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62 Donnerstag, 19. November 2009 Nr. 269 MOBIL DIGITAL Neuö Zürcör Zäitung Ein Kaffeeautomat – voll digitali- siert und personalisiert Seite 59 Das Videospiel des Jahres thematisiert den Terrorismus Seite 59 Mit dem FCX Clarity setzt Honda auf die Brennstoffzelle Seite 61 Yamaha Midnight Star – kleiner Cruiser für grosse Reisen Seite 61 Die Billigfluggesellschaften werden immer «gewöhnlicher» Einstieg in das Langstreckengeschäft, Businessklasse, traditionelles Computer-Reservierungssystem Immer mehr verabschieden sich die Billig-Airlines von ihrem einstigen Geschäftsmodell. Be- obachter erwarten einen Konzentrationsprozess wie bei den herkömmlichen Anbietern. Jens Flottau Adel Ali hat neulich eine sonderbare Entdeckung gemacht. Dem Chef der Billigfluggesellschaft Air Arabia und seinen Routenplanern fiel auf, dass sie Umsteigepassagiere im System hatten, von denen sie zuvor gar nichts gewusst hatten. Dieselben Leute, die gerade auf dem Flug von Casablanca nach Istanbul waren, tauchten wenig später auf der V erbindung von Istanbul nach Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emira- ten auf. Die Kunden hatten sich eine V erbindung herausgesucht, die Air Ara- bia eigentlich gar nicht anbietet. Abschied vom Urmodell Der Vorgang verdeutlicht, wie sehr sich die Billigfluggesellschaften – manchmal sogar unfreiwillig – von ihrem einstigen puristischen Modell verabschiedet ha- ben. Einst waren sie mit dem Vorsatz angetreten, alles möglichst einfach ab- zuwickeln und die Kosten niedrig zu halten. Umsteigen, Langstrecken oder Gemeinschaftsflüge gehörten zu den Dingen, die die neuen Anbieter nach der reinen Lehre unter allen Umstän- den vermeiden sollten, um wegen der zusätzlichen Kosten nicht wie ihre eta- blierten Konkurrenten in wirtschaftli- che Schwierigkeiten zu geraten. Mittlerweile gibt es fast nichts mehr, was es nicht gibt: Bei Ryanair müssen die Passagiere zwar extra zahlen, wenn sie am Flughafen (und nicht im Inter- net) einchecken, doch viele andere Fluggesellschaften bieten ihren Kunden kostenlose Getränke, Freigepäck, Viel- fliegerprogramme und Umsteigeverbin- dungen – auch wenn sie sich diese selbst organisieren. Selbst die Langstrecken, auf denen sich die «Lufthansas» der Welt bisher vor ihren Billig-Konkurrenten geschützt fühlen konnten, sind vor ihnen nicht mehr sicher, siehe die malaysische Air Asia X. Wenn man auf Angebote wie Lounges am Boden verzichte, dann seien auf der Langstrecke ähnliche Kos- tenvorteile möglich wie im Kurzstre- ckengeschäft, glaubt Air-Asia-X-Chef Asran Osman Rani. Im Europaverkehr liegen die Kosten von Billig-Airlines je nach Einzelfall zwischen 30 und 50 Pro- zent unter denen ihrer Konkurrenten. Dabei bietet Air Asia X ihren Passagie- ren sogar eine Art Businessclass, wenn sie dafür extra zahlen. Das Unterneh- men fliegt derzeit in Europa nur Lon- don Stansted an, doch will es in den nächsten Jahren auch zu anderen Zielen expandieren. Air Asia X hat jüngst zehn Airbusse A350XWB bestellt, die dann die heutige Flotte vom Typ Airbus A330 ersetzen sollen. Das kreative Chaos bei den Ge- schäftsmodellen dürfte aus unterschied- lichen Gründen fortdauern. In Europa tun sich auch die Billigfluggesellschaf- ten oft bereits schwer, neue Strecken zu finden, auf denen sie noch wachsen kön- nen. Deswegen versuchen sie, über Ge- bühren für zusätzliche Leistungen wie etwa einen Gangplatz mehr Umsatz zu schaffen. Immer mehr lassen ihre Sitze trotz den vergleichsweise hohen Kosten auch von den traditionellen Computer- Reservierungssystemen wie Amadeus vertreiben. Ironie der Geschichte: Da- mit werden sie den alten Fluggesell- schaften wie Lufthansa oder Air France-KLM, die zu schlagen sie ange- treten waren, immer ähnlicher. Zumal diese auch immer kreativer werden beim Versuch, an zusätzliche Einnahmen zu kommen. British Air- ways verlangt nun Extra-Gebühren für aufgegebenes Gepäck. Und wenn man einen bequemeren Platz am Gang re- servieren will, muss man auch ordent- lich dafür in die Tasche greifen. Dass die Geschäftsmodelle sich auf Kurz- und Mittelstreckenflügen tatsächlich im Laufe der nächsten Jahre immer mehr angleichen werden, glaubt Alex Cruz, Chef der spanischen Billigfluggesell- schaft Vueling. Doch gerade der Erfindungsreich- tum bei den Zusatzeinnahmen hat seine Grenzen. Reservierte Sitzplätze, Ge- päckaufgabe und Ähnliches dürften ins- gesamt nicht mehr als 20 Prozent des reinen Ticketpreises ausmachen, sonst würden die Kunden meutern, sagt Fly- Be-Verkaufschef Mike Rutter. Die Un- ternehmen fürchten aber nicht nur die Missgunst ihrer Kunden, wenn sie sie zu sehr schröpfen, sie wollen auch bei der Europäischen Kommission keine schla- fenden Hunde wecken. Diese könnte auf die Idee kommen, diese Zusatzein- nahmen regulieren zu wollen – nichts wollen die Airlines weniger und fordern deswegen eine freiwillige Selbstbe- schränkung. Wieder einmal hat Ryanair-Chef Mi- chael O'Leary dabei den gesamten Rest des Sektors gegen sich aufgebracht – als er nämlich öffentlich diskutieren liess, ob er künftig für die Benutzung der Bordtoilette Gebühren erheben solle und ob Übergewichtige mehr als Schlanke zahlen sollten. O'Leary er- halte zu viel Aufmerksamkeit, findet Rutter. Für die Branche seien solche Sprüche obendrein gefährlich, denn sie schadeten dem Image. Hohe Überkapazitäten Die Billigfluggesellschaften haben in der momentanen Wirtschaftskrise weni- ger stark gelitten als ihre alteingesesse- nen Rivalen wie Lufthansa, British Air- ways oder Air France-KLM. Allerdings haben in Europa alle Anbieter mit Aus- nahme von Easy Jet und Ryanair weni- ger Passagiere transportiert als im Vor- jahr. Zum Teil beruht dies auf freiwilli- gen Entscheidungen. Easy Jet etwa hat das jährliche Wachstumsziel von 15 auf 7,5 Prozent nach unten korrigiert. Nach Ansicht von Firmengründer Stelios Haji-Ioannou leidet der Sektor aber weiterhin unter starken Überkapazitä- ten, weil er mehr Kapital anziehe, als er verdiene. Deswegen würden auch nur wenige schwache Anbieter wie XL Air- ways oder Sky Europe vom Markt ver- schwinden. An einen Konzentrations- prozess ähnlich dem, der bei den klassi- schen Airlines stattgefunden hat, glau- ben indes viele trotzdem. Neue HD-Programme – und kaum einer schaut hin Das hochauflösende Fernsehen hat bis zum Massenmarkt noch viele Hürden zu nehmen Ab Neujahr senden RTL, Pro Sieben, Sat1, Vox und Kabel Eins in HD-Qualität, der Start in der Schweiz ist noch ungewiss. Klar ist erst, dass für den Emp- fang spezielle Hardware nötig ist. Claude Settele Sonntagabend, 1. November, bei RTL läuft «Die Hard 4». Bruce Willis ver- richtet seinen Job wie gewohnt unzim- perlich, doch ungleich viel schärfer als je zuvor. Sein ölverschmiertes Antlitz samt blutigen Schrammen wird dem Zu- schauer dank hochauflösendem Fern- sehen (HD) detailreich und porentief in die Stube serviert. RTL und Vox senden seit Anfang Monat ihre Programme auch in HD, ab Neujahr werden Pro Sie- ben, Sat1 und Kabel Eins folgen. Mali- ziös könnte man sagen, der HD-Start mit «Die Hard» («Stirb langsam») war doppeldeutig. Angesichts der komple- xen, zum Teil ungeklärten und für Kon- sumenten nicht eben leicht verständ- lichen Ausgangslage für den Empfang der privaten HD-Programme ist klar, dass die Verbreitung in Standardauf- lösung nicht so schnell sterben wird. Start in der Schweiz vertagt In der Schweiz werden die fünf Pro- gramme zum Jahresauftakt nicht in der neuen Bildqualität zu empfangen sein. Das soll aber nicht so bleiben. Cable- com wie Bluewin TV bestätigten Ver- handlungen mit den Sendern. Bluewin TV schätzt, dass die Einführung der neuen Sender für ihre zurzeit 186 000 Kunden im ersten Halbjahr 2010 mög- lich sein könnte. Cablecom hat sich be- reits festgelegt, ARD und ZDF zum Start der olympischen Winterspiele im Februar aufzuschalten. Voraussetzung für HD-Programme ist allerdings die Miete einer digitalen Settop-Box, und eine solche steht erst bei 362 000 der 1,55 Millionen Cablecom-Kunden. Die neuen Programme sowie eine mögliche Marktöffnung könnten indes den Um- stieg ins digitale Zeitalter beschleuni- gen. Cablecom überprüft nämlich die vielkritisierte Politik, nur eigene Settop- Boxen zuzulassen. Wie Medienspreche- rin Deborah Bucher auf Anfrage mit- teilt, soll ein Entscheid bereits Anfang 2010 fallen. Auch in Deutschland kann die grosse Mehrzahl der zahlreichen Kabelbetrei- ber die privaten Sender noch nicht an- bieten, zu empfangen sind die Program- me aber via Satellit. Die in Luxemburg domizilierte SES Astra, die in Europa 122 Millionen Satelliten- und Kabel- haushalte bedient, hat auf 1. November ein neues Paket namens HD+ lanciert, das über Satellit (19,2° Ost) verbreitet wird. Mit im Paket sind neben den pri- vaten auch öffentlichrechtliche Sender. Das klingt gut in den Ohren erwartungs- froher Flat-TV-Besitzer, doch diese müssen sich auf neue Bedingungen ein- stellen. Astra bezeichnet sein Paket zwar als Free-TV, doch nach den ersten 12 Monaten wird eine Jahresgebühr von 50 Euro fällig. Folgenschwerer ist der Entscheid der Privatsender, ihre HD- Programme verschlüsselt auszustrahlen. Astra setzt dabei auf das System von Nagravision, einer Tochter der Schwei- zer Kudelski Group. Zur Entschlüsse- lung der Signale braucht es entspre- chende Hardware, und hier wird es kompliziert. Der Empfang ab Satellit setzt einen neuen Tuner voraus, der für HD+ zerti- fiziert ist, sowie eine Smartcard zur Frei- schaltung von HD+. Laut Astra sollen bis Ende Jahr sechs solche Empfänger verfügbar sein. Die mehrere hundert- tausend Besitzer, die bereits einen HD-Satellitentuner gekauft haben, können RTL und Co. vorerst nicht in hoher Auflösung geniessen. Hier muss nachgerüstet werden, wenn es das Gerät überhaupt erlaubt. Man arbeite an einer Lösung, meinte Markus Payer, Medien- sprecher von SES Astra, auf Anfrage. Warten auf TV-Module Eine Alternative zu externen Satelliten- Empfängern bietet die neuste Genera- tion von Fernsehern, die etwa Sony und Samsung im Sortiment haben. Sie sind mit digitalen Tunern (DVB-T, DVB-S, DVB-C) bestückt sowie mit der Schnitt- stelle Common Interface (CI) der zwei- ten Generation. Dieser CI Plus genann- te Standard regelt die Verschlüsselung und erlaubt den Sendern eine bessere Kontrolle bei der Verbreitung. Die in Empfängern und Fernsehern integrierte Schnittstelle schluckt sogenannte CI- Plus-Module, in die unterschiedliche Smartcards für die Freischaltung von Programmen eingesteckt werden kön- nen. Noch gibt es aber solche Module nicht, laut Payer sollen sie im 1. Quartal 2010 verfügbar sein. Dies kann das Schweizer Publikum kühl lassen, denn das Satelliten-Ange- bot HD+ startet vorerst nur im deut- schen Markt. Doch es gibt eine Hinter- tür: Kauft man ennet der Grenze einen Sat-Empfänger mit einer HD+-Smart- card, kann das Signal auch in unseren Breitengraden empfangen werden. Auch Cablecom und Bluewin TV müssen für die Verbreitung der deut- schen Privatsender umrüsten. Entweder sind neue Settop-Boxen mit CI-Plus- Modul nötig oder es braucht eine ge- räteinterne Lösung für die Verarbeitung des verschlüsselten Signals. Viele TV- Fans werden an CI Plus wenig Gefallen finden. Die Technik gibt den Sendern auch neue Optionen in die Hand, die die Freiheiten des TV-Zuschauers ein- schränken. So lässt sich via CI Plus ver- hindern, dass Sendungen auf Festplatte oder DVD aufgezeichnet werden oder bei Werbeblöcken weitergespult wer- den kann. Ungleiche Einschränkungen Stossend ist die Situation, dass TV-Fans je nach Ausrüstung unterschiedlich be- handelt werden. So erklärte Markus Payer gegenüber der NZZ, dass bei Empfängern mit HD+-Zertifikat Auf- zeichnungen und zeitversetztes Fern- sehen (Time-Shift) bis zu 90 Minuten möglich sind, allerdings die Werbung nicht überspult werden kann. Besitzer eines TV mit CI-Plus-Modul hingegen können weder aufzeichnen noch Time- Shift nutzen, was ein herber Rückschritt ist. In Deutschland wird CI Plus daher schon als Verbraucherschreck betitelt. Die Einschränkungen gelten jedoch nicht für öffentlichrechtliche Sender. Da allerdings noch keine Verträge abgeschlossen sind, ist vorerst nicht klar, welche Einschränkungen allenfalls Kunden von Kabelnetzen und Bluewin TV zu erwarten haben. Bei allen offe- nen Fragen ist klar, dass es noch ein Weilchen dauern dürfte, bis das Publi- kum seinen Flat-TV mehrheitlich mit HD-Kost füttern wird. Vielleicht wird es dereinst mit «Die Hard 6» so weit sein. Technisch grosszügig angerichtet – Produktionsfirma TPC zeigt den neuen HDTV-Reportagewagen. ALESSANDRO DELLA BELLA / KEYSTONE

Neue HD-Programme

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HDTV startet durch und kaum einer kann es sehen

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Page 1: Neue HD-Programme

62 Donnerstag, 19. November 2009 � Nr. 269MOBIL �DIGITALNeuö Zürcör Zäitung

Ein Kaffeeautomat – voll digitali-siert und personalisiert Seite 59

Das Videospiel des Jahresthematisiert den Terrorismus Seite 59

Mit dem FCX Clarity setzt Hondaauf die Brennstoffzelle Seite 61

Yamaha Midnight Star – kleinerCruiser für grosse Reisen Seite 61

Die Billigfluggesellschaften werden immer «gewöhnlicher»Einstieg in das Langstreckengeschäft, Businessklasse, traditionelles Computer-Reservierungssystem

Immer mehr verabschieden sichdie Billig-Airlines von ihremeinstigen Geschäftsmodell. Be-obachter erwarten einenKonzentrationsprozess wie beiden herkömmlichen Anbietern.

Jens Flottau

Adel Ali hat neulich eine sonderbareEntdeckung gemacht. Dem Chef derBilligfluggesellschaft Air Arabia undseinen Routenplanern fiel auf, dass sieUmsteigepassagiere im System hatten,von denen sie zuvor gar nichts gewussthatten. Dieselben Leute, die gerade aufdem Flug von Casablanca nach Istanbulwaren, tauchten wenig später auf derVerbindung von Istanbul nach Sharjahin den Vereinigten Arabischen Emira-ten auf. Die Kunden hatten sich eineVerbindung herausgesucht, die Air Ara-bia eigentlich gar nicht anbietet.

Abschied vom UrmodellDer Vorgang verdeutlicht, wie sehr sichdie Billigfluggesellschaften – manchmalsogar unfreiwillig – von ihrem einstigenpuristischen Modell verabschiedet ha-ben. Einst waren sie mit dem Vorsatz

angetreten, alles möglichst einfach ab-zuwickeln und die Kosten niedrig zuhalten. Umsteigen, Langstrecken oderGemeinschaftsflüge gehörten zu denDingen, die die neuen Anbieter nachder reinen Lehre unter allen Umstän-den vermeiden sollten, um wegen derzusätzlichen Kosten nicht wie ihre eta-blierten Konkurrenten in wirtschaftli-che Schwierigkeiten zu geraten.

Mittlerweile gibt es fast nichts mehr,was es nicht gibt: Bei Ryanair müssendie Passagiere zwar extra zahlen, wennsie am Flughafen (und nicht im Inter-net) einchecken, doch viele andereFluggesellschaften bieten ihren Kundenkostenlose Getränke, Freigepäck, Viel-fliegerprogramme und Umsteigeverbin-dungen – auch wenn sie sich diese selbstorganisieren.

Selbst die Langstrecken, auf denensich die «Lufthansas» der Welt bishervor ihren Billig-Konkurrenten geschütztfühlen konnten, sind vor ihnen nichtmehr sicher, siehe die malaysische AirAsia X. Wenn man auf Angebote wieLounges am Boden verzichte, dannseien auf der Langstrecke ähnliche Kos-tenvorteile möglich wie im Kurzstre-ckengeschäft, glaubt Air-Asia-X-ChefAsran Osman Rani. Im Europaverkehrliegen die Kosten von Billig-Airlines jenach Einzelfall zwischen 30 und 50 Pro-

zent unter denen ihrer Konkurrenten.Dabei bietet Air Asia X ihren Passagie-ren sogar eine Art Businessclass, wennsie dafür extra zahlen. Das Unterneh-men fliegt derzeit in Europa nur Lon-don Stansted an, doch will es in dennächsten Jahren auch zu anderen Zielenexpandieren. Air Asia X hat jüngst zehnAirbusse A350XWB bestellt, die danndie heutige Flotte vom Typ Airbus A330ersetzen sollen.

Das kreative Chaos bei den Ge-schäftsmodellen dürfte aus unterschied-lichen Gründen fortdauern. In Europatun sich auch die Billigfluggesellschaf-ten oft bereits schwer, neue Strecken zufinden, auf denen sie noch wachsen kön-nen. Deswegen versuchen sie, über Ge-bühren für zusätzliche Leistungen wieetwa einen Gangplatz mehr Umsatz zuschaffen. Immer mehr lassen ihre Sitzetrotz den vergleichsweise hohen Kostenauch von den traditionellen Computer-Reservierungssystemen wie Amadeusvertreiben. Ironie der Geschichte: Da-mit werden sie den alten Fluggesell-schaften wie Lufthansa oder AirFrance-KLM, die zu schlagen sie ange-treten waren, immer ähnlicher.

Zumal diese auch immer kreativerwerden beim Versuch, an zusätzlicheEinnahmen zu kommen. British Air-ways verlangt nun Extra-Gebühren für

aufgegebenes Gepäck. Und wenn maneinen bequemeren Platz am Gang re-servieren will, muss man auch ordent-lich dafür in die Tasche greifen. Dass dieGeschäftsmodelle sich auf Kurz- undMittelstreckenflügen tatsächlich imLaufe der nächsten Jahre immer mehrangleichen werden, glaubt Alex Cruz,Chef der spanischen Billigfluggesell-schaft Vueling.

Doch gerade der Erfindungsreich-tum bei den Zusatzeinnahmen hat seineGrenzen. Reservierte Sitzplätze, Ge-päckaufgabe und Ähnliches dürften ins-gesamt nicht mehr als 20 Prozent desreinen Ticketpreises ausmachen, sonstwürden die Kunden meutern, sagt Fly-Be-Verkaufschef Mike Rutter. Die Un-ternehmen fürchten aber nicht nur dieMissgunst ihrer Kunden, wenn sie sie zusehr schröpfen, sie wollen auch bei derEuropäischen Kommission keine schla-fenden Hunde wecken. Diese könnteauf die Idee kommen, diese Zusatzein-nahmen regulieren zu wollen – nichtswollen die Airlines weniger und forderndeswegen eine freiwillige Selbstbe-schränkung.

Wieder einmal hat Ryanair-Chef Mi-chael O'Leary dabei den gesamten Restdes Sektors gegen sich aufgebracht – alser nämlich öffentlich diskutieren liess,ob er künftig für die Benutzung der

Bordtoilette Gebühren erheben solleund ob Übergewichtige mehr alsSchlanke zahlen sollten. O'Leary er-halte zu viel Aufmerksamkeit, findetRutter. Für die Branche seien solcheSprüche obendrein gefährlich, denn sieschadeten dem Image.

Hohe ÜberkapazitätenDie Billigfluggesellschaften haben inder momentanen Wirtschaftskrise weni-ger stark gelitten als ihre alteingesesse-nen Rivalen wie Lufthansa, British Air-ways oder Air France-KLM. Allerdingshaben in Europa alle Anbieter mit Aus-nahme von Easy Jet und Ryanair weni-ger Passagiere transportiert als im Vor-jahr. Zum Teil beruht dies auf freiwilli-gen Entscheidungen. Easy Jet etwa hatdas jährliche Wachstumsziel von 15 auf7,5 Prozent nach unten korrigiert. NachAnsicht von Firmengründer SteliosHaji-Ioannou leidet der Sektor aberweiterhin unter starken Überkapazitä-ten, weil er mehr Kapital anziehe, als erverdiene. Deswegen würden auch nurwenige schwache Anbieter wie XL Air-ways oder Sky Europe vom Markt ver-schwinden. An einen Konzentrations-prozess ähnlich dem, der bei den klassi-schen Airlines stattgefunden hat, glau-ben indes viele trotzdem.

Neue HD-Programme – und kaum einer schaut hinDas hochauflösende Fernsehen hat bis zum Massenmarkt noch viele Hürden zu nehmen

Ab Neujahr senden RTL, ProSieben, Sat1, Vox und KabelEins in HD-Qualität, der Start inder Schweiz ist noch ungewiss.Klar ist erst, dass für den Emp-fang spezielle Hardware nötig ist.

Claude Settele

Sonntagabend, 1. November, bei RTLläuft «Die Hard 4». Bruce Willis ver-richtet seinen Job wie gewohnt unzim-perlich, doch ungleich viel schärfer als jezuvor. Sein ölverschmiertes Antlitzsamt blutigen Schrammen wird dem Zu-schauer dank hochauflösendem Fern-sehen (HD) detailreich und porentief indie Stube serviert. RTL und Vox sendenseit Anfang Monat ihre Programmeauch in HD, ab Neujahr werden Pro Sie-ben, Sat1 und Kabel Eins folgen. Mali-ziös könnte man sagen, der HD-Startmit «Die Hard» («Stirb langsam») wardoppeldeutig. Angesichts der komple-xen, zum Teil ungeklärten und für Kon-sumenten nicht eben leicht verständ-lichen Ausgangslage für den Empfangder privaten HD-Programme ist klar,dass die Verbreitung in Standardauf-lösung nicht so schnell sterben wird.

Start in der Schweiz vertagtIn der Schweiz werden die fünf Pro-gramme zum Jahresauftakt nicht in derneuen Bildqualität zu empfangen sein.Das soll aber nicht so bleiben. Cable-com wie Bluewin TV bestätigten Ver-handlungen mit den Sendern. BluewinTV schätzt, dass die Einführung derneuen Sender für ihre zurzeit 186 000Kunden im ersten Halbjahr 2010 mög-lich sein könnte. Cablecom hat sich be-reits festgelegt, ARD und ZDF zumStart der olympischen Winterspiele imFebruar aufzuschalten. Voraussetzungfür HD-Programme ist allerdings dieMiete einer digitalen Settop-Box, undeine solche steht erst bei 362 000 der1,55 Millionen Cablecom-Kunden. Dieneuen Programme sowie eine möglicheMarktöffnung könnten indes den Um-stieg ins digitale Zeitalter beschleuni-gen. Cablecom überprüft nämlich dievielkritisierte Politik, nur eigene Settop-

Boxen zuzulassen. Wie Medienspreche-rin Deborah Bucher auf Anfrage mit-teilt, soll ein Entscheid bereits Anfang2010 fallen.

Auch in Deutschland kann die grosseMehrzahl der zahlreichen Kabelbetrei-ber die privaten Sender noch nicht an-bieten, zu empfangen sind die Program-me aber via Satellit. Die in Luxemburgdomizilierte SES Astra, die in Europa122 Millionen Satelliten- und Kabel-haushalte bedient, hat auf 1. Novemberein neues Paket namens HD+ lanciert,das über Satellit (19,2° Ost) verbreitetwird. Mit im Paket sind neben den pri-vaten auch öffentlichrechtliche Sender.Das klingt gut in den Ohren erwartungs-froher Flat-TV-Besitzer, doch diesemüssen sich auf neue Bedingungen ein-stellen. Astra bezeichnet sein Paketzwar als Free-TV, doch nach den ersten

12 Monaten wird eine Jahresgebühr von50 Euro fällig. Folgenschwerer ist derEntscheid der Privatsender, ihre HD-Programme verschlüsselt auszustrahlen.Astra setzt dabei auf das System vonNagravision, einer Tochter der Schwei-zer Kudelski Group. Zur Entschlüsse-lung der Signale braucht es entspre-chende Hardware, und hier wird eskompliziert.

Der Empfang ab Satellit setzt einenneuen Tuner voraus, der für HD+ zerti-fiziert ist, sowie eine Smartcard zur Frei-schaltung von HD+. Laut Astra sollenbis Ende Jahr sechs solche Empfängerverfügbar sein. Die mehrere hundert-tausend Besitzer, die bereits einenHD-Satellitentuner gekauft haben,können RTL und Co. vorerst nicht inhoher Auflösung geniessen. Hier mussnachgerüstet werden, wenn es das Gerät

überhaupt erlaubt. Man arbeite an einerLösung, meinte Markus Payer, Medien-sprecher von SES Astra, auf Anfrage.

Warten auf TV-ModuleEine Alternative zu externen Satelliten-Empfängern bietet die neuste Genera-tion von Fernsehern, die etwa Sony undSamsung im Sortiment haben. Sie sindmit digitalen Tunern (DVB-T, DVB-S,DVB-C) bestückt sowie mit der Schnitt-stelle Common Interface (CI) der zwei-ten Generation. Dieser CI Plus genann-te Standard regelt die Verschlüsselungund erlaubt den Sendern eine bessereKontrolle bei der Verbreitung. Die inEmpfängern und Fernsehern integrierteSchnittstelle schluckt sogenannte CI-Plus-Module, in die unterschiedlicheSmartcards für die Freischaltung von

Programmen eingesteckt werden kön-nen. Noch gibt es aber solche Modulenicht, laut Payer sollen sie im 1. Quartal2010 verfügbar sein.

Dies kann das Schweizer Publikumkühl lassen, denn das Satelliten-Ange-bot HD+ startet vorerst nur im deut-schen Markt. Doch es gibt eine Hinter-tür: Kauft man ennet der Grenze einenSat-Empfänger mit einer HD+-Smart-card, kann das Signal auch in unserenBreitengraden empfangen werden.

Auch Cablecom und Bluewin TVmüssen für die Verbreitung der deut-schen Privatsender umrüsten. Entwedersind neue Settop-Boxen mit CI-Plus-Modul nötig oder es braucht eine ge-räteinterne Lösung für die Verarbeitungdes verschlüsselten Signals. Viele TV-Fans werden an CI Plus wenig Gefallenfinden. Die Technik gibt den Sendernauch neue Optionen in die Hand, die dieFreiheiten des TV-Zuschauers ein-schränken. So lässt sich via CI Plus ver-hindern, dass Sendungen auf Festplatteoder DVD aufgezeichnet werden oderbei Werbeblöcken weitergespult wer-den kann.

Ungleiche EinschränkungenStossend ist die Situation, dass TV-Fansje nach Ausrüstung unterschiedlich be-handelt werden. So erklärte MarkusPayer gegenüber der NZZ, dass beiEmpfängern mit HD+-Zertifikat Auf-zeichnungen und zeitversetztes Fern-sehen (Time-Shift) bis zu 90 Minutenmöglich sind, allerdings die Werbungnicht überspult werden kann. Besitzereines TV mit CI-Plus-Modul hingegenkönnen weder aufzeichnen noch Time-Shift nutzen, was ein herber Rückschrittist. In Deutschland wird CI Plus daherschon als Verbraucherschreck betitelt.Die Einschränkungen gelten jedochnicht für öffentlichrechtliche Sender.

Da allerdings noch keine Verträgeabgeschlossen sind, ist vorerst nichtklar, welche Einschränkungen allenfallsKunden von Kabelnetzen und BluewinTV zu erwarten haben. Bei allen offe-nen Fragen ist klar, dass es noch einWeilchen dauern dürfte, bis das Publi-kum seinen Flat-TV mehrheitlich mitHD-Kost füttern wird. Vielleicht wird esdereinst mit «Die Hard 6» so weit sein.

Technisch grosszügig angerichtet – Produktionsfirma TPC zeigt den neuen HDTV-Reportagewagen. ALESSANDRO DELLA BELLA / KEYSTONE