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1 Andreas Luh Neuer Sport? Neuer Schulsport? Neue Studiengänge? Auf der Suche nach einem zeitgemäßen universitären Ver- mittlungskonzept „Rückschlag-Sportspiele/Badminton“ 1 Problemstellung und Zielsetzung Sportstudierende haben in kurzer Zeit einen schwierigen Rollenwechsel vor- zunehmen, und zwar vom Schulsport-Teilnehmer, Sportvereins-Mitglied, Fitnessstudio-Besucher, Joggingtreff-Mitläufer u. a. 1 zum Schulsport-Lehrer, Sport-Trainer, Sport-Organisator, Sport-Arrangeur u. a. Das Sportstudium hat diesen Rollenwechsel didaktisch und methodisch sys- tematisch anzuleiten und zu unterstützen. Es hat sich hierbei allerdings mit ei- ner Vielzahl von Problemen und Anforderungen auseinanderzusetzen, deren Lösung nahezu der ´Quadratur eines Kreises´ gleichkommt: - Studienanfänger verfügen aufgrund ihrer oft bewegungsferneren Sozialisa- tion über veränderte, in der Regel verschlechterte bewegungspraktische Fertigkeiten und konditionelle Fähigkeiten. - ´Sport´ als Gegenstand des Studiums hat sich erweitert und vielfältig aus- differenziert, ebenso wie die Sportwissenschaft mit ihren vielfältigen grund- lagen- und anwendungsorientierten Untersuchungs- und Arbeitsfeldern. Insbesondere für die sog. Ein-Fach-BA-Studierenden (früher Diplom) ist dies von großer Bedeutung. - Die Schulsportrichtlinien in Nordrhein-Westfalen – ähnlich wie in anderen Bundesländern – erheben die Forderung nach einem „erziehenden Sport- unterricht“ (Kurz, 2000, S. 36-52; MSWWF, 2001, S. 48-50) auf der Grund- lage eines erweiterten Spektrums von sog. Pädagogischen Perspektiven (MSWWF, 2001, S. 34-40) und auf der Grundlage eines erweiterten Ver- ständnisses von sportlichen Inhaltsbereichen bzw. Bewegungsfeldern (MSWWF, 2001, S. 41-47). - Gleichzeitig sind mit den neuen, gestuften Bachelor- und Master-Stu- diengängen neuartige und in vieler Hinsicht gewöhnungsbedürftige stu- dienorganisatorische Rahmenbedingungen geschaffen worden, so z. B. die Modularisierung und Kreditierung der Studieninhalte und in der Regel auch die Verkürzung der Ausbildungszeit im Bereich Sport-Praxis. 1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird darauf verzichtet, bei allgemeinen Aussagen jeweils beide Ge- schlechter zu nennen; die männliche Form schließt somit selbstverständlich die weibliche mit ein.

Neuer Sport? Neuer Schulsport? Neue Studiengänge? Auf der ... · Fachbereichs Badminton als fachdidaktische Ausgangsposition ausdrücklich verpflichtet. 3 Das didaktische Konzept

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Andreas Luh

Neuer Sport? Neuer Schulsport? Neue Studiengänge? – Auf der Suche nach einem zeitgemäßen universitären Ver-mittlungskonzept „Rückschlag-Sportspiele/Badminton“

1 Problemstellung und Zielsetzung

Sportstudierende haben in kurzer Zeit einen schwierigen Rollenwechsel vor-zunehmen, und zwar ⇒ vom Schulsport-Teilnehmer, Sportvereins-Mitglied, Fitnessstudio-Besucher, Joggingtreff-Mitläufer u. a.1 ⇒ zum Schulsport-Lehrer, Sport-Trainer, Sport-Organisator, Sport-Arrangeur u. a. Das Sportstudium hat diesen Rollenwechsel didaktisch und methodisch sys-tematisch anzuleiten und zu unterstützen. Es hat sich hierbei allerdings mit ei-ner Vielzahl von Problemen und Anforderungen auseinanderzusetzen, deren Lösung nahezu der ´Quadratur eines Kreises´ gleichkommt: - Studienanfänger verfügen aufgrund ihrer oft bewegungsferneren Sozialisa-

tion über veränderte, in der Regel verschlechterte bewegungspraktische Fertigkeiten und konditionelle Fähigkeiten.

- ´Sport´ als Gegenstand des Studiums hat sich erweitert und vielfältig aus-differenziert, ebenso wie die Sportwissenschaft mit ihren vielfältigen grund-lagen- und anwendungsorientierten Untersuchungs- und Arbeitsfeldern. Insbesondere für die sog. Ein-Fach-BA-Studierenden (früher Diplom) ist dies von großer Bedeutung.

- Die Schulsportrichtlinien in Nordrhein-Westfalen – ähnlich wie in anderen Bundesländern – erheben die Forderung nach einem „erziehenden Sport-unterricht“ (Kurz, 2000, S. 36-52; MSWWF, 2001, S. 48-50) auf der Grund-lage eines erweiterten Spektrums von sog. Pädagogischen Perspektiven (MSWWF, 2001, S. 34-40) und auf der Grundlage eines erweiterten Ver-ständnisses von sportlichen Inhaltsbereichen bzw. Bewegungsfeldern (MSWWF, 2001, S. 41-47).

- Gleichzeitig sind mit den neuen, gestuften Bachelor- und Master-Stu-diengängen neuartige und in vieler Hinsicht gewöhnungsbedürftige stu-dienorganisatorische Rahmenbedingungen geschaffen worden, so z. B. die Modularisierung und Kreditierung der Studieninhalte und in der Regel auch die Verkürzung der Ausbildungszeit im Bereich Sport-Praxis.

1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird darauf verzichtet, bei allgemeinen Aussagen jeweils beide Ge-

schlechter zu nennen; die männliche Form schließt somit selbstverständlich die weibliche mit ein.

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Nahezu alle sportwissenschaftlichen Hochschuleinrichtungen in Deutschland befinden sich in einer Phase des konzeptionellen Umbaus. Die Bochumer Fa-kultät für Sportwissenschaft, eingebunden in das Erneuerungstempo der sich als Reformuniversität verstehenden Ruhr-Universität Bochum, ist mit ihren neuen Studienkonzepten weit vorangeschritten. Aufgabe des vorliegenden Beitrages ist es, das Bochumer Vermittlungskonzept für die Veranstaltung „Rückschlag-Sportspiele/Badminton“ innerhalb des Moduls „Didaktisch-metho-dische Grundlagen der Sportspiele“ vorzustellen. Es handelt sich hierbei eher um einen subjektiven Erfahrungs- und Arbeitsbericht als um ein fertig ausge-reiftes und die eigenen Ansprüche völlig befriedigendes Ausbildungskonzept.

2 Gesellschaft und Sport, Sportstudium und Sportpraxisausbil-dung im Wandel

Was wir heute unter Sport/Bewegungskultur verstehen, hat sich in den letzten 20 Jahren erheblich ausgeweitet. Dieser Sachverhalt tritt deutlich hervor, wenn wir den Hochleistungs- und Mediensport, den Breiten-, Freizeit- und Gesund-heitssport, den Behindertensport, den Trendsport, den Seniorensport und den Schulsport betrachten, wie er in Leistungszentren, Sportvereinen und Verbän-den, Fitness- und Gesundheits-Zentren, Schulen, Volkshochschulen, Jugend-zentren, Senioren-Vereinen, Betrieben und im sporttouristischen, rehabilitati-ven und präventiven Bereich gestaltet und angeboten bzw. von verschiedenen Personenkreisen unorganisiert betrieben wird. Neben die traditionellen Sport-arten und den in ihnen vorherrschenden Sinnrichtungen (gemessene und zu überbietende Leistung, Wettkampf und Konkurrenz) ist eine Vielzahl erweiter-ter Bewegungsformen getreten mit ebenso erweiterten Sinnrichtungen (z. B. Präsentation und Selbstdarstellung, Selbstbewährung, Identitätsbildung, Aus-druck und Gestaltung, Eindruck, Exploration, Naturerlebnis, Sensation und Ri-siko, Spannung und Abenteuer, Gesundheit und Fitness, Wellness, Gesellig-keit und Kommunikation u. a.). Das gesellschaftliche ´Subsystem Sport´ hat sich immer weiter ausdifferenziert; gleichzeitig ist aber auch die Bedeutung von Sport und Bewegung in anderen gesellschaftlichen Teilsystemen (z. B. Erziehung, Recht, Ökonomie, Gesundheitswesen oder Medien) stetig ange-wachsen (Cachay, 1988, S. 30-37, 60; Bette, 1999, S. 147-156).

In Folge dieser Entwicklung von postmoderner Gesellschaft und postmoder-nem Sport ist der im Sport Handelnde mit einer verwirrenden Vielfalt von sportlichen Inhalten, Adressaten und Sinnrichtungen konfrontiert. Eine sport-wissenschaftliche Ausbildung kann diese ´neue Unsicherheit´ im Bereich des Sports nicht beseitigen, jedoch thematisieren und den reflektierenden Umgang damit schulen. Insbesondere die sog. „Praxis und Theorie der Sportar-

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ten/Bewegungsfelder“2 kann zu dieser zentralen Aufgabe Wesentliches beitra-gen.

Wie viele andere Institute und Fakultäten verfügt die Fakultät für Sportwissen-schaft in Bochum über eine größere (wenn auch abnehmende) Anzahl von sog. akademischen Mittelbau-Stellen, zusammengefasst in einer eigenständi-gen Organisationseinheit, dem „Arbeitsbereich Sportarten“. Thierer (2001) hat die dreifache Aufgabenstellung dieses akademischen Mittelbaus treffend ge-kennzeichnet: Es gehe erstens um die reflektierte, am eigenen Leib erfahrene Vermittlung von Bewegungsfertigkeiten und Lehrkompetenz, zweitens um die sportwissenschaftlich-interdisziplinäre Durchdringung der vermittelten Sport-art/des vermittelten Bewegungsfeldes und drittens um die „Fragen des ´wozu´ des Sports und seinen vor allem pädagogischen, aber auch z. B. gesundheitli-chen, psychischen oder sozialen Auswirkungen“ (Thierer, 2001, S. 22).

Berücksichtigt eine akademische Sport-Praxis-Ausbildung diese dreifache Auf-gabenstellung, so besitzt sie sowohl für Zwei-Fach-BA-Sportstudierende (Lehramtsausrichtung) als auch für Ein-Fach-BA-Sportstudierende (Sport in außerschulischen Berufsfeldern)

- eine zentrale Orientierungsfunktion zu Beginn eines zunächst eher verwir-rend erscheinenden, interdisziplinär aufgefächerten Sportstudiums und

- eine zentrale Integrationsfunktion der in den verschiedenen sportwissen-schaftlichen Bereichen erarbeiteten Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkei-ten in einer fortgeschrittenen Phase des Studiums.

Eine so verstandene Sport-Praxis-Ausbildung ist ein Kernbestandteil des Sportstudiums. Denn ´Sport-Verstehen´ und ´Sport-Verständnis´ sind nur mög-lich, wenn die in Vorlesungen und Seminaren erworbenen Wissensbestände und Erkenntnisse Eingang finden und konkret erprobt werden in den ´realen Räumen des Sports´, d. h. in der Sporthalle, im Schwimmbad, im Kraftraum, auf der Leichtathletikanlage, auf dem Spielfeld, an der Kletteranlage, auf der Skipiste, im Gymnastik- und Tanzraum und ´mit den realen Geräten des Sports´, d. h. mit Fuß-, Hand-, Feder- und Tennisbällen, Disken, Speeren, Skull und Riemen, Ski, Schlägern, Turngeräten, Auftriebshilfen im Wasser, Kraftgeräten, in verschiedenen Sportschuhen, mit Pezzy- und Japan-Ball, Wa-ckelbrett, Stepper, Ergometer, Ellipse u. a.

Notwendige anwendungs- und berufsfeldbezogene sportwissenschaftliche Profilbildungen müssen auf dem Fundamentum einer fundierten fachspezifi-schen Grundlagenausbildung in den sportwissenschaftlichen Teilgebieten 2 Thierer (2001, S. 21).- Auf die Diskussion des Verhältnisses von Theorie- und Praxisanteilen im

Sportstudium, von Grundlagen- und Anwendungsorientierung von Forschung, Lehre und Studium sowie auf die wechselseitigen Durchdringungen der genannten Aspekte oder auch auf den sehr unterschiedlichen, historisch gewachsenen organisatorischen Umgang mit diesen Aspekten in den verschiedenen sportwissenschaftlichen Instituten und Fakultäten kann an dieser Stelle nur verwiesen, aber nicht eingegangen werden.

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Sportmedizin, Trainings- und Bewegungswissenschaft, Sportpädagogik, Sport-soziologie u. a. aufbauen.

Die Sicherheit im konkreten Umgang mit Sport-Praxis erscheint für den Schul-sport-Lehrer, dessen Aktionsfeld immer die Sporthalle bleiben wird, nicht hin-terfragbar. Aber auch in außerschulischen Berufsfeldern ist für den ausgebil-deten Sportwissenschaftler die erworbene Innensicht von der sportlichen Pra-xis eine zentrale Qualifikation, die ihn von BWL-Absolventen und Germanis-ten, die sich als Sportökonomen und Sportjournalisten bewerben, unterschei-det und qualitativ abhebt.

Der schwierigen Begriffsbestimmung von ´Sport´ in den bislang benutzten Komposita wie Sport-Praxis, Sport-Ausbildung, Sport-Studium u. a. ist bislang ausgewichen worden3. Historisch betrachtet ist der moderne englische Sport, ausgerichtet an Leistung, Wettkampf und Konkurrenz, nur eine spezifische, zeitgeschichtlich beeinflusste Ausprägung von Bewegungskultur. Das Gleiche gilt aber auch für den postmodernen, pluralistischen, verschiedene Sinnrich-tungen von Körperlichkeit und Bewegung erfassenden erweiterten Sportbegriff (s. o.). Bewegungspädagogen wie Funke-Wieneke erklären auf argumentativ höchstem, aber – aus der Sicht des Verfassers – wirklichkeitsfremdem, abs-trakten Niveau jede Form eines Sport-Begriffs für überholt. Die erziehungswis-senschaftliche Betrachtung könne, so Funke-Wieneke (2000, S. 13), „am Sport als historisch sich überholender und von außererzieherischen Interessen geprägter Ausformung von Bewegungskultur“ nicht festhalten. Die Sportpäda-gogik müsse sich davor hüten, „Rechtfertigungsformeln für einen Wirklich-keitsbereich zu liefern, der sich im Selbstlauf seiner eigenen Interessen wei-terentwickelte und verwirklichte“. „Von der Sportpädagogik zur Bewegungspä-dagogik“ und „von der Sportwissenschaft zur Bewegungswissenschaft“ lautet demzufolge die verhängnisvolle Forderung der angesprochenen sportwissen-schaftlichen Denkrichtung. Wie immer auch die vielfältigen Wirklichkeiten des ´real existierenden Sports´ in unserer heutigen Zeit aussehen und zu bewerten sein mögen – die Vielfalt des ´real existierenden Sports´ muss der Ausgangs- und der Endpunkt sportwissenschaftlicher Betrachtung und sportwissenschaft-licher Ausbildung sein. Nur dann wird die Sportwissenschaft in ihren verschie-denen Funktionen für die Gesellschaft und mit Blick auf die Tätigkeitsfelder von Sportwissenschaftlern und akademisch ausgebildeten Sportlehrern in der Gesellschaft ernst genommen werden (vgl. Voigt, 2000, S. 132).

Mit Blick auf die globale, internationale Sportkultur und mit Blick auf das alltäg-liche, medial geprägte Bewusstsein der Öffentlichkeit von Sport sind insbe-sondere die traditionellen Sportarten ein fester Kernbestand unserer Sport- 3 Die Autoren des Artikels „Sport“ im maßgebenden deutschen „Sportwissenschaftlichen Lexikon“

(Röthig & Prohl, 2003, S. 493) vertreten – höchst problematisch – sogar die Ansicht, dass sich der Begriff Sport überhaupt nicht präzise oder eindeutig bestimmen lasse. Siehe die kritische Auseinandersetzung zu dieser These und den tragfähigen Ansatz einer Bestimmung des Begrif-fes Sport bei Tiedemann (2004, S. 2-3).

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und Bewegungskultur, die eine Vielzahl von ebenfalls zu thematisierenden Erweiterungen erfahren hat. Ausgesprochen hilfreich zu diesem definitori-schen Problemfeld sind in diesem Zusammenhang die Gedankengänge des Sportpädagogen Balz (2000, S. 9):

„Jedoch steht Sport nicht für alles, was (wie Entspannungsübung, die dennoch Unter-richtsgegenstand sein kann) unsere Bewegungskultur ausmacht; und vermutlich ist er auch keine vom Untergang bedrohte Teilkultur. Additive Bezeichnungen wie ´Bewegung, Spiel und Sport´ sind vor diesem Hintergrund zwar nachvollziehbar, sorgen aber nicht unbedingt für mehr Klarheit. Vorerst scheint Sport noch der treffendste Begriff für das ´Ganze´ bewegungskultureller Vielfalt zu sein. Die Überlegung, an ihm festzuhalten, lässt sich teilen, wenn man Sport nach wie vor als Mitte unserer gegenwärtigen Bewegungs-kultur sieht und weiter auf sein humanes Potenzial setzen möchte.“

Aus solchen Überlegungen heraus trägt die Sport-Praxis-Ausbildung an der Bochumer Fakultät für Sportwissenschaft offiziell die (leider nicht ganz so ein-gängige) Bezeichnung „Didaktisch-methodisches Studium der Sportarten und Bewegungsfelder“. Diesem Ansatz ist der Verfasser bei der Gestaltung des Fachbereichs Badminton als fachdidaktische Ausgangsposition ausdrücklich verpflichtet.

3 Das didaktische Konzept der Sport-Praxis-Ausbildung im Be-reich Sportspiele

Hilfreich bei der Gestaltung der Modulstruktur der Bochumer Ein-Fach- und Zwei-Fach-Studiengänge im sportpraktischen Bereich waren die neuen minis-teriellen schulsportlichen Richtlinienvorgaben der Jahre 1999 (Sekundarstufe II) und 2001 (Sekundarstufe I) in NRW. Nicht nur die gesetzliche Ausbildungs-verpflichtung auf der Grundlage ministerieller Rahmenvorgaben, sondern auch die zeitgemäße Gestaltung der sportlichen Inhaltsbereiche in den besagten Richtlinien hat den Arbeitsbereich Sportarten dazu bewogen, Strukturierungs-ansätze und Formulierungen bei der Gestaltung der Sportpraxis-Module zu übernehmen, angepasst an die personellen und materiellen Ressourcen und die berechtigten individuellen Interpretationen der verantwortlichen Fachleiter der Fakultät. Diese neuen NRW-Schulsportrichtlinien erweitern den bekannten Sportartenkanon der Richtlinien von 1980, indem sie als „Inhaltsbereiche“ von Sportunterricht zunächst sog. „Bewegungsfelder“ bestimmen, z. B. „Laufen-Springen-Werfen“, daran anschließend den entsprechenden Sportbereich bzw. die entsprechende sportartspezifische Ausformung, in diesem Fall die „Leichtathletik“, benennen (Beckers, 2000, S. 30). Ein weiterer Inhaltsbereich der NRW-Schulsportrichtlinien heißt „Spielen in und mit Regelstrukturen – Sportspiele“ und umfasst die bekannten Mannschafts-Sportspiele wie Basket-ball, Fußball u. a., die Partner-Sportspiele wie Badminton, Tennis und Tisch-tennis, aber auch „bereits entwickelte und selbst gefundene Sportspiel-Va-rianten“ wie z. B. Street- oder Beach-Varianten sowie „Spiele, die in unserem Kulturkreis (noch) nicht oder nicht mehr fest institutionalisiert sind, z. B. Ameri-

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can Football, Baseball, Faustball, Frisbee, Indiaca“ u. a. (MSWWF, 1999, S. 15-16; Sahre, 2000, S. 116-123).

Diese zeitgemäß erweiterte inhaltliche Sichtweise von Sport- und Bewegungs-kultur, die dem schulischen wie dem außerschulischen Lehr-, Lern- und Ar-beitsfeld Sport-Spiel gerecht wird, hat ganz konkret Eingang gefunden in das Modul 3 der Bochumer Ein- und Zwei-Fach-Studiengänge Sportwissenschaft:

Inhalte des Moduls: - Mannschafts-Sport-Spiele am Beispiel Basketball, Fußball, Handball oder Hockey- Rückschlag-Sport-Spiele am Beispiel Volleyball oder am Beispiel Racket-Spiele mit Schwerpunkt Badminton, Tennis oder Tischtennisund Sport-Spiel-Varianten; historische Spielformen; Spiele ´anderer´ KulturkreiseLernziele:Handlungs-, Lehr- und Gestaltungskompetenz in den Sport-Spielen für außerschulische, aber auch schulische Berufs-felder vor dem Hintergrund sportspielrelevanter sportwissen-schaftlicher Grundlagen: Erwerb grundlegender sportart-orientierter Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, reflek-tierter Umgang mit Regelstrukturen der Spiele sowie deren adressatenorientierte Veränderung, Erschließung unter-schiedlicher Sinnrichtungen der Sport-Spiele

Abb. 1: Auszug aus dem Modul-Handbuch zur Akkreditierung des Ein-Fach-BA-Studiengangs, „Modul

3: Didaktische und methodische Grundlagen der Sportspiele“ (Fakultät für Sportwissenschaft, 2005)

Anzumerken ist, dass jeder Fachleiter im Bereich der Bochumer Sport-Spiele-Ausbildung in seinen spezifischen Veranstaltungen seine individuelle Ausfor-mung und Interpretation des gemeinsam formulierten Grundkonzeptes um-setzt (vgl. hierzu die übrigen Beiträge im vorliegenden Band). Welche Band-breite an Inhalten und Lernzielen jeweils in den Blick genommen wird, hängt zudem von dem Umfang der unterrichteten Veranstaltung ab (zweistündiges Grundseminar mit 3 CP, oder vierstündiges Vertiefungsseminar mit 6 CP).

Auch bei der Zielrichtung der sportpraktischen Ausbildung von Sportstudieren-den kann den NRW-Schulsportrichtlinien eine wichtige orientierende Funktion zukommen. Mag dies für die Lehramtsausbildung im Zwei-Fach-BA selbstver-ständlich erscheinen, so gilt dies in modifizierter Form auch für die Sport-Praxis-Ausbildung der sich in der Regel außerschulisch orientierenden Ein-Fach-BA-Studierenden. Was ist damit gemeint?

In der „Pädagogischen Grundlegung für den Schulsport“, die den NRW-Sport-richtlinienwerken für die verschiedenen Schulstufen/Schulformen vorgeschal-tet ist, wird die übergeordnete „pädagogische Leitidee des Schulsports“, der sog. „Doppelauftrag des Schulsports“, formuliert (MSWWF, 1999, S. XXIX):

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„Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport und

Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur“

Zum einen umfasst der Doppelauftrag des Schulsports (Beckers, 2000, S. 27-29) den aus der erziehungswissenschaftlichen und der soziologischen Diskus-sion bekannten Begriff der Personalisation. Die ausgebildeten Sportlehrer und Sportwissenschaftler sollen in dieser Perspektive alle Möglichkeiten von Be-wegung, Spiel und Sport nutzen lernen, um jede einzelne der anvertrauten Personen in motorischer, körperlicher, kognitiver, affektiver und psycho-sozia-ler Hinsicht optimal zu fördern (Handlungsfähigkeit durch Sport).

Zum anderen umfasst der Doppelauftrag des Schulsports den aus der erzie-hungswissenschaftlichen und der soziologischen Diskussion bekannten Begriff der Sozialisation. Sportlehrer und Sportpädagogen sollen z. B. Aufwachsende erzieherisch in die Lage versetzen können, an den vorherrschenden Sportfor-men und der Sportkultur, die sich in unserer Gesellschaft entwickelt haben, ak-tiv, kritisch-auswählend und lebenslang (in Vereinen, in Fitnesscentern, bei Lauftreffs u.a.) teilzuhaben (Handlungsfähigkeit im Sport).

Beide Bestandteile dieser pädagogischen Leitidee für den Sport betreffen den Sportlehrer im schulischen Bereich und die ihm anvertrauten aufwachsenden jungen Menschen. Sie sind aber in veränderten Formen übertragbar auf die psychomotorische Betreuung und Aktivierung von Vorschulkindern, auf die Ad-ressaten rehabilitativer Maßnahmen, auf die Adressaten erlebnis- und sport-pädagogischer Maßnahmen in einer JVA, auf die Adressaten in seniorensport-lichen Netzwerken wie im betrieblichen Bereich u. a. Pointiert formuliert haben in der Perspektive der Personalisation Bewegung, Spiel und Sport keinen aus sich heraus bestehenden Wert, sondern einen instrumentellen „Bildungs- und Entwicklungswert“ mit Blick auf die anvertrauten Adressatenkreise. Ball- und Rückschlag-Spiele(n) mit veränderten Sinnrichtungen und Regelstrukturen sind in einer solchen Perspektive von großer Bedeutung.

Obwohl häufig verkannt, haben gerade auch die traditionellen Mannschafts- und Rückschlag-Sportspiele mit ihren spezifischen motorischen, kognitiven und psychischen Anforderungsprofilen eine große Bedeutung im Bereich der erziehungswirksamen Personalisation. Jedes Sportspiel verfügt über imma-nente erzieherische Potenziale, die die Persönlichkeit des für sich und im Team trainierenden und wettkämpfenden Spielers positiv beeinflussen können (Beharrlichkeit, Leistungsorientierung, Kreativität, Fürsorge für den Spielpart-ner und Gegner, Verantwortungsübernahme, Disziplin, Fairness, freudvolles Erlebnis von Training, Wettkampf, Spiel u. a.)4. Die erfolgreiche Teilhabe an 4 Die studentische Sportspiel-Ausbildung zeigt, dass gerade Studierende, die über Jahre hinweg in

´ihrem Sportspiel´ erfolgreich trainiert und gespielt haben, in den Kurseinheiten, in denen neue Spiele erfunden und gestaltet werden, sich durch Beharrlichkeit, freudvolle Erlebnisfähigkeit, Kre-ativität, Teamgeist, Innovationsfähigkeit und strukturierte Vorgehensweisen auszeichnen.

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einem normierten Sportspiel trägt maßgebende sozialisierende und personali-sierende erzieherische Elemente in sich. Eine solche erfolgreiche Teilhabe am Trainings- und Wettspielprozess hat nichts mit sportmotorischer Konditionie-rung oder verengtem sportartspezifischen Bewegungslernen um seiner Selbst willen zu tun. In pädagogisch-erzieherischer Perspektive muss der Sport-Praxis-Dozent in der Lage sein, die in seiner Sportart immanent enthaltenen erzieherischen Potenziale aufbereiten und adressatenorientiert entfalten zu können (Voigt, 2000, S. 113-121). In der Einleitung des Rückschlag-Spiel- und Badminton-Skriptes der Bochumer Sportfakultät wird auf solche erzieherisch wirksamen Aspekte des sportpraktischen Lern- und Entwicklungsprozesses auf dem Badmintonfeld verwiesen (Luh, 2005, S. 4).

Zu Eurer Arbeit in der Halle und auf den FeldernBadminton ist ein partnerorientierter Individualsport. Übungs- und Lernprozesse laufen in der Regel auf 10 Feldhälften parallel (und sehr unterschiedlich) ab. Ihr seid nach meinen methodischen Einweisungen/ Anleitungen auf dem Feld häufig zu zweit auf Euch allein gestellt, in den Phasen, in denen Ihr außerhalb der Kurs-zeit selbstständig Aufgaben erarbeitet, ohnehin.- Spielt z. B. keine Übungen monoton der Form halber ´durch´, sondern arbeitet

an Euch, an Eurem Partner, korrigiert Euch!- Fragt Euch, ob die empfohlene Übung für euch die ´richtige´ ist, um das ange-

strebte Lernziel zu erreichen!- Ist die Übungsform, die Übungsorganisation, die Belastungsgestaltung u. a. zuvariieren, abzubrechen, zu wechseln?- Was läuft falsch, wenn ihr ein lernzieladäquates Zuspiel für Euren lernenden

Partner nur bei jedem vierten Übungszuspiel erreicht?- Fragt nach, wechselt die Übungspaarzusammenstellungen! Kümmert Euch um

einen ´Schwächeren´, verbessert Euren eigenen Lehr- und Lernprozess!

⇒ Ihr seid selbst mit Eurem Partner euer bestes pädagogisches Expe-rimentier- und Lernfeld, Ihr seid eure eigene permanente Lehrübung!

Abb. 2: Der Lernprozess auf dem Badmintonfeld als ´permanente Lehrübung´ der Studierenden

Eine so verstandene Sport-Praxis-Ausbildung - in Sportarten wie dem normierten Rückschlag-Sportspiel Badminton und - im Bewegungsfeld „Rückschlag-Sport-Spiele(n)“ sollte nach Ansicht des Verfassers ein Kernbestandteil der sportwissenschaft-lichen studentischen Ausbildung sein, und das sowohl in der Ausbildung für den schulischen Bereich (Zwei-Fach-BA/MA) als auch für den außerschuli-schen Bereich (Ein-Fach-BA/MA). Durch die Einrichtung identischer bzw. weitgehend kompatibler Sport-Praxis-Module für die Bochumer Ein-Fach- und Zwei-Fach-Studiengänge werden die neuen BA-/MA-Studienordnungen der Fakultät dieser Sichtweise gerecht. Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass auch pragmatische, studienorganisatorische und kapazitäre Gründe für eine solche kompatible Modulgestaltung (nicht nur) im Bereich Sport-Praxis sprechen. Selbstverständlich ist aber, dass in fortgeschrittenen

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Studienphasen auch spezifische berufsfeld- und anwendungsorientierte Sport-Praxis-Module hinzutreten müssen, z. B. für die Lehramtsausrichtung im Zwei-Fach-BA/MA bzw. für die Bochumer Studienschwerpunkte „Prävention und Rehabilitation durch Sport“ bzw. „Freizeit-Gesundheit-Training“ im Ein-Fach-BA-Studium.

4 Die studienorganisatorischen Rahmenbedingungen der BA-/ MA-Studiengänge Sportwissenschaft und das Modul 3 „Didak-tische und methodische Grundlagen der Sportspiele“

An dieser Stelle sollen nur knappe Hintergrundinformationen zum Gang der Studienreformentwicklung an der Bochumer Fakultät für Sportwissenschaft gegeben werden, um Inhalt, Organisation und Umfang der Sport-Praxis-Ausbildung im Rahmen dieser Studiengänge einordnen zu können. Ausführli-chere Informationen zu den einzelnen Studiengängen finden sich auf der Ho-mepage der Fakultät für Sportwissenschaft (2006).

Das Lehrangebot aller dieser Studiengänge ist entsprechend den internationa-len und nationalen Vorgaben des sog. Bologna-Prozesses modularisiert, d. h., die einzelnen Veranstaltungen sind zu Studienmodulen (Studieneinheiten) zu-sammengefasst. Solche Module umfassen thematisch aufeinander bezogene Einzelveranstaltungen im Gesamtumfang von vier bis acht Semesterwochen-stunden (SWS). Hierbei wird sichergestellt, dass die Veranstaltungen eines Moduls innerhalb von 2, maximal 3 Semestern mindestens einmal angeboten werden. Jede Veranstaltung eines Studienmoduls wird mit Kreditpunkten (CP) nach dem erwarteten studentischen Arbeitsaufwand gewichtet, wobei ein Kre-ditpunkt einem Aufwand (workload) von etwa 30 Zeitstunden entspricht.

Der Umfang der Sport-Praxis-Veranstaltungen hat in den neuen Studiengän-gen im Vergleich zu den früheren Staatsexamens- und Diplomstudiengängen erheblich abgenommen, im Lehramtsstudium von 32 SWS (Staatsexamen Sport) auf 24 SWS (Zwei-Fach-BA/MA) und im Studiengang mit außerschuli-schen Zielrichtungen von 44 SWS (Diplom) auf nun 30 SWS (Ein-Fach-BA). Auf der anderen Seite hat sich die Fakultät für Sportwissenschaft dafür ent-schieden, einen – im Vergleich zu Reformstudienkonzepten anderer sportwis-senschaftlicher Ausbildungsstätten – vergleichsweise hohen Sport-Praxis-An-teil aus den oben aufgeführten Gründen beizubehalten. So umfasst die Sport-Praxis knapp die Hälfte der schwerpunktübergreifenden sportwissenschaftli-chen Grundlagenausbildung im Ein-Fach-BA (30 SWS/45 CP von 62 SWS/94 CP ingesamt), und in der Lehramtsausbildung umfasst die Sport-Praxis im-merhin 20 SWS/29 CP der insgesamt 45 SWS/ 65 CP beinhaltenden sport-wissenschaftlichen Grundlagenausbildung im Zwei-Fach-BA.

Das Modul 3 „Didaktisch-methodische Grundlagen der Sportspiele“ hat sowohl im Ein-Fach-BA als auch im Zwei-Fach-BA die folgende inhaltliche Struktur:

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Tab. 1: Die inhaltliche Struktur des Moduls 3 in den Bochumer BA-Studiengängen

Modul 3: Didaktisch-methodische Grundlagen der Sportspiele Drei Spiele, davon mindestens ein Spiel aus jedem Bereich: • Mannschafts-Sport-Spiele am Beispiel Basketball, Fußball, Handball

oder Hockey • Rückschlag-Sport-Spiele am Beispiel Volleyball oder am Beispiel

Racket-Spiele mit Schwerpunkt Badminton, Tennis oder Tischtennis

8 SWS

1 x 4 2 x 2

12 CP

6 6

Vor dem Hintergrund der geringen zur Verfügung stehenden Ausbildungszeit stellt die abgebildete Studienstruktur den Versuch dar, den Studierenden ein ausreichendes Veranstaltungsangebot im Bereich Sportspiele sowohl in der Breite (Wahl-Pflicht-Angebot von 3 Sportspielen) als auch in der Tiefe (eine Vertiefungsveranstaltung nach Wahl im Umfang von 4 SWS/6 CP) zu offerie-ren. Allerdings ist unter diesen Voraussetzungen die Zielsetzung, Sport-Spie-le(n) zu erleben und zu verstehen und dabei gleichzeitig Vermittlungskompe-tenz zu erwerben, selbst mit Hilfe einer exemplarischen Vorgehensweise nur schwer umzusetzen. Wie im Modulhandbuch formuliert, kann es im Rahmen der 2-SWS-Veranstaltungen realistischerweise nur um den reflektierenden Er-werb eigener Bewegungserfahrungen in dem gewählten Sportspielbereich ge-hen, unter systematischer Einbeziehung fachspezifischer sportwissenschaftli-cher Grundlagenkenntnisse z. B. aus den Bereichen Trainings- und Bewe-gungswissenschaft, Medizin und Pädagogik. In der 4-SWS-Vertiefungsveran-staltung steht darüber hinaus die systematisch angeleitete Vermittlung von Lehrkompetenz in dem gewählten Sportspiel im Vordergrund.

Wie ein solches Vermittlungskonzept aussehen kann, soll im Folgenden am Beispiel „Rückschlag-Sportspiele/Badminton“ aufgezeigt werden.

5 Das Vermittlungskonzept „Rückschlag-Sportspiele am Bei-spiel Badminton“: der SOLL-Wert

Ausgangs-, End- und Schwerpunkt der Veranstaltung ist der Erwerb von „Lehrkompetenz in der Sportart Badminton“ (etwa 24-26 90-minütige UE im 4-SWS-Kurs; 12-13 UE im 2-SWS-Kurs). Nicht, weil diese Sportart die Krone unserer vielfältigen Bewegungskultur ist, sondern weil sie den Adressaten als boomende Schulsportart, als weit verbreitetes Angebot in kommerziellen Ra-cket-Centern und als (leider) weniger verbreitete Vereinssportart bekannt ist. Das Regelsystem der Sportart Badminton ist ein kunstvolles und bewährtes Gebilde, das über Jahrzehnte hinweg entstanden ist. Sich in diesem Regelsys-tem als Spieler und Vermittelnder zurechtfinden zu lernen, erfordert den Er-werb personaler wie sozialer Kompetenzen, vielfältiger Kenntnisse, Fertigkei-ten und Fähigkeiten. Im Sinne des erläuterten Begriffs einer erweiterten Sport- und Bewegungskultur (Kap. 2) geht es in dem vorgestellten Vermittlungskon-zept allerdings nicht nur um den sportartorientierten Lerngegenstand Badmin-

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ton. Ein zweiter Themenblock beschäftigt sich mit der „Lehrkompetenz im Be-wegungsfeld Rückschlag-Spiele in und mit verschiedenen Sinnrichtungen und Regelstrukturen“ (etwa 4-5 UE im 4-SWS-Kurs bzw. 2-3 UE im 2-SWS-Kurs).

Der thematische Aufbau und der Ablauf der Veranstaltung „Rückschlag-Sport-spiele am Beispiel Badminton“ stellen sich im Überblick wie folgt dar:

Einführung

- Konzeption, Ablauf, Organisation, Anforderungen- Badminton und Rückschlag-Spiele(n), erste Orientierung

Lehr- und Gestaltungskompetenz Badminton Teil I

- Bewegungsfertigkeiten, Spielfähigkeit- Bewegungswissenschaftliche Hintergründe- Methodik und Vermittlung- Anleitung zum eigenständigen Erwerb weiterer Grundlagen----------------------------------------------------------------------------------------- Eigenständige Erarbeitung motorischer, demonstrativer, theo-

retischer Grundlagen außerhalb der Kurszeit, ´Hakenaufgaben´

Lehr- und Gestaltungskompetenz Badminton Teil II

- Abnahme der erarbeiteten ´Hakenaufgaben´- Spielfähigkeit und ihre Vermittlung- Einzel- und doppeltaktisches Handeln

Auswertung und ReflexionLernerfolgsüberprüfung: Klausur/Praxisprüfung

Lehr- und Gestaltungskompetenz Rückschlag-Sportspiele

- Kennenlernen und Erproben vielfältiger Geräte, Bälle, Spiele- Spiel-Theorie, was ist Spielen, wann spiele ich, Sinn des Spiels?- Rückschlagspiel übergreifende Anforderungen, Fähigkeiten und

Vermittlungsansätze- Veränderung/Neugestaltung von Regelelementen und Regel-

systemen bei unterschiedlichen Sinnrichtungen von Spiel(en)

Abb. 3: Thematischer Aufbau der Veranstaltung „Rückschlag-Sportspiele am Beispiel Badminton“

5.1 Lehr- und Gestaltungskompetenz in der Sportart Badminton

Badminton/Federball ist in seiner Grundform vergleichsweise leicht erlernbar, ermöglicht nach kurzer Zeit erwünschte körperliche und psychische Belas-tungsintensitäten, besitzt einen hohen spielerischen Aufforderungscharakter, ist als genormter Wettkampf gegeneinander und als kooperatives Partner- und Doppelspiel miteinander durchführbar, ermöglicht in besonderer Weise koedu-kative Spielformen, erfordert einen geringen organisatorischen Aufwand und ist in jeder Schulsporthalle, im Garten, im Freibad und auf der Straße spielbar.

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Die Zielsetzung der sportart- und badmintonorientierten Veranstaltungsanteile sind die Lehr- und Gestaltungskompetenz im Badminton:

LehrkompetenzBadminton

Methodik und Vermittlung im

Badminton, Maß-nahmen/Verfahren

badminton-spezifischemotorische

Eigenrealisation

badmintonrelevantesportwissenschaft-liche/theoretische

Kenntnisse

Reflexion pädag. Ziele, sportlicher Sinnrichtungen und Adressaten

handlungsorientierte

Vermittlung im

Sport-Praxis-Kurs

Abb. 4: Die handlungsorientierte Vermittlung von Lehrkompetenz in der Sportart Badminton

Im Sinne eines Spielgemäßen Konzeptes wird in diesen Veranstaltungsteilen, soweit möglich, die Sportart Badminton in ihren ganz besonderen techno-motorischen, kognitiven, sozial-affektiven und psychischen Anforderungen am eigenen Leib erfahren und (je nach Voraussetzungen der Kursteilnehmer) er-lernt. Ausgehend von Ball- und Griffgewöhnungsübungen, stehen Spielformen im Zentrum des Lernprozesses, die sich in ihrem Anforderungs- und Komplexi-tätsgrad wie in ihrem Erlebnisgehalt allmählich dem Zielspiel Badminton annä-hern (vgl. das Racket-Speed-Einführungskonzept, Poste & Hasse, 2002, S. 181-193). Hierbei werden die zur jeweiligen Spielform gehörigen, badminton-spezifischen notwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten durch badmintonspezifische Übungsformen geschult: z. B. Schlag- und Lauftechni-ken, Ballerwartunghaltungen, schneller Start, Schlaghärte/Schnellkraft, Ballge-fühl/Schlagpräzision, situativ-/strategisch taktisches Verhalten, Bewegungsse-hen, periphere Wahrnehmung, Aufbau von Aktionskonzentration u. a.

1

Ziel-spiel

Spiel 2

Ü 1 Ü 2 Ü X Ü 1 Ü 2 Ü X

Spiel X

Ü 1 Ü 2 Ü X

Abb. 5: Schematische Darstellung des Spielgemäßen Konzeptes als methodisches Verfahren der

Sportspiel-Vermittlung

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Beispiel: Das Vorderfeldspiel bis zur Aufschlaglinie ist eine typische, in der Grundform einfache Spielsituation in jedem Match. Folgende Inhalte sind er-gänzend zur Spielform in Übungsformen zu schulen: Situative Griffvarianten, ´locker zufassen´, Schlagtechnik Heben, den Ball ins Trudeln bringen, Ballge-fühl, ´schneller Start´, Sidestep-Bewegung bzw. Überkreuzen zum Ausfall-schritt, hohe Ballerwartungshaltung, frühe und hohe Ballannahme, Blickfokus auf den Ball, periphere Wahrnehmung der Gegnerposition, Platzierung in ´freie´ Räume, Aufbau von Aktionskonzentration vor dem Aufschlag u.a.

Das vom Verfasser erarbeitete Spielgemäße Konzept zur Einführung von Bad-minton orientiert sich an den typischen Spielsituationen eines Wettspiels. Das Konzept hat die folgende Struktur:

⇒ Aufschlag-Wettspiel:Jeder 10-Aufschläge, abwechselnd, hoch-weit in markiertes Feld.

Übungsformen zu motorischen, taktischen, psycho-regulativen Anforderungen

⇒ Ük-Clear-Wettspiel (Hinterfeld gegen Hinterfeld)Am halben und/oder ganzen Feld: Ük-Clear-Wettspiel auf Punkte, Treffraum evtl. in der Länge und in der Breite nach Leistungsniveau einschränken.

Übungsformen zu motorischen, taktischen, psycho-regulativen Anforderungen

⇒ Netzdrop-Wettspiel (Vorderfeld gegen Vorderfeld)Am halben und/oder ganzen Feld, Variante: als Tischtennis-Doppel.

Übungsformen zu motorischen, taktischen, psycho-regulativen Anforderungen

⇒ Lob gegen Drop (Vorderfeld gegen Hinterfeld)Am halben und/oder ganzen Feld, in leistungsgerecht markierte Feldbereiche.

Übungsformen zu motorischen, taktischen, psycho-regulativen Anforderungen

⇒ Aufschlag-Return-WettspielA: 10 hoch-weite Aufschläge, B: returniert mit Smash. Wie viele Smash kann Anicht kurz in das Vorderfeld abwehren? Am halben Feld.

Übungsformen zu motorischen, taktischen, psycho-regulativen Anforderungen

⇒ Wettspiel im mittleren Feldbereich (ohne ´vorne´ und ohne ´hinten´)Am halben und/oder ganzen Feld.

Übungsformen zu motorischen, taktischen, psycho-regulativen Anforderungen

⇒ Wettspiel am halben FeldÜbungsformen zu motorischen, taktischen, psycho-regulativen Anforderungen

⇒ Wettspiel am ganzen FeldÜbungsformen zu motorischen, taktischen, psycho-regulativen Anforderungen

Abb. 6: Typische Spielsituationen im Badminton als Grundlage eines Spielgemäßen Konzeptes

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Griffarten, Schlagtechniken, Formen der Beinarbeit, Zuspiel- und Mitspielfä-higkeit, Versammlungs-, Aufstellungsformen, badmintonspezifische Aufwärm- und Einspielformen, Formen der intensiven Intervallarbeit zur Verbesserung der Schnellkrafteigenschaften im Bereich Arme/Beine, biomechanische Prinzi-pien und Bewegungsanalysen, Leistungskontrollübungen, situativ- und strate-gisch-taktisches Verhalten, das „Lesen“ und „Lösen“ von Spielsituationen, Sportschäden und ihre Vorbeugung, die Gestaltung von Übungs- und Spielrei-hen, Fehlersehen und Bewegungskorrektur, der Einsatz von Lehrfilmen und Video, Formen des Eckentrainings und des Ballzuwurfs beim Bewegungsler-nen und beim Training, Einführungskonzepte für das Doppelspiel, pädagogi-sche Perspektiven von Training und Wettkampf u. v. m. werden in konkreter Bewegungspraxis vorgestellt bzw. handelnd nachvollzogen und in möglichst kurzen, einführenden oder nachbereitenden Reflexionsphasen thematisiert.

Zwar soll während der Veranstaltung die Bewegungszeit weit im Vordergrund stehen, aber auch der begleitende Wissens- und Kompetenzerwerb im Sinne einer akademischen Sport-Praxis-Ausbildung (s. Kap. 2) ist zu gewährleisten. Bei dieser ´Quadratur des Kreises´ greift der Verfasser auf ausführliche, auf die einzelnen Kurseinheiten bezogene Kursmaterialien zurück, die den Studie-renden über das Veranstaltungsskript und über das E-Learning-Blackboard-System der Ruhr-Universität Bochum zur Verfügung gestellt werden5. Damit die akademischen Ausbildungsziele auf einer vertieften Kenntnisebene er-reicht werden können, ist die aktive Vor- oder Nacharbeit der Sport-Praxis durch die Studierenden erforderlich, die, realistisch gesehen, häufig erst zum Termin der abschließenden Pflicht-Klausur erfolgt.

Die verkürzte sport-praktische Ausbildungszeit in den gestuften Studiengän-gen (s. Kap. 4) erfordert auf Seiten der Studierenden wie auf der Seite der Do-zenten ein verstärktes Engagement, um die genannten Zielsetzungen zu er-reichen. Ein Mittel zur Steuerung dieses erforderlichen Engagements auf Sei-ten der Studierenden ist das europaweit eingeführte Kredit-Punktesystem (CP) der gestuften BA/MA-Studiengänge. In der Erläuterung des CP-Systems und den daraus erwachsenden arbeitsmethodischen Konsequenzen für die Studie-renden heißt es im aktuellen Veranstaltungsskript:

„Das Bachelor-/Masterstudium ist nicht an dem wöchentlichen Umfang der Lehrveranstal-tungszeit orientiert, sondern an Eurem Arbeitszeit- und Studienaufwand. Konkret: Für die erfolgreiche Teilnahme am Rückschlag-Sport-Spiele/Badmintonkurs erhaltet Ihr die Aner-kennung von 3 bzw. 6 CP, also die Anerkennung von 90 bzw. 180 Arbeitsstunden Stu-dienaufwand! Eure Anwesenheitszeit im Kurs umfasst aber nur 1,5 bzw. 3 Zeitstun-den/Woche, also insgesamt etwa 20-22 bzw. 40-44 Zeitstunden. Konsequenz: Ich werde Euch mit sanftem Druck dazu bewegen, eine erhebliche Zahl von Stunden eigenständig Inhalte zu erarbeiten. Also: Eine direkte Anleitung durch mich werdet Ihr nur in einem kleinen Teil der Veranstaltung erhalten. Ihr werdet neben der eigentlichen Kurszeit viel Zeit eigenständig in der Halle verbringen und vor meinem Skript sitzen. Ihr werdet eine

5 Auf der Homepage des Verfassers findet sich die Vielzahl der im Veranstaltungsskript enthalte-

nen, selbst angefertigten Unterrichtsmaterialien, die z. T. auch im Beitrag abgebildet sind, als pdf-download (Luh, 2006). Auf das Blackboard-System haben nur Angehörige der Universität Zugriff.

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Vielzahl von bewegungspraktischen, methodischen und theoretisch-kognitiven Aufga-benstellungen (s. Skript) eigenständig zu bearbeiten haben, die von mir kontrolliert und ´abgehakt´ werden. Ansonsten werdet Ihr nicht zur bewegungspraktischen Prüfung (s. Skript) und zur Klausur am Ende des Semesters zugelassen.“ (Luh, 2005, S. 2)

Die von den Studierenden zu erarbeitenden Aufgabestellungen umfassen

- (vordergründig) einfache sportmotorische Aufgaben wie z. B. das Aufhe-ben, partnerweise Zuwerfen und Fangen eines Balles mit dem Schläger, das gleichzeitige Spiel mit zwei Bällen oder die Schlagfolge Lob⇒Ük-Drop;

- methodisch-demonstrative motorische Fertigkeiten wie die sachgerechte Demonstration unterschiedlicher Zuwurf-Formen beim Einsatz im Bereich des Bewegungslernens, die überdeutliche Demonstration eines Ük-Clear mit isolierter Pronationsbewegung u. a.;

- die schriftliche Erarbeitung vertiefter theoretischer Grundlagen mit Hilfe von Aufgabenstellungen zu Schulsportrichtlinien, zu Rückschlagsport über-greifenden Fähigkeiten und zur Theorie des Spiels sowie

- die strukturiert und ´schülergerecht´ vorgetragene mündliche Erläuterung der Aufschlagregeln und der (scheinbar verwirrenden) Zähl- und Aufstel-lungsregeln im Badminton-Doppel.

Die Kursteilnehmer haben die Hakenprüfungsaufgaben (s. Tab. 2), deren Er-füllung verpflichtend für die Zulassung zur abschließenden Theorieklausur und zur Praxisprüfung am Ende des Semesters ist, veranstaltungsbegleitend zu erbringen. Die Hakenabnahmen der bewegungspraktischen Aufgaben erfolgen vor oder nach dem Kurs bzw. an einem Sondertermin während der Veranstal-tungszeit in einer fortgeschrittenen Phase des Semesters nach dem Themen-block „Spielen in und mit Regel- und Sinnstrukturen“ (s. Abb. 3). Diese Vorge-hensweise soll mit dazu beitragen, dass die Studierenden auf sportmotorisch höherem, eigenständig erarbeitetem Niveau in den zweiten Teil des Vermitt-lungsblocks „Lehrkompetenz in der Sportart Badminton“ (s. Abb. 4) eintreten. Die sportmotorischen Hakenaufgaben werden im frühen Verlauf der Veranstal-tung vorgestellt und erläutert. Im E-Learning-Blackboard-System der Ruhr-Universität, an dem sich die Studierenden auch zur Erleichterung der kursin-ternen Kommunikation verpflichtend anzumelden haben, finden sich zudem down-loadbare Video-Clips der Sollwerte aller motorischen Hakenleistungen.

Die Arbeitsaufgaben fördern vielfältige Kompetenzen auf der Seite der Studie-renden und erfüllen unterschiedliche lerntheoretische Anforderungen; sowohl den Kenntniserwerb und die Anwendung von erworbenen Kenntnissen als auch vielfältige Formen des problemlösenden Denkens. Studierende müssen zielgerichtet kommunizieren, sich organisieren und sich in freien Übungszeiten in der Sporthalle treffen. Studierende müssen sich überlegen, wie sie einen ökonomischen Erarbeitungsprozess, der die unterschiedlichen Schwierigkeiten der Kleingruppenmitglieder differenzierend berücksichtigt, gestalten. Sie müs-sen sich gegenseitig korrigieren, methodisch passende Übungsformen aus-

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wählen, dem Partner Bälle in einer Weise zuwerfen oder zuspielen, dass die-ser optimal Lernen kann u. v. m. Die Studierenden müssen Beharrlichkeit zei-gen und übernehmen für sich und den Anderen Verantwortung im Vorgang der gemeinsamen Erarbeitung der geforderten Leistungen.

Tab. 2: Abzuleistende Haken-Prüfungsaufgaben in den BA-Kursen „Rückschlag-Sportspiele am Bei-spiel Badminton“

Abzuleistende Prüfungs-Aufgaben Für die Studierenden der BA-Kurse mit 2 SWS/3 CP: Ball mit dem Schläger aufheben und mit dem Schläger einem Partner zuwerfen. Der mit dem Schlä-ger in der Luft ´gefangene´ Ball wird vom Partner mit dem Schläger zurückgeworfen. 2 Bälle gleichzeitig sicher in der Luft zu zweit spielen. VH-ÜK-Clear-Demo-Zuspiel mit isolierter Unterarmdrehung, s. Videoclip im BB-E-Learning-System.Trockendemo der Pronationsphase des VH-ÜK-Clear, s. Videoclip im BB-E-Learning-System. Sicheres Zuspiel eines VH-ÜK-Clear aus dem Stemmschritt oder Umsprung aus dem Grundlinienbe-reich zum gegnerischen GL-Bereich, s. Videoclip im BB-E-Learning-System. Zuspielübung: Partner A steht im ZB und spielt VH-/RH-Lob auf die Grundlinie, Partner B spielt von der Grundlinie einen VH-ÜK-Drop. Die Übung muss sicher und technikadäquat gespielt werden. Bei-de Rollen (Lob und ÜK-Drop) sind zu übernehmen, s. Videoclip im BB-E-Learning-System. Sichere Ausführung eines regelgerechten, hochweiten-Aufschlages und eines kurzen Aufschlages (Vh oder Rh)in der technischen Grobform, s. Videoclip im BB-E-Learning-System. Strukturierte mündliche Erklärung der „Regeln für den Aufschlag“/“Weitere Regeln“ s. Skript. Euer Adressat ist ein Schüler einer 9. Klasse! Strukturierte mündliche Erklärung der Doppel-Zählweise und Aufstellungsregeln, s.Skript.. Bearbeitung der texterschließenden Arbeitsblätter im Skript zu den Grundlagentexten von Geßmann (2000), Guttmann (1979), Dietrich (1987) und Bremer (1981), Texte im BB-E-Learning-System. Für die Studierenden der BA-Vertiefungskurse (4 SWS/6 CP) ZUSÄTZLICH: Demonstration grundlegender Bewegungsmuster der Beinarbeit von ZB als „Polizistenübung“. Beide ´Rollen´ sind sachgerecht zu demonstrieren. Es geht dabei nicht um Bewegungsschnelligkeit, sondern methodische Präsentationsfähigkeit, s. Videoclip im BB-E-Learning-System. Demonstration ausgewählter Zuwurfformen zum Bewegungslernen s. Skript, s. Videoclip Zu allen Zuwurfserien müssen 10 -12 Bälle sicher im Arm gehalten werden.

Die Rahmenvorgaben sowohl der Zwei-Fach- als auch der Ein-Fach-BA-Studiengänge bestimmen einen von dem Studienfach/den Studienfächern zu vergebenden Gesamtworkload von 180 CP (180 x 30 Stunden). Vor dem Hin-tergrund der dünner werdenden personellen Ressourcen deutscher Universitä-ten ist die strukturelle Konsequenz der workload-Orientierung der neuen Stu-diengänge die notwendige Erweiterung der angeleiteten, eigenständigen Ar-beit von Studierenden! Auch wenn diese Entwicklung eher vom Rotstift der Ministerien diktiert sein mag, ist dies dennoch eine Chance für didaktisch-methodische Innovationen auf dem Gebiet der Lehre. Denn grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn Studierende eigenständiger und weniger angeleitet als früher zu einem ähnlichen (oder besseren) Studienergebnis gelangen. Gerade auf dem Gebiet der Sport-Praxis tun sich allerdings besondere Schwierigkei-ten auf, denn die methodisch-didaktische Organisation einer selbstständigeren Qualifikation in diesem Bereich ist ungleich schwieriger als beispielsweise im Bereich der Sportmedizin oder der Sportgeschichte. Das vorgestellte Konzept eigenständiger studentischer Erarbeitungen, die vom Dozenten methodisch

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vorbereitet und begleitet werden, ist der Versuch einer innovativen Umsetzung eines workload-orientierten Studiums im Bereich der Sport-Praxis.

5.2 Lehr- und Gestaltungskompetenz im Bewegungsfeld Rückschlag-Sport-Spiele in und mit verschiedenen Sinnrichtungen und Regelstrukturen

In einem zweiten großen Themenblock im Rahmen des Vermittlungskonzep-tes der Veranstaltung geht es um das Kennenlernen und Erproben einer Viel-zahl freizeitrelevanter, aktueller Rückschlag-Spiele und den methodischen Umgang mit ihnen. Es soll deutlich werden, dass Rückschlag-Sport-Spiele ü-bergreifende Bewegungs- und Wahrnehmungsanforderungen aufweisen. Schulischer Rückschlag-Sportspielunterricht und Rückschlag-Spiele im Reha-bilitationssport, im Seniorensport oder im erlebnisorientierten Freizeitsport er-fordern gleichermaßen die Veränderung spielbeeinflussender Regelelemente oder auch die Neugestaltung ganzer Regelsysteme:

- aus methodischen Gründen (adressatenorientierte Hinführung zu komple-xer werdenden, abzuwandelnden Spielformen, Umgang mit unterschiedli-chen Teilnehmerzahlen, eingeschränkten räumlichen Bedingungen und heterogenen Lernvoraussetzungen der Teilnehmer),

- aufgrund der Anforderung, Rückschlag-Spiele(n) mit unterschiedlichen Sinnrichtungen und Adressatengruppen gestalten zu können6.

Anzumerken ist, dass die Studierenden vor Beginn dieses Themenblocks not-wendige Vorkenntnisse zu veränderten Schulsport-Richtlinienanforderungen (Geßmann, 2000, S. 56-85 ), zu Rückschlagspiel übergreifenden Vermittlungs-ansätzen (Bremer, 1981, S. 103-124 oder Roth, Kröger & Memmert, 2002, S. 47-56) und zur Sport- und Spiel-Theorie (Dietrich, 1987, S. 341-351; Gutt-mann, 1979, S. 11-24) in Form texterschließender und vom Dozenten kontrol-lierter Ausarbeitungen erworben haben. Diese Vorgehensweise wird von den Studierenden problemlos akzeptiert und erweist sich als ausgesprochen hilf-reich, da auf diese Weise die praktische Exploration mit verschiedenen Schlä-gern und Bällen, die Spielentwicklung und die miteinander ´erspielte´ Präsen-tation der entwickelten Spiele in der Kurszeit im Vordergrund stehen kann.

Seit dem WS 2002/03 in 2- und 4-SWS-Veranstaltungen erprobt und fortent-wickelt, verfolgt der Verfasser aktuell folgende Vorgehensweise, um in drei bzw. vier Doppelstunden den formulierten Zielen näher zu kommen:

6 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass sich der Verfasser auch dem „Inhaltsbereich 2“

der NRW-Schulsportrichtlinien weit über den schülerorientierten Adressatenkreis hinaus verpflich-tet fühlt. „Mit diesem Inhaltsbereich soll das Spielen als eigenständige Erfahrung erschlossen werden. Spielen zu können bedeutet, sich auf Spielideen und Verabredungen einzulassen, Span-nung zu erzeugen und aufrechtzuerhalten sowie Spielgelegenheiten zu entdecken und zu nut-zen.“ (MSWWF NRW, 2001, S. 66)

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Lehr- und Gestaltungskompetenz Rückschlag-SportspieleThematische Struktur des Themenblocks

- Kennenlernen und Erproben vielfältiger Geräte, Bälle, Spiele

- Spiel-Theorie, was ist Spielen, wann spiele ich, Sinn des Spiels?

- Rückschlagspiel übergreifende Anforderungen, Fähigkeiten undVermittlungsansätze

- Veränderung/Neugestaltung von Regelelementen und Regel-systemen bei unterschiedlichen Sinnrichtungen von Spiel(en)

- Reflexion des Themenblocks und der veränderten Funktion/Rolledes lehrenden Dozenten

Abb. 7: Thematischer Aufbau des Themenblocks Lehrkompetenz Rückschlag-Sportspiele

In diesem Themenblock werden die Studierenden zunächst in einer angeleite-ten Explorationsphase mit den verschiedenen Schlaggeräten und Schlägern und den verschiedenen Plastik-, Feder-, Tennis-, Tischtennis-, Tschuk-, Tam-burin-, Peolota-, Soft-, Watte-, Japan-, Indiaca- und anderen Bällen in unter-schiedlichen Schläger-Ball-Kombinationen und unterschiedlicher Organisati-onsform (partnerweise-wechselnd frei in der Halle, partnerweise-wechselnd gegen die Wand, paarweise einander gegenüber in Linienaufstellung) vertraut gemacht.

Tab. 3: Übersicht über aktuelle partnerorientierte Rückschlag-Sport-Spiele

PartnerorientierteRückschlag-Sport-Spiele

nicht normierteRückschlag-Bewegungsspiele

- Federball, Speckbrett-Tennis- Ping Pong, Familytennis- Partner-Indiaca (mit/ohne

Schläger)- Scoopball, GOBA, Tamburinball- Federball-Squash, Prellballspiele- Faustballspiele, Speedminton- u.a.

normierteRückschlag-Sportspiele

- Badminton- Tennis- Tischtennis- Beachminton- Squash- Pelota- Speedminton- u. a.

Unbekannte Schläger, Bälle und Schläger-Ball-Kombinationen werden auf die-se Weise erprobt und hinsichtlich ihrer Eigenschaften und Spiel-Eignung re-flektiert („Was hat warum geklappt/nicht geklappt?“ „Wer hat ´gespielt´?“ „Woran erkennt man, dass man ´spielt´, dass man noch ´ausprobiert´?“). Deut-lich treten Rückschlagspiel übergreifende Anforderungen kontrastierend an-

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hand der verschiedenartigen Spiel- und Sportgeräte hervor: Flugbahn- und Absprungberechnung des Balles, situative Beinarbeit und antizipierende Dis-tanzregulation, Ausholtiming zum Treffpunkt des Balles, Ballgefühl bzw. variie-render Krafteinsatz beim Schlag, Richtungsdosierung u. a. (vgl. Roth, Kröger, Memmert, 2002, S. 40-56). Ebenso deutlich tritt hervor, dass den ⇒ Rück-schlagspiel übergreifenden Anforderungen ⇒ Rückschlag-Spiel übergreifende Fähigkeiten gegenüberstehen. Denn ausgewiesene Tennis- oder Badminton-spieler im Kurs kommen auch mit den Anforderungen unterschiedlicher Geräte und Bälle deutlich besser zurecht.

Sport-praktisch werden Grundlagen der angelesenen Spiel-Theorie erfahren: Die Exploration geht der Phase des Spiels immer voraus. Menschen spielen in der Regel nicht in einer neuen Umgebung oder mit unbekannten Materialien. Rückschlag-Spielen erfordert die Einigung auf eine Grundidee/Sinnrichtung des Spiels, ebenso eine Einigung auf die verwendeten Bälle und Schläger, die Spielerzahl, die Handlungsregeln, den Spielraum und die Spielzeit. Spiel(en) entsteht zudem nur dann, wenn die motorischen Anforderungen nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht sind, denn das spielerische Flow-Erlebnis hat seinen Ursprung in der spannungsgeladenen Zwischenzone von möglichem Erfolg und Nicht-Erfolg.

Deutlich wird, dass erfolgreiches Spielen ein schwieriges Unterfangen sein kann, dass verschiedene ineinandergreifende motorische, soziale, kommuni-kative und kreative Kompetenzen erfordert. Deutlich wird auch, dass motori-sche Fertigkeiten und Fähigkeiten die Grundlage für erfolgreiches Rückschlag-Sport-Spielen sind.

Auf diese Weise vorbereitet, werden die Kursteilnehmer in den folgenden Un-terrichtseinheiten in unterschiedlichen methodischen Verfahren und Aufga-benstellungen angeleitet, Rückschlag-Spiele(n) zu erproben, zu entwickeln, konstituierende Regelelemente des Spiels verständlich zu formulieren und in durchmischten Gruppen sich gegenseitig zu den erfundenen oder abgewan-delten Spielen anzuleiten. Beispielhaft sollen einige konkrete methodische Hil-fen, wie sie in den Kursen in dieser Phase der Veranstaltung erfolgreich Ver-wendung finden, aufgeführt werden. Denn gerade im Themenfeld „Spielen in und mit Sinnrichtungen und Regelstrukturen“ besteht ein hoher Nachfragebe-darf auf Seite der Lehrenden im schulischen wie im außerschulischen Bereich.

In der ersten Aufgabenstellung geht es in dem sog. Regellückenspiel darum (vgl. Digel, 1982, S. 74-78), die bekannten und im Spiel-Aufgabenblatt hervor-gehobenen konstituierenden Regelelemente des Badmintonspiels zu verän-dern oder völlig neu zu bestimmen, evtl. nach vorgegebenen differenzierenden Sinnrichtungen (s. die Aufgabenstellungen auf dem Hinweisblatt unten).

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DAS REGELLÜCKENSPIELAufgabe: 1.) Fülle die Lücken im Regellückenspiel.2.) Erprobe und verändere das neu konstruierte Spiel.3.) Überlege: Wie unterscheidet sich das ´neue´ Spiel von dem bekannten Bad-minton-Spiel? Wo liegen Schlüsselstellen, die Badminton als Sportspiel ausma-chen? Mit welcher Veränderung wandelt sich der Charakter des Spiels? -----------------------------------------------------------------------------------------------------------

⇒ Vereinfachte Regeln des bekannten Badminton-Sportspiels:

Das Badminton-Spiel ist ein wettkampforientiertes Rückschlagspiel. Zwei Spieler/Spielpaare stehen einander gegenüber. Das Spielfeld umfasst die fest-gesetzten Maße und verfügt über ein Netz (Höhe ca. 155cm). Das Spiel beginnt mit dem Aufschlag ´von unten´ von der T-Linie des Spielfeldes. Der Spieler, die Spielpaarung spielt nach einem Schlagkontakt den Federball volley über das Netz auf die andere Spielfeldseite, so dass die andere Seite den Federballnicht regelgerecht erreichen bzw. zurückspielen kann. Zum Spielen des Federballes ist der genormte Schläger zu benutzen. Ziel des Spieles ist es, 15 Punkte zu erreichen (Punkten kann nur die aufschlagende Partei).

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------

⇒ Konstruiere ein neues Spiel, indem Du die Lücken füllst:

Das ....................................-Spiel ist ein .............................................................Rückschlagspiel. ..................................................................stehen einander ge-genüber. Das Spielfeld umfasst ..................................................................... und verfügt über (k)ein Netz (Höhe ...................). Das Spiel beginnt mit………………................................... von ............................................des Spielfeldes………….

................................................spielt nach…………..........................................den

......................................................über das Netz auf die andere Spielfeldseite, so dass die andere Seite den…………..……....................................................... ………………........................ Zum Spielen des…………................................ ist ............................................ zu benutzen. Ziel des Spieles ist es, ...............................................................................................................................

Mögliche Zusatzaufgaben für das Regellückenspiel:1.) Konstruiere ein langsames Spiel, das strategisches Denken und Bewegung kombiniert.2.) Konstruiere ein Spiel, das gemeinsame, akrobatische Spielhandlungen ermöglicht.3.) Konstruiere ein Spiel, das schnell, aggressiv und wettkampforientiert ist.

Abb. 8: Methodische Anleitung: das Regellückenspiel, ausgehend vom Sportspiel Badminton

In einer weiteren Aufgabenstellung geht es darum, die Regelwerke von Vol-leyball und Badminton in ihrem konstituierenden Regelzusammenhang zu ver-stehen und spielend nachzuvollziehen (vgl. Digel, 1982, S. 88-89). Die Spiel-gruppe hat die Aufgabe, durch systematische Veränderung von Regelelemen-ten z. B. das bekannte Sportspiel Volleyball in das bekannte Sportspiel Bad-minton (oder das Freizeitspiel Federball!) zu verwandeln. Anzumerken ist, dass sich manchmal die ge- bzw. erfundenen Zwischen-Spiele für die Teil-nehmer als attraktiver erweisen als die jeweils bekannten Anfangs-/Endspiele.

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Von VOLLEYBALL ZU BADMINTON/FEDERBALL: Verwandle die Sportart Volleyball über eine Abfolge von Regeländerungen schrittweise in die Sportart Badminton. Berücksichtige „Inventar, Personal, Raum, Zeit, Handlungsregeln und Sinnrichtung/Ziel d. Spiels“ 1. Nimm eine Regeländerung vor, 2. Erprobe sie, 3. Charakterisiere die entstandene Veränderung des Spiels.

ZielspielBadminton

4. Verän-derung

Folgen für das Spiel

3. Verän-derung

Folgen für das Spiel

2. Verän-derung

Folgen für das Spiel

1. Verän-derung

Sinnrich-tung,Ziel:WOZU?

Hand-lungs-regeln:WIE?

Zeit(-verlauf):WIE LANGE?

Raum, Spielfeld:

WO?

Spieler-personal:

WER?

Inventar, Spiel-geräte:WOMIT?

ZielspielBadminton

4. Verän-derung

Folgen für das Spiel

3. Verän-derung

Folgen für das Spiel

2. Verän-derung

Folgen für das Spiel

1. Verän-derung

Sinnrich-tung,Ziel:WOZU?

Hand-lungs-regeln:WIE?

Zeit(-verlauf):WIE LANGE?

Raum, Spielfeld:

WO?

Spieler-personal:

WER?

Inventar, Spiel-geräte:WOMIT?

Abb. 9: Methodische Anleitung: Von Volleyball zu Badminton/Federball

Eine freiere und anspruchsvollere, aber fast immer erfolgreiche Form der me-thodischen Hilfe zur Erfindung eines Rückschlag-Spiels stellt der Spiele-Ex-plorer dar:

Der Name Eures Spiels:

Wie muss der Ball gespielt werden?

Wie ist der Spielraum gestaltet?

Welche Schläger/Bälle verwendet Ihr?

Was ist die Grundidee/das Ziel Eures Spiels?

Das Explorer-Team, Name:

Der Name Eures Spiels:

Wie muss der Ball gespielt werden?

Wie ist der Spielraum gestaltet?

Welche Schläger/Bälle verwendet Ihr?

Was ist die Grundidee/das Ziel Eures Spiels?

Das Explorer-Team, Name:

Der Spiele-Explorer

Abb. 10: Methodische Anleitung: Der Spiele-Explorer

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Eine sinnvolle, anspruchsvolle Hilfe zur Gestaltung von veränderten oder neu-en Rückschlag-Spielen sind die „drei Arten des Spiels“ nach Sutton-Smith (1978, S. 17-18):

SUTTON-SMITH unterscheidet drei Arten von Spielen:1.) GeschicklichkeitsspieleVerlauf/Ergebnis des Spiels >bestimmt durch die motorische Aktivität und Qualität2.) GlücksspieleSpiel >bestimmt durch motorische Aktivität und externe, nicht kontrollierbare Einflüsse3.) StrategiespieleSpiel >bestimmt durch motorische Aktivität und rationale Entscheidungen der Spieler

In der Regel bestehen Bewegungs- und Sportspiele aus Mischformen der drei Idealtypen!

Glück

GeschickStrategie

Man kann vorhandene Spiele zielgerichtet gestalten, indem man durch Regel- und In-ventarveränderungen (z. B. ein Ball mit anderen Sprungeigenschaften) die Bedeutung⇒ der motorischen Geschicklichkeit⇒ der Glückselemente⇒ der strategisch-taktischen Entscheidungenfür den Spielverlauf wie in einem Reglersystem verändert, ´höher´ oder ´niedriger´ regelt.

Übung: Stelle die ´Regler´ Dir bekannter Sportarten ein, indem Du Kreuze machst:⇒Fußball (rot) ⇒Volleyball (blau) ⇒Badminton (grün) ⇒Surfregatta (schwarz)

Geschick

Glück

Strategie

Bedeutung im Spiel hochgering

Aufgabe: Verändere >Geschick >Glück >Strategie in ihrer Bedeutung für den Verlauf a) des kooperativen Federballspiels b) des Wettkampf-Badminton durch vielfältige Veränderungen bei den Spiel- und Inventarregeln.

Abb. 11: Methodische Anleitung: Die „drei Arten des Spiels“ nach Sutton-Smith (1978)

Ein unangekündigter Besucher von Veranstaltungen, in denen mit Hilfe der vorgestellten Aufgabenstellungen Spiele arbeitend oder spielend entwickelt, erprobt, erfunden und verändert werden, erlebt eine evtl. verwirrend andersar-tige Kursatmosphäre im Vergleich zu Badminton-Kursstunden. Studierende laufen durcheinander, holen sich neue Schlaggeräte, platzieren Kästen in ei-nem Spielfeldbereich, bekleben Wände und Böden mit Krepp-Markierungen,

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streiten sich, lachen, spielen ohne Bewusstsein von Zeit und Raum oder lang-weilen sich, wollen wieder „richtig Badminton spielen“, regen sich über passive Gruppenmitglieder auf, überlegen die Formulierung von Spielregeln, erklären ihr Aufsehen erregendes Spiel neugierigen Kursteilnehmern, die das Spiel auch ausprobieren wollen u. v. m.

Nach den zwei bzw. vier zweistündigen Kurseinheiten dieses Themenblocks ist festzustellen, dass die Mehrzahl der Studierenden das Erlebte als span-nend und als Perspektiven erweiternd bewertet. Der Mehrzahl der Studieren-den „reicht es dann nach 4 UE aber auch“! Der Themenblock Sport-Spielen ist offensichtlich ausgereizt, und die Studierenden kommen gerne wieder zum kunstvollen und bewährten Regelwerk der Sportart Badminton zurück.

Eine notwendige, aber nicht zu ausgedehnte (!) Abschlussbesprechung, die an das Erlebte in der Sporthalle direkt anknüpft, thematisiert in der aktuellen Kursgestaltung den notwendigen Rollenwechsel und das bewusst zu verän-dernde Auftreten eines Lehrenden in den Badminton- und in den Rückschlag-Spiele-Kurseinheiten anhand einer gesprächssteuernden und Wissen vermit-telnden Übersichtsdarstellung:

Was kann ein Sport Vermittelnder l e i s t e n?Welche Rollen muss er je nach Situation einnehmen?

Wissensvermittler Notengeber/Bewertender

Motivator, Animateur TrainerSchiedsrichter

Organisator Tröstender

Mitspieler Helfer und Berater Mediziner

Schlichter Vorturner/DemonstratorErzieher

1.) Welche Rollen/Aktionen/Verhaltensweisen der Teilnehmenden stehen den Rollen des Lehrenden gegenüber?2.) Welche Rollenunterschiede bestehen auf Seiten des Lehrenden bei der Vermittlung von Badminton und von Rückschlag-Spielen?

Abb. 12: Unterschiedliche Rollen eines Sport-Spiel-Vermittelnden

Zudem werden in dieser Besprechung abschließend Sinn und Wert des Rück-schlag-Spiel(en)s für verschiedene Adressatengruppen auf der Grundlage der Spieltheorie von Sutton-Smith (1978) thematisiert:

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Spiel(en) fördert und erzieht die Menschen!

⇒ Spielen ist eine universelle biologisch-menschliche Verhaltensweise, aber:⇒ Höher entwickelte Tiere spielen mehr und länger als niedere Arten.⇒ In komplexen Kulturen wird mehr und komplexer gespielt.⇒ Jungen spielen anders als Mädchen, Ältere anders als Jüngere, Spiel ist auch

schichtenspezifisch.⇒ Kinder, die viel spielen, werden kreativer (als andere) und spielen bis ins hohe Alter!⇒ „Die Freude entspringt dem Tun selbst und basiert nicht auf dem, was getan worden

ist. Der Prozess ist wichtiger als das Resultat. Spiel ist deshalb eine Domäne derFreiheit.“

⇒ Spiel als Aufbau und Abbau von Erregung mit psychischer Ausgleichsfunktion.⇒ Stärkung von Selbstvertrauen/Identität durch erfolgreiches Spielerlebnis.⇒ Gesellschaftliche Institutionen vermitteln den Aufwachsenden über die Formen des

Spiels Werte, die in den Spielen abgebildet werden, Spiel hat eine sozialisierendeFunktion.

Spiel hat die Funktion der Innovation!

⇒ Im geschützten Raum des Spiels begeben sich Menschen in „Gefahrensituationen“,auf unbekanntes Terrain, die sie im Spiel austestend bewältigen… Im Spiel werdenGegensätze ausgelebt (und trainiert), die im Leben, im Ernstbereich oft nur schwerbewältigt, ausgelebt werden können: Gewinnen und Verlieren, Scheitern und Erfolg,Ordnung und Unordnung, Annäherung und Zurückweisung …

⇒ Warum? Das Spiel bleibt ohne Konsequenzen… Nur im Spiel kann der Menschgefahrlos lernen, Neues auszutesten und mit den Folgen des Neuen umzugehen.

⇒ Training der Kreativität im Spiel und durch Spielen.

Warum eigentlich Spiel(en)?Thesen aus: Brian Sutton-Smith: Die Dialektik des Spiels (1978)

Abb. 13: Warum eigentlich Spiele(n), Thesen von Sutton Smith (1978)

5.3 Konzeptionelle Unterschiede zwischen der Vertiefungsveranstaltung mit 6 CP/4SWS und der Basisveranstaltung mit 3 CP/2 SWS

Wie bereits erläutert (s. Kap. 4), besteht das Modul 3 Sportspiele aus zwei 3 CP/2 SWS-Veranstaltungen und einer 6 CP/4 SWS-Vertiefungsveranstal-tung. Während es in den beiden von den Studierenden zu absolvierenden kür-zeren Basisveranstaltungen eher um das sportwissenschaftlich vertiefte und methodisch reflektierende Bewegungslernen geht, ist in der Vertiefungsveran-staltung darüber hinaus der Erwerb von Lehr- und Vermittlungskompetenz ei-ne zentrale Zielsetzung. Dies geschieht insbesondere durch die abzuleistende Lehrprobe. Das Thema der Lehrprobe, die die Studierenden mit dem gesam-ten Kurs während der Veranstaltungszeit durchführen, ist abgestimmter und eingepasster Bestandteil der aufeinander aufbauenden Kursinhalte. Themen-stellungen reichen von der Durchführung einer kompakten 15minütigen Lehr-probe zur Verbesserung der badmintonspezifischen Schnellkraft im Bereich Beine und/oder Unterarme, über die 60-minütige, exemplarische Vorstellung eines badmintonspezifischen Spielgemäßen Konzeptes oder Circuit-Trainings bis hin zur Übernahme von Kursanteilen im Themenblock „Rückschlag-Spiele“ nach Vorgaben des Dozenten. Nach einer Vorbesprechung des Themas ha-

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ben die Studierenden einen Lehrprobenentwurf nach dem Muster des Arbeits-bereichs Sportpädagogik/Sportdidaktik der Bochumer Fakultät anzufertigen. Ein badmintonspezifisches Miniskript steht hiefür zur Verfügung. Im Anschluss an die durchgeführte Lehrprobe erfolgt die Lehrproben-Reflexion nach dem Muster einer Examens-/Diplom- oder Master-Abschluss-Lehrprobe.

Unbedingt wünschenswert wäre eine solche Vorgehensweise bei der Vermitt-lung von Lehrkompetenz auch in den kürzeren Basisveranstaltungen, wie es Hubert Remmert im Bereich Mannschafts-Sportspiele/Basketball handhabt (s. dessen Beitrag im vorliegenden Band). In einer Basisveranstaltung stehen al-lerdings nur 11 bis 13 doppelstündige Kurseinheiten zur Verfügung, was die Durchführung von Lehrübungen der 20-25 Kurseilnehmer in den Augen des Verfassers aus zeitlich-organisatorischen Gründen kaum zulässt.

Während sich die 60minütige Abschlussklausur für die Teilnehmer von Basis- und Vertiefungsveranstaltungen nicht unterscheidet, haben die Teilnehmer der Vertiefungsveranstaltung neben der Lehrprobe erweiterte sportmotorische „Hakenaufgaben“ (s. Tab. 2) eigenständig zu erarbeiten und eine erweiterte Praxisprüfung zu bestehen. Die Praxisprüfung ist an dem Kriterium sportprak-tischer Lehrkompetenz orientiert und umfasst für die Teilnehmer der Basisver-anstaltung:

1. den benoteten Nachweis der Demonstrationsfähigkeit eines Vh-Ük-Clear oder eines Rh-Üh-Clear (trocken ohne Ball), phasenorientiert nach dem Prinzip der formelhaften Rede („Grundposition-Ballerwartungs-haltung-Schleife-Unterarmdrehung-Ausschwung-Grundposition“),

2. den benoteten Nachweis der Mitspielfähigkeit anhand der Schlagkombi-nation „Lob-Clear-Clear-Drop-Stopp“,

darüber hinaus für die Teilnehmer der Vertiefungsveranstaltung:

3. den benoteten Nachweis der Zuspielfähigkeit anhand der Durchführung einer bestimmten Form des Eckentrainings mit einem vergleichsweise spielstarken Übungspartner.

Alle Prüfungsformen werden frühzeitig im Kursverlauf, vor Beginn des The-menblocks „Rückschlag-Spiele“, vorgestellt und mit Hilfe der im Skript enthal-tenen Dozenten-Prüfungsbögen erprobt.

6 Erfahrungen mit der Umsetzung des Vermittlungskonzeptes und ungelöste Probleme: der IST-Wert

Kann das Vorgestellte in der Sporthalle wirklich klappen,- was da als Soll-Wert eines Vermittlungskonzeptes zu Papier gebracht wurde? Eine Reihe von kon-kreten methodischen Umsetzungsproblemen wird im Kopf des geneigten Le-sers aufgetaucht sein. Von diesen Problemen soll abschließend die Rede sein,

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indem von den Erfahrungen, Erfolgen und Misserfolgen bei der Umsetzung des Vermittlungskonzeptes berichtet wird. Denn das Auseinanderklaffen von Soll- und Ist-Werten bei der Umsetzung von Lehr- und Lernprozessen im Zu-sammenspiel von Lehrenden und Lernenden ist etwas zutiefst Normales und Menschliches ist. Wahrnehmung und Analyse von immer wieder auftretenden Problemen, von Gelungenem und Misslungenem können der Fortentwicklung eines Vermittlungskonzeptes nur förderlich sein.

Bei allen im Folgenden benannten Problemfeldern ist vorweg anzumerken, dass das vorgestellte Vermittlungskonzept, das als Ganzes für zwei- und vier-stündige Veranstaltungen Geltung beansprucht, in den umfangreicheren 4-SWS-Veranstaltungen in der Regel erfolgreich umgesetzt werden kann. Da-gegen treten die zu benennenden Probleme in den zweistündigen Veranstal-tungen, in denen der Dozent nur eine Veranstaltung/Woche mit den Studie-renden in der Halle verbringt, in einer verstärkten Form auf, die die Umsetzung der Lernziele bei einem größeren Anteil an Studierenden gefährdet.

Zunächst sind die zunehmend schwierigen motorischen Lernvoraussetzungen vieler Studierender zu nennen, die den Lernerfolg hinsichtlich der anspruchs-vollen Lernziele der Veranstaltung gefährden. Was allgemein mit Blick auf die motorische Entwicklung und die bewegungsfernere Sozialisation heutiger Schulkinder beklagt wird und evaluiert ist, gilt anscheinend auch für Sportstu-dierende in zunehmendem Maße. Schnelligkeit, Beweglichkeit, Kraft und, mit Blick auf Badminton, insbesondere die Auge-Hand-Ball-Koordination sind bei einer zunehmenden Zahl von Studierenden in einer problematischen Weise schwächer entwickelt. Das soll gar nicht moralisierend beklagt, aber festge-stellt werden, denn auf der anderen Seite ist die in der Wahrnehmung des Ver-fassers eindeutig gewachsene Motivation und Einsatzbereitschaft gerade der BA-Studienanfänger der letzten Jahre hervorzuheben. Ganz konkret: War der mit Bratpfannengriff Federball spielende, die Rückhand kaum treffende Studie-rende vor einigen Jahren noch eine exotische Ausnahmeerscheinung, so ist diese Studierendengruppe inzwischen ein fester, unterschiedlich großer Be-standteil jedes Kurses geworden. Die Konsequenzen für das vorgestellte Ver-mittlungskonzept sowohl im Themenblock Badminton als auch im Themen-block Rückschlag-Spiele(n) sind offensichtlich und brauchen nur angedeutet zu werden. Der angestrebte Soll-Wert einer „spielgemäßen“ Vorgehensweise ist für diese Studierende kaum zu verwirklichen. Das mühselige Erarbeiten einfacher, notwendiger Bewegungsmuster steht für viele Studierende im Vor-dergrund. Badminton-Spielen und Badminton-Spielen Verstehen sind unter diesen Bedingungen für eine wachsende Zahl von Studierenden insbesondere im zweistündigen Kurs nicht oder kaum thematisierbar. Gerade die spieltakti-sche Ebene des „Lesens und Lösens“ von Spielsituationen kann für viele Stu-dierende nur theoretisch erschlossen werden. Motorisch anspruchsvollere, den Reiz eines badmintonspezifischen ´Trainings´ ausmachende Übungsfor-men wie Multifeeding oder Eckentraining lassen sich nur exemplarisch mit we-

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nigen Studierenden sachgerecht durchführen, ohne ´falsche´ Bewegungsmus-ter zu festigen.

Aber auch die Erfolge bei der entwickelnden Gestaltung von Rückschlag-Spielen sind selbst bei hoher Kreativität und Einsatzbereitschaft für Studieren-de bei mangelnden motorischen Fertigkeiten und Fähigkeiten im Bereich der Auge-Hand-Ball-Koordination nur begrenzt erreichbar. Allein der Einsatz von stark Zeitdruck reduzierenden Gerätschaften wie z. B. Luftballons, Watte- und Japanbällen führt zu erfolgreichen Formen des Rückschlag-Spielens. Auch wenn der vorrangige Sinn akademischer Sport-Praxis-Ausbildung nicht in dem Erlernen von motorischen Fertigkeiten liegen mag, so ist ein gewisses Maß an reflektiert erworbener Eigenrealisation und Spielfähigkeit notwendig, um im Sport- und Bewegungsfeld Badminton/Rückschlag-Spiele erzieherisch, gestal-tend oder arrangierend handeln zu können.

Auch das vorgestellte Konzept der eigenständigen studentischen Erarbeitung motorischer Aufgabenstellungen vor dem Hintergrund des workload-Prinzips der neuen Studiengänge ist bei den problematischen motorischen Vorausset-zungen vieler Studierender vor allem im zweistündigen Kurs in Frage gestellt. Betroffene Studierende sind selbst bei hoher Lernbereitschaft und visuellen Hilfen im E-Learning-Blackboard-System (downloadbare Videoclips von Soll-Werten) oft nicht ohne professionelle Anleitung durch einen ´Fachmann´ in der Lage, die motorischen Aufgabenstellungen eigenständig zu erarbeiten. Es entsteht eine ´Haken-Hatz´ und eine für beide Seiten nicht akzeptable Kurs- und ´Gummipunkt-Erfüllungs-Atmosphäre´. Hakengesteuerte, extrinsische Mo-tivationen können in den Vordergrund geraten, und Hakenerfüllung kann im Bewusstsein von motorisch weniger begabten Studierenden zum Selbstzweck des Studienprozesses werden. Die rein instrumentelle methodisch-didaktische Bedeutung des Hakensystems (s. Kap. 5.2) gerät aus dem Blick.

Aufgrund der gesammelten Erfahrungen ist für die 2-SWS-Basisveranstaltun-gen deshalb über ein inhaltlich reduziertes Vermittlungskonzept Rückschlag-spiele/Badminton nachzudenken.

Grundsätzlich ist das workload-Prinzip eines wachsenden Anteils eigenständig durchzuführender studentischer Arbeitsaufgaben in den gestuften Studien-gängen zu befürworten, bringt allerdings gerade im Bereich der Sport-Praxis größere organisatorische Probleme, insbesondere für die Zwei-Fach-Lehr-amtsstudierenden, mit sich. Lehrämtler haben die Veranstaltungen zweier, in Bochum räumlich häufig weit auseinander liegender Studienfächer zeitlich zu koordinieren. Zudem haben Sportstudierende unterschiedliche zweite Fächer mit verschiedenartigen workload-Anforderungen und müssen zudem den sog. fächerübergreifenden Optionalbereich bei ihren zeitlichen Planungen berück-sichtigen. Alle diese Anforderungen sind wiederum auf die vorgegebenen, freien Sporthallen-Zeiten abzustimmen. Dass hier selbst bei hohem Engage-ment Probleme auftreten, ist von Dozenten unbedingt zu berücksichtigen.

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Gerade auch die von curricularen Normwerten hochgetriebenen Teilnehmer-zahlen von Sport-Praxis-Veranstaltungen (in der Regel 25 Veranstaltungsteil-nehmer im Bereich Rückschlag-Spiele/Badminton) erschweren den Prozess des angeleiteten und reflektierenden Bewegungslernens, insbesondere wenn nur 5 Badmintonfelder zur Verfügung stehen. Auf diese Weise steht das Halb-Feld-Badminton-Spiel und damit einseitig die ´längsachsenorientierte´ Wahr-nehmungs- und Spielfähigkeit (Schlagvariation allein kurz – lang) unter Ver-nachlässigung der Spielfeldbreite (Schlagvariation cross – longline) viel zu sehr im Vordergrund. Das badmintonspezifische motorisch-taktische Anforde-rungsprofil wird hierdurch grundsätzlich verfälscht.

Das schwerwiegende konzeptionelle Problem fehlender studentischer Lehr-proben in zweistündigen Rückschlag-Spiele/Badminton-Veranstaltungen als zentraler Qualifizierungsbaustein nicht nur für Lehramtsstudierende ist bereits thematisiert worden, soll aber an dieser Stelle nochmals hervorgehoben wer-den. Eine akzeptable Lösung ist im Moment für den Verfasser nicht in Sicht.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass eine fruchtbare Umsetzung des workload gesteuerten Studiensystems nicht nur auf Seiten der Studierenden ein verstärktes Engagement erfordert. Auf der Seite der Lehrenden ist ein me-thodisch-didaktisches Umdenken und innovatives Neudenken von Veranstal-tungsformen erforderlich. Auch muss den Lehrenden klar sein, dass dieses System, wenn man es ernst nimmt, einen erheblich gesteigerten Arbeitsauf-wand in der Lehre mit sich bringt.

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