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Nachruf auf Prim, Dr. Wilhelm Steiger*) Am 30. M~irz 1976 ist das langj~ihrige Mitglied unserer Gesellschaft, Prim. Dr. Wilhelm Steiger, im Alter von 86 Jahren verstorben. Am 15. November 1891 in Innsbruck geboren, absol- vierte er seine Studien in Wien und promovierte 1919 an der Universit~it Wien. Seine chirurgische Ausbildung erhielt er bei Hofrat Prof. Schnitzler und Prof. Heberer in Innsbruck. In diese Zeit fielen seine ersten Publikationen i~ber die Strumitis posttyphosa und Sp~itperitonitis infolge Epi- ploitis nach Bauchstichverletzung. Im Leben eines jeden Menschen gibt es entscheidende Stunden. Fiir Steiger schlug diese Stunde, als am Abend des 1. Juni 1924 der damalige Bundeskanzler Dr. Ignaz Seipel in Neud/Srfl im Burgenland einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Der junge Assistenzarzt Steiger konnte ibm am S/idbahnhof erste Hitfe leisten. In dieser Stunde war der Name Steiger in aller Munde und ging durch die Weltpresse. Die ,,Goldene Medaille fiir Verdienste um die Republik ESsterreich" war sichtbare Anerkennung. *) Gehalten in der Sitzung der Gesellschaft der Chirurgen in Wien am 9. Dezernber 1976. 1926 wurde Steiger Vorstand der neuerrichteten chir- urgischen Abteilung in Klosterneuburg, die er bis zu seiner Pensionierung 1958 durch 32 Jahre leitete. Ein Jahrzehnt war Steiger auch ~irztlicher Direktor des Kran- kenhauses, das er ausbaute und zu grorlem Ansehen brachte. Besonders sind seine Leistungen und sein Mut w~ihrend der Besatzungszeit hervorzuheben. In dieser Zeit der Unruhe, der Not und des Chaos bew~ihrte sich sein Organisationstalent. In diesen Tagen lernte ich ihn als jungen Mediziner kennen und bewunderte seine Einsatz- bereitschaft. Die Stadt Klosterneuburg wiirdi~e 1957 seine Ver'- dienste durch Verleihung des Ehrenbi~rgerrechtes. Steiger war gewohnt, sich'selbst h/Schste Anforderun- gen aufzuerlegen, verlangte aber auch yon seinen Mit- arbeitern ein hohes Marl an Pflichterfi~llung und Be.rufs- ethik. Immer aber spi~rte man hinter dieser Schale des Vorgesetzten den Freund und hilfsbereiten Arzt. Trotz der zahlreichen Verpflichtungen war er wissen- schaftlich t~itig und grill Fragen aus der Praxis auf. Zahlreiche Ehrungen dutch die Stadt, in der er so lange gewirkt hatte, aber auch seitens der Standesver- tretung wurden ihm zuteil. In seiner Familie, den beiden T/Schtern und den Enkel- kindern, fand er Freude und Erholung. Seine karge Frei- zeit verbrachte er am liebsten in der Stille seines Jagd- reviers in den Voralpenbergen, wo er f~ir den ,,L~irm" entsch~.digt wurde, den er um seine Person so gar nicht sch~itzte. Alle seine Freunde und unziihligen Patienten werden ihm ein bleibendes Andenken bewahren. K. Keminger 140 Acta Chit. Austriaca 1976 Heft 6

Nachruf auf Prim. Dr. Wilhelm Steiger

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Page 1: Nachruf auf Prim. Dr. Wilhelm Steiger

Nachruf auf Prim, Dr. Wilhelm Steiger*)

Am 30. M~irz 1976 ist das langj~ihrige Mitglied unserer Gesellschaft, Prim. Dr. Wilhelm Steiger, im Alter von 86 Jahren verstorben.

Am 15. November 1891 in Innsbruck geboren, absol- vierte er seine Studien in Wien und promovierte 1919 an der Universit~it Wien.

Seine chirurgische Ausbildung erhielt er bei Hofrat Prof. Schnitzler und Prof. Heberer in Innsbruck.

In diese Zeit fielen seine ersten Publikationen i~ber die Strumitis posttyphosa und Sp~itperitonitis infolge Epi- ploitis nach Bauchstichverletzung.

Im Leben eines jeden Menschen gibt es entscheidende Stunden. Fiir Steiger schlug diese Stunde, als am Abend des 1. Juni 1924 der damalige Bundeskanzler Dr. Ignaz Seipel in Neud/Srfl im Burgenland einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Der junge Assistenzarzt Steiger konnte ibm am S/idbahnhof erste Hitfe leisten. In dieser Stunde war der Name Steiger in aller Munde und ging durch die Weltpresse. Die ,,Goldene Medaille fiir Verdienste um die Republik ESsterreich" war sichtbare Anerkennung.

*) Gehalten in der Sitzung der Gesellschaft der Chirurgen in Wien am 9. Dezernber 1976.

1926 wurde Steiger Vorstand der neuerrichteten chir- urgischen Abteilung in Klosterneuburg, die er bis zu seiner Pensionierung 1958 durch 32 Jahre leitete. Ein Jahrzehnt war Steiger auch ~irztlicher Direktor des Kran- kenhauses, das er ausbaute und zu grorlem Ansehen brachte.

Besonders sind seine Leistungen und sein Mut w~ihrend der Besatzungszeit hervorzuheben. In dieser Zeit der Unruhe, der Not und des Chaos bew~ihrte sich sein Organisationstalent. In diesen Tagen lernte ich ihn als jungen Mediziner kennen und bewunderte seine Einsatz- bereitschaft.

Die Stadt Klosterneuburg wiirdi~e 1957 seine Ver'- dienste durch Verleihung des Ehrenbi~rgerrechtes.

Steiger war gewohnt, sich'selbst h/Schste Anforderun- gen aufzuerlegen, verlangte aber auch yon seinen Mit- arbeitern ein hohes Marl an Pflichterfi~llung und Be.rufs- ethik. Immer aber spi~rte man hinter dieser Schale des Vorgesetzten den Freund und hilfsbereiten Arzt.

Trotz der zahlreichen Verpflichtungen war er wissen- schaftlich t~itig und grill Fragen aus der Praxis auf.

Zahlreiche Ehrungen dutch die Stadt, in der er so lange gewirkt hatte, aber auch seitens der Standesver- tretung wurden ihm zuteil.

In seiner Familie, den beiden T/Schtern und den Enkel- kindern, fand er Freude und Erholung. Seine karge Frei- zeit verbrachte er am liebsten in der Stille seines Jagd- reviers in den Voralpenbergen, wo er f~ir den ,,L~irm" entsch~.digt wurde, den er um seine Person so gar nicht sch~itzte.

Alle seine Freunde und unziihligen Patienten werden ihm ein bleibendes Andenken bewahren.

K. Keminger

140 Acta Chit. Austriaca 1976 Heft 6