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Am 9. März 2012 referierte Priv.-Doz. Dr. Dr. Tade Mat- thias Spranger im Rahmen des 319. Wasserrechtlichen Kol- loquiums des IRWE zum Thema „Nanotechnologie und Was- serrecht“ und unterstrich gleich zu Beginn seines Vortrages das Bedürfnis nach standardisierten Begrifflichkeiten für diese noch sehr junge Forschungsmaterie. Diesbezüglich bestand auch innerhalb der Zuhörerschaft grundsätzlicher Konsens: Eine Vereinheitlichung von Begriffen sei nach Ansicht aller Teilnehmer fachübergreifend für Recht, Tech- nik und Wissenschaft von Nöten – strittig behandelt wurde jedoch die Frage, ob und inwieweit dazu bestehende Ge- setze geändert werden müssten, oder ob nicht bereits jetzt ausreichend an einschlägige Normenkomplexe angeknüpft werden könne. So stellte direkt zu Beginn des Kolloquiums der Gastge- ber Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner im Rahmen der Begrü- ßung die Frage, ob nicht die Nanotechnologie de lege ferenda den Gesetzgeber in die Pflicht nehme. Seitens des Referen- ten wurde dies insofern aufgegriffen, als dass er betonte, zwar einerseits die Notwendigkeit einer gewissen Regulie- rung zu sehen, andererseits aber auch vor einer Überregu- lierung – etwa in Form eines eigenen Nanogesetzes warnte. So verberge sich hinter dem Überbegriff Nanotechnolo- gie eine Vielzahl verschiedener (Teil-)Disziplinen. Gemein sei diesen nur, dass sie sich mit der Analyse und Bearbei- tung von Materialien befassten, deren Oberflächenstruk- turen sich in einer Größenordnung von ein bis einhundert Nanometern 1 bewegten. Die Einsatzpotentiale seien dabei so vielseitig und erstreckten sich auf eine so unüberschau- bare Anzahl von Lebensbereichen, dass eine Erfassung in einem einzelnen Gesetz kaum Sinn mache. Man dürfe da- bei nicht nur die Risiken in den Vordergrund rücken, son- dern müsse auch die Chancen, welche die Nanotechnolo- gie im Wasser- sowie im gesamten Umweltrecht mit sich bringe, sehen (z. B. Wasserqualitätsmess- oder Gewässer- reinigungsverfahren). Spranger verwies in diesem Zusam- menhang auf die „Nano-Initiative – Aktionsplan 2015“ des Forschungsministeriums des Bundes, aus deren umfangrei- chen Zielvorstellungen deutlich würde, welch weitreichen- den Einfluss die Bundesregierung der Nanotechnologie in vielen Lebensbereichen zuschreibt. 2 Während also die wirtschaftliche Bedeutung der Nano- technologie inzwischen ins kollektive Bewusstsein vorge- drungen ist, steckt ihre rechtliche Erfassung noch in den Kinderschuhen. Seitens der EU-Kommission existiert derzeitig nur eine nicht verbindliche Empfehlung 3 vom 18. Oktober 2011, die auf eine erste Begriffsbestimmung abzielt und sich an Mitgliedsstaaten, EU-Agenturen und die Wirtschaftsteilnehmer richtet. 4 Als Basisdefinition fun- giert dabei Nr. 2 der Empfehlung, welche Nanomaterial als ein natürliches bei Prozessen anfallendes oder hergestelltes Ma- terial, das Partikel in ungebundenem Zustand, als Aggregat oder Fabian Karrenstein, Universität Bonn, Bonn, Deutschland als Agglomerat enthält und bei dem mindestens 50 % der Partikel in der Anzahlgrößenverteilung ein oder mehrere Außenmaße im Bereich von 1 nm bis 100 nm haben“, begreift. Im Folgenden enthält die Empfehlung weitere Konkretisierungen der all- gemeinen Definition und sieht bereits einige Ausnahme- tatbestände vor (vgl. etwa Nr. 2 Abs. 2, der u. a. auf Um- welt- und Gesundheitsschutzinteressen abzielt). Mit Blick auf die Vorgaben einer erneuten Überprüfung dieser Defi- nition bis Dezember 2014, wie sie nach Nr. 6 der Empfeh- lung vorgesehen ist, verweist Spranger auf den allgemeinen Trend, technikbezogene Regularien de lege lata stets noch einmal einer späteren Kontrolle durch den Gesetzgeber zu unterziehen, um nicht hinter den technischen Fortschritt zurückzufallen. Ob dies dann tatsächlich immer so geleistet würde, wurde sowohl vom Referenten, als auch den übri- gen Teilnehmern des Kolloquiums bezweifelt. Aber gerade bei der sich in schnellen Schüben entwickelnden Nanotech- nologie erscheint eine regelmäßige Betrachtung und Über- arbeitung der gesetzlichen Begrifflichkeiten sehr sinnvoll. Neben der übergeordneten definitorischen Problematik stellen sich noch weitere normative Herausforderungen. Auch aus wasserrechtlicher Sicht steht man insoweit ei- nem großen Unsicherheitsfaktor gegenüber. So ist be- kannt, dass Nanopartikel sowohl diffus, jedoch vor allem über Abwasser und Klärwerke in den Wasserkreislauf ein- gebracht. Damit ist zwar in vielen Fällen ein Rückgriff auf die §§ 8 ff. WHG möglich und grundsätzlich kann das Fehlen einer nanospezifischen Regelung mit den bewähr- ten Instrumentarien des Wasserrechts überbrückt werden. Spranger betonte allerdings, dass gleichzeitig mangels na- turwissenschaftlicher Kenntnisse eine große Unsicher- heit in Bezug auf das tatsächliche Risikopotential von Nanopartikeln herrsche. Nanomaterialien wiesen in ih- rer Struktur nicht nur einfach kleinere Dimensionen auf, sondern interagierten auch anders mit ihrer Umgebung als das Ursprungsmaterial. Bereits kleinste Abweichungen in der Nano-Skaligkeit könnten dazu führen, dass die Stoffe in Bezug auf ihre Umwelt völlig neue Eigenschaften an den Tag legten. So bestünde die Sorge, dass sich Nano- partikel karzinogen und mutagen im menschlichen Or- ganismus auswirken könnten. Streng genommen müsste daher für jeden Stoff auf jeder Skalengröße im Nano-Be- reich eine Untersuchung vorgenommen werden. Ein Ar- beitsaufwand der de facto nicht leistbar ist, wie innerhalb der Diskussionsrunde einmütig festgestellt wurde. In die- sem Zusammenhang zitierte Spranger aus einem Urteil des VG Düsseldorf zum einzelfallbezogenen behördlichen Er- messensspielraum im Wasserecht. 5 Hier war zwar nicht die DOI: 10.1007/s10357-012-2277-1 Nanotechnologie und Wasserrecht Bericht zum 319. Wasserrechtlichen Kolloquium des Instituts für das Recht der Wasser- und Entsorgungs- wirtschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn am 9. März 2012 im Juridicum Bonn Fabian Karrenstein © Springer-Verlag 2012 NuR (2012) 34: 401–402 401 123 BERICHTE 1) Ein Nanometer (nm) entspricht einem Millionstel Millimeter. 2) Zu den Zielvorgaben vgl. http://www.bmbf.de/de/nanotechno- logie.php (letzter Abruf: 09. Oktober 2011). 3) I. S. d. Art. 288 Abs. 4 AEU. 4) Empfehlung der Kommission zur Definition von Nanomaterialien (2011/696/EU). 5) VG Düsseldorf, Urteil vom 3. 8. 2011, AZ: 10 K 2228/09.

Nanotechnologie und Wasserrecht

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Page 1: Nanotechnologie und Wasserrecht

Am 9. März 2012 referierte Priv.-Doz. Dr. Dr. Tade Mat-thias Spranger im Rahmen des 319. Wasserrechtlichen Kol-loquiums des IRWE zum Thema „Nanotechnologie und Was-serrecht“ und unterstrich gleich zu Beginn seines Vortrages das Bedürfnis nach standardisierten Begrifflichkeiten für diese noch sehr junge Forschungsmaterie. Diesbezüglich bestand auch innerhalb der Zuhörerschaft grundsätzlicher Konsens: Eine Vereinheitlichung von Begriffen sei nach Ansicht aller Teilnehmer fachübergreifend für Recht, Tech-nik und Wissenschaft von Nöten – strittig behandelt wurde jedoch die Frage, ob und inwieweit dazu bestehende Ge-setze geändert werden müssten, oder ob nicht bereits jetzt ausreichend an einschlägige Normenkomplexe angeknüpft werden könne.

So stellte direkt zu Beginn des Kolloquiums der Gastge-ber Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner im Rahmen der Begrü-ßung die Frage, ob nicht die Nanotechnologie de lege ferenda den Gesetzgeber in die Pflicht nehme. Seitens des Referen-ten wurde dies insofern aufgegriffen, als dass er betonte, zwar einerseits die Notwendigkeit einer gewissen Regulie-rung zu sehen, andererseits aber auch vor einer Überregu-lierung – etwa in Form eines eigenen Nanogesetzes warnte. So verberge sich hinter dem Überbegriff Nanotechnolo-gie eine Vielzahl verschiedener (Teil-)Disziplinen. Gemein sei diesen nur, dass sie sich mit der Analyse und Bearbei-tung von Materialien befassten, deren Oberflächenstruk-turen sich in einer Größenordnung von ein bis einhundert Nanometern 1 bewegten. Die Einsatzpotentiale seien dabei so vielseitig und erstreckten sich auf eine so unüberschau-bare Anzahl von Lebensbereichen, dass eine Erfassung in einem einzelnen Gesetz kaum Sinn mache. Man dürfe da-bei nicht nur die Risiken in den Vordergrund rücken, son-dern müsse auch die Chancen, welche die Nanotechnolo-gie im Wasser- sowie im gesamten Umweltrecht mit sich bringe, sehen (z. B. Wasserqualitätsmess- oder Gewässer-reinigungsverfahren). Spranger verwies in diesem Zusam-menhang auf die „Nano-Initiative – Aktionsplan 2015“ des Forschungsministeriums des Bundes, aus deren umfangrei-chen Zielvorstellungen deutlich würde, welch weitreichen-den Einfluss die Bundesregierung der Nanotechnologie in vielen Lebensbereichen zuschreibt. 2

Während also die wirtschaftliche Bedeutung der Nano-technologie inzwischen ins kollektive Bewusstsein vorge-drungen ist, steckt ihre rechtliche Erfassung noch in den Kinderschuhen. Seitens der EU-Kommission existiert derzeitig nur eine nicht verbindliche Empfehlung 3 vom 18. Oktober 2011, die auf eine erste Begriffsbestimmung abzielt und sich an Mitgliedsstaaten, EU-Agenturen und die Wirtschaftsteilnehmer richtet. 4 Als Basisdefinition fun-giert dabei Nr. 2 der Empfehlung, welche Nanomaterial als „ein natürliches bei Prozessen anfallendes oder hergestelltes Ma-terial, das Partikel in ungebundenem Zustand, als Aggregat oder

Fabian Karrenstein, Universität Bonn, Bonn, Deutschland

als Agglomerat enthält und bei dem mindestens 50 % der Partikel in der Anzahlgrößenverteilung ein oder mehrere Außenmaße im Bereich von 1 nm bis 100 nm haben“, begreift. Im Folgenden enthält die Empfehlung weitere Konkretisierungen der all-gemeinen Definition und sieht bereits einige Ausnahme-tatbestände vor (vgl. etwa Nr. 2 Abs. 2, der u. a. auf Um-welt- und Gesundheitsschutzinteressen abzielt). Mit Blick auf die Vorgaben einer erneuten Überprüfung dieser Defi-nition bis Dezember 2014, wie sie nach Nr. 6 der Empfeh-lung vorgesehen ist, verweist Spranger auf den allgemeinen Trend, technikbezogene Regularien de lege lata stets noch einmal einer späteren Kontrolle durch den Gesetzgeber zu unterziehen, um nicht hinter den technischen Fortschritt zurückzufallen. Ob dies dann tatsächlich immer so geleistet würde, wurde sowohl vom Referenten, als auch den übri-gen Teilnehmern des Kolloquiums bezweifelt. Aber gerade bei der sich in schnellen Schüben entwickelnden Nanotech-nologie erscheint eine regelmäßige Betrachtung und Über-arbeitung der gesetzlichen Begrifflichkeiten sehr sinnvoll.

Neben der übergeordneten definitorischen Problematik stellen sich noch weitere normative Herausforderungen. Auch aus wasserrechtlicher Sicht steht man insoweit ei-nem großen Unsicherheitsfaktor gegenüber. So ist be-kannt, dass Nanopartikel sowohl diffus, jedoch vor allem über Abwasser und Klärwerke in den Wasserkreislauf ein-gebracht. Damit ist zwar in vielen Fällen ein Rückgriff auf die §§ 8 ff. WHG möglich und grundsätzlich kann das Fehlen einer nanospezifischen Regelung mit den bewähr-ten Instrumentarien des Wasserrechts überbrückt werden. Spranger betonte allerdings, dass gleichzeitig mangels na-turwissenschaftlicher Kenntnisse eine große Unsicher-heit in Bezug auf das tatsächliche Risikopotential von Nano partikeln herrsche. Nanomaterialien wiesen in ih-rer Struktur nicht nur einfach kleinere Dimensionen auf, sondern interagierten auch anders mit ihrer Umgebung als das Ursprungsmaterial. Bereits kleinste Abweichungen in der Nano-Skaligkeit könnten dazu führen, dass die Stoffe in Bezug auf ihre Umwelt völlig neue Eigenschaften an den Tag legten. So bestünde die Sorge, dass sich Nano-partikel karzinogen und mutagen im menschlichen Or-ganismus auswirken könnten. Streng genommen müsste daher für jeden Stoff auf jeder Skalengröße im Nano-Be-reich eine Untersuchung vorgenommen werden. Ein Ar-beitsaufwand der de facto nicht leistbar ist, wie innerhalb der Diskussionsrunde einmütig festgestellt wurde. In die-sem Zusammenhang zitierte Spranger aus einem Urteil des VG Düsseldorf zum einzelfallbezogenen behördlichen Er-messensspielraum im Wasserecht. 5 Hier war zwar nicht die

DOI: 10.1007/s10357-012-2277-1

Nanotechnologie und WasserrechtBericht zum 319. Wasserrechtlichen Kolloquium des Instituts für das Recht der Wasser- und Entsorgungs-wirtschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn am 9. März 2012 im Juridicum Bonn

Fabian Karrenstein

© Springer-Verlag 2012

NuR (2012) 34: 401–402 401

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B E R IC H T E

1) Ein Nanometer (nm) entspricht einem Millionstel Millimeter.2) Zu den Zielvorgaben vgl. http://www.bmbf.de/de/nanotechno-

logie.php (letzter Abruf: 09. Oktober 2011).3) I. S. d. Art. 288 Abs. 4 AEU.4) Empfehlung der Kommission zur Definition von Nanomaterialien

(2011/696/EU).5) VG Düsseldorf, Urteil vom 3. 8. 2011, AZ: 10 K 2228/09.

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Einleitung von Nanomaterialien Streitgegengegenstand, sondern eine etwaige Gewässerbelastung der Ruhr durch PFT 6. Das VG stellte hierzu fest, dass aus dem Nichtbe-stehen von Grenzwerten für PFT in der Abwasserver-ordnung, sowie einer im vorliegenden Fall einschlägi-gen Ausnahme der Chemikalienverbotsverordnung, nicht im Umkehrschluss gefolgert werden könne, dass dann die Einleitung in die Ruhr zu genehmigen sei. Da PFT grundsätzlich dazu geeignet seien, erhebliche Gefahren im Wasserkreislauf zu verursachen 7, reiche bereits ein ge-ringer Grad an Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts aus, um ein behördliches Einschreiten zu rechtfertigen, auch wenn der wissenschaftliche Diskurs über Intensität und Reichweite der Schädigungen noch andauere. Dieser Befund des VG lasse sich auch auf die naturwissenschaftli-chen Unklarheiten in Bezug auf die Nanotechnologie und ihre Produkte übertragen. In der nachfolgenden Diskus-sion bemerkte Dr. Konrad Berendes dazu, dass das WHG dank seines Besorgnisgrundsatzes, bei dem es gerade nicht auf eine Wahrscheinlichkeit ankomme, im Vergleich zu anderen medienschützenden Umweltgesetzen besonders gut aufgestellt sei und mit dem Ermessensspielraum nach § 12 WHG ein scharfes Schwert in der Hand halte. Über den Einwand von Durner, dass es auch beim Ermessen ei-ner Tatsachengrundlage bedürfe, entbrannte erneut die Diskussion, ob und inwieweit mit heutigen Technologien mögliche Gefahren von Nanomaterialen erkennbar ge-macht werden könnten. Seitens Dr. Thomas Kullicks vom Verband der Chemischen Industrie wurde eine differen-zierte Betrachtung der Gefährdungen angemahnt: So seien im Bereich der Nachsorge keine Schäden durch die heu-tigen Anwendungen der Nanotechnologien bekannt bzw. aus wissenschaftlichen Untersuchungen könnten derzeit keine nano-spezifischen Gefährdungen von Mensch und Umwelt abgeleitet werden. In der Vorsorge müssten wis-senschaftliche Erkenntnisse zur Ableitung entsprechen-der Standards natürlich berücksichtigt werden (Respon-sible Care). Dem Vorsorge- und Geringhaltungsgrundsatz würde man schon heute mittels des WHG gerecht werden. Eine Regelungslücke sehe er schon deshalb nicht. Einen demgegenüber sehr gravierenden Ansatz hatte Spranger be-reits während des Vortrages vorgestellt: So bestünde die Möglichkeit, beim Umgang mit wassergefährdenden Stof-fen i. S. d. § 62 Abs. 3 WHG die Nanomaterialen pauschal der höchsten Wassergefährdungsklasse zuzuordnen (z. B. durch die Ordnungsbehördliche Verordnung über die Ge-nehmigungspflicht für die Einleitung von Abwasser mit gefährlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen des Landes NRW i. V. m. § 62 Abs. 4 Nr. 1 WHG). Dieser An-satz wurde jedoch auch durch den Referenten selbst kri-tisiert, da ein solches Vorgehen mit einer Missachtung des Gleichbehandlungsgebotes einherginge.

Vielversprechender seien deshalb Überlegungen, eine praxisorientierte Lösung über die REACh-VO herzuleiten. Die europäische Verordnung zur Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals stoße dabei aber auf zwei grundlegende Probleme: Zum einen könnten hier bereits gewonnene Erkenntnisse aus der Makrowelt eben nicht unmittelbar auf die Nanodimension übertragen wer-den, sodass es streng genommen auch hier einer nanospezi-fischen Ergänzung der REACh-VO bedürfe. Zum anderen greife die Verordnung erst bei Schwellenwerten ab einer Tonne pro Stoff und Hersteller/Importeur. Bei Nanopro-dukten handle es sich aber i. d. R. um Pulvermengen im Gramm-Bereich. Dazu bemerkte Dr. Lars Düster von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (Koblenz), dass von be-stimmten chemischen Produkten mit nanotechnologischer Behandlung wahrscheinlich schon heute Tonnen-Margen verfügbar seien. Für eine flächendeckende Erfassung von Nanoprodukten über die REACh-VO reichen Einzelfälle aber freilich nicht aus, sondern dürften im Gegenteil noch dazu führen, die Unübersichtlichkeit der Situation weiter zu verschärfen. Doch auch eine systematische Erfassung, aller im Rahmen der REACh-VO zu behandelnden che-mischen Stoffe in jedweder Nano-Skaligkeit, würde für Industrie und Behörden einen unvorstellbaren Arbeitsauf-wand bedeuten: Im Extremfall dürfte dies dazu führen, dass für jeden Stoff Dutzende von Registrierungen vorge-nommen werden müssten. Die bereits nach gegenwärtiger Sachlage durchzuführende Toxizitätsprüfung sei auf Grund abweichender Studienergebnisse kaum als Grundlage ge-eignet, eine abschließende Klärung herbeizuführen.

Ein eigenes Nanogesetz wiederum dürfte noch weitaus mehr Folgeprobleme mit sich bringen. So müssten nach Mei-nung des Referenten viel zu viele Fremdmaterien mit er-fasst werden (z. B. Lebensmittel, Boden, Chemie, etc.), was zwangsläufig zu einer unübersichtlichen Normenstruktur führen würde. Nächster entscheidender Schritt sei es daher, eine weitergehende Standardisierung der Begrifflichkeiten international, sowie innerhalb der nationalen Rechtsordnung zu schaffen, die eine möglichst hohe Deckungsgleichheit mit den wissenschaftlichen Bezeichnungen aufweisen müsse. Dies stellte auch der Gastgeber in den Mittelpunkt seiner abschlie-ßenden Worte und bemerkte, dass die angeregte Diskussion nach dem Vortrag zeige, wie viel weitergehenden Klärungs-bedarf das Thema Nanotechnologie nicht nur aus wasser-rechtlicher Sicht mit sich bringe. Gerade den ersten gerichtli-chen Entscheidungen, welche unvermeidlich in den nächsten Jahren zum Thema Nanotechnologie und Wasserrecht zu er-warten seien, dürfte Grundsatzcharakter zukommen.

Berichte

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402 NuR (2012) 34: 401–402

6) Perflourierte Tenside.7) PFT stehen unter anderem im Verdacht krebserregend zu sein.