2
b Die klassische FTIR-Mikro- skopie und die daraus abgeleite- ten Techniken der bildgebenden Analyse (FTIR-imaging) arbeiten im Fernfeld. Deshalb ist ihre räumliche Auflösung beugungsli- mitiert. Strukturen unterhalb der Wellenlänge des eingesetzten Lichts können sie also nicht auf- lösen, im mittleren Infrarot be- schränkt sich die erzielbare räum- liche Auflösung auf wenige Mi- krometer. Eine Möglichkeit dieses Beu- gungslimit zu umgehen, sind Nah- feldtechniken. Im sichtbaren Wel- lenlängenbereich funktioniert dies schon länger, etwa mit faserbasier- ter, nahfeldoptischer Rastermikro- skopietechnik (SNOM). Eine ana- loge Geräteentwicklung im mittle- ren Infrarot ist jedoch aufgrund technischer und physikalischer Be- schränkungen bis heute nicht durchführbar. Ansätze für höhere Ortsauflösung b In den letzten Jahren wurden zwei alternative, von ihrem Ansatz her jedoch grundverschiedene Nahfeldtechniken entwickelt, mit denen heute Infrarotnanoskopie mit einer Ortsauflösung in der Größenordnung von 20 bis 50 nm machbar ist. Es handelt sich hier- bei zum einen um die von Dazzi et al. erstmals gezeigte photothermi- sche Infrarotnanoskopie (PTIR oder AFMIR) 1) und zum anderen um die von Hillenbrand et al. ent- wickelte pseudoheterodyne Me- thode zur Detektion der Streuung des Infrarotstrahls am Cantilever (Hebel) eines Rasterkraftmikro- skops (s-SNOM). 2) Bei der PTIR-Technik (Abbil- dung 1) beleuchten periodische In- frarotlaserpulse die Probe in einem Rasterkraftmikroskop (AFM). Wenn ein Teil der Probe Licht ab- sorbiert, erwärmt sich dieser Pro- benausschnitt periodisch und dehnt sich dabei aus. Diese Aus- dehnung nimmt die Spitze des AFM-Cantilevers auf, sodass das AFM die Ausdehnung im Nahfeld detektiert. Für s-SNOM (Abbildung 2) wird der AFM-Cantilever über der Probe zum Schwingen gebracht und die an der AFM-Spitze gestreute Strah- lung im Fernfeld detektiert. Durch Modulierung des eingestrahlten In- frarotlichts in einem Interferometer kann die lokale Absorption stö- rungsfrei bei einer Modulationsfre- quenz, die einer Kombination aus Cantileverschwingung und Interfe- rometerschwingung entspricht, de- tektiert werden (pseudoheterodyne Detektion). Bei beiden Methoden definiert nicht der Fokus des Lasterstrahls auf der Probe die Ortsauflösung, sondern der Radius der eingesetz- ten AFM-Spitze. Die Techniken haben Hersteller bereits in Spektrometer umgesetzt: Georg Ramer, Bernhard Lendl Mit neuen Nahfeldtechniken umgeht die IR-Mikroskopie das Beugungslimit und erreicht eine Ortsauf- lösung zwischen 20 und 50 nm. Dabei hat die Rasterkraftmikroskopie eine entscheidende Funktion. Nanoskopie im mittleren Infrarot BAnalytikV Abb. 1. Photothermische Infratrotnanoskopie (PTIR), Messaufbau, hier verwendet zur Messung einer Monolage. 12) PSPD: positionsempfindliche Photodiode (position sensitive photodiode) Nachrichten aus der Chemie| 62 | Juli I August 2014 | www.gdch.de/nachrichten 780

Nanoskopie im mittleren Infrarot

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Nanoskopie im mittleren Infrarot

b Die klassische FTIR-Mikro-skopie und die daraus abgeleite-ten Techniken der bildgebenden Analyse (FTIR-imaging) arbeiten im Fernfeld. Deshalb ist ihre räumliche Auflösung beugungsli-mitiert. Strukturen unterhalb der Wellenlänge des eingesetzten Lichts können sie also nicht auf-lösen, im mittleren Infrarot be-schränkt sich die erzielbare räum-liche Auflösung auf wenige Mi-krometer.

Eine Möglichkeit dieses Beu-gungslimit zu umgehen, sind Nah-feldtechniken. Im sichtbaren Wel-lenlängenbereich funktioniert dies schon länger, etwa mit faserbasier-ter, nahfeldoptischer Rastermikro-

skopietechnik (SNOM). Eine ana-loge Geräteentwicklung im mittle-ren Infrarot ist jedoch aufgrund technischer und physikalischer Be-schränkungen bis heute nicht durchführbar.

Ansätze für höhere Ortsauflösung

b In den letzten Jahren wurden zwei alternative, von ihrem Ansatz her jedoch grundverschiedene Nahfeldtechniken entwickelt, mit denen heute Infrarotnanoskopie mit einer Ortsauflösung in der Größenordnung von 20 bis 50 nm machbar ist. Es handelt sich hier-bei zum einen um die von Dazzi et

al. erstmals gezeigte photothermi-sche Infrarotnanoskopie (PTIR oder AFMIR)1) und zum anderen um die von Hillenbrand et al. ent-wickelte pseudoheterodyne Me-thode zur Detektion der Streuung des Infrarotstrahls am Cantilever (Hebel) eines Rasterkraftmikro-skops (s-SNOM).2)

Bei der PTIR-Technik (Abbil-dung 1) beleuchten periodische In-frarotlaserpulse die Probe in einem Rasterkraftmikroskop (AFM). Wenn ein Teil der Probe Licht ab-sorbiert, erwärmt sich dieser Pro-benausschnitt periodisch und dehnt sich dabei aus. Diese Aus-dehnung nimmt die Spitze des AFM-Cantilevers auf, sodass das AFM die Ausdehnung im Nahfeld detektiert.

Für s-SNOM (Abbildung 2) wird der AFM-Cantilever über der Probe zum Schwingen gebracht und die an der AFM-Spitze gestreute Strah-lung im Fernfeld detektiert. Durch Modulierung des eingestrahlten In-frarotlichts in einem Interferometer kann die lokale Absorption stö-rungsfrei bei einer Modulationsfre-quenz, die einer Kombination aus Cantileverschwingung und Interfe-rometerschwingung entspricht, de-tektiert werden (pseudoheterodyne Detektion).

Bei beiden Methoden definiert nicht der Fokus des Lasterstrahls auf der Probe die Ortsauflösung, sondern der Radius der eingesetz-ten AFM-Spitze.

Die Techniken haben Hersteller bereits in Spektrometer umgesetzt:

Georg Ramer, Bernhard Lendl

Mit neuen Nahfeldtechniken umgeht die IR-Mikroskopie das Beugungslimit und erreicht eine Orts auf -

lösung zwischen 20 und 50 nm. Dabei hat die Rasterkraftmikroskopie eine entscheidende Funktion.

Nanoskopie im mittleren Infrarot

BAnalytikV

Abb. 1. Photothermische Infratrotnanoskopie (PTIR), Messaufbau, hier verwendet zur Messung einer Monolage.12)

PSPD: positionsempfindliche Photodiode (position sensitive photodiode)

Nachrichten aus der Chemie| 62 | Juli I August 2014 | www.gdch.de/nachrichten

780

Page 2: Nanoskopie im mittleren Infrarot

Geräte mit PTIR gibt es von Anasys Instruments3) und mit s-SNOM von neaspec4).

Anwendungen

b Anwendungen für die Nahfeld-techniken finden sich in der tradi-tionellen Infrarotanalytik, etwa der Polymeranalytik5) und der pharma-zeutischen Forschung.6) Die beiden Nanoskopiemethoden machen aber auch zahlreiche neue Anwen-dungsgebiete erstmals dem In fra -rot imaging zugänglich. So gewan-nen mehrere Arbeitsgruppen Infra-rotspektren von Einzelzellen mit subzellulärer Auflösung und be-stimmten so zum Beispiel die Ver-teilung eines Chemotherapeuti-kums im Inneren einer einzelnen Krebszelle, die Anwesenheit und Position von Viren in E. Coli oder die Größe und Form von Polyhy-droxybuttersäure-Vesikeln in Rhod-obacter capsulatus.7,8) Die Methode eignet sich auch dazu, lebende Or-ganismen zu untersuchen: Mayet et al. spektroskopierten mit hoher Ortsauflösung lebende Hy phen, das sind fadenförmige Zellen, des Hefepilzes Candica albicans.9)

Lahiri et al.10) verwendeten PTIR, um die Bildung von Hotspots im elektromagnetischen Feld um asymmetrische Ringresonatoren aus Gold zu untersuchen. Im Ge-gensatz zu herkömmlichen IR-Me-thoden, die nur das Fernfeld der Resonatoren vermessen können, detektiert PTIR die Intensität des elektromagnetischen Feldes um den Resonator. Aufgrund der an Hotspots stark erhöhten Intensität des elektromagnetischen Feldes können Infrarot und Ramansignale um mehrere Größenordnungen verstärkt werden. Dies lässt sich zum Design hochempfindlicher molekülspezifischer Sensoren nut-zen.

Chen et al.11) analysierten mit s-SNOM-Infrarotnanoskopie die Ausbreitung von Plasmonen in Graphen und wiesen nach, dass schon Unterbrechungen von weni-gen Nanometern Breite im Gra-phen – mehrere Größenordnungen

unter der Wellenlänge der Plasmo-nen – genügen, um Plasmonen effi-zient zu reflektieren. Die Forscher schlagen vor, dies zur Konstrukti-on von plasmonischen Schaltkrei-sen zu verwenden.

Beide Techniken sind empfind-lich genug, um Monolagen zu de-tektieren.12–14) Die Reife der Mess-geräte und Anwendungsbeispiele aus Biologie, Medizin, Pharmazie, Physik und Materialwissenschaften zeigen, dass mit der Infrarotnano-skopie heute eine weitere experi-mentelle Technik zur Verfügung steht, um nanostrukturierte Proben direkt, zerstörungs- und markie-rungsfrei sowie bildgebend zu un-tersuchen.

Georg Ramer ist wissenschaftlicher Mitarbei-

ter der Arbeitsgruppe Prozessanalytik und

Schwingungsspektroskopie an der TU Wien.

Bernhard Lendl ist Professor für analytische

Chemie an der TU Wien und leitet die Arbeits-

gruppe. [email protected]

Literatur

1) A. Dazzi, R. Prazeres, F. Glotin, J. Ortega,

Infrared Phys. Technol. 2006, 49, 113.

2) N. Ocelic, A. Huber, and R. Hillenbrand,

Appl. Phys. Lett. 2006, 89, 101124.

3) www.anasysinstruments.com

4) www.neaspec.com

5) C. Marcott, M. Lo, K. Kjoller, C. Prater, I.

Noda, Appl. Spectrosc. 2011, 65, 1145.

6) B. V. A. N. Eerdenbrugh, M. Lo, K. Kjoller, C.

Marcott, L. S. Taylor, J. Pharm. Sci. 2012,

101, 2066.

7) C. Mayet, A. Deniset-Besseau, R. Prazeres,

J.-M. Ortega, A. Dazzi, Biotechnol. Adv.

2013 31, 369.

8) H. Cho, J. R. Felts, M.-F. Yu, L. A. Bergman,

A. F. Vakakis, W. P. King, Nanotechnology

2013, 24, 444007.

9) C. Mayet, a Dazzi, R. Prazeres, F. Allot, F.

Glotin, J. M. Ortega, Opt. Lett. 2008, 33,

1611.

10) B. Lahiri, G. Holland, V. Aksyuk, A. Centro-

ne, Nano Lett. 2013, 13, 3218.

11) J. Chen, M. L. Nesterov, A. Y. Nikitin et al.,

Nano Lett. 2013, 13, 6210.

12) F. Lu, M. Jin, M. A. Belkin, Nat. Photonics

2014, 8, 307.

13) I. Amenabar, S. Poly, W. Nuansing et al.,

Nat. Commun. 2013, 4, 2890.

14) X. G. Xu, M. Rang, I. M. Craig, M. B. Rasch-

ke, J. Phys. Chem. Lett. 2012, 3, 1836.

15) F. Huth, A. Govyadinov, S. Amarie, W. Nu-

ansing, F. Keilmann, R. Hillenbrand, Nano

Lett. 2012, 12, 3973.

Abb. 2. Messaufbau der Infrarotnanoskopie über die Streuung des Infrarotstrahls am AFM-Cantilever (s-SNOM).15)

BS: Strahlteiler (beam splitter), RM: Referenzspiegel (reference monitor)

Nachrichten aus der Chemie| 62 | Juli I August 2014 | www.gdch.de/nachrichten

781Analytik BBlickpunktV