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AKTUELLE MEDIZIN Große Therapiestudien Neue Optionen zur RLS-Therapie Opioide sind eine gute Alternative zu Dopaminergika bei schwer behandel- barem Restless-legs-Syndrom (RLS). Und auch Pregabalin könnte für einige der Betroffenen interessant sein: Damit kommt es nur selten zur Augmentation. - Obwohl Opioide schon lange zur RLS- erapie verwendet werden, lagen bis- lang kaum gute evidenzbasierte Daten zu ihrem Nutzen vor. Diese Lücke konnte ein Team um die RLS-Spezialistin Prof. Claudia Trenkwalder von der Paracelsus- Elena-Klinik in Kassel mit einer europa- weiten Multicenterstudie schließen [ 1 ]. Über 40% erreichten eine Remission Teilnehmer waren 306 Patienten, bei de- nen die vorhergehende erapie – meist mit Dopaminergika – zu keinem befrie- digenden Ergebnis geführt hatte. Alle Pa- tienten litten unter schwerem RLS mit im Schnitt 28 Punkten auf der Internationa- len RLS-Skala (IRLS, maximal 40 Punk- te). Nach Absetzen der bisherigen Medi- kation erhielten sie drei Monate lang zweimal täglich ein Oxycodon/Naloxon- Retardpräparat (maximal 40/20 mg) oder Placebo. Danach wurde die Studie für neun weitere Monate offen fortgeführt, und alle Patienten erhielten die Opioide. Nach zwölf Wochen war der IRLS- Wert unter Opioiden auf 12,4 Punkte ge- sunken, mit Placebo nur auf 18 Punkte. Der Rückgang um 16,6 vs. 9,4 Punkte war statistisch hoch signifikant. Die Opi- oidtherapie hatten 13% der Patienten we- gen unerwünschter Wirkungen abgebro- chen, die Placebobehandlung 7%. Umge- kehrt brachen 7% der Patienten mit dem Opioid die erapie wegen mangelnder Wirksamkeit ab, mit Placebo fast dreimal so viele. Insgesamt hatte nach zwölf Wo- chen etwa die Hälſte der Patienten auf die Opioide angesprochen (mindestens 50%-Reduktion des IRLS-Wertes), aber nur etwa ein Drittel auf Placebo. Bei den Remissionsraten war der Unterschied mit 42 vs. 19% noch deutlicher. Opioidtherapie „auf solide Basis gestellt“ An der offenen Phase nahmen noch knapp 200 Patienten teil. Unter der Oxy- codon-erapie näherten sich die IRLS- Werte rasch an. Zum Studienende lagen sie bei etwa 10 Punkten, was einem leich- ten RLS entspricht. Signifikante Verbes- serungen gab es auch bei der Lebensqua- lität, der Schlafqualität und -dauer sowie beim klinischen Gesamteindruck. Unter Oxycodon zeigten sich ver- mehrt typische Opioidnebenwirkungen: So klagten knapp 30% der Patienten über Fatigue und 20% über Obstipation, in der Placebogruppe waren es mit 13 und 5% deutlich weniger. Augmentati- onssymptome wie früherer Beschwerde- beginn, verkürzte Wirkdauer, Zunahme der RLS-Symptome oder Ausbreitung auf andere Körperregionen wurden un- ter der Opioidtherapie nicht beobachtet. „Mit der neuen Studie wird die era- pie mit einem Opioid auf eine solide Ba- sis gestellt“, so Trenkwalder [2]. In einem Kommentar bemerkt der US-Neurologe Prof. Arthur S. Walters (Vanderbilt Uni- versity School of Medicine), dass die hier erzielte Besserung größer sei als mit den meisten zugelassenen RLS-Arzneien [3]. Seit Kurzem ist mit Targin® erstmals ein Oxycodon/Naloxon zur RLS-erapie zugelassen. Indiziert ist das Kombi-Re- tardpräparat zur Second-Line-erapie bei schweren bis sehr schweren idiopa- thischem RLS nach Versagen der dopa- minergen erapie. Alternative zu Dopaminergika Als Alternative zu Dopaminergika könn- te sich auch Pregabalin erweisen [ 4]. In ei- ner Vergleichsstudie erhielten knapp 720 Patienten entweder Pregabalin (300 mg/d), Pramipexol (0,25–0,5 mg/d) oder Placebo. Mit Pregabalin fiel der IRLS-Wert inner- t t halb von zwölf Wochen von 22 auf 11 Punkte, mit Placebo auf 15,5 und unter Pramipexol (hoch dosiert) auf 12 Punkte. Zur Augmentation kam es nach einem Jahr bei fünf Patienten (2,1%) unter Pre- gabalin, bei zwölf (5,3%) mit niedrig do- siertem und bei 18 (7,7%) mit hoch dosier- tem Dopaminagonisten. Allerdings war die Abbruchrate unter Pregabalin mit 28% relativ hoch. 18% waren es mit nied- rig und 24% mit hoch dosiertem Prami- pexol. Hauptgründe für den erapieab- bruch unter Pregabalin waren Benom- menheit, Schläfrigkeit und Fatigue. Pre- gabalin ist zur RLS-erapie bislang nicht zugelassen. Thomas Müller 1. Trenkwalder C et al. Lancet Neurol 2013; 12:114150. 2. Pressemitteilung DGN http://www.dgn.org/images/stories/dgn/pdf/ / / 2013/131218_PM_DGN_Opiode_bei_RLS_final.pdf 3. Walters AS. Lancet Neurol. 2012; 12:11289. 4. Allen RP. N Engl J Med 2014; 370:621–631 © bramgino / fotolia.com Kribbelige Beine – unruhige Nächte. 28 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (13)

Neue Optionen zur RLS-Therapie

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AKTUELLE MEDIZIN

Große Therapiestudien

Neue Optionen zur RLS-TherapieOpioide sind eine gute Alternative zu Dopaminergika bei schwer behandel-barem Restless-legs-Syndrom (RLS). Und auch Pregabalin könnte für einige der Betro� enen interessant sein: Damit kommt es nur selten zur Augmentation.

−Obwohl Opioide schon lange zur RLS-� erapie verwendet werden, lagen bis-lang kaum gute evidenzbasierte Daten zu ihrem Nutzen vor. Diese Lücke konnte ein Team um die RLS-Spezialistin Prof.Claudia Trenkwalder von der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel mit einer europa-weiten Multicenterstudie schließen [1].

Über 40% erreichten eine RemissionTeilnehmer waren 306 Patienten, bei de-nen die vorhergehende � erapie – meist mit Dopaminergika – zu keinem befrie-digenden Ergebnis geführt hatte. Alle Pa-tienten litten unter schwerem RLS mit im Schnitt 28 Punkten auf der Internationa-len RLS-Skala (IRLS, maximal 40 Punk-te). Nach Absetzen der bisherigen Medi-kation erhielten sie drei Monate lang zweimal täglich ein Oxycodon/Naloxon-Retardpräparat (maximal 40/20 mg) oder Placebo. Danach wurde die Studie für neun weitere Monate o� en fortgeführt, und alle Patienten erhielten die Opioide.

Nach zwölf Wochen war der IRLS-Wert unter Opioiden auf 12,4 Punkte ge-sunken, mit Placebo nur auf 18 Punkte. Der Rückgang um 16,6 vs. 9,4 Punkte war statistisch hoch signi� kant. Die Opi-oidtherapie hatten 13% der Patienten we-

gen unerwünschter Wirkungen abgebro-chen, die Placebobehandlung 7%. Umge-kehrt brachen 7% der Patienten mit dem Opioid die � erapie wegen mangelnder Wirksamkeit ab, mit Placebo fast dreimal so viele. Insgesamt hatte nach zwölf Wo-chen etwa die Häl� e der Patienten auf die Opioide angesprochen (mindestens 50%-Reduktion des IRLS-Wertes), aber nur etwa ein Drittel auf Placebo. Bei den Remissionsraten war der Unterschied mit 42 vs. 19% noch deutlicher.

Opioidtherapie „auf solide Basis gestellt“An der o� enen Phase nahmen noch knapp 200 Patienten teil. Unter der Oxy-codon-� erapie näherten sich die IRLS-Werte rasch an. Zum Studienende lagen sie bei etwa 10 Punkten, was einem leich-ten RLS entspricht. Signi� kante Verbes-serungen gab es auch bei der Lebensqua-lität, der Schlafqualität und -dauer sowie beim klinischen Gesamteindruck.

Unter Oxycodon zeigten sich ver-mehrt typische Opioidnebenwirkungen: So klagten knapp 30% der Patienten über Fatigue und 20% über Obstipation, in der Placebogruppe waren es mit 13 und 5% deutlich weniger. Augmentati-

onssymptome wie früherer Beschwerde-beginn, verkürzte Wirkdauer, Zunahme der RLS-Symptome oder Ausbreitung auf andere Körperregionen wurden un-ter der Opioidtherapie nicht beobachtet.

„Mit der neuen Studie wird die � era-pie mit einem Opioid auf eine solide Ba-sis gestellt“, so Trenkwalder [2]. In einem Kommentar bemerkt der US-Neurologe Prof. Arthur S. Walters (Vanderbilt Uni-versity School of Medicine), dass die hier erzielte Besserung größer sei als mit den meisten zugelassenen RLS-Arzneien [3]. Seit Kurzem ist mit Targin® erstmals ein Oxycodon/Naloxon zur RLS-� erapie zugelassen. Indiziert ist das Kombi-Re-tardpräparat zur Second-Line-� erapie bei schweren bis sehr schweren idiopa-thischem RLS nach Versagen der dopa-minergen � erapie.

Alternative zu DopaminergikaAls Alternative zu Dopaminergika könn-te sich auch Pregabalin erweisen [4]. In ei-ner Vergleichsstudie erhielten knapp 720 Patienten entweder Pregabalin (300 mg/d), Pramipexol (0,25–0,5 mg/d) oder Placebo. Mit Pregabalin � el der IRLS-Wert inner-der IRLS-Wert inner-der IRLS-Werthalb von zwölf Wochen von 22 auf 11 Punkte, mit Placebo auf 15,5 und unter Pramipexol (hoch dosiert) auf 12 Punkte.

Zur Augmentation kam es nach einem Jahr bei fünf Patienten (2,1%) unter Pre-gabalin, bei zwölf (5,3%) mit niedrig do-siertem und bei 18 (7,7%) mit hoch dosier-tem Dopaminagonisten. Allerdings war die Abbruchrate unter Pregabalin mit 28% relativ hoch. 18% waren es mit nied-rig und 24% mit hoch dosiertem Prami-pexol. Hauptgründe für den � erapieab-bruch unter Pregabalin waren Benom-menheit, Schläfrigkeit und Fatigue. Pre-gabalin ist zur RLS-� erapie bislang nicht zugelassen. Thomas Müller ■

■ 1. Trenkwalder C et al. Lancet Neurol 2013; 12:1141–50.2. Pressemitteilung DGN

http://www.dgn.org/images/stories/dgn/pdf/http://www.dgn.org/images/stories/dgn/pdf/http://www.dgn.org/images/stories/dgn/2013/131218_PM_DGN_Opiode_bei_RLS_� nal.pdf

3. Walters AS. Lancet Neurol. 2012; 12:1128–9.4. Allen RP. N Engl J Med 2014; 370:621–631

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Kribbelige Beine – unruhige Nächte.Kribbelige Beine – unruhige Nächte.

28 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (13)