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Neue Beobachtungen über die Theorie der Amide

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230 W u r t z : Ueber d i e T h c o r i e

XLI. Neue Beobuchtongen uber die Theorie

der Amide. Von

Ad. W W t X .

(Compt. rend. X X X V I I , 357.)

bls Erwiederung auf die von G e r h a r d t (dies. Journ. LX, p. 144) ausgesprochenen Ansichten iiber die Conslitutioii der Ainide, gebe i d i im Folgenden noch einiga Entwicklungen der Ansichlen meiner Theorie de r Amide (dies. Journ. LX, p. 149). G e r h a r d t d ~ r f t e mir wohl beistimmen, dass sich die Fornieln, die nach mir die Constitution der Amide ausdriicken, und die, welche e r in seinem Prt.'ciu de Chimie gegeben hat, nur entfernt ihnlich sind. Wenn die seinigen, aie cr sagt, rein synoptisch siud, so wird es erlaubt sein, den meinigen eine wirkliche mo- lekfihre Bedeutung beizulegen. Denn diese leiztern reprlsen- tiren nicht nur die Beziehungen der Ableitung dcr Aniide, son- detn zugleich die Natiir iind die Bnordniing der einfachen odcr zusammengesetzlen 3Iolekiile, melclie diese Verhindungen ent- halten. Es wird hinreichen, die von rnir und yon G e r h a r d t aufgestellten Formeln mit einander zu vergleichen. Urn sie ver- gleichbar zu machen , muss ich die G e r h a r d t ' schen Formeln in die gew6hnlichc gezeichnungsweise- iibersetzen :

Formeln von G e r h a r d t.

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der Amide. 231

Es giebt also zwischen unserer Anschauungsweise eben so grosse Verschiedenheiten , als man zwischen den vorstehenden Formeln beobachtet. In einern gegebenen Amid, z. B. Diben- zoylphenylaniid oder Aethyldiacetamid, welche vollstindig analog sind , nelimen nir die Existenz derselben Gruppen, Benzoyl, Phenyl, Aethyl, Acetyl an; nur ordnen wir sie in andrer Weisc. G e rh a r d t liisst diese Amide vom Typus Ammoniak deriviren ; ich liabe es vorgezogen, sie an die Sluren, dernnach an den Typus Wasser anzokniipfen.

Diese Verschiedenheit in unsern Ansichten wiirde nicht ver- dienen, der Gegenstand einer griindlichen Discussion zu werden, weun sic nicht eine Gelegenheit darbUte, iiber einige interessante tlicoretischc Fragen zu verhandeln. Es sei mir daher erlaubt, einige Buobachtungen mitzutheilen , welche die von mir ausgc- sprochenen Ansicliten erllutern iind rechtferligen merden.

Die crate Retrachtung, welche ich liir meine Ansicht Le- nutze, griindet sicli auf das , was ich die Tendenz der Typen zur Slabilitiit nennen merde. Diese Tendenz der complexen Ver- bindungen, ihren Typus zu erhalten, d. 11. die Anordnung ihrer Nolekiile, wird durch das Ganze der unler den) Yamen der Plia?tornene der Subrlitulion bekannten Erscheinungen be- wiesen. HCufig widerstelit die moleliiilare Anordnung einer Ver- bindung einer Heihe von Angriffen, welche das Molekiil selbst unler dem Einflusse verschiedencr Reagentien erleidet. Ich will nur ein Ueispiel anhhren. Die Salpetersiure wirkt auf die Ben- zodsiure, es bildct sic11 NikobenzotsSure, in rvelcher der Typus des ursprtinglichen Molektils unverindert bleibt. Durch Scliwe- Mwasserstoff wird die NitrobenzoCslure verHndert rrnd in Renza- niins&ure urngewandelt , ohne (lass der T y p vedndert miirde. Die Beziehungen, welclie zwischen diesen verscliiedenen Pro- dukten existiren, werden durch fdgende Formeln ausgedriickt :

Benzoestiure. Nitrobcnzoesiinre. BenzaminsPure.

Eben so verlillt es sich, wenn Ammoniak auf die Elemente einer S u r e einwirlrt. Nachdem 2 Molekiile Sauerstoff wegge- nommen worden sind, werden s ie , urn das angegriflene mole- hitlare Gebsude zu erhalten, dutch den Rickstand NH ersetxt.

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Das Gleichgewicht ist alsbald wiederhergestellt und der Typus erhalten.

Die vorstehenden Argumente, denen ich librigens nur einen secandiren Werth heilege, scheinen mir durcli folgendc Be- trachtungen unterstiitzt zu werden , welche sich auf die Eigen- scliaften der van einem Typus abgeleiteten Verbindungen be- ziehen.

Die gemfihnlichsten Thatsachen beweisen, dass die Eigen- schaften der KBrper gleichsam als eine Function der Natiir der Blolekfile iind der molekillaren Gruppen , welche sie cnthalten, iind der Anordnung der Molekile und Gritppen, d. 11. des Typus angesehen werden ki3nnen. Der Einfluss dirspr heiden Elcniente mtiss bei der Uotersuchung der Eigenscliaften beriicksichtigt wcrden. Es wiirrle nilch meiner Ansicht ein Irrthuni sein, den Typus als eine rein mechanische und hinsichtlicli der Eigen- schaften unwirltsame Sache zii betrachten. Eine Verbindung, welche einer Menge andrer zum Typns dient, muss ihnen ein eigenth~mliches, j e nach dem Fallt! mehr oder weniger deut- liches Geprlge gehen. Es ist klar, dass die Eigenschaften aller Sabstanzen, welche wir auf dns Antmoniak oder auf das Amrno- niiimoxydliydrat bezielien , in Allem diese Ableitung, diese Ver- wandtschaft zu erkennen geben missen. lch weiss wohl, dass die Eigenschaften scliwlchcr werden und sich abstumpfen k6n- nen, wenn gcwisse M ~ l e k i l e in das System eintreten. So sollen z. B. 2 Molekiile C202 so krlftige negative EigenschaRen haben, (lass s ie , indem sie den Wasserstoff ersetzen, eine so basische Verbindung, wic Arnrnoniurnoxydliydrat, in eine starke S h e , in Oxaniinsiure vermandeln. Es scheint mir natiirliclier und ge- nauer, zit sagen: die Oxaminsriure ist diircli Substitution verin- dertc Oxalszure, als sie auf Ammoniumoxydhjdrat zu bezielien ; die Benzamins2iire von der EenzoGsaure abzuleilen , die Hippur- siiure auf dieselbe BenzoCsiure zu beziehen, anstalt sie vom Amnioniak abzuleiten , wie e s vor liurzem D e s s n i g n e s ge- than hat.

Wenn die Eigenschaften der Verbindung, welche ols Typus dient. wenig hervortretend s ind, so sieht man leicht ein, dass die Einfiihrung sehr positiver oder selir negativer Molekiile den Derivaten bald basische , bald saure Eigenschaften mittheilen

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muss. So kann das Wasser, eine indifferente Substanz, starken Basen oder starken Siuren zum Typus dienen. Kach dern so eben erljuterten Verhiltniss ist der Einfluss des T y u s auf die sauren odcr basischen Eigenschaften der Derivate des Wassers fast Null.

Aber dieser Fall schliesst diejenigen nicht aus , wo der Einfluss des Typus- ,wkennbar ist. Um meine Idee deullich aiiszudriicken, wird es genfigen, die Fille zii erwlihiien, in denen zwei Kijrper, welclie genau dieselben molekfilaren Gruppen ent- halten, dennoch verschiedene. EigenscliaTteii tesitzeu. Eine der Belracliluiigen , welche mich am riieistcn veranlasslen , die An- sicliten iiber die Conslitution der Aniide auszuspt.echen, ist gerade diese Art von Phiinomenen. Der €larnstoff uiid das Carhamid sind Ktwper, welche nach meinem Dafiirhalten genau dieselben hlolelcitle und dieselben Gruppen erihalteii , und ich erkliire die Verscliiedenheit ihrer Eigenschaften durch die Annahme, dass der Harnstoff ein Ammoniak und das Carbamid ein Amid ist, wie Tolgeade Forrneln zeigen :

Carbamid. N I C i

Harnstoff.

Aehnliche Beziebungen exiutiren, wie ich glaube, zwischen den Verbindungen, welche man Hyrlninide genannt hat und den Alkaloiden, in welche diese Verbindungen sich so leicht um- wandeln .