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Veröffentlichung_Nachgiebiger_ Ausbau_ES_08_01_2010.doc -1- Nachgiebiger Ausbau für druckhaftes Gebirge Gestern – Heute – Morgen Lösungen für den Brenner-Basistunnel E. Schneider und M. Spiegl 1. Einleitung Im Zuge des Aus- und Neubaus der Südbahn von Wien nach Klagenfurt und weiter nach Italien sowie der TEN – Strecke Berlin – Palermo sollen in den nächsten 20 Jahren in Österreich drei Basistunnel (Semmering, Koralm und Brenner) mit insgesamt 110 km Länge errichtet werden. Bei zwei getrennten Röhren ergibt das 220 km Fahrtunnel plus 40 bis 50 km Zugangs-, Flucht- und Rettungstunnel, Erkundungsstollen etc. Der bedeutendste ist der Brenner-Basistunnel, dessen Länge mit 57 km dem Gotthard-Basistunnel in der Schweiz entspricht. Allerdings ist die Geologie in der Wipptalfurche wesentlich komplexer und tunnelbautechnisch gesehen ungünstiger als in den Schweizer Zentralalpen. Deshalb wird beim Brenner-Basistunnel auf mehr als 30 % der gesamten Tunnellänge mit mehr oder weniger druckhaftem Gebirge gerechnet (Stand 2006). Der Großteil davon entfällt auf den Nordabschnitt von Innsbruck bis zur Staatsgrenze. Überlegungen zur Wahl der Vortriebsmethode wurden von den Autoren mehrfach – zuletzt beim Brenner-Basistunnel-Symposium 2007 - vorgestellt [1]. Der vorliegende Beitrag gibt eine Übersicht über die für druckhafte Strecken geeigneten Ausbausysteme. Beginnend mit einem kurzen historischen Rückblick wird der Stand der Technik dargestellt. Am Schluss wird eine Neuentwicklung vorgestellt. 2. Druckhaftes Gebirge Die österreichische Richtlinie für die geotechnische Planung von Untertagebauten mit zyklischem Vortrieb [2] verwendet den Ausdruck „druckhaftes Gebirge“, der an die im 19. Jahrhundert entwickelten Gebirgsdrucktheorien erinnert, nicht. Sie definiert vielmehr 11 übergeordnete Kategorien von Gebirgsverhaltenstypen (GVT), von denen Typ 3 bis 7 im weitesten Sinne druckhaftes Gebirgsverhalten beschreiben. Abb. 1: Übergeordnete Kategorien von Gebirgsverhaltenstypen (Auszug aus ÖGG RiLi)

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Nachgiebiger Ausbau für druckhaftes Gebirge Gestern – Heute – Morgen

Lösungen für den Brenner-Basistunnel

E. Schneider und M. Spiegl 1. Einleitung Im Zuge des Aus- und Neubaus der Südbahn von Wien nach Klagenfurt und weiter nach Italien sowie der TEN – Strecke Berlin – Palermo sollen in den nächsten 20 Jahren in Österreich drei Basistunnel (Semmering, Koralm und Brenner) mit insgesamt 110 km Länge errichtet werden. Bei zwei getrennten Röhren ergibt das 220 km Fahrtunnel plus 40 bis 50 km Zugangs-, Flucht- und Rettungstunnel, Erkundungsstollen etc. Der bedeutendste ist der Brenner-Basistunnel, dessen Länge mit 57 km dem Gotthard-Basistunnel in der Schweiz entspricht. Allerdings ist die Geologie in der Wipptalfurche wesentlich komplexer und tunnelbautechnisch gesehen ungünstiger als in den Schweizer Zentralalpen. Deshalb wird beim Brenner-Basistunnel auf mehr als 30 % der gesamten Tunnellänge mit mehr oder weniger druckhaftem Gebirge gerechnet (Stand 2006). Der Großteil davon entfällt auf den Nordabschnitt von Innsbruck bis zur Staatsgrenze. Überlegungen zur Wahl der Vortriebsmethode wurden von den Autoren mehrfach – zuletzt beim Brenner-Basistunnel-Symposium 2007 - vorgestellt [1]. Der vorliegende Beitrag gibt eine Übersicht über die für druckhafte Strecken geeigneten Ausbausysteme. Beginnend mit einem kurzen historischen Rückblick wird der Stand der Technik dargestellt. Am Schluss wird eine Neuentwicklung vorgestellt. 2. Druckhaftes Gebirge Die österreichische Richtlinie für die geotechnische Planung von Untertagebauten mit zyklischem Vortrieb [2] verwendet den Ausdruck „druckhaftes Gebirge“, der an die im 19. Jahrhundert entwickelten Gebirgsdrucktheorien erinnert, nicht. Sie definiert vielmehr 11 übergeordnete Kategorien von Gebirgsverhaltenstypen (GVT), von denen Typ 3 bis 7 im weitesten Sinne druckhaftes Gebirgsverhalten beschreiben.

Abb. 1: Übergeordnete Kategorien von Gebirgsverhaltenstypen (Auszug aus ÖGG RiLi)

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In der Praxis wird GVT 4 tiefreichende Überbeanspruchung, die sich in spannungsbedingter tiefreichender Entfestigung bzw. Plastifizierung des Gebirges mit großen Deformationen äußert, mit druckhaftem Gebirgsverhalten gleichgesetzt. Diese Phänomene treten hauptsächlich in duktilen, d.h. leicht verformbaren Gebirgsarten wie Phylliten, Schiefer u.ä. auf. GVT 5 Bergschlag tritt nur in sprödem Gebirge wie Gneis und Granit auf. Von JOHN wurden für die Abgrenzung zwischen GVT 3 und GVT 4 beim Brenner Basistunnel sowie einer Unterteilung des Typs 4 in 4.1 leicht druckhaft und 4.2 stark druckhaft Kriterien verwendet [3], die auf der von HOEK & MARINOS vorgeschlagenen Kennzahl „Gebirgsfestigkeit durch maximale Primärspannung“ [4] basieren. Die Autoren dieses Beitrags haben in [1] eine Klassifizierung verwendet, der das Verhältnis Radialverschiebung durch Radius als Kriterium zu Grunde liegt.

Kennzahl [σ D / σ ∞] GVT Radius ∆R/R [%] 0,45 – 0,28 3 < 1,0 0,28 – 0,20 4,1 1,0 – 2,5

< 0,20 4,2 2,5 -5,0 3. Geotechnische Grundlagen In der Fachwelt ist unbestritten, dass durch Zulassen von Verformungen die Belastung des Ausbaus reduziert werden kann [5,6]. Veranschaulicht wird dieser Zusammenhang durch Gebirgs- bzw. Ausbaukennlinien. Abb. 2 zeigt das von PACHER 1964 erstmals publizierte Diagramm [7]. Bemerkenswert ist darin die Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Verformung auf der gespiegelten Ordinate. Meist wird heute die in Abb. 3 dargestellte Form verwendet, die sich auf die Darstellung des Zusammenhangs zwischen Gebirgsverformung und Ausbauwiderstand – eventuell ergänzt durch Angabe des plastischen Radius – beschränkt [8]. Die Zeitabhängkeit, die - wie weiter unten ausgeführt - von erheblicher Bedeutung ist, ist daraus allerdings nicht ersichtlich.

Abb. 2: Fenner-Pacher Kurve (1964)

Abb. 3: moderne Darstellung einer Gebirgskennlinie

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4. Nachgiebiger Ausbau für konventionelle Vortriebe 4.1 Entwicklung in Österreich Anfänge In Österreich wurde in den 1960-er Jahren die NATM- New Austrian Tunnelling Method entwickelt. Ihrem Gründervater RABCEWICZ kommt das Verdienst zu, Konzepte zur Beherrschung druckhafter Gebirgsverhältnisse nicht nur erdacht, sondern erstmals im Tunnelbau angewendet zu haben. Die vor 1950 für den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet entwickelten Ideen für nachgiebige Ausbausysteme waren für den Tunnelbau nämlich nur bedingt geeignet. Es ist jedoch anzunehmen, dass Rabcewicz über die Verwendung von sogenannten Quetschhölzern im deutschen Steinkohlbergbau informiert war. Diese Idee griff er jedoch vorerst nicht auf, sondern schlug in seiner Patentanmeldung von 1948 [9] neben anderen Lösungen auch einen nachgiebigen Ausbau mit einem verhältnismäßig schwachen Hilfsgewölbe aus Beton vor. Eine Lösung mit Quetschhölzern als nachgiebiges Element stellte er 1950 in seiner Dissertation [10] vor.

Abb. 4: Vorschläge von Rabcewicz Die Realisierung des nachgiebigen Hilfsgewölbes gelang allerdings erst, als der Spritzbeton als Haupt-Stützmittel Einzug in den Tunnelbau hielten. Dabei war man anfangs der Meinung, dass die geringe Steifigkeit des jungen Spritzbetons dem Gebirge ausreichende Verformungsmöglichkeiten böte. Das änderte sich Anfang der 1970-er Jahre, als beim Bau der ersten Röhre des Tauerntunnels umfangreiche Brüche und Zerstörungen der Spritzbetonschale auftraten. Das war die Geburtsstunde der Verformungsschlitze, ohne die bedeutende Tunnel wie der Arlberg- und der Karawanken-Straßentunnel kaum baubar gewesen wären. Dass diese Lösung außerhalb Österreichs anfangs keine Nachahmer fand, lag vermutlich an den Unzulänglichkeiten des Systems. Weil der offene Schlitz zwischen den Spritzbetonelementen den Fluss der Ringdruckkräfte zwischen den Spritzbetonelementen unterbricht, wurde diese Lösung von vielen als unbefriedigend angesehen. Aktueller Stand Das 1985 von BRUNAR und POWONDRA vorgestellte Konzept eines nachgiebigen Ausbaus für kreisförmige Tunnelquerschnitte sah erstmals die Verwendung von Stauchelementen aus Stahl vor [11]. Trotz einer erfolgreichen Anwendung bei einem Pilotprojekt auf der Zeche Ibbenbüren fand die Idee keine unmittelbaren Nachahmer. Das mag daran gelegen haben, dass die sogenannten MEYPO-Stauchelemente, die für einen Ausbau mit Stahlbetonfertigteilen und extrem druckhafte Gebirgsverhältnisse entwickelt worden waren, zu kostspielig waren.

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Abb. 5: MEYPO Stauchelemente Damals wie heute war aber Spritzbeton das wichtigste Stützmittel im konventionellen Tunnelbau. Vielleicht kam deshalb niemand auf die Idee, die MEYPO-Stauchelemente, die für einen Fertigteilausbau entwickelt worden waren, in Verbindung mit Spritzbeton einzusetzen. Für einen nachgiebigen Ausbau mit Stahlbetontübbingen hinter einer Schildmaschine, wofür sie unter Umständen geeignet gewesen wären, war die Zeit damals noch nicht reif. Bewegung und neue Erkenntnisse brachte Anfang der 1990-er Jahre ein Eisenbahntunnel in Österreich. Die stark druckhaften Störungszonen beim Galgenbergtunnel konnten erst dann ohne große Schäden an der Spritzbetonschale bewältigt werden, als Stauchelementen anstatt offener Schlitze verwendet wurden.

Abb. 6: Galgenberg-Tunnel Die ersten Stauchelemente wurden aus einfachen Stahlrohren hergestellt, die stehend eingebaut wurden. Seit 1999 gibt es das an der TU Graz entwickelte LSC Lining Stress Controller genannte System, das eine wesentlich günstigere Arbeitslinie aufweist und wegen seines modularen Aufbaus optimal an das Tragvermögen der jungen Spritzbetonschale angepasst werden kann [15].

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4.2 Entwicklung außerhalb Österreichs Außerhalb Österreichs ist eine starke Tendenz zum Ausbruch im vollen Profil festzustellen. In manchen Ländern wird die in Österreich übliche sequenzielle Arbeitsweise (Kalotte, Strosse, Sohle) als geotechnisch und baubetrieblich nachteilig angesehen. Wie die Erfahrungen von maschinellen Vortrieben mit Gripper-TBM zeigen, ist ein schneller Ringschluss in druckhaftem Gebirge auch nicht unbedingt ein Nachteil. Probleme machen vielmehr die nach Durchfahrt der TBM auftretenden Verformungen wie sie z.B. bei den maschinellen Vortrieben im Südabschnitt des Gotthard-Basistunnels und aktuell beim Brenner Basistunnel im Erkundungsstollen Aicha aufgetreten sind. Eine neuartige Lösung für den Ausbau konventionell vorgetriebener Tunnel in stark druckhaftem Gebirge wurde für den Gotthard-Basistunnel, Baulos Sedrun, entwickelt. Angeregt von Ideen aus Italien (LUNARDI) und dem im deutschen Steinkohlenbergbau schon seit Jahrzehnten verwendeten nachgiebigen Stahlausbau entwickelten die Schweizer Ingenieure ein verformungsverträgliches Ausbausystem, bei welchem der Ausbauwiderstand stufenweise erhöht werden kann. In Verbindung mit langen Ortsbrustankern aus GFK - dem italienischen Input – konnte mit dieser Methode das Tavetscher Zwischenmassiv, einer der kritischen Abschnitte des gesamten Projekts, ohne große Probleme durchörtert werden. Die mittlere Vortriebsgeschwindigkeit für die im Vollausbruch aufgefahrenen Fahrtunnel betrug zwar nur rund 1,0 m pro Tag, dank der ausreichenden Dimensionierung und der wohlüberlegten Reihenfolge des Einbaus der Stützmittel (Ortsbrustanker, Stahlbögen, Radialanker, Spritzbeton) traten jedoch keine unverträglichen Verformungen oder Schäden am Ausbau auf, sodass die gesamten Strecke ohne Nachprofilierungsarbeiten aufgefahren werden konnte [12]. Nicht ganz so reibungslos liefen die konventionellen Vortriebe von Sedrun Richtung Süden. Die Bewältigung einer nicht prognostizierten Störzone von 150 m Länge erforderte fast ein ganzes Jahr.

Abb. 7: Gotthard Basistunnel, Nachgiebiger Ausbau für Tavetscher Zwischenmassiv Eine ähnliche Lösung wie in Sedrun wurde beim Basistunnel Lyon-Turin für den Zugangstunnel Saint Martin-La Porte gewählt, nachdem der anfangs verwendete starre Ausbau den Belastungen nicht standhielt. Das Konzept fußt auf einer Kombination von Maßnahmen. Beginnend mit einer Stabilisierung des Bereichs vor der Ortsbrust, für die auch bei diesem Projekt lange GFK-Anker verwendet wurden, wurde ein nachgiebiger Stahlausbau mit Radialankern und eine starre Spritzbetonschale mit Stauchelementen gewählt [13]. Auch bei diesem Projekt wurde dem Vollausbruch der Vorzug gegenüber einem sequenziellen Ausbruch von Kalotte, Strosse und Sohle gegeben.

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Abb. 8: Basistunnel Lyon-Turin, Zugangstunnel St. Martin-La Porte 5. Nachgiebiger Ausbau für Vortriebe mit Gripper-TBM (TBM-O) Jahrzehntelang wurden druckhafte Strecken hinter Gripper-TBM’s starr ausgebaut. In den USA geschah dies mittels Stahlausbau und Holzverzug, in Europa meist mittels einer Kombination von starrem Stahlausbau und Spritzbeton. Nach dieser Methode wurden druckhafte Strecken in Wasserstollen mit Durchmessern von 3,0 bis 7,0 m wie dem Walgau-Stollen (1981 bis 1984), Uttendorf (1986) und Evinos in Griechenland (1992 – 1995) erfolgreich aufgefahren. In Folge der Vorverformung im Bereich der Ortsbrust und des Hereinwachsens des Gebirges zwischen den Stahlbögen ist bei diesem System auch bei sofortigem Ringschluss mittels starrer Vollkreisstahlbogen eine beschränkte Verformungsmöglichkeit für das Gebirge gegeben. Um dies zu nutzen, wurde der Spritzbeton erst 20 bis 30 m hinter der Ortsbrust eingebaut. Trotzdem konnten Schäden am Ausbau nicht immer vermieden werden. Weit größere Schwierigkeiten traten allerdings bei anderen Projekten auf, wo kein schneller Ringschluss erfolgte oder ein weicher Ausbau (Anker und Spritzbeton ohne Stahlbögen) verwendet wurde. Einen entscheidenden Fortschritt für maschinelle Vortriebe mit offenen TBM brachte die Verwendung von TH-Bögen mit nachgiebigen Verbindungen. Diese Lösung wurde erstmals beim Vereina-Tunnel in der Schweiz angewendet (1990) und war ein durchschlagender Erfolg. Aufbauend auf den positiven Erfahrungen mit geschlossenem Stahlausbau in Österreich und einem maschinellen Vortrieb mit nachgiebigem Stahlausbau im Ruhrgebiet wurden bei diesem Projekt erstmals im alpinen Verkehrstunnelbau unmittelbar hinter dem Bohrkopf kreisförmig geschlossene Stahlbögen mit nachgiebigen Verbindungen eingebaut. Bei Bedarf wurde der Ausbau bereits unmittelbar hinter dem Bohrkopf durch Spritzbeton verstärkt. Im Normalfall erfolgte der Spritzbetoneinbau jedoch erst im Arbeitsbereich A2 ca. 50 m hinter der Ortsbrust.

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Abb. 9: Nachgiebiger Stahlausbau im Vereinatunnel, Baulos T4 Nord Es ist erstaunlich, dass es mehr als 10 Jahre dauerte, bis diese Methode neuerlich angewendet wurde. Seit die druckhaften Strecken im Abschnitt Faido-Sedrun des Gotthard-Basistunnels von offenen TBM in Verbindung mit einem ähnlichen Ausbausystem erfolgreich durchörtert wurden, ist aber den meisten Fachleuten klar, dass für die sofortige Stützung in druckhaftem Gebirge bei offenen TBM’s ein nachgiebiger Stahlausbau die beste Lösung darstellt. Das hat neben geotechnischen auch baubetriebliche Gründe. Aus geometrischen Gründen ist es nämlich nicht möglich, unmittelbar hinter dem Bohrkopf ausreichend lange Mörtel- oder Selbstbohranker in radialer Richtung zu versetzen. Spritzbeton kann im A1 im Regelfall nur subsidiär z.B. zum Verfüllen von durch Nachbruch entstandenen Hohlräumen und zur Versiegelung der Felsoberfläche eingesetzt werden, weil die Platzverhältnisse im A1 äußerst beschränkt sind und frischer Spritzbeton im Ulmenbereich durch das Anpressen der Gripper zerstört wird. Lange Radialanker und konstruktiver Spritzbeton werden deshalb üblicher Weise erst im Arbeitsbereich A2 eingebaut..

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6. Nachgiebiger Ausbau mit Tübbingen Mit zunehmendem Einsatz von Schildmaschinen (TBM-S/DS) im Festgestein wurden Ideen für einen nachgiebigen Tübbingausbau entwickelt. Einer der ersten Vorschläge stammt von einem britischen Tunnelbauunternehmen, das in den späten 1970-er Jahren ein einschlägiges Patent einreichte [14]. Seither gab es eine Vielzahl von Lösungsvorschlägen, von denen es aber bisher keiner bis zur Anwendung schaffte. Die Vorschläge können in drei Kategorien eingeteilt werden:

• Einbau von Stauchelementen in den Längsfugen • Tübbinge mit außen liegenden Rippen bzw. Vertiefungen • Ringspaltfüllung mit komprimierbarem Material

Abb. 10: Systeme für Nachgiebigen Ausbau mit Tübbingen Theoretisch besteht auch die Möglichkeit, den Ringspalt einfach unverfüllt zu lassen. Das Hereinwachsen des Gebirges würde in diesem Falle aber völlig unkontrolliert erfolgen, außerdem gäbe es keine eindeutigen Bettungsverhältnisse für den Tübbingring. Aus diesen Gründen kommt diese Variante unseres Erachtens als Regelmaßnahme nicht in Frage und wird nicht weiter behandelt. Stauchelemente in den Längsfugen Grundsätzlich ist es vorstellbar, in den Längsfugen zwischen den Tübbingen Stauchelemente einzubauen. Dazu könnten die gleichen Typen verwendet werden wie beim konventionellen Vortrieb. Ein solches System hat u.a. MORITZ in [15] vorgeschlagen. Rippentübbing Dieser Tübbingtyp ist auf der Außenseite mit Rippen versehen, die am Gebirge anliegen. Der Spannungsabbau erfolgt durch Hereinwachsen des Gebirges in den zwischen den Rippen liegenden Hohlraum. VIGL hat im Rahmen des Forschungsprojekts TISROCK „TBM-Tunnelling in Squeezing Rock“ ein solches System entwickelt. [16].Unklar ist, wie bei diesem System die Bettung des Tübbingrings sichergestellt werden kann. Bei unverändertem Außen- und Innendurchmesser wird außerdem der tragende Betonquerschnitt gegenüber einem Normaltübbing stark reduziert. Um diesen Effekt zu kompensieren, ist eine substantielle Erhöhung der Betonfestigkeit notwendig.

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Ringspaltverfüllung mit komprimierbarem Material Die Verformung des Gebirges wird durch Zusammendrücken des Verfüllmaterials im ohnehin vorhandenen Ringspalt ermöglicht. Dabei sollte die Arbeitslinie des Verfüllmaterials auf das Verformungsverhalten des Gebirges und auf das Tragvermögen des Tübbingrings abgestimmt werden. Ein solches System wird in Kapitel 8 vorgestellt. 7. Einteilung der Stauchelemente Die Elemente, die zur Herstellung eines nachgiebigen Ausbaus erforderlich sind, lassen sich in zwei Gruppen einteilen: 7.1 Umfangselemente Dieser Elementtyp wird in Fugen, Schlitzen oder Aussparungen in Längsrichtung eingebaut. Die radiale Verschiebung des Hohlraumrandes wird auf indirektem Weg über Verkürzung des Umfangs erreicht (Faktor 2π). Ein Nachteil dieser Lösung ist, dass im Zuge der Verkürzung des Umfangs erhebliche Transversalbewegungen zwischen Spritzbeton bzw. Tübbing und Gebirge stattfinden. Diese Scherverschiebungen führen zu einer Reduktion der Gebirgsfestigkeit. Beispiel: Um eine Radialverschiebung von 10 cm, die bei Verwendung von Radialelementen ohne besondere Maßnahmen (Überschnitt) erzielt werden kann, zu erreichen, muss der Umfang um 63 cm verkürzt werden. Bei einer Elementhöhe von 40 cm und einer möglichen Stauchung von 20 cm je Element sind dafür mindestens 3 Reihen von Stauchelementen erforderlich.

Abb. 11: Stauchelemente: LSC-Element (o.), System Wabe (u.l.), System hiDCon (u.r.)

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7.2 Radialelemente Dieser Elementtyp wird zwischen Hohlraumrand (Gebirge) und Ausbau eingebaut. Die radiale Verschiebung des Hohlraumrandes wird durch Zusammendrücken eines komprimierbaren Materials ermöglicht. Die Radialverschiebung findet direkt und ohne Umweg über eine Transversalverschiebung statt. Anstelle einer Entfestigung des Gebirges durch Scherverschiebung kommt es zu einer Verdichtung des Gebirges am Hohlraumrand. Beispiel: Eine Radialverschiebung von 9 cm kann bei einer Komprimierung auf 40% mit einer Ringspaltstärke von 15 cm realisiert werden. Im Normalfall ist dazu kein Überschnitt erforderlich. Der vorgesehene Anwendungsbereich für Radialelemente sind primär maschinelle Vortriebe mit Schildmaschinen und nachfolgendem Tübbingausbau. Eine Variante für konventionellen Vortrieb mit Spritzbeton als Hauptstützmittel ist angedacht. Bisher wurde bei Schildvortrieben im Festgestein zur Ringspaltverfüllung überwiegend ein Blasversatz aus Perlkies verwendet. In nachbrüchigem oder druckhaftem Gebirge lässt sich der Ringspalt mit dieser Methode nur mangelhaft verfüllen. Bei solchen Verhältnissen muss örtlich eine Verpressung mit Mörteldurchgeführt werden. Aus diesem Grund spricht einiges dafür, den Ringspalt bei Schildvortrieben im Festgestein auf die ganze Länge mit Mörtel zu füllen. Dies ist insbesondere von Vorteil, wenn zwischen offenem Modus und EPB-Modus gewechselt werden muss (Beispiele: Katzenbergtunnel und Finnetunnel in Deutschland). Bei Verwendung von Mörtel wird die Firste bereits unmittelbar hinter dem Schild gestützt, was beim Blasversatz nicht möglich ist. Von der Ringspaltverfüllung mit normalem Mörtel ist es dann nur ein kleiner Schritt zum Verpressen mit komprimierbarem Mörtel.

Abb. 12: Vergleich: Blasversatz – Verpressen mit Mörtel Eine „trockene“ Ringspaltverfüllung mittels Granulaten aus komprimierbarem Material wie Blähtonkugeln, Gummigranulat oder Polystyrol ist wegen der Sperrigkeit dieser Materialien schwierig einzubringen und hinsichtlich des Verfüllungsgrades noch wesentlich ungünstiger als Perlkies. Aus diesem und anderen Gründen (ungünstige Arbeitslinie) stellt sie keine brauchbare Alternative zur Verfüllung mit komprimierbarem Mörtel dar.

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7.3 Dimensionierung Stauchelemente für nachgiebigen Ausbau müssen folgende Eigenschaften aufweisen:

• Anfangs langsamer Anstieg der Festigkeit (niedriger E-Modul) • Möglichst lang dauerndes Verformungsvermögen unter gleichbleibender Last

(Plateau) • Ausreichendes Tragvermögen am Ende des Verformungsprozesses.

Für Umfangselemente, die in der Spritzbetonschale eingebaut werden, ist über alle Stadien der Spritzbetonerhärtung und Festigkeitsentwicklung eine bestmögliche Anpassung an das Tragvermögen anzustreben. Diese Thematik wurde erstmals von B. MORITZ behandelt, aus dessen Dissertation [15] die folgende Abbildung entnommen wurde. Vertiefend behandelt wurde das Thema von RADONCIC, SCHUBERT und MORITZ beim Geomechanik-Kolloquium 2009 in Salzburg [17].

Abb. 13: Zeitbezogener Zusammenhang zwischen Verformung des Gebirges und Tragvermögen des Spritzbetons, Arbeitslinien LSC-Stauchelement Typ A/I und Spritzbeton J2/B Für Umfangselemente, die in Längsfugen von Tübbingringen eingebaut werden sollen, sind die Anforderungen ähnlich wie beim Einbau in Spritzbetonschalen. Eine Abstimmung mit der zeitabhängigen Festigkeitsentwicklung des Spritzbetons ist hier allerdings nicht erforderlich, die Elemente werden auf die 28 Tage Festigkeit des Tübbings dimensioniert. Maßgebend für die Bemessung ist nicht das Tragvermögen des Tübbingrings sondern die Normalkraft in der Fuge, die während der Verformungsphase nicht überschritten werden sollte. Für Tunnel mit 9,0 bis 10,0 m Durchmesser liegt die zulässige Normalkraft in der Größenordnung von 7 bis 8 MN pro lfm. Bei der Auslegung von radialen Stauchelementen, die flächig zwischen Tübbing und Gebirge eingebaut werden, ist zu beachten, dass das Tragvermögen des Tübbingrings für eine von außen wirkende Flächenlast (Gebirgsdruck), welches bei dem für eingleisige Eisenbahntunnel üblichen Durchmesser von rund 10,0 m üblicherweise zwischen 0,5 und 1,5 MPa liegt, nicht überschritten wird. Weil die Tübbinge im Normalfall erst nach Erreichen der 28-Tage-Festigkeit eingebaut werden, spielt die zeitliche Festigkeitsentwicklung des Tübbingbetons keine Rolle. Eine zeitliche Abhängigkeit besteht aber hinsichtlich der

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Verformungsgeschwindigkeit des Gebirges und der Vortriebsgeschwindigkeit der TVM. Diese beiden Variablen überlagern sich und sind schwer zu prognostizieren, weshalb die Anpassung des Verfüllmaterials nur iterativ auf Grund von Verformungs- und Spannungsmessungen erfolgen kann. Aus geotechnischen Gründen wäre ein flacher Anstieg der Festigkeit vom Anfang bis zum Erreichen des Plateaus wünschenswert. Um sofort nach dem Einbau eine ausreichende Bettung des Tübbingrings sicherzustellen, ist jedoch am Anfang ein möglichst steiler Anstieg erforderlich. Diesem sollte eine möglichst lange Phase mit idealplastischem Verhalten (Plateau mit gleichbleibendem Spannungsniveau) folgen. Die folgende Arbeitslinie zeigt das in der Praxis Erreichbare.

Abb. 14: Idealisierte Arbeitslinie für komprimierb aren Mörtel 8. COMPEX Support System Dieses System vom Typ „Radialelement“ wurde von K. ROTTER in den1990-er Jahren in Innsbruck erdacht und später mit einem Partner aus der Baustoffindustrie unter maßgeblicher Beteiligung der Autoren dieses Beitrags weiterentwickelt [18,19]. Ähnliche Ideen gab es auch bei einem deutschen Baukonzern, der sein Produkt DeCoGrout nennt [20]. Beide Lösungen verwenden einen komprimierbaren Mörtel, der in den Ringspalt zwischen Tübbing und Gebirge eingepresst wird. Bei der Entwicklung des Mörtels wurde angestrebt, bei behinderter Querdehnung eine Stauchung von mindestens 50 % ohne Brucherscheinungen oder Zerstörung des Gefüges zu ermöglichen. Dies wird durch einen Zuschlagsstoff, der praktisch zur Gänze aus Polystyrol besteht, erreicht. Eine Anpassung an das zeitabhängige Verformungsverhalten des Gebirges ist über Modifikation des Bindemittels sowie Eigenschaften und Menge des Polystyrols möglich. Die Höhe des Plateaus der Arbeitslinie wird hauptsächlich durch die Druckfestigkeit des Zuschlags bestimmt, die Endfestigkeit hängt vom Bindemittel ab. Durch Modifikation des Bindemittels ist es möglich, die Festigkeitsentwicklung des Mörtels so zu steuern, dass der Mörtel über einen Zeitraum von 1 bis 7 Tage zerstörungsfrei verformt

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werden kann. Labortests haben gezeigt, dass auch bei späterer Belastung des abgebundenen Mörtels noch Deformationspotential vorhanden ist. Die folgenden Arbeitslinien zeigen die Festigkeitsentwicklung von COMPEX- Mörtel bei unterschiedlicher Belastungsdauer.

Abb. 15: Arbeitslinien von 1, 7, 28 und 90 Tage altem COMPEX-Mörtel Neben Tragfähigkeit und Verformungsverhalten, die durch die Arbeitslinie charakterisiert werden, muss ein komprimierter Mörtel für Ringspaltverfüllung noch weitere Anforderungen erfüllen:

• Bettungsvermögen • Dauerfestigkeit, Lebensdauer • Eluatverhalten • Sulfatbeständigkeit • Brandbeständigkeit • etc.

Um einen Mörtel, der die oben genannten Anforderungen erfüllt, zu entwickeln, musste auf folgenden Gebieten geforscht und getestet werden:

• Materialtechnologie • Verfahrenstechnik • Schnittstelle mit TBM • Tunnel-Statik

Zur Entwicklung des Materials wurde seit 2000 eine Vielzahl von Laborversuchen durchgeführt. Zur Erprobung der Verfahrenstechnik wurden Großversuche mit einem Tunnelmodell in mehreren Serien (2002, 2003, 2008) durchgeführt. Nach langen Bemühungen konnte 2009 auch ein Versuch auf einer Baustelle mit einem Hydroschild durchgeführt werden. Zur Abklärung der Statik werden seit 2002 Modellrechnungen und Parameterstudien nach verschiedenen Methoden durchgeführt.

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Abb. 16: COMPEX Großversuch (Tunnelmodell, Mörtel) Bei der Einsatzplanung für ein großes Tunnelprojekt zeigte sich, dass über die oben genannten Fragestellungen hinaus noch weitere Untersuchungen und Abklärungen notwendig sind:

• Verhalten bei asymmetrischer Belastung • Funktion bei hoher Verformungsgeschwindigkeit • Bauwirtschaftliche Aspekte

Selbstverständlich ist das COMPEX-System – auch nach Meinung der Autoren – kein Allheilmittel, mit dem alle Ausbauprobleme gelöst werden können. Wie eingangs erwähnt liegt der Schwerpunkt des Einsatzes in duktilem Gebirge, das zu langanhaltenden Verformungen neigt. Das entspricht Gebirgsverhaltenstyp GVT 4. Klar ist, dass örtlich begrenzte Störzonen mit extrem ungünstigen Gebirgsparametern auch COMPEX überfordern würden, wenn nicht Zusatzmaßnahmen wie vorauseilende Gebirgskonsolidierung, Entwässerungsbohrungen und ähnliches angewendet werden. 9. Zusammenfassung Tunnel mit Durchmesser > 9,0 bis 10,0 m in druckhaftem Gebirge erfordern einen nachgiebigen Ausbau.

• Für konventionelle Vortriebe sind erprobte Lösungen vorhanden, es bestehen jedoch erhebliche nationale Unterschiede hinsichtlich des Ausbruchsquerschnitts (Vollausbruch versus sequentieller Ausbruch Kalotte - Strosse – Sohle) und der primär eingesetzten Hauptstützmittel (Stahlausbau versus Spritzbeton)

• Für maschinelle Vortriebe mit TBM und nachfolgendem Tübbingausbau gibt es vielversprechende Entwicklungen wie z. B. das COMPEX Support System. Ihr Einsatzbereich sind lange Vortriebsabschnitte in duktilem Gebirge mit geringem bis mittlerem squeezing potential

Beim Brenner Basistunnel werden lange zusammenhängende druckhafte Strecken erwartet. Wenn diese in größerem Umfang maschinell anstatt konventionell aufgefahren werden könnten, wären substantielle Einsparungen an Kosten und Bauzeit möglich. Vor dem großtechnischen Einsatz der dazu erforderlichen Systeme „nachgiebiger Ausbau mit Tübbingen“ wird eine Erprobung in einer längeren Versuchsstrecke empfohlen. Dazu bieten

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sich die Vortriebe der Erkundungsstollen an. Es wäre sinnvoll, diese neben der geologischen Erkundung auch für die Erprobung neuer Bauverfahren zu nutzen. Literaturhinweise [1] Schneider, E., Home, L., Sänger, B., Kolb, S. Innovatives Konzept für den Bau des Brenner Basistunnels mit vorgängig hergestelltem Erkundungsstollen Zeitschrift TUNNEL 1 / 2007 p. 21-33 Bauverlag, Gütersloh [2] Richtlinie für die geotechnische Planung von Untertagebauten mit zyklischem Vortrieb, p. 15 2. überarbeitete Auflage Österreichische Gesellschaft für Geomechanik, Salzburg, 2008 [3] John, M. et al. Geotechnische Aspekte für den Bau des Brenner Basistunnels BBT-Symposium 2007 University Press, Innsbruck 2007 [4] Hoek, E., Marinos, P. Predicting tunnel squeezing problems in weak heterogeneous rock masses Zeitschrift TUNNELS&TUNNELLING International

Nov. and Dec. 2005

[5] Kainrath, S., Gschwandtner, G., Galler, R. Das Kennlinienverfahren als Hilfsmittel für die Bemessung von tiefliegenden Tunnelbauwerken. Zeitschrift Geomechanics & Tunnelling 5 / 2009, p. 553-560 [6] Kovari, K., Ehrbar, H. Die druckhaften Strecken im TZM-Nord des Gotthard-Basistunnels Vortrag beim Swiss Tunnel Congress 2008 in Luzern [7] Pacher, F. Deformationsmessung im Versuchsstollen als Mittel zur Erforschung des Gebirgsverhaltens und zur Bemessung des Ausbaus Felsmechanik und Ing. Geologie, Suppl. I, 1964 [8] Geoteam BBT (Brandner, John, Perello) Geomechanischer Bericht 2006 (unveröffentlicht) [9] Rabcewicz, L. v. Verfahren zum Ausbau von unterirdischen Hohlräumen , insbesondere von Tunneln Patentschrift Nr. 165573, 1948 [10] Rabcewicz, L. v. Die Hilfsgewölbebauweise Dissertation TH Graz, 1950

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[11] Brunar, G., Powondra, F. Nachgiebiger Tübbingausbau mit MEYPO Stauchelementen FELSBAU 4 / 1985, p. 225-229 [12] Kovari, K., Ehrbar, H. GBT BL Sedrun – Die druckhaften Strecken im TZM Nord Projektierung und Realisierung Swiss Tunnel Congress 2008, SIA Dokumentation DO229, Band 7, p. 37-47 [13] Barla, G., Barla M. et al. Lessons learned during the excavation of the Saint Martin – La Porte access gallery

along the Lyon-Turin Base Tunnel BBT Symposium 2007

University Press Innsbruck, 2007 [14] Mowlem, J. UK Patent application GB 20133757A, London 1979 [15] Moritz, B. Ductile Support Systems for Tunnels in Squeezing Rock (Dissertation) Schriftenreihe Gruppe Geotechnik Graz, Nr.5 / 1999 [16] Vigl, A. Investigations for a Convergence Compatible Lining System FELSBAU Nr. 6, 2007 VGE Verlag, Essen [17] Radoncic, N., Schubert, W., Moritz, B. Ductile Support Design – Zur Auslegung duktiler Ausbauten Zeitschrift GEOMECHANICS and TUNNELLING Nr. 5 / 2009 p. 561-577 [18] Schneider, E., Rotter, K., Saxer, A., Röck, R. COMPEX Support System Zeitschrift FELSBAU Nr. 6 / 2007, VGE-Verlag Essen [19] Schneider, E., Spiegl, M. Convergency compatible support systems TUNNELS&TUNNELLING International, Juni 2008 [20] Billig, B. et al. Ausbausysteme für den maschinellen Tunnelbau in druckhaftem Gebirge TASCHENBUCH für den Tunnelbau 2008, p. 223-262 Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e.V. VGE-Verlag, Essen, 2008 Autoren em.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Eckart Schneider, [email protected] Dipl.-Ing. Dr.techn. Markus Spiegl, [email protected] Beide: SSP BauConsult GmbH, Innsbruck, Technikerstraße 32 Ingenieurbüro für Baubetrieb und Bauwirtschaft

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