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1 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012 Mystische Reise auf den Spuren der Inka vom Machu Picchu bis zum Titicacasee Jedes Land hat seinen eigenen Geruch. Peru riecht nach Eukalyptus. Einzelne Bäume, aber auch ganze Wälder prägen mit ihren leuchtend blaugrünen Blättern die vorbeiziehende Landschaft. Am späten Vormittag sind die letzten unserer Gruppe in Cusco gelandet, und nun fährt der Bus mit einer angenehmen Geschwindigkeit - Augen und Gehirn können in Muße sehen, staunen und verarbeiten - durch das Hochland von Peru. Bis zur Ankunft in Pisaq werden noch mehrere Stunden vergehen. Es regnet leicht, in Peru ist Sommer und hat die Regenzeit begonnen, und mein Körper muss sich noch an die Höhe (3.400 m) anpassen. Ich falle in einen leichten Schlaf. Der Ruf der Anden Obwohl ich schon häufig etwas über die Weisheit der Indigenen gehört und von dem Zusammentreffen des Rats der Ältesten aller indigener Völker des Planeten, der aufgrund der anstehenden Zeitenwende zusammengekommen sei, konnte ich diese Informationen nicht einordnen. 2010 kam ich in Kontakt mit Munay-Ki (ein aus 9 Schritten bestehender Ritus der Quechua). Ich bekam eine Ahnung von der Präsenz und Weisheit der Linie der Medizinmänner und -frauen. Später begegnete ich Alberto Villoldo, und dank seiner Anleitungen sowie Büchern weiterer Autoren festigte sich mein Zugang zur indigenen Spiritualität. Sie war mir vertraut, doch auch noch fremd. Im Oktober 2010 - ich hatte zum Kontinent Südamerika keinen Bezug - hing ich aus irgendeinem Impuls heraus das Foto eines Anden- gipfels über meinen Schreibtisch, und ich erinnere mich noch gut an meine spielerische Fragestellung: "Ob sich das wohl irgendwann manifestiert?!" Im Frühjahr/Sommer 2011 erwähnte Michelle Karen 1 in einem News- letter, dass sie zum 21.12.2012 eine Reise nach Peru plane. Am 1 Amerikanische Astrologin: www.michellekaren.com; "Michelle Karen" <[email protected]>

Mystische Reise auf den Spuren der Inka vom Machu Picchu ... · vom Machu Picchu bis zum Titicacasee Jedes Land hat seinen eigenen Geruch. Peru riecht nach Eukalyptus. Einzelne Bäume,

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Page 1: Mystische Reise auf den Spuren der Inka vom Machu Picchu ... · vom Machu Picchu bis zum Titicacasee Jedes Land hat seinen eigenen Geruch. Peru riecht nach Eukalyptus. Einzelne Bäume,

1 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Mystische Reise auf den Spuren der Inka

vom Machu Picchu bis zum Titicacasee

Jedes Land hat seinen eigenen Geruch. Peru riecht nach Eukalyptus. Einzelne Bäume, aber

auch ganze Wälder prägen mit ihren leuchtend blaugrünen Blättern die vorbeiziehende Landschaft.

Am späten Vormittag sind die letzten unserer Gruppe in Cusco gelandet, und nun fährt der Bus mit

einer angenehmen Geschwindigkeit - Augen und Gehirn können in Muße sehen, staunen und

verarbeiten - durch das Hochland von Peru. Bis zur Ankunft in Pisaq werden noch mehrere Stunden

vergehen. Es regnet leicht, in Peru ist Sommer und hat die Regenzeit begonnen, und mein Körper

muss sich noch an die Höhe (3.400 m) anpassen. Ich falle in einen leichten Schlaf.

Der Ruf der Anden

Obwohl ich schon häufig etwas über die Weisheit der Indigenen gehört und von dem

Zusammentreffen des Rats der Ältesten aller indigener Völker des Planeten, der aufgrund der

anstehenden Zeitenwende zusammengekommen sei, konnte ich diese Informationen nicht einordnen.

2010 kam ich in Kontakt mit Munay-Ki (ein aus 9 Schritten bestehender Ritus der Quechua). Ich

bekam eine Ahnung von der Präsenz und Weisheit der Linie der Medizinmänner und -frauen. Später

begegnete ich Alberto Villoldo, und dank seiner Anleitungen sowie Büchern weiterer Autoren festigte

sich mein Zugang zur indigenen Spiritualität. Sie war mir vertraut, doch auch noch fremd. Im Oktober

2010 - ich hatte zum Kontinent Südamerika keinen Bezug - hing ich aus irgendeinem Impuls heraus

das Foto eines Anden- gipfels über meinen

Schreibtisch, und ich erinnere mich noch

gut an meine spielerische Fragestellung: "Ob

sich das wohl irgendwann manifestiert?!" Im

Frühjahr/Sommer 2011 erwähnte Michelle

Karen1 in einem News- letter, dass sie zum

21.12.2012 eine Reise nach Peru plane. Am

1 Amerikanische Astrologin: www.michellekaren.com; "Michelle Karen" <[email protected]>

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2 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

15.8.2011 [im Nachhinein errechnete Quersumme: 9, d.h. Vollendung] traf ich die Entscheidung,

daran teilzunehmen. Danach war innerhalb von zwei Wochen mein Terminkalender für den Rest des

Jahres und das Jahr 2012 mit Aufträgen voll: Flugticket und Reisekosten waren gesichert.

Was ist das für eine Gruppe, die sich zu dieser 12-tägigen mystischen Reise an die heiligen

Stätten der Inka zusammengefunden hat? Statistisch sind es 22 [numerologisch eine Meisterzahl]

Personen aus 9 Ländern2, 16 Frauen und 6 Männer zwischen 17 und 75 Jahren, später am Titicacasee

kommen noch zwei Mitreisende hinzu. Die wenigsten kannten sich vorher - d.h.: in diesem Leben…

Spirituell sind es ausnahmslos alte Seelen, die zum Pachakuti3 "zu Hause" sein möchten.

Verschiedene Botschaften/Channelings, die einige Gruppenmitglieder daheim oder auch unterwegs an

verschiedenen Orten erhielten, sagten unabhängig voneinander alle dasselbe: Diese Reise würde für

alle weitreichende Auswirkungen zeigen. Die Zusammensetzung der Gruppe sei kein Zufall, auch

nicht das Zusammentreffen an unserer ehemaligen gemeinsamen Wirkungsstätte. "Wenn ihr nach

diesem Abenteuer wieder alle bei euch zu Hause seid, werdet ihr eine sehr große Einweihung

abgeschlossen haben, die vor langer Zeit begann." (Botschaft aus einem Channeling)

12.12.2012

Unsere gemeinsame mystische Reise beginnt also am 12.12.12 mittags im Meditationsraum

des Hotels in Cusco, der großräumig, hell und zu einem

Innenhof mit üppigen blühenden Pflanzen geöffnet ist.

In unsere Meditation mischen sich einige Böller von

draußen. Die Reiseleitung stellt sich vor. Michelle Karen

hatte sich bereits am Vorabend im Hotel mit den schon

vorher Angereisten getroffen. Den Rest, der wie ich erst

im Verlauf des Vormittags ankam, hatte sie mit Jose,

unserem jungen Reiseführer für das Heilige Tal,

persönlich am Flughafen abgeholt. Zwischen beiden sitzt

in der farbenfrohen Landestracht gelassen, mit einem

wachen Blick, ein Q'ero und direkter Nachkomme der

Inka - Don Pasqual, ein Schamane4. Michelle Karen hat

zu seiner Familie eine persönliche Beziehung, und schnell nehmen wir es für selbstverständlich, was

es gar nicht ist, dass er und seine Frau Santuzza uns all die Tage begleiten und an wichtigen heiligen

Plätzen eine Zeremonie durchführen. Sein Alter lässt sich nicht schätzen. Er spricht gut verständlich

2 Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Kanada, Litauen, Luxemburg, Russland, USA

3 Pachakuti: "Zeitenwende/Zeit der Umkehr zur Essenz, zum inneren Licht". Nach Auffassung der Inka endet nun ein großer Zyklus der

Dunkelheit, und es beginnt ein neuer kosmischer Zyklus mit Lichtjahren. 4 Der Begriff 'Schamane' kommt aus dem Englischen. Die Inka-"Priester" heißen in den beiden heute noch gesprochenen Dialekten

'paq'o' (Quechua, gesprochen in der Gegend von Cusco) bzw. 'yatiri' (Aymara, gesprochen in der Region von Puno, vor dem Quechua

in der Vor-Inkazeit entstanden).

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3 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Spanisch; schade, dass ich nur das notdürftige Touristen-Überlebens-Spanisch beherrsche. Ich hätte

gern so viele Fragen gestellt. Eine wurde beantwortet: Wie wird man Schamane? Die Tradition kennt

zwei Wege: Die klassische Form ist die Weitergabe des geheimen Wissens über Generationen in der

Familie. Don Pasqual wurde über den zweiten Weg geleitet. Ein Blitz traf ihn, er hat überlebt und

erhielt innerhalb von ungefähr zwei Jahren den geballten 'kosmischen Download' zum Paq'o.

Da sind wir also, angekommen am 12.12.12. Was

hat es mit diesem Datum auf sich? Astronomische Berechnungen

geben keinen Hinweis auf eine besondere Konstellation. Die

weltweite Ausrichtung auf dieses Datum als Höhepunkt des

Kalenderjahres 2012 war also 'Menschenwerk'. Was faszinierte

die Menschen so, dass sie sich weltweit verbanden, um dieses

Datum zu feiern? Natürlich ist da die Freude an 'schönen' Zahlen

[dreimal die Zwölf], verbunden mit dem erleichterten Gefühl, dass das Jahr im Monat Dezember nun

bald (mehr oder weniger gut) abgeschlossen ist. Die Numerologie kann uns Einsicht in tiefere

Schichten eines Ereignisses gewähren. Da ist zunächst die Zwölf, die im Universum gültige

Berechnungseinheit. Die Zwölf bedeutet Ganzheit, wenn sie erreicht ist, beginnt ein neuer Zyklus,

numerologisch dargestellt durch die Quersumme 3 [1+2]. Die Drei steht für einen Katalysator. - Wir

haben also ein von Menschen gemachtes Ereignis, das mit seiner Energie etwas auslösen, bewirken

wird. Diese Drei wird auch noch dreimal! wiederholt - in manchen Veranstaltungen sogar fünfmal [12

Uhr 12] - Die Fünf steht für Veränderungen… Die reine Quersumme des Datums ist 9 [3+3+3]. Die

Neun steht für Vollendung. - Das Jahr 2012 ist (fast) rund, und der Zeitzyklus nach dem Mayakalender

auch, doch dazu kommen wir später. Wenn wieder die Uhrzeit hinzugerechnet wird, ergibt sich, je

nach Ansatz entweder 5*12 = 60 [6+0] oder 5*3=15=6. Die Sechs ist eine heilige, eine göttliche Zahl.

Die spirituellen Gruppen auf dem gesamten Planeten haben also alle in derselben Energie

gefeiert - Abschluss, Freude über Erreichtes, Vorfreude auf bevorstehendes Neues, aber auch die

Ungewissheit vor dem unbekannten nächsten Schritt - und damit eine Welle erzeugt, deren Ausmaß

im Universum wir uns wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen können.

Und auch wir verbanden uns energetisch mit dem erzeugten globalen Kraftfeld und stimmten

uns ein auf den Reiz der gemeinsamen 'mystischen Reise' - äußerlich in dieses fremde, vertraute Land

Peru, und innerlich in unser eigenes Sein. "Dies ist für euch alle ein Riesenschritt ins Quantum."

(gechannelte Botschaft) Entsprechend lautete die Agenda: "Wir schlagen vor, dass ihr es zulasst, wie

sich die Dinge in jedem Augenblick entfalten - alle Planungen und Tagesordnungen würden nur die

Spontaneität, wie sich die Dinge entfalten wollen, behindern." Wie schon gesagt, es war eine Gruppe

alter Seelen, alle konnten sich mit dieser Grundhaltung identifizieren, und ich habe noch nie eine

derart ausgeglichene, harmonische Gruppe erlebt. Alle waren pünktlich, niemand jammerte oder

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kritisierte, Selbstdarstellung und Dramen waren offensichtlich in anderen Lebenszeiten hinreichend

ausgekostet worden, und nun brachten alle ihre gelassenen, heiteren und fürsorglichen Eigenschaften

ein. "Der Himmel bescherte mir die liebevollste, spirituellste und fröhlichste Gruppe. Wir lachten und

weinten, reflektierten tief über unser Leben, veränderten uns profund und kamen als andere Menschen

mit einem offeneren Herzen, einer größeren Bewusstheit darüber, wer wir sind, und einem größeren

Licht zurück, um es mit der Welt zu teilen." (Michelle Karen, 15.1.13)

Höhenkrankheit

Den meisten von uns war jedoch zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht nach höheren

Dimensionen zumute. Lima und sein Flughafen liegen auf Meeresniveau5. Michelle Karen hat allen

geraten, erstens in Lima einen achtstündigen Stopp einzulegen, und wirklich im Hotel zu schlafen, und

zweitens sofort auf dem Flughafen Sorojchi-Pills6 zu kaufen und mit der Einnahme zu beginnen. Ich

konnte den ersten Rat nicht befolgen7 und bin in Lima sofort umgestiegen auf den Inlandsflug nach

Cusco, um zwei Stunden später auf 3.400 m Höhe zu landen. Mir ging es nicht besser als Mario8:

"Die ersten Meter habe ich mich noch völlig normal gefühlt, doch dann wurde mein Gepäck

zentnerschwer, meine Arme und Beine waren weich wie Spaghetti, und mein Kopf wurde

benommen." Doch auch die vorher Angereisten mussten sich noch an die Höhe anpassen.

Vor dem ersten Mittagessen standen also die meisten zuerst einmal Schlange vor der

Sauerstoffflasche. In allen Hotels dieser Region stehen kostenlos Sauerstoff-Atemmasken bereit, und

die Wohltat einer 10-15-minütigen Extraportion Sauerstoff ist nicht zu beschreiben. An diesem Tag

begann meine Liebe zum heißen Mate de Coca-Tee. Auch das ist ein selbstverständlicher Service in

allen Hotels. Starker Coca-Tee hilft gegen die Höhenkrankheit und steht überall, ebenfalls kostenlos,

bereit. Es gibt ihn in Teebeuteln, aber am besten schmeckt er frisch aufgebrüht mit einer guten

Handvoll Cocablättern (pro Tasse).

Peruanische Küche

Das Mittagessen war die erste Überraschung: Wie auch an den folgenden Tagen hatten wir

eine lange Tafel für uns. Die Fülle der frischen und appetitlichen Gerichte war unbeschreiblich. Es gab

mindestens: (1) köstliche Suppen: Hühnersuppe, Gemüsesuppe mit/ohne Quinoa; sie wurde unser

Favorit, und wir haben sie fast immer vorbestellt. (2) frische Salate mit aromatischen, geschälten

5 Peru wurde früher in drei Regionen eingeteilt: im Westen die trockene Wüste am Pazifischen Ozean, im Osten der Dschungel am

Amazonas - Machu Picchu liegt am Eingang des Dschungels - und in der Mitte die Anden mit der weiten Hochebene. Die offiziellen Führer sprechen heute von acht geografischen Regionen.

6 Diese Tabletten (Acetylsalicylsäure/Salophen/Koffein) gibt es erst seit einigen Jahren auf dem Markt. Nach Aussagen vieler vor Ort

haben sie die Auswirkungen der Höhenkrankheit sehr gemindert. 7 Hätte ich Michelle Karens Rat befolgt und meinen Flug für den 10.12. gebucht, dann wäre ich voll in den Streik der Flughafen-

angestellten geraten und hätte wahrscheinlich sämtliche Anschlussflüge versäumt. Es war wirklich eine 'mystische' Reise… 8 Aus Datenschutzgründen habe ich alle Namen der Teilnehmenden geändert.

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5 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Tomaten, köstlichen Schlangengurken, drei/vier verschiedenen Blattsalaten, frischen Möhren, frischen

Erbsen, gekochten frischen Strauchbohnen, peruanischem weißen Mais, Paprika, Melonen, dazu

immer in einer extra Schüssel frische Avocados. (3) warme Gemüse: Erbsen, grüne Bohnen, dicke

(Sau-) Bohnen, Maiskolben, Broccoli, grüner Spargel, Blumenkohl, Paprika, Süßkartoffeln. (4)

Beilagen: Spaghetti mit Pilzen, Risotto, drei/vier Kartoffelgerichte9. (4)

Fisch (gebratene Forellen) und Fleisch (Hühnchen). (5) Dessert: Eis,

Pudding, Obst. Wohlgemerkt: Ich spreche hier von der Auswahl einer

einzigen Mahlzeit (entweder in Schüsseln auf dem Tisch oder als Buffet),

und das erhielten wir in fast allen Hotels. Diese Fülle an frischem Obst

und Gemüse gab es auch auf den Märkten zu kaufen. Auf die größte

Spezialität der peruanischen Küche haben wir allerdings verzichtet und ausdrücklich darauf

hingewiesen, dass wir im Zweifel alle Vegetarier sind. Das Lieblingsessen und die größte Spezialität

der Peruaner sind - Meerschweinchen. Wie bei uns Hummer oder Karpfen kann man sie auch in

besonders edlen Lokalen selbst vor der Zubereitung auswählen.

Übrigens war das Frühstück ähnlich großzügig (warme Speisen: Spiegel-/Rühr-/gekochte Eier,

Würstchen, Schinken, mehrere Kartoffelgerichte, dazu Brot, Obst, Joghurt, alles in mehreren Sorten,

sowie Gebäck, köstliche Marmeladen, Honig, Aufschnitt, gut schmeckenden peruanischen Käse (2

Sorten), Cornflakes, Puff-Mais und -Amaranth usw.). "Die Andenbewohner essen gerne gut." sagt

Jorge Luis Delgado, der Inhaber der uns betreuenden Reiseagentur und Autor eines sehr

kenntnisreichen spirituellen Reiseführers10

. Dass die anstrengende und auch kräftezehrende Tour so

gut bewältigt wurde, lag bestimmt auch an der gesunden Ernährung.11

Der Tempel von Pisaq

Unser Gepäck vom Flughafen hatten wir im Bus gelassen, und inzwischen war auch das

Gepäck der am Vortag Angereisten im Bus verstaut. Gleich nach dem Mittagessen - einige ergriffen

noch schnell die Gelegenheit zu einer weiteren Dosis Sauerstoff - und den ersten Tassen Mate de

Coca-Tee fuhren wir mit dem Bus in unser nächstes Hotel nach Pisaq. Ich war müde, hatte

Kopfschmerzen, und als es anfing zu regnen, schlief ich ein.

Irgendwo unterwegs hielt der Bus an, und auf einer Lama-Farm (mit angeschlossenem großem

Verkaufsraum) erfahren wir, dass 'Lamas' zur Gattung der Kamele gehören und die vier in

Südamerika/Peru auftretenden Arten auch die Namensgeber für die aus ihrer Wolle hergestellten

Textilien sind. Alpaka ist wohl die bekannteste Qualität, noch feiner und edler sind Gewebe vom

9 Unterwegs fuhren wir durch eine Region, die bekannt ist für ihre 270 Kartoffelsorten.

10 Jorge Luis Delgado. Andean Awakening. An Inca Guide to Mystical Peru. 2006.

11 Ich kann gar nicht beschreiben, wie enttäuscht ich auf dem Rückflug über das einfache kontinentale Frühstück im 4-Sterne-Hotel in

Lima war.

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Vikunja. Die Bevölkerung findet auf den Märkten auch noch ein reichhaltiges Angebot an Ponchos aus

Schafswolle.

Wie überall auf der Welt liegen auch in Peru die meisten Städte im Tal - relativ gesehen.

Pisaq hat nur noch eine Höhe von 2970 m, und es war immer wieder spannend, wie sich der Bus von

der Hochebene in Serpentinen hinunterarbeitete und eine Stadt mit einer jeden Biegung näher kam.

Wir erreichten Pisaq erst gegen 18 Uhr, die Marktstände waren schon abgebaut, doch der Eigentümer

des Inti Wayra12

Shaman's Store hatte auf uns gewartet und noch geöffnet. Es gab dort alles, womit

sich ein Indigener mit Mutter Erde (Pachamama),

Vater Sonne (Inti/Tayta Inti) und den drei Welten

verbinden kann oder möchte: Steine, Adler-/

Kondorfedern, Flöten, Trommeln, Rasseln - und das

in einer solchen Fülle, dass es mit einem Besuch

überhaupt nicht zu erfassen ist. Dort erfuhr ich

zum ersten Mal von 'lemurischen Kristallen':

Bergkristalle in allen Formen und Größen, die an

einer Seite ein typisches Wellenmuster haben, vergleichbar einem Barcode. Der Überlieferung nach

soll das in ihnen gespeicherte Wissen abgerufen werden können, wenn man darüber meditiert.

Die drei Welten der Inka-Vorfahren begegneten uns ständig: Uku Pacha ist die Unterwelt, ihr

Symbol ist die Schlange, die für Klugheit, Geschmeidigkeit und Flexibilität steht. Eine Schlange ist

immer jung, und wie sie sollen auch wir regelmäßig unsere alte Haut abstreifen, wenn sie uns zu eng

wird, erst recht, wenn sie aus Angst, Schmerz, Kummer und Scham besteht. Kay Pacha ist unsere

reale Welt. Sie wird verkörpert durch den Puma, den Krieger und Herrscher über Leben und Tod. Er

ist immer wachsam, dabei völlig entspannt und doch stets sprungbereit. Ein Puma ist immer allein

unterwegs. Die Einheimischen sagen: "Einen Puma sieht man nicht. Doch man sieht immer, wo er

gewesen ist."13

Dies sind die Eigenschaften eines spirituellen Menschen in der Welt. Hanan Pacha ist

die obere Welt, die Welt des Lichts, des Göttlichen. Dieser Welt entstammen die großen Meister und

Lehrer der Legenden der Menschheit. In ihr sind die Apukunas (die Geister/Hüter der Berge)

beheimatet. Ihr Symbol ist der Kondor, der Bote des Kosmos, der die Wirklichkeit der Lichtwesen mit

unserer Wirklichkeit verbindet. Urteilsfrei erkennt er die Vollkommenheit der Schöpfung, egal ob er

sein Auge in die weiteste Ferne oder auf das kleinste Naheliegende richtet.

Die Unterkunft erfolgt in einer wunderschönen Hotelanlage. Ich gehe früh schlafen. Am

anderen Morgen steht die 'erste, kleine Tour' auf dem Plan.

12

Inti (Sonne; auch Name des Sonnengottes der Inka), Wayra (Wind) 13

Andean Awakening. S. 58.

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7 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Erste Zeremonie

Unsere Reiseleiter sagen uns, dass die erste Tour heute nur zwei/drei Stunden dauert und

leicht ist. Wir fahren eine lange Strecke mit dem Bus, dann erprobe ich meine neue und überhaupt

meine erste Trekking-Ausrüstung.14

Der Rucksack lässt sich leicht tragen und handhaben. Die Schuhe

sind, obwohl neu, gut eingelaufen, und ich werde weder darin müde, noch habe ich Blasen bekommen.

Die Allzweckjacke ist angenehm zu tragen und wind- und regenfest. Das Innenfutter habe ich zum

Glück zu Hause gelassen. Das Regencape ist wirklich wasserdicht und wird oft gebraucht. Als Oliver,

einer der ganz 'jungen Hüpfer', einmal über meine Stöcke spottet, verrate ich ihm, dass ich jeden

Abend vor dem Einschlafen dem Erfinder der Stöcke für seine geniale Erfindung danke, die mir

manchen Auf- und Abstieg erleichtert. Oliver habe ich dafür beneidet, dass er die ganze Tour mit

Vibram Five Fingers (also wie barfuß mit festen Sohlen) lief.

Wir gehen eine Strecke leicht aufwärts, der

Kopf ist zwar freier als gestern, aber das Gehen

fällt ein wenig schwer. In dem weitläufigen

Gelände sind noch weitere Gruppen unterwegs, auf

einem kleinen Plateau (hier gibt es sogar Toiletten)

trennen wir uns. Die anderen Gruppen besteigen

einen ca. 80 m hohen Berg, wir folgen zur anderen

Seite einem kleinen Flusstal nur noch leicht

bergauf. Ich bin erleichtert. Hier sah ich als erstes

einen Kolibri. Im Vorbeigehen hörte ich die Erklärungen der anderen

Reiseleiter und stellte für mich fest, dass mich die offizielle Version

der Geschichte Perus und der Inka überhaupt nicht interessiert, und ich

bin froh, dass wir in dem geschützten Flusstal bleiben. Diesem kleinen

Bach werden wir in einigen Tagen in Aguas Calientes wieder

begegnen, wenn er als reißender Fluss Urubamba sich unterhalb des

Machu Picchu seinen Weg zum Amazonas sucht.

Auf einer kleinen ebenen Fläche richtet Don Pasqual mit Santuzza vor einem schützenden

Felsen seine erste Zeremonie aus. In der andinen Welt war die Mutter Natur seit jeher heilig. Sie barg

das Leben und stand für die Präsenz des Schöpfers der Welt. Mensch - Gott und Kosmos bilden eine

Einheit. Um diese Einheit aufrecht und im Gleichgewicht zu erhalten, führen die Indigenen gewisse

Rituale und Zeremonien regelmäßig aus. Jose, unser Reiseführer, erklärt uns, dass wir uns am Eingang

14

Zum Glück war ich so ungeduldig, dass ich bereits im Sommer einige freie Tage dazu benutzte, die Basisausrüstung einzukaufen: In

Peru war Sommer, in unseren Outdoorgeschäften hätte ich im November aber nur warme Winterkleidung gefunden. In Cusco findet sich übrigens ein komplettes Warenangebot zur Ausstattung für Trekkingtouren.

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8 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

zum Heiligen Tal befinden und benennt uns die umliegenden Apus (Berge). Michelle Karen ermahnt

uns eindringlich, dass wir ab nun immer daran denken, beim Betreten einer neuen Landschaft, sei es

Fluss, Wasser, Berg, Tempel, die Hüter um Einlass zu bitten. An einem der nächsten Tage, als der Bus

sich auf dem aufgeweichten Lehmweg tief festgefahren hatte, erhielten wir die Ansage, dass wir nicht

um Durchlass gebeten hätten. Während wir das nachholten, packten die Reifen, und der Fahrer kam

problemlos weiter.

Ein Despacho ist eine Opfergabe an Pacha. Pacha hat in der Inka-Kosmologie eine Fülle an

Bedeutungen. Der Begriff steht für Zeit und Raum, für das Unfassbare, die drei Welten, das Geheim-

nisvolle, den Kosmos und das Göttliche. Pachamama ist die Bezeichnung für Mutter Erde. Taripay

Pacha ist die Zeit, um zu uns selbst zu finden.

Für die Inka bedeutet Leben Freude, Fülle, Balance,

Harmonie und ayni (Prinzip der Gegenseitigkeit)15

. Ein Despacho

ist Ausdruck dieses Lebens, und so ist es völlig normal, zwischen

der langen, farbenprächtigen Zeremonie aufzustehen,

umherzugehen oder miteinander zu reden. Wir hatten uns auf das

erste Despacho vorbereitet, das Pachamama und die Apus

begrüßen und um Schutz und Segen bitten sollte, nicht nur für die

Reise, sondern auch für alle unsere Dinge daheim, die von Don

Pasqual sehr spezifisch aufgezählt wurden (Haus/Wohnung,

Beruf, Auto, Geld, Familie, Kollegen usw.). Zuerst ließ Don

Pasqual aus einem großen Beutel an jede/n ein Cocablatt

verteilen. Das ist ein Geschenk und wird deshalb mit beiden Händen entgegengenommen. Mit einem

kräftigen Ausatmen wird auf dieses Blatt alle hucha gepustet, schwere Energien, die das lichtvolle

Leben blockieren. Anschließend wird es Pachamama übergeben, die alle Energien umwandelt. Die

Inka betrachten diese Wirklichkeit/Kay Pacha als Erfahrungsebene, damit wir unser gesamtes Sein mit

seinen schweren Energien (Kummer, Sorgen, Angst, Scham), mit unseren Gaben und mit der Essenz,

aus der wir unseren Ursprung haben, erkennen. Alle Menschen sind "Kinder der Sonne"16

. "Wir sind

hier, um unsere Erfahrungen in dieser Schöpfung zu machen, nicht, um uns selbst zu kritisieren und zu

verurteilen."17

Anschließend wählte jede/r aus dem Beutel mit den Coca-Blättern drei unbeschädigte,

schöne Blätter aus und legte sie zu einem Fächer, dem kintui, zusammen. Die Blätter werden meist

zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand gehalten: Die rechte Hand aktiviert Energie, die

linke Hand empfängt sie. Zeige- und Mittelfinger, die nach oben zeigen, stehen für Feuer und Luft.

15

Aus der Tatsache, dass sie sich jeden Tag gesegnet und beschirmt fühlen, erwächst für sie im Gegenzug die Verpflichtung zum

fürsorglichen Umgang mit allen Menschen und mit der Natur. 16

Kinder von Ti - Kinder der Sonne. Diese übliche Übersetzung müsste nach A. Villoldo eigentlich lauten: „Kinder des Lichts“. In der Inka-

Sprache ist Ti das Licht, In-Ti ist das helle Licht der Mittagssonne; die Sonne ist die Quelle des Lichts, doch sie ist nicht das Licht… 17

Paq'o Don Antonio in: Andean Awakening. S. 58.

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9 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Gleichzeitig werden der Ring- und der kleine Finger Erde und Wasser, in die Handfläche nach unten

abgeknickt. Der Daumen, Äther, liegt darüber. Zu Beginn rief Don Pasqual die Energien von Pacha,

Pachamama, Mama Cocha (Wasser), Inti, den Apus und wahrscheinlich noch vielem mehr an. Die

Teilnehmenden mussten sich, d.h. ihre Herkunft, nach Inka-Art vorstellen, also nach den Bergen und

Flüssen ihrer Heimat. Ich "bin" also Apu Grimme und Apu Asten18

und Mamakocha Rur19

. Auf diese

Weise verbanden sich die Apus im Heiligen Tal mit den Apus daheim.

Die Kintui erhielten noch rote und weiße Blütenblätter (Symbole für Pachamama und Tayta

Inti. Die eigenen Wünsche wurden in sie hineingehaucht, oft werden sie auch in die Luft und der

Sonne entgegengehalten, und gegen Ende der Zeremonie legt sie jede/r auf den Opferplatz. Der

Himmel zog sich zu, es begann zu regnen, und ich beobachtete Santuzza, dass wir fast gleichzeitig

unsere Hand in die vier Himmelrichtungen erhoben.

Vielleicht haben wir auch dasselbe gedacht. Der Regen

hörte bis zum Ende der Zeremonie auf. Obwohl die Sonne

nicht ganz durch die Wolken kam, hatten abends einige

einen kräftigen Sonnenbrand im Gesicht. In den folgenden

Tagen gewöhnten wir uns schnell an das sich ständig, oft

innerhalb von einer halben Stunde verändernde Wetter und wurden dafür mit grandiosen

Wolkenbildern belohnt.

Ein Despacho in allen seinen Einzelheiten zu beschreiben, ist beinahe unmöglich. Unzählige

Zutaten, getrocknete Früchte, Süßigkeiten, Miniatursymbole aus dem Alltag, Konfetti, bunte Bänder,

frische Blütenblätter, Öllampen in Gestalt eines Lamas für das Lamafett (das Lama wird geachtet als

Symbol der Liebe und des Dienens), es ist erstaunlich, was ein Schamane alles vorab für die

Zeremonie besorgt hat und aus seinem Beutel zaubert. Die Grundstruktur ist immer dieselbe, aber

jede/r hat eine ganz eigene Handschrift. Während der Zeremonie wird normalerweise nicht

fotografiert, doch als das Kunstwerk fertig war, machte selbst Don Pasqual ein Foto mit seinem

Handy. Danach wird das Opfer sorgfältig in das neungeteilte Papier eingepackt, mit kunstvoll

gewebten Bändern verschnürt und abschließend verbrannt.

Während der Zeremonie kamen einige Einheimische hinzu, die später noch mit Don Pasqual

sprachen. Ein Paq'o wird nicht dadurch Paq'o, dass er es von sich behauptet, sondern dadurch, dass ihn

die anderen als solchen erkennen und anerkennen. Häufig haben die Paq'os auch noch weiterreichende

Aufgaben in ihren Gemeinwesen, die jedoch reihum von allen Verheirateten wahrgenommen werden.

In vielen Gemeinschaften dürfen nur Verheiratete wählen, und nur Verheirateten, die auch

18

Berge im Hochsauerland, wo ich geboren wurde 19

Fluss in der Eifel, an dem ich gerade lebe

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10 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Verantwortung für ihre Familie haben, wird die jährlich wechselnde Aufgabe des Ortsvorstehers

übertragen.

Unser Rückweg zum Bus verlief dann doch noch über den gegenüberliegenden Berg, auf dem

sich Überreste einer der ersten Tempelanlagen der Inka befinden, vor allem ein System von

Wasserkanälen und Aquädukten - die Inka waren Baumeister

unvorstellbarer Bewässerungssysteme - und wohl ihr bedeutendstes

Observatorium, wobei dieser Begriff falsch ist, denn die Inka schauten

nicht nach oben, sondern bildeten die Gesetze der Gestirne in ihren

Bauwerken ab.20

Diese Anlage wurde von den Eroberern genauso zerstört

wie die nur noch im Ansatz erkennbare Bewässerungsanlage. Das

Wahrzeichen Pisaqs, das chacana (Andenkreuz), ist hier aus einem ganzen Stein gehauen. Dieses

Kreuz besteht aus vier gleich langen, dreigestuften Seiten: die vier Enden/Himmelsrichtungen der

Welt und die drei Welten. In der Mitte ist ein Loch: Hinter Vater Sonne, wissen die Inka, gibt es die

"Sonne hinter den Sonnen"21

, alles kommt aus dem Licht, und jeder Ausdruck auf der Erde ist ein

einzigartiger Strahl derselben Sonne.22

Die Aussicht über die weiten Täler und die berühmten Terrassenfelder Perus ist

unbeschreiblich. Jose zeigt mir einen Adler in der Luft. Es hatte stärker angefangen zu regnen. Jose

schob es darauf zurück, dass Oliver während des Laufens seine am Vorabend erworbene neue Flöte

spielte: Wer wie Oliver und Don Pasqual im Februar geboren sei, sei ein Regenmacher und könne mit

seinem Flötenspiel den Regen herbeirufen. Doch Oliver war nicht der einzige Spieler. Immer wieder

tauchten während unseres zweieinhalb

stündigen Fußmarsches an Wegkreuzungen

Einheimische auf, die uns mit ihrem

Flötenspiel ein Stück begleiteten. Manchmal

mit dem Hinweis auf die soeben frisch

gepresste DVD, die sie neben weiteren Flöten

zum Verkauf aus ihrer Tasche zogen, manch-

mal hatten sie auch wohl einfach Mitleid mit den gegen ihre Atemnot ankämpfenden Touristen.

20

Der Urubamba z.B. ist ein Heiliger Fluss, weil er als Abbild der Milchstraße betrachtet wird, und deshalb haben alle Orte entlang des

Flusses im Heiligen Tal ihre Entsprechung in einer bestimmten Konstellation der Milchstraße. 21

Andean Awakening, S. 2. 22

Nach einer anderen Deutung symbolisiert das Loch in der Mitte Cusco, das als frühere Hauptstadt als "Nabel der Welt" galt.

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11 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Höhenluft

Nach einem köstlichen Mittagessen hatten wir am Nachmittag unseres ersten Tages alle einen

Eindruck bekommen, was uns in den folgenden Tagen erwarten sollte - Steigungen und immer wieder

in Fels gehauene Stufen, endlos, unregelmäßig, oft sehr steil, es ist später egal, ob es hinauf oder

hinunter geht. In Reiseprospekten für Trekkingtouren in diese Region

steht als Grundvoraussetzung: sehr gute Kondition, Schwindelfreiheit

und Trittsicherheit. Die Wege sind sehr gut gepflegt. Wahrscheinlich

liegt die Schwierigkeit der Anpassung weniger an der

Bodenbeschaffenheit als wirklich an der ungewohnten Höhenlage: Es

macht einen Unterschied, ob ich mich einmal kurz auf die Silvrettahütte

(2.300m) begebe und dann wieder absteige, oder ob ich die nächsten

Tage in dieser Höhe (und höher) leben und mich auch noch körperlich anstrengen werde.

Tipon

Am nächsten Tag ging es (mit dem Bus) auf Höhen von 3.500 m. Unsere erste Station ist

Tipon, ein bedeutender Wassertempel der Inka, der vom peruanischen Kulturinstitut wieder aufgebaut

wurde (mit öffentlich zugänglicher Toilettenanlage!). Er erstreckt

sich bis auf 3.800 m Höhe, doch wir blieben in der parkähnlich

angelegten, weiträumigen Anlage ohne - für peruanische

Verhältnisse - große Steigungen. Zuvor zeigte uns Michelle Karen,

wie wir in den seit Inkazeiten angelegten Becken im

Eingangsbereich die Reinigung unserer Chakren vornehmen. Die

Vegetation war sehr vielseitig, wie auf den gesunden Wiesen meiner

Kindheit. Erstaunlicherweise wuchsen auch überwiegend dieselben Pflanzen. Bei einem dicken Polster

aus weißem Klee erzählte ich Jorge, dass wir als Kinder die weißen Blütenköpfe gegessen hätten. Er

bestätigte lachend, und ergänzte, dass sie Stunden damit verbracht hätten, ein vierblättriges Kleeblatt

zu finden, weil das Glück bringe. Woher hatten wir dieselben Spiele? Weit im Gelände, mitten auf

einer Wiese, saß ein peruanisches Pärchen und genoss wie wir die anmutige Landschaft, die Stille und

das Rauschen der viele Wasserfälle.

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12 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Für die Inka ist das Wasser sowohl männlich als auch

weiblich, und an diesem Ort sind beide Aspekte vereint. Die

vertikalen Wasserfälle stellen den männlicher Aspekt und die

vielen horizontalen Terrassen und Wasserläufe den weiblichen

Aspekt dar. Das rote Wasser (Blut) im menschlichen Körper

erhält das Leben, das weiße Wasser (Muttermilch) im

menschlichen Körper erhält das Neugeborene. Wasser ist die

Grundlage des Lebens. Es ist eine dichtere Form des Lichts und

gehört zu den lebendigen Geschenken, die die Sonne auf Kay

Pacha (die reale Welt) ausstrahlt. Hier gab Michelle Karen die

erste Einweihung in den Seher-Ritus weiter. Es war interessant,

wie sich in solchen dichten Energien die Gruppe immer wieder zerstreute. Lange weilte jede/r für sich.

In der Nähe des Ausgangs trafen wir wieder zusammen und fragten uns, warum wir die auffallenden

"Elfenkreise" (auffallend runde dunklere Kreise im Gras, in manchen Gegenden bei uns zu Hause auch

"Hexenkreise" genannt…) nicht selbst gesehen hatten und Michelle Karen uns darauf aufmerksam

machen musste. Dafür wurden im Bus die Orb-Bilder auf den Handys ausgetauscht und verglichen.

Moray

Die Fahrt ging weiter nach Moray (3.500 m). Unterwegs zeigte uns Jose eine staatlich

geförderte Genossenschaft, in der die Bewohner der umliegenden Dörfer ihre Webereien

zusammentragen und nach einer Einführung in grundlegende Webe- und Färbetechniken gemeinsam

an die Touristen verkaufen (und eine öffentliche Toilette anbieten). Es war interessant, doch nach

einiger Zeit langweilig, und ich wartete draußen und hatte

Gelegenheit, das Zusammenleben der Tiere auf der Dorfstraße

zu beobachten (Menschen waren nicht zu sehen). In Peru gibt

es mindestens so viele Hunde wie Menschen. Überall laufen

sie herum. Auf jedem Feld, das von Einheimischen bearbeitet

wurde, war ein Hund ganz nah dabei. Ich habe nie erlebt, dass

ein Hund verjagt oder geschlagen wurde, und ich habe auch nie erlebt, dass sich Hunde gegenseitig

angegriffen und weggebissen hätten. Ich hatte nicht schnell genug den Fotoapparat zur Hand, als wir

durch eine Stadt fuhren und vor einer Metzgerei mit einer offenen Auslage mit frischem Fleisch auf

dem Bürgersteig davor friedlich wartend zwei Hunde saßen.

Die Tiere leben offensichtlich als selbstverständlicher Teil

mit der Familie, und das wirkt sich auch auf das

Zusammenleben der Tiere aus. Ich sah auf der Dorfstraße

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13 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Hühner picken, und die Hunde störten sich gar nicht daran. Ebenso ließen die Hunde den Katzen ihr

Revier, wenigstens soweit ich es beobachten konnte. Es scheint, als habe das sanfte Wesen der

Peruaner auf die Tiere abgefärbt.

Das Zusammenleben der Inka wird von drei Gesetzen geprägt. Als 'Kinder der Sonne'23

leben

sie in der Liebe, die Vater Sonne für Mutter Erde und umgekehrt Mutter Erde für

Vater Sonne empfinden. Sie sind eins im Bewusstsein, der Freude

und der Fülle des göttlichen Pacha. "Wenn dein Herz erfüllt ist mit

der Freude und der Liebe des Kosmos, dann ist dort kein Raum mehr

für sorgenvolle Energien. (…) Sprich die Wahrheit und handle in

Liebe, dann nährst du den göttlichen Funken in dir."24

Dies ist das erste

Gesetz, munay (Liebe). Daraus folgt das zweite Gesetz, llancay (Arbeit,

Dienen, kreativer Ausdruck des eigenen Lebens). Für den, der ständig in der Liebe lebt, wird Arbeit

letztlich zum Dienst am Göttlichen, um so in dieser Wirklichkeit die Fürsorge des Göttlichen für alle

Schöpfung nachzuahmen. "Arbeit ist eine Gelegenheit, deine einzigartige Gabe mit jedem und allem

zu teilen."25

Dieses Bewusstsein von Llancay, das die Fülle der kosmischen Liebe in dieser Welt der

Erfahrung manifestiert und ko-kreiert, führt zum dritten Lebensgesetz, yachay (Weisheit, die aus dem

wahren inneren spirituellen Selbst kommt). Nur wer bereit ist, sich mit seinen inneren Energien

auseinanderzusetzen, bekommt Zugang zu seinem authentischen Selbst. Die Polarität zwischen der

männlichen und weiblichen Energie muss im eigenen Inneren aufgelöst sein. Dazu verhelfen die

beiden ersten Gesetze der Liebe und des Dienens. Sie öffnen das Herz und lassen tief im Bewusstsein

erkennen, dass alle und alles eins sind. "Weisheit kommt aus dem Herzen und nicht aus dem

verstandesmäßigen Denken."26

Wer erkennt, dass sein inneres spirituelles Selbst direkt mit Pacha

verbunden ist, wird eins mit der Weisheit des Kosmos. Ich fand es beeindruckend, wie einfach dieses

tägliche Gewahrsein gestützt wird. "Nimm dir jeden Morgen und Abend Zeit, deine geschäftigen

Gedanken zu beruhigen. Denke an deine Sorgen und schweren Energien und übergib sie zur

Umwandlung und Heilung an Pachamama oder an ein anderes geistiges Wesen deiner Tradition.

Mache dir all die Segnungen bewusst, die du vom Göttlichen und von anderen erhältst, und danke

dafür.(…) Begrüße jeden Morgen Inti mit weit geöffneten Armen und danke für den neuen Tag. Öffne

deine Arme weit und nimm das Licht und die Liebe auf. Lege deine rechte Hand auf dein Herz und

sage 'mit Liebe'. Dann nimm deine linke Hand und lege sie mit den Worten 'ohne Angst' auf deinen

Solarplexus. (…) Nimm dir für jeden Tag eine bestimmte Absicht. vor. Die kleinen Dinge, die du

täglich tust, haben die größte lebensverändernde Wirkung. (…) Eine wissende Heiterkeit wird tief in

deinem Herzen aufbrechen …"27

23

s.o. (16), eigentlich: “Kinder des Lichts” 24

Andean Awakening. S. 150. 25

Andean Awakening. S. 151. 26

Andean Awakening. S. 152. 27

Andean Awakening. S. 164.

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14 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Wir waren die letzte Gruppe, die in Moray

ankam, und, wie so oft waren wir die einzigen auf

dem Gelände. Archäologen sagen, dass die Inka

auf diesem Gelände landwirtschaftliche Studien

durchführten und so die besten Pflanzen für das

Klima züchteten, z.B. eine besondere Art von

Mais, der ansonsten in diesem Klima niemals hätte

wachsen können und der bis heute als wichtige

Nahrungspflanze angebaut wird. Ich hatte diese

Anlage schon einmal als Panoramabild gesehen,

interessanterweise mit dem Hinweis, dass sie in

ihrer Form einer Gebärmutter ähnlich sei. Die

Größe der realen Anlage hat uns aber schlicht überwältigt. Sieben oval angelegte Terrassen öffnen

sich nach Südosten zu einem kreisrunden Zentrum mit weiteren sieben28

Terrassen. Eine große

kosmische Spirale: Jede Terrasse ist 4 m breit und führt über 2 m hohe Mauern wie ein Trichter in das

runde, tief liegende Zentrum.

In die Mauern sind in großen

Abständen herausstehende

Trittsteine eingelassen, so

dass es, wenn auch

beschwerlich, möglich ist,

von einer Ebene auf die

nächste zu kommen.

Michelle Karen empfahl, den

Abstieg symbolisch wie

einen Abstieg Schicht für

Schicht in das eigene Selbst zu betrachten. Die Dämmerung brach herein, und wir verbrachten eine

lange Zeit auf dem Gelände. Schweigsam kehrten alle zum Bus zurück, und während der Rückfahrt

wurde der Fahrer gebeten, die Musik auszuschalten.

28

Die heilige Zahl 7 (sieben Chakren / sieben Regenbogenfarben) setzt sich zusammen aus 3 (Göttlichkeit / Pacha / die drei Welten) und

4 (Erde / Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft / vier Himmelsrichtungen). Sie findet sich immer wieder in den Inka-Anlagen.

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15 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Ollantaytambo

Unser neues Hotel war in

Urubamba, einer Stadt, die genauso wie

der Fluss und die gesamte Provinz

heißt. Am anderen Morgen, auf dem

Weg nach Ollantaytambo, machten wir

einen Abstecher weit ins Land hinein

nach Killarumioc. Es muss kräftig

geregnet haben, und auch unterwegs

gab es immer wieder Schauer. Hier

hatte sich der Bus beim Wenden

festgefahren. Wir mussten noch weit

über schmale Pfade und Wiesen laufen, bis wir in einer felsigen Region zum Mondtempel kamen, wo

Don Pasqual und Santuzza, wieder in der Nähe eines Baches und vor einem schützenden Felsen die

nächste Zeremonie vorbereitet hatten. Bisher hatten wir mit dem Wetter immer Glück gehabt. Es war

zwar meist bewölkt, doch überwiegend trocken, und wenn es regnete, dann niemals stark und immer

nur für kurze Zeit. Es wird sogar als gutes Zeichen angesehen, wenn es am Ende eines Depachos zu

regnen beginnt. Dieses Mal jedoch wurden die Wolken immer dichter und der Regen immer heftiger,

und als ein Gewitter näher kam, beschleunigte Don Pasqual die

Zeremonie, und mit ihm packten wir am Ende schnell alles

zusammen und eilten tropfnass zum Bus. Obwohl es regnete,

hatten sich auch wieder einige Einheimische aus der weiten

Umgebung eingefunden, um ihre Handarbeiten zu verkaufen.

In dieser Gegend ist das oft die einzige Einnahme, und auch

die fällt aus, wenn in den Wintermonaten gar keine Touristen kommen. Es wird nicht gebettelt, und an

manchen Orten bieten die Menschen sehr einfallsreiche Leistungen an: Ein ganz junges Schaf im Arm,

das die Touristen aus westlichen Großstädten streicheln dürfen, alte und junge Lamas, die mit, so habe

ich es genannt, aufgelegter Camouflage (schwarz gefärbte, verlängerte Wimpern, Ohrringe aus bunter

Wolle und bunte Bänder im Haar und um den Hals) zum Fotografieren hinreißend aussehen, - es gibt

unendlich viele Möglichkeiten, Dienstleistungen anzubieten und zu verkaufen. Auch Kinder verkaufen

ihre handgefertigten Arbeiten. Bettelnde Kinder gibt es nicht. Michelle Karen hatte uns darauf

vorbereitet, dass wir in einigen Gegenden den Kindern kleine nützliche Geschenke mitbringen,

Malbücher, Buntstifte, Bleistifte, Spitzer, Radiergummi, warum nicht auch Süßigkeiten, Murmeln oder

Sticker. Wir hatten viel zu viel mitgebracht, und ich hatte es nicht immer dabei, wenn ich es gebraucht

hätte. Es bleibt abzuwarten, wie die Touristen in den nächsten Jahren hier, wie früher in anderen

Ländern, ebenfalls für Veränderungen sorgen. Zweimal kam es vor, dass ein Kind, als ich kein

Geschenk dabei hatte, sagte, es nähme auch Geld.

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16 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Am späten Nachmittag, es war schon lange wieder trocken, kamen wir in Ollantaytambo

(Höhe: 2.790 m) an, der einzig erhaltenen Inkasiedlung, aus

deren Anlage die Archäologen das Leben in der Inkazeit

rekonstruieren.

Über der Stadt

und den noch

ursprünglich

erhaltenen

Terrassen erhebt

sich die Tempel-

anlage mit ihren verschiedenen Tempeln. Hier konnten wir

auch zum ersten Mal die Baukunst, die beeindruckenden Mauerfugen, die gemauerte Sonnenuhr und

die in den umliegenden Bergen errichteten weiteren Bauwerke, vor allem das in den Berg gehauene

Antlitz des ersten Inka, bewundern. Wir waren spät, und die Aufseher bliesen schon zum Aufbruch,

wortwörtlich auf ihrem Blechblasinstrument. Wir hatten trotzdem Zeit, die verschiedenen Tempel zu

betreten - in einer Tempelanlage der Inkazeit sind immer mehrere Tempel vereint - und uns in die

Energie hineinzufühlen. Jose wies uns auf eingelassene Nischen in den Mauern hin, die auffällige

Töne und Obertöne erzeugen konnten. Einem anderen Felsen, er hat keinen Namen, wird

zugeschrieben, ein multidimensionales Tor zu sein. Alle, die sich dagegen lehnten, bestätigten dies.

Wer sich im Tempel des Windes, der seinem Namen alle Ehre macht, hoch über einem steilen

Abgrund niederlässt, erlebt ein unbeschreibliches Gefühl der Losgelöstheit von Zeit und Raum.

Unterwegs ließ Jose den Bus in einem Dorf anhalten, das für seine gebackenen Brote berühmt

ist. Er kaufte einen großen Fladen und ließ ihn zum Probieren durch den Bus weiterreichen. Es war

köstlich, ein leichter Teig mit viel Maismehl und einem weichen, vollen Duft und Geschmack. Wieder

fuhren wir angefüllt mit Eindrücken zurück in unser

Hotel. Dieses Mal allerdings beschwingt. Entweder war

es die Vorfreude auf die Reise zum Machu Picchu am

nächsten Tag, oder der Wind hatte sämtliche Schwere

fortgeblasen, oder wir hatten uns inzwischen unmerklich auf

andere Dimensionen eingelassen. Wie wir feststellten, hatten

wir alle Schwierigkeiten, die Wochentage noch richtig

zuzuordnen, auch hatte niemand mehr Lust gehabt, die eigenen E-Mails zu checken. Viele hatten

besondere Träume.

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17 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Machu Picchu

Auch in diesem Hotel mussten wir morgens wieder auschecken. Schade, dass wir so wenig

Gelegenheit hatten, die paradiesischen Hotelanlagen richtig zu genießen. Wenn wir allerdings zwei

Übernachtungen hatten, hat die eine oder andere tatsächlich zwischendurch einen Tag ausgesetzt und

ist zum Ausruhen im Hotel geblieben. Unser

nächstes Ziel, Aguas Calientes am Fuß des

Machu Picchu, ist nur über die einspurige

Bahnlinie erreichbar, die von zwei

Gesellschaften befahren wird. Eine

Straßenverbindung gibt es nicht. Weil auf den

Zügen nur leichtes "Kabinen"gepäck zugelassen

ist, ließen wir unsere großen Koffer zurück und

fuhren mit leichtem Tagesgepäck weiter, erst

zum

Bahnhof und dann mit Inca Rail ca. zwei Stunden bis Agua

Calientes, das offiziell auch Machu Picchu-Dorf heißt. Die

Züge haben nur reservierte Plätze. Beim Einsteigen

musste die Fahrkarte mit Ausweisdokumenten vorgezeigt

werden. Wenn die Sonne scheint, wird es sofort sehr heiß,

und wir konnten schnell unsere Pullover ausziehen. Es war

eine angenehme Fahrt. An einer Haltestelle sahen wir auf

der gegenüberliegenden Seite des Flusses eine

Ausgangsstation für den Inka Trail: Gepäckträger, weithin erkennbar an den gelben Packsäcken auf

ihrem Rücken, dazwischen einige Esel und dahinter die Wandergruppe begannen gerade den Aufstieg

auf dem Bergpfad. Wir genossen die Aussicht durch das enge Urubambatal und die Muße für Unter-

haltungen. Unser "Gruppenmerkmal" wurde zunehmend ansteckendes Gelächter, wo immer mehrere

zusammen waren.

Urubamba bedeutet "Lichtfelder". Für die

Inka sind Bambas die vereinten Felder, die die

Verbindung mit dem Heiligen Raum herstellen

und die Obere Welt einschließlich der Milchstraße

widerspiegeln.

In Aguas Calientes (nur noch 2.000 m hoch gelegen) empfing uns ein wilder, donnernder

Urubamba-Fluss. Unser Tagesgepäck wurde am Bahnhof vom Hotel abgeholt, und wir gingen sofort

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18 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

zum Essen und bekamen einen Eindruck von der Lage des Ortes, der in einer schmalen Schlucht liegt

und sich nach allen Seiten die Hänge hinauf ausbreitet. Der Weg zum Restaurant wurde - für mich -

ein steiler, langer Aufstieg. Das Hotel lag zum Glück unten, direkt am Fluss. Ganz in der Nähe fuhren

die Busse zum Machu Picchu ab, und nach einem schnellen Einchecken konnten wir unsere Nerven

testen, wenn sich zwei Busse auf den schmalen Serpentinen, die sich den Berg hinauf schlängeln,

begegneten. Die Information, dass es tatsächlich relativ häufig zu Unfällen kommt, war auch nicht

gerade beruhigend. Erst recht nicht, weil es erneut zu regnen begonnen hatte.

Wieder einmal waren wir die einzige Gruppe, die sich auf dem Gelände aufhielt. Der Regen

hatte wirklich seine guten Seiten. Die Behörden haben die Zahl der Besucher inzwischen auf täglich

2.000 beschränkt, und am anderen Tag hatten wir Gelegenheit, den Alltag auf Machu Picchu bei

normaler Besucherzahl zu erleben. Zur Kontrolle müssen beim Einlass wieder Ausweispapiere gezeigt

werden, und alle Besucher tragen sich in ein Buch ein und beim Ausgang wieder aus.

An diesem Nachmittag also waren wir allein in der

der Überlieferung nach von Lichtwesen bewohnten, erst

Anfang des letzten Jahrhunderts entdeckten, "Kristallstadt".

Der Name leitet sich aus einem Missverständnis ab. Der

nordamerikanische Geschichtsprofessor Hiram Bingham

suchte - und fand 1911 - Vilcabamba, die sagenumwobene

Hauptstadt der Inka. Doch auf seine Frage nach dem Namen

der Ruinen antworteten die Einheimischen inkagemäß mit

dem Namen des Apu, in diesem Falle des 'alten Berges',

Machu Picchu29

. Der junge Berg, Huayna Picchu, ist gleich nebenan. Von dieser Seite des Tals aus

erkennt man noch nicht, welch abenteuerlichen und lohnenswerten Aufstieg er uns am anderen Tag

ermöglichte. Zwischen Machu Picchu und Huayna/Wayna Picchu erhebt sich der Putu Cusi (immer

blühend). Das ist ein seltsamer Name für einen Berg, doch noch bezeichnender ist sein zweiter Name,

man nennt ihn nämlich auch den "Immer glücklich-Berg". Die Bedeutung dieses Namens kann auf

zwei Arten erfahren werden. Eine Variante, ihn zu erleben führt über einen steilen Aufstieg von etwa

einer Stunde über Stufen und steile Leitern, die andere Art, ihn zu erspüren, kann vom Machu Picchu

aus erfolgen. Wer sich ihm einmal, die Kristallstadt im Rücken, mit weit zum Machu Picchu und zum

Huayna/Wayna Picchu hin ausgestreckten Armen und weit geöffnetem Herzen, zuwendet, fühlt seine

belebende Energie.

Wir boten bestimmt ein farbenfrohes Bild mit unseren bunten Regencapes in der riesigen

Anlage. Nach der Überlieferung reinigt Regen, also nahmen wir dieses Geschenk gern an.

Aufziehende Nebelschwaden hüllten die Bergspitzen in mystische Schleier. Wir glitten wieder in eine

29

Machu Picchu: mit zwei c geschrieben und so auch deutlich gesprochen.

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19 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Zwischenzeit, und die Aufseher hatten ihre Not, uns zum Feierabend

zum Ausgang zu befördern. Einen fragte ich mit meinem gebrochenen

Spanisch mitfühlend, ob sie jeden Abend auf diese Weise ihre Herden

zum Ausgang treiben müssen, und ich hörte, wie er seinen Kollegen

zurief, endlich hätte mal jemand Mitleid mit ihnen. Von da an war der

Bann gebrochen, und sie machten uns weniger Druck und unterhielten

sich selbst untereinander. Erstaunlich, von wie vielen Seiten plötzlich

zum Feierabend Aufseher auftauchten und den Weg zu ihrem eigenen Ausgang nahmen.

Die größte Sorge wegen der körperlichen Belastung hatte ich mir vor Machu Picchu gemacht,

doch die Stadt liegt nur auf 2.300 m Höhe und war nach den vorherigen Ausflügen nicht

anstrengender als eine normale Tagestour. Ich war noch so fit, dass ich nach der Rückkehr ins Hotel

beschloss, mit den anderen die warmen Quellen zu besuchen, die dem Ort den Namen gaben.

Irgendwie hatten wir keine klare Uhrzeit verabredet, also machte ich mich - war ich die erste, war ich

die letzte? - allein auf den Weg. Nach Auskunft der Einheimischen musste man nur der Hauptstraße

bis zum Ende folgen. Das war eine folgenschwere Entscheidung, denn die Hauptstraße führte

irgendwann an unserem Restaurant vorbei, wo wir mittags gegessen hatten, dann war es noch einmal

so weit bis zum Stadtrand, und dann führte der Weg weiter durch eine wunderschöne Schlucht, und

irgendwann sah man oben die Lichter des Thermalbades, insgesamt eine Strecke von schätzungsweise

drei, gefühlten sieben, Kilometern steil bergauf, die ich freiwillig nicht mehr gegangen wäre.

Manchmal ist es einfach gut, unwissend in sein Glück zu laufen. Das heiße Wasser, die frische Luft

und die imposante Natur waren ein Erlebnis. Nach und nach waren wir fast wieder vollzählig. Die

Wasserbecken befanden sich alle im Freien, Das Bad war gut besucht, um diese Uhrzeit fast nur noch

von Einheimischen. In der Dunkelheit malten wir uns aus, wie schön es wohl sein würde, wenn der

Regen aufhört und die Sterne zu sehen sind. Unsere Knochen und Gelenke wurden wieder richtig

weich, und als wir feststellten, dass sich die Schulter- und Nackenmuskulatur am besten wie in einer

Polonaise hintereinander massieren lässt, waren junge Einheimische fröhlich mit dabei.

Aus meinem Hotelfenster sah ich direkt auf den Urubamba. Als

ich morgens wach wurde, bemerkte ich ein unangenehmes dumpfes

Gefühl in meinen Ohren, die sich offensichtlich nach dem Schwimmen

zugesetzt hatten. Als sich dieser Pfropf unter der Dusche löste, war ich

überrascht über den ohrenbetäubenden Lärm des Wassers. Mit dem

schützenden Pfropf habe ich fest und tief durchgeschlafen.

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20 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Wer sich mit der Energie einzelner Kraftplätze und Tempel auf dem Machu Picchu verbinden

will, braucht seine eigene Zeit. Deshalb gab es für den folgenden Tag mehrere Optionen. Wer sich

ausruhen wollte, blieb im Hotel. Wer noch einmal in Ruhe

Machu Picchu allein erleben wollte, machte sich

(mindestens zu zweit) selbst auf den Weg. Wer zum

Sonnenaufgang auf dem Wayna Picchu (2.630 m)

meditieren wollte, traf sich um 5.30 Uhr am Bus. Bis wir

auf dem Gipfel ankamen, war allerdings die Sonne schon

aufgegangen, weil der Durchlass zum Wayna Picchu erst

um 7 Uhr geöffnet wird. Hier wurde erneut jeder

namentlich erfasst. Jose hatte am Tag vorher gesagt, dass

der Aufstieg anstrengend und teilweise sehr steil sei. Das

war für mich eine Gelegenheit, Cristina, seine Verlobte30

kennenzulernen, die sich ebenfalls darauf vorbereitet,

Reiseführerin zu werden. Um die Gruppe nicht zu

behindern, falls ich (ein wenig älter als die meisten) mehr Zeit brauchte oder aufgeben müsste, habe

ich Cristina für diesen Tag als Führerin gemietet, und sie und ich sowie Valerie aus Frankreich

brachen zügig auf. Ich vereinbarte mit Cristina, dass ich während des Laufens wenig reden und nach

Möglichkeit auch nicht stehen bleiben würde. So schafften wir schon gut die Hälfte, bevor die anderen

uns überholten. Der Weg ist steil und schmal, so dass wir anderen oder andere uns an passenden

Ausweichstellen Gelegenheit zum Überholen gaben.

Schließlich war unsere Gruppe nicht die einzige im

Gelände, und es gab einen regen Aufstieg und später

Abstieg. Immer wieder öffneten sich wunderschöne

Aussichtspunkte, einmal sahen wir von oben auf

einen Regenbogen quer über dem Tal. Eine Fülle von

farbenprächtigen Blüten begleitete uns entlang des

Weges. Insgesamt dauert der Aufstieg etwas über

eine Stunde, und die schwierigen Wegstrecken sind alle gut durch Stahlseile gesichert. Doch die in die

Felsen gehauenen Stufen haben oft sehr, sehr große Abstände, und es geht einfach steil bergauf…

Nach dem gemeinsamen Mittagessen mussten wir pünktlich am Bahnhof sein. Vom Hotel

aus war unser Tagesgepäck bereits dorthin gebracht worden. Kim-Lee, einer Kanadierin ging es nicht

gut, sie war morgens schon im Hotel geblieben. In Ollantaytambo wartete bereits unser Bus mit dem

vertrauten Fahrer Samuel auf uns. Unsere zurückgelassenen Koffer hatte er auch dabei, und wir fuhren

30

Die beiden wollen im August heiraten. Erst zu Hause habe ich gelesen, dass in den Bergdörfern bis heute junge Leute zur Probe

heiraten. Wenn die Ehe innerhalb der ersten drei Jahre auseinandergeht, dann können beide neue Partner wählen. Kinder werden von den Eltern der Frau wie eigene Kinder aufgezogen. Vielleicht finde ich noch einmal Gelegenheit, sie nach diesem Brauch zu fragen. Nach Ablauf der Probezeit gibt es das endgültige Eheversprechen, und diese Ehen sind erfahrungsgemäß haltbar. (Andean Awakening, S. 71f.)

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21 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

weiter in unser Hotel in Cusco. Kim-Lee ging es nicht besser, und das Hotel wurde verständigt, dass

ein Arzt kommt und sich um sie kümmert. Am anderen Morgen erzählte uns Michelle Karen, dass sie

die Nacht bei Kim-Lee im Krankenhaus verbracht habe. Der Arzt und die Schwester, die im Hotel

warteten, haben sie sofort eingewiesen, und die Untersuchungen hätten ergeben, dass es sich um eine

so schwere Form der Höhenkrankheit handle, dass sich Kim-Lee erst stabilisieren müsse, bevor sie mit

einem Sonderflugzeug mit ärztlicher Begleitung nach Lima transportiert werden könne. Michelle

Karen wurde von den Ärzten beruhigt, dass ein so schweres Krankheitsbild sehr selten vorkomme.

Antwort auf ihre Rückfrage, was "selten" sei: Nur etwa alle zwei Wochen ein Fall… Kim-Lee war

erst drei Tage später transportfähig, und bei unserem Rückflug aus Lima, war sie dort immer noch im

Krankenhaus, wir bekamen aber eine E-Mail, dass sie am folgenden Tag von einer Krankenschwester

aus Kanada abgeholt worden und sicher zu Hause angekommen sei.

Unterwegs werden wir noch in einen leichten Unfall verwickelt, bei dem zum Glück nichts

passiert ist. Beim Aussteigen ließ der Fahrer alle anderen Türen verschlossen, so dass niemand dazu-

kommen konnte. Nach peruanischem Gesetz werden in einer solchen Situation im Zweifel alle am Ort

des Geschehens Angetroffenen verhaftet und wirklich ins Gefängnis gebracht. Mir ist es beim

Einkaufen passiert, dass ich einen Aufsteller vor einem Geschäft umgestoßen habe. Instinktiv, wie wir

es aus unserer Kultur kennen, habe ich mich umgedreht und mich entschuldigt. Ich wollte ihn

aufstellen, doch als ich in die leicht erstaunten, dann schnell auf unbeteiligt umgeschalteten Gesichter

sah, fiel mir die Unfallepisode wieder ein, und ich habe davon Abstand genommen, mich zu

'kümmern' oder beteiligt zu erscheinen.

Sacsaywaman

Beim Aufbruch morgens warten wieder Don Pasqual und Santozza auf uns. Wie sehr ich mich

an die stille Gegenwart dieser beiden gewöhnt habe. Santuzza trägt wieder den typischen Hut mit den

bunten Bändern und Bommeln, die alle in ihrer Farbe und Form eine symbolische Bedeutung haben.

An den Mustern und der Form lässt sich sofort erkennen, aus welcher Gegend jemand kommt, aber

auch, dass Santuzza zum Beispiel verheiratet ist: Einer der Bommel ist rosa, und auch in dem Hutband

ist ein rosafarbenes Muster eingewebt.

Heute Vormittag brechen wir nach Sacsaywaman auf. Schnell befindet sich der Bus über die

serpentinenförmige Straße wieder oberhalb von Cusco auf einer Höhe von ca. 3.800 m. Wir fahren

bald von der Hauptstraße ab und folgen einer Landstraße, bis wir wieder bei einer großen

Tempelanlage sind, die sich beiderseits der Straße weit hinzieht. Noch ein paar Kurven weiter steigen

wir aus. In der Nähe ist ein Dorf, das vermutlich erst in den letzten Jahren erbaut wurde. Einige

Männer stehen um den Bus herum. Wir gehen zu Fuß weiter. Don Pasquale hat wieder einen Ort für

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22 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

ein Despacho ausgewählt. Wir laufen bestimmt zwanzig Minuten über Wege, Wiesen und Bäche, bis

wir wieder in einer Tempelanlage ankommen. Eine lange, an beiden Seiten von Felsen gesäumte Allee

führt zu der inzwischen bekannten typischen

Felsformation, in deren Inneren ein für die

Zeremonie geeigneter, geschützter Kultplatz ist. Wir

haben so viel hinter uns gelassen, dass wir nun

unsere Intention für das Neue auf die Kintui und in

das Opfer geben. Natürlich beginnt es am Ende

wieder zu regnen. Dieses Mal beenden Don Paqual

und Santuzza die Zeremonie an einer

gegenüberliegenden Felsformation mit einer

besonderen energetischen Reinigung. Ich habe das

Gefühl, in mir verschiebt und bewegt sich sehr viel -

zum Leichteren hin. Auf dem Rückweg befrage ich Jose wegen der Unterbrechung, als er aufstand,

weil draußen etwas zu hören war, und er mit Personen (Männern) sprach, die ich nicht sehen konnte.

Er sagt, es werde in dieser Gegend von den Offiziellen nicht gern gesehen, wenn noch solche alten

Rituale durchgeführt werden.

Wir fahren zurück, doch nicht sehr weit und biegen auf

einen großen Parkplatz ein. Hier wurde der Kenko-Felsen, eine

große Tempelanlage restauriert, und wir gehen zwischen

bizarren Felsen, bis wir in eine Grotte kommen. Hier, sagen die

offiziellen Führer, wurden die Opfertiere geschlachtet. Doch wir

haben das Gefühl, dass hier noch mehr gewesen sein muss, denn

die Energie fühlt sich neutral, wie auf dem Nullpunkt an. Wir

erhalten ein Channeling, dass dies ein Ort der Geburt und des

Neubeginns sei, und bekommen noch weitere Aussagen über unsere Aufgaben. Was für ein Tag.

Weiter fahren wir in Richtung Cusco zurück und biegen dann rechts ab auf den großen

Parkplatz von Sacsaywaman, auf dem nur wenige Autos parken. Außer dass der Name in den letzten

Tagen immer wieder fiel, hatte ich vorher noch nichts darüber gehört. Eigentlich bin ich nur

ausgestiegen, weil ich mir die Füße vertreten wollte, während die ersten wieder die öffentliche

Toilettenanlage stürmten. Inzwischen ans Laufen gewöhnt und weil die Sonne herausgekommen war,

ging ich auch die sanfte Anhöhe hinauf, für peruanische Verhältnisse ein kurzes Stück, in unserer

Größenordnung aber schon wieder eine Strecke mit der Länge von ca. drei Fußballfeldern. Dann

zeigte sich "das größte und stolzeste Werk, das die Inka bauten, um ihre Majestät und Macht zu

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23 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

demonstrieren. Seine Größe ist unvorstellbar für alle, die es nicht gesehen haben." (Inca Garcilaso de

la Vega (1539 – 1616), zitiert nach B. Volberg31

).

Jede Inkastadt wurde in der Form eines Tieres angelegt. Pisaq hat die Gestalt eines Kondors,

und der Überlieferung nach erbaute Pachacuteq (9. Inkaherrscher im 15. Jh.) Cusco in der Form eines

Puma. Astronomen legten die Maßstäbe fest, und die heutige Plaza de Armas entspricht dem

damaligen Sitz des Herzens des Pumas. Der Kopf des Pumas entsprach dem Hügel, auf dem

Sacsaywaman angelegt wurde. So entstand der Name Sacsa Uma (gesprenkelter Kopf)32

Die massiven

Ausmaße der Mauern sind atemberaubend. Die riesigen Steinblöcke greifen so ineinander, dass es

nicht möglich ist, ein Blatt Papier zwischen die Fugen zu schieben. Aufgrund der unregelmäßigen

Abmessungen sind alle Fugen versetzt. Alle Inka-Wände sind durch "Unterlegscheiben" nach innen

geneigt, und fast alle Kanten sind gerundet. Die riesigen Blöcke, die jetzt noch stehen, waren zu

schwer zum Transport, alle übrigen Steine haben die Eroberer abgetragen und zum Aufbau ihrer

eigenen Kirchen benutzt. Sämtliche Kirchen wurden durch Erdbeben zum Einsturz gebracht, wie eine

Führerin im Coricancha Tempel in Cusco genüssliche berichtete, doch die Inka-Bauwerke, sofern sie

nicht von den Eroberern zerstört wurden, stehen immer noch.

31

www.caiman.de. 32

Dies ist eine Deutung. Es gibt noch viele weitere.

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24 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Sacsaywaman war Verwaltungszentrum, Heiligtum,

Tempel, Observatorium, Lager für Nahrungsmittel und

wichtiger Ort für Zeremonien, die die Menschen aus allen vier

Teilen des Reiches zusammenbrachten. Heute finden auf dem

weiträumigen Gelände jedes Jahr am 24. Juni die Inti Raymi

(Sonnenwend-)Feiern statt. Zur Inkazeit wurde am Tag der

Wintersonnenwende die große Sonnenscheibe im Sonnentempel

auf dem Marktplatz von Cusco ausgestellt. Die Sonne spendet

Wärme, Licht, Energie und Leben, und der Inka (Herrscher) und

alle Abgesandten brachten ihr Opfer und Geschenke dar. In der ganzen Stadt wurden die alten Feuer

ausgelöscht und mit einem großen Spiegel ein neues Feuer aus den Sonnenstrahlen entzündet, das mit

Fackeln aus Lamahaar durch die ganze Stadt getragen wurde.

Nachmittags und am anderen Tag war frei. Michelle Karen hatte sich bereit erklärt, uns zu

einigen Geschäften zu führen, in denen wir günstige Preise bekommen (Großhandel für Vikunja-

Textilien) oder die wir sonst gar nicht sehen würden (Poncho-Museum). Da Cusco an einem Hang

liegt und unser Hotel ziemlich "unten" war, führten zunächst alle Straßen bergauf. Ich musste oft daran

denken, was ich zufällig im Internet gelesen hatte: "Cuzco bietet den Vorteil, dass man als Tourist

beim häufigen, durch Atemnot bedingten, Stehenbleiben vortäuschen kann, alle zwei Minuten die

Aussicht genießen zu müssen – während die Einheimischen stumm lächelnd vorbeischreiten und

genau wissen, dass die Gringos nur Pause machen, um nicht in Ohnmacht zu fallen." (B. Volberg)

Doch am zweiten Tag konnte ich schon richtig flott einkaufen.

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25 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Während unserer zwei freien Tage stand Don Pasqual für private Zeremonien zur Verfügung.

Ich wollte gern seine Arbeit kennenlernen und verabredete eine Sitzung. Vorher hatte ich überlegt,

welchen energetischen Knoten ich am besten mit ihm aufarbeiten könnte, wenn wir keine Möglichkeit

der Kommunikation haben. Also entschied ich mich, ihn einfach zu bitten, Hucha, alten Müll in Form

von angesammelten Blockaden und schweren Energien zu bereinigen. Beim Aufräumen muss man

nicht viel reden, es geht viel leichter mit Singen, und tatsächlich, als er und Santozza so ziemlich alles

geklärt hatten, begann er ganz dicht in mein Energiefeld hinein zu tönen, so sanft, so liebevoll, so klar

und so heiter. "Der Zweck des Lebens ist es, das Leben selbst zu feiern." sagt Jorge L. Delgado.33

Am folgenden Tag wollte Jose der Gruppe noch eine

Führung durch die verbliebenen Reste des Coricancha

Tempels (wichtigster Sonnentempel der Inkazeit) schenken

und uns zeigen, an welchem Ort im heutigen Domini-

kanerkloster die Goldene Scheibe aufgehängt war, doch dann

kam ein Anruf, dass Kim-Lee nach Lima geflogen würde, und

er begleitete Michelle Karen und einige andere zum

Krankenhaus. Wir machten uns allein auf den Weg und

erhielten eine sehr fundierte, auf der offiziellen peruanischen

Geschichte beruhende Führung. Im Bereich des Inkatempels war das Fotografieren unbeschränkt

erlaubt, in allen übrigen Bereichen der Klosteranlage verboten.

Selenit-Schwerter

An diesen freien Tagen hatten wir endlich Gelegenheit, dass uns Tom Ledder, der "Meister

der Selenit-Schwerter", eine Einführung über seine Schwerter und ihre Anwendung gab. Bei seinen

Forschungen hatte er herausgefunden, dass das Selenit ein Kristall mit göttlicher Intelligenz ist, der

das, was auf ihn gelegt wird, um ein Vielfaches verstärkt. Von

Erzengel Michael und anderen wurde er angeleitet, diese Schwerter zu

entwickeln, die flüssiges Licht in die physikalischen Energiekörper

bringen und diese heilen und transformieren können. Im praktischen

Versuch erprobten wir, wie mit Hilfe dieser Schwerter ein Lichtkörper

aufzubauen ist. Tom Ledder hatte für alle eine Anzahl Schwerter

mitgebracht. Wenn wir am 21.12. das Datum des Zeitenwechsels vor

dem Aramu Tor feiern, dann sollen diese Schwerter helfen, das Lichtportal zu vergrößern. Ein

weiterer Schwerpunkt von Toms Arbeit ist, 'Cup Cakes'34

, die mit Informationen der Heiligen

Geometrie gefüllt sind, an Kraftplätzen der Erde auszusetzen, so dass sie sich global im Gitternetz der

33

Andean Awakening, S. 167. 34

So genannt, weil er die Gipsformen wirklich in Cup Cake-Förmchen gießt und dann mit seinem Informationen bestückt.

Sonnenuhr der Inka im Coricancha-Tempel, Cusco

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26 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Erde vernetzen und ein neues Energiemuster gestalten helfen. Diese Arbeit führte er an vielen Orten

unserer Reise allein durch, doch weltweit ist er durch viele Helfer verbunden und führt ein genaues

Verzeichnis über die ausgelegten 'Cup Cakes'.35

Wiracocha Tempel

Die Ruhe in Cusco hat gut getan. Ich hatte das Gefühl, nun gut an das Klima angepasst zu sein

und freute mich auf den zweiten Teil der Reise zum Titicacasee. Irgendetwas in mir verband wohl mit

"See" angenehme Urlaubserinnerungen. Es sollte die anstrengendste Route werden. Unser Ziel, ein

Besuch der Sonneninsel auf bolivianischer Seite, musste kurz vor Reisebeginn umgestellt werden,

denn der bolivianische Präsident hatte kurzfristig alle Freunde und Präsidenten der umliegenden

Länder zur Feier des 21.12. auf die Sonneninsel eingeladen, und plötzlich wollten die Hotels die

Vorbestellung nur noch mit dreifachem Preisaufschlag anerkennen. Mit dem Besuch auf der

peruanischen Insel Amantani und einer Übernachtung bei den dortigen Einwohnern war ein guter

Ersatz gefunden worden. Unser neuer Reiseführer war Abuel aus Puno, das völlige Gegenteil zum

agilen, lebhaften Jose, doch ebenso angenehm und sachkundig. Ich schätze ihn auf fünfzig Jahre.

Neben Aymara und Quechua spricht er auch Englisch und Französisch fließend. Ohne viel Worte

strahlte er eine innere Autorität und Ruhe aus. Ich vermute, er weiß noch viel, viel mehr. Warum habe

ich eigentlich nicht viel mehr gefragt?

Um 7.30 Uhr brachen wir mit einem fabrikneuen Hochdecker-Bus nach Puno auf. Für die

lange Reise - wir kamen erst im Dunklen an - war es gut, dass fast alle einen Doppelsitz für sich allein

hatten. Die beiden Fahrer hatten vorn ihre eigene abgetrennte Kabine. Sie waren dennoch ständig mit

uns verbunden: Vorn unter der Decke hing ein Display mit der Geschwindigkeitsanzeige, und sobald

die zulässigen 90 km/h erreicht bzw. überschritten wurden, blinkte die Anzeige und ertönte ein

Signalton.

In Chimboya (4.335 m) hielten wir kurz an, um die

Schneespitzen der umliegenden Berge zu fotografieren. Wieder war es

erstaunlich, wie schnell von mehreren Seiten Einheimische auftauchten,

um ihre selbstgewebten und genähten Tücher, Mützen, Ponchos zu

verkaufen. Später folgten wir wieder dem Urubamba und machten nach

einigen Stunden Halt am Wiracocha Tempel. Michelle Karen hatte angekündigt, hier selbst ein

Despacho durchzuführen. Der Eingangsbereich war professionell auf höchstem touristischem Stand

(Toiletten, Marktstände mit ausgewählten landestypischen Produkten, Bücher, Reiseführer,

Restauration) doch Abuel lenkte uns zielstrebig daran vorbei in die sich weit ausdehnende Anlage. Er

zeigte uns die Wasseranlage, die zu Inkazeiten zur Reinigung vor Betreten des Tempels vorgesehen

35

Wer sich für die Arbeit von Tom interessiert: http://www.seleniteswordmaker.com; oder: http://www.seleniteswords.com.

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27 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

war, öffnete seinen Beutel mit Cocablättern für uns und schlug vor, ab einer bestimmten Stelle barfuß

weiterzugehen, denn wir würden uns nun in den Tempelbereich begeben. Er selbst ging so, als hätte er

nie Schuhe gekannt, ich brauchte zwischendurch die schützenden Sohlen. Wir hatten strahlend blauen

Himmel, und ich war für die Wolken und den Regen am Machu Picchu dankbar. Ich weiß nicht, wie

ich die Tour unter der heißen Sonne und den viel höheren Temperaturen verkraftet hätte. Die

Zeremonie, die Michelle Karen für diesen Platz vorgesehen hatte, war ein Trennungs-Ritual endgültig

von allem, was die Menschheit in den vergangenen 26.000 Jahren geplagt hatte. Eigenes (Personen,

Dinge, Gewohnheiten, Eigenschaften) durfte eingebracht werden - ausdrücklich mit dem Hinweis,

sehr sorgfältig auszuwählen, weil der Effekt sehr wirksam und nicht mehr umkehrbar sei, was einem

später vielleicht leidtun könne. Dieses besondere Ritual verläuft in allem entgegengesetzt: alle

Bewegungen links herum, alles sehr schnell, es wird nicht gesprochen, dunkle Farben, statt

Süßigkeiten Pfeffer und Salz usw.

Lange blieben wir anschließend noch in dem herrlichen Wetter auf dem Gelände. Die

gesamte Ausgrabungsfläche heißt eigentlich Raqchi, sie wird aber nach den erhaltenen Ruinen des

größten Inkatempels (Dachlänge 92 m, Höhe 20 m) benannt. Wiracocha ist in der Inka-Mythologie der

Schöpfergott, der das Universum, Sonne, Mond, Sterne, die Zeit (durch die Bewegung der Sonne über

den Himmel) und die Zivilisation erschaffen hat. Dargestellt wird er oft mit dem Strahlenkranz der

Sonne als Krone, einem Donnerkeil in der Hand (er ist auch der Gott der Stürme) und Tränen, die ihm

- als Regen - aus den Augen fließen. Ketzerische Autoren behaupten, bei dem Areal handle es sich

letztlich um ein hochmodernes Verwaltungs-, Lager- und Logistikzentrum der Inka. Weil aber in den

70er Jahren nur Forschungsgelder für "kleine Machupicchus" geflossen seien, habe man die

Ausgrabungen einem Tempel zugeordnet. "Selbstverständlich stand dort im Tempel in der unteren

Eingangshalle auch die lebensgroße Statue von dem Schöpfergott Viracocha. Auf einem bayerischen

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Finanzamt hängt ja auch ein Kreuz an jeder Wand. Das macht es dann dem Bürger scheinbar leichter

seine Steuern zu entrichten. Früher in Peru wie auch heute in Bayern."36

Am späten Nachmittag erreichten wir Puno, das pulsierende Wirtschaftszentrum Perus, und

gerieten voll in die Rush Hour. Vertraut mit dem Verkehr in Delhi und Mumbai dachte ich, mich

könnte keine Verkehrssituation mehr überraschen, doch bei dieser Fahrt bekam ich tatsächlich zum

ersten Mal Angst. Es muss entweder lange heftig geregnet oder an mehreren Stellen Rohrbrüche

gegeben haben, denn ganze Straßenzüge standen unter Wasser, was auf den unbefestigten Fahrbahnen

zu Riesenschlaglöchern führte, die der überdimensionierte Bus im Zickzack und heftig schwankend zu

umfahren versuchte. Man wusste nie, wie tief ein Rad bei dem nächsten Wasserloch einsinken würde.

Dazwischen-davor-daneben - von überall her der Verkehr, Fahrräder, leichte Zweitakter, große und

kleine PKWs, LKWs, Busse… ein unbeschreibliches Chaos, fast wie übereinandergeschichtet. Alle

nur darauf bedacht, den nächsten freien Millimeter zu beanspruchen. Bei einem Abbiegemanöver

setzte der Bus auf der Straße, in die er einbiegen wollte, auf. Ohne dass sich im gesamten

Verkehrsfluss etwas verändert hätte, gelang es ihm, durch Zurück- und Vorsetzen frei zu kommen und

die Fahrt fortzusetzen. Nun habe ich verstanden, warum zwei Fahrer dabei waren.

In dieser Stadt gibt es aber auch noch einen anderen Brauch. Abuel erzählte, dass jedes Jahr

Anfang Mai ein Miniaturen-Markt stattfindet, auf dem es alles, ausnahmslos alles, was Menschen in

ihrem Umfeld erschaffen, als Miniatur zu kaufen gibt: Autos, Tiere, Häuser, Büros, Geldscheine,

Hochzeitskleider, sogar Universitätsdiplome und Doktorarbeiten. Die Menschen kaufen auf dem

Markt eine Miniatur von dem, was sie sich im folgenden Jahr wünschen, und gleich neben dem Markt

stehen Paq'os / Yatiris und katholische Priester bereit, um diese Miniaturen zu segnen. Viele gehen

vorsichtshalber zu beiden.

Es war schon dunkel, als wir schließlich in der Hotelanlage

(in einem Vorort, direkt am Titicacasee) ankamen. Mein Zimmer

lag im vierten Stock ohne Aufzug. Dreimal verlor ich den

Hotelangestellten mit meinem Gepäck in den weiträumigen,

verwinkelten Fluren aus den Augen. Stufe um Stufe und nach einer

gefühlten Viertelstunde war ich endlich oben und wurde mit einer

fantastischen Aussicht über den See belohnt. Ich muss wohl eine

Weile eingeschlafen sein. Als ich wach wurde, sah ich wie unten

im Park Michelle Karen mit einigen anderen unser Despachopaket verbrannte. Da dies nach einer

Zeremonie Vorschrift ist, gibt es überall im Land dafür problemlos Feuerstellen. Es war ein riesiges

Feuer und brannte noch lange. Nur die Aussicht, danach wieder in den 4. Stock hoch zu müssen, hielt

mich davon ab, nach unten zu gehen.

36

J. E. Krösel / www.KROESEL.com.

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29 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Aramu Muru Tor

Heute ist unser 10. Reisetag, der 21.12.12. [Numerologisch sind das, je nachdem, wie man

rechnet, entweder 9 Tage (Vollendung) oder auch 10 Tage nach dem 12.12.: Die Zehn steht für

Neuanfang…] Wir brechen wieder früh um 6.30 Uhr auf. Unser großes Gepäck bleibt im Hotel. Ich

bin noch einmal zurückgegangen (freiwillig in den vierten Stock!) und habe kurzfristig umgepackt und

alles für die Übernachtung Benötigte mit in meinen Rucksack getan. Dieser Eingebung war ich später

sehr dankbar.

Ich habe ziemliche Kopfschmerzen, das Klima bzw. die Höhenlage macht mir sehr zu

schaffen. Deshalb erlebe ich die folgenden Tage wie in einem leichten Nebel. Dabei sollte ich mich

doch eigentlich freuen: Die Menschheit - wir - haben es geschafft! Der 21.12. ist das kalendarische

Datum - die Energien haben sich schon längst verlagert - vom Ende einer alten zum Beginn einer

neuen Zeitepoche. Innerhalb eines Zeitraumes von 25.625 Jahren dreht sich die (schiefe) Erdachse

einmal um die Senkrechte auf ihrer Bahnebene herum und beginnt einen neuen Zeitzyklus37

. Dabei

erscheint es in einem Zeitfenster von 36 Jahren fast so, als lägen aus Sicht des Planeten Erde alle

übrigen Planeten einschließlich der Sonne unseres Sonnensystems auf einer Achse, die weit in das

Zentrum des Universums hineinreicht. Diese Fein-Angleichung an die gerade Ausrichtung auf der

Achse dauerte 18 Jahre, jetzt haben wir die exakte Mittellage erreicht, und es dauert weitere 18 Jahre,

dass sich diese Angleichung wieder langsam auflöst. Zur Mitte des letzten Jahrhunderts ließen die

Wahrscheinlichkeiten noch erwarten, dass sich die Menschheit (erneut) auslöschen würde, doch seit

der Harmonischen Konvergenz 1987 wuchsen das Bewusstsein und die energetische Schwingungsrate

auf dem Planeten beständig, so dass die Menschheit erstmals bewusst in einen Aufstiegsprozess geht,

ohne den physischen Körper abzulegen. Pachakuti ist eingetreten, die Zeit der großen Bewusstseins-

veränderung für die Menschheit, die Zeit der veränderten Paradigmen und einer neuen Sicht der

Wirklichkeit, die Zeit der geöffneten Herzen und des Friedens auf der gesamten Erde. Es ist die Zeit

zu erwachen und uns zu erinnern, wer wir wirklich sind. Glaubt man den Aussagen, dann wird die

Manifestierung dieses Ereignisses ein langsamer Prozess über wahrscheinlich zwei Generationen sein,

bis die alte Energie von den heranwachsenden jungen Menschen in der neuen Energie abgelöst wird.

Die Veränderungen werden so unmerklich sein, dass wir nur rückblickend feststellen können, dass wir

nicht mehr dieselben sind.

Nach ca. 26.000 Jahren haben wir einen Zyklus beendet, und ich hatte geplant, das ausgiebig

zu feiern. Bereits auf der Zugfahrt zum Machu Pichhu überlegten wir scherzhaft, ob wir nicht einen

Regisseur finden, der unser Zusammentreffen jetzt mit Episoden aus den letzten 26.000 Jahren unseres

Lebens verfilmt… Und nun stehen wir einfach nach unserem kleinen, durch starken Wind behinderten

37

Für diesen Zyklus gibt es viele Namen: Weltenjahr, Platonisches Jahr, Yuga usw.

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30 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

(unterstützten?) Despacho und dem Bewusstsein, dass die Erde soeben in eine andere Energie

eingetreten ist mit unseren Lichtschwertern im Halbkreis vor dem Aramu Muru Tor, einem Tor in

einer surrealen Landschaft aus roten Sandsteinfelsen, teils gerundet (bearbeitet), teils wild zerklüftet in

wilden Formationen und tönen, während wir nach und nach das kleine Tor und die konkav in die

Wand eingelassenen Säulen zu beiden Seiten betreten. Der Himmel war tiefblau mit grandiosen

Wolkenformationen, und mit dem Tor im Rücken hat man einen großartigen Ausblick über den weiten

Titicacasee. Viele Reiseführer erwähnen diesen Ort bis heute nicht. Es scheint, dass er in spirituellen

Kreisen als Pforte in eine andere Dimension verbreiteter ist. Das Tor und den Namen hat Jorge L.

Delgado vor ca. 20 Jahren bekannt gemacht, nachdem er dort eine sein Leben verändernde Vision

hatte und später auch andere dorthin führte.

Aramu Muru verbindet uns wieder mit der

im früheren Coricancha Tempel in Cusco

aufbewahrten Golden Sonnenscheibe. Diese

erinnerte in Lemurien die Menschen an ihre wahre

Herkunft von der Großen Zentralen Sonne (Hatun

Inti). Der Legende nach brachte der große Meister

Aramu Muru nach dem Untergang Lemuriens diese

Scheibe nach Cusco, und die Inkas nutzten sie, um

direkte Informationen von ihrem Sonnengott

(Viracocha), dem universellen Geist im Zentrum der Galaxis, zu empfangen. Kurz vor dem Eintreffen

der Eroberer im 15. Jahrhundert brachte Aramu Muru die Goldene Scheibe in der unterirdischen

Kristallstadt im Titicacasee in Sicherheit und verließ den Planeten durch das Tor von Aramu Muru.

Der Legende nach wird die Goldene Scheibe mit dem Pachakuti, der Zeitenwende, wieder aus dem

See aufsteigen.

Wir waren nicht die erste Gruppe, doch

unsere Vorgänger waren soeben fertig und zogen

sich vom unmittelbaren Vorplatz zurück. Bis dicht

hintereinander die nächsten Busse mit weiteren

Gruppen kamen, hatten wir viel Zeit und Muße, die

Energien der Tür und der beiden Säulen

aufzunehmen. So verbrachten wir den ganzen

Vormittag überwiegend schweigend in diesem

Energiefeld. Einige erkletterten die umliegenden

Felsen oder genossen die Sonne auf dem flachen

Hang oberhalb des Tores, andere blieben einfach in

der Nähe davor - richtig entfernen mochte sich

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31 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

niemand. Im Bus tauschten wir unsere sehr persönlichen Erfahrungen aus. Ja, es ist ein interdimen-

sionales Tor. Ja, es gibt die Kristallstadt im Wasser.38

Ja, die Goldene Scheibe ist aus dem Wasser

aufgestiegen und goldene Tropfen aus flüssigem Licht haben die Epiphyse aktiviert, bevor sie ins Herz

sanken. Und ja, wir haben später auch ein UFO über dem See gesehen.39

Abuel bemerkte im Bus, dass ich Kopfschmerzen hatte, und er gab mir eine sehr wirksame

Druckakupunktur am Handgelenk. Außerdem sollte ich noch zwei Cocablätter lutschen, die er mir

anschließend auf die Schläfen klebte. Sie sollten dort bleiben, bis sie sich selbst lösen. Ich weiß nicht,

wann und wo er die kleinen würzigen Zweige gepflückt hat, die er mir zum Riechen gab. Dieses Kraut

wächst wild und ist allgemein als ein gutes Mittel gegen die Höhenkrankheit bekannt. Seine

Behandlung hat mir gut geholfen. Ich erfuhr von ihm, dass die Einheimischen bewusst mit vielen

Dingen leben. So ist jeder Wochentag einer Farbe zugeordnet, und man trägt nach Möglichkeit etwas

in dieser Farbe bei sich. Als Allheilmittel gilt der erste Morgenurin. Er behandelt damit seine

Ohrprobleme. Bei schweren Erkrankungen, deren Ursache unbekannt ist, wird ein Meerschweinchen

(einer besonderen Rasse) auf den Körper gebunden und am anderen Tag seziert: Im Körper des Tieres

befindet sich ein genaues Abbild des kranken Körpers, und die erkrankten Stellen können lokalisiert

werden. Anschließend wird das Meerschweinchen mit einem besonderen Ritual bestattet, bei dem ihm

für seinen Dienst gedankt wird. Wäre ich nur wacher gewesen, ich hätte bestimmt viel mehr behalten.

Die Weiterfahrt wurde noch einmal bei Bebedero

del Inca, auch einem alten Kultplatz, unterbrochen. Abuel

wies uns darauf hin, die langgestreckten Felshügel hinter

dem kleinen nach Osten gerichteten Türmchen (ein

Kultplatz der Inka zur Begrüßung der Sonne) zu betrachten

Sie sind aus demselben Sandstein wie Aramu Muru und

gehören

auch

eigentlich noch zum Hinterland dieser Felswüste.

Unverkennbar hatten sie die Gestalt einer Schlange.

An der Straßenseite führen einige Stufen auf ihren

Rücken, und es war einfach verlockend, auf ihm bis

zum Ende zu laufen. - In der Weite der

peruanischen Hochebene verzerren sich leicht die

Maßstäbe: Der Rücken der Schlange war ca. 3 - 7

m hoch und 70-80 m lang. - Wieder hatte ich das

38

Der alte Name des Titicacasees lautet Winjaymarca, d.h. 'Die ewige Stadt'. 39

Die Einheimischen berichten ganz selbstverständlich von UFOs, die immer wieder gesehen werden. Im See befindet sich eine Basis mit

der Funktion einer Versorgungsstation.

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32 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Gefühl eines starken Kraftplatzes. Später las ich bei Jorge L. Delgado, dass an diesem Ort die Felsen

auch noch den Rücken eines Puma vollkommen mit der Schlange verschmelzen lassen und ein paar

Meter weiter in einer Felswand ein alter Kondor, der traditionelle kosmische Bote, zu finden ist.40

Alle

drei Welten der Inka hatten ihre Zugänge in unmittelbarer Nachbarschaft, und das heute noch direkt

neben der Autobahn.

Titicacasee

Über eine Stunde lang fuhr der Bus bereits am See entlang, bevor wir in einem kleinen Hafen

auf ein noch kleineres Boot umstiegen, das uns nach Amantani bringen sollte. Diese Insel (15 qkm,

vergleichbar mit der Größe von Juist) liegt noch hinter

Taquile, einer ebenfalls sehr bekannten Insel, und die

Fahrt dauerte fast dreieinhalb Stunden. Der Titicacasee

ist der zweitgrößte Binnensee Südamerikas, das jedoch

auf einer Höhe von 3.800 m. Er hat eine Fläche von

8.372 qkm (Bodensee: 536 qkm) und wird auch für die

Handelsschifffahrt benutzt. An seiner tiefsten Stelle ist

er 284 m tief (Bodensee: 254 m). Auf dem See

befinden sich 32 Inseln, Amantani und Taquile wetteifern um die Unterbringung von Touristen. Auf

beiden Inseln gibt es keine Hotels, und wir schliefen für eine Nacht in den privaten Unterkünften der

Einheimischen.

Müde und hungrig legten wir schließlich auf der Insel an. Das gemeinsame Mittagessen

wartete schon - das Dorf liegt jedoch an einem Hügel, und es gilt wieder einmal, 100 Höhenmeter zu

überwinden. Als Claire gar nicht mehr weiterkommt,

verschwindet ein Dorfbewohner kurz und kommt mit einer

Schubkarre mit Decken zurück. So schafft sie die letzte Etappe.

Das Mittagessen war einfach, Suppe und Hauptgericht. Ich

weiß nicht

mehr, was es

gab, aber es

schmeckte

und tat unseren ausgehungerten Mägen gut.

Michelle Karens Vorschlag für ein anschließendes

Despacho kam gut an - aber bitte nicht in den

Tempeln auf einem der beiden Berge, die ca. 200 m

über der Wasserfläche liegen. Wegen des starken

Windes führten wir es schließlich im Innenhof eines der Häuser durch und weil dieses Mal in der

40

Andean Awakening. S. 12f.

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33 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Zeremonie alle 'großen' Wünsche für die neue Zeit übergeben wurden, sollte das Opferpaket nicht

verbrannt, sondern am anderen Tag im Titicacacsee übergeben/versenkt werden. Abends verabredeten

wir noch eine Feuerzeremonie.

Es war der erste Abend auf der ganzen Reise, bei der ich wenigstens ein paar Sterne gesehen

habe, als der Himmel ein wenig aufriss und plötzlich die Wolken einen auffallenden zusätzlichen

schmalen Ring mit einem großen Durchmesser um den großen, regenbogenfarbenen Halo des Mondes

bildeten. Für die Nacht wurden wir auf mehrere Familien aufgeteilt. Alle Dorfbewohner sprechen

Quechua, viele aber auch Spanisch. Doch auch wenn ich besser Spanisch gekonnt hätte, wäre ich zu

müde gewesen, mich mit ihnen zu unterhalten. Die Betten waren einfach, wie früher in unseren

Jugendherbergen. Abends war es bitter kalt geworden, der Titicacasee ist dafür bekannt, und

irgendwann fror ich in meinem Sommerschlafsack und kroch schließlich unter eine der dicken

Lamahaardecken. Ich hatte den ganzen Tag keine Hunde gesehen und auch keine bellen hören und

entschied mich deshalb irgendwann, doch das Toilettenhäuschen im Garten aufzusuchen. Es blieb

wirklich still im Dorf, und die Schüssel unter dem Bett wurde nicht gebraucht.

Das Frühstück am anderen Morgen war einfach und gut. Wir nahmen es im Innenhof ein. Als

Sicht- und Windschutz und

zum Schutz gegen freilaufende

Tiere hat jedes Haus den

Vorplatz durch einen Zaun

abgegrenzt. Deshalb sieht man

von außen nicht die aus

kleinen, runden, schwarzen und weißen Kiesel kunstvoll wie ein Teppich gemusterten Pflaster. Die

Familie einschließlich der Großmutter bot noch die eigenen Strickereien und Webereien an. Als

Gastgeschenke unsererseits sind bei den einheimischen Familien vor allem jene Dinge willkommen,

die sie nicht selbst anbauen oder herstellen können. Konserven sind dazu auch noch haltbar. Dann

trafen wir uns alle wieder auf dem Weg zum Bootssteg. Der starke Wind des Vortages entwickelte

sich auf dem Wasser zu einem kleinen Sturm, und das kleine Boot schaukelte so heftig in den hohen

Wellen, dass alle, die dabei sein wollten, wie im Heck das Opferpaket dem Wasser übergeben wurde,

Schwimmwesten tragen mussten.

Es war vorgesehen, dass wir auf der

Rückfahrt mit einer anderen Gruppe auf einer

anderen Insel zusammentreffen sollten. Doch

der See hatte anderes mit uns vor. Der starke

Wind zwang das Boot, in der Nähe von

Llachon auf der Halbinsel Capachica

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34 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

anzulegen. Und plötzlich landeten wir an einem einsamen Strand wie aus einem Reiseprospekt, sanfte

Hügel, sattgrüne Pinien, tiefblauer Himmel und weißer Sand. Der Wind war immer noch sehr kalt,

doch zu meiner Überraschung hatte sich der Sand

schon so aufgewärmt, dass es sogar durch die

Kleidung angenehm spürbar war. Michelle Karen

führte uns in einer schnell improvisierten Meditation

durch das Tor von Aramu Muru in die Kristallstadt

und wieder wohlbehalten an den Strand zurück. Wir

hatten ähnliche Erfahrungen und tauschten uns über

die, zum Teil berührenden, Erlebnisse aus. "Es wird

für alle gut sein, ihr Herz zu öffnen und jegliche

Einschränkung abzulegen, die verhindert, sich voll

auf den mystischen Charakter dieser Reise einzulassen. Darüber hinaus wird es hilfreich sein, den

Drang abzulegen, die Erfahrungen zu "vergleichen", weil das unweigerlich zurück in die Polarität und

das lineare Denken der dritten Dimension führen würde." (zu Beginn der Reise gechannelte

Botschaft). Wieder war es Zeit, den Eindrücken nachzusinnen und die vielen Erlebnisse ungestört zu

verarbeiten, und wieder zerstreuten wir uns meist einzeln über den großen Strand. Fünf gingen zum

Schwimmen ins Wasser.41

Alle brauchten ihre Zeit.

Bestimmt zwei Stunden haben wir so verbracht und wussten noch nicht, dass Pachamama,

Mamakocha und die Freunde aus der Kristallstadt das Zusammensein mit uns noch weiter hinaus-

zögern und uns mit einer besonderen Energie beschenken wollten. Der geplante Besuch der berühmten

schwimmenden Schilfinseln würde aus zeitlichen Gründen ausfallen, und wir gingen alle an Bord mit

der Freude auf das bevorstehende Mittagessen. Doch gerade, als das Boot richtig Fahrt aufgenommen

hatte, fiel der Motor aus. Der Bootsführer hatte ein Ankerseil der auf dem Wasser treibenden

Forellenfarmen übersehen und es gekappt. Dieses Tau hatte sich so fest um die Schraube gewickelt,

dass nichts mehr ging. Mario, ein Mann wie ein Baum, stieg sogar mit einem Messer ins eisige Wasser

und tauchte erfolglos unter das Boot. Die Schiffsschraube hatte sich verbogen. Also floaten wir. Wir

befanden uns auf dem Wasser, aber wir bewegten uns nicht fort, das heißt, obwohl wir auf dem

Wasser trieben, waren wir in gewisser Weise geerdet und mit der „statischen“ Präsenz des

Kristallgitters verbunden, was eine Energie erzeugt, die ähnlich reflektierend ist wie das Wasser. Wer

weiß, in welcher Form wir dort mit vergangenen und zukünftigen Energien im Austausch gewesen

sind. Es begann heftig zu regnen, und der aufkommende Sturm ließ das kleine Boot in dem starken

Wellengang ganz schön tanzen. Einigen bekam das leider gar nicht. Ich selbst habe die Situation wie

durch einen Filter erlebt; meinem Körper ging es überhaupt nicht gut, und ich hatte nur das Bedürfnis

zu schlafen zu. Doch manchmal wirken Energien ja auch auf anderen Ebenen…

41

An dieser Stelle war gar nicht vorstellbar, dass der Titicacasee zum "bedrohten See des Jahres 2012" erklärt worden ist und dass

Umweltschutzorganisationen das Einleiten von ungefiltertem Klärschlamm aus den Städten und Dörfern und von ungereinigten giftigen Abwässern aus illegalen Minen anprangern. S.a.: http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-08.

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35 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Nach drei Stunden tauchte schließlich das Schnellboot am Horizont auf. Der Inhaber der

Reiseagentur war mitgekommen, um sich selbst ein Bild zu machen, doch zu seinem Erstaunen fand er

uns völlig unaufgeregt vor. Alle halfen sich umsichtig beim Umsteigen und Versorgen des Gepäcks,

und mit dem havarierten Boot am Schleppseil konnte die Weiterreise fortgesetzt werden. Bei der

Alternative, entweder unterwegs das ausgefallene Mittagessen provisorisch und mit neuer Wartezeit

nachzuholen oder unsere Bestellung jetzt an unser Hotel zu geben, so dass alles bei unserer Ankunft

fertig sei, wählten wir die zweite Lösung - natürlich als ersten Gang eine heiße Quinoa-Suppe. Für das

für diesen letzten Tag unserer Reise geplante festliche Abschiedsdinner, das sich quasi anschloss,

hatten wir nur noch wenig Appetit. Wir waren nach dem langen Tag noch so mit unserem

"Ankommen" beschäftigt, dass der Gedanke an Abschied gar nicht aufkam. Meine medial begabte

Heilpraktikerin hatte mir geraten, um den 21.12. herum alles zu tun, damit das Blut möglichst

dünnflüssig sei und die ungeheure einströmende Energie gut verteilt werden könne, und plötzlich

erinnerte ich mich, dass ja auch Alkohol das Blut verdünnt. So habe ich leider erst an diesem Abend

Pisco Sour entdeckt, das peruanische/südamerikanische Nationalgetränk, ein köstlicher leichter

Aperitif aus klarem Traubenschnaps mit Limetten und gestanztem Eis. Bei meiner nächsten Reise

werde ich bestimmt schon am ersten Tag prophylaktisch mit dieser Blutverdünnung beginnen!

Am anderen Morgen trennten sich unsere Wege wieder. Einige waren schon sehr früh mit dem

Taxi zum Flughafen gefahren, andere blieben noch im Hotel (Das werde ich beim nächsten Mal auch

tun.), und alle übrigen fuhren um 8.30 Uhr mit dem Bus zum Flughafen nach Juliaca, von wo sie am

späten Vormittag mit verschiedenen Gesellschaften zurück nach Lima flogen. Es war der 23.

Dezember, die Flughafenmitarbeiter*innen trugen Nikolausmützen, und auf der kleinen Startbahn war

der Weihnachtsmann persönlich im Einsatz. In der Wartehalle tanzten spontan einige aus unserer

Gruppe und andere Fluggäste zur Musik einer peruanischen Musikgruppe.

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36 Pachakuti: Reisetagebuch Peru 2012

Nach der Landung in Lima bin ich noch einmal einigen bei der Gepäckausgabe begegnet,

später zufällig noch einmal im Hotel, und dann erfuhren alle Freunde auf Facebook, dass wir wieder

gut daheim angekommen waren42

.

"Tupananchiscama - bis ich dich wiedersehe", sagen die Menschen in den Anden. Was

werden wir wohl erlebt haben, wenn wir uns in 26.000 Jahren wiedersehen?

Wenn ich zurückschaue, bin ich von Dankbarkeit erfüllt.

Wenn ich nach vorn schaue, erfüllt mich meine Vision.

Wenn ich nach oben schaue, bin ich angefüllt mit Kraft.

Wenn ich nach innen schaue, erfahre ich Frieden.

(Weisheit der Quero)

überarbeitet 18.06.2018

Karla Engemann

www.klang-weg.de

[email protected]

42

Dank Facebook war es mir möglich, einige Fotos zu übernehmen, die einfach besser waren. Ich danke Michelle, Henri, Lee, Salinna

und Tatjana für ihre Erlaubnis.