3
68 | Die frühen Jahre (54–58) | 57 nach Christus 43. Verschiedene Ereignisse des Jahres (Amphitheater auf dem Marsfeld – Die Veteranencolonien Capua und Nuceria – Die Sklavenverkaufssteuer – Verbot zur Abhaltung von Spielen der Provinzbeamten – ) Auch aus dem Jahre 57 sind nur wenige Ereignisse überliefert. Das Regierungsgeschäſt ist wohl routiniert verlaufen. Nero ließ die Grundmauern des großen Amphitheaters legen, das er auf dem Marsfeld zu errichten beabsichtigte. Die Mauern wurden mit Marmorplat- ten verkleidet und die weiteren Aufbauten aus Holz aufgeführt. Ein Sonnensegel in Him- melsfarben und mit Sternen geschmückt schützte vor der unmittelbaren Einstrahlung. 1 Das eater wurde noch im selben Jahre fertiggestellt und mit vielgestaltigen und umfang- reichen Vorführungen eingeweiht. Von diesen ist mit Sicherheit eine Seeschlacht zwischen den Parteien der „Perser“ und „Athener“ nachweisbar. Dabei war die Arena mit Meerwasser geflutet, in dem verschiedene Meerestiere schwammen. Sodann wurde das Wasser abgelas- sen und nach Trockenlegung der Arena sahen die Zuschauer einen Landkampf verschie- dener Abteilungen. 2 Entweder im selben Jahr oder später ließ Nero auch ein Gladiatoren- spiel veranstalten, bei dem aber auf seine Anweisung kein einziger Kämpfer den Todesstoß erhielt. 3 Die Colonien Capua und Nuceria wurden durch weitere Veteranen verstärkt. Eine Geldspende (congiarium) von 400 Sesterzen pro Mann ließ Nero austeilen. 4 40 Millionen Sesterzen wurden dem Staatsschatz (Aerarium Saturni) zugeführt, um den Kredit der öf- fentlichen Kasse zu erhalten. Die Abgabe von vier Prozent beim Sklavenverkauf wurde er- lassen, mehr zum Schein als in Wirklichkeit, denn die Preise blieben gleich hoch, da die Verkäufer diese Verringerung nicht an die Käufer weitergaben. 5 Dann verbot Nero durch ein Edict den Staatsbeamten oder Procuratoren in den Pro- vinzen, die sie verwalteten, Gladiatorenspiele, Tierhetzen oder andere Spiele zu geben. Bis dahin bedrückten sie nämlich die Untertanen durch solche Freigebigkeit nicht minder als durch Gelderpressungen. Was sie durch ihre ungesetzlichen Übergriffe und Maßlosigkeit 1 Plin.nat.hist.16.200; 19.24f.; Calp.ecl.7.23ff. 2 Cass.Dio 61.9.5; Suet.Nero 12.1 zu weiteren Aufführungen, die aus diesem Anlaß möglicherweise stattfanden. 3 Suet.Nero 12.1; Kierdorf, Claud./Nero, S. 175 4 Suet.Nero 10.1; Chronogr.354; zu Belegen hierfür auf den neronischen Münzen Koestermann, An- nalen, Bd. 3, S. 295; Münzen belegen auch eine zweite, nicht datierbare Spende. Schiller, Nero, S. 109 sieht in dem congiarium eine verspätete Geldspende aus Anlaß seines Regierungsantritts. Die 40 Millionen Sesterzen an das Aerarium dagegen seien die Rückzahlung der aus demselben Anlaß entnommenen Geldmittel, doch hätte sich Tacitus dann sicher anders ausgedrückt. 5 Tac.ann.13.31.1f. Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst Library Authenticated Download Date | 10/7/14 3:54 PM

Nero (Der römische Kaiser und seine Zeit) || 57 nach Christus

  • Upload
    julian

  • View
    224

  • Download
    4

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Nero (Der römische Kaiser und seine Zeit) || 57 nach Christus

68 | Die frühen Jahre (54–58)

| 57 nach Christus

43. Verschiedene Ereignisse des Jahres(Amphitheater auf dem Marsfeld – Die Veteranencolonien Capua und Nuceria – Die Sklavenverkaufssteuer – Verbot zur Abhaltung von Spielen der Provinzbeamten – )

Auch aus dem Jahre 57 sind nur wenige Ereignisse überliefert. Das Regierungsgeschäft ist wohl routiniert verlaufen. Nero ließ die Grundmauern des großen Amphitheaters legen, das er auf dem Marsfeld zu errichten beabsichtigte. Die Mauern wurden mit Marmorplat-ten verkleidet und die weiteren Aufbauten aus Holz aufgeführt. Ein Sonnensegel in Him-melsfarben und mit Sternen geschmückt schützte vor der unmittelbaren Einstrahlung.1 Das Theater wurde noch im selben Jahre fertiggestellt und mit vielgestaltigen und umfang-reichen Vorführungen eingeweiht. Von diesen ist mit Sicherheit eine Seeschlacht zwischen den Parteien der „Perser“ und „Athener“ nachweisbar. Dabei war die Arena mit Meerwasser geflutet, in dem verschiedene Meerestiere schwammen. Sodann wurde das Wasser abgelas-sen und nach Trockenlegung der Arena sahen die Zuschauer einen Landkampf verschie-dener Abteilungen.2 Entweder im selben Jahr oder später ließ Nero auch ein Gladiatoren-spiel veranstalten, bei dem aber auf seine Anweisung kein einziger Kämpfer den Todesstoß erhielt.3

Die Colonien Capua und Nuceria wurden durch weitere Veteranen verstärkt. Eine Geldspende (congiarium) von 400 Sesterzen pro Mann ließ Nero austeilen.4 40 Millionen Sesterzen wurden dem Staatsschatz (Aerarium Saturni) zugeführt, um den Kredit der öf-fentlichen Kasse zu erhalten. Die Abgabe von vier Prozent beim Sklavenverkauf wurde er-lassen, mehr zum Schein als in Wirklichkeit, denn die Preise blieben gleich hoch, da die Verkäufer diese Verringerung nicht an die Käufer weitergaben.5

Dann verbot Nero durch ein Edict den Staatsbeamten oder Procuratoren in den Pro-vinzen, die sie verwalteten, Gladiatorenspiele, Tierhetzen oder andere Spiele zu geben. Bis dahin bedrückten sie nämlich die Untertanen durch solche Freigebigkeit nicht minder als durch Gelderpressungen. Was sie durch ihre ungesetzlichen Übergriffe und Maßlosigkeit

1 Plin.nat.hist.16.200; 19.24f.; Calp.ecl.7.23ff.2 Cass.Dio 61.9.5; Suet.Nero 12.1 zu weiteren Aufführungen, die aus diesem Anlaß möglicherweise

stattfanden.3 Suet.Nero 12.1; Kierdorf, Claud./Nero, S. 1754 Suet.Nero 10.1; Chronogr.354; zu Belegen hierfür auf den neronischen Münzen Koestermann, An-

nalen, Bd. 3, S. 295; Münzen belegen auch eine zweite, nicht datierbare Spende. Schiller, Nero, S. 109 sieht in dem congiarium eine verspätete Geldspende aus Anlaß seines Regierungsantritts. Die 40 Millionen Sesterzen an das Aerarium dagegen seien die Rückzahlung der aus demselben Anlaß entnommenen Geldmittel, doch hätte sich Tacitus dann sicher anders ausgedrückt.

5 Tac.ann.13.31.1f.

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/7/14 3:54 PM

Page 2: Nero (Der römische Kaiser und seine Zeit) || 57 nach Christus

57 nach Christus | 69

verbrochen hatten, versuchten sie zumeist durch das Erkaufen der öffentlichen Meinung abzumildern, auf daß niemand ihre Amtswaltung anzuklagen wagte.6

44. Verschiedene Begebenheiten(Senatsbeschluß zur Bestrafung von Freigelassenen – Lurius Varus – Pomponia Graecina)

Des weiteren kam ein Senatsbeschluß zustande, der ebenso der Sühnung wie der Sicherheit dienen sollte. Wenn jemand durch seine Sklaven ermordet wurde, sollten auch die durch Testament Freigelassenen, die noch im Hause verblieben waren, samt den Sklaven hinge-richtet werden.7 Dies stellte die Erweiterung eines Beschlusses aus dem Jahre 10 (SC Sila-nianum) dar. Nach einem weiteren (57?) von Nero eingebrachten Antrag wurde beschlos-sen, daß bei einem Verhör von Sklaven wegen Mordes an dem Hausherrn auch die Sklaven der Ehefrau auf die Folter gespannt werden sollten und umgekehrt (SC Neronianum).8

In den Senat wurde Lurius Varus9 wiederaufgenommen. Der ehemalige Consul war auf eine Erpressungsklage hin vor geraumer Zeit ausgestoßen worden.

Die vornehme Pomponia Graecina, Ehefrau des Aulus Plautius, unter dessen Führung 43 die Eroberung Britanniens erfolgte, wurde beschuldigt, Anhängerin ausländischen Aberglaubens zu sein und daraufhin dem Urteilsspruch ihres Mannes überlassen.10 Dieser richtete nach altem Brauch in Gegenwart der Familie über Leben und Ehre seiner Frau11 und erklärte sie für unschuldig.12

45. Verschiedene Klageverfahren(Publius Celer – Cossutianus Capito – Eprius Marcellus)

In der Klagesache der Provinz Asia gegen Publius Celer, den schon erwähnten Procurator der dortigen kaiserlichen Güter, ließ es Nero, weil er ihn nicht freisprechen konnte, nicht zur Entscheidung kommen, bis der Angeklagte an Altersschwäche gestorben war. Celer war nämlich, wie erwähnt, 54 an der Ermordung des Proconsuls Silanus beteiligt gewesen, und diese im Auftrag des Kaiserhauses begangene Schandtat deckte alle seine übrigen Verbre-chen.13

Den Cossutianus Capito hatten die Kilikier vor dem Kaisergericht verklagt – einen Mann von frevelhafter Wesensart, der in der Provinz dasselbe Recht zur Frechheit zu haben meinte, wie er sie sich in Rom herausnahm. Die Verhandlung aber ließ Nero durch den Senat vornehmen. Den Klägern wurde gestattet, die Anklage auf griechisch vorzutragen.

6 Ebd.13.31.3 7 Dig.29.5.3.16; Paul.sent.3.5.6; Tac.ann.13.32.1 8 Paul.sent.3.5.5 9 Sonst unbekannt; vielleicht ein Consul der Zeit Caligulas oder Claudius‘.10 Man hat, wenig überzeugend, vermutet, Pomponia sei eine Anhängerin des jüdischen oder gar christ-

lichen Glaubens gewesen (dazu Koestermann, Annalen, Bd. 3, S. 297).11 Dion.Hal.2.25; Gell.10.23.412 Tac.ann.13.32.213 Ebd.13.33.1

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/7/14 3:54 PM

Page 3: Nero (Der römische Kaiser und seine Zeit) || 57 nach Christus

70 | Die frühen Jahre (54–58)

Neben anderen unterstützte sie auch Thrasea Paetus, und man setzte Capito jetzt so zu, daß er zuletzt seine Verteidigung aufgab und nach dem Gesetz über Erpressungen (lex repe-tundarum) verurteilt wurde. Dieser Prozeß erregte seinerzeit viel Aufsehen und war noch Jahre später Stadtgespräch.14 Die Verurteilung zog die Ausstoßung aus dem Senat nach sich. Im Jahre 62 wurde Capito jedoch wieder aufgenommen.15

Von Eprius Marcellus (cos. suff. 62), der 56/57 Legat von Lykien gewesen war,16 forderte die Gesandtschaft der Lykier die erpreßten Geldsummen in einem Verfahren vor dem Kai-ser zurück. Doch gelang es seinen Freunden, das Gericht zu seinen Gunsten zu beeinflussen mit der Folge, daß einige seiner Ankläger sogar mit der Verbannung bestraft wurden, weil sie, wie es hieß, einen völlig Unschuldigen in Gefahr gebracht hätten.17

14 Quint.inst.6.1.14; Iuv.8.9415 Tac.ann.13.33.2; 16.21.3; Iuv.8.92ff.16 IGRom III 53317 Tac.ann.13.33.3

Brought to you by | New York University Elmer Holmes Bobst LibraryAuthenticated

Download Date | 10/7/14 3:54 PM