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Norbert Klingen Algebraische Zahlentheorie oln WS 2010/11

Norbert Klingen - Mathematisches Institut Universität zu Kölnklingen/algzth.pdfBeweis der Mordellschen Vermutung (Gerd Faltings 1983, Fields Medaille 1986) oder der Beweis von Fermats

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Norbert Klingen

Algebraische Zahlentheorie

Koln WS 2010/11

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii

§1 Algebraische ganze Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1a. Ganzheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1b. Ganzheitsringe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3c. Dedekindringe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7d. Teilbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

§2 Die Endlichkeitssatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13a. Die Klassengruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13b. Die Einheitengruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14c. Reelle Gitter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15d. Der Konjugiertenraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18e. Endlichkeit der Klassenzahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23f. Der Logarithmenraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

§3 Primzerlegung in Erweiterungskorpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33a. Verzweigungsindex und Restklassengrad. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34b. Hilbertsche Theorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40c. Verzweigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .45d. Differente und Diskriminante. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

§4 Zerlegungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52a. Polynomzerlegungsgesetz von Kummer-Dedekind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52b. Quadratische Zahlkorper. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54c. Einheitswurzelkorper. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57d. Primzerlegung und der Frobeniusautomorphismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66e. Kreiskorper. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

§5 Lokale Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76a. Quotientenringe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76b. Lokalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78c. Komplettierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82d. Lokale Verzweigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90e. Lokale Differente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

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Einleitung

Gegenstand der Algebraischen Zahlentheorie im engeren Sinne ist die Arithmetik al-gebraischer Zahlkorper, und das meint die Untersuchung des Ringes der ganzen Zahlen indiesen Korpern. Im Rahmen der Untersuchungen kommen zwangslaufig weitere Korper-klassen in den Blick, die sog. globalen und ihre lokalen Korper.

Ein algebraischer Zahlkorper ist eine endlich-algebraische Erweiterung des KorpersQ der rationalen Zahlen. Dieser enthalt einen ausgezeichneten Unterring, den Ring derganzen algebraischen Zahlen, der in Analogie zum Ring ZZ der gewohnlichen (rationalen)ganzen Zahlen steht. Diesen Ring in all seinen Facetten zu analysieren und zu verstehen,ist das Ziel der algebraischen Zahlentheorie.

Ausgangspunkt fur die Entwicklung dieses Gebietes waren die sog. diophantischenGleichungen, das sind (im ursprunglichen Sinne) Polynomgleichungen mit ganzzahligenKoeffizienten, fur die ganzzahlige Losungen gesucht sind. Ich mochte hier nur zwei Seriendieser Gleichungen nennen, die entscheidend die Entwicklung der algebraischen Zahlen-theorie in Gang gesetzt haben.

Die Untersuchung quadratischer diophantischer Gleichungen, etwa der sog. PellschenGleichung x2 + dy2 = 1, waren Gegenstand von Gauss’ grundlegender Abhandlung Dis-quisitiones Arithmeticae 1801, die man als die Geburt der algebraischen Zahlentheorieansehen kann, wobei dort allerdings im wesentlichen ‘nur’ quadratische Zahlkorper undihre Arithmetik im Fokus standen.

Die Untersuchung etwa der Fermat-Gleichung xn + yn = zn fuhrte nach der Losungder ersten Einzelfalle mit Mitteln der elementaren Zahlentheorie des Ringes ZZ (Kon-gruenzrechnungen im Ring ZZ) sehr bald auf die Einheitswurzelkorper Q(ζn) und derenGanzheitsringe. Dies war Kummers Ansatz zu einer allgemeinen Losung des Problems, derzwar nicht zur vollstandigen Losung fuhrte, doch zum Beweis des Fermatschen Satzes furunendlich viele (Primzahl-)Exponenten. Schlussel war dabei die Analyse der Ganzheitsrin-ge ZZ[ζp] der p-ten Einheitswurzelkorper (p ungerade Primzahl). Im Laufe der Zeit fuhrtedies immer tiefer in die Untersuchung solcher Ganzheitsringe und damit zur Entwicklungder algebraischen Zahlentheorie in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts.

Durch die weitere Entwicklung in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts (Klas-senkorpertheorie, Lokal-Global-Prinzip) ist die algebraische Zahlentheorie zu einem umfas-senden, intensiv durchdrungenen Theoriegebaude angewachsen, das mit vielen mathemati-schen Disziplinen eng verwoben ist (kommutative Algebra, Funktionentheorie, algebraischeGeometrie). Die Verbindung zur algebraischen Geometrie hat durch deren Entwicklung inder zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts (Geometrie uber beliebigen Korpern und schließ-lich uber Ringen) zu einem heute Arithmetische Geometrie genannten eigenen Gebiet derMathematik gefuhrt.

Diesem Gebiet sind die herausragenden Ergebnisse der letzten 20 Jahre, wie etwa derBeweis der Mordellschen Vermutung (Gerd Faltings 1983, Fields Medaille 1986) oder derBeweis von Fermats Letztem Satz (Andrew Wiles 1995) zuzuschreiben.

Unser Ziel in dieser Vorlesung ist dagegen vergleichsweise bescheiden. Hier sollenzunachst die klassischen Grundlagen der algebraischen Zahlentheorie gelegt werden. Da-bei werde ich den algebraischen Standpunkt betonen und so die Voraussetzungen auf dieKenntnisse der Algebra beschranken konnen. Dennoch ist genug zu tun, da der notwen-dige Begriffsapparat und die erforderlichen Methoden auch im Grundlagenbereich bereitsvielfaltig sind. Dies macht fur den Einsteiger Muhe, stellt aber zugleich den besonderenReiz dieses Teilgebietes der Mathematik dar.

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§1 Algebraische ganze Zahlen

(1.1) Definition: a) Ein algebraischer Zahlkorper ist eine endliche Korpererweite-rung K von Q.b) Sein Ganzheitsbereich ZK besteht aus allen Elementen a ∈ K, die ganz sind uber ZZ(siehe unten).

a. Ganzheit. Wir betrachten im Folgenden ausschließlich kommutative Ringe mitEinselement. Eine Ringerweiterung S|R sei stets unitar, d. h. mit gleichem Einselement.

(1.2) Definition: Sei S|R eine Ringerweiterung. Wir definieren:a) a ∈ S ist ganz uber R :⇐⇒ a ist Wurzel eines normierten Polynoms f mit Koeffizientenin R. Ein solches Polynom wird auch eine ganze Gleichung fur a genannt.b) S|R ist eine ganze Ringererweiterung :⇐⇒ alle a ∈ S sind ganz uber R.

(1.3) Satz: Fur eine Ringerweiterung S|R und a ∈ S sind aquivalent:i) a ist ganz uber R.ii) Der von R und a erzeugte Unterring R[a] von S ist als R-Modul endlich-erzeugt, d. h.

es gibt w1, . . . , wm ∈ R[a] mit

R[a] = 〈w1, . . . , wm〉R :=

m∑

i=1

Rwi .

iii) Es gibt einen endlich erzeugten R-Untermodul R ⊂M ⊂ S mit aM ⊂M .iv) Es gibt einen treuen R[a]-Modul M , der als R-Modul endlich erzeugt ist. (Ein Modul

ist treu, wenn die Darstellung des Ringes durch Linksmultiplikation treu, d. h. injektivist: dM = (0) =⇒ d = 0 fur alle d ∈ R[a].)

Beweis i)⇒ ii): Es gilt an = −∑n−1i=0 ria

i mit den Koeffizienten ri ∈ R (i=0, . . . , n−1)des gemaß i) gegebenen Polynoms f . Damit ist jede R-Linearkombination von beliebigenPotenzen aj (j ∈ IN) von a bereits als Linearkombination der ai (i=0, . . . , n−1) darstellbar,d.h.

R[a] =

n−1∑

i=0

Rai

ist endlich erzeugt uber R.ii) ⇒ iii): M = R[a] erfullt alle Forderungen.iii)⇒ iv): Ein R-Modul M , der invariant unter Linksmultiplikation mit a ist, ist ein R[a]-Modul bzgl. der Linksmultiplikation in S. Da S ein Integritatsbereich ist, ist die Operationdurch Linksmultiplikation treu.iv) ⇒ i): Sei w1, . . . , wm irgendein R-Erzeugendensystem von M . Da a auf M operiert,existieren rij ∈ R (i, j=1, . . . , m) mit

a.wi =

m∑

j=1

rijwj fur alle i .

Mit der Matrix A = (rij)i,j ∈ Mm(R) ⊂ Mm(R[a]) sowie der m-reihigen EinheitsmatrixE bedeutet dies

(a.E −A) ·

w1...

wm

=

0...0

.

Multipliziert man diese Gleichung mit der Adjungierten B∗ von B = (aE − A), so ergibtsich aus B∗B = det B ·E:

det B · wi = 0 fur alle i .

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det B ∈ R[a] annulliert also ganz M . Da M ein treuer R[a]-Modul ist, muss 0 = det B =det(aE − A) sein. Damit ist a Wurzel des charakteristischen Polynoms det(XE −A) vonA, das normiert ist und wie A seine Koeffizienten in R hat.

(1.4) Korollar: a) Sei S|R eine Ringerweiterung. Dann sind aquivalent:i) a1, . . . , an ∈ S sind ganz uber R.ii) R[a1, . . . , an] ist als R-Modul endlich erzeugt.iii) R[a1, . . . , an]|R ist ganz.b) (Transitivitat der Ganzheit) Fur Ringerweiterungen T |S|R sind aquivalent:

i) T |S und S|R ganze Ringerweiterungenii) T |R ganze Ringerweiterung.

Beweis: a) i)⇒ ii) folgt induktiv aus (1.3): Induktionsanfang n = 0 ist klar. Sei n ≥ 1.Da an ganz ist uber R, also erst recht uber Rn−1 := R[a1, . . . , an−1], gilt gemaß (1.3) ii):Rn−1[an] ist endlich erzeugter Rn−1-Modul. Nach Induktionsvoraussetzung ist Rn−1 alsR-Modul endlich erzeugt und folglich ist auch

R[a1, . . . , an] = Rn−1[an] =∑

i

Rn−1wi =∑

i

j

Rujwi

ein endlich erzeugter R-Modul.ii) ⇒ iii): Der endlich erzeugte R-Modul M := R[a1, . . . , an] ⊂ S ist invariant unter allena ∈ R[a1, . . . , an], also ist jedes derartige a ganz uber R (gemaß (1.3) iii)).iii) ⇒ i) ist eine logische Abschwachung.

ad b): ii) ⇒ i) ist eine logische Abschwachung.i) ⇒ ii): Sei a ∈ T . Dann ist a ganz uber S. Sind c0, . . . , cn ∈ S die Koeffizienten einerganzen Gleichung fur a, so ist a ganz uber S ′ := R[c0, . . . , cn], also S ′[a] =

∑k S ′wk

endlich erzeugter S ′-Modul. Da die ci ∈ S ′ ⊂ S ihrerseits ganz sind uber R, ist nacha) S ′ = R[c0, . . . , cn] =

∑j Ruj ein endlich erzeugter R-Modul. Insgesamt wird damit

S ′[a] =∑

k

∑j Rujwk ein endlich erzeugter R-Modul, so dass gemaß a) ii) das Element

a ∈ T ganz ist uber R.

(1.5) Definition: Sei S|R eine Ringerweiterung.a) Der ganze Abschluss von R in S ist die Menge der uber R ganzen Elemente von S.b) Ein Ring R heißt ganz-abgeschlossen in S genau dann, wenn jedes uber R ganze Ele-ment von S bereits zu R gehort, m.a.W. wenn R mit seinem ganzen Abschluss in Subereinstimmt.

(1.4) Korollar (Fortsetzung):c) Der ganze Abschluss eines Ringes ist selbst ein Ring.d) Der ganze Abschluss R von R in S ist ganz-abgeschlossen in S.e) Ist S|R eine Ringerweiterung und σ : S → T ein Ringhomomorphismus, so gilt:a ∈ S ganz uber R =⇒ σa ganz uber σR.Insbesondere liegt σR im ganzen Abschluss σR von σR in σS.

Beweis: c) Aufgrund von (1.4) a) gilt: a, b ganz uber R =⇒ R[a, b]|R ganz =⇒a± b, a · b ganz uber R.d) folgt aus der Transitivitat der Ganzheit ((1.4) b)).e) Da σ unitar ist, ubertragt σ eine ganze Gleichung fur a in eine fur σa.

Die bisherigen Begriffe und Resultate gelten insbesondere fur beliebige Integritats-bereiche R ⊂ S (sie haben notwendig dasselbe Einselement). Fur diese definieren wirzusatzlich

(1.6) Definition: Ein Integritatsbereich R heißt ganz-abgeschlossen (schlechthin,ohne Bezug auf einen Erweiterungsring), wenn er in seinem Quotientenkorper ganz-abge-schlossen ist.

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(1.7) Bemerkung: Der ganze Abschluss eines Integritatsbereiches in irgendeinemErweiterungskorper ist ganz-abgeschlosssen.

(1.8) Satz: Faktorielle Ringe sind ganz-abgeschlossen.

Beweis: Sei R faktoriell und ab ein uber R ganzes Element des Quotientenkorpers, also

a, b ∈ R, b 6= 0. Da R faktoriell ist, konnen o. E. a, b als teilerfremd vorausgesetzt werden.Wegen der Ganzheit gibt es dann geeignete a0, . . . , an−1 ∈ R mit

n−1∑

i=0

aiai

bi+

an

bn= 0 ⇐⇒

n−1∑

i=0

aiaibn−i + an = 0 .

Ware nun ab

kein Element in R, so gabe es einen Primteiler p von b und folglich ware auch

an = −n−1∑

i=0

aiaibn−i

durch p teilbar (da stets n − i > 0 ist). Damit ware auch a selbst ein Vielfaches von p imWiderspruch zur Annahme, dass a, b teilerfremd sind.

Fur ganz-abgeschlossene Integritatsbereiche haben wir noch die folgende recht nutz-liche Charakterisierung der Ganzheit:

(1.9) Proposition: Seien R ⊂ S Integritatsbereiche und R ganz-abgeschlossen mitQuotientenkorper K. Dann sind fur a ∈ S aquivalent:

i) a ist ganz uber R.

ii) a ist algebraisch uber K und das Minimalpolynom fa,K hat Koeffizienten in R.

Beweis: ii)⇒ i) ist eine logische Abschwachung, da das Minimalpolynom definitions-gemaß normiert ist.

i) ⇒ ii): Sei g ∈ R[X ] normiert mit g(a) = 0 gemaß i). Dann ist a naturlich algebraischuber K und das Minimalpolynom f von a uber K teilt g. Also ist jede Wurzel von f (inirgendeinem Zerfallungskorper) auch Nullstelle von g und daher ganz uber R. Damit sindauch die Koeffizienten des Minimalpolynoms f ganz uber R, da sie sich als die elementar-symmetrischen Polynome der ganzen Wurzeln von f berechnen. f hat also Koeffizientenin K, die ganz sind uber R, wegen der Ganzabgeschlossenheit also in R liegen.

b. Ganzheitsringe. Von besonderem Interesse fur uns sind die Ganzheitsringe ZK

in algebraischen Zahlkorpern K. Gemaß Definition ist ZK der ganze Abschluss von ZZ inK, also eine ganze Ringerweiterung von ZZ und selbst ganz-abgeschlossen. Der Korper Kist Quotientenkorper von ZK , genauer gilt folgende

(1.10) Bemerkung: Es sei S der ganze Abschluss eines Integritatsbereiches R ineinem algebraischen Erweiterungskorper L von R. Dann ist jedes x ∈ L darstellbar alsx = a

bmit a ∈ S und b ∈ R. Insbesondere ist L der Quotientenkorper von S und S enhalt

eine Basis von L uber dem Quotientenkorper von R.

Beweis: Sei f das Minimalpolynom von x uber K, dem Quotientenkorper von R,und b ∈ R ein gemeinsamer Nenner der Koeffizienten von f . Durch Multiplikation derGleichung 0 = f(x) mit bd, d = deg f , erhalt man eine ganze Gleichung fur bx uber R,also a := bx ∈ S.

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Die erste wichtige Aussage zur Struktur der Ganzheitsringe liefert

(1.11) Hauptsatz: Sei K ein algebraischer Zahlkorper. Dann ist der GanzheitsringZK ein freier ZZ-Modul vom Rang n = (K: Q), d.h. es existieren a1, . . . , an ∈ ZK , sodass sich jedes Element b ∈ ZK eindeutig als ZZ-Linearkombination der ai darstellen lasst.Solch eine ZZ-Basis von ZK nennt man auch eine Ganzheitsbasis von K.

Wichtiges Hilfsmittel fur den Beweis ist die Diskriminante von Korperbasen.

(1.12) Definition: Sei K|k eine endliche separable Korpererweiterung und a1, . . .an

eine k-Basis von K. Dann definiert man die Diskriminante dieser Basis durch

D(a1, . . . , an) :=(det(σiaj)

)2

wobei σi : K → K (i = 1, . . . , n) die verschiedenen k-Monomorphismen von K (in einealgebraisch abgeschlossene Hulle von K) durchlauft. (Die Separabilitat garantiert, dassdie Matrix tatsachlich quadratisch ist.)

(1.13) Proposition: Unter den Voraussetzungen von (1.12) gilt:a) Es ist D(a1, . . . , an) = det

(SpK|k(aiaj)

)ein Element des Grundkorpers k.

b) Bei Wechsel der Basis andert sich die Diskriminante um ein Quadrat aus k×, genauer:Sind (ai) und (bj) zwei k-Basen von K und T ∈ GLn(k) die Ubergangsmatrix:

bi =n∑

j=1

tijaj (tij ∈ k),

so giltD(b1, . . . , bn) = (detT )2 ·D(a1, . . . , an) .

c) Diskriminanten von Basen sind stets 6= 0.d) Ist k der Quotientenkorper von R und sind alle ai ganz uber R, so ist D(a1, . . . , an)ganz uber R.

Beweis: a)/d) Ist M = (σiaj)ij ∈ Mn(k) die in der Definition der Diskriminanteauftretende Matrix. Dann gilt (det M)2 = det(M tM) und fur die Koeffizienten cik derMatrix C = M tM gilt:

cik =

n∑

j=1

σj(ai) · σj(ak) =

n∑

j=1

σj(aiak) = SpK|k(aiak) .

Als Spur von aiak liegen die Koeffizienten von C in k und die Determinante folglichauch. Sind nun (wie in d) vorgegeben) die ai ganz uber R, so sind die aiak und folglichauch deren Spuren sowie die Diskriminante ganz uber R, liegen also in k ∩ S = R, da Rganzabgeschlossen ist.b) Die Koeffizienten tij von T bleiben unter den k-Monomorphismen σk fest, also gilt

(σkbi)i = T · (σkaj)j und folglich D(b1, . . . , bn) = (det T )2 ·D(a1, . . . , an) ,

d. h. die Diskriminanten unterscheiden sich um das Determinantenquadrat der regularenUbergangsmatrix T .c) Die separable Erweiterung K|k besitzt ein primitives Element: K = k(a) = k[a]. Daherbilden die Potenzen al (l=0, . . . , n−1) von a eine k-Basis von K und man berechnet dieDiskriminante D(1, a, . . . , an−1) als Quadrat der Vandermonde-Determinante der σi(a)(i=1, . . . , n):

D(1, a, . . . , an−1) =(det(σia

l)il

)2=

i<j

(σi(a)− σj(a))2 .

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Da a die Korpererweiterung K|k erzeugt, sind die σia (i = 1, . . . , n) verschieden und dieDiskriminante D(1, a, . . . , an−1) 6= 0. Gemaß b) ist dann jede Diskriminante einer k-Basisvon K ungleich 0.

Anmerkung: Im Hinblick auf Ubung 2.4. sei daran erinnert, dass die Spur im korper-theoretischen Sinne auch als Spur einer Matrix/linearen Abbildung beschrieben werdenkann. Ein a ∈ K operiert auf K durch Linksmultiplikation und bestimmt so einen k-Endomorphismus la : K → K bzw. bzgl. einer k-Basis von K eine Matrix La ∈Mn(k). Esgilt

SpK|k(a) = Spur(la) = Spur(La) Summe der Hauptdiagonalelemente.

Analog gilt fur die NormNK|k(a) = det la = det La .

Diese Beschreibungen von Spur und Norm machen auch fur eine endlich dimensionalekommutative k-Algebra K Sinn.

Wir kommen nach diesen Vorbereitungen nun zuruck zum Beweis des Hauptsatzes(1.11). Die gesuchte ZZ-Basis von ZK ist naturlich auch eine Q-Basis von K. Wir be-trachten nun nur Q-Basen a1, . . . , an von K, die in ZK liegen. Diese existieren gemaßBemerkung (1.10), und ihre Diskriminanten D(a1, . . . , an) = det(〈ai, aj〉) 6= 0 sind danngemaß (1.13) d) ganz, liegen also in ZZ (ZZ ist ganzabgeschlossen). Es existiert somit un-ter allen Q-Basen von K aus ganzen Elementen (mindestens) eine, deren Diskriminanteminimalen Betrag hat.

(1.14) Lemma: Ist unter allen in ZK liegenden Q-Basen von K a1, . . . , an eine mitminimalem Diskriminantenbetrag, dann ist sie eine ZZ-Basis von ZK .

Beweis: Es ist nur zu zeigen, dass sie ein ZZ-Erzeugendensystem von ZK ist. Sei alsoa ∈ ZK beliebig und

a =

n∑

i=1

qiai (qi ∈ Q)

die Basisdarstellung von a bezuglich der Q-Basis ai (i= 1, . . . , n) von K. Ware q1 6∈ ZZ,also

q1 = c1 + r1 mit c1 ∈ ZZ , r1 ∈ Q , 0 < r1 < 1,

so betrachtet man folgende neue Q-Basis b1, . . . , bn von K:

b1 := a− c1a1 = r1a1 +

n∑

i=2

qiai,

bi := ai fur i 6= 1.

Die bi sind ebenfalls ganz, und sie bilden eine Q-Basis von K, da die Ubergangsmatrix

T =

r1 q2 . . . qn

0 1 . . . 0...

.... . .

...0 0 . . . 1

von der alten zur neuen Basis offenbar die Determinante r1 6= 0 hat. Damit berechnet sichdie Diskriminante gemaß (1.13) b) gerade als

D(b1, . . . , bn) = r21 ·D(a1, . . . , an).

Wegen r1 < 1 steht dies im Widerspruch zur Minimalitat von |D(a1, . . . , an)|.

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Es folgt also, dass alle qi in ZZ liegen und somit die ai ein ZZ-Erzeugendensystem vonZK bilden. Als Q-Basis von K sind die ai naturlich ZZ-linear-unabhangig und bilden soeine ZZ-Basis von ZK .

(1.15) Korollar/Definition: Alle Ganzheitsbasen eines algebraischen ZahlkorpersK haben dieselbe Diskriminante. Man nennt sie die Diskriminante von K und bezeichnetsie mit dK.

Beweis: Die Ubergangsmatrix T zwischen zwei Ganzheitsbasen von K, also zwei ZZ-Basen von ZK , hat ganzzahlige Koeffizienten und ihre Inverse auch. Damit ist detT eineEinheit in ZZ und folglich (detT )2 = 1. Also stimmen die Diskriminanten von Ganzheits-basen (gemaß (1.13) b)) uberein.

Man kann nun (1.14) leicht ubertragen auf alle Ideale von ZK :

(1.16) Proposition: Sei ZK der Ganzheitsring eines algebraischen Zahlkorpers Kund 0 6= a / ZK ein nichttriviales Ideal. Dann gilt:a) a ist freier ZZ-Modul vom Rang n = (K: Q).b) Eine Q-Basis in a mit minimalem Diskriminantenbetrag ist ZZ-Basis von a. Ihre Dis-kriminante ist eindeutig und wird Diskriminante von a genannt.

Der Beweis verlauft analog zum Beweis von Lemma (1.14), sobald eine Q-Basis vonK in a existiert. Wegen a 6= 0 und der Ganzheit von ZK |ZZ ist auch a ∩ ZZ 6= 0 (sieheUbung 1.2.). Ist nun x1, . . . , xn irgendeine Q-Basis von K, yi = cxi eine Q-Basis in ZK

(vgl. (1.10)), so erhalt man daraus nach Multiplikation mit 0 6= d ∈ a ∩ ZZ eine Q-Basisdy1, . . . , dyn in a.

Der Ring ZZ der ganzen Zahlen ist ein Hauptidealring und daher auch ein faktoriellerRing. Diese Eigenschaften gelten nun i. a. nicht fur die Ganzheitsringe ZK in beliebigenalgebraischen Zahlkorpern. Jedoch gibt es in diesen Ringen einen Ersatz fur die eindeutigePrimelementzerlegung, namlich die eindeutige Primidealzerlegung. Ausgangspunktsind die folgenden drei Eigenschaften eines Ganzheitsringes, die sich leicht aus unserenbisherigen Resultaten ergeben.

Vereinbarung: Primideale sind stets echte Ideale.

(1.17) Satz: Ist ZK der Ganzheitsring eines algebraischen Zahlkorpers K, so gilt:1) ZK ist ganzabgeschlossener Integritatsbereich.2) ZK ist Noethersch, d. h. jedes Ideal ist endlich erzeugt.3) Jedes Primideal 0 6= p von ZK ist maximal.

Beweis: 1) ist klar nach Bemerkung (1.7).2) ist in (1.16) enthalten.ad 3): Sei (0) 6= p ein Primideal von ZK und m ein maximales Ideal von ZK mit p ⊆ m.Dann gilt fur den Schnitt mit ZZ wegen 1 6∈ m:

p ∩ ZZ ⊆ m ∩ ZZ 6= Z .

und beides sind Primideale in ZZ. Da nach Ubung 1.2. p∩ZZ 6= (0) ist, gibt es eine Primzahlp mit

pZZ = p∩ ZZ = m ∩ ZZ .

Sei nun a ∈ m beliebig und 0 = c0 + a∑d

i=1 ciai−1 die minimale Gleichung fur a uber Q.

Deren Koeffizienten sind ganz, da a ganz ist. Das Ideal m enthalt a, also folgt

c0 = −a

d∑

i=1

ciai−1 ∈ m ∩ ZZ = p ∩ ZZ ⊆ p .

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Ware nun a nicht in p, so folgte aus der Primidealeigenschaft von p

d∑

i=1

ciai−1 ∈ p.

Induktiv schließt man nun weiter, dass alle ci zu p ∩ ZZ = pZZ gehoren mussten, abercd = 1, ein Widerspruch. Also a ∈ p fur alle a ∈ m.

c. Dedekindringe. Die drei Eigenschaften von Satz (1.17) charakterisieren die sog.Dedekindringe. Wir wollen nun die beiden wichtigen Eigenschaften der Dedekindringeerarbeiten, die eindeutige Primidealzerlegung bzw. die Invertierbarkeit aller Ideale.Fur das letztgenannte Konzept und die Beweise, dass alle drei Beschreibungen aquivalentsind, benotigen wir den Begriff der gebrochenen Ideale.

(1.18) Definition: Sei R ein Integritatsbereich mit Quotientenkorper K. Ein gebro-chenes Ideal von R ist ein R-Untermodul a 6= (0) von K, fur den ein c ∈ K× existiert mitca ⊆ R.

Ohne Einschrankung kann 0 6= c ∈ R gewahlt werden, denn ist c = ab

mit a, b ∈ R, sogilt ca ⊂ R =⇒ aa = bca ⊂ R.

Da ca ein R-Untermodul von R, d. h. ein Ideal in R ist, sind die gebrochenen Idealegerade die Mengen a = 1

cb mit einem Ideal 0 6= b / R und 0 6= c ∈ R. (Dies erklart auchdie Namensgebung.) Im Kontrast zu den hier definierten gebrochenen Idealen nennt mandie (gewohnlichen) Ideale von R dann oft auch ganze Ideale von R.

(1.19) Bemerkung: Endlich erzeugte R-Untermoduln 6= 0 von K sind gebrocheneIdeale von R, und fur Noethersche Integritatsbereiche R gilt auch die Umkehrung.

(1.20) Bemerkung: a) Die R-Untermoduln von K bilden bzgl. der Modulmultipli-kation

A ·B = 〈a · b | a ∈ A , b ∈ B〉R = {n∑

i=1

riaibi | n ∈ IN , ai ∈ A , bi ∈ B}

eine kommutative Halbgruppe mit Einselement R.b) Die gebrochenen Ideale bilden darin eine Unter-Halbgruppe mit demselben Einselement;sie wird mit IR bezeichnet.

Nun konnen wir das zentrale Ergebnis dieses Abschnittes formulieren, die folgendeumfassende Charakterisierung von Dedekindringen:

(1.21) Hauptsatz: Ein Dedekindring ist ein Integritatsbereich R, der die folgendendrei aquivalenten Eigenschaften i)—iii) hat:

i) R ist ganzabgeschlossen, Noethersch und jedes Primideal p 6= 0 ist maximal.ii) Jedes gebrochene Ideal von R ist invertierbar.

[Zusatz: Die Halbgruppe IR der gebrochenen Ideale von R ist die freie abelsche Gruppemit der Menge PR aller Primideale 6= 0 (bzw. aller maximalen Ideale) von R als Basis.]

iii) Jedes Ideal 0 6= a / R ist (bis auf die Reihenfolge) eindeutig als Potenzprodukt vonmaximalen Idealen von R darstellbar:

a =∏

p max

pvp(a) , vp(a) ∈ IN , vp(a) = 0 fur fast alle p ,

Beweis i)⇒ ii): Man muss also fur ein gebrochenes Ideal a von K ein Inverses finden,d.h. ein gebrochenes Ideal a∗ mit

a · a∗ = R.

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Es gibt dafur nur einen Kandidaten, namlich den sog. Transporteur

[R: a] := { x ∈ K | x · a ⊆ R } .

Sei namlich a∗ ein solches Inverses. Offensichtlich ist dann a∗ in [R: a] enthalten. Umgekehrtfolgt aus x · a ⊆ R durch Multiplikation mit a∗ sofort x ·R ⊆ a∗.

Zunachst einmal ist dieser ‘Kandidat’ [R: a] tatsachlich ein gebrochenes Ideal, dennes gilt allgemein

(1.22) Lemma: Sei R ein Integritatsbereich. Dann ist fur zwei gebrochene Ideale a,b von R der Transporteur [b: a] := {x ∈ K | xa ⊂ b} wieder ein gebrochenes Ideal.

Beweis: Zunachst ist [b: a] ein R-Modul und aufgrund der Definition gebrochenerIdeale existieren a, b, c, d ∈ K× mit

a ∈ a, b ∈ b , c · a ⊆ R, d · b ⊆ R.

Daraus folgt dann

bca ⊂ bR ⊂ b , also 0 6= bc ∈ [b: a]

da · [b: a] ⊆ db ⊆ R mit da 6= 0 .

(1.23) Lemma: Ist R ein Noetherscher Integritatsbereich, so enthalt jedes Ideala 6= (0) von R ein Produkt von Primidealen 6= 0.

Beweis: Da R noethersch ist, besitzt jede nicht-leere Menge von Idealen von R einmaximales Element (Lemma von Zorn). Galte also die Behauptung (1.23) nicht, so gabees ein Ideal a 6= (0) maximal mit der Eigenschaft:

a enthalt kein Produkt von Primidealen 6= 0 .

Insbesondere ist a dann selbst kein Primideal, so dass b, c ∈ R existieren mit

bc ∈ a, aber b, c /∈ a.

Damit sind die Ideale b = a+ b ·R und c = a+ c ·R echte Oberideale von a und enthaltenaufgrund der Maximalitatsanforderung an a jeweils Produkte von Primidealen 6= 0. Dannenthalt naturlich auch b · c ein Produkt von Primidealen 6= 0, im Widerspruch zu b · c ⊆ a.

(1.24) Hilfssatz: Der Integritatsbereich R erfulle (1.21) i). Dann ist jedes Primidealp 6= 0 von R invertierbar; das Inverse p−1 ist der Transporteur [R: p].

Beweis: Sei p′ := [R: p]. Per definitionem gilt p · p′ ⊆ R und wegen p ⊆ R ist 1 ∈ p′

und es folgt

p ⊆ pp′ ⊆ R.

Da p maximal ist, muss entweder p = pp′ oder pp′ = R gelten.Annahme: p = pp′.

Dann gilt fur jedes c ∈ p′: c · p ⊆ p. Da p ein endlich erzeugter R-Modul 6= 0 ist, istc gemaß Satz (1.3) iii) ganz uber R, liegt also im ganzabgeschlossenen Ring R. Damitfolgt p′ ⊆ R. Wegen p ⊆ R gilt R ⊆ p′ und es folgt p′ = R. Dies fuhren wir nun zumWiderspruch und es folgt dann p · p′ = R, die Behauptung.

Sei 0 6= a ∈ p und (gemaß (1.23)) p1, . . . , pr Primideale 6= 0 von R mit

p1 · . . . · pr ⊆ a ·R ⊆ p .

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O. E. sei r minimal gewahlt. Es ist r ≥ 1, da sonst R ⊆ a ·R ⊆ p. Da p ein Primideal ist,muss es eines der Ideale pi umfassen, und dann wegen der Maximalitat der pi mit diesemubereinstimmen. Sei o.E. p1 = p. Wegen der Minimalitat von r gilt

p2 · . . . · pr 6⊂ a ·R.

Wahlt man nunb ∈ p2 · . . . · pr, b 6∈ a ·R ,

so istb · p = b · p1 ⊆ p1 · p2 · . . . · pr ⊆ aR ,

und damit ba−1 ∈ p′ \R, im Widerspruch zu p′ ⊆ R.

(1.25) Hilfssatz: Der Integritatsbereich R erfulle (1.21) i). Dann ist jedes ganzeIdeal 0 6= a / R darstellbar als Produkt von Primidealen 6= 0.

Beweis: Angenommen, dies ware falsch. Dann betrachten wir, ahnlich wie im Beweisvon (1.23) ein ganzes Ideal a 6= 0, das maximal ist mit der Eigenschaft

a ist nicht als Produkt von Primidealen darstellbar.

Insbesondere ist a 6= R, also enthalten in einem maximalen Ideal p: a ⊂ p. Nach (1.24) istp invertierbar und wegen p⊂6=R gilt R⊂

6=p−1 (siehe auch Ubung 3.2.). Also folgt a ⊂ a · p−1.Ware nun a = a · p−1, so ware wieder jedes Element von p−1 ganz (Satz (1.3), a istein endlich erzeugter R-Modul, invariant unter allen c ∈ p−1). Damit ergabe sich derWiderspruch p−1 ⊆ R.

Also muss a echt in a · p−1 enthalten sein. Aufgrund der Maximalitat von a ist a · p−1

nun als Produkt von maximalen Idealen darstellbar, dann aber auch a = (ap−1) · p. Eskann also kein solches a geben, d. h. jedes ganze Ideal ist Produkt von Primidealen 6= 0.

Beweisschluss von (1.21) i) ⇒ ii) (mit Zusatz) und iii):Nach (1.24) ist jedes Primideal 6= 0 invertierbar, nach (1.25) dann auch jedes ganze Ideala. Dies ubertragt sich dann sofort auf alle gebrochenen Ideale. Also ist IR eine Gruppe.

Da nach Voraussetzung alle Primideale 6= 0 maximal sind, ist in (1.25) die Exis-tenzaussage von iii) gezeigt. Es bleibt nur noch die Eindeutigkeit der Primidealzerlegungzu zeigen. Diese ist jedoch klar, da man in der Gruppe IR kurzen kann.

iii) ubertragt sich aber sofort auf alle gebrochenen Ideal, womit PR, die Menge allermaximalen Ideale = Menge aller Primideale 6= 0 eine Basis von IR wird und auch derZusatz von ii) vollstandig bewiesen ist.

Beweis von (1.21) ii) ⇒ i):ad 1) R Noethersch, denn es gilt

(1.26) Lemma: Invertierbare Ideale in Integritatsbereichen sind endlich erzeugt.

Beweis: Ist ab = R, so gibt es eine Darstellung der Eins

1 =∑

i

aibi mit ai ∈ a , bi ∈ b .

Dann lasst sich jedes a ∈ a darstellen als

a =∑

i

abi︸︷︷︸∈ab=R

·ai ∈ 〈ai〉R ,

also wird a uber R von den endlich vielen ai erzeugt.

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ad 2) R ganzabgeschlossen: Sei a ∈ K× ganz uber R. Dann ist a := R[a] =∑n−1

i=0 Rai

ein endlich erzeugter R-Modul und damit gemaß (1.19) ein gebrochenes Ideal. Nach Vor-aussetzung ist a also invertierbar. Aus aa ⊂ a folgt durch Mulitplikation mit a−1 sofortaR ⊂ R, also a ∈ R.ad 3) Jedes Primideal 6= 0 in R ist maximal: Sei p in Primideal und 0 6= p ⊂ m miteinem maximalen Ideal m. Durch Multiplikation mit m−1 folgt pm−1 ⊂ mm−1 = R, alsoist a := pm−1 ein Ideal in R und es gilt

p = (pm−1) ·m = a ·m .

Da p ein Primideal ist, folgt

(1) pm−1 ⊂ p ∨ (2) m ⊂ p .

Aus (2) folgt wie behauptet p = m ist maximal.Indem man (1) mit p−1m multipliziert, erhalt man den Widerspruch R ⊂ m.

Damit ist der Beweis von (1.21) ii) ⇒ i) vollstandig.

Beweis von (1.21) iii) ⇒ i): Mit Hilfe des Chinesischen Restsatzes werden wir imnachsten Abschnitt (Lemma (1.31)) aus iii) folgern:

a ⊆ b ⇐⇒ vp(a) ≥ vp(b) fur alle maximalen p .

ad 1) R ist Noethersch: Aufgrund dieser Beziehung bestimmt eine aufsteigende Ketteai (i = 1, 2, . . .) von Idealen in R fur jedes maximale p eine absteigende Kette vp(ai)naturlicher Zahlen, die zwangslaufig stationar wird. Da fur fast alle p vp(a1) = 0 ist, sindnur endlich viele Ketten von Bedeutung und diese werden schließlich gemeinsam stationar.

ad 2) R ist ganzabgeschlossen: Sei 0 6= x ∈ K ganz uber R. Dann ist (siehe (1.3))

a := R[x] =

n−1∑

i=0

Rxi endlich erzeugter R-Modul

Gemaß (1.19) ist a dann ein gebrochenes Ideal, d. h. fur geeignetes 0 6= c ∈ R ist b := ca / Rein ganzes Ideal. Wegen a2 = a erhalt man die folgende Gleichung zwischen ganzen Idealen

b2 = c2a2 = c2a = cb = cR · b .

Gemaß Voraussetzung iii) kann man in dieser Gleichung b kurzen und erhalt

b = cR , also a =1

cb = R .

Dies bedeutet x ∈ R, was zu zeigen war.ad 3) Jedes Primideal 6= 0 ist maximal: Sei 0 6= p prim und p =

∏m max mvm(p) gemaß

Voraussetzung. Da p prim ist, existiert ein mj ⊂ p, also wegen der Maximalitat mj = p: p

ist maximal.

d. Teilbarkeit. In einem Ring R definiert man bekanntlich den Begriff der Teilbarkeitfur Elemente durch

a | b :⇐⇒ a teilt b :⇐⇒ b ist Vielfaches von a :⇐⇒ b = ac fur ein c ∈ R.

und darauf aufbauend Begriffe wie ggT, kgV, prim, teilerfremd. Das Konzept der Teilbar-keit lasst sich auch idealtheoretisch beschreiben mit Hilfe der erzeugten Hauptideale:

a | b ⇐⇒ Rb ⊆ Ra .

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Mit anderen Worten, Teilbarkeit ist durch Inklusion der Hauptideale beschreibbar. Manbeachte dabei: Der Teiler erzeugt das großere Ideal.

Wir ubertragen nun den Begriff der Teilbarkeit von Elementen auf Ideale:

a teilt b ⇐⇒ b = ca fur ein Ideal c .

Man beachte aber, dass in beliebigen Ringen Teilbarkeit und Inklusion nicht mehr zusam-menfallen; es gilt:

(1.27) Bemerkung: Teilbarkeit a | b impliziert die Inklusion b ⊆ a, aber i. a. nichtumgekehrt.

Begrundung: a | b =⇒ b = ac ⊂ a ∩ c aufgrund der Idealeigenschaft.Gegenbeispiel fur die Umkehrung: R = ZZ[X ], m = pR + XR und p = pR mit einerPrimzahl p. Offenbar ist p ein Primideal (R/p ' IF p[X ] Integritatsbereich), m maximal(R/m ' IF p Korper) und p⊂6=m. Ware p = mc, so musste wegen der Primidealeigenschaftc ⊂ p gelten. Dann folgt aber pR = p = mc ⊂ mp = (pR + XR)pR = p2R + pXR 63 p,Wid.

Aus diesem Grunde fallen fur Ideale in beliebigen Ringen die Begriffe teilerfremd undcoprim (relativ prim) auseinander:

(1.28) Definition: Fur zwei Ideale a, b in einem beliebigen Ring R definieren wir:

a, b coprim ⇐⇒ a + b = R.

Dieser Begriff impliziert die Teilerfremdheit: Jeder gemeinsame Teiler c von a, b mussgleich R sein: es gibt keinen gemeinsamen Teiler (außer dem immer vorhandenen R).

Unter der Voraussetzung coprim lassen sich einige Resultate uber Teilerfremdheit undteilerfremde Ideale auf beliebige Ringe ubertragen:

(1.29) Lemma: Sei R ein kommutativer unitarer Ring, ai, b Ideale in R. Dann gilt:a) b coprim zu allen ai =⇒ b coprim zu

∏i ai. (ai = aj moglich!)

b) ai paarweise coprim =⇒ ⋂i ai =

∏i ai.

Beweis: a) Nach Voraussetzung existieren ai ∈ ai und bi ∈ b mit 1 = ai + bi. Dannfolgt

1 =∏

i

(ai + bi) =∏

i

ai + . . . ∈∏

i

ai + b .

b) Es genugt b) fur zwei Ideale nachzuweisen, der Rest folgt induktiv mit a). Sind a, bcoprim, so

a ∩ b = (a ∩ b)(a + b) = (a∩ b)a + (a∩ b)b ⊆ ba + ab = ab ⊆ a ∩ b .

Es muss also insgesamt Gleichheit gelten a ∩ b = ab.

Ein wichtiges Resultat, das sich in diesen allgemeinen Rahmen ubertragen lasst, istder Chinesische Restsatz uber simultane Kongruenzen:

(1.30) Satz: (Chinesischer Restsatz) Sei R ein kommutativer unitarer Ring unda1, . . . , ar paarweise coprime Ideale, d. h. ai + aj = R fur i 6= j. Dann gilt:A) Fur beliebige x1, . . . , xr ∈ R existiert stets ein x ∈ R mit x ≡ xi mod ai fur alle i; xist eindeutig modulo

⋂i ai =

∏i ai.

B) Die kanonischen Epimorphismen R→ R/ai induzieren einen Isomorphismus

R/∏

i

ai = R/⋂

i

ai∼→

i

R/ai .

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Anmerkung: A) und B) sind gleichwertige Fassungen des Satzes.

Beweis: Gemaß Lemma (1.29) sind ak und bk :=∏

i6=k ai =⋂

i6=k ai coprim, d. h.

ak + bk = R ⇐⇒ 1 = ak + bk mit ak ∈ ak , bk ∈ bk .

Daraus folgt fur bk = 1− ak :

bk ≡{

1 mod ak ,0 mod bk

, also bk ≡{

1 mod ak ,0 mod ai , i 6= k .

Dann ist x :=∑

i bixi ∈ R ein Element mit x ≡ xi mod ai fur alle i.Die Eindeutigkeitsaussage in A) ist klar, denn

x ≡ xi ≡ y mod ai fur alle i ⇐⇒ x ≡ y mod⋂

i

ai =(1.29)

i

ai .

B) ist nur eine Umformulierung von A).

Wir vervollstandigen nun den Beweis von Hauptsatz (1.21) iii) ⇒ i) durch das fol-gende Lemma, dessen Vorausetzung wegen der Eindeutigkeit in iii) erfullt ist.

(1.31) Lemma: Sei R ein beliebiger Ring, pi verschiedene maximale Ideale, derenPotenzen samtlich verschieden sind. Dann gilt:

i

pni

i ⊂∏

i

pmi

i ⇐⇒ ni ≥ mi fur alle i .

Beweis von ⇒ : Wir nehmen an, dass (o.E.) n1 < m1 ist. Da die Potenzen von p1

samtlich verschieden sind, existiert x1 ∈ pn1

1 \ pn1+11 . Verschiedene maximale Ideale sind

coprim, also ist nach Lemma (1.29) pn1+11 coprim zu

∏i≥2 pni

i und folglich existiert nachdem Chinesichen Restsatz (1.30) ein x ∈ R mit

x ≡{

x1 mod pn1+11

0 mod∏

i≥2 pni

i

Daraus folgt

x ∈ pn1

1 ∩∏

i≥2

pni

i =(1.29)

i

pni

i ⊆∏

i

pmi

i ⊂ pm1

1 .

Also x ≡ 0 mod pm1

1 . Wegen m1 ≥ n1 + 1 folgt daraus

x1 ≡ x ≡ 0 mod pn1+11

im Widerspruch zur Wahl von x1 6∈ pn1+11 .

(1.32) Proposition: In Dedekindringen R sind die beiden oben diskutierten Teil-barkeitsdefinitionen gleichwertig:

a | b ⇐⇒ b = ac fur ein c / R ⇐⇒ b · a−1 ⊆ R ⇐⇒ b ⊆ a.

Dies hat zur Folge, dass in beliebigen Dedekindringen R fur Primidealzerlegungen a =∏p pap , b =

∏p pbp gilt:

a | b ⇐⇒ [ap ≤ bp fur alle p]⇐⇒ b ⊂ a ,

a + b = ggT(a, b) ,

a ∩ b = kgV(a, b) ,

a, b teilerfremd ⇐⇒ a + b = R ⇐⇒ a, b coprim .

Als Anwendungsbeispiel diene der folgende

(1.33) Satz: a) Jedes Ideal a eines Dedekindringes R ist von 2 Elementen erzeugbar;genauer:

a ∈ a \ {0} beliebig =⇒ a = 〈a, b〉R = aR + bR fur ein geeignetes b ∈ a.

b) Jeder echte Faktorring R = R/a eines Dedekindringes R ist ein Hauptidealring.

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Beweis: a) Sei

aR =

r∏

i=1

pni

i (ni ≥ 1)

die Primzerlegung von aR im Dedekindring R. Wegen a ∈ a, also a|aR hat a als Primzer-legung

a =

r∏

i=1

pmi

i mit 0 ≤ mi ≤ ni.

Wahle nun Elementebi ∈ pmi

i \ pmi+1i .

(Dies ist moglich wegen der Eindeutigkeit der Primidealzerlegung.) Da (in Dedekindringen)Potenzen verschiedener Primideale coprim sind, existiert nach dem chinesischen Restsatzdann ein einziges Element b, das diese Eigenschaft fur alle i hat (als Losung der simultanenKongruenzen b ≡ bi mod pmi+1

i ). Damit ergibt sich fur bR folgende Primzerlegung:

bR =

r∏

i=1

pmi

i ·s∏

j=1

qkj

j

mit Primidealen qj 6= pi und kj ≥ 0. Man berechnet nun leicht

aR + bR = ggT(aR, bR) =

r∏

i=1

pmi

i = a.

b) Sei 0 6= a / R ein Ideal in R. Ist b ein Ideal von R/a mit vollem Urbild b unter dernaturlichen Abbildung R → R/a, so ist b ein Oberideal von a. Erganzt man nun einbeliebig gewahltes Element 0 6= a ∈ a zu einem Erzeugendensystem a, b von b, so ist a = 0und b wird von b erzeugt.

§2 Die Endlichkeitssatze

In §1 haben wir gesehen, dass die ganzen algebraischen Zahlen viele Eigenschaften mit denganzen rationalen Zahlen teilen, besonders die eindeutige Primidealzerlegung mit ihrenKonsequenzen hinsichtlich der Teilbarkeitslehre. Aber es gibt naturlich auch wesentlicheUnterschiede, vor allem sind die Ganzheitsringe im Gegensatz zu ZZ in der Regel keineHauptidealringe und auch nicht faktoriell. Wie weit die Ganzheitsringe in dieser Hinsichtvon ZZ abweichen bzw. welchen Ersatz man stattdessen nachweisen kann, ist Inhalt derangestrebten Endlichkeitssatze.

a. Die Klassengruppe. Gegenstand des ersten Endlichkeitssatzes ist die Abwei-chung der Ganzheitsringe von der Hauptidealring-Eigenschaft. Diese Abweichung wirddurch die Klassengruppe der Ganzheitsringe (oder wie man ungenauer sagt: der Zahlkor-per) erfasst.

(2.1) Definition: Sei R ein Integritatsbereich und IR seine Halbgruppe der gebro-chenen Ideale. K sei der Quotientenkorper von R.a) Jedes x ∈ K× bestimmt ein gebrochenes Ideal xR, das sog. gebrochene Hauptidealerzeugt von x.b) Die Zuordnung x 7→ xR ist ein Homomorphismus von der Multiplikationsgruppe K×

von K in die Halbgruppe IR der gebrochenen Ideale von R. Deren Bild ist die GruppeHR der gebrochenen Hauptideale von R: HR = {xR | x ∈ K×}.

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c) Ist R ein Dedekindring, IR also eine Gruppe, so definiert man die Klassengruppe vonR als Faktorgruppe C`R = IR/HR.

d) Ist R der Ganzheitsring eines algebraischen Zahlkorpers K, so spricht man auch vonder Klassengruppe C`K von K (statt von ZK).

Wir konnen nun den ersten Endlichkeitssatz der algebraischen Zahlentheorie formu-lieren:

(2.2) Satz: (Endlichkeit der Klassengruppe) Die Klassengruppe algebraischer Zahl-korper ist eine endliche abelsche Gruppe. Ihre Machtigkeit hK = #C`K wird Klassenzahlvon K genannt.

b. Die Einheitengruppe. Die zweite wichtige Invariante der Ganzheitsringe ist dieEinheitengruppe

R× := {ε ∈ R | εε′ = 1 fur ein ε′ ∈ R} .

Im rationalen Fall R = ZZ ist die Einheitengruppe kleinstmoglich ZZ× = {±1}. In Zahl-ringen ZK kann sie erheblich großer sein. Zunachst einmal sind alle Einheitswurzeln, diein einem algebraischen Zahlkorper K liegen, ganz und dann auch Einheiten in R = ZK :

Z×K ⊃ µK := {ζ ∈ K | ζn = 1 fur ein n ∈ IN} .

Die Einheitswurzelgruppe µK besteht gerade aus den Elementen endlicher Ordnung in K×

(bzw. in R×), also der Torsionsuntergruppe von K× bzw. R×. Wie viele Einheiten unend-licher Ordnung ein Ganzheitsring besitzt, hangt ab von der Signatur des algebraischenZahlkorpers, die wir hier einleitend kurz erklaren wollen. Jeder algebraische Zahlkorper Kvom Grad n uber Q besitzt n verschiedene Einbettungen σi : K → C in C .

(2.3) Definition: Sei K|Q ein algebraischer Zahlkorper vom Grade n und σi : K →C (i = 1, . . . , n) seine verschiedenen Einbettungen in C . Es sei c : z 7→ z die komplexeKonjugation von C .a) σ : K → C heißt reell, wenn σ(K) ⊂ IR gilt, d. h. σ := c ◦ σ = σ.

σ : K → C heißt komplex, wenn σ(K) 6⊂ IR gilt, d. h. σ 6= σ.

(Vorsicht: Eine komplexe Einbettung ist bei diesem Sprachgebrauch nicht reell, im Gegen-satz zum Sprachgebrauch bei Zahlen.)

b) Es sei r(K) die Anzahl der reellen Einbettungen von K in C und s(K) die Anzahl derPaare {σ, σ} konjugierter komplexer Einbettungen. Das Zahlenpaar (r, s) nennt man auchdie Signatur von K.

(2.4) Bemerkung: a) Geht man von einer festen Einbettung K ⊂ C eines Zahl-korpers K aus, so ist r(K) die Zahl der reellen Konjugierten von K und s(K) die halbeAnzahl der nicht reellen.

b) Ist K = Q(α) und f ∈ Q[X ] das Minimalpolynom von α, so ist r die Anzahl derreellen Wurzeln von f und 2s die Zahl der nicht reellen (paarweise konjugiert komplexen)Wurzeln von f .

c) Es gilt r + 2s = n = (K : Q).

Nach diesen Vorbereitungen konnen wir den zweiten wichtigen Endlichkeitssatz deralgebraischen Zahlentheorie formulieren:

(2.5) Satz: (Dirichletscher Einheitensatz) Sei K ein algebraischer Zahlkorper der Si-gnatur (r, s). Dann ist die Einheitengruppe UK = Z×

K seines Ganzheitsringes eine endlicherzeugte abelsche Gruppe vom Rang t = r + s − 1, d. h.

UK ist das direkte Produkt der endlichen zyklischen Einheitswurzelgruppe µK und einerfreien abelschen Gruppe vom Rang t := r + s− 1.

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Explizit formuliert: Es gibt Einheiten ε1, . . . , εt ∈ UK , so dass jede Einheit ε ∈ UK ein-deutig darstellbar ist als

ε = ζεν1

1 · . . . · ενt

t mit ζ ∈ µK , νi ∈ ZZ .

Ein solches Einheitensystem ε1, . . . , εt nennt man ein System von Grundeinheiten.

c. Reelle Gitter. Die Formulierung des Dirichletschen Einheitensatzes weist bereitsauf die besondere Rolle des reellen Zahlkorpers hin. Dies wird noch deutlicher in denBeweismethoden, und zwar fur beide genannte Endlichkeitssatze. Diese Methoden wurdenfruher als Geometrie der Zahlen bezeichnet. Inzwischen spielt aber die Geometrie eineviel umfassendere und grundlegendere Rolle in der Zahlentheorie. Die Zahlentheorie istheute untrennbar mit der algebraischen Geometrie verwachsen zu einem Gebiet, das maninzwischen als Arithmetische Geometrie bezeichnet. Dagegen ist die genannte Geometrieder Zahlen wesentlich konkreter, es handelt sich um gewohnliche reelle Geometrie.

(2.6) Definition: Sei V ein n-dimensionaler IR-Vektorraum. Ein Gitter Γ in V isteine von IR-linear unabhangigen Vektoren v1, . . . , vm erzeugte Untergruppe von V :

Γ = ZZv1 ⊕ . . .⊕ ZZvm , v1, . . . , vm IR-linear unabhangig.

Man nennt dann v1, . . . , vm eine Basis des Gitters und die Menge

G = {m∑

i=1

xivi | xi ∈ [0, 1[ fur alle i .}

eine Grundmasche. Wir sprechen von einem Gitter auf V oder einem vollstandigen GitterΓ, wenn Γ eine Basis von V enthalt, also m = n ist.

Vorsicht: Ein Gitter ist zwar ein freier ZZ-Modul mit einem Rang ≤ dimV , aber dieUmkehrung gilt nicht: ZZ ⊕ ZZ

√2 ist ein freier ZZ-Modul (in IR ⊂ IR2) vom Rang 2, aber

kein Gitter, da die ZZ-Basis 1,√

2 nicht IR-linear unabhangig ist.

(2.7) Bemerkung: Ein Gitter ist vollstandig, wenn die samtlichen Translationenγ + G (γ ∈ Γ) einer Grundmasche G den Vektorraum V uberdecken.

Ein 2-dimensionales Gitter wird erzeugt von zwei IR-linear-unabhangigen Vektorenv1, v2 und besteht aus allen ganzzahligen Linearkombinationen der vi.Zur Veranschaulichung sei V = IR2 und zur bequemeren Beschreibung der Vektoren wahlenwir V = C .1) Mit v1 = 1 und v2 = ζ3 = e2πi/3 erhalt man das folgende Gitter auf C = IR2:

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Eine Grundmasche ist schraffiert. Zur Verdeutlichung der Gitterstruktur sind in nachfol-gender Skizze die durch die Basisvektoren bestimmten Achsen und ihre Parallelen (dieGitterlinien) eingezeichnet.

Man beachte aber, dass das Gitter im Sinne unserer Definition nur durch die Gitterpunktereprasentiert wird. Die Basisvektoren und die Gitterlinien sind nicht durch das Gitterbestimmt! Betrachten Sie dazu einmal das nachste Beispiel mit den Basisvektoren w1 =ζ6 = e2πi/6 ∈ C und w2 = ζ3.

Die andere Gestalt der Grundmasche und der andere Verlauf der Gitterlinien darf nichtdaruber hinwegtauschen, dass es sich um dasselbe Gitter handelt, denn w1 = v1 + v2 undw2 = v2. (Basis wi entsteht aus Basis vi durch die Translation um v2. Die Ubergangsmatrixist ZZ-invertierbar, die erzeugten ZZ-Moduln also gleich.)

Aber auch unterschiedlich lange Basisvektoren konnen zu demselben Gitter wie obenfuhren: u1 = 1 und u2 = ζ6 + 1 erzeugen dasselbe Gitter, jedoch mit der folgenden

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Grundmasche und Gitterlinien:

(2.8) Bemerkung: Zwei Basen (vi) und (wi) eines IR-Vektorraums V bestimmendasselbe Gitter genau dann, wenn die Ubergangsmatrix T von einer zur anderen Basisganzzahlige Koeffizienten und die Determinante detT = ±1 hat.

Beweis: T ∈Mn(ZZ) uber ZZ invertierbar ⇐⇒ detT in ZZ invertierbar.

Eine von Gitterbasis und Grundmasche unabhangige topologische Charakterisierungvon Gittern gibt die folgende

(2.9) Proposition: Gitter in IR-Vektorraumen sind genau die diskreten additivenUntergruppen Γ von V .

Zur Erinnerung: Teilmenge M ist diskret ⇐⇒ M hat keine Haufungspunkte ⇐⇒jeder Punkt von V hat eine Umgebung, in der hochstens ein Punkt von M liegt ⇐⇒Schnitt mit beschrankten Mengen ist endlich

Bei additiven Untergruppen genugt fur die Diskretheit, dass ein Gitterpunkt eineUmgebung besitzt, in der kein weiterer Gitterpunkt liegt.

Beweis von (2.9): Gitter sind selbstverstandlich diskret: Ist vi eine Gitterbasis, so istU = {∑i xivi | |xi| < 1

2} eine Umgebung der 0, in der kein weiterer Gitterpunkt liegt.Sei nun Γ ⊂ V eine additive diskrete Untergruppe von V . Ohne Einschrankung sei V dasIR-Vektorraumerzeugnis von Γ. Dann gibt es eine in Γ liegende IR-Basis v1, . . . , vn von Vund es gilt

Γ0 := ⊕i

ZZvi ⊂ Γ ⊂ V = ⊕i

IRvi .

Wir zeigen: Ist Γ diskret, so hat Γ0 endlichen Index in Γ.

Beweis: Sei G0 die Grundmasche zu Γ0 bzgl. der Gitterbasis vi. Dann ist jedes γ ∈Γ ⊂ V von der Form γ = γ0 + g mit γ0 ∈ Γ0 und g = γ − γ0 ∈ G ∩ Γ. G0 ∩ Γ enthaltalso ein Reprasentantensystem von Γ modulo Γ0. Da G0 beschrankt und Γ diskret ist, istG0 ∩ Γ endlich.

Sei nun d = (Γ : Γ0) der Gruppenindex, also dΓ ⊂ Γ0 bzw. Γ ⊂ 1dΓ0 = ⊕i ZZ · 1

dvi.

Damit ist Γ Untergruppe in einer endlich erzeugten freien abelschen Gruppe, also selbstfrei (Hauptsatz uber endlich erzeugte abelsche Gruppen bzw. endlich erzeugte Modulnuber Hauptidealringen):

Γ = ⊕j

ZZwj ⊂ V .

Da Γ den Vektorraum V uber IR erzeugt, muss die Gitterbasis wj eine IR-Basis von Vsein: Γ ist ein vollstandiges Gitter auf V .

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(2.10) Proposition: Ist Γ ein Gitter auf einem euklidischen IR-Vektorraum V (mitSkalarprodukt 〈. . . , . . .〉), so haben alle Grundmaschen G dasselbe Volumen; man nennt esdas Volumen volΓ von Γ. Es berechnet sich aus einer Gitterbasis v1, . . . , vn von Γ durch

volΓ = |det A| =√

det(〈vi, vj〉)

mit der Ubergangsmatrix A von einer Orthonormalbasis (ei) des euklidischen Raumes(V, 〈. . . , . . .〉) zur Basis (vi).

Beweis: Sei G die durch die Gitterbasis (vi) bestimmte Grundmasche von Γ. Dann istG das Parallelepiped (der Spat) mit den Kantenvektoren vi. Dessen Volumen berechnetsich als Betrag der Determinante der Ubergangsmatrix A von einer Orthonormalbasis ei

zu vi bzw. als Wurzel der Gramschen Determinante. Da bei einem Gitterbasiswechsel dieUbergangsmatrix T ganzzahlig invertierbar ist, also Determinante ±1 hat, andert sich dasVolumen nicht.

Wir kommen nun zu dem fundamentalen Hilfsmittel fur die nachfolgenden Beweise.

(2.11) Satz: (Minkowskischer Gitterpunktsatz) Sei Γ ein vollstandiges Gitter aufeinem n-dimensionalen euklidischen Vektorraum V . Ist M eine ursprungssymmetrischeund konvexe Teilmenge mit einem Volumen volM > 2n · volΓ, so muss mindestens einGitterpunkt γ 6= 0 in M liegen:

volM > 2nvolΓ =⇒ M ∩ Γ 6= {0} .

Zusatz (Ubung 5.1.): Man kann in der Voraussetzung > durch ≥ ersetzen, wenn M zusatz-lich kompakt ist.

Beweis von (2.11): Es sei M ′ = 12M die mit dem Faktor 1

2gestauchte Menge M . Es

genugt zu zeigen, dass zwei verschiedene Mengen γ1 +M ′, γ2 +M ′ (γi ∈ Γ) nicht disjunktsind:

(γ1+M ′)∩(γ2+M ′) 6= ∅ ⇐⇒ γ2−γ1 =1

2m1−

1

2m2(mi ∈M) =⇒ 0 6= γ := γ2−γ1 ∈M

denn 12m1 − 1

2m2 ist die Mitte zwischen m1 und −m2 ∈ M (Ursprungssymmetrie) und

gehort daher zu M (Konvexitat).Annahme: die Mengen γ + M ′ (γ ∈ Γ) sind disjunkt. Dann wurde fur eine Grundma-

sche G von Γ gelten:

volG ≥ vol(G∩

γ

(γ +M ′))

=∑

γ∈Γ

vol((γ +M ′)∩G

)=(1)

γ∈Γ

vol(M ′∩(G−γ)

)=(2)

volM ′ .

ad (1): Translationen (um −γ) andern das Volumen nichtad (2): Die Mengen G− γ uberdecken V , also M ′.Wegen M ′ = 1

2M gilt naturlich volM ′ = 1

2n volM und damit folgt im Widerspruch zurVoraussetzung vol Γ = volG ≥ 1

2n volM .

d. Der Konjugiertenraum. Wir betten einen algebraischen Zahlkorper K vomGrad n in einen reellen Vektorraum KIR der gleichen Dimension n ein. Dabei werdenZZ-Moduln maximalen Ranges in vollstandige Gitter uberfuhrt und Gittervolumen undDiskriminante bestimmen einander.

Sei K|Q ein algebraischer Zahlkorper vom Grade n. Es seiM die Menge der n Ein-bettungen von K in C :

M = {τ : K ∼→ C} , #M = n .

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Wir erhalten damit die folgende Q-lineare Einbettung in einen n-dimensionalen C -Vektor-raum:

j : K →∏

τ∈M

C := KC , α 7→ (τα)τ∈M .

Wegen τα = τα liegt das Bild von K unter j in

KIR := {(zτ)τ∈M | zτ = zτ}

Dies ist ein IR-Vektorraum ebenfalls der Dimension n, der explizit wie folgt beschriebenwerden kann: Ist R := {ρ1, . . . , ρr} ⊂ M die Menge der reellen Einbettungen von K,K := {σ1, σ1, . . . , σs, σs} ⊂ M die Menge der komplexen Einbettungen, also n = r + 2s,so gilt

KIR = {(zτ)τ∈M | zρi∈ IR , zσj

= zσj} ∼→ IRr+2s ,

wobei der Isomorphismus die Komponenten zu reellen ρ ∈ R unverandert lasst und furjedes Paar σj , σj ∈ K konjugiert komplexer Einbettungen gegeben ist durch

ϕj : (zσj, zσj

) = (zσj, zσj

) = (xj + iyj , xj − iyj) 7→ (xj , yj) = (Re zσj, Im zσj

) .

Die Abbildung ϕ−1j : IR2 → C 2 hat die Determinante

det ϕ−1j = det

(ϕ−1

j (e1), ϕ−1j (e2)

)= det

(1 i1 −i

)= −2i .

Setzt man fur die r reellen und s Paare konjugiert komplexer Einbettungen von K dieIsomorphismen komponentenweise zusammen, so erhalt man einen IR-Isomorphismus ϕ∞ :KIR

∼→ IRr+2s, der die jeweiligen kanonischen Determinantenfunktion auf KIR ⊂ KC ' Cn

bzw. auf IRr+2s = IRn wie folgt miteinander verbindet:

v1, . . . , vn ∈ KIR =⇒ det(v1, . . . , vn) = (−2i)s det(ϕ∞(v1), . . .ϕ∞(vn)) .

Fur die zugehorigen Maße auf diesen beiden reellen Vektorraumen gilt dann:

M ⊂ KIR messbar =⇒ volM = 2svol (ϕ∞M) .

Zusammengefasst erhalten wir das folgende

(2.12) Lemma: Sei K ein algebraischer Zahlkorper vom Grad n, j : K → KIR,ϕ∞ : KIR

∼→ IRr+2s wie oben definiert und

j∞ = ϕ∞ ◦ j : K → IRn , a 7→ (ρ1a, . . . , ρra, Reσ1a, Imσ1a, . . . , Reσsa, Imσsa) .

Dann gilt fur jede Q-Basis a1, . . . , an von K:

D(a1, . . . , an) = det((τaj)τ,j)2 = det(ja1, . . . , jan)2 = (−4)s det

(j∞(a1), . . . , j∞(an)

)2,

Ist a der ZZ-Modul mit Basis aj , so ist Γ = ja ein vollstandiges Gitter auf KIR sowieΓ∞ = j∞(a) ein vollstandiges Gitter auf IRn = IRr+2s und es gilt:

√|da| = volΓ = 2svol Γ∞

Um mit den oben definierten Abbildungen j : K → KIR sowie ϕ∞ : KIR → IRr+2s =IRn grundlich vertraut zu werden, empfiehlt es sich, die Aussagen von Lemma (2.12) an

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einfachen Zahlkorpern zu verifizieren. Man skizziere im Falle quadratischer ZahlkorperK = Q(

√D) die Bildgitter Γ∞ = j∞ZK ⊂ IR2 (im reellen wie auch im komplexen Fall).

Das obige Lemma (2.12) zeigt unter anderem, dass ein ZZ-Untermodul a von K genaudann frei von maximalem Rang ist, wenn sein Bild ja ein vollstandiges Gitter auf KIR ist.Angesichts dieser engen Beziehung wollen wir zur einfacheren Sprechweise vereinbaren

(2.13) Definition: Ein Gitter auf einem Zahlkorper K ist ein freier ZZ-Untermodula von K von maximalem Rang, oder gleichwertig, das ZZ-Erzeugnis einer Q-Basis von K:

a =n⊕

i=1ZZwi mit Qa =

n⊕

i=1Qwi = K .

Die Diskriminante eines Gitters a auf K ist die Diskriminante irgendeiner ZZ-Basis von a.

Lemma (2.12) sagt dann in Kurzfassung: Das Bild eines Gitters ist im Konjugierten-raum KIR ein reelles Gitter, und die Wurzel aus dem Diskriminantenbetrag des Gittersauf K ist gleich dem Volumen (der Grundmasche) des reellen Bildgitters in KIR. Letzteresberechnet sich als das 2s-fache des Volumens in K∞ = IRr+2s.Man beachte, dass jedes gebrochene Ideal von ZK in diesem Sinne ein Gitter auf K ist(siehe (1.16)). Mehr noch: Alle Gitter sind gebrochene Ideale, aber nicht unbedingt uberZK , sondern uber anderen (kleineren) Ringen (siehe Abschnitt e.) Aus diesem Grundeverwenden wir als Bezeichnung fur Gitter wie fur gebrochene Ideale Frakturbuchstaben.

Basis fur beide angestrebte Endlichkeitsatze ist das folgende Resultat. Es sichert inGittern auf K die Existenz von Elementen a 6= 0, deren samtliche Konjugierte nicht zuweit von 0 entfernt liegen.

(2.14) Hauptlemma: Sei K ein algebraischer Zahlkorper mit der Signatur r, s unda ein Gitter auf K mit der Diskriminante da. Fur alle Einbettungen τ : K → C seien reelleZahlen cτ > 0 vorgegeben mit cτ = cτ und

τ

cτ > (2

π)s ·

√|da|

Dann gibt es ein 0 6= a ∈ a mit |τa| < cτ fur alle τ ∈ M.Zusatz: Man kann in Voraussetzung und Behauptung > durch ≥ ersetzen.

Beweis: Die Menge X = {(zτ) ∈ KIR | |zτ | < cτ fur alle τ ∈ M} ist ursprungssym-metrisch und konvex. Fur ihr Volumen gilt gemaß Beweis von Lemma (2.12)

volX = 2s · volϕ∞X

mit

ϕ∞X = {(xτ) ∈∏

τ

IR ' IRn | |xρ| < cρ (ρ ∈ R) , x2σ + x2

σ < c2σ ({σ, σ} ⊂ K) } .

ϕ∞X ist direktes Produkt von r reellen Intervallen und von s Kreisscheiben im IR2, also

volX = 2svolϕ∞X = 2s ·∏

ρ

(2cρ) ·∏

{σ,σ}

(πc2σ) = 2s · 2r · πs ·

τ

cτ = 2r+sπs∏

τ

cτ .

Kombiniert mit der Voraussetzung fur die cτ erhalt man

volX > 2r+sπs(2

π)s ·

√|da| = 2n

√|da| .

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Gemaß Lemma (2.12) erhalten wir

volX > 2n√|da| = 2nvolΓ

mit dem vollstandigen Gitter Γ = ja auf KIR.Damit ist die Voraussetzung des Minkowskischen Gitterpunktsatzes fur die Menge

X und das Gitter Γ = ja erfullt, es gibt also einen Gitterpunkt 0 6= ja ∈ ja, d. h. ein0 6= a ∈ a mit ja = (τa)τ ∈ X und das ist genau die Behauptung des Hauptlemmas:|τa| < cτ fur alle τ ∈ M.

Mit der kompakten Version des Gitterpunktsatzes (2.11) (siehe Ubung 5.1.) erhaltman (2.14) mit jeweils ≥ bzw. ≤ in Voraussetzung und Behauptung.

Indem man eine andere Menge X als oben im Beweis von (2.14) zugrundelegt, erhaltman die folgende Verscharfung:

(2.14*) Hauptlemma: Sei K ein algebraischer Zahlkorper vom Grad n mit derSignatur r, s und a ein Gitter auf K mit der Diskriminante da. Es sei c > 0 mit

cn > (4

π)s · n! ·

√|da| .

Dann gibt es ein 0 6= a ∈ a mit∑

τ |τa| < cZusatz: In Voraussetzung und Behauptung kann > durch ≥ ersetzt werden.

Beweis: Man wahlt

X∗ = {(zτ)τ |∑

τ

|zτ | < c}

und berechnet das Volumen von

ϕ∞X∗ = {(x1, . . . , xr, xr+1, yr+1, . . . , xr+s, yr+s)∣∣∣

r∑

i=1

|xi|+s∑

j=1

2√

x2r+j + y2

r+j < c} .

Als gute Ubung zur elementaren Analysis zeige man per Induktion uber r und s diefolgende Volumenformel fur Xr,s(c) := ϕ∞X∗:

volXr,s(c) = 2r(π

2)s · c

n

n!mit n = r + 2s .

Der Vollstandigkeit halber hier die Volumenberechnung per Induktion:

X1,0(c) = [−c, c] hat Volumen 2c = 21(π2)0 c1

1!.

X0,1(c) ist eine Kreisscheibe vom Radius c2, also mit Volumen π · c2

4= 20 · (π

2)1 · c2

2!.

Schritt r→ r + 1:

(x1, . . . , xr, xr+1, xr+2, yr+2, . . . , xr+1+s, yr+1+s) ∈ Xr+1,s(c)

⇐⇒r+1∑

i=1

|xi|+ 2

s∑

j=1

√x2

r+1+j + y2r+1+j < c

⇐⇒r∑

i=1

|xi|+ 2

s∑

j=1

√x2

r+1+j + y2r+1+j < c− |xr+1|

⇐⇒ (x1, . . . , xr, xr+2, yr+2, . . . , xr+1+s, yr+1+s) ∈ Xr,s(c− |xr+1|)

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und daher nach Induktionsvoraussetzung (mit x := xr+1)

volXr+1,s(c) =

Xr+1,s(c)

dµn+1 =

∫ c

−c

Xr,s(c−|xr+1|)

dµndxr+1

=

∫ c

−c

volXr,s(c− |x|) dx = 2r(π

2)s 1

n!

∫ c

−c

(c− |x|)ndx

= 2r(π

2)s 1

n!· 2

[−(c− x)n+1

n + 1

]c

0= 2r+1(

π

2)s cn+1

(n + 1)!

Schritt s→ s + 1:

(x1, . . . , xr, , xr+2, yr+2, . . . , xr+s+1, yr+s+1) ∈ Xr,s+1(c)

⇐⇒r∑

i=1

|xi|+ 2

s+1∑

j=1

√x2

r+j + y2r+j < c

⇐⇒r∑

i=1

|xi|+ 2s∑

j=1

√x2

r+j + y2r+j < c− 2

√x2

r+s+1 + y2r+s+1

⇐⇒ (x1, . . . , xr, xr+1, yr+1, . . . , xr+s, yr+s) ∈ Xr,s(c− 2√

x2r+s+1 + y2

r+s+1)

und daher nach Induktionsvoraussetzung (mit t := r + s, n = r + 2s sowie x := xt+1 undy := yt+1)

volXr,s+1(c) =

Xr,s+1(c)

dµn+2

=

x2t+1

+y2t+1

< c2

4

Xr,s(c−2√

x2t+1

+y2t+1

)

dµnd(xt+1, yt+1)

=

x2+y2< c2

4

volXr,s(c− 2√

x2 + y2)d(x, y)

= 2r(π

2)s 1

n!

x2+y2< c2

4

(c− 2√

x2 + y2)nd(x, y) .

Damit ist man auf ein 2-dimensionales Integral gefuhrt, das das Volumen eines Rotati-onskorpers angibt. Man kann es daher als 1-dimensionales Integral mit Mitteln der Schul-mathematik bestimmen. Schreibt man den Integranden als z = (c − 2

√x2 + y2)n, so

handelt es sich um eine Rotation um die z-Achse, wobei die rotierende Querschnittsflachein der x, z-Ebene (y = 0) gewahlt werden kann und durch x in Abhangigkeit von z (beiy = 0) beschrieben wird. Also bei x ≥ 0 und y = 0

z = (c− 2x)n ⇐⇒ x =1

2(c− z

1n )

und folglich∫

x2+y2< c2

4

(c− 2√

x2 + y2)nd(x, y) = π

∫ cn

0

x2dz = π

∫ cn

0

(c− z1n )2

4dz

4

∫ cn

0

(c2 − 2cz1n + z

2n )dz =

π

4

[c2z − 2cz

n+1

n · n

n + 1+ z

2+n

n · n

n + 2

]cn

0

4

(cn+2 − 2cn+2 · n

n + 1+ cn+2 · n

n + 2

)

4

1

(n + 1)(n + 2)· cn+2

((n + 1)(n + 2)− 2n(n + 2) + n(n + 1)

)

4

1

(n + 1)(n + 2)· cn+2 · 2 =

π

2

cn+2

(n + 1)(n + 2)

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Zusammengenommen erhalten wir so die Induktionsbehauptung

volXr,s+1(c) = 2r(π

2)s 1

n!· π4

1

(n + 1)(n + 2)· cn+2 · 2 = 2r(

π

2)s+1 cn+2

(n + 2)!.

Alternative der letzten Integralberechnung mittels Substitution: dz = n(c−2x)n−1(−2)dxund dann 2-facher partieller Integration

π

∫ cn

0

x2dz = π

∫ 0

c2

(−2n)x2(c− 2x)n−1 dx = 2πn

∫ c2

0

x2(c− 2x)n−1 dx

= 2πn[x2(c− 2x)n · 1

−2n

] c2

0− 2πn

∫ c2

0

2x · (c− 2x)n · 1

−2ndx

= π[2x · (c− 2x)n+1 · 1

−2(n + 1)

] c2

0− π

∫ c2

0

2 · (c− 2x)n+1 · 1

−2(n + 1)dx

n + 1

[(c− 2x)n+2 · 1

−2(n + 2)

] c2

0=

π

2(n + 1)(n + 2)· cn+2

Nach dieser Volumenberechnung konnen wir wie beim Beweis von (2.14) fortfahren: Ent-sprechend der Voraussetzung cn > ( 4

π)s · n! ·

√|da| erhalten wir

volX∗ =(2.12)

2s · volϕ∞X∗ = 2s · 2r(π

2)s · c

n

n!> 2rπs · 1

n!· ( 4

π)s · n! ·

√|da| = 2n

√|da| .

Gemaß (2.12) ist√|da| = volΓ = vol (ja). Aus dem Minkowskischen Gitterpunktsatz folgt

dann die Existenz eines 0 6= a ∈ a mit ja ∈ X∗, d. h.∑

τ |τa| < c.Fur den Zusatz benutzt man den Abschluss X∗ (mit gleicher Volumenberechnung) unddie kompakte Fassung des Gitterpunktsatzes (siehe Ubung 5.1.)

e. Endlichkeit der Klassenzahl. Wir werden in Verallgemeinerung von Satz (2.2)die Endlichkeit der sog. Gitterklassen nachweisen, da der Beweis keine zusatzlichen Uber-legungen erfordert.

(2.15) Definition: a) Zwei Gitter a, a′ auf K heißen aquivalent, wenn a′ = aa furein a ∈ K×. Aquivalente Gitter bilden eine Gitterklasse.b) Die Ordnung eines Gitters a (hat nichts mit Elementanzahl zu tun) ist der großteUnterring R von K, uber dem a ein gebrochenes Ideal wird.c) Fur Gitter allgemein definiert man den Transporteur wie fruher fur gebrochene Ideale:[a : a′] = {x ∈ K | xa′ ⊂ a}.

(2.16) Proposition: a) Der Transporteur [a : a′] zweier Gitter ist selbst ein Gitterauf K.b) Gitter sind gebrochene Ideale uber ihren Ordnungen. Aquivalente Gitter haben dieselbeOrdnung; die Ordnung eines Gitters a ist der Transporteur Ra = [a : a] (auch Multiplika-torring genannt).c) (Gitter-)Ordnungen R haben K als Quotientenkorper und sind ganz uber ZZ, also imGanzheitsring ZK enthalten. ZK ist die großte Ordnung in K, die sog. Maximalordnung.

Beweis: a) Ist 0 6= a′ ∈ a′, so gilt [a : a′] · a′ ⊂ [a : a′]a′ ⊂ a, also [a : a′] ⊂ 1a′ · a. Der

Transporteur von Gittern ist somit in einem Gitter enthalten und daher endlich erzeugtund dann auch frei (weil torsionsfrei). Bleibt nur zu zeigen, dass der Rang maximal ist,und das heißt, dass eine Q-Basis von K im Transporteur enthalten ist.Dazu konstruieren wir zu jedem α ∈ K ein ganzzahliges Vielfaches nα in [a : a′]. Seienwi, w′

j ZZ-Basen von a bzw. a′. Dann ist αw′i =

∑j qijwj mit qij ∈ Q. Dann existiert ein

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n ∈ IN (der Hauptnenner der qij) mit nαw′i =

∑aijwj ∈ a. Also kann man eine Q-Basis

von K durch Multiplikation mit endlich vielen n ∈ IN nach [a : a′] transportieren, [a : a′]enthalt eine Q-Basis von K.b) Ist R die Ordnung von a, so ist R ⊆ [a : a]; umgekehrt ist [a : a] multiplikativ ab-geschlossener ZZ-Modul, der die 1 enthalt, also ein unitarer Ring. Dieser operiert auf a

durch Linksmultiplikation, so dass a ein R-Modul ist. Fur aquivalente Gitter folgt dannunmittelbar

Raa = [aa : aa] = {x ∈ K | xaa ⊂ aa} =a6=0

[a : a] = Ra .

c) Ordnungen sind Gitter (gemaß b) und a)) und enthalten daher eine Q-Basis von K,haben als Ring daher K als Quotientenkorper. Da Gitter a ⊂ K endlich erzeugte ZZ-Modulsind, ist jedes a ∈ [a : a] ganz (Satz (1.3)), also Ra ⊂ ZK .

Wir kommen nun zum Beweis der Endlichkeit der Anzahl der Gitterklassen. WichtigesHilfsmittel zum Abzahlen der Gitterklassen ist der Gitterindex. Dieser verallgemeinertden Gruppenindex auf Gitter, die nicht ineinander enthalten sein mussen. Ausgangspunktdafur ist der Elementarteilersatz, demzufolge der (endliche) Index einer Untergruppe einerendlich erzeugten freien abelschen Gruppe als Produkt der Elementarteiler und damit alsDeterminante einer passenden linearen Abbildung beschrieben werden kann.

(2.17) Definition: Sei K ein Zahlkorper und a, a′ Gitter auf K. Dann definiert manden varallgemeinerten Index oder Gitterindex durch (a : a′) = | detϕ| ∈ Q+, wobei ϕirgendein Q-Automorphismus von K ist mit ϕ(a) = a′.

Unter den gegebenen Voraussetzungen bedeutet ϕ(a) = a′, dass ϕ eine ZZ-Basis vona auf eine ZZ-Basis von a′ abbildet, und folglich ist (a : a′) = | detA| mit der Ubergangs-matrix A von einer ZZ-Basis von a zu einer ZZ-Basis von a′.

Rechtfertigung der Definition und Namensgebung sowie wichtige Eigenschaften diesesGitterindexes enthalt die folgende

(2.18) Proposition: Es sei K ein Zahlkorper, a, a′, a′′ Gitter auf K.a) (Rechtfertigung der Definition und Namensgebung)α) (a : a′) ist (unabhangig von ϕ) wohldefiniert.β) Ist a′ ⊂ a, so ist (a : a′) = #(a/a′) der gewohnliche Gruppenindex.γ) a, a′, a′′ beliebig =⇒ (a : a′′) = (a : a′) · (a′ : a′′),

insbesondere (a′ : a) = (a : a′)−1.b) (Modulindex und Diskriminante)

da′ = (a : a′)2 · da .

c) (Gitterindex und Norm) Fur c ∈ K× gilt:

(a : ca) = |NK|Q (c)| ,(ca : ca′) = (a : a′) ,

dca = NK|Q (c)2 · da .

Beweis: a) α) Da Gitter von Q-Basen von K erzeugt werden, gibt es solche ϕ. DieWahl eines anderen ϕ bedeutet die Wahl anderer ZZ-Basen in a, a′. Die entsprechendenBasiswechselmatrizen haben Determinanten ±1, andern also den Betrag von det ϕ nicht.β) Wegen a′ ⊂ a und a frei vom Rang n existiert eine ZZ-Basis a1, . . . , an von a und (diesog. Elementarteiler) d1 | . . . | dr in IN , so dass d1a1, . . . , drar eine ZZ-Basis von a′ ist. Daauch a′ maximalen Rang hat, ist r = n und die Diagonalmatrix Diag(d1, . . . , dn) bildet a

auf a′ ab. Also ist detDiag(d1, . . . , dn) = d1 · . . . · dn der Gitterindex.

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Andererseits hat a/a′ ∼→ ⊕i ZZ/diZZ die Ordnung d1 · . . . · dn.γ) Determinantenproduktsatz.b) Die Diskriminante eines Gitters ist die Diskriminante irgendeiner ZZ-Basis. Ist A ∈GLn(Q) die Basiswechselmatrix von einer ZZ-Basis von a zu einer ZZ-Basis von a′, so giltnach (1.13) b))

da′ = (det A)2da ,

wahrend per definitionem | detA| = (a : a′) ist.c) Ist lc die Linksmultiplikation mit c 6= 0, so ist lc(a) = ca und folglich

(a : ca) = | det lc| = |NK|Q (c)| .

Zusammen mit a) γ) ergibt sich daraus sofort die zweite und mit b) die dritte Behauptungvon c).

Ideale in ZK sind bekanntlich Gitter, und ihre Ordnung dann notwendig die Maximal-ordnung ZK . Daher ist Satz (2.2) uber die Endlichkeit der Klassenzahl hK ein Spezialfalldes folgenden

(2.19) Satz: Die Anzahl der Gitterklassen einer festen Ordnung R ⊂ ZK ist endlich.

Beweis: Wir wollen zeigen, dass es in jeder Gitterklasse a der Ordnung R ein Gitterca gibt mit R ⊂ ca und (ca : R) ≤MR mit einer noch anzugebenden Schranke MR.

Die Anzahl solcher Gitter ist aber endlich, denn:R ⊂ b ∧ (b : R) = m =⇒ #b/R = m =⇒ mb ⊂ R ⊂ b ⇐⇒ R ⊂ b ⊂ 1

mR.Da R als Gitter eine endlich erzeugte abelsche Gruppe ist, ist 1

mR/R endlich und somit

gibt es nur endlich viele Untergruppen in 1mR/R bzw. nur endlich viele Zwischengitter

R ⊂ b ⊂ 1m

R. Wenn m durch MR beschrankt ist, gibt es auch insgesamt nur endlich vieleGitter (b : R) ≤MR

Sei nun a eine beliebige Gitterklasse und R ihre Ordnung. Gesucht sind also Gitterca (c ∈ K×) mit R ⊂ ca und (ca : R) ≤MR.Da a ein R-Modul ist, gilt R ⊂ ca ⇐⇒ 1 ∈ ca ⇐⇒ c−1 ∈ a.Die zweite Bedingung besagt

MR ≥ (ca : R) = (R : ca)−1 = (R : a)−1(a : ca)−1 = (R : a)−1 · |NK|Q (c)|−1

⇐⇒ |NK|Q(c−1)| ≤MR · (R : a) .

Gesucht ist also ein a := c−1 ∈ a mit

|NK|Q (a)| ≤MR · (R : a)

Satz (2.19) ist damit zuruckgefuhrt auf das folgende Lemma uber Elemente beschrankterNorm.

(2.20) Lemma: Sei K ein algebraischer Zahlkorper und 2s die Zahl der komplexenKonjugierten von K. Dann gilt mit der sog. (schwachen) Minkowski-Konstante M = ( 2

π )s:In jedem Gitter a auf K existiert ein Element 0 6= a ∈ a mit

|NK|Q (a)| ≤M√|da| .

Ist R die Ordnung von a, so bedeutet dies

|NK|Q (a)| ≤M√|dR|︸ ︷︷ ︸

MR

·(R : a) .

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Beweis: Die letzte Formulierung folgt aus der ersten, denn nach (2.18) gilt

√|dR| · (R : a) =

√|da| .

Wir benutzen den Zusatz im Hauptlemma (2.14) und wahlen cτ > 0 mit∏

τ |cτ | =

M√|da|. Dann gibt es ein 0 6= a ∈ a mit |τa| ≤ cτ fur alle Einbettungen τ . Also

|NK|Q (a)| = ∏τ |τa| ≤ ∏

τ cτ = M ·√|da|.

Unter Verwendung des verscharften Hauptlemmas (2.14*) erhalt man auch eine ver-scharfte Normabschatzung und als wichtige Konsequenzen Diskriminantenabschatzungen:

(2.20*) Satz: Sei K ein algebraischer Zahlkorper vom Grad n und 2s die Zahl derkomplexen Konjugierten von K. Dann gilt mit der sog. (scharfen) Minkowski-KonstanteM∗ = ( 4

π)s · n!

nn :a) In jedem Gitter a auf K existiert ein Element 0 6= a ∈ a mit

|NK|Q (a)| ≤M∗ ·√|da| = (

4

π)s n!

nn·√|da| .

b) Es gilt die folgende Diskriminantenabschatzung

|dK| ≥ (π

4)2s · (nn

n!)2 ≥ (

π

4)n · (nn

n!)2

mit ihren wichtigen Folgerungen:c) |dK | > 1 fur K 6= Q.d) |dK | → ∞ fur n→∞ bzw. praziser formuliert

limn→∞

min{|dK| | (K : Q) = n} =∞ .

Beweis: Mit Hilfe der Abschatzung zwischen arithmetischem und geometrischemMittel

(∏

τ

|τa|) 1n ≤ 1

n

τ

|τa|

erhalt man aus der kompakten Form von Hauptlemma (2.14*) die Existenz eines 0 6= a ∈ a

mit

|NK|Q (a)| =∏

τ

|τa| ≤( 1

n

τ

|τa|)n ≤ (

c

n)n .

Wahlt man in (2.14*) optimal cn = ( 4π )s · n! ·

√|da|, so erhalt man

|NK|Q (a)| ≤ (4

π)s · n!

nn

√|da|

und damit die Behauptung.b) Wir spezialisieren auf a = ZK und erhalten ein 0 6= a ∈ ZK mit der Abschatzung ina). Da a ganz ist, ist NK|Q (a) ebenfalls ganz und der Betrag folglich ≥ 1. Dann folgt

1 ≤ M∗ ·√|dK |, also Behauptung b). (Fur die zweite Abschatzung beachte man n ≥ 2s

und π4

< 1.)c) Fur die in a) gefundene Folge dn der unteren Schranken fur den Diskriminantenbetraggilt

dn+1

dn=

π

4(1 +

1

n)2n ≥ π ,

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denn (1 + 1n )2n ist monoton wachsend mit Anfangsglied 4 (und Grenzwert e2). Wegen

dn+1

dn> 1 ist auch dn monoton wachsend und daher |dK | ≥ dn ≥ d2 = π

2 > 1 fur n > 1,d. h. K 6= Q.d) Wegen dn+1 ≥ πdn gilt sogar limn→∞ dn =∞.

Der Beweis von (2.19) liefert folgende explizite Aussage uber Gitterklassen, die wirfur spatere Zwecke fixieren wollen:

(2.21) Korollar: Es sei K ein algebraischer Zahlkorper vom Grade n und 2s dieZahl der komplexen Einbetttungen von K in C . Dann gilt fur jede der beiden in (2.20)oder (2.20*) definierten Minkowski-Konstanten M :a) In jeder Gitterklasse mit der Ordnung R gibt es ein Gitter a ⊃ R mit (a : R) ≤M ·

√|dR|.

b) In jeder Idealklasse des Ganzheitsringes ZK gibt es ein ganzes Ideal a mit dem Index(ZK : a) ≤M ·

√|dK |.

Beweis: a) ist klar nach obigem Beweis. Fur b) wende man a) an auf die inverseIdealklasse (alle Ideale sind invertierbar!) und gehe von dem gemaß a) existierenden Gittera ⊃ ZK uber zu a−1 / ZK . Dieses hat dann die gewunschte Eigenschaft, vorausgesetztman beweist fur gebrochene Ideale von ZK die Beziehung (a−1 : ZK) = (ZK : a). Dieseist Inhalt des nachfolgenden Satzes.

(2.22) Satz: Ist K ein algebraischer Zahlkorper und R = ZK seine Maximalord-nung(!), so ist die (als spezieller Gitterindex definierte) sog. Absolutnorm

N (a) := (ZK : a) (a ∈ IK)

eine vollstandig multiplikative Funktion N : IK → Q+, d. h.

N (ab) = N (a) · N (b) , insbesondere N (a−1) = N (a)−1 .

Der Name Norm ruhrt daher, dass fur Hauptideale die Absolutnorm der Betrag derElementnorm ist:

N (cR) = (R : cR) =(2.18)

|NK|Q (c)| .

Den Beweis werden wir spater im Rahmen der Erweiterungstheorie fuhren. Dort werdenwir die Absolutnorm in allgemeinerem Kontext definieren und die Ubereinstimmung mitdem Gitterindex (ZK : a) nachweisen (Korollar (3.9)).

Hier ein direkter Beweis unter Verwendung von Satz (1.33) (nicht in der Vorlesung):1. Reduktion auf ganze Ideale a, b: Seien a′, b′ beliebige gebrochene Ideale von R, dannexistieren 0 6= c, d ∈ R mit a := ca′ und b := db′ ganze Ideale in R. Gilt fur diese dieAussage von (2.22), so folgt allgemein

N (a′b′) = (R : a′b′) = (R : c−1d−1ab) =(2.18)

(R : ab) · |NK|Q (c−1d−1)|

= (R : a) · (R : b) · |NK|Q (c−1)| · |NK|Q(d−1)|=

(2.18)(R : c−1a)(R : d−1b) = (R : a′)(R : b′) = N (a′)N (b′) .

2. Seien a, b ganze Ideale von R = ZK . Dann gilt

N (ab) = (R : ab) =(2.18)

(R : a) · (a : ab) = N (a)(a : ab) .

3. Bleibt zu zeigen: (a : ab) = (R : b) = N (b).

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Diese Behauptung bedeutet, dass man im Idealindex den ‘Faktor’ a ‘kurzen’ kann. Ista = αR ein Hauptideal, so folgt dies bereits aus (2.18). Man versucht nun diesen Wegnachzubilden unter Beachtung von Satz (1.33), demzufolge echte Faktorringe von Dede-kindringen Hauptidealringe sind.Beweis von 3.: Sei 0 6= γ ∈ ab ⊂ a beliebig. Dann existiert nach Satz (1.33) ein α ∈ a mita = 〈γ, α〉R = γR + αR. Daraus folgt dann

a = αR + γR ⊂ αR + ab ⊂ a , also a = αR + ab

und dahera/ab = (αR + ab)/ab ' αR/(αR ∩ ab) =

(∗)αR/αb .

Vor dem Beweis von (∗) beachte man, wie diese Gleichung das Problem vom Quotientena/ab auf den analogen Quotienten αR/αb verlagert, bei dem a durch das Hauptideal αRersetzt ist. Dadurch wird die Indexberechnung unmittelbar moglich:

(a : ab) = #a/ab = #αR/αb = (αR : αb) =(2.18)

(R : b) .

Bleibt noch (∗) zu zeigen: αb ⊆ αR ∩ ab ist klar. Sei umgekehrt r ∈ R mit

αr ∈ ab = (αR + γR)b = αb + γb =⇒ αr = αb1 + γb2 , bi ∈ b .

Genauso giltγ ∈ ab =⇒ γ = αb′1 + γb′2 , b′i ∈ b .

Zusammengenommen bedeutet dies

0 = α(b1 − r) + γb2 , 0 = αb′1 + γ(b′2 − 1) .

Dies ist ein homogenes lineares Gleichungssystem mit der nichttrivialen Losung α, γ in R,also

0 = det

(b1 − r b′1

b2 b′2 − 1

)= (b1 − r)(b′2 − 1)− b′1b2 .

Modulo b erhalt man daraus

0 = (b1 − r)(b′2 − 1)− b′1b2 ≡ (−r)(−1) mod b ⇐⇒ r ∈ b ⇐⇒ αr ∈ ab .

f. Der Logarithmenraum. Der Konjugiertenraum KIR ist nicht nur ein IR-Vektor-raum, sondern bzgl. der komponentenweisen Verknupfungen auch eine Algebra und dieKonjugiertenabbildung j : K → KIR ist nicht nur Q-linear, sondern ein Monomorphismusvon Q-Algebren:

j(ab) = (τ(ab))τ = (τa)τ · (τb)τ .

Damit induziert j einen Monomorphismus der Einheitengruppen

j : K× → (KIR)× ⊂ (KC )× =∏

τ

C× .

wobei(KIR)× = {(zτ )τ ∈

τ

C× | zσ = zσ (σ komplex)} .

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Durch Anwendung der Logarithmenabbildung log : C× → IR, z 7→ log(|z|) wird die multi-plikative Struktur in die additive umgesetzt (so dass wir an spaterer Stelle unsere fruherenUberlegungen zu Gittern anwenden konnnen). Komponentenweise zusammengesetzt er-halten wir einen Gruppenepimorphismus

L : (KC )× →∏

τ

IR , (zτ)τ 7→ (log |zτ |)τ .

Wegen log(z) = log(z) ist das Bild L((KIR)×) der folgende Vektorraum

V = L((KIR)×) = {(xτ)τ ∈∏

τ

IR | xσ = xσ (σ komplex)} .

Durch paarweise Zusammenfassung der Komponenten zu konjugierten komplexen Einbet-tungen erhalten wir den folgenden Isomorphismus

pr+s : V ∼→ IRr+s , (xτ)τ 7→ (xρ1, . . . , xρr

, 2xσ1, . . . , 2xσs

) .

Wir setzen

l = pr+s ◦ L : (KIR)× → IRr+s , (zτ )τ 7→(log |zρ1

|, . . . , log |zρr|, 2 log |zσ1

|, . . . , 2 log |zσs|).

Setzt man weiter N1 = . . . = Nr = 1 und Nr+1 = . . . = Nr+s = 2, so gilt

l((zτ)τ) = (Ni log |zτi|)1≤i≤r+s .

Durch Verkettung mit j : K → KIR erhalten wir schließlich die Gruppenhomomorphismen

Λ = L ◦ j :K× → V ⊂∏

τ

IR , a 7→ (log |τa|)τ

λ = l ◦ j :K× → IRr+s , a 7→ (log |ρ1a|, . . . , log |ρra|, 2 log |σ1a|, . . .2 log |σsa|) .

Wir wollen nun die Einschrankung von λ auf die Einheitengruppe UK untersuchen.

(2.23) Proposition: Sei K ein Zahlkorper mit der Signatur (r, s) und UK die Ein-heitengruppe seines Ganzheitsringes. Dann induziert die Logarithmenabbildung λ einenGruppenhomomorphismus

λ |UK: UK → IRr+s ,

dessen Kern die Einheitswurzelgruppe µK ist und dessen Bild λ(UK) in der Hyperebene

H := {(xi)i ∈ IRr+s |r+s∑

i=1

xi = 0} (Spur-0-Hyperebene)

liegt.

Beweis: ζ ∈ µK =⇒ 1 = ζn =⇒ 0 = nλ(ζ) =⇒ λ(ζ) = 0. Fur die Umkehrungbeachte man

j(Keλ) ⊂ Ke l = {(xτ)τ | |xτ | = 1 fur alle τ}ist eine beschrankte Menge im Konjugiertenraum

∏τ IR. Da j(ZK) ein Gitter im Konju-

giertenraum ist (siehe (2.12)), ist die Menge

j(Ke (λ |UK)) = j(UK ∩ Ke λ) ⊂ jZK ∩ j(Keλ) endlich .

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Wegen der Injektivitat von j ist damit Ke λ |UKeine endliche Untergruppe in K×, also in

der Torsionsuntergruppe µK enthalten.

Wir untersuchen nun das Bild λ(UK) ⊂ IRr+s und erinnern uns (Ubung 4.1.): Einganzes Element a ist Einheit in ZK genau dann, wenn die Norm Einheit in ZZ ist, und dasbedeutet

ε ∈ UK ⇐⇒ ε ∈ ZK ∧ |NK|Q (ε)| = 1 .

Die Einheitengruppe UK ist also der Durchschnitt des Gitters ZK auf K mit der sog.Normeinsuntergruppe

N1 := {x ∈ K× | 1 = |NK|Q (x)| =∏

τ

|τx| } .

Es gilt

x ∈ N1 ⇐⇒∏

τ

|τx| = 1 ⇐⇒ 0 =∑

τ

log |τx| =∑

ρ

log |ρx|+∑

σ

(log |σx|+ log |σx|)

⇐⇒ 0 =

r∑

i=1

(λx)i +

s∑

j=1

(λx)r+j ⇐⇒ λx ∈ H .

m.a.W. λ−1(H) = N1 und daher λUK ⊂ H , genauer

λUK = λ(ZK ∩ N1) = l(jZK ∩ jN1) = l(jZK)∩H .

Das Bild λUK ist also der Schnitt der Logarithmenabbildung des Gitters jZK ⊂ KIR mitder Hyperebene H .

Die Basis des Dirichletschen Einheitensatzes ist die folgende scharfere Aussage uberdas Bild der Einheitengruppe im Logarithmenraum:

(2.24) Satz: Ist K ein Zahlkorper, so ist das Bild λUK der Einheitengruppe imLogarithmenraum eine vollstandiges Gitter auf der r + s − 1-dimensionalen HyperebeneH .

Beweis: 1) λUK ist ein Gitter in IRr+s: Dazu benutzen wir das topologische Gitter-kriterium (2.9) und zeigen, dass die beschrankten Mengen Mc = {(xi)i ∈ IRr+s | |xi| ≤ c}(c > 0) nur endlich viele Punkte aus λUK enthalten. (Da jede beschrankte Menge in einerdieser Mengen Mc liegt, enthalt dann jede beschrankte Menge nur endlich viele Gitter-punkte.) Nun ist das Urbild von Mc unter l

l−1Mc = {(zτ) ∈ KIR | e−c ≤ |zρ| ≤ ec , e−c/2 ≤ |zσ| ≤ ec2 }

beschrankt in KIR und enthalt daher nur endlich viele Punkte des Gitters jZK. Damit istMc ∩ l(jZK) = Mc ∩ λZK endlich, erst recht also Mc ∩ λUK.

2) Das Gitter λUK ist vollstandig auf H : Dazu mussen wir eine beschrankte MengeM in IRr+s angeben, so dass die Verschiebungen λε + M (ε ∈ UK) ganz H uberdecken.Wir verlagern das Problem von der additiven Gruppe IRr+s zuruck in die multiplikativeStruktur K×

IR und suchen eine beschrankte Menge X darin mit folgender Eigenschaft: Diemultiplikativen ‘Verschiebungen’ j(ε)X (ε ∈ UK) uberdecken die Normeinsflache F1 :={z ∈ (KIR)× |∏ |zτ | = 1}. Dies bedeutet:

y∈F1

ε∈UK

y ∈ jε ·X bzw. jε−1 ∈ Xy−1 .

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Wir wahlen X zunachst so, dass jeweils die Existenz eines a ∈ ZK mit ja ∈ Xy−1 gesichertist. Dazu dient das Hauptlemma (2.14). Wir wahlen daher fur alle Einbettungen τ von Kpositive reelle Zahlen cτ > 0 mit cτ = cτ und

C :=∏

τ

cτ > (2

π)s

√|dK | .

Wir setzenXc := {(zτ) ∈ KIR | |zτ | < cτ} .

Dann gilt fur y ∈ F1 (d. h.∏

τ |yτ | = 1)

Xc · y−1 = {(zτy−1τ )τ ∈ KIR | |zτ | < cτ} = {(z′τ)τ ∈ KIR | |z′τ | < cτ |y−1

τ | =: c′τ} = Xc′

mit

c′τ = cτ |y−1τ | und daher C ′ :=

τ

c′τ =∏

τ

cτ ·∏

τ

|y−1τ |

︸ ︷︷ ︸=1

= C > (2

π)s

√|dK | .

Also existiert gemaß Hauptlemma (2.14)

a ∈ ZK mit ja ∈ Xc′ = Xc · y−1 .

Gesucht war allerdings ein a ∈ UK und das bedeutet a ∈ ZK ∧ |NK|Q (a)| = 1. Fur dasoben gefundene a ∈ ZK gilt jedoch nur

ja ∈ Xc′ ⇐⇒ |NK|Q (a)| =∏

τ

|τa| <∏

τ

c′τ = C .

Aber immerhin, die Normen der gefundenen Elemente a ∈ ZK sind beschrankt, und dasheißt, sie nehmen (als ganze Zahlen) nur endlich viele Werte an. Dies ist die Grundlagefur das noch fehlende Glied im Beweis.

(2.25) Lemma: Zu jeder naturlichen Zahl N gibt es in einem algebraischen Zahl-korper K (bis auf Assoziiertheit) nur endlich viele ganze Elemente mit der Norm ±N ,namlich hochstens N (K:Q) viele:

#{a ∈ ZK | NK|Q (a) = ±N} ≤ NK|Q (N) = N (K:Q) .

Vor dem Beweis dieses Lemmas hier der Beweisschluss von (2.24): Wenn es (bis aufAssoziiertheit) nur endlich viele ganze Elemente fester Norm gibt, so gibt es auch zuvorgegebener Schranke C (bis auf Assoziiertheit) nur endlich viele ganze Elemente αi mitder Norm betraglich unter C. Jedes a ∈ ZK mit |NK|Q (a)| ≤ C ist also darstellbar alsa = αiε fur ein i und eine Einheit ε.

Nach unseren obigen Uberlegungen gibt es also zu jedem y ∈ F1 ein a ∈ ZK und dazuein i und ε ∈ UK mit

ja = jαi · jε ∈ Xc · y−1 ⇐⇒ jε ∈ Xcy−1 · j(α−1

i ) ⇐⇒ y ∈ jε−1 · (Xc · j(α−1i )) .

Wahlt man nun X =⋃

i Xc · j(α−1i ), so ist X (als endliche Vereinigung gestreckter be-

schrankter Mengen) auch eine beschrankte Teilmenge von KIR und hat die Eigenschaft

y∈F1

ε∈UK

y ∈ jε ·X ,

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also nach Anwendung des Logarithmenhomomorphismus l:∧

h∈H

ε∈UK

h ∈ λε + l(X) = λε +⋃

i

(l(Xc)− λαi

).

Wegen h, λε ∈ H folgt

h ∈ λε + l(X)∩H = λε +⋃

i

H ∩(l(Xc)− λαi

)

Problem: Sind die so gefundenen Mengen beschrankt in IRr+s oder wenigstens in H? Esgilt offenbar

l(Xc) = {(xi) ∈ IRr+s | xi ≤ log cρi, xr+j ≤ 2 log cσj

} ,

also hat l(Xc) in IRr+s nur nach oben beschrankte Koordinaten; entsprechend fur dieverschobenen Mengen l(Xc) − λαi. Aber die Schnitte mit der Spur-0-Hyperebene H =

{(xi)i ∈ IRr+s |∑i xi = 0} haben dann auch nach unten beschrankte Koordinaten, dennsind di obere Schranken der xi so folgt

i

xi = 0 =⇒ xk = −∑

i6=k

xi ≥ −∑

i6=k

di .

Beweis von Lemma (2.25): Wir zeigen, dass in jeder Nebenklasse α+NZK ∈ ZK/NZK

bis auf Assoziiertheit hochstens ein Element der Norm ±N liegen kann. Angenommen

NK|Q (α) = ±N = NK|Q (β) mit β = α + Nγ , α, β, γ ∈ ZK .

Dann giltβ

α= 1 +

N

αγ = 1± N (α)

αγ ∈ ZK ,

da N (α)α =

∏τ 6=id τα ∈ ZK . Genauso folgt α

β ∈ ZK und damit β = αε mit ε ∈ UK . Es gibt

also in ZK hochstens (ZK : NZK) = NK|Q (N) = N (K:Q) viele nicht assoziierte Elemente

der Norm ±N .

Damit ist der Beweis von Satz (2.24) komplett und wir erhalten als Korollar darausden folgenden

Beweis des Dirichletschen Einheitensatzes (2.5): Als vollstandiges Gitter auf H 'IRr+s−1 ist λUK freier ZZ-Modul vom Rang t := r + s − 1, also

UK/µK = UK/Ke λ ∼→ λUK 't⊕

i=1ZZ .

Ist λεi mit εi ∈ UK (i = 1, . . . , t) eine Gitterbasis von λUK (wegen der ‘richtigen’ Anzahl tgenugt: ein ZZ-Erzeugendensystem), so erzeugen die εi ∈ UK zusammen mit der zyklischenEinheitswurzelgruppe µK ganz UK . UK ist also zunachst einmal endlich erzeugt. Daherspaltet die Torsionsgruppe (hier µK) direkt ab1) und wir erhalten

UK ' µK ⊕t⊕

i=1ZZεi

1) Eine endlich erzeugte abelsche Gruppe A = 〈a1, . . . , an〉ZZ ist darstellbar als epimor-phes Bild von F = ZZn: ei 7→ ai (i = 1, . . . , n). Also ist A ' F/R mit einer Unter-gruppe R der freien abelschen Gruppe F ' ZZn (dem Kern R der obigen AbbildungF →→ A, der Gruppe der Relationen zwischen den ai). Nach dem Elementarteilersatzexistiert in der freien abelschen Gruppe F eine Basis b1, . . . , bn, m ≤ n und naturli-che Zahlen d1 | d2 | . . . | dm, so dass R = ⊕m

i=1 diZZbi ⊂ ⊕ni=1 ZZbi ist. Damit ist

A ' ⊕mi=1 ZZ/diZZ ⊕ ⊕n

i=m+1 ZZ. Der erste Summand ist genau die Torsionsgruppe (mitder Ordnung

∏i di) und der zweite eine freie Gruppe vom Rang n−m.

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mit einem Grundeinheitensystem εi (i = 1, . . . , t = r + s− 1).

Neben dem Dirichletschen Einheitensatz liefert Satz (2.24) auch noch eine wichtigeInvariante eines algebraischen Zahlkorpers, den Regulator. Fur die Definition erinnernwir uns: λUK ist ein Gitter auf der Hyperebene H in IRr+s mit der Gleichung

∑i xi = 0.

Folglich ist H isomorph IRt (t = r+s−1) und als Isomorphismus kann man jede Projektion

πl : H ∼→ IRt , (xi)i 7→ (xi)i6=l

langs einer Achse wahlen. (Die ‘verlorene’ Komponente xl erhalt man aufgrund der Spur-0-Gleichung von H durch xl = −∑

i6=l xi wieder zuruck.)

(2.26) Definition: Sei K ein algebraischer Zahlkorper mit der Signatur (r, s) unddem Einheitenrang t = r + s− 1. Wir setzen λ0 = πl ◦λ : UK → IRt (wobei die Wahl von lnicht fixiert und fur das folgende unerheblich ist). (λ0 entsteht also aus λ durch Weglassenirgendeiner fest gewahlten Komponente des IRr+s.)Ist U = 〈ε1, . . . , εt〉ZZ eine Untergruppe von endlichem Index in der Einheitengruppe UK ,so ist λ0U ein vollstandiges Gitter auf IRt und dessen Volumen nennt man den Regulatorvon U :

R(U) = volλ0U = vol( t⊕

i=1λ0εiZZ

)= | det(λ0ε1, . . . , λ0εt)| .

Mit τi = ρi, Ni = 1 (i = 1, . . . , r) und τr+j = σj , Nr+j = 2 (j = 1, . . . , s) erhalt manexplizit

R(U) =∣∣ det

(Ni log(τiεj)

)i6=l

1≤j≤t

∣∣ .

Dabei kann die Nummer l der gestrichenen Zeile in der Determinante beliebig gewahltwerden (oft l = t + 1 = r + s, aber auch l = 1). Mit l = t + 1 erhalt man ganz explizit

R(U) =∣∣ det

(Ni log(τiεj)

)1≤i,j≤t

∣∣ .

Der Regulator R(UK) der vollen Einheitengruppe UK wird Regulator von K genannt:RK = R(UK).

§3 Primzerlegung in Erweiterungskorpern

Die Idealgruppe eines Dedekindringes R ist die freie abelsche Gruppe mit der Mengeder Primideale 6= 0 als Basis. Um also die Idealgruppe zu studieren, muss man sich eineUbersicht uber die Primideale des Ringes verschaffen. Dazu betrachten wir (einfachere)Unterringe und setzen die Idealgruppen, speziell die Primideale dieser Ringe miteinanderin Beziehung.

Dabei gehen wir grundsatzlich von folgender Situation aus: R ist ein Dedekindring mitQuotientenkorper k. Wir betrachten R als (den fixierten) ausgezeichneten Dedekindringmit Quotientenkorper k. In endlich separablen Korpererweiterungen K, K ′, N, . . . von kbetrachten wir jeweils die ganzen Abschlusse S, S ′, T, . . . von R. Bei fixiertem R bestimmendie Erweiterungsringe und die Korpererweiterungen einander eindeutig. Daher werden (wiebei Zahlkorpern) manche Großen und Eigenschaften statt dem Ring auch dem Korperzugeordnet (etwa Idealgruppe IS = IK von K, Menge der Primideale 6= 0 PS = PK vonK u.a.).

Wir beginnen mit dem folgenden grundlegenden Resultat, dessen Beweis wir weitge-hend schon in §1 gefuhrt haben.

(3.1) Satz: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k und K|k eine endlichseparable Korpererweiterung. Dann ist der ganze Abschluss S von R in K selbst ein

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Dedekindring und als R-Modul endlich erzeugt.Zusatz ohne Beweis: Der Satz gilt auch ohne die Voraussetzung der Separabilitat.

Beweis: 1. Als ganzer Abschluss in einem Korper ist S ganzabgeschlossen (Bemerkung(1.7)).2. Dass jedes Primideal P 6= 0 von S maximal ist, zeigt man wie im Beweis von (1.17).(Fuhren Sie als Ubung den Beweis selbst.)3. Zum Nachweis, dass S Noethersch ist, benutzen wir Ubung 2.3. (Erganzen Sie dort bittedie Voraussetzung der Separabilitat, die wir schon fur die Definition der Diskriminantebenotigten.) Wegen der Ganzheit von S|R enthalt S eine k-Basis von K (Bemerkung(1.10)). Ist d 6= 0 die Diskriminante einer solchen Basis, so ist gemaß Ubung 2.3. S (undjedes S-Ideal A) in dem endlich erzeugten R-Modul ⊕i

1dRai enthalten. Da R Noethersch

ist, ist dieser endlich erzeugte R-Modul ein Noetherscher Modul und alle Untermoduln,insbesondere die Ideale A, endlich erzeugt uber R, erst recht also uber S.

Ein erster Zusammenhang zwischen den Idealgruppen ist die Erweiterung von Idealen,bei der man von einem R-Ideal a zum davon erzeugten S-Ideal aS ubergeht.

(3.2) Proposition: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, K|k eine endlichseparable Korpererweiterung und S der ganze Abschluss von R in K. Dann gilt:Die Erweiterung von Idealen a 7→ aS ist eine monomorphe Einbettung IR = Ik ↪→ IS =IK der Idealgruppen und es gilt aS ∩ k = a.

Beweis: Ist a ein gebrochenes Ideal von R, so ist aS ein S-Modul und wegen ca ⊂R =⇒ c(aS) ⊂ S ist aS ein gebrochenes S-Ideal. Die Zuordnung a 7→ aS ist selbst-verstandlich ein Gruppenhomomorphismus.Sei aS = S, also 1 =

∑i aisi mit ai ∈ a, si ∈ S. Sind τj : K → k (j = 1, . . . , n) die

k-Monomorphismen von K in einen algebraischen Abschluss k von k, so gilt

1 = τj(1) =∑

i

aiτj(si) =⇒ 1 =

n∏

j=1

τj(1) =

n∏

j=1

(∑

i

aiτj(si)) .

Als Polynom in den ai aufgefasst ist die rechte Seite der 1-Darstellung ein homogenesPolynom vom Grad n, dessen Koeffizienten die elementarsymmetrischen Polynome in denτj(si) sind. Damit liegen die Koeffizienten in S und bleiben (wegen der Symmetrie) unterallen τj fest, d. h. sie liegen im Grundkorper k (galoissche Theorie, Separabilitat von K|k)und wegen der Ganzheit in R. Also

1 = F (a1, . . . , ar) mit F ∈ R[X1, . . . , Xr]

und damit 1 ∈ a.Ist a ∈ Ik, so ist aS ∩ k ein R-Untermodul von k und wegen ra ⊂ R =⇒ r(aS ∩ k) ⊂S ∩ k = R auch ein gebrochenes R-Ideal. Offenbar

(aS ∩ k) · S ⊂ aS · S = a · S ⊂ (aS ∩ k) · S ,

so dass aus der bereits bewiesenen Injektivitat folgt a = aS ∩ k.Wir konnen also im folgenden die Idealgruppe IR als Untergruppe von IS ansehen:

IR ⊂ IS . Dies bedeutet, dass wir a ∈ IR mit seiner Erweiterung aS ∈ IS identifizieren. Wirschreiben daher oft auch a ∈ IS (statt aS ∈ IS), jedenfalls solange keine Missverstandnissemoglich sind.

a. Verzweigungsindex und Restklassengrad. Wir wollen nun speziell den Zu-sammenhang zwischen den Primidealen in Dedekindringerweiterungen S|R studieren. Eineerste Ubersicht uber die maximalen Ideale P des Oberrings von S erhalt man durch die

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Tatsache, dass wegen der Ganzheit von S|R der Schnitt p = P∩R ein Primideal 6= 0, alsoein maximales Ideal von R ist. Zu jedem Primideal P 6= 0 von S gibt es also genau einPrimideal p 6= 0 von R unter P. Umgekehrt sagt man P liegt uber p. Folgende Aussagensind sind fur Primideale (0) 6= P / S und (0) 6= p / R gleichwertig:

p liegt unter P ⇐⇒ P liegt uber p ⇐⇒ p = P∩ R ⇐⇒ p ⊂ P ⇐⇒ P | pS

und man schreibt dafur auch einfach P | p (im Sinne unserer Identifizierung Ik ⊂ IK (vgl.Satz (3.2)).

Wir wechseln nun die Blickrichtung, fixieren ein maximales Ideal p von R und studie-ren die daruber liegenden Primideale von S.

(3.3) Satz: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, K|k eine endlich sepa-rable Korpererweiterung und S der ganze Abschluss von R in K.a) Dann besitzt fur jedes Primideal p 6= (0) von R das erweiterte Ideal pS = 〈p〉S einePrimidealzerlegung in S

pS =

r∏

i=1

Pei

i mit r ≥ 1 , ei ≥ 1 , Pi verschiedene Primideale von S .

Man nennt die in obiger Primzerlegung auftretenden Exponenten ei = e(Pi|p) = eK|k(Pi)(i = 1, . . . , r) den Verzweigungsindex von Pi uber k, und die Gesamtheit der ei die Ver-zweigungsindizes von p in K|k.Die in diesem Produkt auftretenden Primideale Pi sind genau die Primideale von S, dieuber p liegen. Das folgende Diagramm veranschaulicht die typische Situation:

b) Ist (0) 6= P / S ein Primideal uber einem Primideal p / R, so hat man eine naturlicheInklusion der Restklassenkorper kp := R/p ↪→ S/P =: KP. Die Erweiterung ist vonendlichem Grad

f(P|p) := (KP : kp) <∞ ,

dem sog. Restklassengrad (auch Tragheitsgrad) von P uber p.c) Verzweigungsindizes und Restklassengrade sind multiplikativ in Korperturmen, dasheißt: Ist K ′ ein Zwischenkorper in K|k und S ′ der ganze Abschluss von R in K ′, sogilt fur eine Kette von Primidealen P|P′|p in S|S ′|R:

e(P|p) = e(P|P′) · e(P′|p) und f(P|p) = f(P|P′) · f(P′|p) .

Beweis: a) Nach (3.1) a) ist S ein Dedekindring, also jedes Ideal, auch pS, wie behaup-tet darstellbar. Die in einer Primidealzerlegung auftretenden Primfaktoren sind genau diePrimteiler, also genau die Primoberideale (vgl. (1.32)) von pS, also von p.

b) Wegen P|p ist p = P∩R und daher hat der naturliche Epimorphismus . . . : S →→ S/P

bei Einschrankung auf R genau den Kern R ∩P = p. Es ist also kp∼→ R ⊂ S = KP. Ist

(ai) ein endliches Erzeugendensystem von S uber R (siehe (3.1)), so ist (ai) ein endlichesErzeugendensystem des kp-Vektorraumes KP, die Dimension also endlich.

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c) Nach a) gilt

pS ′ =∏

P′|p

P′eP′|p

und fur jedes P′

P′S =∏

P|P′

PeP|P′ .

Zusammengesetzt ergibt sich

pS = (pS ′)S =( ∏

P′|p

P′eP′ |p)S =

P′|p

(P′S)eP′|p =∏

P′|p

( ∏

P|P′

PeP|P′

)eP′|p

=∏

P′|p

P|P′

PeP|P′eP′ |p =∏

P|p

PeP|P′eP′|p mit P|P′|p .

Definitionsgemaß ist damit eP|p = eP|P′eP′|p fur P|P′|p.

Es ist wegen der Multiplikativitat des Korpergrades in Korperturmen

f(P|p) = (KP : kp) = (KP : K ′P′) · (K ′

P′ : kp) = f(P|P′) · f(P′|p) .

(3.4) Definition: Unter den Voraussetzungen von Satz (3.3) definiert man die sog.(Relativ-)Norm von gebrochenen Idealen als Gruppenhomomorphismus NK|k : IK → Ik

durch die Vorgabe NK|k(P) := pf(P|p) und multiplikative Fortsetzung auf IK .

NK|k ist dadurch wohldefiniert, da die Menge der Primideale 6= 0 Basis der freienabelschen Gruppe IK ist. Die Motivation fur diese Definition und den Zusammenhang mitder (gewohnlichen) (Element-)Norm sowie der (Absolut-)Norm im Zahlkorperfall werdenwir im Fortgang dieses Abschnittes sukzessive aufzeigen. Ein erstes Resultat ist

(3.5) Korollar: Die Relativnorm ist transitiv in Korperturmen, d. h. unter den Vor-aussetzungen von (3.3) c) gilt:

K|K ′|k =⇒ NK|k = NK′|k ◦ NK|K′ .

Beweis: Da alle beteiligten Funktionen vollstandig multplikativ sind, genugt die Uber-einstimmung auf einer Basis der Idealgruppe IK zu uberprufen, also auf den PrimidealenP von K. Fur P|P′|p in K|K ′|k gilt:

NK|kP = pf(P|p)

und

NK′|k

(NK|K′(P)

)= NK′|k

(P′f(P|P′)

)=

(NK′|kP′

)f(P|P′)

=(pf(P′|p)

)f(P|P′)= pf(P′|p)f(P|P′)

so dass die Gleichheit aus der Multiplikativitat der Restklassengrade folgt.

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(3.6) Satz: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, K|k eine endlich se-parable Korpererweiterung und S der ganze Abschluss von R in K. Dann gilt fur jedesfixierte p ∈ Pk die fundamentale Beziehung

P∈PkP|p

e(P|p) · f(P|p) = (K: k),

wobei sich die Summation uber alle Primteiler P von p in K erstreckt.

Aufgrund dieses Satzes gibt es einige Zerlegungstypen von Primidealen in Erweite-rungskorpern, die Rand- und damit Sonderfalle darstellen und einen besonderen Namenverdienen:

(3.7) Definition: Ist pS =∏r

i=1 Pei

i die Primidealzerlegung von p in S, so sagt man

p ist

{voll-zerlegttrageunverzweigt

⇐⇒{

r = n = (K : k)f(P|p) = nei = 1 fur alle i

⇐⇒ pS =

∏ni=1 Pi , f(Pi|p) = 1

P ist Primideal in S∏ri=1 Pi

Beweis von (3.6): Sei

pS =

r∏

i=1

Pei

i

die Primzerlegung von pS mit den Verzweigungsindizes ei ≥ 1, und es seien fi := f(Pi|p)die Restklassengrade.

Der Beweis beruht auf der Berechnung der R/p-Dimension von S/pS auf 2 verschie-dene Weisen:

r∑

i=1

eifi =(1)

dimR/pS/pS =(2)

(K: k) .

Ad (1): Aus dem chinesischen Restsatz folgt

S/pS = S //

r∏

i=1

Pei

i∼→

r∏

i=1

S/Pei

i .

Es genugt nun zu zeigen (P := Pi, e := ei, f := fi): S/Pe ist ein R/p-Vektorraum derDimension e · f .Wegen p ⊆ Pe ist S/Pe ein R/p-Vektorraum. Betrachte nun in S/Pe die Kette von Idealen

S/Pe ⊃ P/Pe ⊃ . . .⊃ Pe−1/Pe.

Da S ein Dedekindring ist, gibt es kein Zwischenideal in der Kette Pi⊂6=Pi−1, also gilt

Pi−1 = Pi + Sa fur jedes a ∈ Pi−1 \Pi. Daher sind alle Quotienten

Pi−1/Pe // Pi/Pe ' Pi−1/Pi

uber S von nur einem Element erzeugbar (nach (1.33) ist sogar S/Pe einfach).Diese Quotienten sind nun aber in naturlicher Weise Moduln uber S/P, also KP-Vektor-raume. Deren Dimension ist dann naturlich 1, da sie von einem Element erzeugt werden.Definitionsgemaß hat S/P uber R/p den Korpergrad f , also hat Pi−1/Pi uber R/p dieDimension f . Fur den R/p-Vektorraum S/Pe ergibt sich insgesamt die R/p-Dimensione · f .

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Ad (2): Da S ein endlich erzeugter R-Modul ist, ist S/pS endlich erzeugter Vektorraumuber R/p = kp. Seien w1, . . . , wm ∈ S Reprasentanten einer kp-Basis w1, . . . , wm von S/pS.Es genugt zu zeigen, dass w1, . . . , wm eine k-Basis von K bilden.i) Angenommen, die w1, . . . , wm sind linear abhangig uber k, dann existieren (o.E.) αi ∈ R,nicht alle gleich 0, mit

∑i αiwi = 0. Sei a = 〈α1, . . . , αm〉R das von den Koeffizienten

erzeugte R-Ideal. Es ist a 6= 0 nach Annahme. Da R ein Dedekindring ist, konnen wirα ∈ a−1 \ a−1p wahlen, also αa = 〈ααi〉R ⊂ R, aber αa 6⊂ p. Dies bedeutet ααi ∈ kp sindnicht alle 0. Andererseits gilt aber

∑i ααiwi = 0 =⇒ ∑

i(ααi)wi = 0 im Widerspruchzur linearen Unabhangigkeit der wi uber kp.ii) Es genugt zu zeigen, dass S im k-Erzeugnis der wi enthalten ist, denn dann gilt furbeliebiges x ∈ K: x = 1

r· s (r ∈ R, s ∈ S) nach Bemerkung (1.10), also x ∈ 1

rS ⊂∑

i1r · kwi =

∑i kwi und die wi bilden ein k-Erzeugendensystem von K.

Wir setzen daher M =∑

i Rwi und N = S/M . Es ist M =∑

i kpwi = ⊕i kpwi = S/pS,also S = M + pS und N = S/M = (M + pS)/M = p · (S/M) = pN . Mit S ist auchN = S/M als R-Modul endlich erzeugt. Ist also N =

∑si=1 Rαi, so folgt aus N = pN =∑s

i=1 pαi die Existenz von Darstellungen aij ∈ p mit

αj =∑

i

aijαi ⇐⇒ 0 =∑

i

(aij − δij)αi .

Wie ublich (Multiplikation mit der Adjungierten zu A − E = (aij − δij)) erhalt mandaraus det(A − E)αi = 0 fur alle i, d. h. det(A − E) · N = (0). Wegen aij ∈ p giltd := det(A− E) ≡ det(−E) = (−1)s mod p, insbesondere d 6= 0. Also

(0) = dN = d(S/M) ⇐⇒ dS ⊂M =∑

i

Rwi =⇒ S ⊂∑

i

1

dRwi ⊂

i

kwi ,

S liegt also im k-Erzeugnis der wi.

Satz (3.6) beinhaltet naturlich eine Reihe von Endlichkeitsaussagen, die hier nocheinmal explizit formuliert werden sollen:Ist n = (K : k) der Korpergrad der separablen Erweiterung K|k, so gilt:1) Uber einem Primideal p von R liegen hochstens n Primideale P von S.2) Restklassengrade fK|k(P) und Verzweigungsindizes eK|k(P) sind ebenfalls durch n

beschrankt.

Die Uberlegungen zu Satz (3.6) liefern auch das folgende Endlichkeitsresultat.

(3.8) Satz: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, K|k eine endlich sepa-rable Erweiterung und S der ganze Abschluss von R in K. Der Dedekindring R erfullefolgende Endlichkeitsforderung:

(E) Alle Restklassenkorper R/p = kp von R sind endlich.

a) Dann sind auch alle echten Restklassenringe S/A, 0 6= A / S, endlich, genauer:

A =∏

P

PnP =⇒ #(S/A) =∏

P

#(KP)nP =∏

P

(#kp)f(P|p)nP =

p

(#kp)

∑P|p

f(P|p)nP

.

Insbesondere hat auch S die Endlichkeitseigenschaft (E).b) Die sog. Absolutnorm Nk(a) := #(R/a) ist auf den ganzen Idealen von R vollstandigmultiplikativ und kann daher zu einem Gruppenhomomorphismus Nk : Ik → Q+ auf dengebrochenen Idealen erweitert werden.

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c) Zwischen Absolutnorm und Relativnorm besteht der folgende Zusammenhang:NK = Nk ◦ NK|k. (Ein weiteres Motiv fur die Namensgebung.)

Beweis: a) Zunachst gilt nach dem Chinesischen Restsatz

S/A '∏

P

S/PnP

und daher sind die Machtigkeiten gleich (wobei die Machtigkeit auch ∞ sein kann). Nachden Uberlegungen im Beweis von (3.6) ist

dimKP(S/Pn) = n <∞ .

Nun ist KP|kp eine Korpererweiterung vom Grad f(P|p) < ∞ (siehe (3.3) b)) uber demnach Voraussetzung endlichen Korper kp, also ist

#KP = (#kp)f(P|p) <∞

und insgesamt #(S/A) <∞ wie angegeben.b) Die in a) fur S hergeleitete Formel gilt naturlich auch fur S = R und zeigt

a =∏

p

pnp / R =⇒ Nka = #(R/a) =∏

p

(#kp)np =

p

(Nkp)np

also die vollstandige Multiplikativitat der Absolutnorm auf den ganzen Idealen. Jedesgebrochene Ideal c ∈ Ik ist darstellbar als c = ab−1 mit ganzen Idealen a, b (namlicha = cc und b = cR). Also definiert man

Nk(c) = Nk(ab−1) := N (a)N (b)−1 .

Wegen der vollstandigen Multiplikativitat der Norm auf den ganzen Idealen ist diese De-finition wohldefiniert:

ab−1 = a′b′−1 ⇐⇒ ab′ = a′b =⇒ Nk(a)N (b′) = N (a′)N (b)

⇐⇒ Nk(a)Nk(b)−1 = N (a′)N (b′)−1 .

c) Da Relativ- und Absolutnorm multiplikativ sind, genugt es die Ubereinstimmung aufden Primidealen P zu uberprufen:

Nk ◦ NK|k(P) = Nk(pf(P|p)) = (Nk(p))f(P|p) = (#kp)f(P|p) = #KP = NK(P) .

Die Endlichkeitsforderung (E) in Satz (3.8) ist insbesondere fur die Ganzheitsringevon Zahlkorpern erfullt: Man wahle R = ZZ, dann sind die Restklassenkorper gerade diePrimkorper: ZZ/pZZ = IF p, insbesondere endlich.

(3.9) Korollar: Sei k ein algebraischer Zahlkorper. Dann gilt:a) Alle echten Restklassenringe von R = Zk sind endlich; genauer:b) Fur alle gebrochenen Ideale a von k ist der Idealindex (Zk : a) (vgl. Definition 2.17)gleich der Absolutnorm Nk(a) (vgl. Satz 3.7) und daher vollstandig multiplikativ auf ge-brochenen Idealen:

a =

r∏

i=1

pni

i =⇒ (Zk : a) = Nka =

r∏

i=1

Nk(pi)ni =

r∏

i=1

pf(pi|pi)ni

i .

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c) Die Absolutnorm fur Hauptideale ist gleich dem Absolutbetrag der Elementnorm:

Nk(cR) = |Nk|Q (c)| .

Beweis: a) ist uns bereits aus §1 bekannt, ergibt sich hier aber auch als Korollar zuSatz (3.8): ZZ ist ein Dedekindring mit endlichen Restklassenkorpern, erfullt also (E). NachSatz (3.8) erfullt dann auch jede endlich separable Erweiterung, also jeder algebraischeZahlkorper die Endlichkeitsforderung (E).b) Definitionsgemaß stimmen Idealindex und Absolutnorm auf ganzen Idealen uberein:

a / R =⇒ (R : a) = #(R/a) = Nk(a) .

Insbesondere ist daher der Idealindex multiplikativ auf ganzen Idealen. Dann ist er aberauch auf allen gebrochenen Idealen multiplikativ:Seien dazu a′, b′ ∈ Ik beliebige gebrochene Ideale. Dann existieren 0 6= c, d ∈ R mita := ca′ / R und b := db′ / R. Fur diese ganzen Ideale ist nun der Idealindex bereitsmultiplikativ, also folgt allgemein

(R : a′b′) = (R : c−1d−1ab) =(2.18)

(R : ab) · |NK|Q (c−1d−1)|

= (R : a) · (R : b) · |NK|Q (c−1)| · |NK|Q (d−1)|=

(2.18)(R : c−1a)(R : d−1b) = (R : a′)(R : b′) .

(Damit ist dann auch der Beweis von Satz (2.22) gefuhrt.) Da nun Idealindex (R : a) undAbsolutnorm Nk beide vollstandig multiplikativ sind und auf den (ganzen) Primidealenubereinstimmen, stimmen sie auf ganz Ik uberein.c) gilt nach (2.18) fur den Idealindex, der nach b) gleich der Absolutnorm Nk ist. Behaup-tung c) ist ein weiteres Motiv fur die Namensgebung Absolutnorm.

Beachten Sie, dass die Definition des Idealindexes die Existenz von Idealbasen, al-so freie Moduln voraussetzte, und damit einen Grund-Dedekindring, der Hauptidealringist. Dagegen erfordert die Definition der Absolutnorm nur die Endlichkeit der Restklas-senkorper des Grund-Dedekindringes, ist insofern allgemeiner nutzbar. Wir werden daherim Folgenden stets von der Absolutnorm Nk sprechen.

Das folgende Diagramm veranschaulicht die bisher erarbeiteten Resultate im Zahlkor-perfall:

b. Hilbertsche Theorie. Wir wollen nun weitergehende Informationen uber dieZerlegungsdaten eines Primideals in einer Erweiterung erarbeiten und nutzen dazu dieGaloissche Theorie. Gegenstand der sog. Hilbertschen Theorie ist die Untersuchung derZerlegungsdaten eines Primideals p eines Dedekindringes in einem galoisschen Erweite-rungskorper N , insbesondere der Zusammenhang zwischen den Zerlegungsdaten und derStruktur der Galoisgruppe. Fundamental fur alle nachfolgenden Uberlegungen ist die

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(3.10) Proposition: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, N |k eine end-liche galoissche Korpererweiterung und S der ganze Abschluss von R in N . Es sei p einPrimideal 6= 0 von R. Dann gilt:Die Galoisgruppe G = G(N |k) operiert in naturlicher Weise auf den Primteilern von p inS:

P|p , σ ∈ G(N |k) =⇒ σ(P)|p ,

und diese Operation ist transitiv:

P | p , P′ | p =⇒ P′ = σ(P) fur ein geeignetes σ ∈ G(N |k) .

Beweis: Alle Elemente von S sind ganz uber R und jeder Galoisautomorphismusσ ∈ G(N |k) lasst R fest, also ist σS ganz uber R. Da S der ganze Abschluss ist, folgtσS ⊂ S und wegen der Invertierbarkeit von σ dann σS = S. Damit ist fur ein maximalesIdeal P / S auch σP / S maximal. Beide liegen uber demselben Primideal p von R,wiederum weil σ die Elemente von R fixiert. Also operiert die Galoisgruppe G auf der(endlichen) Menge

{P ∈ PN | P uber p}aller Primidealteiler von p in S.Fur die Transitivitat seien zwei maximale Ideale P, P′ uber demselben p vorgegeben.Gesucht ist ein Galoisautomorphismus σ ∈ G(N |k) mit σP = P′.Annahme: Fur alle σ ∈ G ist P′ 6= σP. Dann gilt naturlich auch σP 6= σ′P′ fur alleσ, σ′ ∈ G (betrachte σ′−1

σ ∈ G). Verschiedene maximale Ideale sind coprim, so dassnach dem Chinesischen Restsatz dann ein Element a ∈ S existiert, fur das die simultanenKongruenzen

a ≡ 0 mod σP

a ≡ 1 mod σP′

}fur alle σ ∈ G

erfullt sind und daher auch

σ−1a ≡ 0 mod P

σ−1a ≡ 1 mod P′

}fur alle σ ∈ G

gilt. Betrachtet man nun die Norm NN|k(a) =∏

σ∈G σ(a), so folgt:

NN|k(a) ≡{

0 mod P,1 mod P′.

Nun liegt die Norm eines Elementes a aber bereits im Grundkorper k und es folgt

NN|k(a)

{∈ P ∩ k = P ∩R,6∈ P′ ∩ k = P′ ∩ R,

im Widerspruch zu P∩ R = p = P′ ∩ R.

Bevor wir nun eine Reihe wichtiger Folgerungen ziehen, definieren wir fur eine Galoi-serweiterung N |k von Zahlkorpern und ein maximales Ideal P von N die Zerlegungs-gruppe D(P|p) = DN|k(P) von P uber k als die Fixgruppe von P in G, d. h.

DN|k(P) := {σ ∈ G | σP = P}.

Dann gilt folgendes

41

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(3.11) Korollar: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, N |k eine endlichegaloissche Korpererweiterung und S der ganze Abschluss von R in N . Fur p ∈ Pk seirN|k(p) die Anzahl der Primteiler von p in N . Dann gilt:a) Die Verzweigungsexponenten eN|k(P) der verschiedenen Primteiler P von p in N stim-

men uberein; dasselbe gilt fur die Restklassengrade fN|k(P). Sie konnen deshalb auchals eN|k(p) bzw. fN|k(p) bezeichnet werden.

b) Es gilt:rN|k(p) · eN|k(p) · fN|k(p) = (N : k) .

c) Die Zerlegungsgruppen DN|k(P) zu verschiedenen Primteilern P von p sind unterein-ander konjugiert in G(N |k); ihre Ordnung ist eN|k(p) ·fN|k(p), ihr Index in G ist geradedie Anzahl rN|k(p) der Primteiler von p in N .

d) Ist Ld der Fixkorper der Zerlegungsgruppe DN|k(P), der sog. Zerlegungskorper vonP uber k, und ist Pd := P ∩ Ld das unter P liegende Primideal von Ld, so gilt:

eLd|k(Pd) = fLd|k(Pd) = 1,

insbesondere stimmen also die Restklassenkorper LdPd= kp uberein.

Beweis: a) Da jedes σ ∈ G den Grundkorper k und somit auch p festlaßt, folgt

pS = σ(pS) =∏

P|p

(σP)e(P|p),

und wegen der Eindeutigkeit der Primidealzerlegung in S dann

e(σP|p) = e(P|p).

Fur den Restklassengrad f beachtet man, dass ein Galoisautomorphismus σ mit σP = P′

in naturlicher Weise einen R/p-Isomorphismus

σ : S/P ∼→ S/P′ , a + P 7→ σa + P′

induziert, so dass die Restklassengrade f(P′|p) und f(P|p) ubereinstimmen. Wegen Pro-position (3.10) ist damit a) bewiesen. b) folgt aus a) und Satz (3.6).

Ad c): Konjugiertheit und Indexaussage sind allgemeingultige Aussagen uber transi-tive Gruppenoperationen. Hier die einfachen Argumente im vorliegenden Spezialfall:Konjugiertheit: D(σP|p) = σD(P|p)σ−1 fur σ ∈ G, denn

τ(σP) = σP ⇐⇒ σ−1τσP = P ⇐⇒ σ−1τσ ∈ D(P|p) ⇐⇒ τ ∈ σD(P|p)σ−1 .

Index: Bei fixiertem P0|p induziert die Gruppenoperation eine naturliche Abbildung

G→ {P ∈ PN | P | p} , σ 7→ σP0 .

Diese ist nach Proposition (3.10) surjektiv und liefert so eine Bijektion zwischen denRechtsnebenklassen σD der Zerlegungsgruppe D = D(P0|p) (der Fixgruppe von P0)und den Primteilern von p in N . Damit ist der Index von D gerade die Anzahl r derPrimidealteiler von p in N .Der Rest von c) folgt aus b), da die Ordnung der Galoisgruppe ja gerade der Korpergrad(N : k) ist.

Ad d): Offenbar gilt gemaß Definition der Zerlegungsgruppe

σ ∈ DN|Ld(P) =⇒ σP = P =⇒ σ ∈ DN|k(P) und

σ ∈ DN|k(P) =⇒ σ |Ld= id ∧ σP = P ⇐⇒ σ ∈ DN|Ld

(P)

42

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und damit die Gleichheit DN|Ld(P) = DN|k(P). Nach c) bedeutet dies:

eN|Ld(Q) · fN|Ld

(Q) = eN|k(Q) · fN|k(Q)

= eLd|k(Pd)eN|Ld(P) · fLd|k(Pd)fN|Ld

(P).

Da alle Faktoren naturliche Zahlen sind, folgt durch Kurzen die Behauptung.

(3.12) Satz: (Galoistheoretische Beschreibung der Relativnorm) Es sei R ein Dede-kindring mit Quotientenkorper k, K|k eine endlich separable Erweiterung und S der ganzeAbschluss von R in K. Es sei M := {τ | τ : K → K} die Menge der k-Monomorphismenvon K in einen algebraischen Abschluss von K. Dann gilt:

A ∈ IK =⇒ NK|k(A) =∏

τ∈M

τA .

Anmerkung: Da K|k endlich ist, liegen alle Bilder τK in einer festen galoisschen HulleN von K|k. Die Faktoren und das Produkt auf der rechten Seite der Behauptung sinddaher gemaß Propostition (3.2) als Ideale in IN zu verstehen, genauso wie die linke SeiteNK|k(A) ∈ Ik ↪→ IN . Die Aussage des Satzes ist dann, dass das in IN definierte Ideal derrechten Seite die Erweiterung des in Ik liegenden NormidealsNK|k(A) ist (vgl. Proposition(3.2)).

Beweis: Wegen der Multiplikativitat beider Seiten der Behauptung genugt der Beweisfur A = P ∈ PK.1. Fall: K = N galoissch uber k: Dann istM = G(N |k) =: G die Galoisgruppe. Sei im Fol-genden e := eN|k(p), f := fN|k(p), r := rN|k(p) und D := DN|k(P) die Zerlegungsgruppe.Weiter sei σi (i = 1, . . . , r) ein Reprasentantensystem der Nebenklassen von D. Dann sindPi := σiP die Primteiler von p in N und pS =

∏ri=1 Pe

i . Dann gilt nach Korollar (3.11):

σ∈G

σP =

r∏

i=1

ρ∈D

σiρP =

r∏

i=1

ρ∈D

σiP =

r∏

i=1

(σiP)ef

=( r∏

i=1

Pei

)f

= (pS)f = pfS = NN|k(P)S .

2. Fall: K beliebig. Aufgrund der Separabilitat von K|k existiert eine galoissche Erweite-rung N |k mit K ⊂ N . (Konkret. a primitives Element fur K|k, N der Zerfallungskorperdes Minimalpolynoms fa,k von a uber k.) Da N |k normal ist, konnen wir zu jedem τ ∈ Meine Fortsetzung τ ∈ G(N |k) wahlen. Fur jedes σ ∈ G(N |k) gibt es also genau ein τ ∈ Mmit

σ |K = τ = τ |K ⇐⇒ στ−1 ∈ G(N |K) ,

also bilden die τ ein Reprasentantensystem der Nebenklassen von G(N |K) in G = G(N |k).Sei nun T der ganze Abschluss von S in N . Dann gilt fur P / S ⊂ K:∏

σ∈G(N|k)

σ(P)T =∏

τ∈M

σ∈G(N|K)

τσ(P)T =(P⊂K)

τ∈M

σ∈G(N|K)

τ(P)T

=∏

τ∈M

τ(P)#G(N|K)T =( ∏

τ∈M

τP · T)(N :K)

Da N |k und N |K galoissch sind, erhalten wir unter Verwendung von 1.∏

σ∈G(N|k)

σ(P)T =∏

σ∈G(N|k)

σ(PT ) =1.NN|k(PT ) · T =

(3.5)NK|k

(NN|K(PT )

)· T

=1.NK|k

( ∏

σ∈G(N|K)

σ(PT ))

=(P⊂K)

NK|k(P(N :K)T ) · T

=(P⊂K)

NK|k(P(N :K)) · T =(NK|kP · T

)(N :K)

43

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Der Vergleich beider Resultate ergibt

( ∏

τ∈M

τP · T)(N :K)

=(NK|kP · T

)(N :K)

Da die Idealgruppe IN ein freier, also torsionsfreier ZZ-Modul ist, folgt die Behauptung

τ∈M

τP · T = NK|kP · T .

(3.13) Korollar: Es sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, K|k eine end-lich separable Erweiterung und S der ganze Abschluss von R in K. Dann gilt:a) Die Relativnorm eines Hauptideals von S ist das von der Elementnorm erzeugte Haupt-ideal in R: NK|k(cS) = NK|k(c) ·Rb) Die Relativnorm eines gebrochenen Ideals A von S ist das von allen Elementnormenerzeugte gebrochene Ideal von R:

NK|kA = 〈NK|k(a) | a ∈ A〉R .

Beweis: a) folgt unmittelbar aus (3.12).b) Es genugt der Nachweis fur ganze Ideale A, denn fur A′ = 1

cA gilt

NK|k(A′) =a)NK|k(c)−1NK|k(A)

und

〈NK|k(a′) | a′ ∈ A′ =1

cA 〉 = 〈NK|k(

1

c· a) | a ∈ A〉 = NK|k(c)−1 · 〈NK|k(a) | a ∈ A〉

Sei nun A / S ganz. Wir konstruieren ahnlich wie im Beweis von (1.33) eine Erzeugungvon A aus zwei passenden Elementen. Wir gehen aus von der Primzerlegung

A =∏

P∈PK

PnP =∏

p∈Pk

P|p

PnP =

r∏

i=1

P|pi

PnP

wobei wir die Primzerlegung nach den darunter liegenden Primidealen von k sortiert haben;die pi sind paarweise verschieden.

Nach dem Chinesischen Restsatz kann man fur ganze Elemente endlich viele Expo-nenten in der Primzerlegung vorschreiben (siehe Ubung 3.4.). Also kann man in S zunachstein a und dann ein b wahlen mit

aS =r∏

i=1

∏P|pi

PnP ·s∏

j=r+1

∏P|pj

PaP = A · C1

bS =r∏

i=1

∏P|pi

PnP ·s∏

j=r+1

∏P|pj

P0 ·t∏

l=s+1

∏P|pl

PbP = A · 1 · C2

Dabei sind nach Konstruktion die Ideale Ci teilerfremd und daher

aS + bS = ggT(aS, bS) = ggT(AC1, AC2) = A .

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Durch die Aufsplittung der Primzerlegung nach den unten liegenden Primidealen sind abernicht nur die Ci, sondern sogar ihre Normen NK|kCi teilerfremd, denn die Primteiler vonNK|kCi sind gerade die im jeweiligen Produkt auftretenden pν ∈ Pk und die sind gemaßder Wahl voneinander verschieden. Also erhalten wir

ggT(NK|k(aS),NK|k(bS)

)= ggT

(NK|kA · NK|kC1,NK|kA · NK|kC2

)= NK|kA

Wegen

ggT(NK|k(aS),NK|k(bS)

)= ggT

(NK|k(a)R,NK|k(b)R

)= 〈NK|k(a),NK|k(b)〉R

ergibt sich somit die noch fehlende umgekehrte Inklusion

NK|kA = 〈NK|k(a),NK|k(b)〉R ⊂ 〈NK|k(c) | c ∈ A〉R .

c. Verzweigung. Im Folgenden soll nun die Struktur der Zerlegungsgruppe undder Zusammenhang mit den Großen e und f noch ein wenig genauer aufgeklart werden.Dazu beschranken wir uns auf Dedekindringe mit der Endlichkeitseigenschaft (E) (vgl.Satz (3.8)): Alle auftretenden Restklassenkorper sind endlich. Dies bedeutet insbesondere,dass alle Erweiterungen von Restklassenkorpern separabel und normal, also galoissch sind,sogar mit zyklischer Galoisgruppe.

(3.14) Satz: Es sei R ein Dedekindring mit der Endlichkeitsbedingung

(E) Alle Restklassenkorper von R sind endlich.

Es sei k der Quotientenkorper von R, N |k eine endlich galoissche Erweiterung und S derganze Abschluss von R in N . Weiter seien P|p Primideale in S|R. Dann gilt:a) Jeder Automorphismus σ ∈ DN|k(P) induziert einen Automorphismus σ : KP → KP,

a 7→ σa und dadurch einen Gruppenepimorphismus

DN|k(P)→→ G(N, k) , σ 7→ σ

der Zerlegungsgruppe von P auf die Galoisgruppe der RestklassenkorpererweiterungN |k. Letztere ist zyklisch von der Ordnung fN|k(P).

b) Der Kern dieses Epimorphismus ist die sog. Tragheitsgruppe

IN|k(P) := {σ ∈ G(N |k) | σ(a) ≡ a mod P fur alle a ∈ S }

von P. Diese hat die Ordnung eN|k(P); sie ist ein Normalteiler in der ZerlegungsgruppeDN|k(P) mit zyklischer Faktorgruppe von der Ordnung fN|k(P).

Beweis: a) Die Restklassenerweiterung N |k ist eine Erweiterung endlicher Korpervom Grade f = f(P|p), also k = IF q mit q = #kp = N p und N = IF qf . Aus der

Galoistheorie ist bekannt, dass solche Erweiterungen zyklisch sind: G(N |k) = G(IF qf |IF q)wird erzeugt vom sog.Frobeniusautomorphismus σq : x 7→ xq mit q = N p; dessen Ordnungist #G(N|k) = (N : k) = fN|k(P) = f .Fur σ ∈ DN|k(P), d. h. σ ∈ G(N |k) mit σP = P, ist die induzierte Abbildung a + P 7→σ(a) + P (a ∈ S) ein Automorphismus σ ∈ G(N |k). Die Zuordnung σ 7→ σ ist dannoffenbar ein Gruppenhomomorphismus

DN|k(P)→ G(N |k).

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Zum Beweis der entscheidenden Surjektivitat wahlen wir ein primitives Element a der Er-weiterung N |k: N = k(a) mit a ∈ S. Dann hat das Minimalpolynom f := fa,Ld

von a uberdem Zerlegungskorper Ld von P Koeffizienten in S ∩ Ld =: Sd. Das Restklassenpolynomf liegt dann in Ld[X ] = k[X ] (Korollar (3.11),d)) und hat a als Nullstelle. Daher ist dasMinimalpolynom ϕ = fa,k ein Teiler von f .

Ist nun σ ∈ G(N |k) beliebig, so ist σ(a) Nullstelle von ϕ, also von f . Es muss dahereine Nullstelle b von f in N existieren mit b = σ(a). Da f ∈ Ld[X ] irreduzibel ist, existiertein τ ∈ G(N |Ld) = DN|k(P) mit τ(a) = b, also

τ(a) = τ(a) = b = σ(a).

Da a die Erweiterung N |k erzeugt, folgt τ = σ. b) ist dann klar.

Die Ergebnisse der beiden vorangehenden Satze sind z. T. in folgendem Diagrammdargestellt. Dabei sei Li der Fixkorper der Tragheitsgruppe IN|k(P), der sog. Tragheits-korper von P uber k.

Von besonderer Bedeutung ist die Spezialisierung des letzten Satzes fur die sogenann-ten unverzweigten Primideale, dies sind die Primideale P uber p mit Verzweigungsindexe(P|p) = 1. Nach (3.14) b) ist im Falle unverzweigter Primideale die Tragheitsgruppe tri-vial und der naturliche Epimorphismus von (3.14) a) dann ein Isomorphismus. Mit denBeweismethoden von Satz (3.14) konnen wir zeigen, dass fast alle Primideale unverzweigtsind.

(3.15) Korollar: Sei R ein Dedekindring mit der Endlichkeitsbedingung (E). Es seik der Quotientenkorper von R und K|k eine endlich separable Erweiterung. Dann gilt:a) In K|k verzweigen nur endlich viele Primideale (von K bzw. k).b) Ist N |k galoissch mit primitivem ganzem Element a und dN|k(a) := d(1, a, . . . , an−1)1)

die Diskriminante der k-Basis 1, a, . . . , an−1 von N , so ist jedes in N verzweigte Prim-ideal p ∈ Pk ein Teiler von dN|k ·R.

Beweis: a) folgt aus b): Man geht von der vorgegebenen Erweiterung K|k zur galoiss-chen Hulle N |k uber und kann dann b) anwenden. Da die Diskriminante dN|k(a) von 0verschieden ist, hat sie nur endlich viele Primidealteiler und alle anderen sind gemaß b)in N unverzweigt. Wegen der Multiplikativitat der Verzweigungsexponenten sind sie erstrecht in K unverzweigt.

Ad b): Seien a und d := dN|k(a) wie in der Formulierung des Satzes. Weiter sei P ein

Primideal von N uber p mit Restklassenkorper N . Wir zeigen nun:Ist p kein Teiler von d, so ist der Epimorphismus

DN|k(P)→ G(N |k)

1) Anderung der Notation gegenuber §1!

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injektiv, also gemaß Satz (3.14) b) eN|k(P) = 1.Das Minimalpolynom f = fa,k von a uber k zerfallt uber N in Linearfaktoren

f =

n∏

i=1

(X − ai)

mit verschiedenen Wurzeln a1 = a, . . ., an ∈ S, S der ganze Abschluss von R in N . Diessind gerade die n Konjugierten von a uber k, insbesondere ist σ(a) = ai fur ein i. Ist nunσ ∈ DN|k(P) mit σ = idN , so folgt a1 = ai. Nun bedeutet die Voraussetzung p 6 | d ∈ R

nichts anderes 0 6= d ∈ R/p = k, also gemaß Berechnung der Diskriminante im Beweis von(1.13) c) ∏

i<j

(ai − aj)2 6= 0 .

Damit sind auch die n Restklassen ai (i = 1, . . . , n) verschieden und aus a1 = ai folgtdaher i = 1. So ergibt sich σ(a) = ai = a1 = a und σ ist die Identitat auf N = k(a).

Dieses Resultat lasst sich noch weiter verscharfen bis hin zu einer prazisen Beschrei-bung der verzweigten Primideale. Das volle Resultat werden wir aber erst mit Hilfe derlokalen Theorie erreichen konnen. Zur prazisen Formulierung benotigen wir die Relativ-diskriminante und die Differente.

d. Differente und Diskriminante. Ist K|k eine endlich separable Erweiterung, soerhalt man durch die Spurabbildung eine k-Bilinearform auf K:

u, v ∈ K =⇒ 〈u, v〉 := TrK|k(uv) ∈ k .

Diese ist wegen der Separabilitat nicht ausgeartet, d. h. es gilt

u ⊥ K :⇐⇒ 〈u, K〉 = 0 ⇐⇒ 〈u, v〉 = 0 fur alle v ∈ K ⇐⇒ u = 0 .

Beweis: : Ist ui eine k-Basis von K und u =∑

i xiui ∈ K, xi ∈ k, so sind aquivalent:

u ⊥ K ⇐⇒∑

i

xiui ⊥ K ⇐⇒∧

j

0 = 〈u, uj〉 =∑

i

xi〈ui, uj〉

⇐⇒ (x1, . . . , xn) ∈ kn ist Losung des homogenen LGS mit Matrix (〈ui, uj〉)ij .

Wenn nur u = 0 bzw. xi = 0 diese aquivalenten Bedingungen erfullen, dann muss dieseMatrix regular, also

det(〈ui, uj〉) 6= 0

sein. Diese Determinante ist nichts anderes als die Diskriminante d(u1, . . . , un) der k-Basis(ui) von K. Wir wissen aus Proposition (1.13), dass im separablen Falle die Diskriminanten6= 0 sind.

Eine solche nicht entartete Bilinearform liefert nun fur den endlich dimensionalenk-Vektorraum K eine kanonische Isomorphie zwischen K und dem Dualraum K∗ =Homk(K, k) aller Linearformen auf K vermoge

K ∼→ K∗ , u 7→ 〈u, . . .〉 .

Insbesondere existiert zu jeder k-Basis (ui) von K die sog. Dualbasis (u∗i ) definiert durch

〈u∗i , uj〉 = δij .

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Diese Isomorphie zwischen K und K∗ kann man auf R-Moduln in K ubertragen: IstA ein R-Modul in K, der K als k-Vektorraum erzeugt, also eine k-Basis von K enthalt, soist jedes f ∈ HomR(A, R), also f : A → R R-linear, eindeutig fortsetzbar zu f : K → k,k-linear. Also gilt HomR(A, R) ↪→ Homk(K, k) = K∗ ' K und damit f = 〈uf , . . .〉 fur einuf ∈ K. Dabei gilt dann

R ⊃ f(A) = 〈uf , A〉 .Das Bild von HomR(A, R) in K ist also {u ∈ K | 〈u, A〉 ⊂ R}. Dies fuhrt zur nachfolgenden

(3.16) Definition: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, K|k eine endlichseparable Erweiterung und S der ganze Abschluss von R in K. Fur R-Untermoduln A ⊂ Kdefinieren wir

den dualen Modul A∗ := {x ∈ K | 〈x, A〉 ⊂ R} = {x ∈ K | TrK|k(xA) ⊂ R}und speziell

die Kodifferente von K|k CK|k := S∗ = {x ∈ K | TrK|k(xS) ⊂ R}die Differente von K|k DK|k := C−1

K|k

die Diskriminante von K|k dK|k := NK|k(DK|k)

(3.17) Proposition: Unter den Voraussetzungen der Definition (3.16) gilt:a) Ist A ein gebrochenes Ideal von S, so auch A∗ und es gilt A∗ = A−1S∗ = (ADK|k)

−1.b) Die Differente DK|k ist ein ganzes Ideal von S, die Diskriminante dK|k eines von R.

Beweis: : a) Ist A ein S-Modul, so auch A∗. Fur die ubrigen Behauptungen verwendenwir die folgenden einfachen Rechenregeln fur (. . .)∗:

i)(⊕i

Rui

)∗= ⊕

iRu∗

i ii) A ⊂ B =⇒ B∗ ⊂ A∗ iii) (dA)∗ =1

dA∗

Nach Ubung 2.3. ist S zwischen zwei freie R-Moduln maximalen Ranges eingeschachtelt:F0 ⊂ S ⊂ F1. Dies ubertragt sich auf gebrochene Ideale, denn 0 6= a ∈ A ∩ R =⇒E0 := aF0 ⊂ aS ⊂ A und mit 0 6= c ∈ R, cA ⊂ S folgt A ⊂ 1

cF1 := E1. Nach ii) gilt

E∗1 ⊂ A∗ ⊂ E∗

0 und nach i) sind die E∗i selbst freie R-Moduln. Damit ist A∗ 6= 0 und

nach Bemerkung (1.10) kann der endlich erzeugte R-Modul E∗0 durch ein r ∈ R nach S

multipliziert werden: rA∗ ⊂ rE∗0 ⊂ S. Der Zusatz von a) folgt aus

a ∈ A∗ ⇐⇒ R ⊃ 〈a, A〉= 〈a, AS〉 = 〈aA, S〉 ⇐⇒ aA ⊂ S∗ ⇐⇒ a ∈ A−1S∗ .

b) Es ist per definitionem S ⊂ S∗, also S ⊃ (S∗)−1 = DK|k. Die Norm dK|k ist dann ein

Ideal in R.

Ein wichtiges Berechnungsbeispiel ist der Dualmodul einer Ordnung R[a]. Zugleich er-halten wir dadurch einen Zusammenhang zwischen der Differente und der in den Ubungenbetrachteten Elementdifferente.

(3.18) Proposition: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k. K = k(a) seieine separable Erweiterung vom Grade n erzeugt von einem primitiven, ganzen Elementa. Es sei f das Minimalpolynom von a uber k und f ′ die (formale) Ableitung.a) Dann gilt:

(R[a]

)∗=

n−1⊕

j=0R · aj

f ′(a)=

1

f ′(a)·R[a] .

b) Die Differente DK|k enthalt alle Elementdifferenten ganzer primitiver Elemente:

〈δK|k(a) | a ∈ S〉S ⊂ DK|k

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c) Die Diskriminante dK|k enthalt alle Elementdiskriminanten ganzer primitiver Elemente:

〈dK|k(a) | a ∈ S〉R ⊂ dK|k .

Zusatz (ohne Beweis): In b) gilt Gleicheit, in c) jedoch i. a. nicht.

Beweis: a) R[a] ist freier R-Modul mit der Basis aj (j = 0, . . . , n − 1). Also ist derduale Modul erzeugt von der dualen Basis (vgl. i) im Beweis von (3.17)):

(R[a]

)∗=

n−1⊕i=0

Ra∗j mit 〈ai, a∗

j〉 = δij .

Seien a = a1, a2, . . . , an die n verschiedenen Konjugierten von a, also f(X) =∏n

i=1(X−ai)und daher

f ′(X) =n∑

i=1

j 6=i

(X − aj) =n∑

i=1

f(X)

X − ai, f ′(ai) =

j 6=i

(ai − aj) .

Daraus folgtn∑

i=1

f(X)

X − ai

ari

f ′(ai)= Xr (r = 0, . . . , n− 1) ,

denn die Differenz beider Seiten ist vom Grad ≤ n − 1 und hat n verschiedene Wurzelnai. Da die ai die Konjugierten von a = a1 sind, ist die linke Seite (koeffizientenweise) eineSpur:

Xr = Tr( f(X)

X − a

ar

f ′(a)

)(r = 0, . . . , n− 1) ,

Mitf(X)

X − a=

i>1

(X − ai) =:n−1∑

j=0

bjXj erhalt man durch Koeffizientenvergleich

δjr = Tr(bj

ar

f ′(a)

)= 〈ar,

bj

f ′(a)〉 (0 ≤ j, r ≤ n − 1) .

Die Dualbasis zu ar ist also a∗j =

bj

f ′(a)und folglich

(R[a]

)∗= ⊕j R · bj

f ′(a).

Aus∑n

i=0 ciXi := f(X) = (X − a)

∑n−1j=0 bjX

j erhalt man rekursiv (mit bn = 0)

ci = bi−1 − abi bzw. bi−1 = abi + ci (i = 0, . . . , n)

und daraus explizit

bn−1 = 1 ,

bn−2 = a + cn−1 ,

bn−3 = abn−2 + cn−2 = a2 + acn−1 + cn−2 ,

...

bn−i = ai−1 + ai−2cn−1 + . . . + acn−i + cn−i+1 = ai−1 +i−2∑

j=0

ajcn−j+1 .

49

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Die Ubergangsmatrix von den (ai−1) zu den (bn−i) ist also eine Dreiecksmatrix mit Koef-fizienten in R (cj ∈ R!) und auf der Hauptdiagonalen lauter Einsen, also Determinante 1und somit invertierbar uber R. Also gilt

(R[a]

)∗=

1

f ′(a)·

n−1⊕

j=0Rbj =

1

f ′(a)·

n−1⊕

j=0Raj .

b) Wegen R[a] ⊂ S gilt S∗ ⊂ (R[a])∗ = 1f ′(a)R[a] ⊂ 1

f ′(a)S und daher durch Inversenbil-

dung DK|k = (S∗)−1 ⊃ f ′(a)S.

c) folgt aus Ubung 7.1.

Ein weiteres wichtiges Berechnungsbeispiel betrifft Diskriminanten uber Q.

(3.19) Proposition: Sei K ein algebraischer Zahlkorper. Dann gilt:

dK|Q = dKZZ

Beweis: Dieser Beweis basiert im wesentlichen auf den Vorbereitungen uber Gitterin-dizes in §2, insbesondere Proposition (2.18), und dem Zusammenhang mit der (Absolut-)Norm. Es seien d := dK|Q und D := DK|Q . Da die Ideale in ZZ durch ihre Absolut-norm eindeutig bestimmt sind: d = mZZ = |m|ZZ ⇐⇒ (ZZ : d) = |m|, berechnen wirNQ (d) = NQ (NK|QD) = NK(D), also die Absolutnorm der Differente und zeigen:

NKD = |dK | bzw. (NKD)2 = d2K .

Da der Grundkorper Q ist, sind S und damit auch S∗ frei, also Gitter und (2.18) anwend-bar. Wir beginnen

(NKD)2 = NK(S∗)−2 =(3.9)b)

(S : S∗)−2 =(2.18)

(S∗ : S)2 =(2.18)

dS

dS∗

.

Da dS = dK die Korperdiskriminante ist, genugt es zu zeigen: dS∗ = 1dS

, denn dann folgt

wie behauptet: (ND)2 = dK

d−1

K

= d2K.

Sei nun (ai) eine ZZ-Basis von S. Dann ist nach (3.18) die Dualbasis (a∗j ) eine ZZ-Basis

von S∗ und es gilt:

dS = D(a1, . . . , an) und dS∗ = D(a∗1, . . . , a

∗n) .

Wir berechnen das Produkt beider Diskriminanten. Mit den n Einbettungen σi : K → Q(i = 1, . . . , n) (vgl. eine analoge Rechnung im Beweis von (1.13)!) ist dS ·dS∗ das Quadratvon

det(σiaj)i,j · det(σja∗k)j,k

= det(σjai)i,j · det(σja∗k)j,k

= det(∑

j

σj(ai) · σj(a∗k)

)i,k

= det(Tr(aia

∗k)

)= det

(〈ai, a

∗k〉

)= det(δik) = 1 .

Damit ist dS∗ = 1dS

und der Beweis von Propositon (3.19) komplett.

50

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(3.20) Satz: (Dedekindscher Differentensatz) Sei R ein Dedekindring mit Quoti-entenkorper k, K|k eine endlich separable Erweiterung und DK|k =

∏P∈PK

PmP diePrimzerlegung der Differente von K|k. Wir setzen voraus, dass alle Restklassenerweite-rungen KP|kp separabel sind (z. B. bei endlichen Restklassenkorpern kp). Dann gilt furalle P ∈ PK:

mP ≥ eK|k(P)− 1 und mP = eK|k(P)− 1 ⇐⇒ char KP 6 | eK|k(P) .

Insbesondere folgt:

P ∈ PK verzweigt uber k ⇐⇒ P | DK|k ,

p ∈ Pk verzweigt in K ⇐⇒ p | dK|k .

Wir werden hier zunachst nur die schwache Form dieses Satzes beweisen konnen(wofur die Separabilitat der KP|kp nicht benotigt wird), namlich nur die Abschatzungund damit auch nur die Implikationen =⇒ der obigen Aquivalenzen:

mP ≥ eK|k(P)− 1 ,

P ∈ PK verzweigt uber k =⇒ P | DK|k ,

p ∈ Pk verzweigt in K =⇒ p | dK|k .

Dennoch ist bereits dieses Resultat eine Verscharfung von Korollar (3.15): Zunachst sindauch nicht-galoissche Erweiterung zugelassen, sodann wird hinsichtlich der Verzweigungeinzelner P | p differenziert und schließlich ist wegen dK|k | dK|k(a) auch die Beschrankungder verzweigten p scharfer.

Beweis der schwachen Form: Sei eK|k(P) =: eP und D = DK|k. Dann gilt fur jedesp ∈ Pk:

P|p

mP ≥ eP − 1 ⇐⇒∏

P|p

PeP−1 | D ⇐⇒ pS · (∏

P|p

P)−1 | D

⇐⇒ S∗ = D−1 | (pS)−1 ·∏

P|p

P ⇐⇒ p−1∏

P|p

P ⊂ S∗

⇐⇒ TrK|k

(p−1

P|p

P)⊂ R ⇐⇒

p⊂kp−1 ·TrK|k

( ∏

P|p

P)⊂ R

⇐⇒ TrK|k

( ∏

P|p

P)⊂ p

Wir mussen also die letzte Inklusion (fur alle p) nachweisen. Dazu sei K eine galoisscheHulle von K|k und P bezeichne Primideale von K. Dann gilt fur p ∈ Pk:

P|p

P =⋂

P|p

P ⊂⋂

P|p

P|P

P =⋂

P|p

P .

Da die Galoisgruppe G(K|k) die Primteiler P von p in K permutiert (Proposition (3.10)),ist das letztgenannte Ideal von K invariant unter allen Galoisautomorphismen, also

TrK|k

( ∏

P|p

P)

=∑

τ∈M

τ( ∏

P|p

P)⊂

P|p

P ⊂ P0

51

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fur ein (jedes) P0|p. Da aber die Bilder der Spur TrK|k bereits in k liegen, folgt

TrK|k

( ∏

P|p

P)⊂ P0 ∩ k = p .

Die Folgerung ist dann klar, denn

P verzweigt uber k ⇐⇒ eP ≥ 2 =⇒ mP ≥ 1 ⇐⇒ P | DK|k .

Wenn auch der Zusatz mP = eP − 1 ⇐⇒ char kp 6 | eP gilt, erhalt man insbesondere

P unverzweigt uber k ⇐⇒ eP = 1 ⇐⇒ char kp 6 | eP = 1 ⇐⇒ mP = 0 ⇐⇒ P 6 | DK|k .

Den Beweis des Zusatzes werden wir in §5 im Rahmen der lokalen Theorie fuhren (sieheSatz (5.28)). Dafur wird dann die Separabilitat der Restklassenerweiterungen benotigt.

§4 Zerlegungsgesetze

Darunter versteht man Regeln (”Gesetze“), mit denen man die Zerlegung von Primidealen

in endlichen Erweiterungskorpern explizit bestimmen kann. Vor der Behandlung konkreterSpezialfalle erarbeiten wir das sehr allgemein anwendbare

a. Polynomzerlegungsgesetz von Kummer-Dedekind. Fur eine explizite Be-stimmung der Primzerlegung mussen naturlich auch die Ausgangsdaten explizit gegebensein, das bedeutet in der Regel die Vorgabe eines ganzen erzeugenden Elementes K = k(a)durch sein Minimalpolynom f = fa,k ∈ R[X ]. Allerdings ist dann a i. a. kein Erzeuger desganzen Abschlusses, vielmehr wird R[a] ein echter Unterring von S sein. Wir nennen R[a]eine Ordnung von K, wobei wir den zunachst im Zahlkorperfall eingefuhrten Begriff auchallgemein verwenden, wenn ein Unterring des betroffenen Dedekindringes (hier S) vorliegtmit K als Quotientenkorper (vgl. Ubung 5.2. a) iii/iv).

Eine wichtige Invariante fur die Abweichung zwischen R[a] und S ist im Zahlkorperfallder Index (S : R[a]), genannt Index von a in K. Im allgemeinen Fall benutzen wir densog. Fuhrer F der Ordnung R[a]:

(4.1) Definition: Sei S ein Dedekindring mit Quotientenkorper K, O ein Unterringvon S mit gleichem Quotientenkorper (eine Ordnung in S). Dann ist der Fuhrer FO vonO definiert als Transporteur

FO := [O : S] = {x ∈ K | xS ⊂ O} .

Offensichtlich ist FO das großte S-Ideal, dass in O enthalten ist.Wir merken an, dass im Zahlkorperfall der (gewohnliche) Index m := (S : O) naturlich

die Eigenschaft mS ⊂ O hat und daher mS ⊂ FO bzw. FO |mS gilt. Wir erhalten dadurcheine Abschatzung des Fuhrers, die bei konkreten Anwendungen des folgenden Satzes imZahlkorperfall nutzlich ist.

(4.2) Satz: (Polynomzerlegungsgesetz von Kummer-Dedekind) Es sei R ein Dede-kindring mit Quotientenkorper k, K = k(a) eine endlich separable Erweiterung mit gan-zem primitivem Element a und Minimalpolynom f := fa,k ∈ R[X ]. S bezeichne denganzen Abschluss von R in K.Ist p ein Primideal von k, das zum Fuhrer F der von a erzeugten Ordnung R[a] teilerfremdist, so bestimmt man die Primidealzerlegung von p in S wie folgt:

52

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Wir zerlegen das Restklassenpolynom f ∈ kp[X ] uber kp in Primpolynome

f =

r∏

i=1

pei

i mit pi ∈ R[X ] verschiedene Primpolynome .

Dann ist

pS =

r∏

i=1

Pei

i , Pi = 〈p, pi(a)〉S verschiedene Primideale in K mit f(Pi|p) = deg pi .

Beweis: Es sei k = kp = R/p. Die naturlichen Abbildungen

R[X ]→→ R[a] ↪→ S , g(X) 7→ g(a) 7→ g(a)

induzieren zunachst (wegen der Normiertheit von f = fa,k ∈ R[X ]) eine Einbettung

R[X ]/fR[X ] ∼→ R[a] ↪→ S , g(X) 7→ g(a) 7→ g(a) .

Modulo p erhalten wir sogar einen Isomorphismus

k[X ]/fk[X ] ∼→ R[a]/pR[a] ∼→ S/pS , g 7→ g(a) 7→ g(a) + pS .

Begrundung: Wegen der Teilerfremdheit gilt pS + F = S und p 6 | F ∩ R. Daher ist dieAbbildung R[a] ↪→ S →→ S/pS surjektiv, denn S = pS + F ⊂ pS + R[a]. Wegen p 6 | F ∩ Rund daher p + F ∩R = R gilt fur den Kern der Abbildung

pS∩R[a] = (p+F∩R) ·(pS∩R[a]) ⊂ p ·R[a]+F ·pS =(F/S)

pR[a]+p ·F ⊂ pR[a] ⊂ pS∩R[a] .

Also ist der Kern gerade pR[a] und daher R[a]/pR[a] ∼→ S/pS.

S/pS ' R[a]/pR[a]' A := k[X ]/〈f〉 .

Die Ideale von A entsprechen bijektiv den Oberidealen von 〈f〉 in k[X ]. Da k[X ] einHauptidealring ist, sind dies die von Teilern von f erzeugten Hauptideale. Die maximalendarunter sind die von den Primpolynomen pi erzeugten. Der Restklassengrad dieser maxi-malen Ideale ist (k[X ]/〈pi〉 : k) = deg pi. Diese maximalen Ideale 〈pi〉A / A werden durchden obigen Isomorphismus auf die 〈pi(a) + pS〉 / S/pS abgebildet. Indem man die vollenUrbilder der 〈pi〉A unter der Projektion ν : S →→ S/pS ' A wahlt, erhalt man samtlichePrimideale uber pS in S:

Pi = pS + pi(a)S (i = 1, . . . , r) .

Diese haben den Grad f(Pi|p) = (S/Pi : k) = deg pi.In A bilden die Potenzen 〈pn

i 〉A absteigende Ketten von Teilidealen mit⋂r

i=1〈pei

i 〉A =〈f〉A = (0). Dann gilt νPn

i ⊂ 〈pni 〉 und daher

r⋂

i=1

Pei

i ⊂ ν−1r⋂

i=1

〈pei

i 〉 = ν−1(0) = Ke ν = pS .

Dies bedeutetr∏

i=1

Pe(Pi|p)i = pS |

r⋂

i=1

Pei

i =

r∏

i=1

Pei

i .

53

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Daraus folgt e(Pi|p) ≤ ei. Nun gilt aber

r∑

i=1

e(Pi|p)f(Pi|p) =(3.6)

(K : k) = n = deg f = deg f =∑

i

ei deg pi =∑

i

eif(Pi|p) ,

so dass ei = e(Pi|p) folgt.

b. Quadratische Zahlkorper. In Ubung 7.3. haben Sie bereits gesehen, dass dasZerlegungsverhalten einer ungeraden Primzahl p in quadratischen Erweiterungen Q(

√D)

damit zusammenhangt, ob D im Primkorper IF p ein Quadrat ist. Wir untersuchen daherdie Quadrate in IF p.

Zuvor rekapitulieren wir einige grundlegende Fakten uber endliche Korper k.a) 1. chark = p Primzahl.

2. #k = ps ist eine Primzahlpotenz mit p = chark und s = (k : IF p) Korpergrad uberdem Primkorper IF p = ZZ/pZZ.

3. #k = q =⇒ k× = µq−1(k) = 〈ζq−1〉 ist die Gruppe aller q−1-ten Einheitswurzeln

in k und wird erzeugt von einer primitiven q − 1-ten Einheitswurzel.4. #k = q =⇒ xq = x fur alle x ∈ k.

b) 1. p = char k =⇒ (x + y)p = xp + yp fur x, y ∈ k.2. p = char k ∧ q = ps =⇒ (x 7→ xq) ist Automorphismus von k.3. In einem algebraisch abgeschlossenen Korper von Primzahlcharakteristik p gibt esfur jede Potenz q = ps genau einen Teilkorper k mit #k = q, namlich den Fixkorpervon x 7→ xq.4. Es gibt bis auf Isomorphie genau einen endlichen Korper k mit #k = q = ps,Primzahlpotenz. Notation: k = IF q.

c) 1. IF q ⊂ k =⇒ k|IF q ist galoissch und2. G(k|IFq) ist zyklisch mit ausgezeichnetem erzeugendem Automorphismus x 7→ xq.

Der Vollstandigkeit halber hier kurze Begrundungen:a) 1. Der naturliche Homomorphismus ZZ 7→ k, n 7→ n.1k hat ein endliches Bild, kann

also nicht injektiv sein, der Kern ist nZZ mit n ∈ IN . n muss eine Primzahl sein, dasonst k Nullteiler enthielte: 0k = n.1k = (p.1k) · (q.1k) mit p.1k 6= 0 6= q.1k wegen derMinimalitat von n.2. chark = p =⇒ IF p := ZZ/pZZ ↪→ k und wegen der Endlichkeit von k ist auch derGrad (k : IF p) =: s endlich. Also hat k ' (IF p)

s die Machtigkeit q = ps.3. k× ist als endliche (Untergruppe einer) Multiplikationsgruppe eines Korpers zy-klisch, ein Erzeugendes hat die Ordnung #k× = q− 1, ist also eine primitive q− 1-teEinheitswurzel in k und k× = µq−1(k).4. Nach dem Satz von Lagrange gilt xq−1 = 1 fur x ∈ k×, also xq = x. Letzteres giltgilt auch fur x = 0.

b) 1. Es ist (x+y)p =∑p

i=0

(pi

)xiyp−i = xp+yp, da fur 0 < p < i der Binomialkoeffizient

durch p teilbar ist: Es ist(pi

)=

p(p−1)...(p−i+1)1·2...i ∈ ZZ und da der Nenner nicht durch p

teilbar ist, kann sich die Primzahl p im Zahler nicht wegkurzen. Also muss auch auch(p−1)...(p−i+1)

1·2...iganz und p ein Teiler von

(pi

)sein.

2. Nach 1. ist x 7→ xp nicht nur multiplikativ, sondern auch additiv ein Homomorphis-mus, also ein Korpermonomorphismus k → k. Dann ist auch die s-fache Verkettungx 7→ xps

ein Korpermonomorphismus.3. Die Fixmenge von x 7→ xq ist wegen 2. ein Korper; er besteht aus allen x mit xq = xund ist damit in einem algebraisch abgeschlossenen Korper eindeutig bestimmt. Sei-ne Machtigkeit ist q, denn das Polynom Xq − X hat nur einfache, also insgesamt qverschiedene Wurzeln (Ableitung qXq−1 − 1 = −1).

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4. Sind k, k′ endliche Korper gleicher Machtigkeit q = ps, so haben sie die gleicheCharakteristik p, enthalten also den Primkorper IF p (bis auf Isomorphie). Als endli-che, also algebraische Erweiterungen von IF p sind sie dann auch (bis auf Isomorphie)

in der algebraisch abgeschlossenen Hulle Fp von IF p enthalten. In Fp gibt es nach 3.aber nur einen Korper der Machtigkeit #k = #k′.

c) 1. x 7→ xq ist ein Automorphismus von k und IF q ist der genaue Fixkorper (siehe 3.).Also ist die Fixmenge aller IF q-Automorphismen nicht großer als IF q , die Erweiterungk|IF q daher galoissch.2. Zugleich zeigt die Uberlegung zu 1., dass die Galoisgruppe G(k|IFq) und die zy-klische Untergruppe 〈x 7→ xq〉 denselben Fixkorper, namlich IF q haben. Dann folgtaber aus dem Hauptsatz der Galoistheorie die Gleichheit G(k|IFq) = 〈x 7→ xq〉, dieGaloisgruppe ist zyklisch, erzeugt von x 7→ xq.

Wir kommen zuruck zu den Quadraten im Primkorper IF p (p 6= 2).Offenbar ist die Quadrierungsabbildung

IF×p →→ (IF×

p )2 , x 7→ x2

ein Epimorphismus und hat den Kern {±1} von der Ordnung 2 (fur p 6= 2). Also bildendie Quadrate eine Untergruppe von der Ordnung p−1

2, d. h. vom Index 2. Damit ist die

Faktorgruppe IF×p /(IF×

p )2 ∼→ {±1} von der Ordnung 2. Der dadurch bestimmte Epimor-

phismus χ : IF×p → {±1} mit Kern (IF×

p )2 ist im wesentlichen nichts anderes als das sog.Legendre-Symbol, das explizit fur beliebige a ∈ ZZ wie folgt definiert wird:

(4.3) Definition: Ist p 6= 2 eine ungerade Primzahl und a eine ganze Zahl, so definiertman das Legendre-Symbol

(a

p

):=

0 fur p | a,+1 fur p 6 | a, a mod p ist ein Quadrat in IF p,−1 fur p 6 | a, a mod p ist kein Quadrat in IF p.

(4.4) Bemerkung: (Eigenschaften des Legendre-Symbols)Ist p 6= 2 eine ungerade Primzahl und sind a, b ganze Zahlen, so gilt:

a ≡ b mod p =⇒(

a

p

)=

(b

p

),

p 6 | a =⇒(

a2

p

)= 1 ,

(ab

p

)=

(a

p

) (b

p

),

Eulersche Formel:

(a

p

)= a

p−1

2 mod p ,

Beweis: Im Falle p | a sind die entsprechenden Legendresymbole 0 und die Aussagen

wahr. Fur p 6 | a ist(

ap

)= χ(a mod p) und damit sind die ersten drei Aussagen klar. Fur

die Eulersche Formel beachte man, dass IF×p die Ordnung p− 1 hat. Also ist das Quadrat

der rechten Seite gleich 1 in IF p und ap−1

2 kann daher nur die Werte ±1 annehmen. Dahergilt fur a = a mod p:

a ∈ (IF×p )2 =⇒ a = x2 =⇒ a

p−1

2 = xp−1 = 1 =

(a

p

)

55

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Da es in einem Korper hochstens p−12

Elemente mit ap−1

2 = 1 geben kann (Polynom

Xp−1

2 − 1 hat Grad p−12

), mussen alle anderen den Wert −1 haben, also

a 6∈ (IF×p )2 =⇒ a

p−1

2 = −1 =

(a

p

)

Dies beweist insgesamt die Eulersche Formel.

Nach diesen Vorbereitungen konnen wir das Zerlegungsgesetz fur quadratische Zahl-korper kompakt formulieren:

(4.5) Satz: (Primzerlegung in quadratischen Zahlkorpern) Sei D 6= 0, 1 eine qua-dratfreie ganze Zahl und K = Q(

√D) der dadurch erzeugte quadratische Zahlkorper. Es

sei dK die Diskriminante von K, also

dK =

{D falls D ≡ 1 mod 4,4D falls D ≡ 2, 3 mod 4.

Dann gilt fur Primzahlen p 6= 2:

pZK =

P1P2 voll zerlegt ⇐⇒(

dKp

)= +1 ⇐⇒

(Dp

)= +1,

P trage ⇐⇒(

dKp

)= −1 ⇐⇒

(Dp

)= −1,

und fur p = 2:

2ZK =

{P1P2 voll zerlegt ⇐⇒ dK ≡ 1 mod 8 ⇐⇒ D ≡ 1 mod 8,P trage ⇐⇒ dK ≡ 5 mod 8 ⇐⇒ D ≡ 5 mod 8.

Fur alle Primzahlen p gilt:

pZK = P2 verzweigt ⇐⇒ p | dK

Beweis: Die Berechnung von dK aus D ist aus den Ubungen bekannt. Daraus ergibtsich auch sofort die Aquivalenz der genannten Bedingungen fur dK und D: Da D und

dK sich allenfalls um ein Quadrat unterscheiden, ist fur p 6= 2(

Dp

)=

(dKp

). Und

die genannten Kongruenzen modulo 8 sind ebenfalls aquivalent, denn jede Bedingungimpliziert dK ≡ 1 mod 4 bzw. D ≡ 1 mod 4 und daher dK = D.

Die Kernaussagen des quadratischen Zerlegungsgesetzes ergeben sich aus dem Poly-nomzerlegungsgesetz. Wir wissen bereits, dass ZZ [

√D] in S = ZK hochstens den Index

m = 2 hat. Also ist der Fuhrer F der Ordnung ZZ[√

D] ein Teiler von mS und daher

p 6 |m ⇐⇒ pS teilerfremd zu mS =⇒ pS teilerfremd zu F | mS .

Damit ist das Polynomzerlegungsgesetz (4.2) auf alle Primzahlen p 6 | (ZK : ZZ[√

D]) | 2,also p 6= 2, anwendbar und die Primidealzerlegung von p 6= 2 gegeben durch die Primpo-lynomzerlegung von

X2 − D ∈ IF p[X ] : X2 − D =

X2 fur p | D,

(X − α)(X + α) fur(

Dp

)= 1, α2 = D,

X2 −D fur(

Dp

)= −1.

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Wegen p 6= 2 ist α 6= −α und wir erhalten daher aus dem Polynomzerlegungsgesetz diebehaupteten Primzerlegungen von pZZ fur p 6= 2.Im Falle D 6≡ 1 mod 4 haben wir ZK = ZZ[

√D] und damit ist das Polynomzerlegungsgesetz

dann auch fur p = 2 anwendbar. Aber fur p = 2 gilt

IF 2[X ] 3 X2 − D =

{X2 fur D gerade,X2 − 1 = (X − 1)2 fur D ungerade,

= g(X)2 .

Also ist 2ZZ verzweigt fur D 6≡ 1 mod 4, d. h. fur 2 | dK = 4D.Damit bleibt nur noch der Fall p = 2 bei D ≡ 1 mod 4 zu untersuchen. In dem Falle

ist ZK = ZZ[β] mit β = 12(1 +

√D). Wegen

√D = 2β − 1 ist β Wurzel des quadratischen

Polynoms (2X − 1)2 −D = 4X2 − 4X + 1−D und daher

fβ,Q = X2 −X +1−D

4= X2 −X + C , C :=

1−D

4∈ ZZ .

Wir untersuchen nun die Primzerlegung von X2 −X + C ∈ IF 2[X ]. Es gilt

X2 −X + C =

{X(X − 1) fur C ≡ 0 mod 2 ⇐⇒ D ≡ 1 mod 8,X2 −X + 1 fur C ≡ 1 mod 2 ⇐⇒ D ≡ 5 mod 8.

(Das Polynom X2 − X + 1 hat keine Wurzel in IF 2, ist also irreduzibel.) Damit erhaltman wieder aus dem Polynomzerlegungsgesetz die behauptete Primzerlegung der 2 in denFallen D ≡ 1 mod 4.

c. Einheitswurzelkorper. Es seien n ∈ IN , k ein Korper, k der algebraische Ab-schluss von k. Wir verwenden folgendeNotationen:

µn(k) := {ζ ∈ k | ζn = 1} Gruppe der n-ten Einheitswurzelnζ primitive n-te Einheitswurzel :⇐⇒ ord ζ = nζn stehe im Folgenden fur primitive n-te EinheitswurzelnP(n) := {k ∈ ZZ/nZZ | k teilerfremd zu n} prime Restklassengruppeϕ(n) := #P(n) Eulersche Funktion

Wir rekapitulieren einige grundlegende Fakten uber Einheitswurzeln in beliebigen Kor-pern:a) 1. µn(k) ist endliche Untergruppe von k×, daher zyklisch und #µn(k) | n.

2. #µn(k) = n ⇐⇒ Xn − 1 ∈ k[X ] separabel ⇐⇒ char k 6 | n3. chark = p Primzahl =⇒ µmpν (k) = µm(k)

b) 1. ord ζn = n =⇒ ord ζin = n

ggT(i,n)

2. ζin primitive n-te Einheitswurzel ⇐⇒ i ∈ P(n)

3. d | n =⇒ ζdn = ζn/d

4. n, m teilerfremd =⇒ ζnm = ζnζm.c) 1. ϕ(pν) = pν − pν−1 = (p− 1)pν−1.

2. P(n) = (ZZ/nZZ)×

3. ϕ(mn) = ϕ(m)ϕ(n) fur teilerfremde n, m.4. v = kgV(n, m) , d = ggT(n, m) =⇒ ϕ(n)ϕ(m) = ϕ(d)ϕ(v).

d) 1. chark 6 | n =⇒ k(ζn)|k galoissch mit abelscher Galoisgruppe G(k(ζn)|k) ↪→ P(n):

G(k(ζn)|k) ↪→ Aut(〈ζn〉) ' P(n) , σ 7→ σ |〈ζn〉 7→ i ⇐⇒ σζn = ζin .

2. Ist H ⊆ P(n) das Bild der Galoisgruppe in P(n), so ist das Minimalolynom

fζn,k =∏

i∈H

(X − ζin) .

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Der Vollstandigkeit halber hier kurze Begrundungen:a) 1. µn(k) ist die Menge der Wurzeln von Xn− 1, also endlich. Endliche Untergruppen

in Multiplikationsgruppen von Korpern sind zyklisch. Ist ζ ein Erzeugendes, so gilt#µn(k) = ord ζ | n (Satz von Lagrange).2. µn(k) = n = deg(Xn−1) ⇐⇒ Xn−1 hat keine mehrfachen Wurzeln ⇐⇒ Xn−1ist separabel ⇐⇒ Xn − 1 , (Xn − 1)′ = nXn−1 haben keine gemeinsamen Wurzeln.ζ gemeinsame Wurzel beider Polynome ⇐⇒ ζn = 1 ∧ nζn−1 = 0 =⇒ n = 0 ∈k ⇐⇒ chark | n.3. chark = p =⇒ Xp − 1 = (X − 1)p =⇒ Xmpν − 1 = (Xm − 1)pν

, alsoζmpν

= 1 ⇐⇒ ζm = 1.b) 1. Sei d := ggT(i, n). 1 = (ζi

n)l = ζiln ⇐⇒ n = ord ζn | il ⇐⇒ d· n

d| d· i

d·l ⇐⇒ n

d| l,

da nd

, id

teilerfremd sind.2. ζi

n primitive n-te Einheitswurzel ⇐⇒ n = ord ζin = n

ggT(i,n) ⇐⇒ 1 =

ggT(i, n) ⇐⇒ i ∈ P(n).3. aus 1., weil d = ggT(d, n).4. 1 = αm+βn =⇒ ζmn = (ζm

mn)α(ζnmn)β =

3.ζαn ζβ

m. Wegen 1 = αm+βn ist α zu n und

β zu m teilerfremd, also sind ζαn bzw. ζβ

m primitive n-te bzw. m-te Einheitswurzeln.c) 1. ϕ(pν) = #{i ∈ ZZ/pνZZ | p 6 | i} = pν −#{i mod pν | p | i} = pν − pν−1.

2. i ∈ P(n) ⇐⇒ ggT(i, n) = 1 ⇐⇒ 1 = αi + βn ⇐⇒ 1 ≡ αi mod n ⇐⇒ i ∈(ZZ/nZZ)×.3. Chinesischer Restsatz: (ZZ/mnZZ)× ' (ZZ/mZZ)× × (ZZ/nZZ)×.4. Da ϕ multiplikativ ist, kann man die Behauptung ϕ(v)ϕ(d) = ϕ(m)ϕ(n) nach deneinzelnen Primzahlpotenzen in der Primzerlegung der Zahlen aufspalten (schreibenSie es explizit auf). Damit konnen wir von m = pi, n = pj ausgehen. In dem Falle istdann v = m und d = n oder umgekehrt. In jedem Falle aber ϕ(m)ϕ(n) = ϕ(v)ϕ(d).

d) 1. chark 6 | n =⇒ #µn(k) = n =⇒ es gibt eine primitive n-te Einheitswurzel ink und Xn − 1 ist separabel. Damit ist k(ζn) = k(µn(k)) der Zerfallungskorper vonXn − 1, also normal und separabel, somit galoissch.σ ∈ G := G(k(ζn)|k) permutiert die Wurzeln von Xn − 1, also σ |µn

∈ Aut(µn) und

σζn = ζin ist primitive n-te Einheitswurzel, also i ∈ P(n).

2. Die Wurzeln von fζn,k sind die Konjugierten σζn = ζin mit G 3 σ 7→ i ∈ H ⊂ P(n).

Diese Resultate uber beliebigen Korpern werden erganzt durch die folgenden fur denGrundkorper k = Q gultigen Fakten.

e) Das Minimalpolynom einer primitiven n-ten Einheitswurzel ζn uber Q ist das sog.Kreisteilungspolynom

Φn(X) =∏

ord ζ=n

(X − ζ) =∏

i∈P(n)

(X − ζin) .

Also sind uber Q alle primitiven Einheitswurzeln konjugiert zueinander.f) Q(ζn)|Q ist galoissch und die Galoisgruppe ist die (abelsche) Gruppe der primen

Restklassen modulo n:

G(K|Q) ∼→ Aut(µn) ∼→ P(n) := {i mod n | ggT(i, n) = 1}σ 7→ σ |µn

7→ i mod n ⇐⇒ σζn = ζin .

g) Der Korpergrad ist gegeben durch die Eulersche ϕ-Funktion: (Q(ζn) : Q) = ϕ(n).h) Fur beliebige m, n ∈ IN sei v = kgV(m, n) und d = ggT(m, n). Dann gilt

1. Q(ζm)Q(ζn) = Q(ζv) , 2. Q(ζm)∩ Q(ζn) = Q(ζd) .

58

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Der Vollstandigkeit halber auch hier der Beweis. Die zentrale Aussage ist e); f) und g)folgen unmittelbar daraus.e) Man zeigt dafur: Ist ζ eine Wurzel des Minimalpolynoms f := fζn,Q , so ist fur p 6 | nauch ζp eine Wurzel von f . Wir nehmen an f(ζp) 6= 0. Da ζn Wurzel von Xn − 1 ist, istf ein Teiler: Xn − 1 = f · g. Da Xn − 1 und f ganzzahlig und normiert sind, ist auch gganzzahlig und normiert (Poylnomdivisionsverfahren!). Dann gilt:

f(ζp) 6= 0 =⇒ g(ζp) = 0

=⇒ ζ ist Wurzel von g(Xp)

=⇒ f | g(Xp)

=⇒ g(Xp) = fh

mit wiederum normiertem ganzzahligem h (Argument wie oben).Wir konnen in der Gleichung g(Xp) = fh also die Koeffizienten modulo p reduzieren

und erhalten uber IF p die Polynomgleichung

g(Xp) = f h .

In einem Korper der Charakteristik p gilt (x + y)p = xp + yp und in IF p gilt außerdemxp = x, so dass insgesamt folgt:

(g(X))p =( ∑

i

aiXi)p

=∑

i

api X

pi =(ai∈IF p)

i

aiXpi = g(Xp)

Wir erhalten so gp = f · h und folglich ist jeder Primteiler q von f auch ein Primteiler vong. Dann gilt aber

q2 | g · f = Xn − 1

und Xn − 1 ∈ IF p[X ] ware inseparabel. Wegen p 6 | n ist dies aber nicht der Fall. Damit istdie Annahme f(ζp) 6= 0 zum Widerspruch gefuhrt.

h) 1. ζv/mv = ζm und ζ

v/nv = ζn zeigt “⊆’.

Umgekehrt d = αm+βn =⇒ 1 = αmd +β n

d =⇒ ζv = (ζm/dv )α · (ζn/d

v )β = ζαvd/m ·ζ

βvd/n =

ζαn ζβ

m und daher “⊇”.2. Wir schreiben fur jedes n ∈ IN abkurzend Qn = Q(ζn). Es gilt nach 1. QnQm = Qv

und wegen ζd = ζm/dm = ζ

n/dn offenbar Qd ⊂ Qm ∩Qn. Wir erhalten folgendes Korperdia-

gramm:

wobei wir zeigen wollen, dass in Wahrheit Qm ∩Qn = Qd ist. Qv ist abelsch uber Q, alsosind alle Zwischenkorper galoissch und es gilt (Verschiebungssatz der Galoistheorie)

(Qm : Qm ∩ Qn) = (QmQn : Qn) = (Qv : Qn) =ϕ(v)

ϕ(n)

=⇒ (Qv : Qm ∩ Qn) = (Qv : Qm)(Qm : Qm ∩Qn) =ϕ(v)

ϕ(m)· ϕ(v)

ϕ(n).

59

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Andererseits gilt naturlich

(Qv : Qd) =ϕ(v)

ϕ(d).

Der Vergleich der beiden obigen Resultate liefert (wegen ϕ(v)ϕ(d) = ϕ(m)ϕ(n))

(Qv : Qd) = (Qv : Qm ∩ Qn) ⇐⇒ Qd = Qm ∩ Qn .

(4.6) Lemma: Sei n = lν eine Primzahlpotenz, K = Q(ζn) der lν-te Einheitswur-zelkorper mit einer primitiven lν-ten Einheitswurzel ζ := ζlν und d = ϕ(lν) = (K : Q) derKorpergrad. Dann gilt:a) Das lν-te Kreisteilungspolynom ist

Φlν =X lν − 1

X lν−1 − 1=

l−1∑

i=0

X i·lν−1

.

b) Die Basis 1, ζ, . . . , ζϕ(n)−1 von K hat die Diskriminante dK|Q (ζ) = ±ls mit s =lν−1(νl − ν − 1).c) Sind ζ, ζ ′ zwei verschiedene primitive lν-te Einheitswurzeln, so gilt:

ε =1− ζ ′

1− ζist Einheit in ZK , eine sog. zyklotomische Einheit von K .

d) Es gilt lZK = (1 − ζ)dZK mit d = ϕ(lν) = (K : Q) und dem Prim(haupt)ideall = (1− ζ)ZK von K: l ist rein-verzweigt in K.

Beweis: a) ζ ist eine primitive lν -Einheitswurzel ⇐⇒ ζlν = 1 ∧ ζlν−1 6= 1, d. h. ζist Wurzel von

X lν − 1

X lν−1 − 1=

l−1∑

i=0

X i·lν−1

= Φ(X) .

b) Die Diskriminante dK|Q (ζ) ist die Norm der Differente von δK|Q (ζ) = f ′ζ,Q (ζ) = Φ′(ζ).

Nun gilt

X lν − 1 = Φ(X) · (X lν−1 − 1) =⇒ lνX lν−1 = Φ′(X) · (X lν−1 − 1) + Φ(X) · lν−1 ·X lν−1−1

und nach Einsetzen von ζ:

lνζlν−1 = Φ′(ζ) · (ζlν−1 − 1) ⇐⇒ δK|Q (ζ) = Φ′(ζ) =lνζ−1

ζl − 1

mit der primitiven l-ten Einheitswurzel ζlν−1

=: ζl. Wir berechnen die Norm. Fur denZahler erhalten wir NK|Q (ζ−1) = ±1 und daher NK|Q (lνζ−1) = ±lν(K:Q ).Die Norm des Nenners berechnen wir in zwei Schritten. Da ζl uber Q das MinimalpolynomΦl(X) =

∑l−1i=0 X i hat, hat ζl − 1 das Minimalpolynom g(X) := Φl(X + 1) und daher gilt

NQ(ζl)|Q (ζl − 1) = ±g(0) = ±Φl(1) = ±l .

Dies ergibt dann

NK|Q (ζl − 1) = NQ (ζl)|QNK|Q(ζl)(ζl − 1) = NQ(ζl)|Q (ζl − 1)(K:Q(ζl)) = ±l(K:Q (ζl)) .

60

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und dann

dK|Q (ζ) = NK|Q (Φ′(ζ)) =NK|Q (lνζ−1)

NK|Q (ζl − 1)=±lν(K:Q )

±l(K:Q (ζl))=: ±ls

wobei s = ν(K : Q)− (K : Q(ζl)) = ν(l− 1)lν−1− lν−1 = lν−1(νl− ν − 1) wie behauptet.c) Es genugt zu zeigen, dass ε ganz ist, denn das Inverse ist von gleicher Bauart und daherdann auch ganz. Da ζ und ζ ′ primitive lν-te Einheitswurzeln sind, existiert ein i prim zul mit ζ ′ = ζi und daher

ε =1− ζi

1− ζ=

i−1∑

j=0

ζj ∈ ZK .

d) Setzt man inl−1∑

j=0

Xj·lν−1

= Φlν (X) =∏

l6 | i

(X − ζi)

X = 1, so erhalt man

l =∏

l6 | i

(1− ζi) =∏

l6 | i

(εi(1− ζ)

)= ε′ · (1− ζ)d

mit Einheiten εi, ε′ ∈ UK . Also folgt wie behauptet lZK = (1−ζ)dZK . Da d der Korpergrad

ist, muss nach Satz (3.6) diese Darstellung die Primidealzerlegung von lZK sein, also istdas Hauptideal l = (1 − ζ)ZK das (einzige) Primideal uber l und l daher rein-verzweigtim lν-ten Einheitswurzelkorper K.

(4.7) Satz: Es gilt fur alle naturlichen Zahlen n:

ZZ[ζn] ist der Ganzheitsring von Q(ζn)

und die Primteiler der Diskriminante dQ(ζn) sind genau die Primteiler von n:

p | dQ(ζn) ⇐⇒ p | n .

Beweis: Wir beweisen dies zunachst fur Primzahlpotenzen n = lν . Sei ζ = ζn = ζlν .Mit der Diskriminante d := ±ls der Ordnung ZZ[ζ] gilt

(∗) ls · ZK ⊂ ZZ[ζ] ⊂ ZK .

λ = 1 − ζ erzeugt nach Lemma (4.6) den einzigen Primteiler l von l in K und wegeneK|Q (l) = (K : Q) muss fK|Q (l) = 1 sein und damit

ZK/λZK = ZK/l ' ZZ/lZZ .

Daraus folgtZK = λZK + ZZ =⇒ ZK = λZK + ZZ[ζ] .

Durch Multiplikation mit λ folgt induktiv

λtZK + ZZ[ζ] = ZK fur alle t ≥ 1 .

Wahlt man t = sd so folgt aus (∗) und Lemma (4.6) d)

ZK = λdsZK + ZZ[ζ] = lsZK + ZZ[ζ] = ZZ[ζ] .

61

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Die Diskriminante von K ist daher die Diskriminante der Ordnung ZZ[ζn] (n = lν), alsonach Lemma (4.6) eine Potenz von l, womit auch der Zusatz bewiesen ist.

Fur die Ausweitung auf alle Einheitswurzelkorper benotigen wir das folgende(4.8) Lemma: Es sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k und K|k bzw.

K ′|k galoissche Erweiterungen vom Grade n bzw. n′. Es seien w1, . . . , wn bzw. w′1, . . . , w

′n′

Ganzheitsbasen von K bzw. K ′, d. h. R-Basen der ganzen Abschlusse S bzw. S ′ von R inK bzw. K ′. Dann gilt:Sind die Diskriminanten d, d′ ∈ R beider Basen teilerfremd und ist K ∩ K ′ = k, so hatKK ′ die Ganzheitsbasis wiw

′j (1 ≤ i ≤ n, 1 ≤ j ≤ n′) und ihre Diskriminante ist dn′

d′n.

Beweis: KK ′|k ist galoissch und wegen K ∩K ′ = k gilt

G(KK ′|K ′) ∼→ G(K|k) sowie G(KK ′|K) ∼→ G(K ′|k) ,

wobei die Isomorphismen durch die jeweilige Restriktion auf K bzw. K ′ gegeben sind. Esfolgt insbesondere (KK ′ : k) = (K : k)(K ′k), so dass die Produkte (wiw

′j) nicht nur ein

k-Erzeugendensystem, sondern wegen der korrekten Anzahl nn′ = (KK ′ : k) eine k-Basisvon KK ′ bilden (die beiden Korper sind linear-disjunkt uber k).

Sei nun a =∑

ij αijwiw′j ∈ KK ′ mit αij ∈ k. Zu zeigen:

a ganz uber R =⇒ αij ∈ R.

Sei also a ganz uber R und wir setzen {σ1, . . . , σn} = G(KK ′|K ′) ∼→ G(K|k). Dann gilt

a =∑

ij

αijwiw′j =

i

(∑

j

αijw′j)wi =:

i

b′iwi

=⇒ σr(a) =∑

i

b′iσr(wi) (k = 1, . . . , n) (wegen b′i ∈ K ′ , σr |K′ = idK′ )

=⇒

σ1(a)...

σn(a)

=

(σr(wi)

)r,i

b′1...b′n

=: T ·

b′1...b′n

.

Da die σr(a) und die Komponenten σr(wi) von T ganz uber R sind, lassen sich nach derCramerschen Regel die b′r darstellen als

b′r =1

det T· det Tr mit detT, detTr ganz uber R,

also

detT · b′r ganz uber R.

Nun ist (det T )2 = det(σr(wi)

)2= d die Diskriminante der Ganzheitsbasis (wi), so dass

schließlich folgt

d · b′i =∑

j

dαijw′j ganz uber R .

Da w′j eine Ganzheitsbasis von K ′ ist, erhalten wir dαij ∈ R fur alle i, j. Wegen der

Symmetrie der Voraussetzung gilt dann auch: d′αij ∈ R. Nun sind d, d′ coprim in R, also1 = cd + c′d′ mit c, c′ ∈ R. Dann folgt aber

αij = c · dαij + c′ · d′αij ∈ R.

62

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Zusatz: Wir berechnen die Diskriminante von KK ′, also von wiw′j . Es sei wie oben

{σ1, . . . , σn} = G(KK ′|K ′) ∼→ G(K|k) und entsprechend {σ′1, . . . , σ

′n′} = G(KK ′|K) ∼→

G(K ′|k). Dann gilt

{σrσ′s | 1 ≤ r ≤ n , 1 ≤ s ≤ n′} = G(KK ′|k) ' G(K|k)× G(K ′|k)

und daher (wegen σr |K′ = idK′ , σ′s |K = idK und σ′

s(K′) = K ′)

σrσ′s(wiw

′j)) = σr ◦ σ′

s(wiw′j) = σr(wi · σ′

s(w′j)) = σ′

s(w′j) · σr(wi) .

Nun zerfallt die nn′ × nn′-Matrix M :=(σ′

s(w′j) · σr(wi)

)(r,s),(i,j)

in n × n Blocke von

n′ × n′-Matrizen der Form

Bri =(σr(wi) · σ′

s(w′j)

)sj

= σr(wi) ·(σ′

s(w′j)

)sj

=: σr(wi) · C ′ (1 ≤ r, i≤ n) .

Insgesamt ergibt dies die folgende n × n-Matrix von n′ × n′-Matrizen (mit der n′ × n′-Einheitsmatrix E)

M =(σr(wi) · C ′

)ri

=

σ1(w1)E . . . σ1(wn)E...

...σn(w1)E . . . σn(wn)E

·

C ′ . . . 0. . .

0 . . . C ′

n,n

. =: M1M2

Nun gilt (det M2)2 = (det C ′)2n = dn

K′ . Der erste Faktor lasst sich durch Umsortieren ineine n′ × n′-Matrix von n× n-Matrizen umstellen:

M1 =(σr(wi)δsj

)=

((σr(wi)δsj

)ri

)sj

=:(δsjC

)sj

=

C . . . 0. . .

0 . . . C

n′,n′

,

so dass man analog erhalt

(det M1)2 = (detC)2n′

= dn′

K .

Insgesamt ergibt sich die Behauptung dKK′ = (detM)2 = (detM1)2(detM2)

2 = dn′

K ·dnK′ .

Beweis von (4.7) (Fortsetzung): Sei nun n ∈ IN beliebig und n = lν1

1 · . . . · lνrr die

Primzerlegung von n. Wir fuhren Induktion uber r; der Induktionsanfang r = 1 wurdesoeben bewiesen. Wir spalten den letzten Faktor ab und schreiben n = m·lνr

r =: m·q. Dannsind m, q teilerfremd, also die Korper Q(ζm) und Q(ζq) galoissch mit trivialem Schnitt,denn es gilt fur teilerfremde Zahlen m, q (siehe h) 1./2, S. 58)

a) Q(ζm)Q(ζq) = Q(ζmq) , b) Q(ζm) ∩Q(ζq) = Q .

Nach Lemma (4.7) ist die Diskriminante von Q(ζq) eine lr-Potenz, wahrend nach Induk-tionsvoraussetzung die Diskriminante von Q(ζm) nur durch Primteiler von m, also nichtdurch lr teilbar ist. Damit sind die Diskriminanten dieser Korper teilerfremd und wirkonnen Lemma (4.8) anwenden: Q(ζn) hat als Ganzheitsbasis Produkte aus m-ten undq-ten Einheitswurzeln:

(ζim · ζj

q | 0 ≤ i < (Q(ζm) : Q) , 0 ≤ j < (Q(ζq) : Q))

.

63

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Da jedes dieser Basiselemente eine n-te Einheitswurzel, also eine Potenz von ζn ist, enthaltZZ [ζn] eine Ganzheitsbasis von K = Q(ζn) und ist folglich der Ganzheitsring von K.Die Diskriminante von Q(ζn) ist gemaß Lemma (4.8) Potenzprodukt der Diskriminantenvon Q(ζm) und Q(ζq), die nach Induktionsvoraussetzung nur Primteiler von m bzw. vonq enthalten, also p | dK ⇐⇒ p |m ∨ p | q ⇐⇒ p | n = mq.

Aufgrund von Satz (4.7) ist das Polynomzerlegungsgesetz uneingeschrankt fur Q(ζn)nutzbar (keine Ausnahmeprimideale) und wir erhalten: Die Primzerlegung von Primzahlenp in Einheitswurzelkorpern entspricht fur alle p genau der Zerlegung des Kreisteilungspo-lynoms Φn in Primpolynome uber IF p. Dies fuhrt zum folgenden

(4.9) Satz: (Zerlegungsgesetz fur Einheitswurzelkorper) Es sei n ∈ IN und K =Q(ζn) der n-te Einheitswurzelkorper.a) Fur eine Primzahl p sei n = pν ·m mit p 6 | m, ν ≥ 0 und wir setzen

fp := ord(p mod m) := min{f ∈ IN | pf ≡ 1 mod m}

Dann zerfallt p in ZK in lauter Primideale pi mit dem Restklassengrad fp und dem Ver-zweigungsindex ep = ϕ(pν):

pZZ[ζn] = (p1 · . . . · pr)ϕ(pν) , f(pi|p) = fp , e(pi|p) = ϕ(pν) , r =

ϕ(m)

fp.

b) p unverzweigt in K = Q(ζn) ⇐⇒ p 6 | n ∨ (p = 2 | n , 4 6 | n).

Beweis: a) Ist Φ := Φn(X) ∈ ZZ[X ] das n-te Kreisteilungspolynom, so mussen wirzeigen, dass uber IF p die Primpolynomzerlegung die folgende Gestalt hat:

Φ(X) ≡ (p1(X) · . . . · pr(X))ϕ(pν) mod p , deg pi = fp .

Wegen der Teilerfremdheit von pν und m gilt 1 = αpν + βm und daher

ζn = (ζpν

n )α · (ζmn )β = ζα

mζβpν .

Wegen 1 = αpν + βm gilt auch ggT(α, m) = 1 = ggT(β, pν), so dass ζαm eine primitive

m-te und ζβpν eine primitive pν -te Einheitswurzel ist. Also ist jede primitive n-te Einheits-

wurzel als Produkt einer primitiven m-ten und einer primitiven pν -ten Einheitswurzeldarstellbar. Durchlaufen ζi bzw. ξj bzw. ηk die primitiven n-ten bzw. m-ten bzw. pν -tenEinheitswurzeln, so gilt

Φn(X) =∏

ζi

(X − ζi) =∏

ξj,ηk

(X − ξjηk)

Wegen Xpν − 1 = (X − 1)pν

mod p gilt fur jedes Primideal p|p in K: ηk ≡ 1 mod p unddaher

Φn(X) =∏

ξj,ηk

(X − ξjηk) ≡∏

ξj

(X − ξj)ϕ(pν) = Φm(X)ϕ(pν) mod p .

Da Φn und Φm ganzzahlige Polynome sind, gilt die letzte Kongruenz modulo p∩ZZ = pZZ:

Φn(X) ≡ Φm(X)ϕ(pν) mod p .

Damit ist Satz (4.9) auf den Fall n = m, p 6 |m zuruckgefuhrt.

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Sei p|p ein Primteiler von p in K = Q(ζm) = Q(µm), µm die Gruppe aller m-tenEinheitswurzeln. Dann gilt

ZK/p = ZZ[µm]/p ∼→ IF p[µm] = Kp .

Das Polynom Xm − 1 zerfallt uber Kp in Linearfaktoren. Wegen char K = p 6 | m ist esseparabel und alle Wurzeln verschieden, so dass #µm = m und die Abbildung µm

∼→ µm

ein Isomorphismus ist, insbesondere ist die Restklasse ζm einer primitiven m-ten Einheits-wurzel ζm selbst eine primitive m-te Einheitswurzel in Kp und erzeugt Kp:

Kp = IF p[µm] = IF p[ζm] , m = ord(ζm) .

Da (Kp)× zyklisch ist, gibt es in Kp genau dann eine primitive m-te Einheitswurzel, also

ein Element der Ordnung m, wenn m | #(Kp)× = pf(p|p) − 1 gilt. Also ist Kp = IF p[ζm]

der kleinste endliche Korper IF pf , in dem es ein Element der (multiplikativen) Ordnungm gibt:

f(p|p) = (Kp : IF p) = min{f | m teilt pf − 1} = min{f | pf ≡ 1 mod m} = fp .

Kp wird also von jeder primitiven m-ten Einheitswurzel uber IF p erzeugt: Kp = IF p[ζ].Aber anders als uber Q sind diese nicht alle uber dem Grundkorper IF p konjugiert;das Minimalpolynom einer primitiven m-ten Einheitswurzel ζ uber IF p hat den Graddeg fζ,IFp

= (IF p(ζ) : IF p) = (Kp : IF p) = fp. Die ϕ(m) vielen primitiven m-ten Einheits-wurzeln uber IF p zerfallen in Gruppen von je fp konjugierten mit demselben Minimalpo-

lynom fζ,IFpuber IF p. Die Anzahl dieser Gruppen ist dann r =

ϕ(m)fp

. (Dies zeigt auch,

dass fp ein Teiler von ϕ(m) sein muss.)Das reduzierte Kreisteilungspolynom Φm(X) ∈ IF p[X ] hat genau samtliche primitiven

m-ten Einheitswurzeln von Kp = IF pf als Wurzeln, ist also das Produkt der verschiedenenMinimalpolynome primitiver m-ter Einheitswurzeln uber IF p:

Φm(X) =∏

ord ζ=m

(X − ζ) =

r∏

i=1

pi(X) mit deg pi(X) = (IF p[ζ] : IF p) = fp .

Insgesamt erhalten wir uber IF p die Primpolynomzerlegung

Φn(X) = Φm(X)ϕ(pν) , Φm(X) =

r∏

i=1

pi(X) mit deg pi(X) = fp , r =ϕ(m)

fp.

ad b):1 = ep = ϕ(pν) ⇐⇒ ν = 0 ∨ 1 = (p− 1)pν−1

⇐⇒ ν = 0 ∨ (p = 2 ∧ ν = 1)

⇐⇒ ν = 0 ∨ pν = 2

Nachtrag: Wir haben in Lemma (4.6) das Vorzeichen der Diskriminante nicht be-stimmt, obwohl man dies bei genauerer Buchfuhrung leicht erhalten konnte. Dies hattesich aber nicht gelohnt, da das Vorzeichen einerseits fur die darauf folgenden Uberlegungennicht von Bedeutung war und man andererseits das Vorzeichen der Diskriminante ganzallgemein bestimmen kann. Der Vollstandigkeit halber hier daher die folgende Proposition,in die noch eine weitere allgemeingultige Eigenschaft von Diskriminanten aufgenommenwurde.

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(4.10) Proposition: Sei K ein algebraischer Zahlkorper und dK seine Diskriminante.Dann gilt:a) Das Vorzeichen der Diskriminante ist (−1)s, wobei s die Anzahl der Paare konjugiertkomplexer Einbettungen von K in C ist.b) Die Diskriminante ist kongruent 0 oder 1 modulo 4.

Beweis: a) Es ist dK = det(σiwj

)2mit einer Ganzheitsbasis wj und den verschiedenen

Einbettungen σi : K ↪→ C . Also ist c := det(σiwj) ∈ C mit rationalem, insbesondere alsoreellem Quadrat c2 = dK. Daher gilt

dK > 0 ⇐⇒ c = ±√

dK reell ⇐⇒ c = c , und

dK < 0 ⇐⇒ c = ±√

dK = ±i√|dK| rein imaginar ⇐⇒ c = −c .

wo z 7→ z die komplexe Konjugation von C bezeichnet. Wir bestimmen daher

c = det(σi(wj)) = det(σi(wj)

)= det

(σi(wj)

)

Der Ubergang von σi zu σi bedeutet in der Matrix eine Permutation der Zeilen, undzwar fur die r reellen σi keine Anderung und fur jedes der s Paare konjugiert komplexerEinbettungen σi, σi einen Zeilentausch, insgesamt also andert sich die Determinante umden Faktor (−1)s. Das bedeutet:

c = (−1)sc ,

also ist c fur gerades s reell und dK > 0 und fur ungerades s ist c rein imaginar unddK < 0.b) Auch dies beruht darauf, die Determinante c zu studieren. Wahrend in a) die Wirkungder komplexen Konjugation analysiert wurde, wird jetzt die Wirkung einer Galoisgruppebenutzt. Entsprechend der Definition einer Determinante gilt

c =∑

µ∈Sn

n∏

i=1

sign (µ) · σµj(wj) =

µ gerade

n∏

i=1

σµj(wj)−

µ ungerade

n∏

i=1

σµj(wj) =: a− b .

Ist N |Q eine galoissche Erweiterung mit N ⊃ K und ρ ∈ G(N |Q) ein Galoisautomorphis-mus, so permutiert ρ die Summanden in a + b, so dass a + b unter der Galoisgruppe festbleibt, also zu Q gehort. Genauso gilt ab ∈ Q. Da a, b ganz uber ZZ sind, gilt a+b, ab ∈ ZZ.Dann folgt aber

dK = (a− b)2 = (a + b)2 − 4ab ≡ (a + b)2 ≡ 0, 1 mod 4 .

d. Primzerlegung und der Frobeniusautomorphismus. In diesem Abschnittwollen wir ein ahnlich allgemeingultiges Zerlegungsgesetz erarbeiten wie das Polynomzer-legungsgesetz, jedoch auf gruppentheoretischer Basis. Wir spezialisieren die Ergebnisse derHilbertschen Theorie (§3 b./c.) auf unverzweigte Erweiterungen und Dedekindringe mitEndlichkeitsbedingung (E).

Nach Satz (3.14) ist fur unverzweigte Primideale P|p einer endlichen galoisschen Er-weiterung N |k die Tragheitsgruppe trivial und daher die Zerlegungsgruppe DN|k(P) ∼→G(NP|kp):

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Da NP|kp eine Erweiterung von endlichen Korpern ist, ist sie nicht nur galoissch mitzyklischer Galoisgruppe, sondern sie besitzt auch ein ausgezeichnetes Erzeugendes, namlichdie Potenzierung mit der Elementanzahl des Grundkorpers.

Wiederholung der Galoistheorie endlicher Korper: siehe S. 54 f.!Angewendet auf die Restklassenerweiterung NP|kp ergibt dies wegen kp = IF q mit q =#kp = N p

DN|k(P) ∼→ G(NP|kp) = 〈x 7→ xq〉 mit q = N p .

Damit besitzt auch die Zerlegungsgruppe ein ausgezeichnetes Erzeugendes, den sog. Fro-beniusautomorphismus:

(4.11) Definition: Sei R ein Dedekindring mit endlichen Restklassenkorpern (Ei-genschaft (E)), N |k eine endliche galoissche Erweiterung, S der ganze Abschluss von R inN . Es seien P|p Primideale in N |k.Dann definiert man fur unverzweigtes P|p den Frobeniusautomorphismus FN|k(P) als deneindeutig bestimmten Automorphismus in der Zerlegungsgruppe DN|k(P), der auf demRestklassenkorper NP die Potenzierung mit q = N p induziert.

Explizit ist der Frobeniusautomorphismus charakterisiert als der Automorphimus σ ∈G(N |k) mit

σ = FN|k(P) ⇐⇒∧

a∈S

σ(a) ≡ aNp mod P .

Man beachte lediglich, dass aus σ(a) ≡ aq mod P fur alle a ∈ S naturlich σP = P folgt(a ∈ P ⇐⇒ a ≡ 0 mod P =⇒ σa ≡ aq ≡ 0 mod P =⇒ σa ∈ P) und somit σ in derZerlegungsgruppe liegen muss. Es ist dann notwendig ein Erzeugendes von DN|k(P) undhat als Ordnung #DN|k(P) = fN|k(P).

Wir erhalten dadurch als Folgerung aus der Hilbertschen Theorie (Satz (3.14))

(4.12) Korollar: Fur unverzweigte Primideale p die ist Primzerlegung in galoisschenErweiterungen allein durch den Restklassengrad bestimmt und es gilt unter den Voraus-setzungen von (4.11)

fN|k(P) ist die Ordnung des Frobeniusautomorphismus FN|k(P) .

Wir wollen nun dieses Zerlegungsgesetz fur galoissche Erweiterungen ausdehnen aufbeliebige separable Korpererweiterungen. Dazu benutzen wir die folgenden grundlegendenEigenschaften des Frobeniusautomorphismus.

(4.13) Bemerkung: Zusatzlich zu den Voraussetzungen von Definition (4.11) sei Kein beliebiger und N ′ ein galoisscher Zwischenkorper in N |k sowie σ ∈ G(N |k). Dann gilt:a) Frobeniusautomorphismen zu konjugierten Primidealen sind konjugiert in G:

FN|σK(σP) = σFN|K(P)σ−1 , insbesondere: FN|k(σP) = σFN|k(P)σ−1 .

b) Der Frobeniusautomorphismus zu einem Primideal uber einem vergroßerten Grundkor-per K ist Potenz des Frobeniusautomorphismus uber k, genauer:

(FN|k(P))fK|k(P∩K)

= FN|K(P) .

c) Die Restriktion eines Frobeniusautomorphismus auf eine galoissche Teilerweiterung istder Frobeniusautomorphismus der Teilerweiterung:

FN|k(P) |N ′ = FN ′|k(P ∩N ′) .

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Zum Beweis benutzt man die in der Definition (4.11) gegebene Charakterisierung.Wir setzen F = FN|k(P), f = fK|k(P∩K) und q = N p = #kp.a) σ induziert einen k-Isomorphismus (S ∩ K)/(P ∩ K) ∼→ (S ∩ σK)/(σP ∩ σK) undfolglich ist

fσK|k(σP∩ σK) = fK|k(P ∩K) = f ,

so dass P ∩K und σP∩ σK dieselbe Absolutnorm q = qf haben. Nun gilt

F := σFN|K(P)σ−1 ∈ σG(N |K)σ−1 = G(N |σK)

und ausFN|K(P)(b)≡ bq mod P fur alle b ∈ S

folgtF (a) ≡ aq mod σP fur alle a ∈ S ,

womit a) bewiesen ist.b) Mit den vorangehenden Bezeichnungen q′ = #KP∩K = qf , f = fK|k(P ∩K) gilt

F (a) ≡ aq mod P =⇒ F f (a) ≡ aqf

= aq′

mod P.

c) Die linke Seite der behaupteten Gleichung ist ein Automorphismus von S ∩ N ′ (N ′|kist galoissch) und lasst P∩N ′ invariant, gehort also zur Zerlegungsgruppe DN ′|k(P∩N ′).Außerdem induziert dieser Automorphismus auf dem Restklassenkorper N ′ die Potenzie-rung mit q, ist also gleich dem Frobeniusautomorphismus auf der rechten Seite von c).

(4.14) Satz: (Primzerlegung und Zyklenzerlegung) Sei R ein Dedekindring mit end-lichen Restklassenkorpern (Eigenschaft (E)), k der Quotientenkorper und K = k(a) eineendliche separable Erweiterung von k mit primitivem ganzem Element a und Minimalpo-lynom fa,k. Weiter sei N |k endlich galoissch mit K ⊂ N (etwa die galoissche Hulle K vonK|k). Dann sind fur ein in N unverzweigtes Primideal p von k aquivalent:

i) p ist in K das Produkt von r Primidealen mit den Restklassengraden f1, . . . , fr.ii) Der Frobeniusautomorphismus FN|k(Q) eines beliebigen Q ∈ PN uber p operiert

auf den Wurzeln von fa,k als Produkt elementfremder Zyklen der Langen f1, . . . , fr

(einschließlich fi = 1).In Worten: Der sog. Zerlegungstyp (f1, . . . , fr) von p in K und der Zyklentyp des Frobeni-usautomorphismus in seiner Operation auf den Wurzeln von fa,k stimmen uberein.

Beweis: Es sei Q ∈ PN uber p beliebig und F := FN|k(Q) ∈ DN|k(Q) ⊂ G(N |k) derzugehorige Frobeniusautomorphismus. Alle Primteiler von p in K liegen unter Primteilernvon p in N , die gemaß Proposition (3.10) Konjugierte Qσ = σ−1Q (σ ∈ G) von Q

sind. Setzt man nun Pσ := Qσ ∩K, so erhalt man alle Primteiler von p in K und manmuss nun untersuchen, wann Pσ = Pσ′ ist. Gemaß Definition (4.11) c) erzeugt F dieZerlegungsgruppe, also DN|k(Q) = 〈F 〉. Dann gelten folgende Aquivalenzen:

Pσ = Pσ′

⇐⇒ Qσ konjugiert zu Qσ′

uber K nach (3.10),

⇐⇒ Qσ = Qσ′τ fur ein τ ∈ G(N |K)

⇐⇒ σ′τσ−1 ∈ DN|k(Q) fur ein τ ∈ G(N |K) nach Definition,

⇐⇒ σ′τσ−1 = Fm fur ein m ∈ ZZ , τ ∈ G(N |K) nach (4.11)

⇐⇒ σ′−1Fmσ(a) = a fur ein m ∈ ZZ wegen K=k(a)

⇐⇒ σ′(a) = Fmσ(a) fur ein m ∈ ZZ

⇐⇒ σ′(a) gehort zur Bahn von σ(a) unter 〈F 〉⇐⇒ σ′(a) und σ(a) gehoren zu demselben Zyklus von F .

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Folglich gibt es genau so viele verschiedene Primteiler Pσ von p in K wie es Zyklen beider Operation von F auf den Konjugierten von a gibt.

Um nun noch die Ubereinstimmung der Restklassengrade mit den Zyklenlangen nach-zuweisen, muss man zeigen: Die Zyklenlange von σ(a) unter der Operation von F ist geradeder Restklassengrad f(Pσ|p). Nun ist die Zyklenlange von σ(a) unter F die kleinste Zahlm ≥ 1 mit Fm(σ(a)) = σ(a). Es genugt also fur beliebiges m ∈ ZZ zu zeigen:

Fm(σ(a)) = σ(a) ⇐⇒ f(Pσ|p) teilt m .

Gemaß (4.13) erhalten wir fur F = FN|k(Q):

Fm(σ(a)) = σ(a) ⇐⇒ σ−1Fmσ ∈ G(N |k(a)) = G(N |K)

⇐⇒ (Fσ)m ∈ G(N |K)∩DN|k(Qσ) = DN|K(Qσ)

⇐⇒ (Fσ)m ∈ 〈FN|K(Qσ)〉 =(4.13)

〈(Fσ)f(Pσ|p)〉

⇐⇒ m ≡ d · f(Pσ|p) mod ord(Fσ) fur ein d

⇐⇒ f(Pσ|p) teilt m .

Bei der letzten Aquivalenz beachte man, dass f(Pσ|p) ein Teiler von ord(Fσ) = f(Qσ|p)ist. Damit ist der Beweis von Satz (4.14) vollstandig.

Zusatz: Es sei angemerkt, dass die Zyklenzerlegung in ii) auch unabhangig vomgewahlten primitiven Element a rein gruppentheoretisch beschrieben werden kann. Dazusei (mit obigen Bezeichnungen)

U = G(N |K) ⊂ G = G(N |k)

die Fixgruppe von K in der Galoisgruppe G. Dann gilt

(G : U) =#G(N |k)

#G(N |K)=

(N : k)

(N : K)= (K : k) =: n .

Sind σ1, . . . , σn ∈ G Reprasentanten der Nebenklassen von U in G, so bilden die σia(i = 1, . . . , n) die Konjugierten von a uber k bzw. die Wurzeln von fa,k.Man kann nun die Operation der Gruppe G auf den Wurzeln von fa,k rein gruppentheo-retisch als die Operation von G auf der Menge (!) der Nebenklassen G/U = {σiU | i =1, . . . , n} durch Linksmultiplikation beschreiben, denn fur ρ ∈ G gilt

ρ(σia) = σja ⇐⇒ σ−1j ρσi(a) = a

⇐⇒ σ−1j ρσi ∈ G(N |K) = U

⇐⇒ ρσiU = σjU .

Also operiert G auf G/U durch Linksmultiplikation genauso wie auf der Wurzelmenge vonfa,k. Daher sind die Aussagen i) und ii) von (4.14) auch aquivalent zur folgenden, alleinin der Gruppe G formulierbaren Eigenschaftiii) Der Frobeniusautomorphismus FN|k(Q) eines beliebigen Q ∈ PN uber p operiert

durch Linksmultiplikation auf den Nebenklassen von U in G als ein Produkt element-fremder Zyklen der Langen f1, . . . , fr (einschließlich Zyklen der Lange fi = 1).

Ich habe diese dritte Aussage nicht mit in (4.14) aufgenommen, um diesen Satz nichtzu uberfrachten. iii) zeigt aber, dass die Beschreibung unter (4.14) ii) unabhangig vomgewahlten a ist. Die moglichen Zerlegungstypen werden allein durch die GaloisgruppeG = G(N |k) und die Untergruppe U = G(N |K) bestimmt.

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e. Kreiskorper. Wir wollen mit den Ergebnissen des vorangehenden Abschnittsdas Zerlegungsgesetz fur Einheitswurzelkorper auf beliebige Teilkorper ausdehnen. Diessind die sog. Kreiskorper: K ⊂ Q(µn) fur ein n ∈ IN . Da Einheitswurzelkorper abelscheErweiterungen von Q sind, sind auch alle Kreiskorper K|Q abelsch, insbesondere galoissch,so dass wir mittels Korollar (4.12) die Primidealzerlegung der Primzahlen in K bestimmenkonnen.

(4.15) Definition: Ist K ein Kreiskorper, so definieren wir den (Zahl-)Fuhrer einesKreiskorpers als

f := min{n ∈ IN | K ⊂ Q(µn)} .

Wir bemerken: Ist f der Zahlfuhrer von K, so gilt:

K ⊂ Q(ζn) ⇐⇒ f | n .

Beweis: ⇐= ist klar. =⇒ : K ⊂ Q(ζf ) =⇒ K ⊂ Q(ζf) ∩ Q(ζn) = Q(ζd) mitd = ggT(f, n). Wegen der Minimalitat des Fuhrers f gilt dann f ≤ d | f , also f = d | n.

Man beachte jedoch, dass dabei f 6= n moglich ist: Ist n = 2m gerade, aber mungerade, so gilt Q(µn) = Q(µm) = Q(µn

2), denn wegen Xn − 1 = (Xm − 1)(Xm + 1) ist

−ζm eine primitive n-te Einheitswurzel. Daher ist der Fuhrer eines Kreiskorpers entwederungerade oder durch 4 teilbar: 2 | f =⇒ 4 | f .Der genannte Fall Q(µn) = Q(µn

2) ist jedoch die einzige Ausnahme, denn es gilt

Q(ζn) ⊆ Q(ζm) ⇐⇒ n | m ∨ n | 2m , m ungerade ,

Es genugt =⇒ zu beweisen. Sei also Q(ζn) ⊆ Q(ζm) und n 6 | m. Dann gilt (siehe h)1./2, S. 58) Q(ζn) = Q(ζd) mit d = ggT(n, m) 6= n. Durch Gradvergleich erhalt manϕ(d) = ϕ(n). Da d ein Teiler von n ist, gilt fur die Primzerlegung

d =s∏

i=1

pδi

i , n =r∏

i=1

pνi

i mit s ≤ r und 1 ≤ δi ≤ νi fur 1 ≤ i ≤ s .

Daraus folgt dann (fur d | n, d 6= n !)

ϕ(d) = ϕ(n) ⇐⇒s∏

i=1

(pi − 1)pδi−1i =

r∏

i=1

(pi − 1)pνi−1i

⇐⇒s∏

i=1

pνi−δi

i ·r∏

i=s+1

(pi − 1)pνi−1i = 1

⇐⇒ νi = δi fur 1 ≤ i ≤ s und r = s + 1 , pr = 2 , νr = 1

⇐⇒ n = 2d , 2 6 | d ⇐⇒ n gerade , n | 2m , m ungerade

Als Teilkorper des Einheitswurzelkorpers Q(µf ) bestimmt jeder Kreiskorper K seinezugehorige Fixgruppe G(Q(µf)|K) ' H als Untergruppe von G(Q(µf)|Q) ∼→ P(f):

Q(µf ) 1 ' 1

K G(Q(µf)|K) ' H

Q G(Q(µf)|Q) ' P(f)

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Explizit:

H = {i ∈ P(f) | σi : ζf 7→ ζif operiert identisch auf K .}

Es gilt G(K|Q) ' P(f)/H. Mit diesen Voruberlegungen erhalten wir

(4.16) Satz: (Zerlegungsgesetz fur Kreiskorper) Es sei K ein Kreiskorper und f sein(Zahl-)Fuhrer. Es sei H ⊂ P(f) die Fixgruppe von K in G(Q(µf)|Q) ' P(f) (siehe obigesDiagramm). Dann gilt fur Primzahlen p:a) p 6 | f =⇒ p ist unverzweigt in K.b) Fur p 6 | f berechnet sich der Restklassengrad der Primteiler von p im (abelschen)Erweiterungskorper K durch

fK|Q (p) = ord (pH) = min{k |(pk mod f

)∈ H} .

Anmerkung: Satz (4.16) b) enthalt naturlich das Zerlegungsgesetz (4.9) a) fur Einheits-wurzelkorper (H = 1), aber nur fur unverzweigte Primzahlen. Teil a) von (4.16) hingegenist eine Folge der Aussagen zur Verzweigung in (4.9) b).

Beweis: a) Nach (4.9) gilt: p ist in Q(µf) unverzweigt genau dann, wenn p kein Teilervon f ist oder p = 2 und 4 6 | f . Wie oben bemerkt folgt aus 4 6 | f aber auch 2 6 | f , dahergilt in jedem Falle:

f Zahlfuhrer: p unverzweigt in Q(µf ) ⇐⇒ p 6 | f .

Wegen der Multiplikativitat der Verzweigungsindizes gilt dann naturlich

p unverzweigt in Q(µf ) =⇒ p unverzweigt in K ⊂ Q(µf ) .

b) Sei jetzt p kein Teiler von f , also unverzweigt in N := Q(µf ) und in K. Nach Bemer-kung (4.13) sind die Frobeniusautomorphismen FK|Q (P) fur alle P|p konjugiert und inder abelschen Galoisgruppe daher sogar identisch; wir bezeichnen sie daher mit FK|Q (p).Dasselbe gilt fur N |Q. Mit diesen Bezeichnungen gilt gemaß Korollar (4.12)

fK|Q (p) = ord FK|Q (p)

und nach Bemerkung (4.13) c) haben wir

G(K|Q) 3 FK|Q (p) = FN|Q (P) |K ∈ G(N |Q)/G(N |K)' P(f)/H .

Der Beweis von (4.16) ist damit zuruckgefuhrt auf die Bestimmung des Frobeniusauto-morphismus FQ(µf )|Q (p) ∈ G(Q(µf)|Q) ' P(f)

(4.17) Lemma: Sei N = Q(µf ) ein Einheitswurzelkorper mit Zahlfuhrer f und peine Primzahl, die f nicht teilt (also in N unverzweigt ist). Dann ist der Frobeniusauto-morphismus gegeben durch

FN|Q (p) : ζf 7→ ζpf .

Der Frobeniusautomorphismus ist also das Bild von p mod f unter dem IsomorphismusP(f) ∼→ G(Q(µf )|Q) = G(N |Q).

Beweis: Sei σ := FN|Q (p) und P|pZZ in N |Q. Dann gilt (wegen N (pZZ) = p) σ(a) ≡ap mod P fur alle a ∈ S := ZN , insbesondere fur a = ζf

σ(ζf) ≡ ζpf mod P .

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Wir wollen zeigen, dass sogar die Gleichheit gilt: σζf = ζpf . Wir nehmen an, dass σ(ζf)−

ζpf 6= 0 ist. Wegen p 6 | f ist ζp

f eine primitive f -te Einheitswurzel, ebenso σ(ζf), also folgt

(siehe Berechnung der Elementdifferente Ubung 7.1.)

σ(ζf)− ζpf = ζi

f − ζpf teilt

i6=j

(ζif − ζj

f ) = Φ′f(ζf ) .

Nun ist das Kreisteilungspolynom Φf ein Teiler von Xf − 1, also gibt es ein g(X) ∈ ZZ [X ]mit

Xf − 1 = Φf (X) · g(X) =⇒ fXf−1 = (Xf − 1)′ = Φ′f(X)g(X)+ Φf(X)g′(X)

=⇒ fζf−1f = Φ′

f(ζf)g(ζf) + Φf (ζf)︸ ︷︷ ︸=0

·g′(ζf) = Φ′f (ζf)g(ζf)

=⇒ Φ′f (ζf) | fζf−1

f =⇒ Φ′f(ζf) | f .

Zusammengenommen erhalten wir

σ(ζf) ≡ ζpf mod P =⇒ P | σ(ζf)− ζp

f | Φ′f(ζf) | f

im Widerspruch zur Voraussetzung p 6 | f .

Aufgrund dieses Lemmas erhalten wir den Frobeniusautomorphismus FK|Q (p) =FN|Q (p) |K als Bild von (p mod f)H = pH ∈ P(f)/H und damit

fK|Q (p) = ordFK|Q (p) = ord pH = min{k | pk ∈ H}

wie in (4.16) behauptet.

Wir wollen nun dieses Resultat auf spezielle Kreiskorper anwenden, namlich die qua-dratischen Zahlkorper. Dies scheint zunachst wenig sinnvoll, da wir das Zerlegungsgesetzquadratischer Korper bereits gefunden haben. Aber das Kreiskorperzerlegungsgesetz lie-fert in Verbindung mit dem bereits hergeleiteten neue Einsichten, insbesondere das sog.quadratische Reziprozitatsgesetz von Gauß.

Der erste Schritt ist der Nachweis, dass alle quadratischen Zahlkorper Kreiskorper∗),also in Einheitswurzelkorpern enthalten sind.

(4.18) Satz: (Quadratische Zahlkorper sind Kreiskorper) Ist K ein quadratischerZahlkorper mit der Diskriminante dK , so ist K Kreiskorper mit dem Zahlfuhrer |dK |.

Beweis: 1. Schritt: dK ist eine sog. Primdiskriminante, d. h. dK hat nur einen Prim-teiler, also dK = −4,±8,±p mit p 6= 2 Primzahl.i) dK = −4 =⇒ K = Q(i) = Q(µ4), der Fuhrer ist also f = 4 = |dK| (denn f | 4 und 2kann kein Fuhrer sein).ii) dK = ±8 =⇒ K = Q(

√±2) ⊂ Q(ζ8) = Q(i,√

2), der Fuhrer also f = 8 = |dK | (dennf | 8 und K 6⊂ Q(µ4) = Q(i)).

∗) Es sei angemerkt, dass jede abelsche Erweiterung von Q ein Kreiskorper ist (Satzvon Kronecker-Weber). Dies war der Ausgangspunkt fur die Entwicklung der Klassenkor-pertheorie im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts, die die abelschen Erweiterungen einesbeliebigen Zahlkorpers k als die sog. Klassenkorper identifiziert, wobei letztere als Korpermit einem bestimmten Typ von Zerlegungsgesetz definiert sind.

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iii) dK = ±p = ε · p mit p 6= 2 Primzahl. Aus dK ≡ 0, 1 mod 4 ergibt sich

dK = εp =⇒ εp ≡ 1 mod 4 =⇒ ε =

{+1 fur p ≡ 1 mod 4,−1 fur p ≡ −1 mod 4

⇐⇒ ε = εp := (−1)p−1

2 .

Also dK = p∗ := εp · p.Der Kreiskorper N = Q(µp) hat die zyklische Galoisgruppe P(p) = IF×

p der Ordnung p−1.Wegen 2 | p−1 gibt es genau eine Untergruppe vom Index 2, also genau einen quadratischenTeilkorper K ′ ⊂ Q(µp). Wir identifizieren K ′ als K mit Hilfe der Primzerlegung:1) Die Primzahl p ist rein-verzweigt in N = Q(µp) (siehe (4.6) d)), also in jedem Teilkorper,insbesondere in K ′ (rein-)verzweigt.2) Alle Primzahlen q 6= p sind unverzweigt in N (siehe (4.9) b)), also auch in K ′.Daher ist p der einzige Primteiler von dK′ (Satz (4.5)). Wegen p 6= 2 erhalten wir (wieeben fur dK): dK′ = p∗ = dK und damit K = K ′.Damit haben wir K ⊂ Q(µp) und der Fuhrer von K ist p = |dK|.

2. Schritt: dK = ±2ρp1 · . . . · pr mit verschiedenen Primzahlen pi 6= 2 und ρ ∈ 0, 2, 3.Dann ist dK =

∏ri=0 di Produkt von teilerfremden Primdiskriminanten di, denn:

ρ = 0 =⇒ dK = ±p1 · . . . · pr = p∗1 · . . . · p∗r , denn dK ≡ 1 mod 4 ∧ p∗i ≡ 1 mod 4 ,

ρ = 2 =⇒ dK = 4 · (±p1 · . . . · pr) =⇒ (±p1 · . . . · pr) ≡ 3 mod 4

=⇒ dK = 4 · (−p∗1 · . . . · p∗r) = (−4) · p∗1 · . . . · p∗r ,

ρ = 3 =⇒ dK = ±8 · p1 · . . . · pr = (±8) · (±p∗1 · . . . · p∗r) = (±8) · p∗1 · . . . · p∗rDann gilt aber nach dem 1. Schritt

K = Q(√

dK) ⊂ Q(√

d0) . . .Q(√

dr) ⊂ Q(µd0) . . .Q(µdr

) =(∗)

Q(µd0...dr) = Q(µ|dK|) .

Dabei gilt (∗) wegen der Teilerfremdheit der di (vgl. h), S. 58). Also ist K ein Kreiskorperund der Fuhrer f ein Teiler von dK . Wir wollen nun zeigen, dass jedes |di| Teiler von fist. Fur |di| = pi 6= 2 ist dies wegen der Verzweigtheit klar:

pi | dK ⇐⇒ pi verzweigt in K ⊂ Q(µf ) =⇒ pi | f .

Bleibt zu zeigen d0 = 2ρ | f (fur ρ = 2, 3).Ware dies falsch, so galte

2 6 | f ∨ 4 | f ∧ 2ρ = 8 6 | f .

1) 2 6 | f =⇒ 2 unverzweigt in Q(µf ), also auch in K, daher 2 6 | dK , Widerspruch zuρ = 2, 3.2) 4 | f =⇒ Q(i) ⊂ Q(µf ) und daher

8 6 | f =⇒ Q(µ8) = Q(i,√

2) 6⊂ Q(µf) =⇒√±2 6∈ Q(µf ) ,

aber√

dK = 2√±2√

d1 . . .√

dr ∈ K ⊂ Q(µf ) und alle√

di ∈ Q(µ|di|) ⊂ Q(µf), Wid.

Wir erhalten dadurch aus dem Kreiskorper-Zerlegungsgesetz das folgende

(4.19) Korollar: (Kreiskorper-Zerlegungsgesetz fur quadratische Zahlkorper)Sei K ein quadratischer Zahlkorper mit der Diskriminante dK und Fuhrer f = |dK|. Danngibt es eine Untergruppe H ⊂ P(f) vom Index 2, so dass gilt:

p 6 | dK =⇒ p ist

{zerlegt in K falls p ∈ H ,trage in K falls p 6∈ H .

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Fur Primdiskriminanten erhalt man konkret:

H =

(IF×q )2 falls |dK| = q ungerade Primzahl,

〈−1〉 ⊂ P(8) falls dK = 8,〈3〉 ⊂ P(8) falls dK = −8,〈1〉 ⊂ P(4) falls dK = −4.

und daraus dann

|dK| = q =⇒ p 6= q ist

zerlegt in K falls(

pq

)= +1,

trage in K falls(

pq

)= −1,

dK = 8 =⇒ p 6= 2 ist

{zerlegt in K falls p ≡ ±1 mod 8,trage in K falls p ≡ ±3 mod 8,

dK = −8 =⇒ p 6= 2 ist

{zerlegt in K falls p ≡ 1, 3 mod 8,trage in K falls p ≡ −1,−3 mod 8,

dK = −4 =⇒ p 6= 2 ist

{zerlegt in K falls p ≡ 1 mod 4,trage in K falls p ≡ −1 mod 4.

Beweis: Nach (4.18) sind quadratische Zahlkorper Kreiskorper mit Fuhrer f = |dK |.Gemaß galoisscher Theorie hat die zugehorige Gruppe H ⊂ P(f) den Index 2: P(f)/H 'G(K|Q). Nach dem Kreiskorper-Zerlegungsgesetz gilt fur p 6 | f = |dK |:

p voll-zerlegt in K ⇐⇒ 1 = fK|Q (p) = ord pH ⇐⇒ p ∈ H .

Da die in K tragen Primzahlen genau die unverzweigten, nicht voll-zerlegten sind, ist dieerste Behauptung bewiesen.

Bestimmung von H : Ist f = q eine Primzahl, so ist P(q) = IF×q zyklisch, enthalt

also genau eine Untergruppe vom Index 2. Wegen q 6= 2 ist dies die Gruppe der Quadrate(IF×

q )2 (siehe S. 55).

Fur f = 8 bestimmen Sie in Ubung 11.4. die quadratischen Teilkorper in Q(µ8) und diezugehorigen Fixgruppen H.Fur f = 4 ist Q(µ4) = Q(i) quadratisch, also gleich K. Daher H = 〈1〉.

Ist q eine ungerade Primzahl, so gilt fur p 6= q gemaß Definition des Legendresymbols

p ∈ H = (IF×q )2 ⇐⇒

(p

q

)= +1

und damit folgt die angegebene Beschreibung der Primzerlegung in K im Falle f = q.In den Fallen gerader Diskriminanten liefert die explizite Beschreibung von H sofort

die formulierten Zerlegungsgesetze.

Durch Vergleich dieses Korollars mit dem Zerlegungsgesetz (4.5) fur quadratischeZahlkorper (beachten Sie die vertauschten Rollen von p und q = |dK|!) erhalten wir

(4.20) Satz: Seien p, q ungerade Primzahlen. Dann gilt:a) (Quadratisches Reziprozitatsgesetz)

(q

p

)=

(pq

)falls p ≡ q ≡ −1 mod 4,

+(

pq

)sonst

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b) (Erster Erganzungssatz)

(−1

p

)=

{+1 falls p ≡ 1 mod 4,−1 falls p ≡ −1 mod 4.

c) (Zweiter Erganzungssatz)

(2

p

)=

{+1 falls p ≡ ±1 mod 8,−1 falls p ≡ ±3 mod 8.

Beweis: b) Der erste Erganzungssatz folgt aus der Eulerschen Formel (siehe Bemer-kung (4.4)), ergibt sich aber auch hier aus der Kombination von (4.19) und (4.5) fur denKorper Q(i) (mit Diskriminante dK = −4 und Fuhrer f = 4): Fur alle p 6= 2 gilt:

(−1

p

)= +1 ⇐⇒

(4.5)p voll-zerlegt in Q(

√−1) ⇐⇒

(4.19)p ≡ 1 mod 4

und entsprechend(−1

p

)= −1 ⇐⇒ p ≡ −1 mod 4.

c) Genauso argumentiert man fur c) mit dem Korper Q(√

2).a) Ist q eine ungerade Primzahl und K der quadratische Zahlkorper mit DiskriminantedK = q∗ = εqq, so gilt fur Primzahlen 2 6= p 6 | dK ⇐⇒ 2 6= p 6= q:

(p

q

)= +1 ⇐⇒

(4.19)p voll-zerlegt in K ⇐⇒

(4.5)

(dK

p

)= +1 .

und entsprechend fur den Wert −1, also insgesamt

(p

q

)=

(εq ·qp

)=

(εq

p

)·(

q

p

).

Mit q ≡ εq mod 4 erhalten wir fur den Korrekturfaktor

(εq

p

)=

(+1p

)falls q ≡ 1 mod 4,

(−1p

)falls q ≡ −1 mod 4,

=b)

{+1 falls q ≡ 1 mod 4,+1 falls q ≡ −1 mod 4 ∧ p ≡ 1 mod 4,−1 falls q ≡ −1 mod 4 ∧ p ≡ −1 mod 4.

Also ist der Korrekturfaktor nur dann −1, wenn p ≡ −1 ≡ q mod 4 und das quadratischeReziprozitatsgesetz ist bewiesen.

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§5 Lokale Theorie

Bei vielen Fragen, die wir in §3 diskutiert haben, kam es nicht auf das gesamte Primspek-trum (die Menge aller Primideale) an, sondern oft nur auf die Primideale des Oberringes,die uber einem festen Primideal des Grundringes lagen. Die untersuchten Fragen bezo-gen sich nur auf das eine Primideal unten und auf die endlich vielen Primideale daruber,die Fragen waren, wie man sagt, lokal. Wir wollen diesen Aspekt in diesem Abschnitterarbeiten.

a. Quotientenringe. Der Ubergang zur lokalen Situation erfolgt durch Bildung vonQuotientenringen. Dies sind Verallgemeinerungen der wohlbekannten Konstruktion desQuotientenkorpers. Fur Integritatsbereiche R sind die Quotientenringe einfach als spezielleUnterringe des Quotientenkorpers definiert:

(5.1) Definition: Sei R ein Integritatsbereich mit Quotientenkorper k. Es sei T ⊂ Reine multiplikativ abgeschlossene Menge, d. h. 0 6∈ T und a, b ∈ T =⇒ ab ∈ T . OhneEinschrankung verlangt man auch 1 ∈ T . Dann definiert man den Quotientenring RT

durch

RT := T−1R = {rt∈ k | r ∈ R, t ∈ T} .

Der Quotientenring RT ist ein Oberring von R in k: R ⊂ RT ⊂ k, und alle Elementevon T werden in RT zu Einheiten: T ⊂ (RT )×. Es sei erwahnt, dass Quotientenringeauch definiert werden konnen, wenn R kein Integritatsbereich ist und somit auch keinQuotientenkorper existiert1). Dieselben Uberlegungen verwendet man auch, um zu R-Moduln Quotientenmoduln zu konstruieren, die dann RT -Moduln sind.

(5.2) Proposition: Sei R ein Integritatsbereich und RT ein Quotientenring (zurmultiplikativen Menge T ⊂ R).

a) Die Erweiterungsabbildung a 7→ aRT ist eine surjektive, homomorphe, inklusionstreueAbbildung zwischen den Mengen der (ganzen) Ideale in R bzw. RT :

J(R) →→ J(RT ) ,a 7→ aRT

.

b) Durch sie erhalt man eine inklusionstreue Bijektion zwischen der Menge der Primidealevon R, die T nicht treffen, und der Menge aller Primideale von RT :

{p ∈ PR | p ∩ T = ∅} ∼→ PRT

p 7→ pRT

P ∩R ← P

In Worten: Alle Ideale eines Quotientenringes RT sind Erweiterungen von R-Idealen unddie Primideale von RT entsprechen dabei bijektiv und inklusionstreu den Primidealenvon R, die T nicht treffen. Etwas locker formuliert: Im Quotientenring RT ‘uberleben’nur die Primideale von R, die T nicht treffen; alle anderen Primideale ‘verschwinden’bei dem Erweiterungsprozess, besser gesagt: sie werden zum 1-Ideal RT . Die Menge allerPrimideale des Quotientenringes RT ist (bis auf Bijektion) eine klar definierte Teilmengeder Primideale von R.

1) Man definiert dann – ahnlich wie bei der Konstruktion des Quotientenkorpers – aufR× T eine Aquivalenzrelation (r1, t1) ∼ (r2, t2) ⇐⇒

∨t∈T t(r1t2 − r2t1) = 0 und RT als

Menge der Aquivalenzklassen RT = (R × T )/ ∼ mit offensichtlichen Operationen + und·. Beweisen Sie als Ubung diese Behauptungen.

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Zum Beweis zunachst einige Rechenregeln:

(a + b)RT = aRT + bRT , (ab)RT = aRT · bRT , (1)

(a∩ b)RT = aRT ∩ bRT , (2)

A / RT =⇒ (A ∩R)RT = A , (3)

a / R =⇒[aRT = RT ⇐⇒ a ∩ T 6= ∅

], (4)

p ∈ PR , p ∩ T = ∅ =⇒ pRT Primideal und pRT ∩R = p . (5)

Begrundungen: (1) ist klar und fur ⊇ in (2) beachte man:

aRT ∩ bRT 3a

t=

b

t′=⇒ t′a = tb ∈ a ∩ b =⇒ a

t=

at′

tt′∈ (a∩ b)RT .

Ad (3) ‘⊇’:

r

t= a ∈ A =⇒ r = at ∈ A ∩R =⇒ a =

r

t∈ (A∩ R)RT .

Ad (4):

aRT = RT ⇐⇒∨

a∈a

t∈T

1 =a

t⇐⇒

a∈a

a = t ∈ T ⇐⇒ a ∩ T 6= ∅ .

Ad (5):

r1

t1

r2

t2∈ pRT =⇒ r1r2

t1t2=

p

t=⇒ tr1r2 = t1t2p ∈ p =⇒

(t6∈p)r1r2 ∈ p

=⇒ r1 ∈ p ∨ r2 ∈ p =⇒ r1

t1∈ pRT ∨

r2

t2∈ pRT

p

t= r ∈ pRT ∩R =⇒ tr = p ∈ p =⇒

(t6∈p)r ∈ p

Wir kommen nun zum Beweis von (5.2): Die Surjektivitat von J(R) →→ J(RT ) folgtaus (3). Fur ein Primideal P / RT bedeutet dies P = (P∩R)RT =: pRT , wobei p := P∩RPrimideal in R ist und gemaß (4) p ∩ T = ∅ gilt. Damit ist die Abbildung zwischen denPrimidealmengen ebenfalls surjektiv und die Injektivitat ist dann klar, da nach (5) dieSchnittbildung P 7→ P ∩ R die Umkehrabbildung ist.

Mit der Ganzheit ist die Quotientenringbildung in folgendem Sinne vertraglich:

(5.3) Proposition: Sei R ein Integritatsbereich und T eine multiplikative Teilmengevon R. Dann gilt:a) Ist R ganzabgeschlossen, so auch RT .b) Ist S|R eine ganze Ringerweiterung, so ist auch ST |RT ganz.c) Ist S der ganze Abschluss von R in einem Erweiterungskorper K, so ist ST der ganzeAbschluss von RT in K.

Beweis: Sei k der Quotientenkorper von R.a) Ist x ∈ k ganz uber RT , so erhalt man aus einer ganzen Gleichung uber RT

0 = xn +

n−1∑

i=0

ri

tixi

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durch Multiplikation mit tn, t :=∏

i ti, eine ganze Gleichung fur tx uber R. Da R ganz-abgeschlossen ist, folgt tx ∈ R, also x ∈ RT .

b) Sei st ∈ ST und 0 = sn +

∑i ris

i eine ganze Gleichung fur s uber R. Division durch tn

ergibt

0 = (s

t)n +

i

ri

tn−i(s

t)i ,

und dies ist eine ganze Gleichung fur st uber RT .

c) ist eine Kombination von b) mit a) (angewendet auf S).

Spezialisiert man auf Dedekindringe, so erhalt man

(5.4) Satz: Sei R ein Dedekindring. Dann gilt:a) Alle Quotientenringe RT sind ebenfalls Dedekindringe.

b) Ihr Primspektrum ist (bis auf Bijektion) in dem von R enthalten:

PRT

∼→ {p ∈ PR | p ∩ T = ∅} ⊂ PR , P 7→ P ∩R .

c) Die Idealgruppe IRTist epimorphes Bild der Idealgruppe IR unter der Idealerweiterung:

IR →→ IRT, a =

p

pnp 7→ aRT =∏

p∩T=∅

pnp ·RT .

Der Kern wird erzeugt von den Primidealen, die T treffen:

Ke (IR →→ IRT) = {a ∈ IR | a =

p∩T 6=∅

pnp} .

Beweis: b) Die Aussage uber das Primspektrum (die Menge der Primideale) von RT

gilt nach (5.2) fur beliebige Integritatsbereiche.

a) Die drei charakterisierenden Eigenschaften der Dedekindringe ubertragen sich einzelnvon R auf RT : R Noethersch =⇒ RT Noethersch, denn

A / RT =⇒ A = (A ∩R)RT , A∩ R / R endlich erzeugt.

Aufgrnd von (5.2) b) ubertragt sich die Maximalitat der Primideale 6= 0 von R auf RT .Nach (5.3) b) ist RT ganzabgeschlossen.

c) Die Surjektivitat von IR →→ IRTfolgt aus (5.2) fur ganze Ideale und mit Rechenregel

(1) dann fur gebrochene. Ebenfalls aus (1) folgt dann die explizite Beschreibung der Erwei-terungsabbildung durch die Primzerlegungen. Dies ergibt auch den Kern wie beschrieben.

Beachten Sie bitte die Unterschiede zwischen einer Ringerweiterung RT |R eines Dede-kindringes durch Lokalisierung und einer Ringerweiterung S|R durch Korpererweiterung,wie wir sie in §3 betrachtet haben: Die Ringe RT |R haben denselben Quotientenkorper, dieErweiterung ist nicht ganz, da beide in demselben Quotientenkorper ganz-abgeschlossensind. Jedes Primideal von RT liegt uber genau einem von R (wie im Falle S|R), aber nichtuber jedem Primideal von R liegt eines von RT , und wenn, dann nur eines, namlich dasErweiterungsideal pRT . Die Erweiterung von Primidealen ist wieder ein Primideal oderganz RT .

b. Lokalisierung. Unter den Quotientenringen bilden die Lokalisierungen einenwichtigen Spezialfall:

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(5.5) Definition: Sei R Integritatsbereich mit Quotientenkorper k, p ein Primideal.Dann definiert man die Lokalisierung von R bei p als den Quotientenring zur multiplika-tiven(!) Menge T = R \ p:

R(p) := RT = {rt| r, t ∈ R, t 6∈ p}

(5.6) Proposition: Sei R ein Integritatsbereich und p ein Primideal.

a) Die Lokalisierung R(p) von R bei p ist ein Ring mit pR(p) als einzigem maximalen Ideal,ein sog. lokaler Ring.

b) Der Restklassenkorper R(p)/pR(p) ist (bis auf Isomorphie) der Quotientenkorper desRestklassenringes R/p.

Beweis: a) Nach (5.2) b) entsprechen die Primideale des Quotientenringes R(p) = RT

bijektiv und inklusionstreu den Primidealen von R, die T = R \ p nicht treffen, die alsoin p enthalten sind. Damit ist pRT = pR(p) das einzige maximale Ideal von R(p) und R(p)

ein lokaler Ring (vgl. Ubung 12/13, 3.).

b) Da p / R ein Primideal ist, ist R := R/p ein Integritatsring. Außerdem ist pR(p)

maximal in R(p) und R(p) := R(p)/pR(p) daher ein Korper. Die Abbildung

R→ R(p)/pR(p) , r 7→ r + pR(p)

hat den Kern pR(p) ∩ R und nach (5.2) b) ist dieser gleich p, da p ein Primideal ist. Alsoerhalten wir eine Inklusion

R = R/p ↪→ R(p) = R(p)/pR(p) , r + p 7→ r + pR(p) .

Ist nun rt∈ R(p) mit r, t ∈ R, t 6∈ p, so ist t = t + p ∈ R \ {0} und es gilt (mit obiger

Einbettung R ↪→ R(p))

r

t=

r

t∈ Quot(R) .

Wir betrachten nun die Lokalisierungen von Dedekindringen. Wir erinnern an dieDefinition und Charakterisierungen von diskreten Bewertungsringen (vgl. Ubung 12/13,4.):

(5.7) Definition: Sei k ein Korper.

a) Eine diskrete Bewertung von k ist eine Abbildung v : k× → ZZ mit den Eigenschaften

v(ab) = v(a) + v(b) ,

v(a + b) ≥ min{v(a), v(b)}

Eine Bewertung heißt nicht-trivial, wenn v(k×) 6= {0} ist.

[Setzt man v(0) =∞ so erhalt man eine Fortsetzung von v auf ganz k unter Beibehaltungder beiden obigen Eigenschaften.]

b) Den zu einer nicht-trivialen Bewertung v gehorigen Ring Rv := {x ∈ k | v(x) ≥ 0}nennt man einen diskreten Bewertungsring.

[Es ist v(k×) = dZZ fur ein d ∈ IN und v0 = 1dv dann eine Bewertung mit Wertegruppe

v0(k×) = ZZ , eine sog. normierte Bewertung. v und v0 haben denselben Bewertungsring.]

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(5.8) Proposition: Es sei R ein Integritatsbereich mit Quotientenkorper k.a) Dann sind aquivalent:

i) R ist ein diskreter Bewertungsring.ii) R ist ein Hauptidealring mit genau einem maximalen Ideal.iii) R ist ein Dedekindring mit genau einem Primideal 6= 0.

b) Sei R = Rv mit einer (o. E.) normierten Bewertung v von k. Dann gilt bei Wahlirgendeines π ∈ R mit v(π) = 1, eines sog. Primelementes fur v: Die Ideale von R sindgenau die Potenzen

pm = πmR = {x ∈ k | v(x) ≥ m} (m ∈ IN) .

Insbesondere ist p = πR das großte Ideal von R und die normierte Bewertung v durch dendiskreten Bewertungsring R eindeutig bestimmt:

v(x) = m ⇐⇒ x ∈ pm \ pm+1 .

Beweis: a) i) ⇒ ii): pv := {x ∈ k | v(x) > 0} ist ein Ideal in Rv, denn pv istmultiplikativ und additiv abgeschlossen und es gilt r ∈ Rv, a ∈ pv =⇒ v(ra) = v(r) +v(a) ≥ v(a) > 0 =⇒ ra ∈ pv . Weiter gilt

x ∈ (Rv)× ⇐⇒ x, x−1 ∈ Rv ⇐⇒ v(x) ≥ 0 ∧ v(x−1) = −v(x) ≥ 0

⇐⇒ v(x) = 0 ⇐⇒ x ∈ Rv \ pv .

Also ist das Komplement der Einheitengruppe ein Ideal, das dann notwendig das einzigemaximale (das großte) Ideal von Rv ist.Da v surjektiv ist, gibt es ein π ∈ Rv mit v(π) = 1. Dann gilt fur jedes Ideal a / Rv undm = min v(a) ∈ IN :

a ∈ a =⇒ v(a) ≥ m =⇒ v(aπ−m) = v(a)−m ≥ 0

=⇒ aπ−m =: r ∈ Rv =⇒ a = rπm ∈ 〈πm〉 .

Also gilt a ⊂ 〈πm〉. Aber es gilt auch umgekehrt πm ∈ a, denn ist a0 ∈ a mit v(a0) =min v(a) = m, so gilt

v(πma−10 ) = mv(π)− v(a0) = 0 =⇒ πma−1

0 =: ε ∈ (Rv)× =⇒ πm = εa0 ∈ a .

Damit ist Rv ein Hauptidealring mit nur einem maximalen Ideal.ii) ⇒ iii), da Hauptidealringe Dedekindringe sind und in Dedekindringen jedes Primideal6= 0 maximal ist.iii) ⇒ i): Die Idealgruppe IR von R besteht genau aus den Potenzen pn (n ∈ ZZ) deseinen Primideals p 6= 0, und jedes gebrochene Ideal xR (0 6= x ∈ k) ist daher eindeutigdarstellbar als xR = pvp(x). Die so definierte Abbildung vp : k× → ZZ ist eine Bewertungvon k (vgl. Ubung 3.3.); sie ist normiert, denn p = πR =⇒ vp(π) = 1. Außerdem gilt

x ∈ R ⇐⇒ xR ⊂ R ⇐⇒ R | xR = pvp(x) ⇐⇒ vp(1) = 0 ≤ vp(x) ⇐⇒ x ∈ Rvp,

Also ist R = Rvpder zugehorige Bewertungsring.

b) Siehe oben i) ⇒ ii) und iii) ⇒ i). Man beachte, dass ein diskreter Bewertungsring Rsein maximales Ideal p eindeutig bestimmt.

(5.9) Satz: Sei R ein Noetherscher Integritatsbereich mit Quotientenkorper k. Dannsind aquivalent:

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i) R ist ein Dedekindring.ii) Alle Lokalisierungen R(p) von R nach Primidealen p 6= 0 sind diskrete Bewertungs-

ringe.

Beweis: i) =⇒ ii): Nach Satz (5.4) a) sind alle Lokalisierungen R(p) von R wiederDedekindringe und nach Proposition (5.6) sind sie lokale Ringe, also mit nur einem maxi-malen Ideal, nach (5.8) daher diskrete Bewertungsringe.ii) =⇒ i): Es gilt R ⊂ R(p) fur alle p 6= 0 und wir zeigen R =

⋂p R(p). Sei dazu x = a

b,

a, b ∈ R mit x ∈ R(p) fur alle p. Dann gilt

p

r∈R

t6∈p

x =a

b=

r

t⇐⇒

p

t6∈p

ta ∈ bR ⇐⇒∧

p

{t ∈ R | ta ∈ bR} 6⊂ p .

Also ist das Ideal a := {t ∈ R | ta ∈ bR} / R in keinem maximalen Ideal von R enthaltenund folglich a = R. Dies bedeutet

1 ∈ a =⇒ a ∈ bR =⇒ x =a

b∈ R .

Als Durchschnitt der (ganzabgeschlossenen) Hauptidealringe R(p) ist R selbst ganzab-geschlossen. Nach Voraussetzung ist R Noethersch. Es bleibt also zu zeigen, dass jedesPrimideal 6= 0 in R maximal ist. Sei p 6= 0 ein Primideal in R und m ein maximales Idealdaruber. Nach Proposition (5.2) entsprechen die Primideale 6= 0 von R, die T = R \ m

nicht treffen, d. h. in m enthalten sind, bijektiv den Primidealen 6= 0 des diskreten Be-wertungsringes R(m). Dieser hat nach (5.8) nur ein maximales Ideal, das auch das einzigePrimideal 6= 0 ist, da R(m) ein Hauptidealring ist. Also folgt p = m: Jedes Primideal von

R ist maximal.

(5.10) Satz: Sei R ein Dedekindring, K|k eine separable Erweiterung des Quotien-tenkorpers k und S der ganze Abschluss von R in K. Weiter sei p ∈ Pk ein Primideal 6= 0von R. Dann gilt:a) Der ganze Abschluss des diskreten Bewertungsringes R(p) ist der Quotientenring

S(p) := {st| t ∈ R \ p} .

b) Dies ist ein Hauptidealring mit nur endlich vielen maximalen Idealen PiS(p) (i =1, . . . , r), wobei Pi die uber p liegenden Primideale von S sind.c) Es gilt:

pS(p) =∏

i

(PiS(p))e(Pi|p) und S/Pi

∼→ S(p)/PiS(p) ,

alsoe(PiS(p)|pR(p)) = e(Pi|p) und f(PiS(p)|pR(p)) = f(Pi|p) .

Dies bedeutet: Zur Bestimmung der Zerlegungsdaten (r, ei, fi) eines Primideals p ∈PR in K|k kann man vom Dedekindring R zum diskreten Bewertungsring R(p) ubergehen.Man kann also o. E. annehmen, dass der Grundring ein Hauptidealring mit p als einzi-gem maximalem Ideal und der ganze Abschluss ein Hauptidealring mit nur endlich vielenPrimidealen ist. Die Bestimmung der Zerlegungsdaten fur ein festes p ist also ein lokalesProblem.

Beweis: a) folgt aus (5.3) c).b) Nach (5.4) a) ist S(p) ein Dedekindring. Die Primideale von S(p) sind nach (5.2) b) diePrimideale P von S, die T = R \ p nicht treffen:

∅ = P ∩ T = P ∩ (R \ p) ⇐⇒ P ∩R ⊂ p ⇐⇒ P | p

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Dies sind also genau die Primideale P von S uber p, deren Zahl endlich ist. Als Dedekin-dring mit nur endlich vielen Primidealen ist S(p) ein Hauptidealring (siehe Ubung 3.4.)c) Es gilt

pS(p) = (pS)S(p) =∏

i

PeK|k(Pi)

i S(p) .

Die Isomorphie der Restklassenkorper R/p ∼→ R(p)/pR(p) folgt aus (5.6) b), da p maximalist. Der Beweis von (5.6) b) liefert auch die Isomorphie

S/Pi∼→ S(p)/PiS(p) ,

Beide Isomorphien sind vertraglich und dies liefert die Gleichheit der entsprechendenKorpergrade.

c. Komplettierung. Gemaß (5.10) konnen wir zur Untersuchung der Primzerlegungdavon ausgehen, dass der Grundring R ein diskreter Bewertungsring ist, dass also einediskrete Bewertung v von k vorgegeben ist und R deren Bewertungsring Rv ist. (DieseBewertung ist die durch ein Primideal p von R definierte Bewertung vp.) Durch dieseBewertung des Korpers k erhalten wir auf k eine Metrik, bezuglich der man den Korperk komplettieren kann. Man erhalt so die Komplettierung kp von k.

(5.11) Definition: a) Ein Absolutbetrag auf einem Korper k ist eine Abbildung | . . . | :k → IR≥0 von k in die nicht-negativen reellen Zahlen mit den Eigenschaften

|a| = 0 ⇐⇒ a = 0

|ab| = |a| · |b||a + b| ≤ |a|+ |b|

(Den trivialen Absolutbetrag |a| = 1 fur alle a ∈ k× werden wir im Folgenden ausschlie-ßen.)b) Ein Absolutbetrag heißt archimedisch, wenn die Absolutbetrage der naturlichen Viel-fachen n.1k des Einselementes 1k von k unbeschrankt sind, d. h.

M∈IR

n∈IN

|n.1k| = |1 + . . . + 1| > M .

(5.12) Bemerkung: Ein Absolutbetrag ist genau dann nicht-archimedisch, wenn erdie sog. nicht-archimedische Dreiecksungleichung

|a + b| ≤ max{|a|, |b|}

erfullt.

Beweis: Aus der verscharften Dreiecksungleichung folgt naturlich die Beschranktheitder Betrage aller Vielfachen der Eins: |n| := |n.1k| = |1 + . . . + 1| ≤ max |1| = 1. Seiumgekehrt |n.1k| ≤M fur ein M ∈ IR. Dann gilt fur a, b ∈ k

|a + b|n =∣∣∣

n∑

j=0

(n

j

)· aj bn−j

∣∣∣ ≤n∑

j=0

∣∣∣(

n

j

)∣∣∣ · |a|j |b|n−j

≤n∑

j=0

M ·max (|a| , |b|)n ≤M(n + 1) ·max (|a| , |b|)n ,

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woraus durch Wurzelziehen und Grenzubergang n→∞ die Behauptung

|a + b| ≤ max (|a| , |b|)

folgt.

(5.13) Zusatz: In der nicht-archimedischen Dreiecksungleichung gilt Gleichheit,wenn die Betrage verschieden sind:

|a| < |b| =⇒ |a + b| = |b| .

Begrundung: Wegen

|a| < |b| = |(a + b)− a| ≤ max{|a + b|, |a|}

kann das letztgenannte Maximum nicht gleich |a|, muss also gleich |a+ b| sein. Folglich ist

|b| ≤ max{|a + b|, |a|}= |a + b| ≤ max{|a|, |b|}= |b|

und es muss an allen Stellen Gleichheit gelten.

(5.14) Proposition: a) Jeder Absolutbetrag bestimmt durch d(a, b) := |a − b| eineMetrik und damit eine Topologie auf k. k wird dadurch zu einem topologischen Korper(d. h. +, −, · sind stetig auf k und (. . .)−1 ist stetig auf k×).b) Absolutbetrage bestimmen genau dann dieselbe Topologie, wenn sie Potenzen vonein-ander sind: | . . . |2 = | . . . |α1 mit α ∈ IR. Man nennt die Absolutbetrage dann aquivalent.

c) Zum Korper k mit dem Absolutbetrag | . . . | existiert eine Komplettierung k, d. h. ein

Erweiterungskorper k mit einer Fortsetzung des Absolutbetrages, bzgl. der k vollstandigist und in dem k dicht liegt. k ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt.

Beweis: a) ist klar.b) Ist ein Absolutbetrag eine Potenz eines anderen, so bestimmt er dieselbe Topologie,

denn fur ε > 0 ist |x|α < ε ⇐⇒ |x| < ε1α . Seien umgekehrt | . . . |i (i = 1, 2) zwei Absolut-

betrage, die dieselbe Topologie bestimmen. Dann stimmen das Konvergenz-Verhalten dergeometrischen Folgen an fur a ∈ k uberein, also

a∈k

|a|1 < 1 ⇐⇒ |a|2 < 1 .

Das gleiche gilt dann fur die Relation ‘> 1’ und folglich auch fur ‘= 1’. Also sind beideAbsolutbetrage trivial (und damit aquivalent), oder beide sind nicht-trivial. In letzteremFalle wahlen wir ein c ∈ k mit |c|i > 1. Wir wenden nun die obige Beziehung auf a = bm/cn

mit b ∈ k, n ∈ ZZ , m ∈ IN+ an, und erhalten

m · log |b|1 − n · log |c|1 < 0 ⇐⇒ m · log |b|2 − n · log |c|2 < 0 bzw.

log |b|1log |c|1

<n

m⇐⇒ log |b|2

log |c|2<

n

m

Da nm

ganz Q durchlauft, folgt

b∈k

log |b|1log |c|1

=log |b|2log |c|2

,

83

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d. h. fur α :=log|c|

2

log|c|1

∈ IR gilt

b∈k

log |b|2 = α · log |b|1 .

Die beiden Absolutbetrage sind also aquivalent: | . . . |2 = | . . . |α1 .

c) Wie bei der Konstruktion von IR aus Q konstruiert man k als Ring der Cauchyfolgenvon k bzgl. | . . . | modulo dem maximalen Ideal der Nullfolgen. Wir wollen dies hier nichtausfuhren.

(5.15) Satz: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k.a) Jedes Primideal p 6= 0 von R bestimmt (uber seine diskrete Bewertung vp) einen nicht-archimedischen Absolutbetrag | . . . |p und eine (metrisierbare) Topologie auf k sowie eine(nicht-archimedische) Komplettierung kp von k.kp ist ein diskret bewerteter Korper, seine normierte Bewertung setzt die Bewertung vp

von k fort und wird mit demselben Symbol bezeichnet.b) Der diskrete Bewertungsring Rp := {x ∈ kp | vp(x) ≥ 0} von kp ist der topologischeAbschluss von R in kp; sein großtes Ideal ist

p := {x ∈ kp | vp(x) > 0} = {x ∈ kp | vp(x) ≥ 1} = πpRp = pRp ,

wobei πp ∈ kp beliebig gewahlt ist mit vp(πp) = 1. O.E. kann πp in k gewahlt werden.Die Restklassenringe sind isomorph

R/pn ∼→ Rp/pn , r + pn 7→ r + pn .

Man kann dies zusammenfassend so formulieren: In der Erweiterung k|k sind Verzwei-gungsindex und Restklassengrad gleich 1: e(p|p) = 1 = f(p|p).c) kp ist ein vollstandiger topologischer Korper, in dem die Ideale pn / Rp (n ∈ IN)eine Umgebungsbasis der 0 bilden. Der Bewertungsring Rp und alle seine Ideale sind zu-gleich offen und abgeschlosssen. Der Korper kp wird p-adische Komplettierung von k, odereinfach p-adischer Korper genannt, im Zahlkorperfall spricht man von einem p-adischenZahlkorper (obwohl es keine algebraischen Erweiterungen von Q sind).d) Ist R ⊂ R ein Reprasentantensystem des Restklassenkorpers R/p mit 0 ∈ R und istπ ∈ R mit vp(π) = 1, so besitzt jedes Element x ∈ kp eine eindeutige Darstellung als

”Laurentreihe“

x =

∞∑

j=r

αjπj mit r ∈ ZZ , αj ∈ R , αr 6= 0 .

Umgekehrt ist jede derartige Reihe konvergent in kp und es gilt

vp(x) = r ⇐⇒ αr 6= 0 .

e) Rp ist genau dann kompakt, wenn der Restklassenring R/p endlich ist. In dem Fallesind auch alle Ideale von Rp kompakt. Das bedeutet, dass der Korper k lokalkompakt ist(d. h. Umgebungsbasen aus kompakten Mengen hat). Man spricht dann von einem lokalenKorper.

Beweis: Wir fixieren p und schreiben einfach v := vp, k := kp, R := Rp, π := πp.

a) Es sei (k, | . . . |) die Komplettierung bzgl. des durch v gegebenen Absolutbetrages |x| =c−v(x) (c > 1 fest gewahlt). Der fortgesetzte Absolutbetrag ist ebenfalls nicht-archimedisch,und daraus folgern wir nun, dass sich die Wertgruppen nicht vergroßern, d. h.

|k×| = |k×| = {c−n | n ∈ ZZ} ⊂ IR>0 .

84

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Begrundung: Sei x ∈ k×. Da k dicht in k liegt, gibt es zu x und ε = |x| > 0 ein a ∈ k mit

|a− x| < |x| .

Mit dem Zusatz zur nicht-archimedischen Dreiecksungleichung folgt daraus

|a| = |(a− x) + x| =(5.13)

max{|a− x|, |x|}= |x| .

Da sich die Wertegruppe nicht vergroßert hat, erhalt man durch Logarithmieren einediskrete Bewertung auf k

v(x) = − logc |x| .

Diese setzt die Bewertung v von k fort. Da sie dieselben Werte wie v hat, ist sie ebenfallsnormiert.b) Sei x ∈ R, also |x| ≤ 1, und 0 < ε = c−m < 1 beliebig vorgegeben. Da k dicht in k ist,existiert ein y ∈ k mit |x− y| < ε ⇐⇒ v(x− y) > m, also gilt

|y| ≤ max{|y − x|, |x|} ≤ max{ε, 1} = 1 .

y ∈ k gehort also zum Bewertungsring {x ∈ k | v(x) ≥ 0} = R(p) von v in k. Also y = rs

mit r, s ∈ R, s 6∈ p. Zu r, s ∈ R existiert nach dem Chinesischen Restsatz dann ein a ∈ Rmit

a ≡ r mod pm+1 , a ≡ s mod qvq(s)+1 fur vq(s) > 0 .

Wir setzen nun z = as. Dann gilt x− z = x− y + y − z = (x− y) + r−a

sund daher wegen

s 6∈ p =⇒ v(s) = 0

v(x− z) ≥ min{v(x− y), v(r− a)} > m bzw. |x− z| < c−m = ε .

Wir zeigen nun z ∈ R. Fur Primideale q mit vq(s) > 0 folgert man

a ≡ s mod qvq(s)+1 =⇒ vq(a− s) ≥ vq(s) + 1 > vq(s)

=⇒ vq(a) = vq(a− s + s) =(5.13)

min{vq(a− s), vq(s)} = vq(s)

und daher vq(z) = vq(as) = 0. Fur die anderen q mit vq(s) = 0 gilt naturlich vq(z) =

vq(a) ≥ 0. Insgesamt gilt vq(z) ≥ 0 fur alle q ∈ PR und somit z ∈ R. Es liegt also in jederε-Umgebung von x ein z ∈ R.c) Eine Umgebungsbasis der 0 ist

{x ∈ k | |x| < c−n} = {x ∈ k | v(x) ≥ n} = pn (n ∈ IN) .

p = {x ∈ kp | v(x) > 0} ist offen, also auch alle Nebenklassen x + p und damit auch R alsVereinigung. Mit derselben Argumentation folgt aber auch, dass p und alle Potenzen ab-geschlossen sind, denn das jeweilige Komplement ist als Vereinigung offener Nebenklassenselbst offen.d) Fur π ∈ R, v(π) = 1 und r ∈ ZZ , αj ∈ R (j ∈ ZZ, j ≥ r) ist die Folge

sn :=n∑

j=r

αjπj (n ≥ r)

85

Page 89: Norbert Klingen - Mathematisches Institut Universität zu Kölnklingen/algzth.pdfBeweis der Mordellschen Vermutung (Gerd Faltings 1983, Fields Medaille 1986) oder der Beweis von Fermats

cauchykonvergent, denn fur beliebige m ≥ n ist

v(

m∑

j=n

αjπj) ≥ min{v(αj) + j | n ≤ j ≤ m} ≥ min{j | n ≤ j} = n .

bzw. in multiplikativer Schreibweise

|m∑

j=n

αjπj | ≤ c−n .

Im vollstandigen Korper k existiert dann der Grenzwert∞∑

j=r

αjπj .

Sei x der Grenzwert einer solchen Reihe. Wegen 0 6= αr ∈ R gilt 0 6= αr ∈ R/p, alsoαr 6∈ p, vp(αr) = 0. Damit ist v(αrπ

r) = r und αrπr der einzige Summand mit dem

minimalen v-Wert, nach dem Zusatz (5.13) zur nicht-archimedischen Dreiecksungleichungalso

v(

m∑

j=r

αjπj) = r fur alle m ∈ IN

und dann fur den Grenzwert x ebenfalls v(x) = r.Sei nun umgekehrt x ∈ k×. Wegen der Isomorphie der Restklassenkorper (siehe b)) istR auch ein Reprasentantensystem fur R/p = R/πR. Wir setzen r := v(x) ∈ ZZ, alsov(xπ−r) = 0 und folglich xπ−r ∈ R \ p. Dann existiert eindeutig αr ∈ R, αr 6= 0 mit

xπ−r ≡ αr mod p ⇐⇒ xπ−r − αr ∈ πR ⇐⇒ x− αrπr ∈ πr+1R .

Induktiv findet man nun eindeutig bestimmte αj ∈ R mit x −n∑

j=r

αjπj ∈ πn+1R. Dann

gilt fur alle n ∈ IN

v(x−n∑

j=r

αjπj) ≥ n + 1 ⇐⇒ |x−

n∑

j=r

αjπj| ≤ c−(n+1) .

d. h. x ist der Grenzwert der Reihe∑j≥r

αjπj.

e) Sei R kompakt. Wir betrachten die offene Uberdeckung von R durch die Nebenklassenvon p. Diese muss eine endliche Teiluberdeckung enthalten; da sie aber disjunkt ist, musssie selbst endlich sein: Die Anzahl der Nebenklassen ist endlich, R/p ist endlich.Sei nun umgekehrt Oi (i ∈ I) eine beliebige offene Uberdeckung von R, die o. E. die Form

Oi = ai + πniR

hat (siehe c)). Wir nehmen an, es gibt keine endliche Teiluberdeckung. Dann muss eineder endlich vielen Nebenklassen von p = πR existieren, etwa α0 + πR, die ebenfalls nichtvon endlich vielen der Oi uberdeckt werden kann. Induktiv findet man αj ∈ R (sogar inR, vgl. d)), so dass

α0 + α1π + . . . + αmπm + πm+1R

nicht durch endlich viele der Oi uberdeckt werden kann. Wir betrachten dann den Limes(vgl. d))

A =∞∑

j=0

αjπj

86

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im vollstandigen Korper k. Es ist v(A) ≥ v(αj) + j ≥ 0, also liegt A in R und damit in

einer der offenen Mengen Oi = ai + πniR. Dann erhalt man jedoch den Widerspruch

Oi ⊇ A + πniR =

ni−1∑

j=0

αjπj + πniR .

(5.16) Satz: Sei K eine endlich separable Erweiterung eines diskret bewertetenvollstandigen Korpers k. Dann gilt:a) Es gibt genau eine Fortsetzung der Bewertung von k auf K und K ist vollstandig. DerBewertungsring von K ist der ganze Abschluss S des Bewertungsringes R von k.b) Es gilt (K : k) = ef mit e = e(K|k) und f = f(K|k).c) S ist ein endlich erzeugter freier R-Modul.d) Ist die Restklassenkorpererweiterung K|k separabel, so gilt S = R[α] fur ein α ∈ S.

Beweis: a) Sei R der diskrete Bewertungsring von k und S der ganze Abschlussin K. Damit ist nach Satz (3.1) S ein Dedekindring und dieser hat nur endlich vielePrimideale Pi, da diese alle uber dem einzigen Primideal p von R liegen. Seien wi diedadurch bestimmten normierten Bewertungen von K. Diese definieren Absolutbetrage‖ . . .‖i auf K, die den Absolutbetrag | . . . | von k fortsetzen. Ein solcher Absolutbetrag isteine Norm auf dem Vektorraum K uber (k, | . . . |), d. h. er erfullt neben der Definitheit‖x‖i = 0 ⇐⇒ x = 0 und der Dreiecksungleichung ‖x + y‖i ≤ ‖x‖i + ‖y‖i die Bedingung‖λx‖i = |λ| · ‖x‖i fur x ∈ K, λ ∈ k:

‖λx‖i = ‖λ‖i · ‖x‖i = |λ| · ‖x‖i .

(5.17) Lemma: Die durch eine beliebige Norm auf einem endlich-dimensionalen Vek-torraum V uber einem vollstandigen Korper definierte Topologie ist die Produkttopologieund V dann vollstandig.

Beweis: : Es genugt die erste Aussage zu beweisen, da ein endlich dimensionaler Vek-torraum uber einem vollstandigen Korper bzgl. der Produkttopologie (komponentenweiseKonvergenz) vollstandig ist.Die Produkttopologie auf V wird erzeugt durch die Maximumsnorm ‖ . . .‖ bzgl. irgendei-ner fest gewahlten Basis v1, . . . , vn von V :

‖n∑

j=1

xjvj‖ = max1≤j≤n

|xj | .

Aus der Dreiecksungleichung fur die vorgegebene Norm ‖ . . .‖i erhalten wir die folgendeAbschatzung gegen die Maximumsnorm:

‖x‖i =∥∥ ∑

j

xjvj

∥∥i≤

j

‖xjvj‖i =∑

j

|xj | · ‖vj‖i ≤ maxj|xj | ·

j

‖vj‖i =: C‖x‖

mit der Konstanten Ci =∑j

‖vj‖i.

Im Falle n = 1 fehlt die Summation und es gilt sogar die Gleichheit ‖ . . .‖i = C‖ . . .‖ unddamit die Aussage von Lemma (5.17).Sei nun n ≥ 2 und die Behauptung fur alle niederdimensionalen normierten Vektorraumerichtig. Wir wollen die umgekehrte Abschatzung ‖ . . .‖ ≤ ci‖ . . .‖i beweisen.Wir nehmen an, es gibt kein solches ci ∈ IR. Dann existieren fur jedes l ∈ IN Elementex(l) ∈ V mit ‖x(l)‖ > l‖x(l)‖i, also

‖x(l)‖i =∥∥

n∑

j=1

x(l)j vj

∥∥i<

1

l‖x(l)‖ .

87

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Durch Permutation der Komponenten kann man o.E. annehmen ‖x(l)‖ = maxj|x(l)

j | = |x(l)n |

und nach Division durch x(l)n ∈ k× erhalten wir o. E. x

(l)n = 1 und damit:

0 < ‖n−1∑

j=1

x(l)j vj + vn‖i <

1

l.

Damit ist x(l) =n−1∑j=1

x(l)j vj + vn eine Nullfolge, und y(l) :=

n−1∑j=1

x(l)j vj konvergent mit

Grenzwert −vn. Aber die y(l) liegen im (n − 1)-dimensionalen Unterraum U =n−1⊕j=1

kvj ,

der nach Induktionsvoraussetzung bzgl. ‖ . . .‖i vollstandig und daher abgeschlossen ist inV . Also lim

l→∞y(l) = −vn ∈ U , Widerspruch zur linearen Unabhangigkeit der vi.

Wir setzen den Beweis von (5.16) fort. Nach (5.17) bestimmen alle Absolutbetrage‖ . . .‖i dieselbe vollstandige Topologie auf K, sie sind daher aquivalent (Prop. (5.14) b)).Damit stimmen ihre Bewertungsringe Rwi

= {x ∈ K | wi(x) ≥ 0} = {x ∈ K | ‖x‖i ≤ 1}und nach (5.8) b) dann auch ihre normierten Bewertungen wi uberein. Es gibt im ganzenAbschluss S von R also nur ein Primideal und S ist der Bewertungsring von K.b) folgt aus Satz (3.6), da es nur ein Primideal P in S gibt.c) folgt aus dem Hauptsatz uber endlich erzeugte Moduln uber Hauptidealringen (vgl.Ubung 2), denn R ist ein Hauptidealring und S nach Satz (3.1) endlich erzeugt uber R.d) Sei K = k(α) und g ∈ R[X ] ein Urbild des Minimalpolynoms fα,k von α uber k. Mankann dann α ∈ S so wahlen, dass g(α) ein Primelement in S ist.Begrundung: Es seien w|v die Bewertungen von K|k und P|p die Bewertungsideale. Wegeng(α) = 0 ist g(α) ∈ P, also w(g(α)) ≥ 1. Im Falle w(g(α)) ≥ 2 wahlen wir Π mit w(Π) = 1und α1 = α + Π. Dann ist α1 = α und

g(α1) = g(α + Π) = g(α) + g′(α)Π + βΠ2 , β ∈ S .

Da α separabel ist, ist g′(α) = f ′α,k6= 0, also g′(α) 6∈ P und daher w(g′(α)Π) = w(Π) = 1,

wahrend nach Annahme w(g(α)) ≥ 2 und stets w(bΠ2) ≥ 2 ist. Damit gilt nach demZusatz zur nicht-archimedischen Dreiecksungleichung

w(g(α1)) =(5.13)

min{w(g(α)), w(g′(α)Π), w(bΠ2)} = 1 .

α1 ist also Urbild von α und g(α1) ein Primelement fur P (bzw. fur K).

Sei jetzt also α ∈ S so, dass Π := g(α) ein Primelement von K ist. Das nachfolgendeLemma zeigt, dass dann das System

αjΠi = αjg(α)i ∈ R[α] (j = 0, . . . , f − 1 , i = 0, . . . , e− 1)

eine Ganzheitsbasis von K|k ist, also S = R[α] ist.

(5.18) Lemma: Es sei K|k eine separable Erweiterung vollstandig diskret bewer-teter Korper und uj beliebige Urbilder einer k-Basis uj (j = 1, . . . , f) von K. Weiter sei eder Verzweigungsindex von K|k und Π ein Primelement fur K. Dann bilden die Produkte

ujΠi (j = 1, . . . , f , i = 0, . . . , e− 1)

eine Ganzheitsbasis fur K|k.

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Speziell im unverzweigten Falle (e = 1) bilden Urbilder einer Basis der Restklassenerwei-terung immer eine Ganzheitsbasis und im rein-verzweigten Falle (f = 1) erzeugt jedesPrimelement eine Potenzganzheitsbasis.

Beweis: Es seien S|R die Bewertungsringe und P|p die Bewertungsideale der Erweite-rung K|k. Da im lokalen Fall die Anzahl der Elemente ef = (K : k) ist (siehe Satz (5.16)b)), genugt es zu zeigen, dass sie ein Erzeugendensystem bilden:

S =∑

ij

RujΠi =: M .

Wir setzen N :=∑

j Ruj und haben M =∑

i NΠi. Dann gilt S = N + SΠ denn:

α ∈ S =⇒∨

aj∈R

α ≡∑

j

ajuj mod P =⇒ α ∈ N + P = N + SΠ .

Induktiv folgt dann

S = N +SΠ = N +(N +SΠ)Π = N +NΠ+SΠ2 = . . . = N +NΠ+ . . .+NΠe−1 +SΠe ,

also S = M+Pe. Da im lokalen Fall P das einzige Primideal von K uber p ist, gilt Pe = pSund damit S = M + pS. Da S ein endlich erzeugter R-Modul ist (siehe Satz (3.1)) istauch S := S/M endlich erzeugter R-Modul. Sei si ein minimales Erzeugendensystem vonS und wir nehmen an, dass es nicht leer ist. Wegen S = S/M = (M + pS)/M = pS gilt

s1 =∑

i

risi mit ri ∈ p .

=⇒ (1− r1)s1 =∑

i≥2

risi mit 1− r1 ∈ R \ p = R× .

=⇒ s1 =∑

i≥2

r′isi mit r′i ∈ R.

Dies widerspricht der Minimalitat des gewahlten Erzeugendensystems, also ist S = 0 undS = M .

Fur die Komplettierungen von Dedekindringen ergibt sich daraus das folgende

(5.19) Korollar: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, K|k eine endlichseparable Erweiterung, S der ganze Abschluss von R in K und P|p Primideale in S|R.Wir betrachten die Komplettierungen KP bzw. kp sowie ihre Bewertungsringe SP bzw.

Rp und Bewertungsideale P bzw. p. Dann gilt:

a) e(P|p) = e(P|p) und f(P|p) = f(P|p).b) Es ist KP = Kkp und (KP : kp) = eK|k(P) · fK|k(P).c) Der Bewertungsring SP ist ganz uber Rp.d) SP ist ein endlich erzeugter freier Rp-Modul.e) Ist die Restklassenkorpererweiterung KP|kp separabel, so besitzt SP eine Potenzganz-

heitsbasis uber Rp, d. h. ein α mit SP =ef−1⊕

j=0Rpα

j .

Beweis: a) Folgt mit der Multiplikativitat von e und f aus (5.16) b).b) Ist K = k(α), so ist Kkp = kp(α) eine endlich separable Erweiterung von kp, also nach(5.16) diskret bewertet bzgl. einer eindeutig bestimmten Bewertung, dies muss die von KP

induzierte Bewertung sein. Da Kkp nach (5.16) a) auch vollstandig ist, muss Kkp = KP

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sein. Die Gradaussage folgt dann aus a) und (5.16) b).Der Rest folgt aus (5.16).

d. Lokale Verzweigung. Aufgrund von Korollar (5.19) kann man zur Untersuchungvon Restklassengrad und Verzweigungsindex von der globalen Erweiterung K|k zur Kom-plettierung (der lokalen Erweiterung) ubergehen, deren Struktur deutlich einfacher ist: DieRinge sind Hauptidealringe, sie haben nur ein maximales Ideal, so dass keine Zerlegungstattfindet, die Erweiterungsringe besitzen in der Regel Potenzganzheitsbasen, wodurchsich viele der in §§3,4 gefundenen Ergebnisse vereinfachen.

Im Folgenden sei daher K|k eine endlich separable Erweiterung von vollstandigdiskret bewerteten Korpern mit den normierten Bewertungen w bzw. v, den Bewertungs-ringen S|R, Bewertungsidealen P|p und Restklassenkorpern K = S/P | k = R/p. Es seienΠ bzw. π Primelemente von K bzw. k, d. h. ΠS = P | πR = p.

Mit obigen Bezeichnungen gelten die folgenden aquivalenten Beschreibungen des Ver-zweigungsindex e := e(K|k) lokaler Korper:

w |k = e · v ⇐⇒ w(π) = e ⇐⇒ Π = ε · πe mit ε ∈ S×

Wir studieren zunachst die unverzweigten Erweiterungen. Fur eine kompakte For-mulierung der nachfolgenden Resultate verscharfen wir unsere Definition der Unverzweigt-heit wie folgt:

P|p unverzweigt :⇐⇒ e(P|p) = 1 ∧ KP|kp separabel .

Bei endlichen Restklassenkorpern kp ist die Separabilitat zwangslaufig erfullt, da derenErweiterungen sogar galoissch sind (siehe Fakten uber endliche Korper, S. 54), weshalbwir sie fruher nicht explizit gefordert hatten.

(5.20) Satz: (Unverzweigte lokale Erweiterungen) Sei K|k eine separable Erweiterungvollstandig diskret bewerteter Korper mit endlichen Restklassenkorpern K|k und α einganzes Element in K.a) Ist K|k unverzweigt und K = k(α), so erzeugt α eine Potenzganzheitsbasis von K|kund fα,k = fα,k.

b) Ist K = k(α), g(α) = 0 eine normierte ganze Gleichung fur α und g ∈ k[X ] separabel,so ist K|k unverzweigt und K = k(α).

Beweis: a) Sei f = fα,k ∈ k[X ] das Minimalpolynom des ganzen Elementes α ∈ Kuber k. Dann gilt f(α) = 0 und daher fα,k | f . Da K|k unverzweigt ist, gilt

deg f = deg f = (k(α): k) ≤ (K: k) = (K: k) = deg fα,k ≤ deg f .

Damit gilt uberall Gleichheit, also folgt K = k(α) und die Behauptung uber die Minimal-polynome. Die Aussage uber die Potenzganzheitsbasis wurde in Lemma (5.18) (mit e = 1und uj = αj) bewiesen.b) Sei N die galoissche Hulle von K|k. Nach Satz (5.16) ist N dann ebenfalls ein vollstandigdiskret bewerteter Korper und der ganze Abschluss in N ein Hauptidealring mit nur einemPrimideal Q. Also gilt σQ = Q fur jeden Automorphismus σ ∈ G(N |k), so dass jedes σeinen k-Automorphismus σ : x + Q 7→ σx + Q von N induziert. Daher gibt es zu je zweibeliebigen Wurzeln α, β von fα,k einen k-Monomorphismus σ mit σ(α) = β, also sind jezwei Wurzeln von fα,k uber k konjugiert und mithin Wurzeln von fα,k . fα,k kann also keine

verschiedenen Primteiler in k[X ] haben, d. h. fα,k = (fα,k)e. Wegen fα,k | g ist fα,k | gebenfalls separabel und es folgt e = 1, fα,k = fα,k und K|k ist unverzweigt.

Die in b) nicht vorausgesetzte Irreduzibilitat von g hat folgende beispielhafte

90

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Anwendung: Qp enthalt die Gruppe µp−1 der p− 1-ten Einheitswurzeln.Begrundung: Sei K = Qp(ζp−1) |Qp = k, g = Xp−1 − 1. Dann ist g(ζp−1) = 0

und g ∈ IF p[X ] = k[X ] zerfallt uber IF p in verschiedene Linearfaktoren, ist insbesondereseparabel. Gemaß (5.20) b) ist dann K = Qp(ζp−1)|k unverzweigt und K = k(ζp−1) = IF p.

Also (K : k) = (K : k) = 1 und ζp−1 ∈ K = Qp.

(5.21) Korollar: Sei k ein vollstandig diskret bewerteter Korper.a) Dann gilt fur K1, K2|k endlich separabel:

K1|k unverzweigt =⇒ K1K2|K2 unverzweigt .

K1, K2|k unverzweigt =⇒ K1K2|k unverzweigt .

b) Ist K|k separabel, so hat man folgende Bijektion

{k ⊂ L ⊂ K | L|k unverzweigt

}∼→

{k ⊂ L ⊂ K | L|k separabel

}, L 7→ L

mit der Umkehrung k(β) 7→ L = k(α) ⇐⇒ g = fβ,k ∧ g(α) = 0 (siehe (5.20) b).c) In jeder separablen Erweiterung K|k gibt es genau eine maximale (die großte) unver-zweigte Erweiterung Knr|k; ihre Zwischenkorper sind genau die unverzweigten Erweite-rungen von k in K; ihr Restklassenkorper Knr ist die großte separable Erweiterung Ksep|kin K.

Beweis: a) Ist K1|k unverzweigt, so ist K1|k separabel, also K1 = k(α) und dannnach (5.20) a) fα,k separabel. Die Anwendung von (5.20) b) auf K1K2 = K2(α) undf = fα,k ∈ K2[X ] liefert die Unverzweigtheit von K1K2|K2.Die zweite Behauptung von a) folgt aus der ersten aufgrund der Multiplikativitat e(K|k) =e(K1K2|K2)·e(K2|k) = 1 sowie der Transitivitat der Separabilitat im Korperturm K|K2k.b) Nach (5.20) ist nur die Injektivitat zu begrunden und wegen a) dieses Korollars kannman K1 ⊂ K2 voraussetzen. Wegen der Unverzweigtheit folgt bei gleichem Restklas-senkorper die Gradgleichheit und damit die Gleichheit der Ki.c) Das Kompositum aller unverzweigten Erweiterungen von k in K ist nach a) selbst un-verzweigt und damit die großte unverzweigte Erweiterung von k in K. Die Teilkorper sindwegen der Multiplikativitat von e naturlich alle unverzweigt uber k und der Rest folgt ausb).

Das Gegenstuck zu unverzweigten Erweiterungen sind die rein-verzweigten Erwei-terungen. Fur lokale Erweiterungen K|k bedeutet dies

K|k rein-verzweigt ⇐⇒ e(K|k) = (K : k) ⇐⇒ f(K|k) = 1 ⇐⇒ K = k .

Im Falle separabler Restklassenerweiterungen ist K = Ksep = Knr und daher K|Knr rein-verzweigt. Dadurch wird K|k aufgeteilt in eine unverzweigte Erweiterung Knr|k und einerein-verzweigte Erweiterung K|Knr.

Wir werden nun die rein-verzweigten Erweiterungen als die sog. Eisenstein-Erweite-rungen charakterisieren.

(5.22) Definition: Sei k diskret bewertet durch eine Bewertung v. Ein normiertes

separables Polynom f = Xn +n−1∑j=0

ajXj ∈ k[X ] ist ein Eisenstein-Polynom (bzgl. v) genau

dann, wennv(aj) ≥ 1 fur 0 ≤ j < n , v(a0) = 1 .

(5.23) Satz: (Rein-verzweigte lokale Erweiterungen) Es sei k ein vollstandig diskretbewerteter Korper. Dann gilt:

91

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a) Ist K|k eine separable, rein-verzweigte Erweiterung und Π ein Primelement von K,so erzeugt Π eine Potenzganzheitsbasis von K|k und das Minimalpolynom fΠ,k ist einEisenstein-Polynom uber k.

b) Umgekehrt ist jedes Eisenstein-Polynom f ∈ k[X ] irreduzibel, und ist Π eine Wurzelvon f , so ist K := k(Π)|k rein-verzweigt und Π ein Primelement von K.

c) Zu jedem e ∈ IN gibt es eine separable rein-verzweigte Erweiterung K von k vom Grade (z. B. erzeugt durch eine Wurzel von Xe − πX − π fur ein Primelement π von k).

Beweis: a) Π erzeugt im rein-verzweigten Fall (f(K|k) = 1) gemaß Lemma (5.18)eine Potenzganzheitsbasis, insbesondere ist k(Π) = K. Daher hat das Minimalpolynom

von Π den Grad (k(Π): k) = (K: k) = e(K|k) =: e. Sei also f = Xe +e−1∑j=0

ajXj das

Minimalpolynom von Π uber k. Wegen f(K|k) = 1) ist die Norm N (ΠRK) = N (P) = p

und daher v(a0) = v(±N (Π)) = v(NP) = v(p) = 1.

Wir schließen induktiv weiter und setzen fur 0 ≤ j < l < e voraus: v(aj) ≥ 1, alsow(aj) ≥ e. Dann folgt

−alΠl =

l−1∑

j=0

ajΠj +

e−1∑

j=l+1

ajΠj + Πe

=⇒ w(alΠl) ≥ min

{w(

l−1∑

j=0

ajΠj)

︸ ︷︷ ︸≥min w(aj)≥e

, w(

e−1∑

j=l+1

ajΠj)

︸ ︷︷ ︸≥min j≥l+1

, w(Πe)︸ ︷︷ ︸=e

}≥ l + 1

=⇒ w(al) = w(alΠl)− w(Πl) ≥ l + 1− l = 1 =⇒ v(al) ≥ 1 .

Damit ist f ein Eisenstein-Polynom (bzgl. v).

b) Sei f ∈ k[X ] ein Eisensteinpolynom, Π eine Wurzel und K := k(Π). Wir setzen d :=deg f , n := (K: k), e := e(K|k). Weiter seien w|v die normierten Bewertungen von K|k,also w |k = ev. Da f normiert und ganzzahlig ist, ist Π ganz, also w(Π) ≥ 0. Es ist

w(Πd) = w(

d−1∑

j=0

ajΠj) ≥ min

jw(ajΠ

j) ≥ minj

ev(aj) ≥ e ≥ 1 , also w(Π) ≥ 1 .

Daraus folgt dann fur die Summe ab j = 1

w(

d−1∑

j=1

ajΠj) ≥ min{ev(aj) + j | j = 1, . . . , d− 1} ≥ e + 1 ,

wahrend nach Voraussetzung w(a0) = ev(a0) = e ist. Der Zusatz zur nicht-archimedischenDreiecksungleichung liefert dann

w(Πd) = w(a0 +

d−1∑

j=1

ajΠj) =

(5.13)w(a0) = e .

Dies ergibt folgende Ungleichungskette

e = dw(Π) ≥ nw(Π) ≥ ew(Π) ≥ e ,

92

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in der dann uberall Gleichheit gelten muss, also

d = n ⇐⇒ deg f = (K: k) = (k(Π): k) = deg fΠ,k ⇐⇒ f = fΠ,k irreduzibel ,

n = e ⇐⇒ (K : k) = e(K|k) ⇐⇒ K|k rein verzweigt ,

w(Π) = 1 ⇐⇒ Π Primelement von K .

c) Klar. (Das lineare Glied sichert die Separabilitat von f .)

Die dritte Kategorie in diesem Abschnitt sind die sog. zahm-verzweigten Erweiterun-gen. Wir erinnern uns:

P|p zahm-verzweigt ⇐⇒ char kp 6 | e(P|p) .

Unter dieser Zusatzvoraussetzung kann man die rein-verzweigten Erweiterungen durch dieeinfachsten Eisensteinpolynome Xe−π erzeugen, sie sind dann also Radikalerweiterungenk( e√

π) mit einem Primelement π von k als Radikand.

(5.24) Satz: (Zahm-verzweigte lokale Erweiterungen) Sei k ein vollstandig diskretbewerteter Korper.a) Ist eine rein-verzweigte Erweiterung K|k zusatzlich zahm-verzweigt, so wird sie erzeugtvon einem Primelement Π von K mit dem Minimalpolynom fΠ,k = Xe − π, wobei π einPrimelement von k ist. Also ist K eine Radikalerweiterung K = k( e

√π).

b) Sei umgekehrt e ∈ IN mit char k = p 6 | e und a ∈ k mit v(a) ≥ 0. Dann erzeugt jedeWurzel von Xe − a eine zahm-verzweigte Erweiterung K|k, und diese ist rein-verzweigtgenau dann, wenn ggT(e, v(a)) = 1.c) Die rein-zahm-verzweigten Erweiterungen vom Grad e uber k, char k 6 | e, sind genau dieErweiterungen, die von einer e-ten Wurzel e

√π aus einem Primelement π von k erzeugt

werden.

Beweis: a) Es sei e = (K : k) der Verzweigungsindex=Korpergrad der rein-verzweig-ten Erweiterung K|k. Dann gilt fur Primelemente π0 bzw. Π von k bzw. K w(Πe) = e =ev(π0) = w(π0) und folglich Πe = επ0 mit w(ε) = 0. Da K|k rein-verzweigt ist, ist K = kund es gibt ein ε0 ∈ k mit ε ≡ ε0 mod P, also w(x) := w(ε−ε0) ≥ 1 und w(ε0) = 0. Danngilt

Πe = π0ε = π0(ε0 + x) = π0ε0 + π0x =: π + y

mit y := π0x ∈ K, w(y) = w(π0) + w(x) > w(π0) = e und π := π0ε0 ∈ k mit w(π) =w(π0) = e. Insbesondere gilt

w(Πe − π) = w(y) > e = w(π) .

Sei jetzt f(X) = Xe− π. Da K|k zahm-verzweigt ist, ist char k kein Teiler von e, also gilterst recht chark 6 | e (denn char k = p 6= 0 =⇒ char k = p), so dass f ′(X) = eXe−1 6= 0keine Wurzel mit f(X) gemeinsam hat, f also separabel ist. α1, . . . , αe die (verschiedenen)Wurzeln von f in einer galoisschen Erweiterung N |k, so gilt zunachst fur alle j

w(αej) = w(π) = ev(π) = e , also w(αj) = 1 .

Zusammen mit char k 6 | e ⇐⇒ 0 6= e ∈ k ⇐⇒ v(e) = 0 ⇐⇒ w(e) = 0 ergibt dies

w(f ′(α1)) = w(eαe−11 ) = (e− 1)w(α1) = e − 1 ,

w(f ′(α1)) = w(e∏

j=2

(α1 − αj) =e∑

j=2

w(α1 − αj) ≥e∑

j=2

min{w(α1), w(αj)} = e− 1 .

93

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so dass fur alle j ≥ 2 gilt w(α1 − αj) = w(α1) = 1.Aufgrund unserer obigen Wahl von π gilt

e < w(Πe − π) = w(f(Π))) =

e∑

j=1

w(Π− αj) ,

dass fur wenigstens einen Summanden (o.E. j = 1) w(Π−α1) > 1 gilt. Dies ergibt fur allej ≥ 2

w(Π− α1) > 1 = w(α1) = w(α1 − αj) .

Dies bedeutet topologisch gesprochen, dass α1 naher bei Π liegt als bei seinen Konju-gierten αj 6= α1. Das nachfolgende Lemma von Krasner zeigt dann α1 ∈ k(Π) und ausGradgrunden k(α1) = K. Die Wurzel α1 = e

√π ist dann naturlich ein Primelement von

K.

(5.25) Lemma von Krasner: Sei K|k eine endliche normale Erweiterung voll-standig diskret bewerteter Korper mit Bewertung w, α, β ∈ K algebraisch uber k und αseparabel uber k(β). Dann gilt:Liegt α naher bei β als bei allen seinen k-Konjugierten, so liegt α in k(β).Das bedeutet ausfuhrlich

w(β − α) > w(σα− α) fur alle k-Monomorphismen id 6= σ : N → N =⇒ α ∈ k(β) .

Beweis: Sei N die galoissche Hulle von k(α, β)|k(β). Wir zeigen τ(α) = α fur jedesτ ∈ G(N |k(β)), so dass nach Galoistheorie α ∈ k(β) folgt.Ist τ ∈ G(N |k(β)), so ist neben w auch w◦τ eine Fortsetzung der Bewertung w |k(β). Nach

(5.16) a) gibt es nur eine Fortsetzung, also gilt w = w ◦ τ und daher

w(β − τα) = w(τβ − τα) = w(β − α) > w(σα− α)

=⇒ w(τα− α) = w(τα− β + β − α) ≥ min{w(τα− β), w(β − α)} > w(σα− α)

fur alle σ 6= id. Die letzte Abschatzung ist aber nur fur τ = id ⇐⇒ τ(α) = α keinWiderspruch.

Beweis von (5.24) (Fortsetzung):ad b) Sei a = επr mit einem Primelement π von k und v(ε) = 0, also r = v(a). Istα eine Wurzel von f(X) = Xe − a, so gilt k(α) ⊂ k(ζe, e

√ε, e√

π). Wegen char k 6 | e istg(X) = Xe− ε separabel (g′(X) = eXe−1 hat nur 0 als Wurzel, ε 6= 0) und daher erzeugtjede Wurzel von g eine unverzweigte Erweiterung von k (Satz (5.20) b)) und folglich istder Zerfallungskorper N := k(ζe,

e√

ε)|k unverzweigt. Das Primelement π von k ist alsoauch Primelement von N und daher das Polynom Xe − π ein Eisenstein-Polynom. Nach(5.23) b) ist daher die Erweiterung N( e

√π)|N reinverzweigt und wegen char k 6 | e zahm-

verzweigt. Dann ist k(α) als Teilkorper der zahm-verzweigten Erweiterung N( e√

π)|k selbstzahm-verzweigt uber k.Seien nun e und r = v(a) teilerfremd, also se+ tr = 1 fur s, t ∈ ZZ . Wir setzen β = αtπs =a

te πs. Dann gilt fur die Bewertung w von k(α):

w(βe) = w(atπse) = tw(επr) + sew(π) = (tr + se)w(π) = w(π)

und damit w(π) = ew(β) ≥ e, also

e ≥ (k(α) : k) ≥ e(k(α)|k) ≥ e(k(β)|k) ≥ e .

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Damit ist (k(α): k) = e(k(α)|k) und k(α)|k rein-verzweigt.ad c): Diese letzte Bedingung ist insbesondere fur a = π, r = 1 erfullt und k( e

√π)|k

rein-zahm-verzweigt vom Grad e, womit c) aus a) und b) folgt.

e. Lokale Differente. Wir haben in den vorangehenden Abschnitten gesehen, dassVerzweigungsindex und Restklassengrad lokale Großen sind, d. h. dass sie sich durch dielokalen Erweiterungen KP|kp beschreiben lassen (Korollar (5.19)). Wir wollen nun zei-gen, dass sich auch die Differente lokal bestimmen lasst. Dadurch wird der Beweis desDifferentensatzes (3.20) auf die lokale Situation zuruckgefuhrt und in dieser kann manihn aufgrund der in Abschnitt c. gewonnenen genauen Kenntnis der Verzweigung (Satze(5.20), (5.23)) beweisen.

(5.26) Satz: Es sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k, K|k eine endlichseparable Erweiterung, S der ganze Abschluss von R in K. Dann gilt fur die DifferenteDK|k = DS|R:a) Differenten sind multiplikativ in Korperturmen:

K|L|k separabel =⇒ DK|k = DK|LDL|k .

b) Differentenbildung und Quotientenringbildung sind vertraglich, d. h. fur eine multipli-kative Teilmenge T im Grundring R gilt

T−1DS|R = DST |RT.

c) Differentenbildung und Komplettierung sind vertraglich, d. h. fur Primideale P|p vonS|R gilt

DS|RSP = DSP|Rp.

d) Die globale Differente ist Produkt der lokalen Differenten:

DK|k =∏

P∈PS

DKP|kp:=

P∈PS

(DKP|kp

∩ S)

(p = P∩ k) .

Dies bedeutet explizit:

vP(DK|k) = vP(DKP|kp) fur alle P ∈ PS , p := P ∩ k .

[Beachten Sie die unterschiedlichen Ringe, in denen die Differenten Ideale sind, sowie dienaturlichen Abbildungen zwischen den verschiedenen Idealgruppen (siehe Prop. (3.2), Satz(5.4) und Prop. (5.6) sowie Satz (5.15), aber auch die Bemerkungen im folgenden Beweis).

Beweis: a) Die behauptete Gleichung ist eine Identitat in der Idealgruppe von S, dierechte Seite also zu verstehen als DK|L ·DL|kS / S (vgl. Prop. (3.2)).Wir erinnern an die Definition: Die Differente DK|k ist das Inverse des Dualmoduls

CK|k = CS|R = S∗ = {x ∈ K | TrK|k(xS) ⊂ R} .

Es ist also zu zeigen (mit SL = S ∩ L)

CK|k = CK|LCL|kS ⇐⇒ CS|R = CS|SLCSL|RS .

Die Inklusion ⊇ folgt aus

TrK|k

(CS|SL

CSL|RS)

= TrL|k

(TrK|L

(CS|SL

CSL|RS))

= TrL|k

(CSL|RTrK|L

(CS|SL

S))⊂ TrL|k

(CSL|RSL

)⊂ R

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und ⊆ folgendermaßen:

TrK|k(CS|RS) = TrK|k(CS|RSLS) = TrL|k

(SLTrK|L

(CS|RS

))⊂ R

=⇒ TrK|L

(CS|RS

)⊂ CSL|R =⇒ TrK|L

(C−1

SL|RCS|RS)

= C−1SL|RTrK|L

(CS|RS

)⊂ SL

=⇒ C−1SL|RCS|R ⊂ CS|SL

⇐⇒ CS|R ⊂ CS|SLCSL|RS .

b) ist wegen T ⊂ R und der R-Linearitat aller Spurabbildungen klar.c) Wegen b) kann man zur Lokalisierung R(p) und seinem ganzen Abschluss S(p) (sieheSatz (5.10)) ubergehen. Daher ist im folgenden o. E. R ein diskreter Bewertungsring mitp als einzigem maximalem Ideal. Wir wollen nun zeigen, dass fur alle P|p gilt:

CS|R liegt dicht in CSP|Rp.

Wir benutzen dazu die folgende Lokal-Global-Formel fur die Spur:

α ∈ K =⇒ TrK|k(α) =∑

P|p

TrKP|kp(α) (p ∈ Pk fest) .

[Sie ist eine Folge der fundamentalen∑

eifi = n Formel (Satz 3.6) und wird im nachfol-genden Lemma bewiesen.]Wir setzen abkurzend C := CS|R, CP := CSP|Rp

, Tr := TrK|k und TrP := TrKP|kp.

ad C ⊆ CP: Sei x ∈ C. Wir mussen zeigen TrP(xη) ∈ Rp fur alle η ∈ SP. Da S dicht in

SP liegt, gibt es zu η ∈ SP ein y1 ∈ S mit vP(y1 − η) ≥ −vP(x). Mit dem ChinesischenRestsatz finden wir ein y ∈ S mit

vP(y − y1) ≥ −vP(x) , vP′(y) ≥ −vP′(x) fur alle P′|p, P′ 6= P .

Das bedeutet: y liegt bzgl. vP hinreichend nahe bei y1 und damit auch bei η, denn

vP(y − η) ≥ min{vP(y − y1), vP(y1 − η)} ≥ −vP(x) .

Und bzgl. aller anderen vP′ liegt y ∈ S hinreichend nahe bei 0. [Wegen y ∈ S sind furvP′(x) ≥ 0 bzw. vP(x) ≥ 0 die jeweilig geforderten Abschatzungen automatisch erfullt.]Dann gilt wegen x ∈ C und y ∈ S

TrP(xy) +∑

P′ 6=P

TrP′(xy) = Tr(xy) ∈ R.

Nach Wahl von y ist xy ∈ SP′ und daher TrP′(xy) ∈ Rp fur alle P′ 6= P. Daraus folgt

TrP(xy) = Tr(xy)−∑

P′ 6=P

TrP′(xy) ∈ Rp .

Nach Wahl von y gilt x(η − y) ∈ SP und damit folgt die Behauptung

TrP(xη) = TrP(x(η− y)) + TrP(xy) ∈ Rp .

ad CP ⊆ C: Zu jedem ξ ∈ CP suchen wir in jeder Umgebung {x ∈ KP | vP(x− ξ) ≥ n}(n ∈ IN) von ξ ein x ∈ C. Da K dicht in KP ist, finden wir zunachst ein x1 ∈ K mitvP(x1−ξ) ≥ n. Sei x1 = a1

b mit a1, b ∈ S. Wir wahlen dann wieder nach dem Chinesischen

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Restsatz ein a ∈ S mit vP(a− a1) ≥ vP(b) + n und vP′(a) ≥ vP′(b) fur alle P′ 6= P. Wirerhalten dann fur x := a

b∈ K

vP(x− x1) = vP(a− a1)− vP(b) ≥ n

=⇒ vP(ξ − x) ≥ min{vP(ξ − x1), vP(x1 − x)} ≥ n ≥ 0 ,

sowie vP′(x) = vP′(a)− vP′(b) ≥ 0 fur alle P′ 6= P .

Damit liegt x in der vorgegebenen Umgebung von ξ und wir behaupten: x ∈ C, d. h.Tr(xy) ∈ R fur alle y ∈ S. Nun gilt fur y ∈ S

TrP(xy) = TrP((x− ξ)y)) + TrP(ξy) ∈ TrP(SP) + TrP(CPSP) ⊂ Rp

TrP′(xy) ∈ TrP′(SP′) ⊂ Rp fur alle P′ 6= P .

Also liegt Tr(xy) als Summe der lokalen Spuren ebenfalls in Rp, zugleich aber in k. Da Rein diskreter Bewertungsring ist, gilt k ∩ Rp = R und es folgt Tr(xy) ∈ R fur alle y ∈ S,d. h. x ∈ C.d) Die explizite Formulierung von d) folgt nun aus c) mittels Satz (5.15) b).

Bleibt die Lokal-Global-Formel fur die Spur zu beweisen. Wir zeigen scharfer dasfolgende Resultat als Folgerung aus Satz (3.6) und Korollar (5.19):

(5.27) Satz: Sei R ein Dedekindring mit Quotientenkorper k und K|k eine endlichseparable Erweiterung. Dann gilt fur festes p ∈ Pk und alle α ∈ K

NK|k(α) =∏

P|p

NKP|kp(α) , TrK|k(α) =

P|p

TrKP|kp(α) .

Beweis: Wegen der Multiplikativitat in Korperturmen kann o. E. α als primitivesElement von K|k angenommen werden. Sei f := fα,k ∈ k[X ] das (separable) Minimal-

polynom von α uber k. Wir fixieren eine feste algebraisch abgeschlosssene Hulle kp von

KP und feste Einbettungen K ⊂ KP ⊂ kp. Damit bestimmt α fur jedes P|p ein ElementαP ∈ KP und dieses ein Minimalpolynom fP := fαP,kp

uber kp.Waren zwei dieser Minimalpolynome gleich, so bestimmten sie isomorphe Stammkor-

per KP =(5.19)

kp(αP) ' kp(αP′) =(5.19)

KP′ uber kp. Aber nach Satz (5.16) ist auf endlich

separablen Erweiterungen vollstandiger Korper die Bewertung eindeutig und damit dannauch P = P′.

Nun ist jedes dieser Minimalpolynome fP ein (Primpolynom-)Teiler von f (in kp[X ])und somit ∏

P|p

fP | f .

Wir folgern nun aus Satz (3.6) und Korollar (5.19), dass das Produkt und f denselbenGrad haben und daher ubereinstimmen mussen:

deg f = (k(α): k) = (K: k) =(3.6)

P|p

e(P|p)f(P|p)

=(5.19)

P|p

(KP: kp) =(5.19)

P|p

(kp(α): kp) =∑

P|p

deg fP .

Aus dieser Polynomgleichung

f =∏

P|p

fP

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folgt die Behauptung, da sich die Norm des separablen Elementes α als absolutes Gliedund die Spur als zweithochster Koeffizient der jeweiligen Minimalpolynome beschreibenlassen.

Damit ist Satz (5.26) uber die funktoriellen Eigenschaften der Differente bewiesen undwir kommen zum abschließenden lokalen Differentensatz, aus dem sich unter Anwendungvon (5.26) der globale Differentensatz (3.20) ergibt.

(5.28) Satz: (Lokaler Differentensatz) Sei k ein vollstandig diskret bewerteter Kor-per mit Bewertung v und K|k eine endlich separable Erweiterung mit separabler Rest-klassenerweiterung K|k. Ist e der Verzweigungsindex von K|k, so gilt fur die DifferenteD := DK|k = Pm:

m = e− 1 fur char k 6 | e ⇐⇒ K|k zahm-verzweigt ,

e ≤ m ≤ e + ev(e)− 1 fur char k | e ⇐⇒ K|k wild-verzweigt .

Beweis: Sei S|R die Bewertungsringe und P|p die Bewertungsideale von K|k undw = vP die normierte Bewertung von K.Wir wollen zunachst die beiden Falle durch den Wert von v(e) charakterisieren. BeachtenSie, dass e eine naturliche Zahl ist, die vermoge e 7→ e.1k als Element in R interpretiertwird, also v(e) = v(e.1k) ≥ 0. Dann gilt

char k | e ⇐⇒ 0 = e.1k = e.1k ⇐⇒ e.1k ∈ p ⇐⇒ v(e) = v(e.1k) > 0

und folglich char k 6 | e ⇐⇒ v(e) = 0.Nach Satz (5.16) d) ist S = R[α] fur ein α, so dass wir die Differente gemaß Proposition

(3.18) explizit berechnen konnen als

D = C−1 = (S∗)−1 = f ′(α)S

wobei f = fα,k das Minimalpolynom von α uber k ist. Zum Beweis des Satzes mussen wiralso

m := w(f ′(α))

berechnen.Wegen der Separabilitat von K|k konnen wir K|k aus einer un- und einer rein-

verzweigten Erweiterung aufbauen (siehe Korollar (5.21) und anschließende Bemerkung).Wegen der Multiplikativitat der Differente in Korperturmen (siehe (5.26) a)) genugt esdaher die Berechnung von m fur un- und rein-verzweigte Erweiterungen getrennt durch-zufuhren.

1. Fall: K|k unverzweigt, e = 1: Nach Satz (5.20) besitzt K eine Potenzganzheits-basis erzeugt von α ∈ K mit einem Minimalpolynom f , fur das f = fα,k separabel ist.

Insbesondere gilt 0 6= f ′(α) d. h. f ′(α) 6∈ P und daher

m = w(f ′(α)) = 0 = e − 1 .

2. Fall: K|k rein-verzweigt, e = (K: k): Nach Satz (5.23) besitzt K eine Potenzganz-heitsbasis erzeugt von einem Primelement Π mit einem Eisensteinpolynom f als Minimal-polynom:

f(X) = Xe +

e−1∑

j=0

ajXj mit v(aj) ≥ 1, v(a0) = 1

=⇒ f ′(Π) = eΠe−1 +e−1∑

j=1

jajΠj−1

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2.1 Fall: K|k zahmverzweigt, d. h. v(e) = 0: Wegen w |k = ev gilt

w(eΠe−1) = ev(e) + e− 1 = e− 1 , w(jajΠj−1) = ev(jaj) + j − 1 ≥ ev(aj) ≥ e

=⇒ w(eΠe−1) < w(jajΠj−1) fur alle j 6= e

=⇒ m = w(f ′(Π)) =(5.13)

w(eΠe−1) = e− 1 .

2.2 Fall: K|k wild verzweigt, d. h. v(e) > 0: Dann gilt w(eΠe−1) = ev(e) + e − 1 ≥ eund daher jetzt m = w(f ′(Π)) ≥ e.Betrachtet man die einzelnen w-Werte nicht der Große nach sondern modulo e, so erhaltman (mit ae = 1)

w(jajΠj−1) = ev(jaj) + j − 1 ≡ j − 1 mod e (j = 1, . . . , e).

Damit sind diese Werte (modulo e) verschieden, das Minimum wird also fur nur ein jangenommen, so dass wieder mit der scharfen Dreiecksungleichung (5.13) folgt

m = w(f ′(Π)) =(5.13)

min{w(jaj) + j − 1 | 1 ≤ j ≤ e}

≤ w(eae) + e− 1 = ev(e) + e− 1 .

3. Allgemeiner Fall: Sei Knr|k die maximal unverzweigte Erweiterung von k in K.Dann ist nach dem 1. Fall DKnr|k das 1-Ideal. Wegen der Separabilitat von K|k ist Knr = Kund K|Knr rein-verzweigt. Also DK|Knr

= Pm mit m wie im Satz behauptet. (Man beachtedabei, dass e(K|k) = e(K|Knr) ist und naturlich char k = char K ist.) Nach Satz 5.26 a)ist dann

DK|k = DK|Knr= Pm

wie behauptet.

Korollar: Da nach Satz (5.26) c) die globale Differente Produkt der lokalen Diffe-renten ist, ist mit Satz (5.28) nun auch der Differentensatz (3.20) (sogar mit einer damalsnoch nicht formulierten Verscharfung durch eine Abschatzung nach oben) bewiesen – wo-bei wir aber voraussetzen, dass alle Restklassenerweiterungen KP|kp separabel sind. Diesist z. B. erfullt, wenn alle Restklassenkorper kp endlich sind. Die Formulierung von (3.20)ist dementsprechend angepasst.

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