Niedersachsen Geschichte

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    Der Verfasser:Dr. Dieter Brosius, Leitender Archivdirektor am Hauptstaatsarchiv Hannover.Verffentlichungen:Rudolf von Bennigsen als Oberprsident der Provinz Hannover, 1965.Das Stift Obernkirchen 1167-1565,1967.Zahlreiche weitere Aufstze und Quellenverffentlichungen zur niederschsischenLandesgeschichte.

    Herausgegebenvon der Niederschsischen Landeszentrale fr politische Bildung HannoverUnvernderter Nachdruck der 6., erweiterten Auflage, Hannover 1993.

    Redaktion: Dr. Dietmar StorchUmschlaggestaltung: Schwanke & Raasch, HannoverBildquellen: Bildarchiv Preuischer Kulturbesitz l Historisches Museum am Hohen UferHannover 2 Dietrich Klatt, Celle 2 Heinz Koberg, Groburgwedel l NiederschsischesLandesverwaltungsamt, Bildungstechnologie (Landesbildstelle) 18 Presseamt derLandeshauptstadt Hannover 2 H. B. Rdiger, Friedeburg 2 Stadtarchiv Lneburg l Stdtisches Museum Gttingen l.Druck: braunschweig-druck GmbH, BraunschweigDiese Verffentlichung stellt keine Meinungsuerung der NiederschsischenLandeszentrale fr politische Bildung dar. Fr die inhaltlichen Aussagen trgt der Autor dieVerantwortung.Umweltfreundlich gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

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    InhaltVorbemerkung..........................................................................................................................4 Germanen und Rmer in Nordwestdeutschland ......................................................................4Der schsische Stammesstaat" ..............................................................................................5Die Friesen...............................................................................................................................6Sachsens Eingliederung in das Frankenreich..........................................................................6Die Zeit der Ottonen.................................................................................................................7Sachsen unter den Saliern ......................................................................................................8Aufstieg und Sturz Heinrichs des Lwen................................................................................10Das Herzogtum Braunschweig-Lneburg ..............................................................................12Territorialbildung im spten Mittelalter ................................................................................... 12Die Bistmer...........................................................................................................................12Kleinere weltliche Staaten......................................................................................................14Die welfischen Territorien.......................................................................................................16Schwache Landesherren - starke Stdte ............................................................................... 18Straffung des landesherrlichen Regiments ............................................................................19Die Lage der Bauern ..............................................................................................................19Klster und Klosterreform.......................................................................................................20Die Zeit der Reformation ........................................................................................................20Bltezeit im Frhabsolutismus ...............................................................................................22Im Dreiigjhrigen Krieg.........................................................................................................23Folgen des Krieges ................................................................................................................26Die welfischen Staaten im Absolutismus................................................................................27Englische Thronfolge und Personalunion...............................................................................27Innere Entwicklung im 18. Jahrhundert ..................................................................................28Das Zeitalter Napoleons.........................................................................................................30Neuordnung im Wiener Kongre............................................................................................31Restauration, Vormrz und brgerliche Revolution................................................................32

    Reaktion und preuische Annexion .......................................................................................33Hannover als preuische Provinz ..........................................................................................34Im Bismarckreich....................................................................................................................35bergang zur Republik...........................................................................................................36Im Staat von Weimar..............................................................................................................36Die Jahre des Nationalsozialismus ........................................................................................36Ende und Neubeginn..............................................................................................................37Anfnge des Landes Niedersachsen .....................................................................................39Literaturhinweise .................................................................................................................... 42

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    VorbemerkungDas Land Niedersachsen ist am l. November 1946 durch eine Verordnung der BritischenMilitrregierung ins Leben gerufen worden. Im Kreis der Bundeslnder gehrt es also zu

    denen, die nicht auf eine weit in die Geschichte zurckreichende Tradition blicken knnen,sondern ihre Existenz der von der deutschen Katastrophe des Jahres 1945 ausgelstenstaatlichen Neuordnung verdanken.Diese Tatsache bedeutet aber nicht etwa, da Niedersachsen als ein knstliches Gebildeohne alle geschichtlichen Grundlagen zu betrachten wre. Selbstverstndlich hat der Raumzwischen Elbe und Ems, Harz und Nordsee wie jede andere deutsche Landschaft eine langehistorische Entwicklung durchgemacht - eine Entwicklung, von der das heutige Bundeslandunbersehbar geprgt ist. Sie lief allerdings keineswegs geradlinig und zwangslufig auf den1946 erreichten Zusammenschlu der vier berkommenen Lnder Hannover, Braunschweig,Oldenburg und Schaumburg-Lippe in einer staatlichen Einheit zu. Im Gang der Geschichtetraten auseinanderstrebende Tendenzen in den einzelnen Regionen ebenso und manchmalsogar strker hervor als Gemeinsamkeiten, und ohne viel Fantasie knnte man sich fr dieGliederung Nordwestdeutschlands auch andere Lsungen vorstellen als die nach dem Endedes zweiten Weltkriegs gefundene.

    Dennoch war die Schaffung des Landes Niedersachsen kein zuflliges Ergebnisgeschichtsferner politischer Entscheidungen. Vielmehr war sie von starken Krften im Landeselbst seit lngerer Zeit bewut angestrebt und geistig vorbereitet worden. Das Bewutseinder Zusammengehrigkeit des altschsischen Stammesgebiets war trotz seinerZerschlagung in eine Vielzahl von Territorien im spten Mittelalter niemals ganz verlorengegangen. Im 19. Jahrhundert wurde es von der geschichtlich orientierten Heimatbewegungneu belebt, und nach dem Ende des Knigreichs Hannover 1866 entstand aus der Distanzweiter Kreise der Bevlkerung zum preuischen Grostaat allmhlich ein Niedersachsen-

    Bewutsein, das ber die geistig-kulturelle Ebene hinaus schlielich auch auf einenpolitischen Zusammenschlu zielte. Forderungen der Unternehmerverbnde nach einemeinheitlichen Wirtschaftsgebiet kamen hinzu. Die Reformbewegung der Weimarer Zeit griffdas auf, und die Landesplanung entwickelte entsprechende Konzepte. So waren dieWeichen fr eine groflchige Staatsbildung im niederschsischen Raum lngst gestellt, unddie 1946 getroffene Entscheidung vollzog nur das nach, was der politischen Notwendigkeitebenso entsprach wie den Wnschen und dem Selbstverstndnis der groen Mehrheit derBevlkerung.

    Germanen und Rmer in NordwestdeutschlandDie ltesten Nachrichten ber den nordwestdeutschen Raum stammen aus den Jahrzehntenvor und nach Beginn unserer Zeitrechnung, als die Rmer versuchten, ihren Machtbereichber den Rhein hinaus bis an Unterelbe und Nordsee zu erweitern. In den Berichtenrmischer Historiker ber die Eroberungsfeldzge werden die Namen mehrerergermanischer Stmme genannt,die damals zwischen Ems und Elbe ansssig waren: die Chauken im Kstenbereich derNordsee, die Langobarden an der Elbe um Lneburg, die Angrivarier an der mittleren Weser,sdlich davon die Cherusker, in Westfalen die Brukterer und schlielich an der Ems dieAmpsivarier, um nur die wichtigsten zu erwhnen. Die Cherusker spielten unter ihrem FhrerArminius eine bedeutsame Rolle bei einem Aufstand im Jahre 9 nach Christi Geburt, der denUntergang eines von Varus befehligten rmischen Heers in der Schlacht am TeutoburgerWald zur Folge hatte. Diese Niederlage leitete eine Wende der Politik Roms ein; dieEinbeziehung auch des nrdlichen Germanien in das Reich war gescheitert, und die dort

    lebenden Vlkerschaften blieben frei von rmischer Herrschaft.

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    Sie nutzten diese Freiheit nicht, jedenfalls nicht dauerhaft, zu einem Zusammenschlu.Vielmehr blieb es beim Nebeneinander der einzelnen Stmme, die in dem erst zum kleinenTeil der Siedlung erschlossenen Land durch breite unbesiedelte Grenzsume voneinandergetrennt waren. Und selbst diese von der Archologie bezeugten Wohnsitze waren wenigkonstant. Ganze Volksstmme begaben sich auf Wanderschaft, veranlat vielleicht durchnderungen des Klimas, verschwanden ganz oder tauchten an anderer Stelle wieder auf.Teilweise kam es wohl auch zu Vernderungen oder berlagerungen. Insgesamt bleibtunsere Kenntnis von dieser Frhzeit recht drftig. Die germanischen Stmme kannten nochkeine Schriftlichkeit und haben daher keine Quellen hinterlassen. Ihre Beziehungen zu demallmhlich zerfallenden rmischen Imperium blieben locker, so da auch die sptantikenSchriftsteller wenig Notiz von ihnen nahmen.

    Derschsische Stammesstaat"Im Zuge der groen Vlkerwanderungsbewegung an der Schwelle zum frhen Mittelalterdrang seit dem Ende des dritten Jahrhunderts der Stamm der Sachsen von seiner Heimat inHolstein aus ber die Elbe nach Sden vor und dehnte sich bis in das siebte Jahrhundertber fast das gesamte heutige Nordwestdeutschland aus. Das Stammesgebiet reichte

    schlielich bis an Werra und Unstrut; es schlo Westfalen und die sptere brandenburgischeAltmark mit ein. Soweit die lteren Stmme in diesem Bereich noch existierten, wurden siedabei berlagert und in den schsischen Stammesverband einbezogen.

    Athena-Schale und Henkelbecher aus dem 1868 beiHildesheim gefundenen rmischen Tafelsilber (heute in Berlin),

    einem der bedeutendsten Schatzfunde aus dem Beginnunserer Zeitrechnung.

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    Es ist eine alte Streitfrage, ob diese Ausdehnung gewaltsam oder friedlich geschah, durchkriegerische Unterwerfung der eingesessenen Bevlkerung oder durch ihren freiwilligenAnschlu. Man glaubt heute eher an ein Bndnis, zumal der Kernstamm der Sachsen kaumzahlreich genug gewesen sein drfte, um die anderen Vlkerschaften gegen ihren Willen zubeherrschen. Andererseits deutet die stndische Gliederung des Stamms in Edelinge,Frilinge, halbfreie Laten und Unfreie auf Herrschaftsverhltnisse hin, die eigentlich nur ausEroberung und Knechtung entstanden sein knnen. Mglicherweise bediente sich dieschsische Herrschaftsbildung beider Elemente, des Bndnisses und der Eroberung,nebeneinander.

    Die Sachsen kannten, anders als die brigen germanischen Stmme, keine monarchischeVerfassung. Das Stammesgebiet war in etwa 60 Gaue unterteilt, kleinrumigeSiedlungseinheiten, die locker in den vier Stammeslandschaften oder Herrschaften derWestfalen, Engern, Ostfalen und Nordleute zusammengefat waren. Auf derStammesversammlung in Marklo vielleicht Marklohe bei Nienburg beriet man gemeinsaminteressierende Angelegenheiten. Nur in Kriegszeiten wurde ein Herzog als Fhrer desgesamten Aufgebots gewhlt. Im brigen aber stellte offenbar jede der

    Stammeslandschaften ihre regionalen Eigeninteressen in den Vordergrund. Einegeschlossene staatliche Einheit ist das alte Sachsen daher kaum gewesen. Die politischeMacht, die allein bei der adligen Oberschicht lag, war zersplittert, und es fehlt an einer dieKrfte zusammenfassenden zentralen Instanz.

    DieFriesenNicht in den schsischen Stammesraum einbezogen wurde der Gebietsstreifen an derNordseekste, in dem nach dem Abwandern der Chauken die Friesen sich angesiedelthatten. Ihre Stammsitze lagen westlich der Ems in den nrdlichen Provinzen derNiederlande. Im 6. Jahrhundert dehnten sie sich nach Osten bis hin zur Wesermndung ausund bewahrten gegenber dem schsischen Nachbarstamm eine vllige, auch sprachliche

    Eigenstndigkeit. Auch sie waren politisch in kleinrumigen Gemeinschaften organisiert undentzogen sich allen Versuchen, eine bergreifende Herrschaftsgewalt durchzusetzen. Mitihrem stark ausgeprgten Stammesbewusstsein gelang es ihnen, ber Jahrhunderte hinwegin dieser nordwestlichsten Region Niedersachsens ein Eigenleben zu fhren.

    SachsensEingliederungindasFrankenreichSchon seit dem 6. Jahrhundert, zur Zeit der Merowinger-Knige, war es mehrfach zukriegerischen Konflikten der Sachsen mit den Franken gekommen, die sich einer weiterenschsischen Ausdehnung in Richtung auf den Rhein widersetzten. Unter den Karolingerngingen die Franken dann selbst zur Offensive ber. Seit 775 unternahm Karl der Groe dieEingliederung der Sachsen und auch der Friesen in das Frnkische Reich. Er hatte dabeizum Teil heftigen Widerstand zu berwinden, der aber nicht voll zum Tragen kam, weil dieschsischen Gaue und Heerschaften sich auch jetzt nur selten zu gemeinsamem Handelnzusammenfanden. Eine geschlossene Front kam auch deshalb nicht zustande, weil einGroteil des schsischen Adels sich rasch fr das karolingische Knigtum gewinnen lie,das seinerseits den politischen und materiellen Interessen der Fhrungsschicht weitentgegenkam. Die buerliche Bevlkerung dagegen widersetzte sich den Franken hartnckigund mit Ausdauer. Das berchtigte Strafgericht von Verden im Jahre 782, bei dem 4500Aufstndische gettet worden sein sollen - die Zahl war sicherlich geringer -, markiert einenHhepunkt des Konflikts und fachte auch in bereits befriedeten Gegenden die Emprung derSachsen noch einmal an. Nach der Unterwerfung und Taufe ihres Anfhrers Widukind, derdieses eine Mal wenigstens fast den gesamten Stamm hinter sich vereinen konnte, kam esjedoch nur noch zu lokalen Aufstnden, besonders im Norden des Landes. Karl konnte sie

    durch Strafaktionen und Umsiedlung der Bevlkerung bald niederschlagen. Seit 804 bliebSachsen im wesentlichen ruhig, von vereinzelten Nachwehen wie dem Stellinga-Aufstand

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    841-843 abgesehen. Der Anschlu Frieslands an das Frankenreich war schon 785erfolgreich beendet worden.

    Die Christianisierung Nordwestdeutschlands wurde durch angelschsische Missionarebereits im 7. Jahrhundert begonnen. Karl und seine Nachfolger setzten deren Werk fort undberzogen das schsische Gebiet mit einem Netz von Bistmern: Bremen und Verden,Minden und Osnabrck, Mnster und Paderborn, Halberstadt und Hildesheim. Das KlosterCorvey an der Weser war als wichtiges Missionszentrum schon zu Anfang des 9.Jahrhunderts entstanden; ihm folgte bis zur Jahrtausendwende eine ganze Reihe weiterergeistlicher Anstalten, hufig von schsischen Adelsfamilien gestiftet und aus ihremGterbesitz ausgestattet. Unter den Kirchenfhrern dieser Frhzeit ragt die Gestalt Ansgars,des 865 gestorbenen ersten Erzbischofs von Bremen, hervor.

    Karl der Groe hatte in Sachsen und Friesland die frnkische Grafschaftsverfassungeingefhrt. Inhaber der Grafenrechte waren meist einheimische Adlige. Sie waren auch dieNutznieer bei der bernahme des in Franken ausgebildeten Lehnswesens, das zu einemwesentlichen Strukturelement des mittelalterlichen Staats wurde. Das alte Stammesrecht

    blieb weitgehend in Kraft; Karl lie es in der Lex Saxonum und der Lex Frisionumaufzeichnen. Da die karolingische Reichsgewalt seit der Mitte des 9. Jahrhunderts immermehr verfiel, war Sachsen in seiner weiteren Entwicklung zunehmend auf sich gestellt.Einzelne Familien der Oberschicht huften Grafschaften in ihrer Hand, kamen zu groemBesitz und wurden damit auch zu politischen Fhrern des Stammes: Die Liudolfinger imHarzraum und sdlich davon, die faktisch zu herzoglichem Rang aufstiegen, daneben dieBrunonen um Braunschweig, die Billunger um Lneburg, die Stader und Northeimer Grafenund andere. Sachsen war um diese Zeit immer noch erst dnn besiedelt. Wlder und Mooredehnten sich aus und erschwerten den Verkehr, der auf wenige Fernstraen und auf dieFlulufe beschrnkt blieb. Stdte gab es noch nicht, wohl aber Wyke, Handelspltze, andenen reisende Kaufleute ihre Waren tauschten oder verkauften.

    DieZeitderOttonenAls zu Beginn des 10. Jahrhunderts das Ostfrnkische Reich sich zum Deutschen Reichwandelte, fiel Sachsen berraschend schnell eine fhrende Rolle unter den Stmmenzwischen Rhein und Elbe, Alpen und Nordsee zu. 919 wurde der Liudolfinger Heinrich zumdeutschen Knig gewhlt. Fast ein Jahrhundert lang prgte nun das schsische oderottonische Knigshaus die Geschicke Deutschlands. Seine Wurzeln behielt es in Sachsen;die Knigspfalzen Werla an der Oker und Grona bei Gttingen wurden zu Zentren derReichsgewalt. Heinrich und seinem Sohn Otto dem Groen gelang die Abwehr der Ungarn,die auf ihren Raubzgen bis nach Norddeutschland vorstieen, und die Unterwerfung derslawischen Stmme zwischen Elbe und Oder; sie muten sich einer allerdings lockerendeutschen Oberherrschaft fgen. Schsische Groe wie Hermann Billung oder Markgraf

    Gero wurden dabei zu den wichtigsten Helfern. Otto grndete in den neu fr das Reichgewonnenen Gebieten mehrere Bistmer und unterstellte sie dem Erzbistum Magdeburg.Diese Pfalz am uersten stlichen Rand Sachsens wurde zu seinem bevorzugtenAufenthalt.

    Die politischen Erfolge wurden begleitet von bedeutenden geistigen und knstlerischenLeistungen, die auch in Sachsen eine erste kulturelle Bltezeit herbeifhrten. BischofBernward von Hildesheim war einer der Haupttrger dieser Bestrebungen; dafr sind dieMichaeliskirche und die Bernwardstr des Hildesheimer Doms bleibende Zeugnisse. Auchdie Stiftskirchen in Quedlinburg und Gernrode am Harz gehren zu den Hhepunktenottonischer Baukunst. Die Literatur weist mit den Dichtungen der Roswitha von Gandersheimund der schsischen Stammesgeschichte des Widukind von Corvey ebenfalls hervorragende

    Werke auf. Die Heirat Ottos Il. mit der byzantinischen PrinzessinTheophanu im Jahre 972 istein Zeichen fr die europische Geltung des schsischen Kaisertums.

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    Die Bernwardstr am Dom zu Hildesheim, ein Meisterstckder ottonischen Plastik (Ausschnitt). Die Szenen zeigen vonunten die Verkndung an Maria, die Geburt Christi und dieAnbetung der Knige.

    Sachsenunter

    den

    Saliern

    Die enge Bindung Sachsens an das Reich lockerte sich, als 1024 das salische Knigshausdie Ottonen ablste. Die Salier versuchten, das alte karolingische, von Heinrich 1. durch dieAnlage von Burgen gesicherte Knigsgut um den Harz zu erweitern und zu einem Sttzpunktdes Reichs auszubauen. Goslar nahm unter Heinrich III. fast den Charakter einer kniglichenResidenz an. Das rief den Widerstand der fhrenden schsischen Adelsfamilien hervor, vondenen die Billunger schon unter den Ottonen zur Herzogswrde aufgestiegen waren. UnterHeinrich IV. kam es zu Aufstnden und kriegerischen Auseinandersetzungen, wobei GrafOtto von Northeim als Hauptgegner des Knigs auftrat. Auf die Dauer konnte das Knigtumseine Absichten in Sachsen nicht verwirklichen, denn auch Lothar von Spplingenburg, dernach dem Aussterben der Billunger 1106 als Herzog eingesetzt wurde, wandte sich gegenjede Verstrkung der Reichsgewalt und trat Knig Heinrich V. 1115 in der Schlacht am

    Welfesholz stlich des Harzes erfolgreich entgegen.

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    Als er 1125 selbst den deutschen Thron bestieg, war dem Konflikt die Grundlage entzogen.Lothar erwarb sich groe Verdienste um die Wiedergewinnung der Kolonisationsgebiete imOsten, die nach einem Slawenaufstand 983 groenteils verlorengegangen waren. Er setztein den Grenzmarken in Holstein und an der mittleren Elbe mit den Schaumburgern, denWettinern und den Askaniern die Grafenfamilien ein, die hier ber mehrere Generationenhinweg die Erschlieung und Christianisierung des Landes vorantrieben.

    Die Hildesheimer Michaeliskirche, Anfang des 11. Jh.erbaut, 1945 zerstrt, 1957 wiedererrichtet alsRekonstruktion der ottonischen Basilika.

    Jagdfries an der Hauptapsis der Stiftskirche in Knigslutter,entstanden um 1140 unter oberitalienischem Einflu. DerAusschnitt zeigt, wie zwei Hasen einen Jger fesseln.

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    AufstiegundSturzHeinrichsdesLwenUm 1100 fate das Geschlecht in Sachsen Fu, das in wenigen Jahrzehnten zur fhrendenPosition aufstieg und ber Jahrhunderte die Geschichte Nordwestdeutschlands mageblichmitgestaltete: das Haus der Welfen. Es entstammte dem frnkischen Reichsadel und war imRaum nordstlich des Bodensees, im Grenzbereich zwischen Schwaben und Bayern,

    ansssig geworden. Durch kluge Heiraten griffen die Welfen nach dem deutschen Nordenber und erwarben umfangreichen Besitz aus dem Erbe zunchst der Billunger, dann auchdie Brunonen und Northeimer.

    Das Lwenstandbild vor der Burg Dankwarderode in

    Braunschweig, errichtet 1166 von Heinrich dem Lwen alsSymbol seines Herrschaftsanspruchs.

    Heinrich der Stolze war als Schwiegersohn Kaiser Lothars bei dessen Tod 1137 im Besitzder Herzogtmer Bayern und Sachsen und konnte damit als der mchtigste Frst im Reichauftreten.

    Bei der Knigswahl unterlag er jedoch dem staufischen Kandidaten Konrad III. Der daraussich entwickelnde Gegensatz zwischen Staufen und Welfen prgte die nchsten Jahrzehnte.Heinrich der Stolze starb gechtet schon 1139.

    Sein Sohn Heinrich der Lwe, den schon in jungen Jahren auergewhnliche Tatkraft und

    Zielstrebigkeit kennzeichneten, erreichte nach Kmpfen seine Belehnung mit Sachsen undspter auch mit Bayern. Ein mit Kaiser Friedrich Barbarossa, seinem Vetter, geschlossenerBurgfrieden ermglichte es ihm, sein schsisches Herrschaftsgebiet zu einemgeschlossenen Machtkomplex auszubauen. Darin bildeten Eigenbesitz, Lehnsherrschaft,grfliche Rechte und Herzogsgewalt die Grundlagen fr einen Staat ganz eigener Prgung,der in seiner konsequenten Zusammenfassung aller Krfte in einer Hand schon auf dieLandesherrschaft des spteren Mittelalters hindeutete. Heinrich machte Braunschweig, dasunter seiner Mithilfe aus verschiedenen Siedlungskernen zu einer Stadt zusammenwuchs, zuseiner reprsentativ ausgebauten Residenz. Das bronzene Lwenstandbild vor der BurgDankwarderode wurde zum Symbol seiner Machtflle, die einen Vergleich mit deneuropischen Knigshusern nicht zu scheuen brauchte. Nach der Ottonenzeit erlebteSachsen eine zweite Blte der Baukunst, der Malerei und der Literatur, wenn auch die Hhe

    der gleichzeitigen staufischen Hofkultur nicht erreicht wurde. Von einer Pilgerreise ins HeiligeLand, die einem Triumphzug glich, brachte Heinrich den Grundstock des Reliquienschatzes

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    des Braunschweiger Blasiusdoms, des spteren Welfenschatzes, mit nach Sachsen. Inzweiter Ehe heiratete er Mathilde, die Tochter Knig Heinrichs II. von England, undunterstrich auch damit seinen Geltungsanspruch.

    Im Osten setzte Heinrich die von seinem Grovater Lothar begonnene Kolonisation fort,allerdings nicht immer mit glcklicher Hand; der Wendenkreuzzug von 1147 war einFehlschlag. Er setzte in Dannenberg, Ratzeburg und Schwerin von ihm abhngige Grafenein und dehnte seine Macht auf Mecklenburg und Vorpommern aus. In den unterworfenenGebieten wurde ihm das Recht zur Besetzung der neu gegrndeten Bistmer zugestanden.

    Hier und in Sachsen selbst war dieses Herrschaftsstreben verbunden mit einemrcksichtslosen Vorgehen gegen Widersacher und Konkurrenten. So erprete Heinrich vomBremer Erzbischof durch rechtswidrige Geiselnahme das Erbe der Stader Grafen und zwangAdolf von Schaumburg zur Abtretung des zukunftsreichen Handelsplatzes Lbeck.

    Grabmal Heinrichs des Lwen und seiner Gemahlin Mathildevon England im Braunschweiger Dom, um 1240 inidealisierender Darstellung wohl unter franzsischem Einflugeschaffen.

    Dadurch drngte er auch ihm ergebene Gefolgsleute auf die Seite seiner Gegner. Mehrmalsbildeten sich Koalitionen geistlicher und weltlicher Frsten gegen ihn, bei denen der AskanierAlbrecht der Br eine treibende Kraft war. Lange Zeit konnte er sich dagegen behaupten,

    weil ihm Barbarossa, der fr seine Italienpolitik auf Ruhe in Deutschland angewiesen war,den Rcken deckte. Nach 1170 kam es jedoch zu einem Zerwrfnis zwischen den Vettern.

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    Der Kaiser erkannte, da die immer strker herausgehobene Stellung des Welfen dasmhsam im Gleichgewicht gehaltene Gefge des Reichs zu sprengen drohte. Als Heinrichbei einem Italienzug die Heeresfolge von der Abtretung der Stadt Goslar abhngig machte,lie er ihn fallen. Mit seiner Billigung strengten die schsischen Gegner des Herzogs einenProze wegen Gewaltttigkeit und Friedensbruchs gegen ihn an. Er endete 1180 mit derchtung Heinrichs, der Aberkennung beider Herzogtmer und aller Lehen und Eigengter.Nach vergeblichem Widerstand mute der Herzog sich unterwerfen und erhielt wenigstensden Eigenbesitz zurck.

    Durch den Sturz Heinrichs wurde die staatliche Einheit des schsischen Stammesgebiets frimmer zerschlagen. Barbarossa gab den westlichen Teil als Herzogtum Westfalen an denErzbischof von Kln, den stlichen an Bernhard von Anhalt, den Sohn Albrechts des Bren.Beide konnten ihre herzogliche Gewalt aber nur in Randgebieten durchsetzen. Mit deraskanischen Herzogswrde wanderte die Bezeichnung Sachsen allmhlich ostwrts bisWittenberg und ging dann mit den Wettinern auf deren Staat an der oberen Elbe ber. Frdas eigentliche Sachsen brgerte sich zur Unterscheidung seit dem 14. Jahrhundertallmhlich der Name Niedersachsen ein.

    DasHerzogtumBraunschweig-LneburgErstaunlich rasch fingen die Welfen sich nach 1180 wieder. Heinrich selbst bewahrte seinenherzoglichen Rang. Nach einigen Jahren im englischen Exil versuchte er noch einmal,Sachsen zurckzugewinnen, scheiterte aber und machte nun seinen Frieden mit denStaufern. Er starb 1195 und wurde in dem von ihm erbauten Braunschweiger Dombeigesetzt. Sein Sohn Otto IV. stieg in der Doppelwahl von 1198 zur Knigs- und sptersogar zur Kaiserwrde auf, konnte sich aber im Reich nur teilweise durchsetzen und unterlagschlielich der staufischen Partei. Der siegreiche Friedrich II. vollzog die endgltigeAusshnung der beiden Familien. Er bertrug 1235 Otto dem Kind, einem Enkel Heinrichs,die welfischen Eigengter als Reichslehen unter der Bezeichnung Herzogtum

    Braunschweig-Lneburg". Es handelte sich dabei nicht um ein geschlossenes Territorium,sondern um die Zusammenfassung von Besitztmern und Rechten, die ber ein weitesGebiet verstreut waren. Besonders dicht lagen sie um Lneburg und Braunschweig und imRaum zwischen Harz und oberer Weser. Das Bestreben, diesen Besitzkomplex abzurundenund auszubauen, war dem neuen welfischen Herzogtum schon bei der Entstehungvorgezeichnet.

    TerritorialbildungimsptenMittelalterDem waren durch die 1180 ausgelste Entwicklung zunchst jedoch Grenzen gesetzt. DasMachtvakuum, das nach der Zerschlagung des Stammesherzogtumb vor allem im mittlerenSachsen entstanden war, wurde von einer betrchtlichen Zahl geistlicher und weltlicherFrsten und Herren zum Aufbau eigener, von der nominellen Herzogsgewalt der Askanierund der Erzbischfe von Kln weitgehend unabhngiger Herrschaftsrume genutzt. Vielenvon ihnen gelang es, im Zuge der Ausbildung des Territorialstaats im 13. Jahrhundert dievolle Landeshoheit zu erreichen. So hatten am niederschsischen Raum auer den Welfenschlielich etwa vierzig weitere Staaten mittleren oder geringen Umfangs Anteil.

    DieBistmerDa sind zunchst die geistlichen Territorien zu nennen. Allen Bischfen gelang es, bereinen mehr oder weniger groen Teil ihrer Dizesen auch die weltliche Hoheit zu erlangen.Die Bremer Erzbischfe hatten 1236 endgltig die Gter der Grafen von Stade von denWelfen zurckgewonnen; sie wurden zur Grundlage ihres Landgebiets zwischen Unterweserund Unterelbe. Die Bremer Dizese reichte im Westen bis Ostfriesland, im Osten bis nachHolstein hinein. Das Stift Verden, dessen Sprengel sich bis weit in die Altmark hinein nachOsten erstreckte, behauptete sich nur in einem schmalen Gebiet um die Bischofsstadt und

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    die Burg Rotenburg. Das Hildesheimer Territorium, beschrnkt auf den sdlichen Teil derDizese, lag wie ein strender Riegel inmitten der welfischen Lnder und war infolgedesseneinem stetigen Druck ausgesetzt.

    Kaiser Friedrich II. belehnt Herzog Otto das Kind mit demHerzogtum Braunschweig-Lneburg (Miniatur aus derLneburger Handschrift des Sachsenspiegel). Der Herzoghlt einen Schild mit dem welfischen Wappen.

    Durch einen Kranz von Grenzburgen suchten die Bischfe sich gegen bergriffe derNachbarn zu schtzen. Das Stift Osnabrck sah sich bei seiner Territorialbildung zunchst

    der Konkurrenz der Grafen von Tecklenburg und von Ravensberg gegenber, die sich imGebiet zwischen Eins und Hunte feste Machtpositionen aufgebaut hatten. An deren Stelletrat spter das Stift Mnster. Es erwarb 1252 Meppen mit dem Emsland und Vechta von denRavensbergern, um 1400 Cloppenburg von den Tecklenburgern und behielt dieseAuenposten als Niederstift Mnster" bis in das 19. Jahrhundert fest in der Hand. DasErzstift Mainz, dessen geistlicher Hoheit das sdliche Niedersachsen bis an den Harzunterstand, erwarb erst im 14. Jahrhundert pfandweise von den Herzgen von Grubenhagendie Mark Duderstadt, den unteren Teil des Eichsfeldes. Die Bistmer Halberstadt, Mindenund Paderborn griffen nur mit ihren geistlichen Sprengeln, nicht aber mit ihren Territorien aufniederschsisches Gebiet ber.

    Diese geistlichen Staaten vernderten ihre Grenzen ber die Jahrhunderte hinweg kaum.

    Nur Hildesheim wurde in der Stiftsfehde 1519-1522 auf das sogenannte Kleine Stift, dieengere Umgebung der Bischofsstadt, reduziert. Auf die Besetzung der Bistmer nahmen die

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    benachbarten weltlichen Frsten oft entscheidenden Einflu; sie versorgten ihrenachgeborenen Shne damit und hielten so den politischen Eigenwert der Stifte in Grenzen.

    KleinereweltlicheStaatenDie askanischen Herzge von Sachsen blieben auf die stlichen Randgebiete des alten

    Stammesgebiets beschrnkt: die Altmark, die anhaltischen Frstentmer stlich des Harzes,das Herzogtum Lauenburg, das mit einem schmalen Streifen auch auf das linke,lneburgische Elbufer bergriff. Auerdem bewahrten sie die Landeshoheit ber das LandHadeln an der Unterelbe. Den verstreuten Besitz an Eigengtern und sonstigenBerechtigungen im mittleren und stlichen Niedersachsen stieen die Askanier dagegennach und nach ab; er war offenbar keine ausreichende Grundlage fr weitereTerritorialbildungen.

    Die Schaumburg ber dem Wesertal, Stammsitz der Grafenvon Hohenstein-Schaumburg, erbaut um 1100. Der Bergfried

    ist rekonstruiert; rechts davon der Wohntrakt aus dem 16. Jh.

    Diese gelangen jedoch einer Reihe kleinerer Grafen und Edelherren, wenn auch manchendavon keine lange Dauer beschieden war. Da sind zunchst die Grafen von Oldenburg zunennen, die im Grenzbereich zwischen Sachsen und Friesen an der Hunte ein anfangsbescheidenes Herrschaftsgebiet errichteten. In andauernden Kmpfen gegen die friesischeBevlkerung konnten sie es auf die linke Wesermarsch, Butjadingen und Rstringenausdehnen. Der Stedingerkreuzzug von 1234, bei dem die Oldenburger gemeinsam mit demBremer Erzbischof ein Strafgericht ber die ihre Abgaben verweigernden Bauern vollzogen,trug wesentlich zu diesem Aufstieg bei. Zeitweilig trennte sich eine in Delmenhorstresidierende Nebenlinie vom Oldenburger Grafenhaus ab.

    Sdlich von Bremen konnten links der Weser die Grafen von Hoya ein nicht unbedeutendesTerritorium ausbauen, das hufig in Auseinandersetzungen mit dem Stift Minden verwickeltwar. stlichste Bastion und zugleich bedeutendste Stadt wurde Nienburg. Bescheiden bliebdagegen der Lebensraum der Edelherren von Diepholz in einem von ausgedehnten Moorengeschtzten, abgelegenen Landstreifen stlich des Dmmer.

    Die bei der Kolonisation in Holstein zu Macht und Ansehen gekommenen SchaumburgerGrafen verstanden es, um ihre Stammburg im Wesertal zwischen Hameln und Rinteln einTerritorium zu schaffen und es gegen die Konkurrenz der Nachbarn durch eine klugeRodungspolitik bis an das Steinhuder Meer und vor die Tore von Minden auszubauen. Esblieb selbstndig, nachdem die Verbindung mit Holstein gelst worden und die dortigen

    Linien des Grafenhauses ausgestorben waren.

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    Kloster Walkenried. Der zweischiffige Nordflgel desKreuzgangs wurde 1294 geweiht. Er gehrt zu den wenigenerhaltenen Teilen des 1525 zerstrten Klosters.

    Besonders bunt ist das Bild im niederschsischen Kernraum zwischen Weser und Leine.Hier drngten sich viele kleine und kleinste Territorien nebeneinander: nrdlich und westlichvon Hannover die Grafen von Wlpe und die Grafen von Roden-Wunstorf, um Springe die

    Grafen von Hallermund, weiter sdlich im Bergland die Grafen von Spiegelberg und vonEverstein sowie die Edelherren von Homburg. Zu erwhnen sind auch westlich der Weserdie aus dem Schwalenberger Grafenhaus abgezweigten Grafen von Pyrmont. Sie allestarben im Lauf der folgenden Jahrhunderte aus und wurden von den Welfen beerbt. Nurdas kleine Pyrmonter Territorium ging andere Wege und wurde erst 1922 der ProvinzHannover zugeschlagen.

    Im uersten Sden gelang es den Edelherren von Plesse, ber ein kleines Gebiet um ihreBurg, die sie ursprnglich von den Bischfen von Paderborn zu Lehen trugen, die rechtlicheUnabhngigkeit und damit die Landeshoheit zu erringen. Da sie stndig von den Welfenbedrngt wurden, suchten sie Anlehnung bei den Landgrafen von Hessen, und an diese fielbei ihrem Aussterben 1571 denn auch die Herrschaft. Im und am Harz waren aus dem altenKnigsgut die Grafschaften Scharzfeld, Hohnstein, Regenstein und Blankenburghervorgegangen, deren Erbschaft die Welfen nur teilweise antreten konnten. Dazwischen lagdas kleine Hoheitsgebiet des bedeutenden Zisterzienserklosters Walkenried, der einzigengeistlichen Anstalt auf niederschsischem Boden, die es zur Reichsstandschaft gebrachthatte.

    Im westlichen Grenzbereich bleiben noch zu erwhnen die Grafschaft Lingen, begrndet voneinem Zweig der Grafen von Tecklenburg, und die Grafschaft Bentheim, derenHerrscherhaus von den Grafen von Holland abstammte. Eine eigenstndige Entwicklungnahm der von den Friesen besiedelte Kstensaum der Nordsee. Wie schon angedeutet,widersetzten sich die auf ihre besondere friesische Freiheit" pochenden Bauern zwischen

    Ems- und Wesermndung lange Zeit jeder zentralen Herrschaftsgewalt. Sie organisierten

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    sich in genossenschaftlich verfaten Landesgemeinden, von denen eine Vielzahl neben-einander bestand.

    Der Upstalsboom, im Mittelalter Versammlungsort derAbgesandten der Teile Frieslands, die hier ber das Wohl desLandes berieten. Die Steinpyramide wurde zum Gedenken andie Gefallenen der napoleonischen Kriege errichtet.

    Seit dem 14. Jahrhundert schwangen sich jedoch einzelne rtlich mchtige Familien zuHuptlingen" auf und bernahmen die Fhrerrolle in den Gemeinden. Im 15. Jahrhundertkam es dann zur Ausbildung von Huptlingsdynastien, die - so um Jever und imHarlingerland - kleine Landesherrschaften erringen konnten. Die bedeutendste von ihnenwar das Haus Cirksena, das schlielich den ganzen westlichen Teil des friesischen Raumsum Aurich, Leer und Norden unter sich brachte und sich 1464 vom Reich frmlich damitbelehnen lie. Die Stadt Emden konnte allerdings ber lange Zeit eine unabhngige Stellungbehaupten. Zur Reichsstadt wurde sie aber ebensowenig wie, mit der Ausnahme von Goslar,die anderen bedeutenderen niederschsischen Stdte. Die reichsten unter ihnen wieLneburg, Braunschweig, Gttingen, Hildesheim oder Osnabrck hatten sich jedoch faktischdie Unabhngigkeit von den jeweiligen Landesherren erkmpft. Als Grostadt konnte imspten Mittelalter, gemessen an den Stdten im Sden und Westen Deutschlands, mit etwa20000 Einwohnern nur Braunschweig gelten. Von den vielen Stadtgrndungen des 12. und13. Jahrhunderts kamen die meisten nicht ber den Status einer Kleinstadt oder gar nur

    eines Marktfleckens hinaus.

    DiewelfischenTerritorienGegenber allen Konkurrenten bei der Territorialbildung hatten die Welfen seit 1235 aufGrund ihres umfangreichen Gterbesitzes die beste Ausgangsposition. Zielstrebig und mitGeschick gelang es ihnen rasch, ihren Machtbezirk abzurunden und zu erweitern. Dabei kamihnen zugute, da viele der kleineren Grafen und Herren im Randbereich der welfischenEinflusphre ausstarben, so da deren Lnder durch Lehnsanfall oder Erbvertrge an dieHerzge von Braunschweig-Lneburg fielen. Das welfische Kerngebiet um Lneburg undCelle im Norden, Braunschweig und den Harz im Sden wurde noch im 13. Jahrhundertausgedehnt auf den Raum um Hannover an der mittleren Leine, Teile des Berglandszwischen Leine und Weser, das Harzvorland um Wolfenbttel sowie Mnden und Duderstadtals sdlichste Sttzpunkte.

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    Die 1829 teilweise abgebrochene Kirche in Marienhafe warder grte und bedeutendste der Bauerndome Ostfrieslands.Der Turm wies ursprnglich zwei weitere Geschosse auf.

    Im 14. Jahrhundert kamen die Grafschaften Lchow und Dannenberg hinzu, das spter sogenannte Hannoversche Wendland, in dem sich vermutlich im 10. Jahrhundert in friedlicherLandnahme slawische Siedler niedergelassen hatten. Auch die Grafen von Wlpe wurdenbald nach 1300 beerbt, im 15. Jahrhundert dann ebenfalls die Grafen von Wunstorf,Hallermund, Everstein und die Herrschaft Homburg. So entstand nach und nach ein nahezugeschlossenes Herrschaftsgebiet, das den ganzen Osten Niedersachsens von der Elbe bisan die Oberweser einnahm. Nur das Stift Hildesheim schob sich wie ein Fremdkrperzwischen die nrdlichen und die sdlichen Teile. Der Weserlauf stellte seit der Mitte des 13.

    Jahrhunderts eine beiderseits respektierte Grenze zwischen dem kurklnischen HerzogtumWestfalen und dem welfischen Machtbereich dar.

    Bei allem Aufschwung gelang es den Herzgen von Braunschweig-Lneburg jedoch nicht,an die frhere politische Bedeutung des welfischen Hauses anzuknpfen und in den Kreisderjenigen Frsten aufzusteigen, die die Geschicke des deutschen Reichs magebendmitbestimmten. Von dem im 13. Jahrhundert sich bildenden Kurfrstenkolleg blieben sieausgeschlossen; Norddeutschland wurde darin durch die Askanier vertreten. Das lag zueinem erheblichen Teil daran, da das politische Gewicht des welfischen Herrschaftsgebietsnicht in einer Hand zusammengefat blieb, sondern zersplittert wurde. Bereits die ShneHerzog Ottos des Kindes teilten 1267 die Gter und Berechtigungen in einen nrdlichen undeinen sdlichen Komplex auf, deren Zentren die beiden Stdte Lneburg und Braunschweig

    waren. Diese Teilung hatte ber fast sieben Jahrhunderte Bestand. Die nrdliche Hlfte, dasFrstentum Lneburg, blieb in seinen Grenzen im wesentlichen unverndert. Der Sden

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    dagegen wurde bald weiter aufgeteilt, noch Ende des 13. Jahrhunderts auf die LinienWolfenbttel, Grubenhagen und Gttingen, die Hauptmasse dann 1495 nochmals neu aufCalenberg-Gttingen und Wolfenbttel. Die Calenberger Herzge starben 1584 aus, dieGrubenhagener 1596; ihre Lnder fielen an Wolfenbttel, das seinerseits 1634 erlosch. DerGesamtbesitz der Welfen fiel dadurch an das Haus Lneburg, das ein Jahr spter erneuteine Teilung in die Frstentmer Lneburg, Wolfenbttel und Calenberg (mit Gttingen undGrubenhagen) vornahm. All diese Teilstaaten waren selbstndige Territorien mit eigenerLandeshoheit. In ihrer Gesamtheit bildeten sie das Herzogtum Braunschweig-Lneburg, mitdem der Kaiser jeweils alle Linien gemeinsam belehnte.

    Die welfischen Vettern standen sich keineswegs immer in guter Eintracht gegenber. InBndnissen mit auswrtigen Frsten verfolgten sie eigene Interessen und fhrten bisweilenauch Fehden und Kriege gegeneinander. Am folgenreichsten wurde die HildesheimerStiftsfehde 1519-1523, ausgelst durch Zwistigkeiten des Bischofs mit seinem Landadel.Lneburg verbndete sich mit dem Bischof, Wolfenbttel und Calenberg mit den Rittern, undobwohl die bischfliche Partei in der blutigen Schlacht bei Soltau siegte, verlor sie den Krieg.Calenberg und Wolfenbttel teilten sich den greren Teil des Hildesheimer Territoriums; der

    Bischof behielt nur das Kleine Stift".Trotz solcher Auseinandersetzungen wurde die Einheit des Gesamthauses doch letztlich niein Frage gestellt. Erbvertrge sorgten dafr, da die welfische Lndermassezusammengehalten wurde. Als 1369 das Haus Lneburg ausstarb, bertrug Kaiser Karl IV.das Frstentum im Interesse seiner Hausmachtpolitik den askanischen Herzgen vonSachsen-Wittenberg; im Lneburger Erbfolgekrieg 1371-1388, der dem Land schwereSchden zufgte, erzwang das erbberechtigte Haus Braunschweig jedoch seine Belehnung.

    SchwacheLandesherren - starke StdteDa dem niederschsischen Raum innerhalb des deutschen Reichs kein seiner Gre

    entsprechendes Gewicht zukam, ist angesichts der territorialen Aufsplitterung nichterstaunlich. Er blieb in seiner Entwicklung fast unberhrt von dem Geschehen im deutschenoder gar europischen Rahmen und nahm auch seinerseits kaum Einflu darauf. Selbst beiden welfischen Frsten war die materielle Basis zu schwach, um sich angemessen zurGeltung zu bringen. Sie und ebenso die meisten anderen Landesherren hatten fast stndigmit wirtschaftlichen Problemen zu kmpfen. Die ihnen zuflieenden Einnahmen reichten inder Regel nicht aus, um den steigenden Finanzbedarf zu decken. Oft muten daher Teiledes frstlichen Besitzes - Zlle, Burgen, auch ganze mter - verpfndet werden. Glubigerwaren die wohlhabenden Stdte oder vermgende Angehrige des Adels. DieAusschreibung von Landessteuern, der sogenannten Beden, war von der Zustimmung derStnde (Prlaten, Ritterschaft und Stdte) abhngig, die sich dadurch ein erheblichespolitisches Mitspracherecht sicherten. Im Frstentum Lneburg konnten sie die durch den

    Erbfolgekrieg geschwchten Herzge in der Sate" von 1392, einen Vertrag zum Zweck derBeschrnkung der frstlichen Regierungsgewalt, sogar nahezu entmachten. Vor allem dieStdte erstarkten im 14. Jahrhundert, begnstigt durch das Aufblhen des Fernhandels undteilweise auch durch ein florierendes Gewerbe: den Bergbau in Goslar, die Salzgewinnung inLneburg, das Brauwesen in Einbeck, den Tuchhandel in Gttingen und Osnabrck, dieSchiffahrt in Stade und Emden. Die aufwendigen Brgerhuser, Kirchen und Rathuser indiesen und anderen Orten geben davon Zeugnis. Bestimmendes Element war in allenStdten das grobrgerliche Patriziat. Fast berall drngten aber die Handwerkerschichtenauf Mitbeteiligung an der politischen Macht; das fhrte zu teilweise schweren sozialenSpannungen. Die bedeutenderen Stdte Niedersachsens gehrten smtlich dem Stdtebundder Hanse an. Den welfischen Hauptorten Lneburg und Braunschweig gelang es, dieHerzge aus ihren Mauern zu vertreiben; Celle und Wolfenbttel stiegen daraufhin zu

    Residenzen auf. Auch die Bremer Erzbischfe wandten der Stadt den Rcken zu undverlegten den Verwaltungssitz des Erzstifts nach Bremervrde.

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    Straffung des landesherrlichen RegimentsErst im 15. Jahrhundert gelang es den Territorialherren, die Beschrnkungen ihrerHerrschaftsgewalt durch die Stnde wieder abzuschtteln und ein straffes frstlichesRegiment einzurichten. Bei der Verwaltung und Rechtsprechung sttzten sie sichzunehmend auf die nur ihnen verantwortlichen Kanzler und Rte, anfangs meist Geistliche,

    seit dem 16. Jahrhundert dann brgerliche oder adelige Juristen. Die Verwaltung wurde jetztintensiviert, und die Einnahmequellen wurden konsequenter ausgeschpft, so da bis etwa1600 die Staatsverschuldung meist beseitigt war. Die alten genossenschaftlichen Land- undGogerichte, ursprnglich lokale Instanzen zur Rechts- und Friedenssicherung, derenWurzeln zum Teil wohl bis in die altschsische Zeit zurckreichten, wurden durch dielandesherrliche Rechtsprechung beiseitegedrngt. Angelehnt an die in frstlicher Handbefindlichen Burgen entstand eine das ganze Land berziehende Organisation von mternund Vogteien, in denen landesherrliche Beamte alle hoheitlichen Befugnisse ausbten. Diestndische Mitbestimmung wurde auf allen Ebenen zurckgedrngt; die Landtage verlorenan Bedeutung.

    Die Lage der BauernDem buerlichen Stand blieb, abgesehen von den Marschen im Kstenbereich, dieMitwirkung am politischen Leben versagt. Das flache Land, also der weitaus berwiegendeTeil der Bevlkerung, wurde allein von den adligen Grundbesitzern vertreten. Freiebuerliche Stellen waren in den meisten Regionen die Ausnahme. Die Hfe standen in derRegel unter der Gutsherrschaft eines Grundherrn: eines Adligen, eines Klosters oder auchdes Landesherrn. An ihn waren die zum Teil erheblichen Abgaben zu entrichten. Die Bauernselbst saen zu Meierrecht, einem erblichen Pachtrecht, auf ihren Hfen. Sie warenpersnlich frei; nur vereinzelt hielt sich eine nominelle Leibeigenschaft bis in die frheNeuzeit. Die Landesherren achteten im eigenen Interesse darauf, da die wirtschaftlicheLage des Bauerntums ertrglich blieb. Ein Bauernlegen durch die Grundherren mit Hilfeeiner bewut herbeigefhrten Verschlechterung der Lebensbedingungen gab es in

    Niedersachsen kaum. Ohnehin besa der Adel hier nicht mehr als fnf Prozent dergesamten Grundflche; die Rittergter waren von bescheidenem Zuschnitt, undentsprechend wenig aufwendig war der adlige Lebensstil.

    Von dem 1903 gestifteten Kloster Bursfelde ging 1446 einebedeutende Reformbewegung aus. Von den Klosterbauten istallein die romanische Kirche erhalten geblieben.

    Whrend im 12. und 13. Jahrhundert an vielen Stellen noch unerschlossene Waldgebiete

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    gerodet und durch die Anlage von Hagenhufendrfern besiedelt wurden, erlitt dieserLandesausbau im 14. Jahrhundert einen Rckschlag. Viele Drfer wurden wst, wobei diePest von 1348 gewi eine Rolle spielte, ebenso aber eine durch Agrarkrisen ausgelsteLandflucht. Entsprechend stieg die Einwohnerzahl der meisten Stdte an.

    Der Nonnenchor der Klosterkirche zu Wienhausen zeigt nochdie einmalige farbige Ausmalung des 14. Jahrhunderts.

    Klster und Klosterreform

    Die mittelalterliche Frmmigkeit fand auch in Niedersachsen Ausdruck in der Errichtung

    zahlreicher Klster. Neben die frhen Grndungen der Benediktiner und die Kanonissen-und Kanonikerstifte traten seit dem 12. Jahrhundert die Niederlassungen der Zisterzienserund Augustiner, spter auch die der Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner, diesich ausschlielich in den Stdten niederlieen, und die Huser der Brder undSchwestern vom gemeinsamen Leben. Die Zahl der Klster stieg bis zum Ende desMittelalters auf ber 250. Sie trugen zum Teil erheblich zur wirtschaftlichen und geistigenErschlieung des Landes bei. In der kirchlichen Erneuerungsbewegung des 15.Jahrhunderts wurden viele dieser geistlichen Anstalten reformiert; vor allem dieWindesheimer und die in Niedersachsen entstandene Bursfelder Kongregation wirktendabei mit.

    Die Zeit der ReformationDie Reformation Martin Luthers setzte sich in den meisten niederschsischen Territorienrasch durch. Zu greren Unruhen kam es nirgends. Die buerliche Bevlkerung nahmden neuen Glauben willig an, ebenso das Brgertum in den Stdten, hier allerdings oft imGegensatz zum Patriziat. Auch in den geistlichen Territorien konnten die Bischfe denAbfall von der alten Lehre nicht verhindern. Unter den weltlichen Frsten war HerzogErnst der Bekenner von Lneburg ein frher Anhnger Luthers, Heinrich der Jngerevon Wolfenbttel dagegen ein erbitterter Widersachser, der ihn in Flugschriftenbekmpfte. Herzog Erich von Calenberg lie erst nach einigem Schwanken die Reformzu. Die fhrenden Reformatoren kamen durchweg aus anderen Teilen Deutschlands (derSddeutsche Urban Rhegius, der Pommer Johann Bugenhagen, die Westfalen AntonCorvinus und Hermann Hamelmann). Verstndlicherweise widersetzten sich manche derum ihren Fortbestand frchtenden Klster dem Luthertum. Die meisten wurden in der Tat

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    aufgehoben, und ihr oft ansehnlicher Besitz fiel den Landesherren zu. Im Lneburgischenund Calenbergischen, in der Grafschaft Schaumburg und vereinzelt auch andernorts bliebjedoch eine ganze Reihe von ihnen als evangelische Konvente bestehen. Die calenbergischenKlostergter wurden in einen Klosterfonds eingebracht, der bis heute der Frderungkultureller und kirchlich-sozialer Aufgaben dient. Eine hnliche Lsung fand man imFrstentum Wolfenbttel.

    Grabmahl fr Herzog Ernst den Bekenner und seineGemahlin Sophie von Mecklenburg in der Stadtkirche zuCelle, 1576 im Renaissancestil errichtet.

    Die Bauernunruhen von 1525 berhrten Niedersachsen kaum; nur Randgebiete wurdendavon erfat, so das Kloster Walkenried, das die ScharenThomas Mnzers zerstrten. Zuheftigen Auseinandersetzungen fhrte aber die Tatsache, da sich der WolfenbttelerHerzog in der beginnenden Konfrontation zwischen den beiden Konfessionen im Reich aufdie Seite des Kaisers stellte. Der Schmalkaldische Bund, dem Ernst der Bekennerangehrte, vertrieb ihn 1542 aus seinem Land, doch wurde das Frstentum erst nachseinem Tode 1568 endgltig der Reformation geffnet. Der Sieg der katholischen Seitein der verlustreichen Schlacht bei Sievershausen 1553, bei der auch Kurfrst Moritz vonSachsen den Tod fand, hatte auf die konfessionelle Entwicklung in den niederschsischenTerritorien keinen Einflu. Um 1580 war ganz Nordwestdeutschland bis auf wenige

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    altglubige Exklaven protestantisch. Dabei berwog das lutherische Bekenntnis; nur in derStadt Bremen und ihrem Landgebiet um Bederkesa, in Ostfriesland und der GrafschaftBentheim hatte von den Niederlanden ausgehend der Calvinismus Fu gefat.

    Die Kapelle im Celler Schlo, ein sptgotischer Raum, 1565-1580 im Stil der Renaissance eingerichtet und bis heute fastunverndert erhalten.

    Bltezeit im Frhabsolutismus

    Die Reformationsjahrzehnte brachten ein weiteres Erstarken der Macht der Landesherrenmit sich. Der Beamtenstaat wurde weiter ausgebaut, Verwaltung und Rechtsprechung

    gestrafft, entsprechende Verordnungen erlassen. Frhmerkantilistische Manahmenbemhten sich um Verbesserung der wirtschaftlichen Grundlagen und daraus folgendErhhung der Staatseinnahmen. Vom Frstentum Lneburg wurden die halbsouvernenNebenlinien in Harburg (1527) und Dannenberg (1569) abgetrennt; beide fielen im 17.Jahrhundert an die Celler Hauptlinie zurck. Einen bemerkenswerten Aufschwung nahm inder zweiten Jahrhunderthlfte das Frstentum Wolfenbttel unter Herzog Julius. Er belebteden Bergbau im Harz, der zu einem guten Teil gemeinsamer Besitz aller welfischen Linienwar, mit Hilfe oberschsischer Bergleute und grndete 1576 als erste niederschsischeHochschule die Universitt Helmstedt. Sein Sohn Heinrich Julius ging als Verfasserdeutschsprachiger Dramen - fr die Zeit durchaus ungewhnlich - in die Literaturgeschichteein. Den Welfen gelang in dieser Zeit eine betrchtliche Gebietserweiterung. Sie griffenerstmals ber die Weser aus, als die Lneburger Linie 1582 und 1585 die Grafen von Hoya undDiepholz beerben konnte. Wenig spter konnte Wolfenbttel die Grafschaften Hohnsteinund Blankenburg-Regenstein als heimgefallene Lehen an sich ziehen. Die Erlangung derAdministration im Bistum Halberstadt machte Hoffnung auf weiteren Gewinn. Im Weserraumentstand mit der Weserrenaissance eine eigenstndige, vom Adel und vom Brgertumgetragene Baukultur. Die Grafschaft Schaumburg erlebte in dieser Zeit einen Hhenflug. GrafErnst (1601-1622) baute seine Residenz Bckeburg prchtig aus, grndete in Rinteln eineeigene Landesuniversitt und krnte seinen Ruhm durch die Erlangung des Frstentitels.

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    Das Juleum, Aula- und Bibliotheksgebude der UniversittHelmstedt, erbaut 1592-1597. Die 1576 erffnete ersteHochschule in Niedersachsen wurde 1809 aufgehoben.

    Im Dreiigjhrigen Krieg

    Der Dreiigjhrige Krieg machte viele solcher Anstze zu gnstiger kultureller undmaterieller Entwicklung zunichte. Er war auch fr Niedersachsen eine Schreckens- undLeidenszeit, wirkte sich jedoch in den einzelnen Territorien unterschiedlich stark aus. DieStdte waren im allgemeinen weniger betroffen als das offene Land. Vor allem dieDurchgangsgebiete, das Leine- und Wesertal und das Lneburger Land, aber auch dasentfernte Ostfriesland erlitten schwere Schden. Die Grafschaft Oldenburg und manche derkleineren Staaten waren dagegen kaum betroffen. Der Krieg griff auf Norddeutschland ber,als Herzog Christian von Wolfenbttel, der tolle Halberstdter", nach Niederlagen gegen dieKaiserlichen von Tilly hierher verfolgt wurde.

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    Die Hmelschenburg bei Hameln, einer der schnstenSchlossbauten der Weserrenaissance, aus dem Ende des16. Jh.

    Darstellung der Schlacht bei Lutter am Barenberg, in der 1626die Kaiserlichen unter Graf Tilly ber die Truppen KnigChristian IV. von Dnemark siegten.

    Den Truppen der Liga stellten sich die des Niederschsischen Kreises unter Fhrung KnigChristians IV. von Dnemark entgegen, wurden aber 1626 bei Lutter am Barenberg

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    Butjadingen angegliedert werden, und 1575 fiel auch die kleine selbstndige HerrschaftJever an Oldenburg. Wertvoller noch fr die Finanzkraft des Landes wurde der 1623 vomKaiser privilegierte Elsflether Weserzoll, der den Protest Bremens hervorrief, aber dennochim Westflischen Frieden besttigt wurde. Weitere Gewinne gelangen Oldenburg nicht.

    Die Hoffassade des Oldenburger Schlosses, um 1800 inschlichtem klassizistischem Stil erneuert. Der Bau beherbergtjetzt das Oldenburger Landesmuseum.

    Folgen des Krieges

    Die Folgen des langen Krieges, der wirtschaftliche, kulturelle und moralische Niedergang,waren in vielen Regionen noch lange sprbar. Insgesamt aber gelang es erstaunlich rasch,den eingetretenen Verfall aufzuhalten und zu berwinden. Die Stdte allerdings, die schonvor dem Krieg Einbuen ihrer Wirtschaftskraft erlitten hatten, konnten an ihre frherenBltezeiten nicht anknpfen. Fr sie begann eine Schwcheperiode, die bis in das 19.Jahrhundert andauerte, von wenigen Ausnahmen wie der Residenz Hannover abgesehen.Ihre politische Bedeutung sank auf einen Tiefpunkt. Symptomatisch dafr war es, dass 1671die Stadt Braunschweig mit militrischer Gewalt in die Botmigkeit des Landesherrenzurckgezwungen wurde. Sie mute im 18. Jahrhundert auch die herzogliche Residenzwieder aufnehmen.

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    Die welfischen Staaten im AbsolutismusDie zweite Hlfte des 17. Jahrhunderts brachte berall den Sieg des frstlichenAbsolutismus in seiner voll ausgebildeten Form. Einen starken Aufschwung nahmen vorallem die welfischen Staaten. In Wolfenbttel fhrten die Herzge August der Jngere,

    gelehrter Sammler und Begrnder der berhmten Bibliothek, und sein Sohn Anton Ulrich,Verfasser von Romanen und Erbauer des Lustschlosses Salzdahlum, eine neue kulturelleGlanzzeit herbei. Die Calenberger Linie stand dem nicht nach. Herzog Johann Friedrichberief den Universalgelehrten Leibniz nach Hannover, der hier bis zu seinem Tode 1716wirkte, und begann mit dem Bau von Schlo und Garten in Herrenhausen. Sein Bruder ErnstAugust, vorher Bischof von Osnabrck, vollendete das Begonnene. Unter ihm und seinerGemahlin Sophie von der Pfalz wurde der hannoversche Hof zum Mittelpunkt reger geistigerund knstlerischer Bestrebungen. Auch politische Erfolge stellten sich ein. 1689 konnte nachdem Aussterben der Askanier das Herzogtum Lauenburg mit dem Land Hadeln erworbenwerden. 1692 gelang eine Rangerhhung, die das gestiegene Ansehen des welfischenHauses auch uerlich dokumentierte: Der Kaiser erhob das Frstentum Calenberg zumKurfrstentum. 1705 wurde nach dem Tod des letzten Heideherzogs" Georg Wilhelm das

    Frstentum Lneburg mit Calenberg vereinigt. Um diese Verbindung zu sichern, hatte derhannoversche Kronprinz Georg Ludwig seine Celler Base Sophie Dorothea geheiratet - eineunglckliche Ehe, die nach der Ermordung des Liebhabers der Prinzessin, des GrafenKnigsmarck, geschieden wurde. Sophie Dorothea wurde lebenslang in das abgelegeneAhlden verbannt.

    Blick vom Groen Garten auf das Orangeriegebude inHerrenhausen, 1694-1700 errichtet. Das Hauptgebude deszugehrigen Schlosses fiel 1943 dem Bombenkrieg zum Opfer.

    Englische Thronfolge und PersonalunionKurfrstin Sophie hatte den Welfen die zunchst vage, dann immer konkreter werdende

    Anwartschaft auf den englischen Thron mit in die Ehe gebracht. Sie selbst erlebte den Erbfallnicht mehr; ihr Sohn Georg Ludwig jedoch erlangte 1714 nach dem Tod der Knigin Anna

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    die Krone Englands und begrndete als Knig Georg I. die Herrschaft des HausesHannover. Bis 1837 blieb das Kurfrstentum mit dem Inselreich in Personalunion verbunden.Nutzen und Nachteile dieser Verbindung drften sich etwa die Waage gehalten haben. Zumeinen wurde Hannover als eine Achillesferse Englands mehrfach in die groen politischenAuseinandersetzungen in Europa hineingezogen und mute als der Sack herhalten, denman schlug, wenn man den Esel meinte. Zum anderen verdankte es dem Schutz und derFrsprache Englands aber auch Gewinne, die es aus eigener Kraft kaum errungen htte. Sogelang es Georg I. bereits 1720, am Ende des Nordischen Krieges, die Herzogtmer Bremenund Verden von Schweden und Dnemark kuflich fr Hannover zu erwerben. In densterreichischen Erbfolgekriegen bewahrte das Kurfrstentum zunchst die Neutralitt,konnte dann aber im Siebenjhrigen Krieg doch den Angriff Frankreichs nicht verhindern. DieNiederlage bei Hastenbeck und die darauffolgende Kapitulation lieferten das Land 1757 denFranzosen aus, ehe Prinz Ferdinand von Braunschweig es an der Spitze eines preuischenHeeres wieder befreien konnte.

    Gttingen im 18. JahrhundertWie solches auf dem Leinberg gegen dem Grner undGeismar Thor sich Praesentiret (zeitgenssische Darstellung,Bildausschnitt) Details: 1. Universittskirche, 2. St. Johannis,

    3. St. Jacobi, 4. St. Albani, 5. St. Marien, 6. St. Nicolai,7. Kreuzkirche, 8. Zeughaus; 9. Rathaus.

    Innere Entwicklung im 18. JahrhundertDie inneren Verhltnisse Hannovers entwickelten sich im 18. Jahrhundert gnstig. DieRegierung lag faktisch bei dem vom Adel beherrschten Geheimen Rat, dem der ferne Knigweitgehende Handlungsfreiheit lie. Vier Jahrzehnte lang war der Premierminister GerlachAdolf von Mnchhausen die bestimmende Persnlichkeit; seiner Initiative verdankte 1737 dieUniversitt Gttingen ihre Grndung, die rasch zu einer der fhrenden Hochschulen inDeutschland aufstieg. In der zweiten Jahrhunderthlfte wurde der Verbesserung derwirtschaftlichen Verhltnisse viel Aufmerksamkeit zugewendet. Moore wurden trockengelegt

    und kultiviert, wobei sich der Moorkommissar Findorff einen Namen machte. Albrecht Thaerbemhte sich in Celle um die Verbesserung landwirtschaftlicher Anbautechniken. Auch zu

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    einer Frderung des Gewerbes finden sich Anstze, die allerdings nicht sehr weit trugen. DieStadt Hannover war in ihrer Entwicklung durch den Abzug der Residenz zunchst gebremst,fand gegen Ende des Ancien rgime aber wieder zu einem regen geistigen Leben, wobei derFreiherr Knigge und der Leibarzt Zimmermann sich besonders hervortraten.

    Das Frstentum Braunschweig-Wolfenbttel geriet zunehmend in den Schatten deshannoverschen Kurstaats. Durch Heiratsverbindungen mit dem Kaiserhaus, dem russischenZaren und den Hohenzollern suchte es die kleinstaatliche Enge zu berwinden. Mit HerzogKarl I. kam 1735 die Nebenlinie Bevern zur Regierung. Er kmmerte sich mit Erfolg um dieVerbesserung der wirtschaftlichen Struktur des Landes; die Grndungen des Carolinum, desVorlufers der Technischen Hochschule, und der Porzellanmanufaktur in Frstenberg gehenauf ihn zurck. Braunschweig gewann einen Ruf als Theaterstadt; in Wolfenbttel wirkteLessing als Bibliothekar.

    hnlich wie Hannover war auch Oldenburg 1667 zum Nebenland eines greren Staatsgeworden. Nach dem Tod Graf Anton Gnthers traten das dnische Knigshaus und die vonihm abgezweigten Herzge von Holstein-Gottorp gemeinsam die Erbfolge an. Sie lieen das

    Land durch Statthalter regieren. Die Herrschaft Jever kam 1667 an die Frsten von Anhalt-Zerbst und mit der aus diesem Haus stammenden Zarin Katharina II. 1793 an Ruland. DieHerrschaften Varel und Kniphausen wurden zur Versorgung der illegitimenNachkommenschaft des letzten Grafen abgetrennt; sie fielen 1733 an die aus denNiederlanden stammenden Grafen Bentinck. Dnemark zog sich 1773 aus dem OldenburgerKondominium zugunsten des Hauses Gottorp zurck, das auf den russischen Thron gelangtwar; Zar Paul I. berlie die Grafschaft der jngeren Gottorper Linie, die sie - zumHerzogtum erhoben - zusammen mit dem Frstbistum Lbeck-Eutin bis zum Ende derMonarchie innehatte.

    Das kleine Schaumburg-Lippe machte durch die Persnlichkeit des Grafen Wilhelm (gest.1777) von sich reden. Ganz im Geiste des aufgeklrten Absolutismus suchte er sein

    Lndchen zu einem Musterstaat umzuwandeln, wofr jedoch die materiellen Grundlagenfehlten. Er unterhielt Verbindungen zu den fhrenden Kpfen der Zeit und berief ThomasAbbt, Herder und einen der Shne Bachs nach Bckeburg. Als Theoretiker des Kriegesentwarf er ein Verteidigungskonzept fr die Grafschaft, in das auch die Festung Wilhelmsteinim Steinhuder Meer mit einbezogen war.

    In Osnabrck war in den letzten Jahrzehnten des Alten Reichs der Jurist und Publizist JustusMser die prgende Gestalt. Seine Schriften zur Geschichte und Volkskunde wirktenanregend weit ber seine engere Heimat hinaus. In Ostfriesland starb 1744 das Frstenhausder Cirksena aus, das zuletzt in heftige Auseinandersetzungen mit den Stnden des Landesverwickelt gewesen war. Gegen Hannovers Konkurrenz hatte sich Preuen die Erbschaftfrhzeitig gesichert und brachte so nach dem Erwerb der Niedergrafschaft Lingen 1702,

    nach dem Tod Wilhelms III. von Oranien, ein zweites Stck des westlichen Niedersachsenan sich. Den Oraniern war Lingen 1633 zugefallen, nachdem es vom Kaiser 1555 mit denspanischen Niederlanden vereinigt worden war. Hier hatte sich das katholische Bekenntnisniemals ganz verdrngen lassen, und der mehrfache Besitzwechsel hatte einspannungsreiches Nebeneinander der Konfessionen zur Folge.

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    Die geistlichen Frstentmer wurden aufgehoben. Kurhannover erhielt auf Dauer dasFrstbistum Osnabrck zugesprochen. Oldenburg mute den Elsflether Weserzoll aufgeben,wurde aber reichlich entschdigt mit dem mnsterschen mtern Vechta und Cloppenburgund dem hannoverschen Amt Wildeshausen. Das ergab fast eine Verdoppelung desHerzogtums. Aus dem Rest des Niederstifts Mnster wurde ein Herzogtum Arenberg-Meppen errichtet und als Entschdigung den im Niederrheingebiet enteigneten Herzgenvon Arenberg angewiesen. Auch Preuen sicherte sich mit dem Stift Hildesheim, derbisherigen Reichsstadt Goslar und dem Mainzer Eichsfeld weitere Sttzpunkte inbedrohlicher Nachbarschaft Hannovers.

    Diese Neuordnung hatte jedoch nur teilweise Bestand. Nach Wiederausbruch des Kriegesmit England besetzten die Franzosen noch 1803 das Kurfrstentum. Napoleon trat es alserobertes Gebiet 1805 an Preuen ab. Noch ehe dieses sich recht darin einrichten konnte,ergriff 1806 aber wieder Frankreich, nunmehr im Kriegszustand mit Preuen, Besitz vonHannover. Ein Jahr spter richtete der Kaiser fr seinen Bruder Jrme das KnigreichWestphalen ein, dem die sdlichen Teile Hannovers mit Osnabrck und Hildesheim sowiedas Herzogtum Braunschweig zugeschlagen wurden; Regierungssitz war Kassel. 1810 kam

    auch das nrdliche Hannover hinzu, im gleichen Jahr jedoch verleibte sich das KaiserreichFrankreich den gesamten norddeutschen Kstenbereich einschlielich Oldenburgs ein, umdie ber England verhngte Handelssperre besser berwachen zu knnen.

    Die Drangsale dieser Fremdherrschaft mit ihrem verwirrenden Wechsel der Grenzen undLandesherren klangen in der Bevlkerung noch lange nach. Starke Steuer- und Militrlastenund eine die historisch gewachsenen Verhltnisse ignorierende, rationale Neuorganisationder Verwaltung und Rechtsprechung riefen Unverstndnis und Emprung hervor, die dann inden Jahren der Befreiung in die allgemeine nationale Begeisterung einmndete. Es ist abernicht zu bersehen, da die eingefhrten Neuerungen zum Teil durchaus sinnvoll undzukunftweisend waren, etwa die Abschaffung der Standesvorrechte, die Trennung vonRechtsprechung und Verwaltung oder die Ersetzung der unterschiedlichen Landesrechte

    durch den Code Napoleon. Wenn sie auch im folgenden Zeitalter der Reaktion meist wiederaufgehoben wurden, so wirkte ihr liberaler Geist doch fort. Von Dauer war die Aufhebung derUniversitten Helmstedt und Rinteln im Jahr 1809. Viele Zwangsrekrutierte machten denverlustreichen Feldzug Napoleons nach Ruland mit. Aus hannoverschen Freiwilligen warnach 1803 in England die Kniglich Deutsche Legion gebildet worden, die an verschiedenenKriegsschaupltzen gegen die Franzosen kmpfte. Der Schwarze Herzog" FriedrichWilhelm von Braunschweig wurde als preuischer General zu einer der Symbolfiguren desnationalen Widerstandswillens.

    Neuordnung im Wiener KongreNach den Befreiungskriegen sorgte der Wiener Kongre 1815 auch in Niedersachsen

    nochmals fr Gebietsvernderungen, welche die Zahl der Territorien auf jene vierreduzierten, aus denen dann 1946 das Land Niedersachsen entstehen sollte. Das zumKnigreich erhobene Hannover mute das Herzogtum Lauenburg an Preuen abtreten,welches es sogleich an Dnemark weitergab. Es erhielt dafr aber betrchtlichen Zuwachs:von Preuen das Stift Hildesheim, die Stadt Goslar, das Untereichsfeld, Ostfriesland und dieNiedergrafschaft Lingen, dazu die Grafschaft Bentheim und das kurzlebige HerzogtumArenberg-Meppen. Ohne die Rckendeckung durch England wren diese Erwerbungenkaum mglich gewesen. 1816 trat auch Hessen seine niederschsischen Exklaven, dieHerrschaft Plesse und die mter Auburg, Uchte und Freudenberg innerhalb der GrafschaftenHoya und Diepholz, an Hannover ab.

    Das Herzogtum Braunschweig entstand unverndert in seinen alten Grenzen wieder. Auch

    Oldenburg gelang nicht die erstrebte Erweiterung seines Territoriums im niederschsischenRaum; es erhielt aber einige zum Frstentum Birkenfeld zusammengefgte Landstcke

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    westlich des Rheins an der Nahe - ein kaum sinnvoll zu nutzender Zuwachs, der dennoch bis1937 mit dem Hauptgebiet verbunden blieb. Der Gesamtstaat einschlielich Lbeck-Eutinwurde zum Groherzogtum erhoben. Das regierende Haus machte von diesem Titel abererst seit 1829 Gebrauch. Schaumburg-Lippe schlielich, das durch rechtzeitigen Beitritt zumRheinbund als einziges der niederschsischen Lnder seine Selbstndigkeit ber die ganzenapoleonische Zeit hinweg gewahrt hatte, erklrte sich schon 1807 selbst zum Frstentum.Einen territorialen Gewinn konnte es nicht erzielen, da Hessen an seinem Anteil an der altenGrafschaft Schaumburg festhielt.

    Restauration, VormrzundbrgerlicheRevolutionDie nach 1815 einsetzende Restauration beschrnkte sich nicht auf die Wiederherstellungder alten Staatlichkeit, sondern suchte auch mglichst viel von den politischen undgesellschaftlichen Verhltnissen der vornapoleonischen Zeit in das 19. Jahrhunderthinberzuretten. Das ging selbstverstndlich nicht ohne Konflikte mit dem selbstbewut undpolitisch wach gewordenen Brgertum ab. Die vier verbliebenen niederschsischen Staatenwurden Mitglieder des Deutschen Bundes, der an die Stelle des 1806 fr aufgelst erklrtenReichs getreten war. Die Wiener Schluakte hatte berall die Einrichtung landstndischer

    Verfassungen vorgeschrieben. Nur Schaumburg-Lippe (1815) und Braunschweig (1820)kamen dem rasch nach. Hannover, der viertgrte Bundesstaat, war nun mehr noch alszuvor zur beherrschenden Macht zwischen Harz und Nordsee geworden, der gegenber vorallem Braunschweig, in geringerem Ma aber auch Oldenburg und Schaumburg-Lippe ihreEigenstndigkeit durch verstrkte Anlehnung an Preuen zu wahren suchten. Hannover undOldenburg hatten zunchst damit zu tun, die neuerworbenen Gebiete in den Staat zuintegrieren. Das nunmehrige Oldenburger Mnsterland, das hannoversche Emsland, dasEichsfeld und Teile von Hildesheim waren bereits durch die noch im 16. Jahrhunderteinsetzende Gegenreformation zum katholischen Glauben zurckgefhrt worden und hattendiesen Bekenntnisstand bewahrt. Nur allmhlich rang sich das bisher rein protestantischeHannover zur staatsbrgerlichen Gleichberechtigung der Katholiken durch. Oldenburg tat

    sich dabei etwas leichter. In Ostfriesland, das den Verbleib bei Preuen gewnscht hatte,konnten die Vorbehalte gegen den welfischen Staat nur schwer berwunden werden. Auchin Hildesheim und Osnabrck gab es starke regionalistische Tendenzen. Sie verbanden sichteilweise mit der Opposition gegen die Politik der hannoverschen Regierung, die nach einerdurch den Geheimen Kabinettsrat Rehberg geprgten liberalen ra 1821 zu einer strengkonservativen Linie zurckkehrte. Sie wurde bestimmt durch den Minister Graf Mnster. Einevom Knig entlassene Verfassung schrieb 1819 die dominierende Rolle des Adels fest.

    Dagegen forderte der Osnabrcker Advokat und Brgermeister Stve als Fhrer derOpposition die Beteiligung der Brger am politischen Entscheidungsproze und eineVerminderung der von den Bauern zutragenden Abgaben und Dienste. Begnstigt durch dierevolutionren Unruhen des Jahres 1830 erreichte er nach dem Sturz Mnsters 1831 zwei

    wichtige Gesetzeswerke: zunchst ein als vorbildlich geltendes Ablsungsgesetz, das diegrundherrlichen und sonstigen Berechtigungen durch ertrgliche Geldzahlungen abfand unddie Bauern zu freien Eigentmern ihrer Hfe machte, und dann 1833 ein Staatsgrundgesetz,welches die Befugnisse der Stndeversammlung gegenber der Regierung und dem Knigstrkte und das Gewicht des Brger- und Bauerntums auf Kosten des Adels steigen lie.

    1837 endete die Personalunion mit England auf Grund unterschiedlicher Thronfolge-regelungen. In Hannover trat Knig Ernst August die Regierung an und hob sogleich dasStaatsgrundgesetz wieder auf, da er seine monarchischen Rechte dadurch unertrglicheingeschrnkt sah. Dieser Staatsstreich rief in ganz Deutschland Entrstung hervor; siebenGttinger Professoren, darunter die Brder Grimm, protestierten ffentlich dagegen undwurden des Amtes enthoben, zum Teil auch des Landes verwiesen. 1840 trat ein

    Landesverfassungsgesetz an die Stelle des Grundgesetzes, das den Wnschen des Knigs

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    entsprach. Die Revolution von 1848 erzwang dann wiederum eine neue Verfassung, die inder Stndeversammlung neben den Brgern den buerlichen Grundbesitz dominieren lie.

    Die braunschweigische Verfassung von 1820 und mehr noch die Landschaftsordnung von1832 hatten bereits dem brgerlichen Stand den Zugang zur politischen Mitverantwortungermglicht. Hier entzndeten sich Spannungen an der Miregierung des Herzogs Karl II., derschlielich durch einen weniger spontanen als gelenkten Aufruhr 1830 gestrzt undvertrieben wurde; das Residenzschlo ging dabei in Flammen auf. Sein Bruder Wilhelmhatte eine glcklichere Hand; unter seiner langen Regierung (bis 1884) nahm das Herzogtumeine ruhige Entwicklung, sich geschickt zwischen den beiden greren Nachbarn Preuenund Hannover bewegend.

    hnlich glcklich war die Regierungszeit des oldenburgischen Herzogs Peter FriedrichLudwig (1785-1829) verlaufen. Mit ihm vollzog das Land den bergang zu einem modernenStaat. Obwohl er im absolutistisch-patriarchalischen Geist an der altstndischen Verfassungfesthielt, konnte er ohne Widerstnde seiner Untertanen Reformen der Verwaltungdurchfhren und durch eine berlegte Wirtschaftspolitik einen Aufschwung von

    Landwirtschaft, Handel und Verkehr bewirken. Sein Nachfolger, Groherzog August, erlienach sozialen Unruhen 1849 endlich ein Staatsgrundgesetz, das auch in der revidiertenFassung von 1852 noch als so liberal gelten mu, wie es die Zeitumstnde eben zulieen.

    In Hannover fing der Knig die revolutionre Bewegung von 1848 geschickt dadurch auf,da er den Oppositionsfhrer Stve als Innenminister in das Kabinett berief. Die von Stveeingeleiteten Reformen bewirkten, obwohl er bereits 1852 wieder ausschied, einegrundlegende ffnung des politischen Lebens und der Staatsverwaltung fr dieErfordernisse der Zeit. Das gilt fr die Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung, dieAufhebung der Zensur, die ffentlichkeit der Stndeversammlungen und die Schaffung einereinheitlichen Staatskasse. Die Standesvorrechte des Adels wurden erheblich beschnitten.Die Justizgesetzgebung und die hannoversche Stdteordnung mit ihrer Strkung der

    brgerlichen Selbstverwaltung wurden vorbildlich fr andere deutsche Staaten.

    Die Schlacht bei Langensalza besiegelte trotz des Erfolges derhannoverschen Truppen das Ende der Selbstndigkeit deswelfischen Knigreiches.

    Reaktion und preuische AnnexionHatte Knig Ernst August den Wnschen und Forderungen des liberalen Brgertums ausEinsicht in ihre Unvermeidbarkeit nachgegeben, so warf sein Sohn Georg V., der ihm 1851

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    hatte, bte diesen hfischen Glanz 1866 ein; dafr nahm sie, wie andere Ballungszentrenauch, durch den Eintritt in das industrielle Zeitalter einen gewaltigen wirtschaftlichenAufschwung.

    Dominierende politische Kraft in der Provinz waren die Nationalliberalen, anfangs starkbedrngt von den Deutsch-Hannoveranern, spter auch von den Sozialdemokraten. In denkatholischen Regionen hatte das von dem frheren hannoverschen Justizminister Windthorstgefhrte Zentrum eine Hochburg.

    Die Egestorffsche Maschinenfabrik in Hannover-Linden, spterHANOMAG, war einer der ersten und bedeutendstenindustriellen Grobetriebe in Niedersachsen.

    Im BismarckreichDie drei kleineren niederschsischen Staaten wurden 1868 Mitglieder des NorddeutschenBundes und 1871 des Deutschen Reichs. Ihre Souvernitt wurde immer mehreingeschrnkt; die Militrhoheit ging an Preuen ber, und Gesetzgebung und Verwaltungwurden zunehmend durch reichsrechtliche Regelungen und durch das preuische Vorbildbeeinflut. In Braunschweig starb 1884 das Herzogshaus aus. Da das Haus Hannover dieAnnexion nicht anerkannte, verweigerte Preuen die Zustimmung zur Erbfolge. PrinzAlbrecht von Preuen und Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg fhrten dieRegentschaft, bis 1913 die Heirat des Prinzen Ernst August, eines Enkels Georgs V., mit derKaisertochter Viktoria Luise diesem die Thronfolge ermglichte. Die wirtschaftliche Lage desHerzogtums hatte sich als Folge einer aufgeschlossenen Gewerbepolitik im ganzen 19.Jahrhundert gnstig entwickelt; die Hauptstadt zog in bemerkenswertem Ausma Industrie

    an sich. Sie wurde seit 1870 zu einem der Schwerpunkte der Sozialdemokratie inNiedersachsen, und zwar - im Gegensatz zu Hannover - in ihrer radikalen Ausformung. DasDreiklassenwahlrecht verhinderte hier wie anderswo eine Einflunahme auf die Regierung.

    In Oldenburg blieben die Nationalliberalen tonangebend. Industrie siedelte sich inDelmenhorst und Nordenham an, und in den Hfen an der Unterweser nahm die Schiffahrtnoch einmal einen Aufschwung. Der sich rasch entwickelnde ReichskriegshafenWilhelmshaven, der 1873 zur Provinz Hannover geschlagen wurde, strahlte mit seinerzahlreichen Arbeiterschaft wirtschaftlich und politisch auf das oldenburgische Umland aus.

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    Schaumburg-Lippe erhielt 1868 eine konstitutionelle, doch immer noch an den alten Stndenorientierte Verfassung. Die erst im Lauf des 19. Jahrhunderts erworbene Wohlhabenheit desFrstenhauses kam dem Land in mancher Hinsicht zugute. Unter den Arbeitern des umStadthagen betriebenen Kohlenbergbaus und den buerlichen Kleinsiedlern konnte die SPD

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    starken Anhang gewinnen. Mit seinen 40 000 Einwohnern war Schaumburg-Lippezweitkleinster Staat des Deutschen Reichs; um 1900 hatten die Provinz Hannover 2.6Millionen, Braunschweig 460 000 und Oldenburg 400 000 Einwohner.

    bergang zur RepublikIm Verlauf des an Opfer und Entbehrungen reichen Ersten Weltkriegs wuchs wie in Preuen,so auch in den drei kleineren niederschsischen Staaten die Einsicht in die Notwendigkeit,auch die bisher von der Teilnahme am politischen Leben ferngehaltenen Schichten strker indie Verantwortung mit einzubinden. Entsprechende nderungen des Wahlrechts kamen aberzu spt, als da sie den aufgestauten Unmut ber die bestehende Gesellschaftsordnunghtten beseitigen knnen. Der bergang von der Monarchie zur Republik verlief 1918 fastberall ruhig und in geregelten Bahnen; die nach Berliner Vorbild entstandenen Arbeiter- undSoldatenrte verstanden sich als provisorische Garanten der Ordnung bis zur Bildungdemokratisch legitimierter Regierungen. Nur in Braunschweig gewannen die radikalenUnabhngigen Sozialisten in den ersten Jahren starken Einflu, den die SPD und diebrgerlichen Parteien nur mhsam zurckdrngen konnten. Republikanische Verfassungenwurden in Oldenburg schon 1919, in Braunschweig 1921, in Schaumburg-Lippe 1922

    erlassen; die drei Lnder erklrten sich darin zu Freistaaten. Ihre Selbstndigkeit wurdedurch den Verlust der Steuerhoheit an das Reich noch weiter ausgehhlt. Diskussionen bereine territoriale Neugliederung oder auch den Anschlu an Preuen fhrten aber zu keinemErgebnis. In Oldenburg war die Demokratische Partei, gefhrt von Theodor Tantzen,whrend der Weimarer Republik die bestimmende politische Kraft, in Schaumburg-Lippe dieSozialdemokratie. Braunschweig schwankte zwischen dem brgerlichen und demsozialistischen Lager. Fhigster Kopf war hier der Sozialdemokrat Heinrich Jasper.

    Im Staat von WeimarIn Hannover wurde 1920 der im Kapp-Putsch gestrzte sozialdemokratischeReichswehrminister Gustav Noske zum Oberprsidenten ernannt. Die welfische Bewegung

    scheiterte 1924 mit einem Versuch, Hannover durch Volksabstimmung wieder von Preuenzu lsen, und verlor danach an Bedeutung. Gegen Ende der zwanziger Jahre fhrten dasallgemeine Mibehagen an der politischen Instabilitt des Staats von Weimar und die Folgender Wirtschaftskrise dem Nationalsozialismus zahlreiche Anhnger zu, vor allem bei derbuerlichen Bevlkerung und dem mittelstndischen Brgertum. Die Zahl derWhlerstimmen lag in der Provinz Hannover ber dem Reichsdurchschnitt, in einigenBezirken (Hildesheim, Osnabrck) sogar betrchtlich. In Braunschweig konnte die NSDAPbereits 1930 in die Regierung eintreten; hier wurde Hitler 1932 zum Regierungsrat ernanntund damit eingebrgert, um seine Kandidatur fr das Amt des Reichsprsidenten zuermglichen. Auch in Oldenburg errang die Partei schon 1932 die absolute Mehrheit undbernahm legal die Regierungsgewalt. In Schaumburg-Lippe dagegen lste erst nach derMachtergreifung im Reich 1933 ein Reichskommissar die gewhlte Regierung ab.

    Die Jahre des NationalsozialismusDas Gesetz ber den Neuaufbau des Reichs beendete 1934 die Eigenstaatlichkeit der dreiLnder. Als Verwaltungseinheiten blieben sie ebenso wie die Provinz Hannover bestehen,die politische Gewalt aber verlagerte sich immer mehr auf die Gauleiter der drei inNiedersachsen eingerichteten Parteigaue: Osthannover fr die Bezirke Stade und Lneburg,Sdhannover-Braunschweig fr das Land Braunschweig und die Bezirke Hannover undHildesheim, Weser-Ems fr das Land Oldenburg, Bremen und die Bezirke Osnabrck undAurich. Schaumburg-Lippe und der bis 1932 hessische Kreis Grafschaft Schaumburgwurden dem Gau Westfalen-Nord zugewiesen. Diese Einteilung, orientiert an denReichstagswahlkreisen, sollte die Weichen stellen fr eine neue regionale Gliederung desniederschsischen Raums; der Krieg verhinderte eine konsequente Durchfhrung. Es kamnur noch zu kleineren Korrekturen der Verwaltungsgrenzen, bei deren wichtigster, dem

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    Gro-Hamburg-Gesetz von 1937, das lngst eng mit Hamburg verflochtene Harburg undUmgebung an die Hansestadt abgetreten wurden. Zugleich kamen das alte hamburgischeAmt Ritzebttel mit Cuxhaven an Hannover, Wilhelmshaven an Oldenburg.

    Oft nur mit dem versehen, was sie am Leibe trugen, strmtennach Kriegsende Millionen von Flchtlingen und Vertriebenen indas Land.

    ber das Dritte Reich hinaus fortwirkende Impulse fr die niederschsische Wirtschaft gabendie Grndung der stahlerzeugenden Reichswerke in Salzgitter und des Volkswagenwerks inWolfsburg, das jedoch erst nach 1945 zum bedeutendsten Automobilhersteller aufstieg. DieNationalsozialisten stellten das niederschsische Bauerntum als angeblichen Erben desideologisch verklrten germanischen Wehrbauern besonders heraus. Goslar wurde zurReichsbauernstadt erklrt, am Bckeberg bei Hameln fanden die Erntedankfeste statt. Aufniederschsischem Boden entstanden aber auch zwei der berchtigtstenKonzentrationslager, Esterwegen und Bergen-Belsen.

    Ende und NeubeginnDie schweren Bombenangriffe des zweiten Weltkriegs forderten vor allem in den grerenStdten wie Hannover, Braunschweig, Hildesheim, Osnabrck, Emden und Wilhelmshavenviele Menschenleben und zerstrten Wohnraum und unersetzliche Baudenkmler. Im Mrz

    und April 1945 rollte unter dem Angriff der britischen und amerikanischen Verbnde die Frontber Niedersachsen hinweg. Am 4. Mai kapitulierte die deutsche Wehrmacht in der Nhevon Lneburg vor dem Feldmarschall Montgomery. Nordwestdeutschland wurde derbritischen Militrverwaltung unterstellt, mit Ausnahme von Bremen und Bremerhaven, die deramerikanischen Besatzungszone zugeschlagen wurden. Oldenburg und Braunschweig, dieihren Lnderstatus zurckerhielten, wurden mit der Provinz Hannover in der Hannover-Region zusammengefasst; 1946 kam auch das zunchst der Westfalen-Regionangegliederte Schaumburg-Lippe hinzu. Hinrich Wilhelm Kopf als Oberprsident und dieMinisterprsidenten Theodor Tantzen in Oldenburg, Hubert Schlebusch und nach ihm AlfredKubel in Braunschweig waren die Mnner der ersten Stunde, die unter Aufsicht derMilitrregierung und oft in Auseinandersetzung mit ihr den Wiederaufbau der deutschenVerwaltung organisierten. Der Versuch, mit Hilfe der Entnazifizierung ehemaligeNationalsozialisten von ffentlichen mtern fernzuhalten, erwies sich als wenig erfolgreich.

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    Blick vom Neuen Rathaus auf das durch die Bombenangriffedes 2. Weltkriegs zerstrte Zentrum von Hannover. ImVordergrund der Friedrichswall, links im Bild die Markthalle undMarktkirche.

    Der gleiche Blick nach Abschlu des Wiederaufbaus. Die Ruineder Aegidienkirche (am rechten Bildrand) bleibt als Mahnmal frdie Opfer des Krieges erhalten.

    Auf Betreiben Kopfs wurde ein Gebietsrat Niedersachsen" gebildet, dem auch Bremenbeitrat. Er koordinierte das Verwaltungshandeln und regelte Angelegenheiten vonlnderbergreifendem Charakter. Die provinziale Selbstverwaltung in Hannover erlosch; ihreAufgaben wurden dem Oberprsidenten bertragen. Am 23. August 1946, genau 80 Jahrenach der Annexion durch Preuen, wurde Hannover wieder zu einem selbststndigen Land

    erklrt und Kopf zum Ministerprsidenten ernannt. Nachdem die Parteien zugelassenworden waren, berief die Militrregierung in Braunschweig, Oldenburg und Hannover

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    Landtage, die nach den Ergebnissen der letzten freien Wahlen vor 1933 zusammengesetztwaren.

    Anfnge des Landes NiedersachsenIn den Diskussionen um die staatliche Neugliederung der britischen Zone pldierten im

    Zonenbeirat Tantzen und Kubel fr den Fortbestand und die Vergrerung ihrer Lnder,Kopf dagegen fr die Bildung eines Landes Niedersachsen, dem er auch Lippe und dieRegionen um Minden und Bielefeld zuschlagen wollte. Er setzte sich mit seinem Vorschlagdurch, wenn auch unter Verzicht auf die westflischen Randzonen. Am 22. November 1946begrndete die Verordnung Nr. 55 der britischen Militrregierung rckwirkend zum 1.November das Land Niedersachsen und bestimmte Hannover zur Hauptstadt. Oldenburgund Braunschweig traten als Verwaltungsbezirke neben die hannoverschenRegierungsbezirke Aurich, Hannover, Hildesheim, Lneburg, Osnabrck und Stade;Schaumburg-Lippe bildete einen Landkreis im Bezirk Hannover. An die Spitze des erstenniederschsischen Kabinetts, in dem alle damals bestehenden Parteien vertreten waren,wurde Kopf berufen. Ein Landtag wurde ernannt und dann im April 1947 durch ein gewhltesParlament ersetzt, das zu Ende seiner Legislaturperiode, im April 1951, die Vorlufige

    Niederschsische Verfassung verabschiedete. Ihr Artikel 56 gewhrt den kulturellenTraditionen und historisch gewachsenen Einrichtungen der in Niedersachsenaufgegangenen Lnder einen besonderen Schutz. Zwar hielten sich regionaleEigenstndigkeitsbestrebungen vor allem im Oldenburgischen noch geraume Zeit, dochinsgesamt wurde die grere staatliche Einheit von der Bevlkerung rasch akzeptiert.

    Die ersten Kommunalwahlen wurden im September und Oktober 1946 durchgefhrt. DieSPD, geprgt durch die Persnlichkeit Kurt Schumachers, unterhielt in Hannover bis 1949ihre Parteizentrale. Sie bernahm in Niedersachsen fr drei Jahrzehnte die politischeFhrung, war allerdings fast stets auf Koalitionspartner angewiesen. Das brgerliche Lagerwar gespalten. Die konservativ-frderalistischen Krfte sammelten sich in der

    Niederschsischen Landespartei (NLP), die sich seit Juni 1947 Deutsche Partei (DP) nannte.Ihrem Vorsitzenden Heinrich Hellwege gelang es, von 1955 bis 1959 Kopf im Amt desRegierungschefs abzulsen. CDU und FDP organisierten sich zunchst in regionalenVerbnden und minderten dadurch ihr politisches Gewicht.

    Erst nach der Mitte der fnfziger Jahre wuchs die CDU in die Rolle der strkstenOppositionspartei hinein, parallel zum Niedergang der DP. KPD und Zentrum bliebenunbedeutend und schieden bald aus dem Landtag aus. Seit 1950 hatte der BHE auch inNiedersachsen beachtliche Wahlerfolge. Mit der ersten nationalen Welle in derBundesrepublik gelangte 1951 die rechtsradikale, ein Jahr spter verbotene SRP in dasLandesparlament, 1955 dann auch - vorbergehend - die DRP und 1967 die NPD.

    Niedersachsen sah sich in den ersten Nachkriegsjahren vor eine Flle von Problemengestellt, die einen raschen Wiederaufbau behinderten. Die schwierigste Aufgabe war dieIntegration der Flchtlinge und Vertriebenen, die in groer Zahl in das Land gestrmt waren,anfangs ungeregelt, spter ber die Notaufnahme- und Grenzdurchgangslager Uelzen-Bohldamm und Friedland. Die Bevlkerung stieg von 4,5 auf 6,8 Millionen; mit diesemZuwachs von 49,7% nahm Niedersachsen nach Schleswig-Holstein eine Spitzenstellung ein.Die Ankmmlinge muten mit Wohnung und Hausrat, Nahrung und Kleidung versorgtwerden, woran ohnehin Mangel herrschte. In den industriearmen Regionen standen nichtgengend Arbeitspltze zur Verfgung; die Arbeitslosigkeit stieg rasch an, nach derWhrungsreform von 1948 bis auf 22%. Erst durch Umsiedlung oder Abwanderung vielerFlchtlinge in andere Bundeslnder entspannte sich die Lage seit 1950. Erst jetzt konntenauch wieder in grerer Zahl neue Wohnungen geschaffen werden. Als erster

    Flchtlingsminister erwarb sich Heinrich Albertz Verdienste um die wirtschaftliche undsoziale Eingliederung der Neubrger.

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    Eine groe Belastung fr das Flchenland Niedersachsen waren auch die hohenBesatzungskosten, die schlielich mit gut 700 Millionen Mark fast die Hlfte derHaushaltseinnahmen verschlangen. Erst 1950 gingen diese Last