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U. Müller-Ladner 1, 2  · U. Lange 1, 2 1  Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen 2  Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik GmbH, Bad Nauheim Neue Medikamente in  der Rheumatologie Neue Medikamente gehören zu den wichtigsten Themen jedes Kongres- ses, die Erwartungen sind sowohl unter Ärzten als auch unter Patienten in der Regel groß [21]. Dies gilt insbe- sondere für Erkrankungen oder be- stimmte Erkrankungssituationen, für die bislang keine oder nur wenige therapeutische Optionen bestanden haben. Nach einigen Jahren des Inno- vationsmangels bzw. sehr dürftiger Zahlen zu neu zugelassenenen Me- dikamenten wendet sich derzeit das Blatt hin zu zahlreichen Neuerungen und therapeutischen Möglichkeiten, die in diesem und in den kommenden Jahren die Vielfalt der rheumatologi- schen Therapieformen substanziell bereichern werden [1, 21]. Aufgrund der Variabilität der rheumatologi- schen Erkrankungen sind selbst „ein- fache“ Verbesserungen mit einem hohen Studienaufwand verbunden, so etwa der Nachweis der Wirksam- keit des Tumor-Nekrose-Faktor(TNF)- Hemmers Adalimumab auch bei noch nicht radiologisch sichtbarer ankylo- sierender Spondylitis (sog. M. Bech- terew; [20]). Erst am therapeutischen Horizont sichtbare Strategien wie die Makrophagenhemmung [4] bedürfen z. T. eines kompletten Umdenkens in der Differenzialtherapie. Die nachfol- gende Übersicht soll daher die aktu- ellen Entwicklungen und ihre Konse- quenzen für die Klinik im Detail be- leuchten und somit einen Überblick über die Zukunft der therapeutischen Möglichkeiten in der Rheumatologie geben. Kollagenosen und Vaskulitiden Rituximab bei ANCA-assoziierten  Vaskulitiden Rituximab ist ein gegen das Oberflä- chenmolekül CD20 gerichteter chimä- rer monoklonaler Antikörper, der eine mehrmonatige Depletion CD20-expri- mierender (autoantikörperpräsentieren- der) B-Zellen induziert. Seit 1997 ist Ri- tuximab zur Therapie von Non-Hodgkin- Lymphomen der B-Zell-Reihe zugelassen, aufgrund der Verminderung der Krank- heitsaktivität seit 2006 auch zur Behand- lung von Patienten mit aktiver rheumato- ider Arthritis in Kombination mit Metho- trexat. Aufgrund zweier Schlüsselstudien, der RAVE- sowie der noch laufenden RITU- XIVAS-Studie, die zeigen konnten, dass bei Anti-Neutrophile-zytoplasmatische- Antikörper(ANCA)-assoziierten Vasku- litiden (AAV) die Therapie mit Rituxi- mab einer Therapie mit Cyclophospha- mid und Azathioprin bezüglich der In- duktion einer Remission und auch deren Aufrechterhaltung nicht unterlegen ist [10, 22, 23], wurde Rituximab 2013 in Europa für die Therapie der schweren AAV, ins- besondere der aktiven Granulomatose mit Polyangiitis (früher M. Wegener) bzw. der mikroskopischen Polyangiitis (MPO) zu- gelassen. Die Dosis beträgt 4-mal 375 mg/ m 2 i.v. in wöchentlichen Abständen, dar- auf folgt in der Regel eine 4- bis 6-mona- tige Pause, bevor ein zweiter Zyklus not- wendig werden kann. Alternativ dazu kann ein Remissionserhalt mit Immun- suppressiva wie Azathioprin oder Metho- trexat erfolgen. Rituximab wird in dieser Induktions- situation in erster Linie für junge Patien- ten empfohlen, bei denen Cyclophospha- mid potenziell mit der Fertilität interfe- riert. Daneben profitieren Patienten mit bereits applizierter hoher kumulativer Cy- clophosphamid-Dosis oder einer Kontra- indikation dieses Medikaments von einer Therapie mit Rituximab. Auch Therapie- versager unter Immunsuppression kom- men für diese Biologikatherapie infrage. »   Vor der Gabe von Rituximab  sollte eine latente Tuberkulose  und/oder eine Hepatitis B/C  ausgeschlossen werden Wie bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis ist auch im Rahmen der The- rapie von AAV mit Rituximab stets eine Diagnostik zum Ausschluss einer laten- ten Tuberkulose durchzuführen. Darüber hinaus müssen der Hepatitis-B-, -C- und HIV-Status geklärt, die Serumimmunglo- bulinspiegel überwacht und möglichst al- le Impfungen vor der ersten Gabe durch- geführt worden sein [10]. Eine seltene Nebenwirkung unter Ritu- ximab ist das Auftreten einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) als Reaktivierung einer latenten Infektion mit dem JC-Virus (etwa 1/30.000). Hier ist v. a. die Vorbehandlung mit mehreren Im- munsuppressiva entscheidend für die Ri- sikosteigerung einer PML. Darüber sollte der Patient aufgeklärt werden. Entsprechend den Daten der MAIN- RITSAN-Studie, die auf dem Kongress des American College of Rheumatology (ACR) 2013 vorgestellt wurde, könnte Ri- Schwerpunkt Internist 2014  DOI 10.1007/s00108-013-3417-2 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 1 Der Internist 2014|

Neue Medikamente in der Rheumatologie; New drugs in rheumatology;

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U. Müller-Ladner1, 2 · U. Lange1, 2

1 Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen2 Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik GmbH, Bad Nauheim

Neue Medikamente in der Rheumatologie

Neue Medikamente gehören zu den wichtigsten Themen jedes Kongres-ses, die Erwartungen sind sowohl unter Ärzten als auch unter Patienten in der Regel groß [21]. Dies gilt insbe-sondere für Erkrankungen oder be-stimmte Erkrankungssituationen, für die bislang keine oder nur wenige therapeutische Optionen bestanden haben. Nach einigen Jahren des Inno-vationsmangels bzw. sehr dürftiger Zahlen zu neu zugelassenenen Me-dikamenten wendet sich derzeit das Blatt hin zu zahlreichen Neuerungen und therapeutischen Möglichkeiten, die in diesem und in den kommenden Jahren die Vielfalt der rheumatologi-schen Therapieformen substanziell bereichern werden [1, 21]. Aufgrund der Variabilität der rheumatologi-schen Erkrankungen sind selbst „ein-fache“ Verbesserungen mit einem hohen Studienaufwand verbunden, so etwa der Nachweis der Wirksam-keit des Tumor-Nekrose-Faktor(TNF)-Hemmers Adalimumab auch bei noch nicht radiologisch sichtbarer ankylo-sierender Spondylitis (sog. M. Bech-terew; [20]). Erst am therapeutischen Horizont sichtbare Strategien wie die Makrophagenhemmung [4] bedürfen z. T. eines kompletten Umdenkens in der Differenzialtherapie. Die nachfol-gende Übersicht soll daher die aktu-ellen Entwicklungen und ihre Konse-quenzen für die Klinik im Detail be-leuchten und somit einen Überblick über die Zukunft der therapeutischen Möglichkeiten in der Rheumatologie geben.

Kollagenosen und Vaskulitiden

Rituximab bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden

Rituximab ist ein gegen das Oberflä-chenmolekül CD20 gerichteter chimä-rer monoklonaler Antikörper, der eine mehrmonatige Depletion CD20-expri-mierender (autoantikörperpräsentieren-der) B-Zellen induziert. Seit 1997 ist Ri-tuximab zur Therapie von Non-Hodgkin-Lymphomen der B-Zell-Reihe zugelassen, aufgrund der Verminderung der Krank-heitsaktivität seit 2006 auch zur Behand-lung von Patienten mit aktiver rheumato-ider Arthritis in Kombination mit Metho-trexat.

Aufgrund zweier Schlüsselstudien, der RAVE- sowie der noch laufenden RITU-XIVAS-Studie, die zeigen konnten, dass bei Anti-Neutrophile-zytoplasmatische-Antikörper(ANCA)-assoziierten Vasku-litiden (AAV) die Therapie mit Rituxi-mab einer Therapie mit Cyclophospha-mid und Azathioprin bezüglich der In-duktion einer Remission und auch deren Aufrechterhaltung nicht unterlegen ist [10, 22, 23], wurde Rituximab 2013 in Europa für die Therapie der schweren AAV, ins-besondere der aktiven Granulomatose mit Polyangiitis (früher M. Wegener) bzw. der mikroskopischen Polyangiitis (MPO) zu-gelassen. Die Dosis beträgt 4-mal 375 mg/m2 i.v. in wöchentlichen Abständen, dar-auf folgt in der Regel eine 4- bis 6-mona-tige Pause, bevor ein zweiter Zyklus not-wendig werden kann. Alternativ dazu kann ein Remissionserhalt mit Immun-suppressiva wie Azathioprin oder Metho-trexat erfolgen.

Rituximab wird in dieser Induktions-situation in erster Linie für junge Patien-ten empfohlen, bei denen Cyclophospha-mid potenziell mit der Fertilität interfe-riert. Daneben profitieren Patienten mit bereits applizierter hoher kumulativer Cy-clophosphamid-Dosis oder einer Kontra-indikation dieses Medikaments von einer Therapie mit Rituximab. Auch Therapie-versager unter Immunsuppression kom-men für diese Biologikatherapie infrage.

»  Vor der Gabe von Rituximab sollte eine latente Tuberkulose und/oder eine Hepatitis B/C ausgeschlossen werden

Wie bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis ist auch im Rahmen der The-rapie von AAV mit Rituximab stets eine Diagnostik zum Ausschluss einer laten-ten Tuberkulose durchzuführen. Darüber hinaus müssen der Hepatitis-B-, -C- und HIV-Status geklärt, die Serumimmunglo-bulinspiegel überwacht und möglichst al-le Impfungen vor der ersten Gabe durch-geführt worden sein [10].

Eine seltene Nebenwirkung unter Ritu-ximab ist das Auftreten einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) als Reaktivierung einer latenten Infektion mit dem JC-Virus (etwa 1/30.000). Hier ist v. a. die Vorbehandlung mit mehreren Im-munsuppressiva entscheidend für die Ri-sikosteigerung einer PML. Darüber sollte der Patient aufgeklärt werden.

Entsprechend den Daten der MAIN-RITSAN-Studie, die auf dem Kongress des American College of Rheumatology (ACR) 2013 vorgestellt wurde, könnte Ri-

Schwerpunkt

Internist 2014 DOI 10.1007/s00108-013-3417-2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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tuximab auch für die Erhaltungstherapie wertvoll sein; für diese Indikation liegt al-lerdings noch keine Zulassungsstudie vor [10]. Möglicherweise hat eine niedrige Dosis von Rituximab, z. B. 500 mg i.v. al-le 6 Monate, einen ähnlichen protektiven Langzeiteffekt wie die bisher verwendeten konventionellen Immunsuppressiva.

Atacicept beim systemischen Lupus erythematodes

Im Jahr 2012 wurde Belimumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den B-Lymphozyten-stimulierenden Faktor (BLyS), zur Therapie des aktiven systemi-schen Lupus erythematodes (SLE) zuge-lassen. Derzeit werden in einer Dosierung von 10 mg/kg i.v. alle 4 Wochen die ers-ten Routineerfahrungen gesammelt. Neu wurden erste Daten zu dem zusätzlich auf einen B-Zell-aktivierenden Faktor (AP-RIL) wirkenden Biologikum Atacicept vorgestellt [8]. Atacicept ist ein Fusions-protein mit der Fähigkeit zur Hemmung der beiden B-Zell-aktivierenden Fakto-ren APRIL und BLyS. Daher soll es auch nachhaltig mindestens auf dem gleichen Niveau oder noch intensiver die Aktivie-rung der B-Zellen unterdrücken, die für die Immunantwort bei den Kollagenosen entscheidend ist.

In der auf dem letztjährigen ACR-Kon-gress als Abstract vorgestellten APRIL-SLE-Studie wurde Atacicept in einer Do-sis von 75 oder 150 mg 2-mal wöchentlich s.c. für 4 Wochen, danach in wöchentli-cher Applikation für 48 Wochen unter-sucht. Der primäre Endpunkt war die Zahl an Patienten mit neu aufgetretenen Schüben – gemessen mit den typischen SLE-Scores BILAG A und B während der 1-jährigen Untersuchungszeit. Es zeigte sich, dass gegenüber Placebo bei einer Do-sis von 150 mg Atacicept die SLE-Schub-rate auf unter 50% reduziert wird. Aller-dings konnte eine klinische Wirksam-keit bzw. eine Reduktion der Schübe nur bei Patienten mit erhöhten APRIL-Spie-geln beobachtet werden. Trotz der guten Wirkung wird die Zulassungsphase nicht einfach werden, da 2 Todesfälle (schwere Pneumonien) im Studienarm mit 150 mg Atacicept auftraten, die noch einer Klä-rung bedürfen. Erfreulicherweise zeigte sich in der behandlungsfreien Nachbeob-

achtungszeit eine Normalisierung der zu tief abgefallenen Immunglobulinspiegel. Möglicherweise bietet sich hier ein guter Biomarker für die Steuerung von Ataci-cept in der späteren klinischen Praxis an.

Macitentan bei pulmonaler Hypertonie im Rahmen einer systemischen Sklerose

Aufgrund des Erfolgs einer Antagonisie-rung des sehr starken Vasokonstriktors Endothelin-1 wurde der Endothelinre-zeptorantagonist Bosentan zu Macitentan weiterentwickelt. Ziel war es, die Effekti-vität und Sicherheit von Bosentan weiter zu verbessern. Im Vordergrund standen insbesondere eine verlängerte Rezeptor-bindung und eine verbesserte Gewebepe-netration. Die entsprechenden Studien zu Macitentan legten zwar den Fokus auf die pulmonalarterielle Hypertonie, da aber die systemische Sklerose und verwandte Kollagenosen sehr häufig mit einer pul-monalen Hypertonie einhergehen, ist diese medikamentöse Weiterentwicklung auch für die Rheumatologie mehr als be-deutend [5, 16, 17].

In einer Dosis von 3 bzw. 10 mg pro Tag konnte Macitentan gegenüber Place-bo die Morbidität und Mortalität von Pa-tienten mit pulmonaler Hypertonie signi-fikant senken. Dies galt nicht nur für Pa-tienten, die zuvor kein antihypertensi-ves Medikament erhalten hatten, sondern auch für Patienten die bereits vorbehan-delt waren. Insofern ist zu erwarten, dass auch die Kollagenose-assoziierte pulmo-nale Hypertonie diesem neuen Therapie-prinzip zugänglich sein wird. Besondere neue Nebenwirkungen traten in den Stu-dien nicht auf, insbesondere zeigte sich eine im Vergleich zu Bosentan geringe-re Häufigkeit von Leberwerterhöhungen.

Eine zusätzliche Erweiterung des the-rapeutischen Portfolios wird voraussicht-lich auch Riociguat sein, ein löslicher Guanylatcyclasestimulator [7].

Entzündliche Gelenkerkrankungen

Ustekinumab bei Psoriasisarthritis

Trotz der vielen Verbindungen in der Pa-thophysiologie entzündlicher Haut- und

Gelenkerkrankungen [12] waren doch mehrere klinische Studien vonnöten, um zu zeigen, dass das in der Dermatologie bereits etablierte Therapieprinzip einer Interleukin(IL)-17/IL-23-Hemmung auch bei Gelenkbeteiligung bzw. bei entzünd-lichen Gelenkerkrankungen therapeu-tisch erfolgreich sein kann. Ziel sind hier-bei hauptsächlich CD4-positive Effektor-zellen, die das hochaktive proinflamma-torische Molekül IL-17 produzieren. Die-se Zellen treiben immune Entzündungs-prozesse nicht nur in der Haut, sondern auch bei entzündlichen Darmerkrankun-gen, entzündlichen Erkrankungen des Gehirns, aber auch in den entsprechen-den Tiermodellen der rheumatoiden Ar-thritis an. Da CD4-positive Zellen sehr viel IL-17A produzieren, das über die Ak-tivierung von Makrophagen und Fibro-blasten wesentliche gelenkzerstörende Funktionen ausübt, ist hier eine interes-sante Schnittstelle für innovative Ansät-ze gegeben.

»  Ustekinumab ist für die Therapie der Psoriasisarthritis und rheumatoiden Arthritis zugelassen

Die sog. Th17-Zellen, die bei der Psoria-sis, aber v. a. auch bei der Psoriasisarth-ritis eine Rolle spielen, werden durch das Zytokin IL-23 induziert. Ustekinumab, ein monoklonaler Antikörper gegen die p40-Untereinheit von IL-23, antagonisiert so-wohl IL-12 als auch IL-23 und nachfol-gend die Aktivität der Th17-Zellen. Auch andere Zellen, wie neutrophile Granulo-zyten, Makrophagen, Fibroblasten und Mastzellen, sind aufgrund der Pluripotenz der Th17-Zellen Ziel dieser neuen Biologi-katherapie. Die PSUMMIT-Studie unter-suchte in mehreren Armen die Gabe von 45 bzw. 90 mg Ustekinumab alle 3 Mona-te s.c. [13]. Sie konnte zeigen, dass schon mit 45 mg Ustekinumab doppelt so viele Patienten den Ansprechpunkt ACR 20 er-reichten wie in der Placebogruppe. In der Folge wurde Ustekinumab kürzlich für die Psoriasisarthritis zugelassen. Anzumer-ken ist, dass auch wichtige und schwer zu behandelnde Begleitsymptome dieser Er-krankungen wie Enthesitis und Daktyli-tis auf Ustekinumab ansprachen. Für das

Schwerpunkt

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Nebenwirkungsprofil gilt Ähnliches wie für die anderen Biologika: Eine (vorheri-ge) Sicherstellung des Tuberkuloseschut-zes und die konstante Überwachung von Infektionen gehören auch bei Ustekinu-mab zu den klinischen Notwendigkeiten.

Vice versa konnte inzwischen der be-reits für die rheumatoide Arthritis zuge-lassene TNF-Hemmer Certolizumab pe-gol basierend auf einer entsprechenden Studie an Patienten mit Psoriasisarthritis für diese Erkrankung zugelassen werden. In einer Dosis von 200 mg s.c. alle 2 Wo-chen wurden hier Ansprechraten erreicht, die mit den anderen TNF-Hemmern Ada-limumab, Etanercept, Golimumab und Infliximab vergleichbar sind [14].

Tofacitinib bei rheumatoider Arthritis

Der Hauptschwerpunkt der Forschungs-arbeit liegt auf den Biologika. Die Zulas-sung weiterer praxisnaher Verbesserun-gen ist bereits geschehen oder wird in Kürze erfolgen. Dies gilt etwa für die Ent-wicklung von s.c. applizierten Biologika bei dem i.v. etablierten Kostimulations-hemmer Abatacept [18] und dem IL-6-Rezeptor-Antagonisten Tocilizumab [3]. Es gibt aber auch zahlreiche intrazelluläre Signalwege, deren Hemmung sich in Tier-modellen als sehr effektiv in Bezug auf Entzündung und Gelenkdestruktion er-wies [1]. Eine wichtige intrazelluläre Kina-se ist die Janus-Kinase mit ihren Unterein-heiten Janus-Kinase 1, 2 und 3, insbeson-dere, da mehr als 50 Zytokine über eine Aktivierung der intrazellulären Janus-Ki-nasen wirken und somit ein ideales Ziel für chemische Hemmstoffe zur Anwen-dung bei chronisch-entzündlichen Ge-lenkerkrankungen darstellen.

»  Auch viele intrazelluläre Signalwege bieten sich als therapeutische Angriffspunkte an

In den USA, der Schweiz und einigen weiteren Ländern zugelassen ist Tofaci-tinib, ein Janus-Kinase-Hemmer, der al-le 3 Untereinheiten zu einem bestimm-ten Anteil hemmt. In mehreren Phase-II- und Phase-III-Studien mit insgesamt fast 5000 Patienten konnte für dieses Medika-

ment eine Wirksamkeit sowohl in Mono-therapie als auch in Kombination mit Me-thotrexat oder Biologika nachgewiesen werden [9]. Darüber hinaus verglichen zwei Studien ein Biologikum (hier: Adali-mumab) mit Tofacitinib: ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Subs-tanzen in der Effektivität ließ sich nicht nachweisen.

Trotz einer aus rheumatologischer Sicht adäquaten Nebenwirkungsrate mit kontrollierbaren Infektionen einschließ-lich Tuberkulose und Blutbildverände-rungen konnte sich die europäische Zu-lassungsbehörde EMA bislang nicht für eine Zulassung entscheiden. Da aber wei-tere Kinasehemmer in Entwicklung sind, dürfte es bei entsprechenden klinischen

Erfolgen in anderen Ländern nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Medikamen-tengruppe auch in die Rheumatologie Einzug hält. Ein Vorteil gegenüber Biolo-gika ist, wie bei allen anderen chemischen Substanzen, die orale Gabe, bei Tofacini-tib in einer Dosierung von 2-mal 5 mg bis 2-mal 10 mg pro Tag.

„Biosimilars“ für die rheumatoide Arthritis

Wie chemische Substanzen verlieren auch die biologischen Wirkstoffe nach einer ge-wissen Zeit den Patentschutz. Daher war vorauszusehen, dass auch bei den Biologi-ka angesichts ihres Erfolgs in Klinik und Praxis „generische Nachbauten“ folgen

Zusammenfassung · Abstract

Internist 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]   DOI 10.1007/s00108-013-3417-2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

U. Müller-Ladner · U. Lange

Neue Medikamente in der Rheumatologie

ZusammenfassungAufgrund der Möglichkeit, über Registrie-rungsdatenbanken wie clinicaltrials.gov den Beginn und Verlauf einer Studie bis hin zur Zulassung jederzeit live verfolgen zu können, sind echte Überraschungsmomente bezüg-lich neuer Medikamente oder Indikations-erweiterungen heutzutage selten. Dennoch ist die Einführung neuer therapeutischer Stra-tegien für Krankheitsbilder der Rheumato-logie und klinischen Immunologie höchst schwierig, da diese meist variabel und oft selten sind. Dies gilt auch für die erste Pha-se nach Zulassung, da die strengen Ein- und Ausschlusskriterien bei Studien in der Re-gel nur einen Teil der späteren Applikations-population abbilden können. Umso erfreu-licher ist es, dass in diesem Jahr für fast al-

le Hauptgruppen rheumatologischer Erkran-kungen neue Therapeutika verfügbar sind oder kurz vor der Zulassung stehen. Neben vielen anderen gehören hierzu beispielswei-se Rituximab für die ANCA-assoziierten Vas-kulitiden, Ustekinumab für die Psoriasisarth-ritis oder Interleukin-1-Hemmer zur Thera-pie der komplizierten Gicht, wobei die kom-menden Entwicklungen schon in Sichtwei-te sind, so etwa eine große Gruppe intrazellu-lärer Kinase- oder extrazellulärer Makropha-genhemmer.

SchlüsselwörterBiologika · „Small molecules“ · Rituximab ·  Ustekinumab · Interleukin-1-Inhibitoren

New drugs in rheumatology

AbstractBecause the development of a novel drug or therapeutic strategy can be monitored using the respective databases such as clinicaltrials.gov, true surprises in the field of therapeutic advances have become a very rare event. On the other hand, owing to the common vari-ability of the individual entities and the large number of rare diseases within rheumatology and clinical immunology, introducing a nov-el drug is a very challenging task. This prob-lem also applies specifically to the first phase after approval, as the usually strict in- and ex-clusion criteria of a clinical trial only match a small portion of the population with the tar-

get disease. Therefore, the numerous nov-el treatments that have been or are about to be introduced into clinical rheumatolo-gy are more than welcome. Key examples are rituximab for ANCA-associated vasculiti-des, ustekinumab for psoriatic arthritis, or in-terleukin-1 inhibitors for complicated gout—with more to come including a large group of intracellular kinase or extracellular macro-phage inhibitors.

KeywordsBiologicals · Small molecules · Rituximab ·  Ustekinumab · Interleukin-1 inhibitors

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Schwerpunkt

würden. Obwohl auch die sog. „biosimi-lars“ deutlich höhere Kosten in Entwick-lung und Produktion nach sich ziehen als die Ursprungssubstanzen, ist der Druck auf die Medikamentenentwicklung doch groß, da sich viele Staaten die teuren bio-logischen Wirkstoffe nicht für alle Patien-ten leisten können.

Die Herstellung der „generic biologics“ ist allerdings sehr viel komplexer als die der klassischen Generika, da das Know-how zur Synthese dieser komplexen Mo-leküle und die Produktionskapazitäten trotzdem sehr aufwendig sind. Wichtig ist, dass „biosimilars“ bei der Zulassung einen Korridor zahlreicher pharmakody-namischer und -kinetischer Eigenschaf-ten im Vergleich zu den Referenzbiologi-ka weder unter- noch überschreiten dür-fen. Die Zulassung nimmt daher ebenfalls mehrere Jahre in Anspruch.

Die beiden ersten Medikamente in der Rheumatologie, die außerhalb Deutsch-lands bereits eingesetzt werden, sind „Bio-similars“ des TNF-Hemmers Infliximab (CT-P13) und des B-Zell-Hemmers Ritu-ximab (CT-P10). Für ersteres liegen inzwi-schen publizierte Phase-III-Studienergeb-nisse vor [15, 24], in denen zwei chronisch-entzündliche Gelenkerkrankungen unter-sucht wurden, die rheumatoide Arthritis (PLANETRA-Studie) und die ankylosie-rende Spondylitis (PLANETAS-Studie). In beiden Studien konnte eine entspre-chende Wirksamkeit bzw. Nichtunterle-genheit gegenüber dem „Ursprungsmo-lekül“ Infliximab nachgewiesen werden. Auf Basis dieser Daten hat die europäische Zulassungsbehörde im Juni 2013 CT-P13 positiv bewertet, und zwar für alle Indi-kationen, für die auch Infliximab zugelas-sen ist, d. h. rheumatoide Arthritis, anky-losierende Spondylitis, Arthritis psoria-tica, Morbus Crohn und Colitis ulcero-sa. Sollte die europäische Zulassungsbe-hörde diesen Weg weitergehen, dürfte in Kürze die Zulassung dieser Medikamen-te erfolgen. Das Nebenwirkungsprofil ist mit anderen TNF-Hemmern vergleichbar, insbesondere mit Infliximab.

Interleukin-1-Hemmer bei Gicht

Neben der erfolgreichen Einführung des Xanthinoxidasehemmers Febuxostat als nebenwirkungsärmere Alternative zu Al-

lopurinol [6] wurde das Wissen, dass in-trazellulär aufgenommene Harnsäure-kristalle das Inflammasom in Neutro-philen zur Synthese von stark proinflam-matorisch wirkendem IL-1 anregen kön-nen, zur Testung einer IL-1-Hemmung bei komplizierter Gicht genutzt. Aus der Gruppe der verfügbaren IL-1-Hemmer ist inzwischen Canakinumab [11], ein mono-klonaler Anti-Interleukin-1β-Antikörper, zur Therapie in diesen kritischen Situa-tionen zugelassen. Die 1-malige Gabe von 150 mg Canakinumab s.c. führte in den entsprechenden klinischen Studien in die-ser Patientenpopulation zu einer Verbes-serung der Schübe [19]. Vergleichbare An-sätze gibt es auch für den IL-1-Rezeptor-Antagonisten Anakinra und den löslichen IL-1-Rezeptor Rilonacept.

Daneben werden noch weitere Strate-gien zur Therapie der Gicht verfolgt, u. a. Urattransporter(URAT)-1-Hemmer, die die renale Harnsäureausscheidung stei-gern (Lesinurad), oder die rekombinante Urikase Pegloticase [2], die Harnsäure di-rekt metabolisieren kann. Ziel dieser Ent-wicklungen ist nicht nur die Reduktion der Zahl und Schwere von Gichtanfällen, sondern insbesondere auch die langfristi-ge Senkung der kardiovaskulären Morbi-dität, da die Gicht (über chronisch gestei-gerte IL-1-Spiegel) inzwischen als wichti-ger kardiovaskulärer Risikofaktor gilt.

Fazit für die Praxis

FJedes der im Artikel beschriebenen neuen Medikamente muss seine Wirk-samkeit und Sicherheit in der klini-schen Praxis aufgrund der hohen Va-riabilität der rheumatischen Erkran-kungen und der meist multimodalen Therapie immer wieder neu unter Be-weis stellen.

FAktuell bereits in der Klinik einsetz-bare Neuentwicklungen sind der An-ti-CD20-Antikörper Rituximab für AN-CA-assoziierte Vaskulitiden, der An-ti-IL12/23-Antikörper Ustekinumab für die Psoriasisarthritis und der Anti-IL-1-Antikörper Canakinumab für schwere Verlaufsformen der Gicht.

FIn Kürze erwartet werden Zulassun-gen für CT-P13, ein „biosimilar“ von Infliximab, den Endothelin-Rezep-tor-Antagonisten Macitentan zur Be-

handlung der Kollagenose-assoziier-ten pulmonalen Hypertonie sowie die s.c.-Applikation von Tocilizumab.

FNoch einige Hürden zu überwinden haben Atacicept als Hemmer des B-Zell-Stimulators APRIL für den syste-mischen Lupus erythematodes, der Janus-Kinase-Hemmer Tofacitinib für die rheumatoide Arthritis sowie Lesu-rinad und Pegloticase zur Harnsäure-senkung bei der Gicht.

FNeu auftretende Nebenwirkungen und ungewöhnliche Symptome soll-ten immer ernst genommen und gemeldet werden – dies nicht, um einem (neu) zugelassenen Medika-ment zu schaden oder einen Rote-Hand-Brief zu initiieren, sondern um den Umgang mit dem Medikament langfristig transparenter und sicherer zu machen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. U. Müller-LadnerAbteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik GmbHBenekestr. 2–8,  61231 Bad Nauheimrheumatologie@kerckhoff- klinik.de

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  U. Müller-Ladner und U. Lange haben Vortragshonorare für Beiträge bei wissenschaft-lichen Veranstaltungen zu den im Manuskript genann-ten Biologika erhalten. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Alten R (2013) Intrazelluläre Therapeutika: Aktuelle Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit. Z Rheuma-tol 72:867–872

  2.  Becker MA, Baraf HS, Yood RA et al (2013) Long-term safety of pegloticase in chronic gout refrac-tory to conventional treatment. Ann Rheum Dis 72:1469–1474

  3.  Burmester GR, Rubbert-Roth A, Cantagrel A et al (2014) A randomised, double-blind, parallel-group study of the safety and efficacy of subcutaneous tocilizumab versus intravenous tocilizumab in combination with traditional disease-modifying antirheumatic drugs in patients with moderate to severe rheumatoid arthritis (SUMMACTA study). Ann Rheum Dis 73:69–74

4 |  Der Internist 2014

  4.  Burmester GR, Weinblatt ME, McInnes IB et al (2013) Efficacy and safety of mavrilimumab in sub-jects with rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 72:1445–1452

  5.  Corallo C, Pecetti G, Iglarz M et al (2013) Maciten-tan slows down the dermal fibrotic process in sys-temic sclerosis: in vitro findings. J Biol Regul Ho-meost Agents 27:455–462

  6.  Crittenden DB, Pillinger MH (2013) New therapies for gout. Annu Rev Med 64:325–337

  7.  Ghofrani HA, Galiè N, Grimminger F et al (2013) Riociguat for the treatment of pulmonary arterial hypertension. N Engl J Med 369:330–340

  8.  Ginzler EM, Wax S, Rajeswaran A et al (2012) Ataci-cept in combination with MMF and corticosteroids in lupus nephritis: results of a prematurely termin-ated trial. Arthritis Res Ther 14:R33

  9.  He Y, Wong AY, Chan EW et al (2013) Efficacy and safety of tofacitinib in the treatment of rheumato-id arthritis: a systematic review and meta-analysis. BMC Musculoskelet Disord 14:298

10.  Holle JU (2013) ANCA-assoziierte Vaskulitis. Z Rheumatol 72:445–456

11.  Lyseng-Williamson KA (2013) Canakinumab: a gui-de to its use in acute gouty arthritis flares. Bio-Drugs 27:401–406

12.  Märker-Hermann E (2013) Therapie der Psoriasisar-thritis. Z Rheumatol 72:784–790

13.  McInnes IB, Kavanaugh A, Gottlieb AB et al (2013) Efficacy and safety of ustekinumab in patients with active psoriatic arthritis: 1 year results of the phase 3, multicentre, double-blind, placebo-con-trolled PSUMMIT 1 trial. Lancet 382:780–789

14.  Mease PJ, Fleischmann R, Deodhar AA et al (2014) Effect of certolizumab pegol on signs and sym-ptoms in patients with psoriatic arthritis: 24-week results of a Phase 3 double-blind randomised pla-cebo-controlled study (RAPID-PsA). Ann Rheum Dis 73:48–55

15.  Park W, Hrycaj P, Jeka S et al (2013) A randomised, double-blind, multicentre, parallel-group, pro-spective study comparing the pharmacokinetics, safety, and efficacy of CT-P13 and innovator infli-ximab in patients with ankylosing spondylitis: the PLANETAS study. Ann Rheum Dis 72:1605–1612

16.  Pulido T, Adzerikho I, Channick RN et al (2013) Ma-citentan and morbidity and mortality in pulmo-nary arterial hypertension. N Engl J Med 369:809–818

17.  Raghu G, Million-Rousseau R, Morganti A et al (2013) Macitentan for the treatment of idiopat-hic pulmonary fibrosis: the randomised controlled MUSIC trial. Eur Respir J 42:1622–1632

18.  Schiff M, Weinblatt ME, Valente R et al (2014) Head-to-head comparison of subcutaneous abata-cept versus adalimumab for rheumatoid arthritis: two-year efficacy and safety findings from AMPLE trial. Ann Rheum Dis 73:86–94

19.  Schlesinger N, Alten RE, Bardin T et al (2012) Cana-kinumab for acute gouty arthritis in patients with limited treatment options: results from two ran-domised, multicentre, active-controlled, double-blind trials and their initial extensions. Ann Rheum Dis 71:1839–1848

20.  Sieper J, Heijde D van der, Dougados M et al (2013) Efficacy and safety of adalimumab in patients with non-radiographic axial spondyloarthritis: results of a randomised placebo-controlled trial (ABILITY-1). Ann Rheum Dis 72:815–822

21.  Smolen JS, Landewé R, Breedveld FC et al (2014) EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2013 up-date. Ann Rheum Dis 73:492–509

22.  Specks U, Merkel PA, Seo P et al (2013) Efficacy of remission-induction regimens for ANCA-associa-ted vasculitis. N Engl J Med 369:417–427

23.  Stone JH, Merkel PA, Spiera R et al (2013) Rituxi-mab versus cyclophosphamide for ANCA-associa-ted vasculitis. N Engl J Med 363:221–232

24.  Yoo DH, Hrycaj P, Miranda P et al (2013) A rando-mised, double-blind, parallel-group study to de-monstrate equivalence in efficacy and safety of CT-P13 compared with innovator infliximab when coadministered with methotrexate in patients with active rheumatoid arthritis: the PLANETRA study. Ann Rheum Dis 72:1613–1620

5Der Internist 2014  |