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14 | Bauwelt 35 2004 Architekt: Tadao Ando Architect & Associates, Osaka Architekt vor Ort: Takenaka Europe GmbH, Düsseldorf Joachim Frey Statik: Ing.-Büro J. Heibges, Schutz Landschaftsplanung: Architekturbüro Landschaft & Garten, Solingen Außenanlagen: Gebr. Prager GmbH, Velbert Lichtplanung: Zumtobel Staff GmbH & Co KG, Lemgo Heinz Werner Hellweg Bauherr: Marianne Langen (†), Meerbusch bevollmächtigte Vertreterin der Bau- herrin: Sabine Langen-Crasemann, Meerbusch Nils Ballhausen Die Stille nach dem Bau Die Langen Foundation in Neuss lers Karl-Heinrich Müller, hatte Ando eine geo- metrische Raumskulptur für diesen „Ort des Friedens“ entwickelt, die bereits 1996 auf der Biennale in Venedig als „Hombroich Museum“ vorgestellt wurde: ein langer Riegel, der im 45-Grad-Winkel von einem eingegrabenen Saal- bau touchiert wird. Müller ließ drei Jahre spä- ter zunächst nur die große Eingangsgeste des Museums errichten, ein etwa vier Meter ho- hes Kreissegment aus Sichtbeton, das fortan als Portal zur Raketenstation diente. Über ihre Tochter, die in ein Kuratorium zur Entwicklung Hombroichs berufen worden war, kam die Kunstsammlerin Marianne Langen aus dem nahe gelegenen Meerbusch mit Andos Projekt in Kontakt. Sie griff zu und gab das Haus für die Präsentation ihrer Sammlung in Auftrag. „Es ist das größte Kunstwerk, das ich jemals erworben habe“, äußerte die Bauher- rin stolz. Und so sollte das Haus wohl auch be- trachtet werden, als ein Kunstwerk ohne Vor- Der Titel der Eröffnungsausstellung lautet „Bilder der Stille“. Auf dieses Motto werden die Besucher, nach- dem sie ein betoniertes Kreissegment durchschritten haben, eingestimmt. Der Weg zum Eingang führt an Kirsch- bäumen entlang. Das riesige Bassin zur Rechten ist nur wenige Zentimeter tief, diverse Pumpen wälzen kontinu- ierlich das Wasser um, damit es nicht veralgt. Das Foto rechts oben zeigt das Portal, wie es sich im Jahr 2000 darstellte. Mit der Eröffnung der Langen Foundation auf dem Gelände der ehemaligen Raketenstation südlich von Neuss beginnt ein neuer Abschnitt in der über zwanzigjährigen Geschichte des Kunst- und Kulturraums um die „Museum In- sel Hombroich“. Das Ausstellungsgebäude von Tadao Ando sprengt den Maßstab aller bislang in diesem Kontext realisierten Bauten. Sowohl die elf Gebäude, die zwischen 1982 und 1994 nach Entwürfen des Bildhauers Erwin Heerich um die Keimzelle der „Insel“ herum entstan- den, als auch die vier Instituts-, Seminar-, Ate- lier- und Unterkunftsgebäude im Bereich der 1995 hinzugekommenen früheren NATO-Liegen- schaft sind noch von einer anderen Architek- tursprache: bescheidene, pavillonartige Skulp- turen, verkleidet mit belgischem Abbruchzie- gel (Hefte 37/1986, 35/1993, 4/2001). Was verbin- det jene mit diesem Import aus Japan? Auf Einladung des „Erfinders“ von Hombroich, des Immobilienkaufmanns und Kunstsamm- Bauwelt 35 2004 | 15 gaben, mit dem sich die umfangreiche Samm- lung der Langen Foundation nun auseinander setzt – mit allen Überraschungen, Chancen und Zwängen. Der Weg von der Raumskulptur, die im Maß- stab 1 : 100 aus Osaka angeliefert wurde, hin zum gebrauchsfähigen Ausstellungshaus ver- lief selbstredend nicht schnurgerade, der Bau musste vor Ort im Widerstreit mit verschiede- nen Kräften errungen werden. Zwei der wich- tigsten heißen „Versammlungsstättenverord- nung“ und „Sicherheitskonzept“. Zunächst nur für den Aufenthalt von maximal 200 Personen beantragt, wurde 2002 eine – mit Blick auf das anvisierte Veranstaltungsgeschäft sinnvolle – Genehmigung für 800 Personen erwirkt, was das gesamte Fluchtwegekonzept veränderte. Mit der Feuerwehr mussten Kompensations- maßnahmen verhandelt werden. Angesichts der beiden sechs Meter unter der Erde gelege- nen Ausstellungstrakte bedeutete das: Opti-

Nils Ballhausen Die Stille nach dem Bau - Bauwelt

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14 | Bauwelt 35 2004

Architekt:

Tadao Ando Architect & Associates,

Osaka

Architekt vor Ort:

Takenaka Europe GmbH, Düsseldorf

Joachim Frey

Statik:

Ing.-Büro J. Heibges, Schutz

Landschaftsplanung:

Architekturbüro Landschaft & Garten,

Solingen

Außenanlagen:

Gebr. Prager GmbH, Velbert

Lichtplanung:

Zumtobel Staff GmbH & Co KG, Lemgo

Heinz Werner Hellweg

Bauherr:

Marianne Langen (†), Meerbusch

bevollmächtigte Vertreterin der Bau-

herrin: Sabine Langen-Crasemann,

Meerbusch

Nils Ballhausen

Die Stille nach dem BauDie Langen Foundation in Neuss

lers Karl-Heinrich Müller, hatte Ando eine geo-metrische Raumskulptur für diesen „Ort desFriedens“ entwickelt, die bereits 1996 auf derBiennale in Venedig als „Hombroich Museum“vorgestellt wurde: ein langer Riegel, der im45-Grad-Winkel von einem eingegrabenen Saal-bau touchiert wird. Müller ließ drei Jahre spä-ter zunächst nur die große Eingangsgeste desMuseums errichten, ein etwa vier Meter ho-hes Kreissegment aus Sichtbeton, das fortanals Portal zur Raketenstation diente. Über ihre Tochter, die in ein Kuratorium zurEntwicklung Hombroichs berufen worden war,kam die Kunstsammlerin Marianne Langenaus dem nahe gelegenen Meerbusch mit AndosProjekt in Kontakt. Sie griff zu und gab dasHaus für die Präsentation ihrer Sammlung inAuftrag. „Es ist das größte Kunstwerk, das ichjemals erworben habe“, äußerte die Bauher-rin stolz. Und so sollte das Haus wohl auch be-trachtet werden, als ein Kunstwerk ohne Vor-

Der Titel der Eröffnungsausstellunglautet „Bilder der Stille“. Auf diesesMotto werden die Besucher, nach-dem sie ein betoniertes Kreissegmentdurchschritten haben, eingestimmt.Der Weg zum Eingang führt an Kirsch-bäumen entlang. Das riesige Bassinzur Rechten ist nur wenige Zentimetertief, diverse Pumpen wälzen kontinu-ierlich das Wasser um, damit es nichtveralgt. Das Foto rechts oben zeigt das Portal,wie es sich im Jahr 2000 darstellte.

Mit der Eröffnung der Langen Foundation aufdem Gelände der ehemaligen Raketenstationsüdlich von Neuss beginnt ein neuer Abschnittin der über zwanzigjährigen Geschichte desKunst- und Kulturraums um die „Museum In-sel Hombroich“. Das Ausstellungsgebäude vonTadao Ando sprengt den Maßstab aller bislangin diesem Kontext realisierten Bauten. Sowohldie elf Gebäude, die zwischen 1982 und 1994nach Entwürfen des Bildhauers Erwin Heerichum die Keimzelle der „Insel“ herum entstan-den, als auch die vier Instituts-, Seminar-, Ate-lier- und Unterkunftsgebäude im Bereich der1995 hinzugekommenen früheren NATO-Liegen-schaft sind noch von einer anderen Architek-tursprache: bescheidene, pavillonartige Skulp-turen, verkleidet mit belgischem Abbruchzie-gel (Hefte 37/1986, 35/1993, 4/2001). Was verbin-det jene mit diesem Import aus Japan?Auf Einladung des „Erfinders“ von Hombroich,des Immobilienkaufmanns und Kunstsamm-

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gaben, mit dem sich die umfangreiche Samm-lung der Langen Foundation nun auseinandersetzt – mit allen Überraschungen, Chancenund Zwängen.Der Weg von der Raumskulptur, die im Maß-stab 1 : 100 aus Osaka angeliefert wurde, hinzum gebrauchsfähigen Ausstellungshaus ver-lief selbstredend nicht schnurgerade, der Baumusste vor Ort im Widerstreit mit verschiede-nen Kräften errungen werden. Zwei der wich-tigsten heißen „Versammlungsstättenverord-nung“ und „Sicherheitskonzept“. Zunächst nurfür den Aufenthalt von maximal 200 Personenbeantragt, wurde 2002 eine – mit Blick auf dasanvisierte Veranstaltungsgeschäft sinnvolle –Genehmigung für 800 Personen erwirkt, wasdas gesamte Fluchtwegekonzept veränderte.Mit der Feuerwehr mussten Kompensations-maßnahmen verhandelt werden. Angesichtsder beiden sechs Meter unter der Erde gelege-nen Ausstellungstrakte bedeutete das: Opti-

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1 Museum Insel Hombroich2 Raketenstation3 Raimund Abraham4 Alvaro Siza5 Rudolf Finsterwalder6 Tadao Ando7 Frei Otto8 Per Kirkeby9 Daniel Libeskind

10 Erwin Heerich11 Oliver Kruse12 Katsuhito Nishikawa13 Hoidn Wang Partner14 Thomas Herzog15 Krischanitz–Frank

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mierung der Brandmeldeanlage, Verminde-rung der Brandlasten, Einrichtung von Brand-abschnitten usw. Die Präsentation der Kunstwird sich von dem Konzept, wie es im Bereichder „Insel“ gepflegt wird, unterscheiden. Inden Heerich-Bauten stehen alle Türen offen,es gibt kein Aufsichtspersonal, die Besucherkönnen sich frei zwischen der Kunst bewegen.Die Wege durch die Langen Foundation sind –sei es wegen der Kleinteiligkeit der Expona-te, sei es wegen der Versicherung – festgelegt.Türen, die der Brandschutz erzwungen hat,hält die Alarmtechnik verschlossen. Was in je-dem Museum selbstverständlich ist, fällt vordem Hintergrund der speziellen Situation inHombroich plötzlich ins Gewicht. Der Kon-takt des Besuchers mit der Landschaft mussauf das Visuelle beschränkt bleiben. Der Paradigmenwechsel, wenn man es dennso hoch hängen will, wird erklärbar, wenn mandie Ideen für die zukünftige Gestaltung der

Umgebung kennt. Unter dem Namen „Hom-broich Raumortlabor“ wurde diesen Sommer,koordiniert von Wilfried Wang, ein Projekt angeschoben, das sich mit der schrittweisen In-tegration der umliegenden Agrarlandschaftauseinander setzt. Es geht dabei in erster Li-nie um die rund 550 Hektar zwischen der A46und der Landstraße von Holzheim nach Kapel-len. Von Müller und Heerich ausgewählte Ar-chitekten und Bildhauer haben Idealvorstel-lungen für Baufelder von jeweils etwa 15 bis25 Hektar entwickelt. Vorgaben: Zehn Prozentder Flächen sind zu bebauen und neunzig Pro-zent als Naturraum zu gestalten; sechzig Pro-zent dieser Grünflächen sollen öffentlich zu-gänglich sein, zehn Prozent der Bebauung kul-turellen Zwecken, neunzig Prozent für alter-native Formen des Wohnens und Arbeitensdienen. Für die Umsetzung der Entwürfe be-darf es, siehe Langen Foundation, privater In-vestoren aus der Region. Verhandlungen mit

Der Blick von Westen auf die Stirn-seite des Saals, in dem Werke japani-scher Kunst aus der umfangreichenPrivatsammlung von Viktor und Mari-anne Langen gezeigt werden. Die voluminöse Anlage verbirgt sichhinter zwei begrünten Erdwällen; überdem Kamm sind Bauten von ErwinHeerich zu erkennen (rechte Seite).Die Außenanlagen sollen für jeder-mann zugänglich bleiben.

Lageplan im Maßstab 1 : 15.000

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1 Eingang2 Kasse und Foyer3 Japan-Saal4 Moderne I5 Moderne II6 Magazin

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Die Rampe an der Südseite führt zu denbeiden eingegrabenen Sälen, in denennur ein Teil der dreihundert vorhandenenWerke der „westlichen Moderne“ gezeigtwerden kann. In der Flucht erkennt man den Turm ausZeiten der NATO-Basis.

Grundrisse Unter- und Erdgeschoss sowieSchnitte im Maßstab 1 : 750

dem Land Nordrhein-Westfalen, den örtlichenPlanungsabteilungen und den Grundstücks-eigentümern sind bereits im Gange, der Zeit-raum von zehn bis fünfzehn Jahren erscheintrealistisch. Zurück zum Ando-Bau, der vor dem „Raum-ortlabor“ nur noch mittelgroß wirkt. Wie Hee-richs Bauten ist er ein weitgehend zweckfreies,fast verschwenderisches Raumgeschenk, un-berührt von Gedanken an Effizienz oder lau-fende Unterhaltskosten. Hat man das Kreisseg-ment durchschritten, bewegt man sich übereinen betonierten Weg und entlang einer im-mensen Wasserfläche auf die Sichtbetonwandder unterirdischen Ausstellungssäle zu, biegt,dort angekommen, ab in Richtung des verglas-ten Riegelbaus, in dem die Sammlung japani-scher Kunst präsentiert wird. Hier befindetsich der Haupteingang. Der verglaste Umlaufgilt als überdachter Außenraum, er wird nichtraumklimatisch behandelt und ist den Einwir-kungen des Wetters voll ausgesetzt (im Kas-senbereich war aus Gründen des Arbeitsschut-zes noch eine Fußbodenheizung einzubauen).Damit unterliegen auch die Exponate im Inne-ren, vornehmlich japanische Rollbilder, raum-klimatischen Schwankungen, was die Kunst-werke aber tolerieren sollen; da aus der Samm-lung mit über fünfhundert Werken nur etwavierzig präsentiert werden, ist ein Austauschjederzeit möglich. Der gut proportionierte Ausstellungsraumwird an seinem Westende betreten und dortauch wieder verlassen. Die Besucher werdendann über die Rampe an der Südflanke zu den fensterlosen, klimatisierten Sälen hinab-geführt, die der „westlichen“ Kunst gewidmetsind. Von einer Verteilerebene führt eine dop-

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Die Wände des Saals wurden in ei-nem aparten Olivton gestrichen, da-mit auch die zartesten japanischenKunstwerke zur Geltung kommen. Eineder im Detail heikelsten und in derPerspektive überraschendsten Situa-tionen entstand an der Stelle, wo die beiden Kuben zusammentreffen.Linke Seite: die als „Skulpturengar-ten“ bezeichnete Terrasse im Anschnittund der Blick in den Japansaal

Fotos: Tomas Riehle, Köln

pelläufige Rampe hinab zum Saal „Moderne I“.Die Rampe ist Teil des beiläufig inszeniertenWeges durch das Haus, sie verstellt die Hälfteder Hängefläche im Saal und macht wegen ihres podestfreien Verlaufs die Bereithaltungelektrischer Rollstühle für Behinderte erfor-derlich. Unten angekommen, betritt man denSaal „Moderne II“, von wo aus dann der Rück-weg angetreten wird – jedenfalls solange dieAusgänge zu der monumentalen Treppe ver-sperrt bleiben, die die Besucher zwischen denbeiden Sälen nach oben führen könnte. Auchkann die intime Terrasse, die vom Unterge-schoss aus zugänglich ist, nur bei abgeschalte-ter Alarmanlage betreten werden. Es sind sol-che unfreiwillig ins Leere weisenden Gesten,die das Haus bei aller Klarheit und erhabenenEinfachheit zu einem Rätsel machen. Das Einfache war selbstverständlich überhauptnicht einfach zu konstruieren. Ein Beispiel:Die Sichtbetonflächen, insbesondere die des

Japan-Riegels, sind von einer Güte, wie man sie von Tadao Ando erwartet. Um die siebenMeter hohen Wände frei von Dehnungsfugenzu halten, bedurfte es eines erhöhten Armie-rungsaufwands, und bei einer Wandstärke von18 Zentimetern gelang es nur mit (kostspieli-gerem) Fließbeton, die extreme Schalungsgeo-metrie zu bewältigen. Mit dem „frühen“ Hombroich, jener beschei-den hervortretenden Kunstleidenschaft einesPrivatiers, hat dieser Bau wenig zu tun. Erweist in die Richtung einer halb-privaten Bau-ausstellung, für die Namen benötigt werden,wenn Geld fließen soll, um hier Aussteigertumauf höchstem Niveau zu ermöglichen. Als Aus-stellungshaus erscheint das Gebäude nur be-dingt tauglich. Als solches wurde es aber auchgar nicht erworben. Es war eine Herzensan-gelegenheit von Marianne Langen, die im Fe-bruar dieses Jahres zweiundneunzigjährig ver-storben ist.

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