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158 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 77 (2008), Heft 3 Fachthemen Die Bauweise des Netzwerkbogens als fachwerkartig ausgesteifte Stabbogenbrücke er- freut sich im deutschen Brückenbau einer steigenden Akzeptanz. Sie kombiniert die Vor- teile des Bogens mit denen des Fachwerks. Die möglichen schlanken Querschnitte von Bogen und Untergurt führen in Verbindung mit dem kaum wahrzunehmenden Hängernetz zu einem äußerst transparenten Tragwerk mit geringer Beeinflussung des städtebaulichen Umfeldes oder der Landschaft. Mit dem Netzwerkbogen sind auch größere Stützweiten von bis zu 300 m möglich. Im Folgenden werden die Grundlagen zum Entwurf der Tragkonstruktion beschrieben und anhand von geplanten sowie teilweise bereits ausgeführten Bauwerken der aktuelle Stand in der Konstruktion und Bemessung von Netzwerkbögen erläutert. Network arch bridge – design and execution. The construction of the network arch as a tied arch bridge with a framework stiffening is increasingly accepted in Germany. It com- bines the advantages of an arch with those of a framework. This enables the usages of very slender cross-sections of arches and lower booms. In connection with the scarcely visible net of hangers a very transparent structure with less influence on the urban envi- ronment or landscape can be achieved. The network arch allows spans up to 300 m. In the following the principles of designing network arches are explained. Furthermore, the status quo of construction and calculating is described by examples of planned and already realized projects. 1 Geschichtliche Entwicklung Bereits 1859 entwickelte Josef Langer aus Wien den heute üblichen Stab- bogen und ließ sich das Tragprinzip, auch bekannt als „Langerscher Bal- ken“, patentieren. Hierbei handelt es sich um einen Brückenüberbau mit einem in sich verankerten Bogen, bei dem die Fahrbahn mit Hängern am Bogen befestigt ist und gleichzeitig als Zugband zwischen den Bogen- kämpfern wirkt. Die erste Straßen- brücke dieser Art wurde 1881 in Graz errichtet (Bild 1), und weitere folgten bald, so z. B. 1889 die Spinnereibrücke in Hannover. Nahezu zeitgleich näherte man sich dem Prinzip des Netzwerkbogens durch die Variation von Fachwerk- brücken. So wurde 1878 unter Lei- tung von Claus Koepcke in Riesa ein Brückenzug aus Fachwerkbrücken mit bogenförmigem Obergurt errich- tet, die schon eine Stützweite von 101,4 m aufwiesen (Bild 2). Mit zwei nebeneinander liegenden Überbauten wurde sowohl eine Straße als auch die Eisenbahnstrecke Leipzig–Dres- den über die Elbe geführt. Die Diago- nalen waren rautenförmig gekreuzt und derart miteinander verbunden und ausgesteift, dass sie sowohl Zug- als auch Druckkräfte übertragen konn- ten. Diese Überbauten können daher als Fachwerk mit an den Momenten- Karsten Geißler Uwe Steimann Wolfgang Graße Netzwerkbogenbrücken – Entwurf, Bemessung, Ausführung DOI: 10.1002/stab.200810019 Bild 1. Ferdinandsbrücke in Graz Fig. 1. Ferdinand’s Bridge in Graz Bild 2. Elbbrücken in Riesa Fig. 2. Elbe Bridge at Riesa

Netzwerkbogenbrücken – Entwurf, Bemessung, Ausführung

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Fachthemen

Die Bauweise des Netzwerkbogens als fachwerkartig ausgesteifte Stabbogenbrücke er-freut sich im deutschen Brückenbau einer steigenden Akzeptanz. Sie kombiniert die Vor-teile des Bogens mit denen des Fachwerks. Die möglichen schlanken Querschnitte vonBogen und Untergurt führen in Verbindung mit dem kaum wahrzunehmenden Hängernetzzu einem äußerst transparenten Tragwerk mit geringer Beeinflussung des städtebaulichenUmfeldes oder der Landschaft. Mit dem Netzwerkbogen sind auch größere Stützweitenvon bis zu 300 m möglich. Im Folgenden werden die Grundlagen zum Entwurf der Tragkonstruktion beschriebenund anhand von geplanten sowie teilweise bereits ausgeführten Bauwerken der aktuelleStand in der Konstruktion und Bemessung von Netzwerkbögen erläutert.

Network arch bridge – design and execution. The construction of the network arch as atied arch bridge with a framework stiffening is increasingly accepted in Germany. It com-bines the advantages of an arch with those of a framework. This enables the usages ofvery slender cross-sections of arches and lower booms. In connection with the scarcelyvisible net of hangers a very transparent structure with less influence on the urban envi-ronment or landscape can be achieved. The network arch allows spans up to 300 m.In the following the principles of designing network arches are explained. Furthermore,the status quo of construction and calculating is described by examples of planned andalready realized projects.

1 Geschichtliche Entwicklung

Bereits 1859 entwickelte Josef Langeraus Wien den heute üblichen Stab-bogen und ließ sich das Tragprinzip,auch bekannt als „Langerscher Bal-ken“, patentieren. Hierbei handelt essich um einen Brückenüberbau miteinem in sich verankerten Bogen, beidem die Fahrbahn mit Hängern amBogen befestigt ist und gleichzeitigals Zugband zwischen den Bogen-kämpfern wirkt. Die erste Straßen-brücke dieser Art wurde 1881 in Grazerrichtet (Bild 1), und weitere folgtenbald, so z. B. 1889 die Spinnereibrückein Hannover.

Nahezu zeitgleich näherte mansich dem Prinzip des Netzwerkbogensdurch die Variation von Fachwerk-brücken. So wurde 1878 unter Lei-tung von Claus Koepcke in Riesa einBrückenzug aus Fachwerkbrückenmit bogenförmigem Obergurt errich-tet, die schon eine Stützweite von101,4 m aufwiesen (Bild 2). Mit zweinebeneinander liegenden Überbautenwurde sowohl eine Straße als auchdie Eisenbahnstrecke Leipzig–Dres-den über die Elbe geführt. Die Diago-nalen waren rautenförmig gekreuztund derart miteinanderverbunden undausgesteift, dass sie sowohl Zug- alsauch Druckkräfte übertragen konn-ten. Diese Überbauten können daherals Fachwerk mit an den Momenten-

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DOI: 10.1002/stab.200810019

Bild 1. Ferdinandsbrücke in GrazFig. 1. Ferdinand’s Bridge in Graz

Bild 2. Elbbrücken in Riesa Fig. 2. Elbe Bridge at Riesa

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verlauf angepasstem Obergurt bzw.als „Bogenfachwerk“ beschrieben wer-den. Damit werden die Vorteile desBogens, hohe Druckkräfte (insbeson-dere infolge symmetrischer Lasten)gut abzutragen, mit denen des Fach-werks, Biegebeanspruchung (also auchBeanspruchungen infolge asymmetri-scher Lasten) gut abzutragen, bereitskombiniert.

Am Anfang des 20. Jahrhundertsarbeitete der Däne Octavius F. Niel-sen an der Weiterentwicklung desLangerschen Balkens und meldeteschließlich 1926 ein Patent für einenStabbogen mit V-förmig geneigten Zug-stangen an. Er hatte erkannt, dass sichmit geneigten Hängern die Biege-momente in Bogen und Versteifungs-träger verringern lassen und damit dieAusführung des Bogens in Stahlbetonauch bei größeren Stützweiten mög-lich ist. In der Folgezeit entstand vorallem in Skandinavien eine Vielzahldieser Brücken in massiver Bauweise.Die bekannteste Nielsen-Brücke ist diePont de Castelmoron (Frankreich) miteiner Stützweite von 143 m (s. Bild 3).

Den abschließenden Schritt zumNetzwerkbogen beschritt Per Tveit [1]Mitte des 20. Jahrhunderts, indem erdas Hängernetz soweit verdichtete,dass sich die Hänger mehrfach kreu-zen. Damit erreichte er ein optimier-tes fachwerkähnliches Tragverhaltenmit geringen Biegemomenten im Bo-gen und im Untergurt. Bei Tveit wer-den die im Untergurt vorherrschen-den Normalkräfte durch dessen Aus-bildung als Spannbetonplatte mit zen-trischen Spanngliedern in Längsrich-tung abgetragen. Tveit entwarf 1963mit den norwegischen Brücken inSteinkjer (LSt = 80 m) und über denBolstadstraumen (LSt = 84 m, s. Bild 4)zwei Straßenbrücken dieser Art. Siebesitzen ein ausgesprochen filigranesund transparentes Haupttragwerk undfügen sich daher sehr zurückhaltendin ihre Umgebung ein.

Ebenfalls 1963 wurde die Feh-marnsundbrücke [2] in Deutschlandals kombinierte Eisenbahn-Straßen-brücke mit einer Stützweite von248,4 m fertiggestellt (s. Bild 5). ZurVerbesserung des Stabilitätsverhaltenswurden die Bögen korbhenkelartiganeinander geführt. Die 21 m breiteFahrbahn wurde in Untergurtebeneals orthotrope Platte ausgeführt.

In den Folgejahren wurden be-sonders auch in Japan mehrere Netz-

werkbogenbrücken mit größerenSpannweiten von teilweise über 250 merrichtet. Obwohl die ausgeführtenNetzwerkbögen mit vergleichsweisegeringen Baukosten und einer anspre-chenden Ästhetik für Aufmerksamkeitsorgten, wurden bis zum Ende desvergangenen Jahrhunderts keine wei-teren Brücken dieser Art in Deutsch-land errichtet.

In den letzten Jahren ist es je-doch vermehrt gelungen, Bauherrenim Straßen- und Eisenbahnbrücken-bau für diese effiziente und innova-tive Bauweise zu gewinnen.

2 Entwurfsgrundlagen2.1 Tragprinzip

Der Netzwerkbogen lässt sich ver-einfachend als eine Kombinationaus dem weit verbreiteten Stabbogenmit vertikalen Hängern und einemFachwerk beschreiben. In das Systemeines Bogens mit untenliegendemZugband werden geneigte und sichmehrfach kreuzende Hänger einge-fügt (s. Bild 6). Diese – allerdingsdruckschlaffen – Hänger bilden einHängernetz, welches – analog zu denDiagonalen in einem Fachwerk – eine

Bild 5. Brücke über den FehmarnsundFig. 5. Fehmarnsund Bridge

Bild 3. Pont de Castelmoron von Nielsen, 1933Fig. 3. Pont de Castelmoron by Nielsen, 1933

Bild 4. Brücke über den BolstadstraumenFig. 4. Bolstadstraumen Bridge

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Schubsteifigkeit zwischen den Gur-ten bedingt.

Das fachwerkartige Tragverhal-ten des Netzwerkbogens lässt sich gut

mit dem sich einstellenden Verfor-mungsverhalten begründen. Währendder klassische Stabbogen bei einergleichmäßig verteilten Last (z. B.

Eigengewicht) nur relativ geringeDurchbiegungen aufweist, kommt esbei seiner halbseitigen Belastung zugroßen Vertikalverformungen. Dieseentstehen durch ein seitliches Aus-weichen des Bogens verbunden mitdem Entzug der Lastaufnahme, wes-halb der Bogen den Untergurt in die-sem Bereich nur schlecht stützt.

Im Gegensatz dazu wird beimNetzwerkbogen das seitliche Auswei-chen des Bogens durch die geneigtenHänger verhindert, und dieser kannsich der Lastaufnahme nicht mehrentziehen. Wegen dieser quasi schub-steifen Verbindung von Ober- und Un-tergurt wird ein Zusammenwirken die-ser Bauteile entsprechend der Biege-theorie ermöglicht. Die Durchbiegungdes Untergurtes und damit auch dieauftretenden Endtangentenverdrehun-gen werden dadurch deutlich verrin-gert sowie für einseitige Verkehrslast-stellungen besser über die Brücken-länge verteilt (s. Bild 7).

Deutlich ist auch der Vergleichder Biegemomente in Bogenebene.Das seitliche Ausweichen des Stab-bogens unter Halblast verringert dieWirksamkeit der Hänger als Stützun-gen für den Untergurt stark. Im Er-gebnis treten große Biegemomente imUntergurt auf. Beim Netzwerkbogenwerden für das in Bild 8 dargestellteBeispiel durch die schubsteife Verbin-dung von Bogen und Untergurt sowiedie Anordnung der Hänger in relativgeringen Abständen die positivenBiegemomente im Untergurt auf ca.15 % und im Bogen auf ca. 60 % ver-ringert. Mit der dann maßgebendenNormalkraftbeanspruchung aller vor-handenen Stäbe im System ist eineschlanke und materialsparende Aus-bildung ihrer Querschnitte möglich.Damit kann beispielsweise die Kon-struktionshöhe des Untergurtes ummindestens ein Drittel bis auf dieHälfte verringert werden.

2.2 Grundsätze für den wirtschaftlichenEinsatzbereich

Örtliche Lastkonzentrationen, eineungleichmäßige Eigengewichtsvertei-lung und besonders die Einspannungdes Untergurtes in die Bogenfuß-punkte führen zu Störbereichen undUnregelmäßigkeiten insbesondere inden Normalkrafteinflusslinien derHänger. Besonders bei kurzen Spann-weiten wirkt sich die Einspannung in

Bild 6. Kombiniertes Tragprinzip von Fachwerkträger und Stabbogen Fig. 6. Combined structural behaviour of framework and tied arch

Bild 7. Stabbogen und Netzwerkbogen: Verformungen infolge halbseitiger Verkehrs-lastFig. 7. Tied arch and network arch: Deformation as a result of self-load and half-side live load

Bild 8. Stabbogen und Netzwerkbogen: Biegemomente infolge Eigengewicht undhalbseitiger Verkehrslast Fig. 8. Tied arch and network arch: bending moments as result of self-load andhalf-side live load

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die Bogenfußpunkte auf einen relativgroßen Bereich des Überbaus aus.Gleichzeitig haben die örtlichen Last-konzentrationen der anzusetzendenVerkehrslastmodelle einen zu großenungünstigen Einfluss auf die mini-male Hängerkraft. Die in Abschn. 2.3beschriebene Optimierung des Hän-gernetzes führt dann zu keinem be-friedigenden Ergebnis.

Je größer die Stützweite derÜberbauten ist, umso unbedeutenderwerden die örtlichen Effekte, so dassder Netzwerkbogen insbesondere fürgroße Stützweiten hervorragend ge-eignet ist. Hier begrenzen fast aus-schließlich die Anforderungen an dieMontage die Stützweite. Aus der Er-fahrung derAutoren bestehen in etwafolgende Grenzen für eine sinnvolleAnwendung: – Straßenbrücken (LM 1): 55 m < LSt < 300 m– Eisenbahnbrücken (LM 71 mit α = 1,0; SW/2): 80 m < LSt < 300 m.

Mit steigender Schiefwinkligkeitder Überbauten im Grundriss erhö-hen sich die Probleme in den spitzenEcken, da die Hänger in diesen Berei-chen infolge Eigengewicht nur geringvorgespannt werden, aber eine un-günstig angeordnete konzentrierte Ver-kehrslast trotzdem relativ stark wirk-sam wird. Dem kann unter Umstän-den durch eine zum Endquerträgerparallele Ausrichtung der Querträgerbegegnet werden, was aber andereNachteile aufweist.

2.3 Entwurfsparameter2.3.1 Optimiertes Hängernetz

Die wesentliche Aufgabe beim Ent-wurf von Netzwerkbögen ist die Ent-wicklung einer optimalen Netzgeo-metrie. Davon hängt nicht nur dieQualität und die Wirtschaftlichkeitdes Entwurfes sondern auch dessenAusführbarkeit an sich ab, da die Ge-fahr besteht, dass die Hänger infolgeeiner einseitigen Verkehrsbelastungdes Überbaus Druckkräfte erhaltenund ausknicken. In der Konsequenzmuss die Netzgeometrie so gewähltwerden, dass keine resultierendenDruckkräfte in einzelnen Hängernauftreten können.

Zur Veranschaulichung dieserProblematik sind in Bild 9 die Nor-malkrafteinflusslinien von zwei Hän-gern dargestellt, wobei die Bedingun-

gen für die resultierende Normalkraft-beanspruchung zu erkennen sind: JedeEinflusslinie besitzt einen negativenund einen flächenmäßig größerenpositiven Anteil. Dies bedeutet, dasseine gleichmäßig über die Brücken-länge verteilte Last z. B. aus Eigen-gewicht immer eine Zugkraft im Hän-ger hervorruft.

Andererseits bewirkt eine teil-weise Verkehrsbelastung im negativenBereich der Einflusslinie eine Druck-kraft im betrachteten Hänger. EinHängerausfall infolge Druckbean-spruchung wird nur dann vermieden,wenn die Zugkraft infolge Eigen-gewicht größer als die Druckkraft in-folge dieser begrenzten Verkehrslastist. Dies kann im Wesentlichen durcheine ausreichend große Eigenlast derFahrbahn erfolgen. Da jedoch zusätz-liches Eigengewicht (z. B. durch Wahleiner Verbundplatte statt einer ortho-tropen Fahrbahnplatte) immer auchmit negativen Auswirkungen – u. a.einer Erhöhung der Normalkräfte inallen Bauteilen – verbunden ist, sindhier Grenzen vorhanden.

Die – neben der Erhöhung derEigenlasten – alternative Methodezur Sicherstellung resultierender Zug-kräfte in den Hängern ist eine güns-tige Veränderung des jeweiligen Ein-flusslinienverlaufes durch Verände-rungen der Hängergeometrie. Dabeiwird der Effekt genutzt, dass das Ver-hältnis von positiver zu negativer Ein-flussfläche in der Normalkraftein-flusslinie mit flacherer Hängerneigunggrößer wird und damit die Anfällig-keit für Hängerausfall sinkt. Aller-dings steigt dann gleichzeitig die ma-ximale Normalkraft an und führt zugrößeren erforderlichen Hängerquer-schnitten und Anschlussdetails.

Es ist zu beachten, dass die Nor-malkrafteinflusslinien nicht nur vonden objektspezifischen Eingangsgrö-ßen Stützweite und Bogenstich sowieder Netzgeometrie abhängen, sondernaufgrund des statisch unbestimmtenSystems auch von den Steifigkeitsver-teilungen in Bogen und Versteifungs-träger.

Die Entwicklung der Netzgeo-metrie mit den geometrischen Kenn-größen Hängeranzahl und Hänger-neigung als variable Parameter stelltsich damit als ein Optimierungspro-zess dar, bei dem folgende – zum Teilgegensätzliche – Zielgrößen erreichtwerden sollen:– gleichmäßige ästhetische Netzgeo-metrie– kleine negative Einflussfläche zurVermeidung einer resultierendenDruckkraft– Minimierung der Biegemomente inBogen und Versteifungsträger– geringe maximale Hängerzugkräfte(kleine positive Einflussfläche und da-mit gegensätzlich zu Punkt 2)– geringe Spannungsdifferenzen inden Hängern zur Reduzierung der Er-müdungsgefährdung insbesondere derHängeranschlüsse– geometrische Forderungen wie z. B.Einhaltung der erforderlichen Durch-trittsfenster durch das Hängernetz beiBahnbrücken mit außen liegendenGehwegen.

Zu beachten ist, dass aufgrunddes innerlich hochgradig unbestimm-ten statischen Systems und der gro-ßen Anzahl an Zielgrößen und Varia-blen diese Optimierungsaufgabe rela-tiv aufwendig ist und ein gewissesMaß an Erfahrung erfordert. So hatsich z. B. gezeigt, dass es sinnvoll ist,die Abstände der Hängerbefestigungs-

Bild 9. Normalkraft-Einflusslinien für zwei HängerFig. 9. Influence lines for axial force in two hangers

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punkte am Bogen konstant zu lassenund eine kontinuierlich veränderlicheHängerneigung nach Bild 10 zu wäh-len. Daraus ergibt sich aus geometri-schen Gründen zwingend ein unre-gelmäßiger Abstand der Befestigungs-punkte am Untergurt. Die Neigungs-winkel des ersten und letzten Hängerssowie der Neigungszuwachs eines je-den Hängers sollten so gewählt wer-den, dass die Hänger nur so flach wienötig geneigt werden, dass keineDruckkräfte in ihnen resultieren.

Eine erste Entwurfshilfe in Formvon Diagrammen zur Ermittlung der –zur Vermeidung von Hängerausfallnotwendigen – Neigung in Abhängig-keit von der Lage des betrachtetenHängers im Tragwerk (Abszissenwertim Diagramm in Bild 11) und demVerhältnis Verkehrs- zu Eigenlasten(Ordinatenwert) ist in [1] enthalten.Im Diagramm ist gut erkennbar, wieder Neigungswinkel mit steigenderOrdinate nichtlinear abnimmt.

Die mit Hilfe der Diagrammeermittelten Hängerneigungen könnenals sinnvolle Startgeometrie für den

Optimierungsprozess verwendet wer-den. Eine weitere Optimierung mitBerücksichtigung der tatsächlich vor-handenen Steifigkeiten, der örtlich er-höhten Verkehrslasten (Tandemachsebei LM 1 bzw. Einzelachsen bei LM 71)und der geometrischen Randbedin-gungen für das Netz ist jedoch stetserforderlich.

Weiterhin ist es möglich, dass dieHänger zusätzlich zur Zugnormal-kraft aus Eigengewicht eine individu-elle Vorspannung während der Mon-tage erhalten. Da sich eine Vorspan-nung in einem Hänger auf die Nor-malkräfte in allen restlichen Hängernauswirkt, müssen dann aber währenddes Spannens alle weiteren Hängerdes Überbaus messtechnisch kontrol-liert und ggf. nachjustiert werden, wastechnologisch aufwendig ist.

2.3.2 Bogenstich und Steifigkeiten

Für die Festlegung des Bogenstichesgelten die Erfahrungen für Stabbogen-brücken mit einer Stichhöhe von ca.1/7 bis 1/9 der Stützweite. Allerdings

sollte für Netzwerkbögen eher einkreisförmiger Bogen gewählt werden,da dieser bei der vorliegenden radia-len Belastung der Stützlinie recht gutentspricht.

Aufgrund der stark reduziertenBiegemomente im Bogen und im Ver-steifungsträger benötigen diese Bau-teile eine wesentlich geringere Biege-steifigkeit in Bogenebene. Das Verhält-nis der Steifigkeiten sollte – in Ab-hängigkeit von der Netzgeometrie –in etwa EIBog/EIVT = 1/8 … 1/10 be-tragen, d. h. in etwa das gleiche Ver-hältnis wie für Stabbogenbrücken. Diedeutlich geringere Biegesteifigkeit desVersteifungsträgers drückt sich u. a. indessen reduzierter Bauhöhe aus.

Bezüglich der Biegebeanspru-chung des Bogens aus seiner Ebene(infolge Stabilisierungskräften undWindbelastung) bestehen im Ver-gleich zum klassischen Stabbogenkeine Unterschiede. Daher sollte dieBogenbreite in Abhängigkeit des vor-handenen Windverbands bzw. des-sen Ausbildung analog den Erfah-rungswerten für Stabbögen gewähltwerden. Aus konstruktiven Gründensollte der Bogen einen geschlosse-nen Querschnitt erhalten, was auchgünstig zur Vermeidung des Biege-drillknickens ist. Statisch vorteilhaftkann auch eine vom Kämpfer zumScheitel kontinuierlich abnehmendeBogenhöhe sein.

2.3.3 Weitere Randbedingungen für den Entwurf

Da das Haupttragwerk des Netzwerk-bogens sehr leistungsfähig ist undsich Eigengewichtslasten positiv aufdie Vorspannkräfte in den Hängernauswirken, kann neben der stähler-nen orthotropen Platte auch problem-los eine massive Fahrbahnplatte ver-wendet werden. In Abhängigkeit vonder erforderlichen Fahrbahnbreite unddem daraus resultierenden Hauptträ-gerabstand kann diese als schlaff be-wehrte Platte quer spannend oder al-ternativ längs spannend über stäh-lerne (Verbund-)Querträger ausgeführtwerden. Gerade bei Straßenbrückenwird in der massiven Fahrbahnplattederzeit gegenüber der orthotropenPlatte die Vorzugsvariante gesehen,hier kommt aber aufgrund der oftgrößeren Brückenbreite in der Regelzwangsläufig die Variante mit Ver-bund-Querträgern zum Einsatz. Diese

Bild 10. Darstellung der Hänger mit positiver NeigungFig. 10. Hangers with positive inclination

Bild 11. Wahl der Hängerneigung zur Vermeidung von Hängerausfall [1], gilt füreinen Bogenstich von 0,15 · LFig. 11. Slope of hangers necessary for preventing the relaxation of hangers [1],for an arch rise of 0.15 · L

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entspricht der Lösung wie für klassi-sche Stabbogenbrücken.

Zur klaren Aufnahme der Unter-gurt-Zugkräfte und zur Ermöglichungeines konstruktiv einfachen und be-währten Hängeranschlusses wird im-mer die Anordnung stählerner Ver-steifungsträger empfohlen. Diese Aus-führung ist auch vorteilhaft für dieMontage. Eine in Norwegen prakti-zierte Ausführung mit Verzicht aufden stählernen Versteifungsträger undAufnahme der Zugkräfte im Untergurtdurch Längsvorspannung wird insbe-sondere wegen der dann konstruktivungünstigen Hängeranschlüsse an diePlatte – unter Berücksichtigung ho-her ermüdungsrelevanter Belastungenin Deutschland – nach derzeitigemKenntnisstand nicht empfohlen.

Bei Eisenbahnbrücken solltenaufgrund der reduzierten Baukostenvorzugsweise außen liegende Dienst-gehwege mittels Konsolen gewähltwerden. Dies ist selbst bei großenSpannweiten aufgrund der geringenerforderlichen Höhe des Versteifungs-trägers möglich. Dabei ist darauf zuachten, dass einerseits der zu über-windende Höhenunterschied zum Er-reichen des Randweges nicht mehrals 50 cm beträgt und andererseitsdas gewählte Hängernetz die erforder-lichen Durchgangsfenster von mindes-tens b × h = 3,0 m × 2,2 m in ausrei-chendem Abstand ermöglicht (Forde-rungen nach Ri 804.1101). Bei Aus-führung des Versteifungsträgers als

Kasten ist bei ausreichender Kasten-breite die Anordnung des Dienstgeh-weges auf dem Versteifungsträger selbstdenkbar (s. Bild 12).

Das Kriterium zur Gewährleis-tung einer ausreichenden Querbiege-steifigkeit des Bauwerkes kann beieingleisigen Eisenbahnbrücken größe-rer Stützweite allerdings dazu führen,die Untergurte weiter zu „spreizen“,d. h. die Gehwege dann besser innenanzuordnen.

Weiterhin ist bei Netzwerkbogen-brücken die vorhandene Redundanzdes Hängernetzes gegen Hängeraus-fall vorteilhaft. Durch die geringenAbstände zwischen den Hängern lässtsich das Tragwerk auch für den Aus-fall einzelner Hänger zum Beispiel in-folge Fahrzeuganprall (in der außer-gewöhnlichen Bemessungssituation)nachweisen. Für die derzeit im Be-reich der Deutschen Bahn diskutierteErhöhung des Mindestachsabstandeszwischen Gleis und oben liegendemTragwerk zur Sicherstellung des Schut-zes des Haupttragwerkes bei Entglei-sung bleibt der Vergleich Stabbogen-brücke zu Netzwerkbogenbrücke un-betroffen, da derartige Anpralllastenden Ausfall mehrerer Hänger zur Folgehätten und bei beiden Brückentypendefinitiv nicht aufnehmbar wären.

2.4 Konstruktive Besonderheiten

Die Konstruktionsbesonderheiten be-ziehen sich im Wesentlichen auf die

Ausführung der Hänger und derenAnschlüsse. Es sind grundsätzlichFlachstähle, Rundstähle oder vollver-schlossene Seile denkbar. Aufgrundder einfachen Anschlussdetails in Ver-bindung mit der vergleichsweise ho-hen Ermüdungsfestigkeit wurden fürdie in den letzten Jahren geplanten undausgeführten Bauwerke im Regelfallgeschweißte Flachstahl- oder Rund-stahlhänger verwendet.

Rundstähle sollten insbesonderedann zum Einsatz kommen, wenn dieHänger vom Betrachter auch aus ge-ringer Entfernung sichtbar sind. Der-zeit ist ein Einsatz von Rundstahl-hängern insbesondere bei Straßen-brücken üblich. Zur Ausbildung undBemessung der Anschlussdetails sinddie entsprechenden Regelungen imderzeit überarbeiteten DIN-Fachbe-richt 103 [3] enthalten. Neben höhe-ren zulässigen Dicken für Rundstahl-vollquerschnitte sind jetzt u. a. auchRegelungen zur Konstruktion undBemessung der Hängeranschlüsse fürwinderregte Schwingungen enthalten.Nachteilig ist die meist schwierigeVerfügbarkeit von Rundstahlquer-schnitten mit Längen über 18 m. EinVollstoß des Rundstahlquerschnittessollte der Ausnahmefall bleiben.

Bei Eisenbahnbrücken empfiehltsich die Verwendung von Flachstahl-hängern, da diese relativ einfache An-schlussdetails mit höherer Ermüdungs-festigkeit aufweisen und damit auchwirtschaftlicher sind. Flachstahlquer-schnitte sind problemlos in größerenLängen lieferbar bzw. können ein-facher durch Schweißung gestoßenwerden. Damit die Hänger an ihrenKreuzungspunkten nicht aneinanderreiben, erhalten sie auch in Querrich-tung gegensätzliche Neigungen. Aus-gehend von der Stegblechebene desVersteifungsträgers werden die „stei-genden“ und „fallenden“ Hänger je-weils so ausgeführt, dass sie abwech-selnd am inneren und äußeren Steg-blech des kastenförmigen Bogensangeschlossen werden können (s.Bild 13).

Da die Neigung der Hänger imBrückenquerschnitt von der Neigungder Versteifungsträger- bzw. Bogen-stegbleche abweicht, müssen die An-schlussdetails die vorhandene Um-lenkkraft aufnehmen können. Am Ver-steifungsträger wird dies durch dasDurchführen des Stegbleches durchden Obergurt und das seitliche An-

Bild 12. Alternative Anordnung des Dienstgehweges zwischen den Hängerebenenauf dem VersteifungsträgerFig. 12. Alternative apposition of the pavement on the stiffening girder betweenthe hangers

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schließen der zweiteiligen Obergurt-bleche erreicht. Die Umlenkkräftekönnen nun kontinuierlich auf dergesamten Anschlussbreite von denObergurtblechen aufgenommen wer-den. Diese Versteifungsträgerausbil-dung ermöglicht den Anschluss derHänger in variablen Abständen ent-sprechend der Netzgeometrie.

Am Bogen erfolgt die Befestigungmit Stumpfnähten an den nach untenüberstehenden Stegblechen. Damitsind keine aufwendigen Durchfüh-rungen mit Dichtblechen im Bogen-untergurt und auch keine zusätzlichenSchotte im Bogen notwendig.

Wie schon erläutert bietet sichbei Netzwerkbögen besonders eine„schwere“ Fahrbahntafel an, d. h.eine Ausführung in reiner Stahlbeton-oder in Verbundbauweise. Die Aus-führung als schlaff bewehrte, querspannende Stahlbetonplatte bietet füreine geringe Brückenbreite (d. h. ins-besondere für eingleisige Eisenbahn-brücken) weitere wirtschaftliche Vor-teile. Beispielhafte Details sind inAbschnitt 3.5 am Beispiel der Eisen-bahnbrücke über die B 6 in Halledargestellt.

2.5 Besonderheiten für die statischeBemessung

Die Normalkraftverteilung innerhalbdes Hängernetzes ist empfindlichbezüglich Steifigkeitsänderungen imTragwerk. Daraus resultiert, dass nurmit einem detailgetreuen statischenModell zuverlässige Vorhersagen zuden Hängerkräften möglich sind. Be-sonderes Augenmerk sollte auf diefeinere Modellierung im Bereich derBogenfußpunkte gelegt werden.

Weiterhin ist die Erfassung derverschiedenen Montagezustände be-deutsam für die Realitätsnähe der Er-gebnisse. So sollte zum Beispiel rech-nerisch berücksichtigt werden, dasszunächst der Untergurt und der Bo-gen montiert und erst nach dem Frei-setzen des Bogens die Hänger einge-schweißt werden. Auch der optima-lerweise möglichst späte Zeitpunktdes Freisetzens des Versteifungsträ-gers von den Hilfsstützungen auf demVormontageplatz muss berücksichtigtwerden.

Weiterhin ist rechnerisch zu be-rücksichtigen, dass die flacher geneig-ten Hänger bei größeren Längen et-

was durchhängen und sich damit wieein Seil verhalten. Dies ist zum Bei-spiel durch den Ansatz eines fiktivenE-Moduls für die Hänger zu berück-sichtigen.

Da insgesamt ein nichtlinearesTragverhalten vorliegt, ist die lineareSuperposition von Einzellastfällennicht möglich. Es sollten gezielt diefür jedes Bauteil maßgebenden Last-stellungen mit gleichzeitig wirkendenständigen Lasten untersucht werden.Die Identifikation der maßgebendenLaststellungen kann durch die Er-mittlung von Einflusslinien verein-facht werden.

Die Nachweise infolge windin-duzierter Schwingungen in den Hän-gern bzw. deren Anschlüssen müssen –analog wie für die Hänger von Stab-bogenbrücken – für die jeweils maß-gebenden Phänomene (wirbelerregteSchwingungen bzw. Galloping fürFlachstahlhänger und im Wesentlichenwirbelerregte bzw. Regen-Windindu-zierte Schwingungen für Rundstahl-hänger) durchgeführt werden. Hin-weise zur Bemessung über quasi-stati-sche Ersatzlasten finden sich im über-arbeiteten DIN-Fb 103 (s. Bild 14).Eigene Windkanaluntersuchungen be-legen die Richtigkeit der Festlegungfür das Breiten-Dicken-Verhältnis fürFlachstahlhänger von b/d ≥ 3 bzw.besser sogar ≥ 4.

Sollten die relativ strengen Nach-weisbedingungen rechnerisch nicht er-füllt werden, können im Nachgangam fertiggestellten Bauwerk durchzu-führende dynamische Messungen ins-besondere wegen der dann genaueren

Bild 13. Geschweißter Anschluss von FlachstahlhängernFig. 13. Welded connection of flat bar hangers

Bild 14. Konstruktive Grundsätze für den Anschluss von Rundstahlhängern, rechts: statisches Ersatzmodell zur Bemessunggegen winderregte Schwingungen, nach [3] bzw. [4]Fig. 14. Construction principles for connection of round bar hangers, right: equivalent static system for calculating windinduced vibrations

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Erfassung der Dämpfung durchaus zudeutlich günstigeren Bewertungen füh-ren. In Bild 15 ist eine beispielhafteAbklingkurve dargestellt, die den güns-tigen Effekt der Dämpfung klar zeigt.

Weiterhin ist es möglich, die Hän-ger an ihren Kreuzungspunkten mitrelativ einfachen, dämpfenden Kopp-lungselementen zu verbinden und da-durch wirkungsvoll zu verstimmen.Das erspart normalerweise den teil-weise bei Stabbogenbrücken ange-wendeten Einbau von Dämpfern oderSeilverspannungen. Neben der Verän-derung der Eigenfrequenzen bzw. zu-gehörigen Eigenformen werden auchdie Dämpfungen erhöht. Ein diesbe-zügliches Detail ist in Bild 16 darge-stellt.

Durch genaue Ausführungsanwei-sungen ist sicherzustellen, dass dieHänger möglichst in ideal geraderLage, das heißt ohne Durchhang ein-geschweißt werden und sich keineungewünschten Kraftumlagerungendurch Veränderung der Bauwerks-temperatur während des Hängerein-baus ergeben. Zur Kontrolle sollte dieBauwerks- und Lufttemperatur wäh-rend des Hängereinbaus mit Bezugzum Montagefortschritt aufgezeichnetwerden.

3 Beispielbauwerke3.1 Straßenbrücken im Zuge der B 2/95

über die A 38 bei Leipzig

Das im Mai 2006 fertiggestellte Bau-werk besteht aus zwei parallelenÜberbauten, welche die BundesstraßeB 2/95 über die Autobahn A 38 im Sü-den von Leipzig überführen (Bild 17).Aufgrund der zentralen Lage in derals vierblättriges Kleeblatt ausgebilde-ten Anschlussstelle wurde der Regel-querschnitt der B 2/95 um beidseitigangeordnete Verteilerfahrbahnen auf-

geweitet. Hierdurch ergab sich die un-gewöhnlich große Breite beider Über-bauten mit 27,4 m sowie 28,1 m. DasBauwerk wurde zunächst als klassi-sche Stabbogenbrücke ausgeschrieben,die Ausführung als Netzwerkbogenresultierte aus einem von der GMG-Ingenieurgesellschaft erarbeiteten Son-dervorschlag, der durch das Autobahn-amt Sachsen beauftragt wurde.

Aufgrund der großen Überbau-breite und der Schiefwinkligkeit wur-den freistehende Bögen (ohne oberenWindverband) mit einer Breite von

Bild 16. Elastomerelement zur Kopplung der Hänger gegen winderregte Schwin-gungen Fig. 16. Connection of two hangers with elastomer against wind induced vibrations

Bild 15. Ergebnis dynamischer Messungen an einem Hänger des Netzwerkbogens im Zuge der B 2/95 über die A 38 bei Leipzig(zweimaliges Anschlagen des Hängers durch Hammerschlag)Fig. 15. Results of dynamic measurements at a hanger of network arch over A 38

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1,2 m und einer veränderlichen Höhevon 1,6 m am Kämpfer auf 1,0 m amScheitel ausgeführt. Der Bogenstichbeträgt 14,0 m und ist mit dem resul-tierenden Verhältnis von 1 : 6,3 reich-lich gewählt.

Die Schiefwinkligkeit der Über-bauten (s. Bild 18) und die im Ver-hältnis dazu geringe Stützweite von87,9 m bedingen in den spitzen EckenBereiche mit ungenügender Hänger-vorspannung durch das Eigengewicht.

Bild 17. Ansicht der Straßenbrücken im Zuge der B 2/95 über die A 38Fig. 17. Road bridge of the B 2/95 over A 38

Bild 18. Längsschnitt und Grundriss eines Überbaus Fig. 18. Longitudinal section

Diesem Problem wurde durch dieAusbildung einer unsymmetrischenNetzgeometrie – verbunden mit einemnicht-konstanten Hängerabstand amObergurt (der aber optisch nichtstörend ist) – begegnet. Insgesamtwurde erreicht, dass im Grenzzustandder Tragfähigkeit unter Berücksichti-gung der günstig wirkenden Eigen-lasten mit γG = 1,0 keine resultieren-den Druckkräfte in den Hängernauftreten.

Als Hängerquerschnitt wurdenRundstähle aus S 355 mit einemDurchmesser von 90 mm gewählt. Siesind am Bogen exzentrisch ange-schlossen, um die Berührung in denKreuzungspunkten zu vermeiden. Dieaus den exzentrischen Anschlüssenresultierende Torsionsbeanspruchungkann der kastenförmige Bogen pro-blemlos aufnehmen. Die geschweiß-ten Hängeranschlüsse wurden zur Er-zielung einer hohen Ermüdungsfestig-keit in Anlehnung an [3] bzw. [4]ausgebildet (s. Bild 19). Es ist anzu-merken, dass der Durchmesser derHänger deutlich unter dem der aus-geschriebenen Stabbogenbrücke mit130 mm liegt.

Als Fahrbahn wurde eine 30 cmdicke, schlaff bewehrte Stahlbeton-platte aus C 35/45 auf Querträgernim Verbund verwendet. Letztere wur-den nach DIN-Fachbericht 104 [5] imGrenzzustand der Tragfähigkeit plas-tisch bemessen. Zur Verbesserung derEinleitung der anteiligen Zugnormal-kräfte aus Haupttragwirkung in die

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Fahrbahnplatte wurden kastenförmigeEndquerträger mit einer hohen Quer-biegesteifigkeit ausgeführt.

Ausgehend von der notwendigenBauhöhe der Querträger wurden dieVersteifungsträger als offene Schweiß-träger mit einer Höhe von 2,14 m aus-geführt. Dieses konstruktiv gewählteMaß liegt weit über der statisch erfor-derlichen Bauhöhe für den Untergurtdes Netzwerkbogens, aber immer nochunter der ursprünglich vorgesehenenBauhöhe für den Stabbogen. Mit demals Sondervorschlag umgesetzten Netz-werkbogen wurden trotzdem deut-liche Einspareffekte für den Baustahlgegenüber der ausgeschriebenen klas-sischen Stabbogenlösung erzielt. Siebetragen insgesamt 30 %, wobei einTeil aus der plastischen Querträger-bemessung resultiert.

Die Montage der Überbauten er-folgte in Endlage auf Hilfsstützen imBereich der zu dem Zeitpunkt nochnicht fertiggestellten Autobahn. Dazuwurde zunächst der Trägerrost ausQuerträgern und Versteifungsträgernmontiert. Danach wurden die Bogen-

segmente auf etwa in den Drittels-punkten der Stützweite angeordneteMontagetürme aufgelegt und ver-schweißt. Der Hängereinbau erfolgteerst nach dem Rückbau der Montage-türme in die sich selbst tragendenBögen, wobei besonders auf die mög-lichst ideale Geradheit der Hängersowie eine gleichmäßige Temperaturbeim Einbau geachtet wurde. Durchdas anschließende Entfernen der Hilfs-stützen unter den Versteifungsträgernerhielten die Hänger ihren ersten Vor-spannungsanteil. Der wesentliche An-teil der Vorspannung wurde jedochmit dem anschließenden Betonierender Fahrbahnplatte eingetragen.

Gestalterisch fügen sich beideÜberbauten sehr gut in das neu ge-staltete weitläufige Umfeld eines ehe-maligen Tagebaus ein. Trotz ihrer gro-ßen Breite wirken die Überbautenleicht und transparent. Das Tragwerkwird gestalterisch durch das Hänger-netz dominiert, was aber nicht nach-teilig ist (s. Bild 20). Die Netzwerk-bögen bilden auch einen gelungenenKontrast zu den weiteren Brücken

dieses Autobahnabschnittes, die zumTeil als klassische Stabbogenbrückenausgeführt wurden. Damit wird op-tisch ein hoher Wiedererkennungs-grad für die Anschlussstelle Leipzig-Süd ermöglicht. Um diese Bedeutungnoch zu unterstreichen, erfolgte dieFarbwahl der Überbauten in den Far-ben der Stadt Leipzig, die Bögen undder Untergurt wurden dunkelblau unddie Hänger gelb beschichtet.

3.2 Überführung der L 39 über eine fünf-gleisige Bahnstrecke in Salzbergen

Die Landesstraße L 39 wird in Salz-bergen über eine fünfgleisige Bahn-strecke überführt. Zur Ausführungkam wieder ein von den Verfassern2005 geplanter Sondervorschlag alsNetzwerkbogen (Bild 21). Die Brückehat eine Breite zwischen den Bogen-ebenen von 15,26 m und eine Stütz-weite von 56 m. Der Bogenstich istmit 12,85 m ausgesprochen groß, die-ses Maß wurde für die zunächst mitdem Amtsentwurf ausgeschriebeneStabbogenbrücke definiert und sollte

Bild 21. Überführung der L 39 über Bahnstrecke in SalzbergenFig. 21. Bridge of L 39 over railway track in Salzbergen

Bild 20. Ansicht einer BogenebeneFig. 20. View of a separate arch

Bild 19. Anschlussdetail RundstahlhängerFig. 19. Connection detail of round bar hangers

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mit dem Sondervorschlag beibehal-ten werden. Da sich die Verkehrswegeunter einem Winkel von 48° kreuzen,ist auch dieser Überbau im Grundrissstark schiefwinklig.

Die Montage der reinen Stahl-konstruktion erfolgte weitgehend ana-log der in Abschn. 3.1 dargestelltenBrücke, allerdings wegen des Bahn-verkehrs auf einem seitlichen Vor-montageplatz. Dann wurde der mitSchalung für die Fahrbahnplatte 320 tschwere Überbau mittels eines Rau-penkrans verfahren und eingehoben.Die vier Anschlagösen waren an denEndquerträgern im Bereich der Pres-senansatzpunkte befestigt. Anschlie-ßend erfolgte das Betonieren der35 cm dicken Fahrbahnplatte aus Be-ton C 35/45, wodurch die Rundstahl-hänger mit einem Durchmesser von70 mm ihre endgültige Vorspannungerhielten.

3.3 Eisenbahnüberführung „Flora“ überden Mittellandkanal

Der im Jahr 2006 von der DB Projekt-bau Leipzig gemeinsam mit der GMG-Ingenieurgesellschaft erarbeitete Ent-wurf für die eingleisige Überführungder Bahnstrecke Glindenberg–Oebis-felde über den Mittellandkanal west-lich von Haldensleben verdeutlichteindrucksvoll die Vorzüge des Netz-werkbogens für mittlere und großeEisenbahnbrücken. Das Tragwerkweist aufgrund der höheren Transpa-renz der einzelnen Bauteile gestalteri-sche Vorteile gegenüber dem klassi-schen Stabbogen auf. Der Bogenstichder kreisförmigen und im Scheitelzusammengeführten Bögen beträgt19,85 m, was einer Schlankheit vonL/7 entspricht (Bild 22). Im Vergleich

Bild 22. Längs- und Querschnitt Eisenbahnüberführung Flora über den MittellandkanalFig. 22. Longitudinal and cross-section of railway bridge „Flora“

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zum Parallelentwurf als klassischeStabbogenbrücke mit gleichem Bogen-stich kann die Stahltonnage bei glei-cher Werkstoffgüte deutlich reduziertwerden.

Trotz der großen Stützweite von132,6 m können die Querschnitte desHaupttragwerkes sehr filigran aus-geführt werden. So weisen die Bögeneinen dichtgeschweißten Kastenquer-schnitt mit den konstanten Abmes-sungen von 70 cm × 70 cm und dieVersteifungsträger eine Bauhöhe vonnur 170 cm auf. Trotz der reduziertenStahltonnage sind die resultierendeDurchbiegung und damit auch derEndtangentenwinkel des Netzwerk-bogens unter dem besonders kriti-schen Fall der halbseitigen Last deut-lich geringer als für die klassischeStabbogenbrücke. Aufgrund der Stahl-masseneinsparungen sind deutlicheErleichterungen für den Transportund die Montage der einzelnen Seg-mente zu verzeichnen.

Die Versteifungsträger sind als I-förmige Schweißträger mit geneigtenStegblechen ausgebildet und befin-den sich damit in einer Ebene mitden nach innen geneigten Bögen. DieFahrbahn wird als stählerne ortho-trope Platte ausgeführt und entsprichtder Regelausführung für Stabbogen-brücken. Auf die Anordnung derDienstgehwege auf außen liegendenKonsolen mit der einhergehendenVerkürzung der Querträgerstützweitemusste aufgrund der dann zu gerin-gen Querbiegesteifigkeit des Gesamt-tragwerkes in Fahrbahnebene verzich-tet werden.

Aufgrund der höheren Verkehrs-lasten und damit auch der höherenAnforderungen an die Ermüdungs-sicherheit bei Eisenbahnbrücken be-dingt die Florabrücke neue Anforde-rungen im Vergleich zu den vorge-nannten Beispielen. Das symme-trische Hängernetz eines Hauptträ-gers wird aus 34 geneigten Hängernmit Flachstahlquerschnitt entworfen.Die Neigungen der steigenden undfallenden Hänger einer Bogenebenevariieren jeweils zwischen 89° und37°, wobei die Winkeländerungen kon-tinuierlich, aber in ungleichen Schrit-ten, erfolgen. Damit sich die Hängeran den Kreuzungspunkten nicht be-rühren, werden die steigenden Hän-ger am äußeren und die fallendenHänger am inneren Steg der Bogen-kästen angeschlossen. Die hierdurch

entstehende Torsion kann vom Kas-tenquerschnitt problemlos aufgenom-men werden. Aufgrund der auf denErfahrungen des Eisenbahnbrücken-baus beruhenden Anschlussausbil-dung für die Flachstahlhänger durchStumpfstöße (ggf. mit Dickenübergän-gen und Ausrundungen) wird insge-samt eine ausreichende Ermüdungs-sicherheit für diese Bauteile gewähr-leistet.

Zur Dämpfung zu erwartenderwinderregter Schwingungen werdendie langen Hänger an mindestenseinem Kreuzungspunkt im unterenDrittel miteinander verbunden. Dazuist die Anordnung dämpfender Elasto-merelemente nach Bild 16 zwischenden Hängern vorgesehen.

Es ist geplant, den Überbau aufeinem Vormontageplatz herzustellen

und anschließend per Längsverschubunter Verwendung eines Pontons ein-zuschwimmen. Durch die währenddes Verschubvorganges auftretendenAuflagersituationen mit Kragarm wer-den einige Hänger auf Druck bean-sprucht, was – genau wie für den Ver-schub einer klassischen Stabbogen-brücke – temporäre Verstärkungen zurAufnahme von Druckkräften notwen-dig macht. Es wirkt sich günstig aufdie Bemessung in diesen Bauzustän-den aus, wenn über dem Lagerpunktzwischen dem Versteifungsträger unddem Bogen geneigte V-förmige Hilfs-stützen nach Bild 23 eingebaut wer-den. Diese leiten die Lagerkraft ausden Verschublagern direkt in den Bo-gen, derVersteifungsträger „hängt“ sichüber die geneigten Hänger an diesenPunkten an.

Bild 24. Querschnitt der Eisenbahnüberführung Oder-Havel-Kanal bei Hennigs-dorfFig. 24. Cross-section of railway bridge over Oder-Havel-Channel

Bild 23. V-förmige Hilfsstützen für Verschubzustand mit KragarmFig. 23. V-shaped pillars for assembly by longitudinal feed

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3.4 Weitere Eisenbahnbrücken

Unter Verwendung der für die Eisen-bahnüberführung „Flora“ entwickel-ten Konstruktionsdetails wurden inZusammenarbeit mit DB Projektbauzwei weitere Bauwerke als Netzwerk-bögen entworfen. Dies sind die der-zeit in der Ausführung befindlicheeingleisige Überführung über das Ro-senbachtal bei Plauen mit einerStützweite von 89 m und die Über-führung über den Oder-Havel-Kanalbei Hennigsdorf. Letztere besitzt eineStützweite von 97,4 m und wurde fürdas Lastmodell 71 mit Klassifizie-rungsfaktor α = 1,21 bemessen. Auf-grund des dort geplanten Einschwim-mens mit einem mittig unter demÜberbau befindlichen Ponton wur-den die Versteifungsträger als ge-schweißte Kästen ausgebildet (s.Bild 24). Deren Bauhöhe konnte mit1,6 m so niedrig gewählt werden, dasswegen der Sicherstellung der Über-steigmöglichkeit die Anordnung vonaußen liegenden Gehwegen möglichwar. Die Flachstahlhänger werden hieram Versteifungsträger und am Bogenwechselseitig an den Stegblechen derjeweiligen Kastenquerschnitte ange-schweißt.

3.5 Eisenbahnüberführung über die B 6in Halle (Saale)

Für dieses Bauvorhaben wurde durchDB Projektbau zusammen mit denVerfassern eine im Eisenbahnbrücken-bau neuartige Kombination des Netz-werkbogens mit einer schlaff bewehr-ten Fahrbahnplatte aus StahlbetonC 35/45 entworfen (s. Bild 25). DieseBrückenkonstruktion ist sowohl inder Herstellung als auch in der Unter-haltung sehr wirtschaftlich, da sie zu-sätzlich zum effektiven Haupttragwerkdes Netzwerkbogens eine sehr ein-fache Fahrbahnkonstruktion aufweist.Das höhere Eigengewicht der Fahr-bahnplatte wirkt sich vorteilhaft aufdie Vorspannung der Hänger des miteiner Stützweite von 79 m eher an derunteren Grenze des Anwendungs-bereiches liegenden Netzwerkbogensaus. Die 22 Hänger pro Hauptträgerhaben einen Flachstahlquerschnitt120 mm × 40 mm.

Zur definierten Aufnahme deranteiligen Zugkräfte aus Bogenschubsowie zur Vereinfachung einzelnerBauzustände sind in den Bogenebe-

Bild 25. Querschnitt der Eisenbahnüberführung über die B 6 in Halle (Saale)Fig. 25. Cross-section of railway bridge over B 6 in Halle (Saale)

nen stählerne Versteifungsträger an-geordnet. Um eine gleichmäßige Ein-leitung der anteiligen Untergurt-Zug-kräfte in die massive Platte zu gewähr-leisten, wurden steife stählerne End-querträger mit Kastenquerschnitt ge-wählt.

Die Vertikallasten aus der Fahr-bahntafel werden kontinuierlich überhorizontal angeordnete Kopfbolzen-dübel in den Versteifungsträger einge-leitet. Durch die stählernen Verstei-fungsträger wird die Ausführung desüblichen geschweißten Hängeran-schlusses ermöglicht, welcher auchim Rahmen von Bauwerksprüfungeneinfach zugänglich ist. Die Höhe desVersteifungsträgers und der anschlie-ßenden Betonaufkantung wurde sogewählt, dass im oberen Bereich die

Funktion der Schotterhalterung über-nommen wird und unten ein Frei-raum zur Aufnahme der geneigtenLängsentwässerung entsteht. Der un-tere Freiraum bietet auch gute Mög-lichkeiten zum Einsatz einer Scha-lung unter den beengten innerstädti-schen Bedingungen.

Besonderes Augenmerk wurdeauf eine solide und dauerhafte Ab-dichtung der Verbundfuge zwischenBeton und Stahl gelegt. Hierzu wirddie bituminöse Abdichtung auf dermassiven Platte mit einer Konstruk-tion aus Klemmblech und Elastomer-band am Steg des Versteifungsträgersangeschlossen (s. Bild 26). Zum Schutzvor Beschädigungen wird die gesamteKlemmkonstruktion mit Schutzbetonabgedeckt.

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4 Zusammenfassung

Mit dem Netzwerkbogen wurde einlange bekanntes aber über Jahrzehntevergessenes Haupttragsystem im Stra-ßen- und Eisenbahnbrückenbau ak-tuell wieder mehrfach für Entwürfegenutzt, dabei im System und in De-tails optimiert und baulich umgesetzt.Der Brückentyp des Netzwerkbogenszeichnet sich wegen der Schubsteifig-keit seiner Bogenebenen durch sehr

gute statische Eigenschaften aus, diesich auch in seiner Wirtschaftlichkeitausdrücken, und überzeugt weiterhindurch seine Ästhetik aufgrund derdeutlich filigraneren Querschnitte.

Die Verfasser bedanken sich be-sonders bei den Bauherren der inAbschn. 3 angesprochenen Bauwerkefür die vertrauensvolle Zusammen-arbeit und die Unterstützung bei derUmsetzung neuer innovativer Lösun-gen. Neben den wirtschaftlichen Vor-

teilen ist die damit einhergehende Er-höhung der Vielfalt von Tragsystemenim Brückenbau nicht zuletzt auch einwichtiger Beitrag zur Baukultur inDeutschland.

Literatur

[1] Tveit, P.: The Network Arch. An ex-tended Manuscript after Lectures in 43Countries, Agder College Grimstad,Norwegen, 2006.

[2] Stein, P., Wild, H.: Das Bogentrag-werk der Fehmarnsundbrücke. Stahl-bau 34 (1965), S. 171–186.

[3] DIN-Fachbericht 103 – Bemessungvon Stahlbrücken. Berlin: Beuth-Verlag2003, aktuell überarbeitete Ausgabe mitVeröffentlichung in 2008.

[4] TEB Hängeranschluss – Konstruk-tive Empfehlungen und Nachweise zurErmüdungssicherheit von Hängeran-schlüssen, Bundesanstalt für Wasser-bau, 10/2003.

[5] DIN-Fachbericht 104 – Bemessungvon Verbundbrücken. Berlin: Beuth-Verlag 2003.

Autoren dieses Beitrages:Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler, FachgebietMetall- und Leichtbau der TU Berlin, Gustav-Meyer-Allee 25, 13355 BerlinDipl.-Ing. Uwe Steimann, GMG – Ingenieur-gesellschaft Dresden, George-Bähr-Straße 10,01069 DresdenProf. Dr.-Ing. Wolfgang Graße, GMG – Ingenieur-gesellschaft Dresden

Bild 26. Detail – Anschluss bituminöse Abdichtung an VersteifungsträgerFig. 26. Connection of sealing with steel girder

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