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Neue Katalasemodelle mit Thallium<lll)=oxyd als Trager Von ALFONS KRAUSE und M. BLAWACKA~) Inhaltsiibersicht Die Ionen Co++, Ag+, Mn++, Cu+f, A13+ und Pb++ aktivieren in Spurenmengen den Tl,O,-Trager im H,O,-Zerfall und zeigen superadditive Wirkung. Der starkste Aktivator ist Co++, dessen EinfluB bis zu lo-? g Co++ herab, in einer Verdunnung von 1: 1,5 Milliarden, bei 37" noch zu erkennen ist. Summary Trace amounts of Co++, Ag+, Mn++, Cu++, A13+, and Pb++ ions super-additively acti- vate T1,03 which catalyzes the decomposition of H,O,. The strongest influence has cobalt being active down to lo-? g Co++, at a dilution of 1 : 1.5 milliards at 37 "C. Mit den Trager/Ionen-Katalysatoren, die seit etwa zwei Jahrzehnten im hiesigen Institut bearbeitet werden, ka.men die anorganischen Fer- mentmodelle in ein neues Stadium der Entwicklung2). Unter diesen nehmen die Katalasemodelle, d. h. die H,O,-zersetzenden Mehrstoff- katalysatoren dieser Art eine bevorzugte Stellung ein, da unter ihren Vertretern sogar anorganische Superfermente aufgefunden wurden3). Diese iilnertreffen in ihrer Wirkung bei weitem die seinerzeit beruhmten Bredigscheii Einstoff -Permente4) und nicht zuletzt auch gewisse natiir- liche Enzyme von diesem Typus. Ganz hervorragende Dienste beim Aufbau der Trager/Ionen-Iiatalysatoren leisteten vor allem die ampho- teren Hydroxyde und Oxyde sowie auch gefallte Carbonate, die in ihrer Eigenschaft als Trager sich besonders fur den vorliegenden Zweck eigneten Diese TrLger miissen naturlich mit den richtigen Promotor- ionen, die die Funktion einer prosthetischen Gruppe ausuben, zusanimen- gebracht werden, damit auch wirklich aktive TragerIIonen-Katalysa- ~~ l) Vgl. M. BLAWACHA, Dissertation Poznan 1962. 2, Vgl. A. KRAESE in G. M. SCTIWABS Handbuch der Katalyse, I11 Biokatalyse, Wien 1941; Bull. SOC. amis Sci. Poznali, S6r. B 13, 155 (1956); Z. anorg. allg. Chem. 305, 138 (1960). 3, A. KRAUSE u. Mitarb., Roczniki chem [Ann. Soc. chim. Polonorum] 26, 3 (1952); Naturwissenschaften 48, 693 (1961). 4) G. BREDIG, Anorganische Fermente, Leipzig 1901. 21 Z. anorg. a&. Chemie. Bd. 318.

Neue Katalasemodelle mit Thallium(III)-oxyd als Träger

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Neue Katalasemodelle mit Thallium<lll)=oxyd als Trager

Von ALFONS KRAUSE und M. BLAWACKA~)

Inhaltsiibersicht Die Ionen Co++, Ag+, Mn++, Cu+f, A13+ und Pb++ aktivieren in Spurenmengen den

Tl,O,-Trager im H,O,-Zerfall und zeigen superadditive Wirkung. Der starkste Aktivator ist Co++, dessen EinfluB bis zu lo-? g Co++ herab, in einer Verdunnung von 1: 1,5 Milliarden, bei 37" noch zu erkennen ist.

Summary Trace amounts of Co++, Ag+, Mn++, Cu++, A13+, and Pb++ ions super-additively acti-

vate T1,03 which catalyzes the decomposition of H,O,. The strongest influence has cobalt being active down t o lo-? g Co++, a t a dilution of 1 : 1.5 milliards at 37 "C.

Mit den Trager/Ionen-Katalysatoren, die seit etwa zwei Jahrzehnten im hiesigen Institut bearbeitet werden, ka.men die anorganischen Fer- mentmodelle in ein neues Stadium der Entwicklung2). Unter diesen nehmen die Katalasemodelle, d. h. die H,O,-zersetzenden Mehrstoff- katalysatoren dieser Art eine bevorzugte Stellung ein, da unter ihren Vertretern sogar anorganische Superfermente aufgefunden wurden3). Diese iilnertreffen in ihrer Wirkung bei weitem die seinerzeit beruhmten Bredigscheii Einstoff -Permente4) und nicht zuletzt auch gewisse natiir- liche Enzyme von diesem Typus. Ganz hervorragende Dienste beim Aufbau der Trager/Ionen-Iiatalysatoren leisteten vor allem die ampho- teren Hydroxyde und Oxyde sowie auch gefallte Carbonate, die in ihrer Eigenschaft als Trager sich besonders fur den vorliegenden Zweck eigneten Diese TrLger miissen naturlich mit den richtigen Promotor- ionen, die die Funktion einer prosthetischen Gruppe ausuben, zusanimen- gebracht werden, damit auch wirklich aktive TragerIIonen-Katalysa-

~~

l) Vgl. M. BLAWACHA, Dissertation Poznan 1962. 2, Vgl. A. KRAESE in G. M. SCTIWABS Handbuch der Katalyse, I11 Biokatalyse, Wien

1941; Bull. SOC. amis Sci. Poznali, S6r. B 13, 155 (1956); Z. anorg. allg. Chem. 305, 138 (1960).

3, A. KRAUSE u. Mitarb., Roczniki chem [Ann. Soc. chim. Polonorum] 26, 3 (1952); Naturwissenschaften 48, 693 (1961).

4) G. BREDIG, Anorganische Fermente, Leipzig 1901. 21 Z . anorg. a&. Chemie. Bd. 318.

314 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Bend 318. 1962

toren entstehen, deren Wirkung nach Moglichkeit eine superadditive sein sollte. Mitunter ist die Empfindlichkeit der betreffenden Trager gegen gewisse Promotorionen so groB, daB man daraufhin eine genaue Charakterisierung und Identifizierung des eventuell beanstandeten Festkorpers vornehmen kann, was in das Gebiet der Materialpriifung auf Iratalytischer Grundlage gehort SchlieBlich besteht aucb noch die Moglichkeit, daB man die uberaus groSe Alstivitat der Trager/Ionen- Katalysiatoren fur spurenkztalyt,ische Untersuchungen der aufgetragenen Ionen nutzbar macht, die nnter diesen Umstanden bci sehr niedrigen Konzentrationen noch wirksam sein konnen h) , was wiederum fur mikro- analytische Zwecke sich gegebenenfalls auswerten la& '). Unter diesen Umstanden erscheint es lohnend, mijglichst viele Festkorper in ihrer Eigenschaft nls Trager kennenzulernen und katalytisch zu priifen. Eine unserer letzten Untersuchungen betrifft das Thallium(II1)-oxyd, dessen Tragereigenschaften bei der Herstelhang neuer aktiver Katalase- modelle gute Dienste leisteten.

Ergebnisse

Wie aus den Angaben in Tab. 1 hervorgeht, ist das T1,0, schon von sich aus ein ziemlich guter H,O,-zersetzender Kat'alysator. Seine Wirkung ist eine heterogene, da diese mit abnehmender Tl,O,-Menge sich ab- schwacht. Wenn letztere auf 10 mg absinkt, so kommt der H,O,-Zerfall praktisch zum Stillstand. Es ist kein Zufall, dal3 wir gerade diese Menge als Tragermenge fiir den Aufbau der Tl,O,/Ionen-Katalysatoren verwen- deten, da dann die Auswirkungen der aiifgetragenen Promotorionen besonders deutlich hervortreten.

Tabelle 1 H,O,-Zersetzung (150 cm3 0,3proz.) be i 37" an T1,0, (Tr).

Die Zahlenwerte geben den Verbrauch an 0,l n-KMnO, (in om3) fur je 10 em3 Reaktions- losung an

Zeit in Minuten I 0,050 g Tr I 0,030 g Tr I 0,010 g Tr 1 Blindprobe I I I

17,6 17,6 17,O i 17,4 16,7 17,2

5) A. KRAUSE, Chemiker-Ztg., im Druck. g, Vgl. A. KRAUSE, Actes du 11-iBme CongrPs internat. de Catalyse, Paris 1960. 7 ) A. KRAUSE u. Mitarb., Z. analyt. Chem. 187, 350 (1962).

A. KRAUSE 11. M. BLAWACKA, Katalasemodelle mit Thallium(II1)-oxyd als Trager 315

Das fur die Versuche benijtigte Thallium(II1)-oxyd wurde nsch Versetzcn einer Thallium(1)-nitratlosung mit iiberachiissiger Ammoniak- und iiberschiissiger H,O,-Losung (25proz.) bei Raumtemperatur als tief brauner Niederschlag gefallt. Das sorgfaltig ausge- waschene und an der Luft getrocknete Gel enthalt nur 3,5% H,O und kristallisiert im regularen System (D 5,-Mn,03-Typus). Nach rontgenographischem und spektralanalyti- schem Befund hatte das Praparat einen hohen Reinheitsgrad. Nach dem Zerpulvern und Durchsieben durch Nylongase (Porendurchniesser 0,125 mm) wurde es in einer Menge von 10 mg mit einer entsprechenden Salzlosung, beispielsweise MnSO, einer bestimmten Kon- zentration (5 1 mg Mn++) befeuchtet und nach Ablauf yon 15 Minuten mit 150 em3 H,O,-Losung (0,3proz.) bei 37" versetzt. Nach einmaligem, grundlichem Umschwenken la& man das Reaktionsgemischim Wasserthermostaten bei 37" bis zum Abschlul3 der Mes- sungen ruhig stehen. In bestimmten Zeitabstanden sind aus der iiber dem Bodenkorper hefindlichen Losung 10-em3-Proben zu entnehnien, urn die jeweils vorhandene H,O,-Kon- zentration manganometriscb zu ermitteln.

ES zeigt>e sich, da13 die folgenden Ionen, deren Eigenwirkung prak- tisch gleich Null resp. sehr scliwach ist, in Verbindung mit dem T1,0,- Trager sehr aktive, H,O,-zersetzende Katalysatoreii liefern, wobei die Promotorwirkung der betreffenden Ionen sich nach der angegebenen Reihenfolge abschwacht : Co++, Ag+, Mn++, Cu++, AP+, Pb++. Imnierhin ist es auffallig, da13 auch AP-+ zu den Aktivatoren gehht, was ubrigens ziemlich selten vorkommt.6). Als indifferent erwiesen sich Na+, K+, Cs+, Be++, Mg++-, Ni++, UO,++ uiid La3+ sowie.die Anionen C1-, NO;, SO:-, Pe(CN)g- und Fe(CN):-.

Tab. 2 bringt eine Zusammenstellung, die die Wirkung des starkstten Promotorions (Co++) bet.riHt, welche bis zu lo-' g Co++ herab, in einer Verdiinnung voii 1 : 1,5 Milliarden noch zii erkennen ist.

Tahelle 2 H,O,-Zersetzung be i 37" a n 0,01 g Tl,O,-Trager (Tr) + Co++-Ionen

Weiteres wie in Tab. 1

I

Minuten , probe I

Zeitin Blind- ~

Tr + 10-7 g

CO++

Tr + 10-8g

Co++

10-7 g CO++

ohne Tr

0 180 360

K. lO3im Mittel

~

17,G 17,4 17,3

17,6 17,O 1G,7

17,6

0,3 1,7

17,6 16,4 15,9

17,6 16,9 16,7

17,G 17,? 17,1

0,06 O,? 41,8 0,3 (J,P 0,06

Das Verhalten der ubrigen Promotorionen (Ag+, Mn++, Cud-+. A131 , Pb++) ist in Tab. 3 veranschaulicht. Ihre Wirkung an dem Tl,O,-Trager

8 ) Vgl. A. KRAUSE, Roczniki Chem. [Bnn. Soc. chim. Polonorum] 28, 3 (1954).

21*

Zeit T~ Ag+ 1 T~ Mn++ ' T~ Cu++ ~ ~ A13+ 1 T~ in , + A ~ + ohne I + M ~ + + ohne I +cu++ ohne , + ~ p + ohne 1 +pb++

ist durchweg superadditiv, woriiber auch die Geschwindigkeitskonstanten K Auskunft geben, die fur eine Reaktion I. Ordnung berechnet wurden.

Zum Abschlul3 wurde noch ein 3-Ionen!Trager-Katalysator in diese Tlntersuchungen mit einbezogen, der eine weiter verstarkte superaddi- tive Wirkung im Vergleich niit den betreffenden Einioiien/Trager-Kata- lysatoren hatte. Es handelt sich urn den TI,O,/Co+-l-/Ag+/Cu++-Kata- lysator. Man vergleiche hierzu die Tab. 4.

Pb++ ohne

Tabelle 4 Der K a t a l y s a t o r TI,O,/Co+f/Ag+/Cu++ im H,O,-Zerfall bei 37" m i t 0,Ol g T1,0,

(Tr) +- i e LOFg Co++ u n d Ag+ sowie 10-4g Cu++. Weiteres wie in Tab. 1 und 2

I

Tr Tr Tr Zeit

+ Co++ , + Ag' + Cu++ in Tr Min.

I

Tr ' Tr Co++ Co++ + Co+t + ~ o + + + Ag+

+ A:+ ~ + CU+' + A @ ~ + Agf ohne rr 1 ' + cu++ , ohne Tr

Urn deli Mechanismus der katalytischen Fl,O,-Zersetzung an den T1,03/Ionen -Katalysatoren zu entwiclreh, gelit inan am besten von der Voraussetzixng aus, da13 die aktiven Zentren tler Oxydoberflache aus R == TI-Donatorradikalen (Do) mit quasifreien Elektronen und R = T1-0- Rkzeptorradikalen (Ak) mit Elektronenliicken bestehen. Das aufge- tragene Co . resp. Co-tfSOQ verandert, offenbar deli Fehlordnungszu-

A. KRAUSE u. M. BLAWACKA, Katalasemodelle mit Thallium(II1)-oxyd als Trager 317

stand des T1,0, unter Rildung einer ,,unfertigen" Komplexverbindung, die ihr Entstehen dem Umstand verdankt, da13 Do die Eigenschaften eines potentiellen Kations und Ak die eines potentiellen Anions hat. Da der Komplex mit Donatorrndikalen ausgestattet ist, so ist er mog- licherweise als n-fehlgeordnet anzusehen, womit dessen erhohte Aktivitlit im Zusammenhang stehen durftes) :

An den K-Co-Donatorradikalen wird die H,O,-Zersetzung in Gestalt einer Reaktionskette ausgelost (K = Komplex) :

f f f K-CO- + H,O, + K-CO-OH + HO; HO + HZO, + H,O + HO,;

f f HO, + H,O, -+ H,O + 0, + HO usw.

Da im Verlauf dieser Umsetzungen Kobalthydroxyd-haltige Molekeln entstehen (s. obige Gleichungen), so kann es auch an diesen zu einer Zersetzung von H,O,-Molekeln kommen, die an den OH-Wirkgruppen zunachst chemisorbiert und deformiert ,werden, wodurch der H,O,,Zer- fall vorangetrieben wird. Der betreffende Mechanismus wurde an anderer Xtello ausfuhrlicher besprochen lo).

9) Vgl. A. KRAUSE, Z. anorg. allg. Chem. 306, 138 (1960); Z . physik. Chem. NF 30,

10) A. KRAUSE, Z. anorg. allg. Chem. 307, 229 (1961). 233 (1961).

Poznari (Polen), Institut fur anorganische Chemie der Universitiit.

Bei der Redaktion eingegangen am 4.Aprill962.