige, oder ob ich die nächsten
Tage in dieser Höhe (und höher) leben und mich auch noch körperlich anstrengen werde.
Tipon
Am nächsten Tag ging es (mit dem Bus) auf Höhen von 3.500 m. Unsere erste Station ist
Tipon, ein bedeutender Wassertempel der Inka, der vom peruanischen Kulturinstitut wieder aufgebaut
wurde (mit öffentlich zugänglicher Toilettenanlage!). Er erstreckt
sich bis auf 3.800 m Höhe, doch wir blieben in der parkähnlich
angelegten, weiträumigen Anlage ohne - für peruanische
Verhältnisse - große Steigungen. Zuvor zeigte uns Michelle Karen,
wie wir in den seit Inkazeiten angelegten Becken im
Eingangsbereich die Reinigung unserer Chakren vornehmen. Die
Vegetation war sehr vielseitig, wie auf den gesunden Wiesen meiner
Kindheit. Erstaunlicherweise wuchsen auch überwiegend dieselben Pflanzen. Bei einem dicken Polster
aus weißem Klee erzählte ich Jorge, dass wir als Kinder die weißen Blütenköpfe gegessen hätten. Er
bestätigte lachend, und ergänzte, dass sie Stunden damit verbracht hätten, ein vierblättriges Kleeblatt
zu finden, weil das Glück bringe. Woher hatten wir dieselben Spiele? Weit im Gelände, mitten auf
einer Wiese, saß ein peruanisches Pärchen und genoss wie wir die anmutige Landschaft, die Stille und
das Rauschen der viele Wasserfälle.
12 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Für die Inka ist das Wasser sowohl männlich als auch
weiblich, und an diesem Ort sind beide Aspekte vereint. Die
vertikalen Wasserfälle stellen den männlicher Aspekt und die
vielen horizontalen Terrassen und Wasserläufe den weiblichen
Aspekt dar. Das rote Wasser (Blut) im menschlichen Körper
erhält das Leben, das weiße Wasser (Muttermilch) im
menschlichen Körper erhält das Neugeborene. Wasser ist die
Grundlage des Lebens. Es ist eine dichtere Form des Lichts und
gehört zu den lebendigen Geschenken, die die Sonne auf Kay
Pacha (die reale Welt) ausstrahlt. Hier gab Michelle Karen die
erste Einweihung in den Seher-Ritus weiter. Es war interessant,
wie sich in solchen dichten Energien die Gruppe immer wieder zerstreute. Lange weilte jede/r für sich.
In der Nähe des Ausgangs trafen wir wieder zusammen und fragten uns, warum wir die auffallenden
"Elfenkreise" (auffallend runde dunklere Kreise im Gras, in manchen Gegenden bei uns zu Hause auch
"Hexenkreise" genannt…) nicht selbst gesehen hatten und Michelle Karen uns darauf aufmerksam
machen musste. Dafür wurden im Bus die Orb-Bilder auf den Handys ausgetauscht und verglichen.
Moray
Die Fahrt ging weiter nach Moray (3.500 m). Unterwegs zeigte uns Jose eine staatlich
geförderte Genossenschaft, in der die Bewohner der umliegenden Dörfer ihre Webereien
zusammentragen und nach einer Einführung in grundlegende Webe- und Färbetechniken gemeinsam
an die Touristen verkaufen (und eine öffentliche Toilette anbieten). Es war interessant, doch nach
einiger Zeit langweilig, und ich wartete draußen und hatte
Gelegenheit, das Zusammenleben der Tiere auf der Dorfstraße
zu beobachten (Menschen waren nicht zu sehen). In Peru gibt
es mindestens so viele Hunde wie Menschen. Überall laufen
sie herum. Auf jedem Feld, das von Einheimischen bearbeitet
wurde, war ein Hund ganz nah dabei. Ich habe nie erlebt, dass
ein Hund verjagt oder geschlagen wurde, und ich habe auch nie erlebt, dass sich Hunde gegenseitig
angegriffen und weggebissen hätten. Ich hatte nicht schnell genug den Fotoapparat zur Hand, als wir
durch eine Stadt fuhren und vor einer Metzgerei mit einer offenen Auslage mit frischem Fleisch auf
dem Bürgersteig davor friedlich wartend zwei Hunde saßen.
Die Tiere leben offensichtlich als selbstverständlicher Teil
mit der Familie, und das wirkt sich auch auf das
Zusammenleben der Tiere aus. Ich sah auf der Dorfstraße
13 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Hühner picken, und die Hunde störten sich gar nicht daran. Ebenso ließen die Hunde den Katzen ihr
Revier, wenigstens soweit ich es beobachten konnte. Es scheint, als habe das sanfte Wesen der
Peruaner auf die Tiere abgefärbt.
Das Zusammenleben der Inka wird von drei Gesetzen geprägt. Als 'Kinder der Sonne'23
leben
sie in der Liebe, die Vater Sonne für Mutter Erde und umgekehrt Mutter Erde für
Vater Sonne empfinden. Sie sind eins im Bewusstsein, der Freude
und der Fülle des göttlichen Pacha. "Wenn dein Herz erfüllt ist mit
der Freude und der Liebe des Kosmos, dann ist dort kein Raum mehr
für sorgenvolle Energien. (…) Sprich die Wahrheit und handle in
Liebe, dann nährst du den göttlichen Funken in dir."24
Dies ist das erste
Gesetz, munay (Liebe). Daraus folgt das zweite Gesetz, llancay (Arbeit,
Dienen, kreativer Ausdruck des eigenen Lebens). Für den, der ständig in der Liebe lebt, wird Arbeit
letztlich zum Dienst am Göttlichen, um so in dieser Wirklichkeit die Fürsorge des Göttlichen für alle
Schöpfung nachzuahmen. "Arbeit ist eine Gelegenheit, deine einzigartige Gabe mit jedem und allem
zu teilen."25
Dieses Bewusstsein von Llancay, das die Fülle der kosmischen Liebe in dieser Welt der
Erfahrung manifestiert und ko-kreiert, führt zum dritten Lebensgesetz, yachay (Weisheit, die aus dem
wahren inneren spirituellen Selbst kommt). Nur wer bereit ist, sich mit seinen inneren Energien
auseinanderzusetzen, bekommt Zugang zu seinem authentischen Selbst. Die Polarität zwischen der
männlichen und weiblichen Energie muss im eigenen Inneren aufgelöst sein. Dazu verhelfen die
beiden ersten Gesetze der Liebe und des Dienens. Sie öffnen das Herz und lassen tief im Bewusstsein
erkennen, dass alle und alles eins sind. "Weisheit kommt aus dem Herzen und nicht aus dem
verstandesmäßigen Denken."26
Wer erkennt, dass sein inneres spirituelles Selbst direkt mit Pacha
verbunden ist, wird eins mit der Weisheit des Kosmos. Ich fand es beeindruckend, wie einfach dieses
tägliche Gewahrsein gestützt wird. "Nimm dir jeden Morgen und Abend Zeit, deine geschäftigen
Gedanken zu beruhigen. Denke an deine Sorgen und schweren Energien und übergib sie zur
Umwandlung und Heilung an Pachamama oder an ein anderes geistiges Wesen deiner Tradition.
Mache dir all die Segnungen bewusst, die du vom Göttlichen und von anderen erhältst, und danke
dafür.(…) Begrüße jeden Morgen Inti mit weit geöffneten Armen und danke für den neuen Tag. Öffne
deine Arme weit und nimm das Licht und die Liebe auf. Lege deine rechte Hand auf dein Herz und
sage 'mit Liebe'. Dann nimm deine linke Hand und lege sie mit den Worten 'ohne Angst' auf deinen
Solarplexus. (…) Nimm dir für jeden Tag eine bestimmte Absicht. vor. Die kleinen Dinge, die du
täglich tust, haben die größte lebensverändernde Wirkung. (…) Eine wissende Heiterkeit wird tief in
deinem Herzen aufbrechen …"27
23
s.o. (16), eigentlich: “Kinder des Lichts” 24
Andean Awakening. S. 150. 25
Andean Awakening. S. 151. 26
Andean Awakening. S. 152. 27
Andean Awakening. S. 164.
14 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Wir waren die letzte Gruppe, die in Moray
ankam, und, wie so oft waren wir die einzigen auf
dem Gelände. Archäologen sagen, dass die Inka
auf diesem Gelände landwirtschaftliche Studien
durchführten und so die besten Pflanzen für das
Klima züchteten, z.B. eine besondere Art von
Mais, der ansonsten in diesem Klima niemals hätte
wachsen können und der bis heute als wichtige
Nahrungspflanze angebaut wird. Ich hatte diese
Anlage schon einmal als Panoramabild gesehen,
interessanterweise mit dem Hinweis, dass sie in
ihrer Form einer Gebärmutter ähnlich sei. Die
Größe der realen Anlage hat uns aber schlicht überwältigt. Sieben oval angelegte Terrassen öffnen
sich nach Südosten zu einem kreisrunden Zentrum mit weiteren sieben28
Terrassen. Eine große
kosmische Spirale: Jede Terrasse ist 4 m breit und führt über 2 m hohe Mauern wie ein Trichter in das
runde, tief liegende Zentrum.
In die Mauern sind in großen
Abständen herausstehende
Trittsteine eingelassen, so
dass es, wenn auch
beschwerlich, möglich ist,
von einer Ebene auf die
nächste zu kommen.
Michelle Karen empfahl, den
Abstieg symbolisch wie
einen Abstieg Schicht für
Schicht in das eigene Selbst zu betrachten. Die Dämmerung brach herein, und wir verbrachten eine
lange Zeit auf dem Gelände. Schweigsam kehrten alle zum Bus zurück, und während der Rückfahrt
wurde der Fahrer gebeten, die Musik auszuschalten.
28
Die heilige Zahl 7 (sieben Chakren / sieben Regenbogenfarben) setzt sich zusammen aus 3 (Göttlichkeit / Pacha / die drei Welten) und
4 (Erde / Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft / vier Himmelsrichtungen). Sie findet sich immer wieder in den Inka-Anlagen.
15 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Ollantaytambo
Unser neues Hotel war in
Urubamba, einer Stadt, die genauso wie
der Fluss und die gesamte Provinz
heißt. Am anderen Morgen, auf dem
Weg nach Ollantaytambo, machten wir
einen Abstecher weit ins Land hinein
nach Killarumioc. Es muss kräftig
geregnet haben, und auch unterwegs
gab es immer wieder Schauer. Hier
hatte sich der Bus beim Wenden
festgefahren. Wir mussten noch weit
über schmale Pfade und Wiesen laufen, bis wir in einer felsigen Region zum Mondtempel kamen, wo
Don Pasqual und Santuzza, wieder in der Nähe eines Baches und vor einem schützenden Felsen die
nächste Zeremonie vorbereitet hatten. Bisher hatten wir mit dem Wetter immer Glück gehabt. Es war
zwar meist bewölkt, doch überwiegend trocken, und wenn es regnete, dann niemals stark und immer
nur für kurze Zeit. Es wird sogar als gutes Zeichen angesehen, wenn es am Ende eines Depachos zu
regnen beginnt. Dieses Mal jedoch wurden die Wolken immer dichter und der Regen immer heftiger,
und als ein Gewitter näher kam, beschleunigte Don Pasqual die
Zeremonie, und mit ihm packten wir am Ende schnell alles
zusammen und eilten tropfnass zum Bus. Obwohl es regnete,
hatten sich auch wieder einige Einheimische aus der weiten
Umgebung eingefunden, um ihre Handarbeiten zu verkaufen.
In dieser Gegend ist das oft die einzige Einnahme, und auch
die fällt aus, wenn in den Wintermonaten gar keine Touristen kommen. Es wird nicht gebettelt, und an
manchen Orten bieten die Menschen sehr einfallsreiche Leistungen an: Ein ganz junges Schaf im Arm,
das die Touristen aus westlichen Großstädten streicheln dürfen, alte und junge Lamas, die mit, so habe
ich es genannt, aufgelegter Camouflage (schwarz gefärbte, verlängerte Wimpern, Ohrringe aus bunter
Wolle und bunte Bänder im Haar und um den Hals) zum Fotografieren hinreißend aussehen, - es gibt
unendlich viele Möglichkeiten, Dienstleistungen anzubieten und zu verkaufen. Auch Kinder verkaufen
ihre handgefertigten Arbeiten. Bettelnde Kinder gibt es nicht. Michelle Karen hatte uns darauf
vorbereitet, dass wir in einigen Gegenden den Kindern kleine nützliche Geschenke mitbringen,
Malbücher, Buntstifte, Bleistifte, Spitzer, Radiergummi, warum nicht auch Süßigkeiten, Murmeln oder
Sticker. Wir hatten viel zu viel mitgebracht, und ich hatte es nicht immer dabei, wenn ich es gebraucht
hätte. Es bleibt abzuwarten, wie die Touristen in den nächsten Jahren hier, wie früher in anderen
Ländern, ebenfalls für Veränderungen sorgen. Zweimal kam es vor, dass ein Kind, als ich kein
Geschenk dabei hatte, sagte, es nähme auch Geld.
16 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Am späten Nachmittag, es war schon lange wieder trocken, kamen wir in Ollantaytambo
(Höhe: 2.790 m) an, der einzig erhaltenen Inkasiedlung, aus
deren Anlage die Archäologen das Leben in der Inkazeit
rekonstruieren.
Über der Stadt
und den noch
ursprünglich
erhaltenen
Terrassen erhebt
sich die Tempel-
anlage mit ihren verschiedenen Tempeln. Hier konnten wir
auch zum ersten Mal die Baukunst, die beeindruckenden Mauerfugen, die gemauerte Sonnenuhr und
die in den umliegenden Bergen errichteten weiteren Bauwerke, vor allem das in den Berg gehauene
Antlitz des ersten Inka, bewundern. Wir waren spät, und die Aufseher bliesen schon zum Aufbruch,
wortwörtlich auf ihrem Blechblasinstrument. Wir hatten trotzdem Zeit, die verschiedenen Tempel zu
betreten - in einer Tempelanlage der Inkazeit sind immer mehrere Tempel vereint - und uns in die
Energie hineinzufühlen. Jose wies uns auf eingelassene Nischen in den Mauern hin, die auffällige
Töne und Obertöne erzeugen konnten. Einem anderen Felsen, er hat keinen Namen, wird
zugeschrieben, ein multidimensionales Tor zu sein. Alle, die sich dagegen lehnten, bestätigten dies.
Wer sich im Tempel des Windes, der seinem Namen alle Ehre macht, hoch über einem steilen
Abgrund niederlässt, erlebt ein unbeschreibliches Gefühl der Losgelöstheit von Zeit und Raum.
Unterwegs ließ Jose den Bus in einem Dorf anhalten, das für seine gebackenen Brote berühmt
ist. Er kaufte einen großen Fladen und ließ ihn zum Probieren durch den Bus weiterreichen. Es war
köstlich, ein leichter Teig mit viel Maismehl und einem weichen, vollen Duft und Geschmack. Wieder
fuhren wir angefüllt mit Eindrücken zurück in unser
Hotel. Dieses Mal allerdings beschwingt. Entweder war
es die Vorfreude auf die Reise zum Machu Picchu am
nächsten Tag, oder der Wind hatte sämtliche Schwere
fortgeblasen, oder wir hatten uns inzwischen unmerklich auf
andere Dimensionen eingelassen. Wie wir feststellten, hatten
wir alle Schwierigkeiten, die Wochentage noch richtig
zuzuordnen, auch hatte niemand mehr Lust gehabt, die eigenen E-Mails zu checken. Viele hatten
besondere Träume.
17 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Machu Picchu
Auch in diesem Hotel mussten wir morgens wieder auschecken. Schade, dass wir so wenig
Gelegenheit hatten, die paradiesischen Hotelanlagen richtig zu genießen. Wenn wir allerdings zwei
Übernachtungen hatten, hat die eine oder andere tatsächlich zwischendurch einen Tag ausgesetzt und
ist zum Ausruhen im Hotel geblieben. Unser
nächstes Ziel, Aguas Calientes am Fuß des
Machu Picchu, ist nur über die einspurige
Bahnlinie erreichbar, die von zwei
Gesellschaften befahren wird. Eine
Straßenverbindung gibt es nicht. Weil auf den
Zügen nur leichtes "Kabinen"gepäck zugelassen
ist, ließen wir unsere großen Koffer zurück und
fuhren mit leichtem Tagesgepäck weiter, erst
zum
Bahnhof und dann mit Inca Rail ca. zwei Stunden bis Agua
Calientes, das offiziell auch Machu Picchu-Dorf heißt. Die
Züge haben nur reservierte Plätze. Beim Einsteigen
musste die Fahrkarte mit Ausweisdokumenten vorgezeigt
werden. Wenn die Sonne scheint, wird es sofort sehr heiß,
und wir konnten schnell unsere Pullover ausziehen. Es war
eine angenehme Fahrt. An einer Haltestelle sahen wir auf
der gegenüberliegenden Seite des Flusses eine
Ausgangsstation für den Inka Trail: Gepäckträger, weithin erkennbar an den gelben Packsäcken auf
ihrem Rücken, dazwischen einige Esel und dahinter die Wandergruppe begannen gerade den Aufstieg
auf dem Bergpfad. Wir genossen die Aussicht durch das enge Urubambatal und die Muße für Unter-
haltungen. Unser "Gruppenmerkmal" wurde zunehmend ansteckendes Gelächter, wo immer mehrere
zusammen waren.
Urubamba bedeutet "Lichtfelder". Für die
Inka sind Bambas die vereinten Felder, die die
Verbindung mit dem Heiligen Raum herstellen
und die Obere Welt einschließlich der Milchstraße
widerspiegeln.
In Aguas Calientes (nur noch 2.000 m hoch gelegen) empfing uns ein wilder, donnernder
Urubamba-Fluss. Unser Tagesgepäck wurde am Bahnhof vom Hotel abgeholt, und wir gingen sofort
18 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
zum Essen und bekamen einen Eindruck von der Lage des Ortes, der in einer schmalen Schlucht liegt
und sich nach allen Seiten die Hänge hinauf ausbreitet. Der Weg zum Restaurant wurde - für mich -
ein steiler, langer Aufstieg. Das Hotel lag zum Glück unten, direkt am Fluss. Ganz in der Nähe fuhren
die Busse zum Machu Picchu ab, und nach einem schnellen Einchecken konnten wir unsere Nerven
testen, wenn sich zwei Busse auf den schmalen Serpentinen, die sich den Berg hinauf schlängeln,
begegneten. Die Information, dass es tatsächlich relativ häufig zu Unfällen kommt, war auch nicht
gerade beruhigend. Erst recht nicht, weil es erneut zu regnen begonnen hatte.
Wieder einmal waren wir die einzige Gruppe, die sich auf dem Gelände aufhielt. Der Regen
hatte wirklich seine guten Seiten. Die Behörden haben die Zahl der Besucher inzwischen auf täglich
2.000 beschränkt, und am anderen Tag hatten wir Gelegenheit, den Alltag auf Machu Picchu bei
normaler Besucherzahl zu erleben. Zur Kontrolle müssen beim Einlass wieder Ausweispapiere gezeigt
werden, und alle Besucher tragen sich in ein Buch ein und beim Ausgang wieder aus.
An diesem Nachmittag also waren wir allein in der
der Überlieferung nach von Lichtwesen bewohnten, erst
Anfang des letzten Jahrhunderts entdeckten, "Kristallstadt".
Der Name leitet sich aus einem Missverständnis ab. Der
nordamerikanische Geschichtsprofessor Hiram Bingham
suchte - und fand 1911 - Vilcabamba, die sagenumwobene
Hauptstadt der Inka. Doch auf seine Frage nach dem Namen
der Ruinen antworteten die Einheimischen inkagemäß mit
dem Namen des Apu, in diesem Falle des 'alten Berges',
Machu Picchu29
. Der junge Berg, Huayna Picchu, ist gleich nebenan. Von dieser Seite des Tals aus
erkennt man noch nicht, welch abenteuerlichen und lohnenswerten Aufstieg er uns am anderen Tag
ermöglichte. Zwischen Machu Picchu und Huayna/Wayna Picchu erhebt sich der Putu Cusi (immer
blühend). Das ist ein seltsamer Name für einen Berg, doch noch bezeichnender ist sein zweiter Name,
man nennt ihn nämlich auch den "Immer glücklich-Berg". Die Bedeutung dieses Namens kann auf
zwei Arten erfahren werden. Eine Variante, ihn zu erleben führt über einen steilen Aufstieg von etwa
einer Stunde über Stufen und steile Leitern, die andere Art, ihn zu erspüren, kann vom Machu Picchu
aus erfolgen. Wer sich ihm einmal, die Kristallstadt im Rücken, mit weit zum Machu Picchu und zum
Huayna/Wayna Picchu hin ausgestreckten Armen und weit geöffnetem Herzen, zuwendet, fühlt seine
belebende Energie.
Wir boten bestimmt ein farbenfrohes Bild mit unseren bunten Regencapes in der riesigen
Anlage. Nach der Überlieferung reinigt Regen, also nahmen wir dieses Geschenk gern an.
Aufziehende Nebelschwaden hüllten die Bergspitzen in mystische Schleier. Wir glitten wieder in eine
29
Machu Picchu: mit zwei c geschrieben und so auch deutlich gesprochen.
19 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Zwischenzeit, und die Aufseher hatten ihre Not, uns zum Feierabend
zum Ausgang zu befördern. Einen fragte ich mit meinem gebrochenen
Spanisch mitfühlend, ob sie jeden Abend auf diese Weise ihre Herden
zum Ausgang treiben müssen, und ich hörte, wie er seinen Kollegen
zurief, endlich hätte mal jemand Mitleid mit ihnen. Von da an war der
Bann gebrochen, und sie machten uns weniger Druck und unterhielten
sich selbst untereinander. Erstaunlich, von wie vielen Seiten plötzlich
zum Feierabend Aufseher auftauchten und den Weg zu ihrem eigenen Ausgang nahmen.
Die größte Sorge wegen der körperlichen Belastung hatte ich mir vor Machu Picchu gemacht,
doch die Stadt liegt nur auf 2.300 m Höhe und war nach den vorherigen Ausflügen nicht
anstrengender als eine normale Tagestour. Ich war noch so fit, dass ich nach der Rückkehr ins Hotel
beschloss, mit den anderen die warmen Quellen zu besuchen, die dem Ort den Namen gaben.
Irgendwie hatten wir keine klare Uhrzeit verabredet, also machte ich mich - war ich die erste, war ich
die letzte? - allein auf den Weg. Nach Auskunft der Einheimischen musste man nur der Hauptstraße
bis zum Ende folgen. Das war eine folgenschwere Entscheidung, denn die Hauptstraße führte
irgendwann an unserem Restaurant vorbei, wo wir mittags gegessen hatten, dann war es noch einmal
so weit bis zum Stadtrand, und dann führte der Weg weiter durch eine wunderschöne Schlucht, und
irgendwann sah man oben die Lichter des Thermalbades, insgesamt eine Strecke von schätzungsweise
drei, gefühlten sieben, Kilometern steil bergauf, die ich freiwillig nicht mehr gegangen wäre.
Manchmal ist es einfach gut, unwissend in sein Glück zu laufen. Das heiße Wasser, die frische Luft
und die imposante Natur waren ein Erlebnis. Nach und nach waren wir fast wieder vollzählig. Die
Wasserbecken befanden sich alle im Freien, Das Bad war gut besucht, um diese Uhrzeit fast nur noch
von Einheimischen. In der Dunkelheit malten wir uns aus, wie schön es wohl sein würde, wenn der
Regen aufhört und die Sterne zu sehen sind. Unsere Knochen und Gelenke wurden wieder richtig
weich, und als wir feststellten, dass sich die Schulter- und Nackenmuskulatur am besten wie in einer
Polonaise hintereinander massieren lässt, waren junge Einheimische fröhlich mit dabei.
Aus meinem Hotelfenster sah ich direkt auf den Urubamba. Als
ich morgens wach wurde, bemerkte ich ein unangenehmes dumpfes
Gefühl in meinen Ohren, die sich offensichtlich nach dem Schwimmen
zugesetzt hatten. Als sich dieser Pfropf unter der Dusche löste, war ich
überrascht über den ohrenbetäubenden Lärm des Wassers. Mit dem
schützenden Pfropf habe ich fest und tief durchgeschlafen.
20 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Wer sich mit der Energie einzelner Kraftplätze und Tempel auf dem Machu Picchu verbinden
will, braucht seine eigene Zeit. Deshalb gab es für den folgenden Tag mehrere Optionen. Wer sich
ausruhen wollte, blieb im Hotel. Wer noch einmal in Ruhe
Machu Picchu allein erleben wollte, machte sich
(mindestens zu zweit) selbst auf den Weg. Wer zum
Sonnenaufgang auf dem Wayna Picchu (2.630 m)
meditieren wollte, traf sich um 5.30 Uhr am Bus. Bis wir
auf dem Gipfel ankamen, war allerdings die Sonne schon
aufgegangen, weil der Durchlass zum Wayna Picchu erst
um 7 Uhr geöffnet wird. Hier wurde erneut jeder
namentlich erfasst. Jose hatte am Tag vorher gesagt, dass
der Aufstieg anstrengend und teilweise sehr steil sei. Das
war für mich eine Gelegenheit, Cristina, seine Verlobte30
kennenzulernen, die sich ebenfalls darauf vorbereitet,
Reiseführerin zu werden. Um die Gruppe nicht zu
behindern, falls ich (ein wenig älter als die meisten) mehr Zeit brauchte oder aufgeben müsste, habe
ich Cristina für diesen Tag als Führerin gemietet, und sie und ich sowie Valerie aus Frankreich
brachen zügig auf. Ich vereinbarte mit Cristina, dass ich während des Laufens wenig reden und nach
Möglichkeit auch nicht stehen bleiben würde. So schafften wir schon gut die Hälfte, bevor die anderen
uns überholten. Der Weg ist steil und schmal, so dass wir anderen oder andere uns an passenden
Ausweichstellen Gelegenheit zum Überholen gaben.
Schließlich war unsere Gruppe nicht die einzige im
Gelände, und es gab einen regen Aufstieg und später
Abstieg. Immer wieder öffneten sich wunderschöne
Aussichtspunkte, einmal sahen wir von oben auf
einen Regenbogen quer über dem Tal. Eine Fülle von
farbenprächtigen Blüten begleitete uns entlang des
Weges. Insgesamt dauert der Aufstieg etwas über
eine Stunde, und die schwierigen Wegstrecken sind alle gut durch Stahlseile gesichert. Doch die in die
Felsen gehauenen Stufen haben oft sehr, sehr große Abstände, und es geht einfach steil bergauf…
Nach dem gemeinsamen Mittagessen mussten wir pünktlich am Bahnhof sein. Vom Hotel
aus war unser Tagesgepäck bereits dorthin gebracht worden. Kim-Lee, einer Kanadierin ging es nicht
gut, sie war morgens schon im Hotel geblieben. In Ollantaytambo wartete bereits unser Bus mit dem
vertrauten Fahrer Samuel auf uns. Unsere zurückgelassenen Koffer hatte er auch dabei, und wir fuhren
30
Die beiden wollen im August heiraten. Erst zu Hause habe ich gelesen, dass in den Bergdörfern bis heute junge Leute zur Probe
heiraten. Wenn die Ehe innerhalb der ersten drei Jahre auseinandergeht, dann können beide neue Partner wählen. Kinder werden von den Eltern der Frau wie eigene Kinder aufgezogen. Vielleicht finde ich noch einmal Gelegenheit, sie nach diesem Brauch zu fragen. Nach Ablauf der Probezeit gibt es das endgültige Eheversprechen, und diese Ehen sind erfahrungsgemäß haltbar. (Andean Awakening, S. 71f.)
21 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
weiter in unser Hotel in Cusco. Kim-Lee ging es nicht besser, und das Hotel wurde verständigt, dass
ein Arzt kommt und sich um sie kümmert. Am anderen Morgen erzählte uns Michelle Karen, dass sie
die Nacht bei Kim-Lee im Krankenhaus verbracht habe. Der Arzt und die Schwester, die im Hotel
warteten, haben sie sofort eingewiesen, und die Untersuchungen hätten ergeben, dass es sich um eine
so schwere Form der Höhenkrankheit handle, dass sich Kim-Lee erst stabilisieren müsse, bevor sie mit
einem Sonderflugzeug mit ärztlicher Begleitung nach Lima transportiert werden könne. Michelle
Karen wurde von den Ärzten beruhigt, dass ein so schweres Krankheitsbild sehr selten vorkomme.
Antwort auf ihre Rückfrage, was "selten" sei: Nur etwa alle zwei Wochen ein Fall… Kim-Lee war
erst drei Tage später transportfähig, und bei unserem Rückflug aus Lima, war sie dort immer noch im
Krankenhaus, wir bekamen aber eine E-Mail, dass sie am folgenden Tag von einer Krankenschwester
aus Kanada abgeholt worden und sicher zu Hause angekommen sei.
Unterwegs werden wir noch in einen leichten Unfall verwickelt, bei dem zum Glück nichts
passiert ist. Beim Aussteigen ließ der Fahrer alle anderen Türen verschlossen, so dass niemand dazu-
kommen konnte. Nach peruanischem Gesetz werden in einer solchen Situation im Zweifel alle am Ort
des Geschehens Angetroffenen verhaftet und wirklich ins Gefängnis gebracht. Mir ist es beim
Einkaufen passiert, dass ich einen Aufsteller vor einem Geschäft umgestoßen habe. Instinktiv, wie wir
es aus unserer Kultur kennen, habe ich mich umgedreht und mich entschuldigt. Ich wollte ihn
aufstellen, doch als ich in die leicht erstaunten, dann schnell auf unbeteiligt umgeschalteten Gesichter
sah, fiel mir die Unfallepisode wieder ein, und ich habe davon Abstand genommen, mich zu
'kümmern' oder beteiligt zu erscheinen.
Sacsaywaman
Beim Aufbruch morgens warten wieder Don Pasqual und Santozza auf uns. Wie sehr ich mich
an die stille Gegenwart dieser beiden gewöhnt habe. Santuzza trägt wieder den typischen Hut mit den
bunten Bändern und Bommeln, die alle in ihrer Farbe und Form eine symbolische Bedeutung haben.
An den Mustern und der Form lässt sich sofort erkennen, aus welcher Gegend jemand kommt, aber
auch, dass Santuzza zum Beispiel verheiratet ist: Einer der Bommel ist rosa, und auch in dem Hutband
ist ein rosafarbenes Muster eingewebt.
Heute Vormittag brechen wir nach Sacsaywaman auf. Schnell befindet sich der Bus über die
serpentinenförmige Straße wieder oberhalb von Cusco auf einer Höhe von ca. 3.800 m. Wir fahren
bald von der Hauptstraße ab und folgen einer Landstraße, bis wir wieder bei einer großen
Tempelanlage sind, die sich beiderseits der Straße weit hinzieht. Noch ein paar Kurven weiter steigen
wir aus. In der Nähe ist ein Dorf, das vermutlich erst in den letzten Jahren erbaut wurde. Einige
Männer stehen um den Bus herum. Wir gehen zu Fuß weiter. Don Pasquale hat wieder einen Ort für
22 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
ein Despacho ausgewählt. Wir laufen bestimmt zwanzig Minuten über Wege, Wiesen und Bäche, bis
wir wieder in einer Tempelanlage ankommen. Eine lange, an beiden Seiten von Felsen gesäumte Allee
führt zu der inzwischen bekannten typischen
Felsformation, in deren Inneren ein für die
Zeremonie geeigneter, geschützter Kultplatz ist. Wir
haben so viel hinter uns gelassen, dass wir nun
unsere Intention für das Neue auf die Kintui und in
das Opfer geben. Natürlich beginnt es am Ende
wieder zu regnen. Dieses Mal beenden Don Paqual
und Santuzza die Zeremonie an einer
gegenüberliegenden Felsformation mit einer
besonderen energetischen Reinigung. Ich habe das
Gefühl, in mir verschiebt und bewegt sich sehr viel -
zum Leichteren hin. Auf dem Rückweg befrage ich Jose wegen der Unterbrechung, als er aufstand,
weil draußen etwas zu hören war, und er mit Personen (Männern) sprach, die ich nicht sehen konnte.
Er sagt, es werde in dieser Gegend von den Offiziellen nicht gern gesehen, wenn noch solche alten
Rituale durchgeführt werden.
Wir fahren zurück, doch nicht sehr weit und biegen auf
einen großen Parkplatz ein. Hier wurde der Kenko-Felsen, eine
große Tempelanlage restauriert, und wir gehen zwischen
bizarren Felsen, bis wir in eine Grotte kommen. Hier, sagen die
offiziellen Führer, wurden die Opfertiere geschlachtet. Doch wir
haben das Gefühl, dass hier noch mehr gewesen sein muss, denn
die Energie fühlt sich neutral, wie auf dem Nullpunkt an. Wir
erhalten ein Channeling, dass dies ein Ort der Geburt und des
Neubeginns sei, und bekommen noch weitere Aussagen über unsere Aufgaben. Was für ein Tag.
Weiter fahren wir in Richtung Cusco zurück und biegen dann rechts ab auf den großen
Parkplatz von Sacsaywaman, auf dem nur wenige Autos parken. Außer dass der Name in den letzten
Tagen immer wieder fiel, hatte ich vorher noch nichts darüber gehört. Eigentlich bin ich nur
ausgestiegen, weil ich mir die Füße vertreten wollte, während die ersten wieder die öffentliche
Toilettenanlage stürmten. Inzwischen ans Laufen gewöhnt und weil die Sonne herausgekommen war,
ging ich auch die sanfte Anhöhe hinauf, für peruanische Verhältnisse ein kurzes Stück, in unserer
Größenordnung aber schon wieder eine Strecke mit der Länge von ca. drei Fußballfeldern. Dann
zeigte sich "das größte und stolzeste Werk, das die Inka bauten, um ihre Majestät und Macht zu
23 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
demonstrieren. Seine Größe ist unvorstellbar für alle, die es nicht gesehen haben." (Inca Garcilaso de
la Vega (1539 – 1616), zitiert nach B. Volberg31
).
Jede Inkastadt wurde in der Form eines Tieres angelegt. Pisaq hat die Gestalt eines Kondors,
und der Überlieferung nach erbaute Pachacuteq (9. Inkaherrscher im 15. Jh.) Cusco in der Form eines
Puma. Astronomen legten die Maßstäbe fest, und die heutige Plaza de Armas entspricht dem
damaligen Sitz des Herzens des Pumas. Der Kopf des Pumas entsprach dem Hügel, auf dem
Sacsaywaman angelegt wurde. So entstand der Name Sacsa Uma (gesprenkelter Kopf)32
Die massiven
Ausmaße der Mauern sind atemberaubend. Die riesigen Steinblöcke greifen so ineinander, dass es
nicht möglich ist, ein Blatt Papier zwischen die Fugen zu schieben. Aufgrund der unregelmäßigen
Abmessungen sind alle Fugen versetzt. Alle Inka-Wände sind durch "Unterlegscheiben" nach innen
geneigt, und fast alle Kanten sind gerundet. Die riesigen Blöcke, die jetzt noch stehen, waren zu
schwer zum Transport, alle übrigen Steine haben die Eroberer abgetragen und zum Aufbau ihrer
eigenen Kirchen benutzt. Sämtliche Kirchen wurden durch Erdbeben zum Einsturz gebracht, wie eine
Führerin im Coricancha Tempel in Cusco genüssliche berichtete, doch die Inka-Bauwerke, sofern sie
nicht von den Eroberern zerstört wurden, stehen immer noch.
31
www.caiman.de. 32
Dies ist eine Deutung. Es gibt noch viele weitere.
24 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Sacsaywaman war Verwaltungszentrum, Heiligtum,
Tempel, Observatorium, Lager für Nahrungsmittel und
wichtiger Ort für Zeremonien, die die Menschen aus allen vier
Teilen des Reiches zusammenbrachten. Heute finden auf dem
weiträumigen Gelände jedes Jahr am 24. Juni die Inti Raymi
(Sonnenwend-)Feiern statt. Zur Inkazeit wurde am Tag der
Wintersonnenwende die große Sonnenscheibe im Sonnentempel
auf dem Marktplatz von Cusco ausgestellt. Die Sonne spendet
Wärme, Licht, Energie und Leben, und der Inka (Herrscher) und
alle Abgesandten brachten ihr Opfer und Geschenke dar. In der ganzen Stadt wurden die alten Feuer
ausgelöscht und mit einem großen Spiegel ein neues Feuer aus den Sonnenstrahlen entzündet, das mit
Fackeln aus Lamahaar durch die ganze Stadt getragen wurde.
Nachmittags und am anderen Tag war frei. Michelle Karen hatte sich bereit erklärt, uns zu
einigen Geschäften zu führen, in denen wir günstige Preise bekommen (Großhandel für Vikunja-
Textilien) oder die wir sonst gar nicht sehen würden (Poncho-Museum). Da Cusco an einem Hang
liegt und unser Hotel ziemlich "unten" war, führten zunächst alle Straßen bergauf. Ich musste oft daran
denken, was ich zufällig im Internet gelesen hatte: "Cuzco bietet den Vorteil, dass man als Tourist
beim häufigen, durch Atemnot bedingten, Stehenbleiben vortäuschen kann, alle zwei Minuten die
Aussicht genießen zu müssen – während die Einheimischen stumm lächelnd vorbeischreiten und
genau wissen, dass die Gringos nur Pause machen, um nicht in Ohnmacht zu fallen." (B. Volberg)
Doch am zweiten Tag konnte ich schon richtig flott einkaufen.
25 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Während unserer zwei freien Tage stand Don Pasqual für private Zeremonien zur Verfügung.
Ich wollte gern seine Arbeit kennenlernen und verabredete eine Sitzung. Vorher hatte ich überlegt,
welchen energetischen Knoten ich am besten mit ihm aufarbeiten könnte, wenn wir keine Möglichkeit
der Kommunikation haben. Also entschied ich mich, ihn einfach zu bitten, Hucha, alten Müll in Form
von angesammelten Blockaden und schweren Energien zu bereinigen. Beim Aufräumen muss man
nicht viel reden, es geht viel leichter mit Singen, und tatsächlich, als er und Santozza so ziemlich alles
geklärt hatten, begann er ganz dicht in mein Energiefeld hinein zu tönen, so sanft, so liebevoll, so klar
und so heiter. "Der Zweck des Lebens ist es, das Leben selbst zu feiern." sagt Jorge L. Delgado.33
Am folgenden Tag wollte Jose der Gruppe noch eine
Führung durch die verbliebenen Reste des Coricancha
Tempels (wichtigster Sonnentempel der Inkazeit) schenken
und uns zeigen, an welchem Ort im heutigen Domini-
kanerkloster die Goldene Scheibe aufgehängt war, doch dann
kam ein Anruf, dass Kim-Lee nach Lima geflogen würde, und
er begleitete Michelle Karen und einige andere zum
Krankenhaus. Wir machten uns allein auf den Weg und
erhielten eine sehr fundierte, auf der offiziellen peruanischen
Geschichte beruhende Führung. Im Bereich des Inkatempels war das Fotografieren unbeschränkt
erlaubt, in allen übrigen Bereichen der Klosteranlage verboten.
Selenit-Schwerter
An diesen freien Tagen hatten wir endlich Gelegenheit, dass uns Tom Ledder, der "Meister
der Selenit-Schwerter", eine Einführung über seine Schwerter und ihre Anwendung gab. Bei seinen
Forschungen hatte er herausgefunden, dass das Selenit ein Kristall mit göttlicher Intelligenz ist, der
das, was auf ihn gelegt wird, um ein Vielfaches verstärkt. Von
Erzengel Michael und anderen wurde er angeleitet, diese Schwerter zu
entwickeln, die flüssiges Licht in die physikalischen Energiekörper
bringen und diese heilen und transformieren können. Im praktischen
Versuch erprobten wir, wie mit Hilfe dieser Schwerter ein Lichtkörper
aufzubauen ist. Tom Ledder hatte für alle eine Anzahl Schwerter
mitgebracht. Wenn wir am 21.12. das Datum des Zeitenwechsels vor
dem Aramu Tor feiern, dann sollen diese Schwerter helfen, das Lichtportal zu vergrößern. Ein
weiterer Schwerpunkt von Toms Arbeit ist, 'Cup Cakes'34
, die mit Informationen der Heiligen
Geometrie gefüllt sind, an Kraftplätzen der Erde auszusetzen, so dass sie sich global im Gitternetz der
33
Andean Awakening, S. 167. 34
So genannt, weil er die Gipsformen wirklich in Cup Cake-Förmchen gießt und dann mit seinem Informationen bestückt.
Sonnenuhr der Inka im Coricancha-Tempel, Cusco
26 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Erde vernetzen und ein neues Energiemuster gestalten helfen. Diese Arbeit führte er an vielen Orten
unserer Reise allein durch, doch weltweit ist er durch viele Helfer verbunden und führt ein genaues
Verzeichnis über die ausgelegten 'Cup Cakes'.35
Wiracocha Tempel
Die Ruhe in Cusco hat gut getan. Ich hatte das Gefühl, nun gut an das Klima angepasst zu sein
und freute mich auf den zweiten Teil der Reise zum Titicacasee. Irgendetwas in mir verband wohl mit
"See" angenehme Urlaubserinnerungen. Es sollte die anstrengendste Route werden. Unser Ziel, ein
Besuch der Sonneninsel auf bolivianischer Seite, musste kurz vor Reisebeginn umgestellt werden,
denn der bolivianische Präsident hatte kurzfristig alle Freunde und Präsidenten der umliegenden
Länder zur Feier des 21.12. auf die Sonneninsel eingeladen, und plötzlich wollten die Hotels die
Vorbestellung nur noch mit dreifachem Preisaufschlag anerkennen. Mit dem Besuch auf der
peruanischen Insel Amantani und einer Übernachtung bei den dortigen Einwohnern war ein guter
Ersatz gefunden worden. Unser neuer Reiseführer war Abuel aus Puno, das völlige Gegenteil zum
agilen, lebhaften Jose, doch ebenso angenehm und sachkundig. Ich schätze ihn auf fünfzig Jahre.
Neben Aymara und Quechua spricht er auch Englisch und Französisch fließend. Ohne viel Worte
strahlte er eine innere Autorität und Ruhe aus. Ich vermute, er weiß noch viel, viel mehr. Warum habe
ich eigentlich nicht viel mehr gefragt?
Um 7.30 Uhr brachen wir mit einem fabrikneuen Hochdecker-Bus nach Puno auf. Für die
lange Reise - wir kamen erst im Dunklen an - war es gut, dass fast alle einen Doppelsitz für sich allein
hatten. Die beiden Fahrer hatten vorn ihre eigene abgetrennte Kabine. Sie waren dennoch ständig mit
uns verbunden: Vorn unter der Decke hing ein Display mit der Geschwindigkeitsanzeige, und sobald
die zulässigen 90 km/h erreicht bzw. überschritten wurden, blinkte die Anzeige und ertönte ein
Signalton.
In Chimboya (4.335 m) hielten wir kurz an, um die
Schneespitzen der umliegenden Berge zu fotografieren. Wieder war es
erstaunlich, wie schnell von mehreren Seiten Einheimische auftauchten,
um ihre selbstgewebten und genähten Tücher, Mützen, Ponchos zu
verkaufen. Später folgten wir wieder dem Urubamba und machten nach
einigen Stunden Halt am Wiracocha Tempel. Michelle Karen hatte angekündigt, hier selbst ein
Despacho durchzuführen. Der Eingangsbereich war professionell auf höchstem touristischem Stand
(Toiletten, Marktstände mit ausgewählten landestypischen Produkten, Bücher, Reiseführer,
Restauration) doch Abuel lenkte uns zielstrebig daran vorbei in die sich weit ausdehnende Anlage. Er
zeigte uns die Wasseranlage, die zu Inkazeiten zur Reinigung vor Betreten des Tempels vorgesehen
35
Wer sich für die Arbeit von Tom interessiert: http://www.seleniteswordmaker.com; oder: http://www.seleniteswords.com.
27 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
war, öffnete seinen Beutel mit Cocablättern für uns und schlug vor, ab einer bestimmten Stelle barfuß
weiterzugehen, denn wir würden uns nun in den Tempelbereich begeben. Er selbst ging so, als hätte er
nie Schuhe gekannt, ich brauchte zwischendurch die schützenden Sohlen. Wir hatten strahlend blauen
Himmel, und ich war für die Wolken und den Regen am Machu Picchu dankbar. Ich weiß nicht, wie
ich die Tour unter der heißen Sonne und den viel höheren Temperaturen verkraftet hätte. Die
Zeremonie, die Michelle Karen für diesen Platz vorgesehen hatte, war ein Trennungs-Ritual endgültig
von allem, was die Menschheit in den vergangenen 26.000 Jahren geplagt hatte. Eigenes (Personen,
Dinge, Gewohnheiten, Eigenschaften) durfte eingebracht werden - ausdrücklich mit dem Hinweis,
sehr sorgfältig auszuwählen, weil der Effekt sehr wirksam und nicht mehr umkehrbar sei, was einem
später vielleicht leidtun könne. Dieses besondere Ritual verläuft in allem entgegengesetzt: alle
Bewegungen links herum, alles sehr schnell, es wird nicht gesprochen, dunkle Farben, statt
Süßigkeiten Pfeffer und Salz usw.
Lange blieben wir anschließend noch in dem herrlichen Wetter auf dem Gelände. Die
gesamte Ausgrabungsfläche heißt eigentlich Raqchi, sie wird aber nach den erhaltenen Ruinen des
größten Inkatempels (Dachlänge 92 m, Höhe 20 m) benannt. Wiracocha ist in der Inka-Mythologie der
Schöpfergott, der das Universum, Sonne, Mond, Sterne, die Zeit (durch die Bewegung der Sonne über
den Himmel) und die Zivilisation erschaffen hat. Dargestellt wird er oft mit dem Strahlenkranz der
Sonne als Krone, einem Donnerkeil in der Hand (er ist auch der Gott der Stürme) und Tränen, die ihm
- als Regen - aus den Augen fließen. Ketzerische Autoren behaupten, bei dem Areal handle es sich
letztlich um ein hochmodernes Verwaltungs-, Lager- und Logistikzentrum der Inka. Weil aber in den
70er Jahren nur Forschungsgelder für "kleine Machupicchus" geflossen seien, habe man die
Ausgrabungen einem Tempel zugeordnet. "Selbstverständlich stand dort im Tempel in der unteren
Eingangshalle auch die lebensgroße Statue von dem Schöpfergott Viracocha. Auf einem bayerischen
28 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Finanzamt hängt ja auch ein Kreuz an jeder Wand. Das macht es dann dem Bürger scheinbar leichter
seine Steuern zu entrichten. Früher in Peru wie auch heute in Bayern."36
Am späten Nachmittag erreichten wir Puno, das pulsierende Wirtschaftszentrum Perus, und
gerieten voll in die Rush Hour. Vertraut mit dem Verkehr in Delhi und Mumbai dachte ich, mich
könnte keine Verkehrssituation mehr überraschen, doch bei dieser Fahrt bekam ich tatsächlich zum
ersten Mal Angst. Es muss entweder lange heftig geregnet oder an mehreren Stellen Rohrbrüche
gegeben haben, denn ganze Straßenzüge standen unter Wasser, was auf den unbefestigten Fahrbahnen
zu Riesenschlaglöchern führte, die der überdimensionierte Bus im Zickzack und heftig schwankend zu
umfahren versuchte. Man wusste nie, wie tief ein Rad bei dem nächsten Wasserloch einsinken würde.
Dazwischen-davor-daneben - von überall her der Verkehr, Fahrräder, leichte Zweitakter, große und
kleine PKWs, LKWs, Busse… ein unbeschreibliches Chaos, fast wie übereinandergeschichtet. Alle
nur darauf bedacht, den nächsten freien Millimeter zu beanspruchen. Bei einem Abbiegemanöver
setzte der Bus auf der Straße, in die er einbiegen wollte, auf. Ohne dass sich im gesamten
Verkehrsfluss etwas verändert hätte, gelang es ihm, durch Zurück- und Vorsetzen frei zu kommen und
die Fahrt fortzusetzen. Nun habe ich verstanden, warum zwei Fahrer dabei waren.
In dieser Stadt gibt es aber auch noch einen anderen Brauch. Abuel erzählte, dass jedes Jahr
Anfang Mai ein Miniaturen-Markt stattfindet, auf dem es alles, ausnahmslos alles, was Menschen in
ihrem Umfeld erschaffen, als Miniatur zu kaufen gibt: Autos, Tiere, Häuser, Büros, Geldscheine,
Hochzeitskleider, sogar Universitätsdiplome und Doktorarbeiten. Die Menschen kaufen auf dem
Markt eine Miniatur von dem, was sie sich im folgenden Jahr wünschen, und gleich neben dem Markt
stehen Paq'os / Yatiris und katholische Priester bereit, um diese Miniaturen zu segnen. Viele gehen
vorsichtshalber zu beiden.
Es war schon dunkel, als wir schließlich in der Hotelanlage
(in einem Vorort, direkt am Titicacasee) ankamen. Mein Zimmer
lag im vierten Stock ohne Aufzug. Dreimal verlor ich den
Hotelangestellten mit meinem Gepäck in den weiträumigen,
verwinkelten Fluren aus den Augen. Stufe um Stufe und nach einer
gefühlten Viertelstunde war ich endlich oben und wurde mit einer
fantastischen Aussicht über den See belohnt. Ich muss wohl eine
Weile eingeschlafen sein. Als ich wach wurde, sah ich wie unten
im Park Michelle Karen mit einigen anderen unser Despachopaket verbrannte. Da dies nach einer
Zeremonie Vorschrift ist, gibt es überall im Land dafür problemlos Feuerstellen. Es war ein riesiges
Feuer und brannte noch lange. Nur die Aussicht, danach wieder in den 4. Stock hoch zu müssen, hielt
mich davon ab, nach unten zu gehen.
36
J. E. Krösel / www.KROESEL.com.
29 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Aramu Muru Tor
Heute ist unser 10. Reisetag, der 21.12.12. [Numerologisch sind das, je nachdem, wie man
rechnet, entweder 9 Tage (Vollendung) oder auch 10 Tage nach dem 12.12.: Die Zehn steht für
Neuanfang…] Wir brechen wieder früh um 6.30 Uhr auf. Unser großes Gepäck bleibt im Hotel. Ich
bin noch einmal zurückgegangen (freiwillig in den vierten Stock!) und habe kurzfristig umgepackt und
alles für die Übernachtung Benötigte mit in meinen Rucksack getan. Dieser Eingebung war ich später
sehr dankbar.
Ich habe ziemliche Kopfschmerzen, das Klima bzw. die Höhenlage macht mir sehr zu
schaffen. Deshalb erlebe ich die folgenden Tage wie in einem leichten Nebel. Dabei sollte ich mich
doch eigentlich freuen: Die Menschheit - wir - haben es geschafft! Der 21.12. ist das kalendarische
Datum - die Energien haben sich schon längst verlagert - vom Ende einer alten zum Beginn einer
neuen Zeitepoche. Innerhalb eines Zeitraumes von 25.625 Jahren dreht sich die (schiefe) Erdachse
einmal um die Senkrechte auf ihrer Bahnebene herum und beginnt einen neuen Zeitzyklus37
. Dabei
erscheint es in einem Zeitfenster von 36 Jahren fast so, als lägen aus Sicht des Planeten Erde alle
übrigen Planeten einschließlich der Sonne unseres Sonnensystems auf einer Achse, die weit in das
Zentrum des Universums hineinreicht. Diese Fein-Angleichung an die gerade Ausrichtung auf der
Achse dauerte 18 Jahre, jetzt haben wir die exakte Mittellage erreicht, und es dauert weitere 18 Jahre,
dass sich diese Angleichung wieder langsam auflöst. Zur Mitte des letzten Jahrhunderts ließen die
Wahrscheinlichkeiten noch erwarten, dass sich die Menschheit (erneut) auslöschen würde, doch seit
der Harmonischen Konvergenz 1987 wuchsen das Bewusstsein und die energetische Schwingungsrate
auf dem Planeten beständig, so dass die Menschheit erstmals bewusst in einen Aufstiegsprozess geht,
ohne den physischen Körper abzulegen. Pachakuti ist eingetreten, die Zeit der großen Bewusstseins-
veränderung für die Menschheit, die Zeit der veränderten Paradigmen und einer neuen Sicht der
Wirklichkeit, die Zeit der geöffneten Herzen und des Friedens auf der gesamten Erde. Es ist die Zeit
zu erwachen und uns zu erinnern, wer wir wirklich sind. Glaubt man den Aussagen, dann wird die
Manifestierung dieses Ereignisses ein langsamer Prozess über wahrscheinlich zwei Generationen sein,
bis die alte Energie von den heranwachsenden jungen Menschen in der neuen Energie abgelöst wird.
Die Veränderungen werden so unmerklich sein, dass wir nur rückblickend feststellen können, dass wir
nicht mehr dieselben sind.
Nach ca. 26.000 Jahren haben wir einen Zyklus beendet, und ich hatte geplant, das ausgiebig
zu feiern. Bereits auf der Zugfahrt zum Machu Pichhu überlegten wir scherzhaft, ob wir nicht einen
Regisseur finden, der unser Zusammentreffen jetzt mit Episoden aus den letzten 26.000 Jahren unseres
Lebens verfilmt… Und nun stehen wir einfach nach unserem kleinen, durch starken Wind behinderten
37
Für diesen Zyklus gibt es viele Namen: Weltenjahr, Platonisches Jahr, Yuga usw.
30 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
(unterstützten?) Despacho und dem Bewusstsein, dass die Erde soeben in eine andere Energie
eingetreten ist mit unseren Lichtschwertern im Halbkreis vor dem Aramu Muru Tor, einem Tor in
einer surrealen Landschaft aus roten Sandsteinfelsen, teils gerundet (bearbeitet), teils wild zerklüftet in
wilden Formationen und tönen, während wir nach und nach das kleine Tor und die konkav in die
Wand eingelassenen Säulen zu beiden Seiten betreten. Der Himmel war tiefblau mit grandiosen
Wolkenformationen, und mit dem Tor im Rücken hat man einen großartigen Ausblick über den weiten
Titicacasee. Viele Reiseführer erwähnen diesen Ort bis heute nicht. Es scheint, dass er in spirituellen
Kreisen als Pforte in eine andere Dimension verbreiteter ist. Das Tor und den Namen hat Jorge L.
Delgado vor ca. 20 Jahren bekannt gemacht, nachdem er dort eine sein Leben verändernde Vision
hatte und später auch andere dorthin führte.
Aramu Muru verbindet uns wieder mit der
im früheren Coricancha Tempel in Cusco
aufbewahrten Golden Sonnenscheibe. Diese
erinnerte in Lemurien die Menschen an ihre wahre
Herkunft von der Großen Zentralen Sonne (Hatun
Inti). Der Legende nach brachte der große Meister
Aramu Muru nach dem Untergang Lemuriens diese
Scheibe nach Cusco, und die Inkas nutzten sie, um
direkte Informationen von ihrem Sonnengott
(Viracocha), dem universellen Geist im Zentrum der Galaxis, zu empfangen. Kurz vor dem Eintreffen
der Eroberer im 15. Jahrhundert brachte Aramu Muru die Goldene Scheibe in der unterirdischen
Kristallstadt im Titicacasee in Sicherheit und verließ den Planeten durch das Tor von Aramu Muru.
Der Legende nach wird die Goldene Scheibe mit dem Pachakuti, der Zeitenwende, wieder aus dem
See aufsteigen.
Wir waren nicht die erste Gruppe, doch
unsere Vorgänger waren soeben fertig und zogen
sich vom unmittelbaren Vorplatz zurück. Bis dicht
hintereinander die nächsten Busse mit weiteren
Gruppen kamen, hatten wir viel Zeit und Muße, die
Energien der Tür und der beiden Säulen
aufzunehmen. So verbrachten wir den ganzen
Vormittag überwiegend schweigend in diesem
Energiefeld. Einige erkletterten die umliegenden
Felsen oder genossen die Sonne auf dem flachen
Hang oberhalb des Tores, andere blieben einfach in
der Nähe davor - richtig entfernen mochte sich
31 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
niemand. Im Bus tauschten wir unsere sehr persönlichen Erfahrungen aus. Ja, es ist ein interdimen-
sionales Tor. Ja, es gibt die Kristallstadt im Wasser.38
Ja, die Goldene Scheibe ist aus dem Wasser
aufgestiegen und goldene Tropfen aus flüssigem Licht haben die Epiphyse aktiviert, bevor sie ins Herz
sanken. Und ja, wir haben später auch ein UFO über dem See gesehen.39
Abuel bemerkte im Bus, dass ich Kopfschmerzen hatte, und er gab mir eine sehr wirksame
Druckakupunktur am Handgelenk. Außerdem sollte ich noch zwei Cocablätter lutschen, die er mir
anschließend auf die Schläfen klebte. Sie sollten dort bleiben, bis sie sich selbst lösen. Ich weiß nicht,
wann und wo er die kleinen würzigen Zweige gepflückt hat, die er mir zum Riechen gab. Dieses Kraut
wächst wild und ist allgemein als ein gutes Mittel gegen die Höhenkrankheit bekannt. Seine
Behandlung hat mir gut geholfen. Ich erfuhr von ihm, dass die Einheimischen bewusst mit vielen
Dingen leben. So ist jeder Wochentag einer Farbe zugeordnet, und man trägt nach Möglichkeit etwas
in dieser Farbe bei sich. Als Allheilmittel gilt der erste Morgenurin. Er behandelt damit seine
Ohrprobleme. Bei schweren Erkrankungen, deren Ursache unbekannt ist, wird ein Meerschweinchen
(einer besonderen Rasse) auf den Körper gebunden und am anderen Tag seziert: Im Körper des Tieres
befindet sich ein genaues Abbild des kranken Körpers, und die erkrankten Stellen können lokalisiert
werden. Anschließend wird das Meerschweinchen mit einem besonderen Ritual bestattet, bei dem ihm
für seinen Dienst gedankt wird. Wäre ich nur wacher gewesen, ich hätte bestimmt viel mehr behalten.
Die Weiterfahrt wurde noch einmal bei Bebedero
del Inca, auch einem alten Kultplatz, unterbrochen. Abuel
wies uns darauf hin, die langgestreckten Felshügel hinter
dem kleinen nach Osten gerichteten Türmchen (ein
Kultplatz der Inka zur Begrüßung der Sonne) zu betrachten
Sie sind aus demselben Sandstein wie Aramu Muru und
gehören
auch
eigentlich noch zum Hinterland dieser Felswüste.
Unverkennbar hatten sie die Gestalt einer Schlange.
An der Straßenseite führen einige Stufen auf ihren
Rücken, und es war einfach verlockend, auf ihm bis
zum Ende zu laufen. - In der Weite der
peruanischen Hochebene verzerren sich leicht die
Maßstäbe: Der Rücken der Schlange war ca. 3 - 7
m hoch und 70-80 m lang. - Wieder hatte ich das
38
Der alte Name des Titicacasees lautet Winjaymarca, d.h. 'Die ewige Stadt'. 39
Die Einheimischen berichten ganz selbstverständlich von UFOs, die immer wieder gesehen werden. Im See befindet sich eine Basis mit
der Funktion einer Versorgungsstation.
32 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Gefühl eines starken Kraftplatzes. Später las ich bei Jorge L. Delgado, dass an diesem Ort die Felsen
auch noch den Rücken eines Puma vollkommen mit der Schlange verschmelzen lassen und ein paar
Meter weiter in einer Felswand ein alter Kondor, der traditionelle kosmische Bote, zu finden ist.40
Alle
drei Welten der Inka hatten ihre Zugänge in unmittelbarer Nachbarschaft, und das heute noch direkt
neben der Autobahn.
Titicacasee
Über eine Stunde lang fuhr der Bus bereits am See entlang, bevor wir in einem kleinen Hafen
auf ein noch kleineres Boot umstiegen, das uns nach Amantani bringen sollte. Diese Insel (15 qkm,
vergleichbar mit der Größe von Juist) liegt noch hinter
Taquile, einer ebenfalls sehr bekannten Insel, und die
Fahrt dauerte fast dreieinhalb Stunden. Der Titicacasee
ist der zweitgrößte Binnensee Südamerikas, das jedoch
auf einer Höhe von 3.800 m. Er hat eine Fläche von
8.372 qkm (Bodensee: 536 qkm) und wird auch für die
Handelsschifffahrt benutzt. An seiner tiefsten Stelle ist
er 284 m tief (Bodensee: 254 m). Auf dem See
befinden sich 32 Inseln, Amantani und Taquile wetteifern um die Unterbringung von Touristen. Auf
beiden Inseln gibt es keine Hotels, und wir schliefen für eine Nacht in den privaten Unterkünften der
Einheimischen.
Müde und hungrig legten wir schließlich auf der Insel an. Das gemeinsame Mittagessen
wartete schon - das Dorf liegt jedoch an einem Hügel, und es gilt wieder einmal, 100 Höhenmeter zu
überwinden. Als Claire gar nicht mehr weiterkommt,
verschwindet ein Dorfbewohner kurz und kommt mit einer
Schubkarre mit Decken zurück. So schafft sie die letzte Etappe.
Das Mittagessen war einfach, Suppe und Hauptgericht. Ich
weiß nicht
mehr, was es
gab, aber es
schmeckte
und tat unseren ausgehungerten Mägen gut.
Michelle Karens Vorschlag für ein anschließendes
Despacho kam gut an - aber bitte nicht in den
Tempeln auf einem der beiden Berge, die ca. 200 m
über der Wasserfläche liegen. Wegen des starken
Windes führten wir es schließlich im Innenhof eines der Häuser durch und weil dieses Mal in der
40
Andean Awakening. S. 12f.
33 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Zeremonie alle 'großen' Wünsche für die neue Zeit übergeben wurden, sollte das Opferpaket nicht
verbrannt, sondern am anderen Tag im Titicacacsee übergeben/versenkt werden. Abends verabredeten
wir noch eine Feuerzeremonie.
Es war der erste Abend auf der ganzen Reise, bei der ich wenigstens ein paar Sterne gesehen
habe, als der Himmel ein wenig aufriss und plötzlich die Wolken einen auffallenden zusätzlichen
schmalen Ring mit einem großen Durchmesser um den großen, regenbogenfarbenen Halo des Mondes
bildeten. Für die Nacht wurden wir auf mehrere Familien aufgeteilt. Alle Dorfbewohner sprechen
Quechua, viele aber auch Spanisch. Doch auch wenn ich besser Spanisch gekonnt hätte, wäre ich zu
müde gewesen, mich mit ihnen zu unterhalten. Die Betten waren einfach, wie früher in unseren
Jugendherbergen. Abends war es bitter kalt geworden, der Titicacasee ist dafür bekannt, und
irgendwann fror ich in meinem Sommerschlafsack und kroch schließlich unter eine der dicken
Lamahaardecken. Ich hatte den ganzen Tag keine Hunde gesehen und auch keine bellen hören und
entschied mich deshalb irgendwann, doch das Toilettenhäuschen im Garten aufzusuchen. Es blieb
wirklich still im Dorf, und die Schüssel unter dem Bett wurde nicht gebraucht.
Das Frühstück am anderen Morgen war einfach und gut. Wir nahmen es im Innenhof ein. Als
Sicht- und Windschutz und
zum Schutz gegen freilaufende
Tiere hat jedes Haus den
Vorplatz durch einen Zaun
abgegrenzt. Deshalb sieht man
von außen nicht die aus
kleinen, runden, schwarzen und weißen Kiesel kunstvoll wie ein Teppich gemusterten Pflaster. Die
Familie einschließlich der Großmutter bot noch die eigenen Strickereien und Webereien an. Als
Gastgeschenke unsererseits sind bei den einheimischen Familien vor allem jene Dinge willkommen,
die sie nicht selbst anbauen oder herstellen können. Konserven sind dazu auch noch haltbar. Dann
trafen wir uns alle wieder auf dem Weg zum Bootssteg. Der starke Wind des Vortages entwickelte
sich auf dem Wasser zu einem kleinen Sturm, und das kleine Boot schaukelte so heftig in den hohen
Wellen, dass alle, die dabei sein wollten, wie im Heck das Opferpaket dem Wasser übergeben wurde,
Schwimmwesten tragen mussten.
Es war vorgesehen, dass wir auf der
Rückfahrt mit einer anderen Gruppe auf einer
anderen Insel zusammentreffen sollten. Doch
der See hatte anderes mit uns vor. Der starke
Wind zwang das Boot, in der Nähe von
Llachon auf der Halbinsel Capachica
34 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
anzulegen. Und plötzlich landeten wir an einem einsamen Strand wie aus einem Reiseprospekt, sanfte
Hügel, sattgrüne Pinien, tiefblauer Himmel und weißer Sand. Der Wind war immer noch sehr kalt,
doch zu meiner Überraschung hatte sich der Sand
schon so aufgewärmt, dass es sogar durch die
Kleidung angenehm spürbar war. Michelle Karen
führte uns in einer schnell improvisierten Meditation
durch das Tor von Aramu Muru in die Kristallstadt
und wieder wohlbehalten an den Strand zurück. Wir
hatten ähnliche Erfahrungen und tauschten uns über
die, zum Teil berührenden, Erlebnisse aus. "Es wird
für alle gut sein, ihr Herz zu öffnen und jegliche
Einschränkung abzulegen, die verhindert, sich voll
auf den mystischen Charakter dieser Reise einzulassen. Darüber hinaus wird es hilfreich sein, den
Drang abzulegen, die Erfahrungen zu "vergleichen", weil das unweigerlich zurück in die Polarität und
das lineare Denken der dritten Dimension führen würde." (zu Beginn der Reise gechannelte
Botschaft). Wieder war es Zeit, den Eindrücken nachzusinnen und die vielen Erlebnisse ungestört zu
verarbeiten, und wieder zerstreuten wir uns meist einzeln über den großen Strand. Fünf gingen zum
Schwimmen ins Wasser.41
Alle brauchten ihre Zeit.
Bestimmt zwei Stunden haben wir so verbracht und wussten noch nicht, dass Pachamama,
Mamakocha und die Freunde aus der Kristallstadt das Zusammensein mit uns noch weiter hinaus-
zögern und uns mit einer besonderen Energie beschenken wollten. Der geplante Besuch der berühmten
schwimmenden Schilfinseln würde aus zeitlichen Gründen ausfallen, und wir gingen alle an Bord mit
der Freude auf das bevorstehende Mittagessen. Doch gerade, als das Boot richtig Fahrt aufgenommen
hatte, fiel der Motor aus. Der Bootsführer hatte ein Ankerseil der auf dem Wasser treibenden
Forellenfarmen übersehen und es gekappt. Dieses Tau hatte sich so fest um die Schraube gewickelt,
dass nichts mehr ging. Mario, ein Mann wie ein Baum, stieg sogar mit einem Messer ins eisige Wasser
und tauchte erfolglos unter das Boot. Die Schiffsschraube hatte sich verbogen. Also floaten wir. Wir
befanden uns auf dem Wasser, aber wir bewegten uns nicht fort, das heißt, obwohl wir auf dem
Wasser trieben, waren wir in gewisser Weise geerdet und mit der „statischen“ Präsenz des
Kristallgitters verbunden, was eine Energie erzeugt, die ähnlich reflektierend ist wie das Wasser. Wer
weiß, in welcher Form wir dort mit vergangenen und zukünftigen Energien im Austausch gewesen
sind. Es begann heftig zu regnen, und der aufkommende Sturm ließ das kleine Boot in dem starken
Wellengang ganz schön tanzen. Einigen bekam das leider gar nicht. Ich selbst habe die Situation wie
durch einen Filter erlebt; meinem Körper ging es überhaupt nicht gut, und ich hatte nur das Bedürfnis
zu schlafen zu. Doch manchmal wirken Energien ja auch auf anderen Ebenen…
41
An dieser Stelle war gar nicht vorstellbar, dass der Titicacasee zum "bedrohten See des Jahres 2012" erklärt worden ist und dass
Umweltschutzorganisationen das Einleiten von ungefiltertem Klärschlamm aus den Städten und Dörfern und von ungereinigten giftigen Abwässern aus illegalen Minen anprangern. S.a.: http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-08.
35 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Nach drei Stunden tauchte schließlich das Schnellboot am Horizont auf. Der Inhaber der
Reiseagentur war mitgekommen, um sich selbst ein Bild zu machen, doch zu seinem Erstaunen fand er
uns völlig unaufgeregt vor. Alle halfen sich umsichtig beim Umsteigen und Versorgen des Gepäcks,
und mit dem havarierten Boot am Schleppseil konnte die Weiterreise fortgesetzt werden. Bei der
Alternative, entweder unterwegs das ausgefallene Mittagessen provisorisch und mit neuer Wartezeit
nachzuholen oder unsere Bestellung jetzt an unser Hotel zu geben, so dass alles bei unserer Ankunft
fertig sei, wählten wir die zweite Lösung - natürlich als ersten Gang eine heiße Quinoa-Suppe. Für das
für diesen letzten Tag unserer Reise geplante festliche Abschiedsdinner, das sich quasi anschloss,
hatten wir nur noch wenig Appetit. Wir waren nach dem langen Tag noch so mit unserem
"Ankommen" beschäftigt, dass der Gedanke an Abschied gar nicht aufkam. Meine medial begabte
Heilpraktikerin hatte mir geraten, um den 21.12. herum alles zu tun, damit das Blut möglichst
dünnflüssig sei und die ungeheure einströmende Energie gut verteilt werden könne, und plötzlich
erinnerte ich mich, dass ja auch Alkohol das Blut verdünnt. So habe ich leider erst an diesem Abend
Pisco Sour entdeckt, das peruanische/südamerikanische Nationalgetränk, ein köstlicher leichter
Aperitif aus klarem Traubenschnaps mit Limetten und gestanztem Eis. Bei meiner nächsten Reise
werde ich bestimmt schon am ersten Tag prophylaktisch mit dieser Blutverdünnung beginnen!
Am anderen Morgen trennten sich unsere Wege wieder. Einige waren schon sehr früh mit dem
Taxi zum Flughafen gefahren, andere blieben noch im Hotel (Das werde ich beim nächsten Mal auch
tun.), und alle übrigen fuhren um 8.30 Uhr mit dem Bus zum Flughafen nach Juliaca, von wo sie am
späten Vormittag mit verschiedenen Gesellschaften zurück nach Lima flogen. Es war der 23.
Dezember, die Flughafenmitarbeiter*innen trugen Nikolausmützen, und auf der kleinen Startbahn war
der Weihnachtsmann persönlich im Einsatz. In der Wartehalle tanzten spontan einige aus unserer
Gruppe und andere Fluggäste zur Musik einer peruanischen Musikgruppe.
36 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012
Nach der Landung in Lima bin ich noch einmal einigen bei der Gepäckausgabe begegnet,
später zufällig noch einmal im Hotel, und dann erfuhren alle Freunde auf Facebook, dass wir wieder
gut daheim angekommen waren42
.
"Tupananchiscama - bis ich dich wiedersehe", sagen die Menschen in den Anden. Was
werden wir wohl erlebt haben, wenn wir uns in 26.000 Jahren wiedersehen?
Wenn ich zurückschaue, bin ich von Dankbarkeit erfüllt.
Wenn ich nach vorn schaue, erfüllt mich meine Vision.
Wenn ich nach oben schaue, bin ich angefüllt mit Kraft.
Wenn ich nach innen schaue, erfahre ich Frieden.
(Weisheit der Quero)
überarbeitet 18.06.2018
Karla Engemann
www.klang-weg.de
42
Dank Facebook war es mir möglich, einige Fotos zu übernehmen, die einfach besser waren. Ich danke Michelle, Henri, Lee, Salinna
und Tatjana für ihre Erlaubnis.