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Der zerbrochne Krug ist ein Lustspiel von Heinrich von Kleist. Es gilt als eines seiner bekanntesten Werke. Die Komödie ist in Blankversen verfasst. Der zerbrochne Krug gehört zum Kanon der deutschen Literatur, ist weit verbreitete Schullektüre und diente mehrfach als Vorlage zu Opern und Filmen. Inhaltsverzeichnis [Verbergen] 1 Analytisches Drama und Vorbilder 2 Handlung 3 Zur Entstehung des Stücks 4 Epochenzuordnung 5 Interpretationen 5.1 Dorfrichter Adam als Komödiant 5.2 Der biblische Mythos vom Sündenfall 5.3 Historischer Kontext des Lustspiels 6 Adaptionen 6.1 Filme 6.2 Hörspiele 6.3 Opern 7 Hörbuch 8 Literatur 8.1 Werkausgabe 8.2 Sekundärliteratur 9 Weblinks 10 Einzelnachweise Analytisches Drama und Vorbilder[Bearbeiten] Dorfrichter Adam muss über eine Tat zu Gericht sitzen, die er selbst begangen hat. Die Handlung besteht in der Hauptsache aus einer Gerichtsverhandlung, die vollständig und in natürlichem Zeitverlauf wiedergegeben wird. Was verhandelt wird, hat sich jedoch in der Vergangenheit abgespielt und wird erst allmählich enthüllt. Das Stück

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Der zerbrochne Krug ist ein Lustspiel von Heinrich von Kleist. Es gilt als eines seiner bekanntesten Werke. Die Komödie ist in Blankversen verfasst. Der zerbrochne Krug gehört zum Kanon der deutschen Literatur, ist weit verbreitete Schullektüre und diente mehrfach als Vorlage zu Opern und Filmen.

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]

1 Analytisches Drama und Vorbilder

2 Handlung

3 Zur Entstehung des Stücks

4 Epochenzuordnung

5 Interpretationen

5.1 Dorfrichter Adam als Komödiant

5.2 Der biblische Mythos vom Sündenfall

5.3 Historischer Kontext des Lustspiels

6 Adaptionen

6.1 Filme

6.2 Hörspiele

6.3 Opern

7 Hörbuch

8 Literatur

8.1 Werkausgabe

8.2 Sekundärliteratur

9 Weblinks

10 Einzelnachweise

Analytisches Drama und Vorbilder[Bearbeiten]

Dorfrichter Adam muss über eine Tat zu Gericht sitzen, die er selbst begangen hat. Die Handlung besteht in der Hauptsache aus einer Gerichtsverhandlung, die vollständig und in natürlichem Zeitverlauf wiedergegeben wird. Was verhandelt wird, hat sich jedoch in der Vergangenheit abgespielt und wird erst allmählich enthüllt. Das Stück gilt daher wie Sophokles’ König Ödipus als Musterbeispiel eines analytischen Dramas.[1] Wie die Komödien Shakespeares und Molières hat Der zerbrochne Krug einen ernsten Kern und streift an manchen Stellen das Tragische.[2]

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Handlung[Bearbeiten]

Theaterzettel der Weimarer Uraufführung

Im Mittelpunkt des um 1685[3] in der Gerichtsstube in Huisum, einem fiktiven niederländischen Dorf (in der Provinz Utrecht) spielenden Geschehens steht der titelgebende zerbrochene Krug, welcher der Frau Marthe Rull gehört. Sie beschuldigt Ruprecht, den Verlobten ihrer Tochter Eve, am vorherigen Abend den Krug in ihrem Haus zerstört zu haben. Ruprecht hingegen versichert, dass ein Fremder ins Haus eingebrochen sei und dieses fluchtartig durch ein Fenster verlassen habe, wobei er den Krug vom Fensterbrett gestoßen habe.

Gerichtsschreiber Licht überrascht Richter Adam morgens beim Verbinden frischer Wunden. Adam erklärt, beim Aufstehen gestrauchelt und gegen den Ofen gefallen zu sein. Licht gibt sich damit einstweilen zufrieden, lässt aber durchblicken, dass er eher an ein erotisches Abenteuer seines Vorgesetzten glaube, bei dem ihm ein kräftiger Nebenbuhler in die Quere kam.

Da lässt sich Gerichtsrat Walter melden. Er ist aus Utrecht entsandt, um Gerichtskassen und Akten zu prüfen. Adam gerät in Panik, zumal seine richterliche Perücke verschwunden und kein Ersatz zur Hand ist. Obendrein ist auch noch Gerichtstag, Klägerin, Beklagter und Zeugen warten schon vor der Tür. Der Richter ahnt, weshalb sie gekommen sind, er hatte einen furchtbaren Traum. Seinem Schreiber Licht vertraut er ihn an:

Mir träumt’, es hätt’ ein Kläger mich ergriffen,

Und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich,

Ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort,

Und schält’ und hunzt’ und schlingelte mich herunter,

Und judicirt den Hals ins Eisen mir.[4]

Als Gerichtsrat Walter eintrifft, verlangt er, der Gerichtsverhandlung beizuwohnen, die Prüfung der Kassen und Akten werde später erfolgen.

Nun ist Richter Adam wie einst König Ödipus gezwungen, über eine Tat zu richten, die er selbst begangen hat. Doch im Unterschied zum antiken Helden weiß er das von vornherein; ebenso, dass die Tat eine Schandtat ist und er selbst ein Schurke. Entsprechend tut er alles, was in seiner Macht steht, um die Aufklärung des Falls, bei dem außer dem Krug auch ein Verlöbnis entzweiging, zu verhindern.

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Die Art, wie er seine Täterschaft durch eine allen Regeln richterlicher Unbefangenheit spottende Prozessführung zu verheimlichen sucht, die Zeugen bald mit Drohungen, bald mit süßen Worten beeinflusst und verwirrt, ist von hoher Komik. Schlangengleich dreht und windet er sich, um den Verdacht auf andere zu lenken, was ihn der Verachtung preisgibt. Schwitzend vor Angst wird er aber in die Enge getrieben, was menschliches Mitgefühl aufkeimen lässt. Die blühende Phantasie, mit der er immer neue Ausflüchte ersinnt, macht ihn zuweilen fast sympathisch.

Doch Gerichtsrat Walter und Schreiber Licht lassen sich davon nicht blenden. Beide sind an der Aufklärung des Falls interessiert, wenn auch aus sehr verschiedenen Gründen, Walter geht es um die Reform der Rechtspflege auf dem platten Lande, Licht möchte selbst gern Dorfrichter werden. Schritt für Schritt enthüllt sich während der Verhandlung folgender Tatbestand:

Der Unbekannte, der am Vorabend des Gerichtstags hastig durch Eves Schlafkammerfenster entwich und dabei den Krug vom Sims stieß, war er, Richter Adam selbst. Weder war es der Beklagte, Eves Verlobter Ruprecht, noch dessen vermeintlicher Nebenbuhler Lebrecht, noch gar der Teufel, wie die Zeugin Frau Brigitte, die mit Licht zusammen den Tatort untersucht hat, steif und fest behauptet:

Was find ich euch für eine Spur im Schnee?

Rechts fein und scharf und nett gekantet immer,

Ein ordentlicher Menschenfuß,

Und links unförmig grobhin eingetölpelt

Ein ungeheurer klotz’ger Pferdefuß.[5]

Diese Aussage passt dem Richter vortrefflich ins Konzept. Adam zum Gerichtsrat und zum Schreiber:

Mein Seel, ihr Herrn, die Sache scheint mir ernsthaft.

Man hat viel beißend abgefaßte Schriften,

Die, daß ein Gott sei, nicht gestehen wollen;

Jedoch den Teufel hat, soviel ich weiß,

Kein Atheist noch bündig wegbewiesen.[6]

Aber die Indizien sprechen eine deutlichere Sprache als Klägerin, Beklagter und Zeugen:

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Da sind die beiden Kopfwunden, die Adam davontrug, als Ruprecht dem unerkannt Flüchtenden zweimal die Türklinke über den Kopf hieb – der Eifersüchtige hat zuvor die Tür eingetreten und die Kammer regelrecht gestürmt. Da ist Adams Klumpfuß, welche die Spur vom Tatort quer durchs Dorf zu seiner Wohnung auf natürliche Weise erklärt. Da ist endlich die fehlende Richterperücke: Frau Brigitte legt sie stolz auf den Tisch, sie ist im Weinspalier unter Eves Kammerfenster hängengeblieben.

Nun rät Walter dem Richter, abzutreten, die Würde des Gerichts stehe auf dem Spiel. Aber dieser will nicht hören. Auch gut, meint Walter, dann soll er ein Ende machen und sein Urteil fällen. Im ausbrechenden Tumult judiziert Adam dem Beklagten wegen Ungebühr den Hals ins Eisen, worauf Ruprecht, angefeuert von Eve, Hand an ihn legt. Adam entschlüpft und flüchtet. Damit entsteht in der Stube endlich Platz für die volle Wahrheit:

Adam hat Eve vorgelogen, ihrem Verlobten drohe der Militärdienst in Ostindien, von wo bekanntlich nur einer von drei Männern zurückkehre. Eve steht auf und spricht:

O Himmel! Wie belog der Böswicht mich!

Denn mit der schrecklichen Besorgniß eben,

Quält’ er mein Herz, und kam, zur Zeit der Nacht,

Mir ein Attest für Ruprecht aufzudringen;

Bewies, wie ein erlognes Krankheitszeugniß,

Von allem Kriegsdienst ihn befreien könnte;

Erklärte und versicherte und schlich,

Um es mir auszufert’gen, in mein Zimmer:

So Schändliches, ihr Herren, von mir fordernd,

Daß es kein Mädchenmund wagt auszusprechen![7]

Doch zum Äußersten ist es, auch dank Ruprechts Eingreifen, vermutlich nicht gekommen, obwohl Eve noch zum Zeitpunkt ihrer Beschuldigung Adams befürchtet, der Erpresser besitze Macht, ihr den Verlobten zu entreißen. Deshalb hat sie lange über das geschwiegen, was in der Schlafkammer geschehen ist.

Obwohl Eve weder in der Endfassung des Lustspiels noch im „Variant“, dem für die Endfassung stark gekürzten ursprünglichen Schluss des Stücks, ausdrücklich feststellt, dass Adam sie nicht verführt habe, steht Ruprecht beschämt und bittet sie um Verzeihung dafür, dass er sie als „Metze“ beschimpft hat. Sie

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gibt sie ihm einen Kuss. Die Hochzeit kann stattfinden, Walter hat etwas zur Verbesserung der Rechtspflege getan, der Streber Licht wird neuer Dorfrichter, den alten Adam erwartet eine Strafe. Nur der Krug wird davon nicht mehr heil, zum Verdruss von Eves Mutter, der Klägerin Frau Marthe. Diese hat Ruprecht so eifrig der Tat bezichtigt, weil ein anderer als der Verlobte in Eves Schlafkammer den guten Ruf ihres Kindes und Hauses vernichtet hätte. Doch auch der Krug war ihr lieb. Wenigstens hat sie ihn zum Auftakt der Verhandlung samt der darauf abgebildeten Geschichte der Niederlande episch breit beschrieben und damit verewigt.[8]

Zur Entstehung des Stücks[Bearbeiten]

Den Anstoß zum Schreiben empfing der Dichter 1802 bei seinem Aufenthalt in der Schweiz. Im Jahr darauf brachte er in Dresden die ersten Szenen zu Papier. Nachdem er das Stück in Berlin und Königsberg vollendet hatte, ließ er 1808 im Märzheft des Phöbus ein Fragment drucken. Um dieselbe Zeit wurde Der zerbrochne Krug bei der Uraufführung im Weimarer Hoftheater ausgepfiffen, ein Misserfolg, zu welchem auch Goethes Aufteilung des Einakters in drei Akte beitrug.[9] Die vollständige Druckfassung erschien 1811 in Kleists Todesjahr. Ein Jahrzehnt später setzte der Erfolg ein: „Schon bald gehörte die Rolle des Dorfrichters Adam zu den größten und begehrtesten Charakterrollen des deutschen Dramas“.[10]

Le juge, ou la cruche cassée Kupferstich von Jean Jacques Le Veau nach einem Gemälde von Philibert-Louis Debucourt

Kleist pflegte während seines Aufenthalts in der Schweiz mit anderen jungen Dichtern Freundschaft, Ludwig Wieland, Heinrich Gessner (Sohn des Malers Salomon Gessner) und Heinrich Zschokke. Zschokke berichtet über einen Dichterwettstreit:

„In meinem Zimmer hing ein französischer Kupferstich, La cruche cassée. In den Figuren desselben glaubten wir ein trauriges Liebespärchen, eine keifende Mutter mit einem zerbrochenen Majolika-Kruge, und einen großnasigen Richter zu erkennen. Für Wieland sollte dies Aufgabe einer Satire, für Kleist zu einem Lustspiele, für mich zu einer Erzählung werden. – Kleists Zerbrochner Krug hat den Preis davon getragen.“[11]

Kleist schrieb in dem erst nach seinem Tod gedruckten Entwurf zu einer Vorrede:

„Diesem Lustspiel liegt wahrscheinlich ein historisches Factum, worüber ich jedoch keine nähere Auskunft habe auffinden können, zum Grunde. Ich nahm die Veranlassung dazu aus einem Kupferstich, den ich vor mehreren Jahren in der Schweiz sah. Man bemerkte darauf – zuerst einen Richter, der gravitätisch auf dem Richterstuhl saß: vor ihm stand eine alte Frau, die einen zerbrochenen Krug hielt, sie schien das Unrecht, das ihm widerfahren war, zu demonstriren: Beklagter, ein junger Bauerkerl, den der Richter, als überwiesen, andonnerte, vertheidigte sich noch, aber schwach: ein Mädchen, das wahrscheinlich in dieser Sache gezeugt hatte (denn wer weiß, bei welcher Gelegenheit das Delictum

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geschehen war) spielte sich, in der Mitte zwischen Mutter und Bräutigam, an der Schürze; wer ein falsches Zeugniß abgelegt hätte, könnte nicht zerknirschter dastehn: und der Gerichtsschreiber sah (er hatte vielleicht kurz vorher das Mädchen angesehen) jetzt den Richter mistrauisch zur Seite an, wie Kreon, bei einer ähnlichen Gelegenheit, den Ödip, als die Frage war, wer den Lajus erschlagen? Darunter stand: der zerbrochene Krug. – Das Original war, wenn ich nicht irre, von einem niederländischen Meister.“[12]

Epochenzuordnung[Bearbeiten]

Obwohl der 1777 geborene Kleist zeitlich der Generation der Romantiker zugeordnet werden könnte und obwohl das Stück damit endet, dass zwei Liebende wieder zueinander finden, lässt sich der Autor kaum der Romantik zuordnen. Obwohl das Lustspiel im Blankvers geschrieben ist und Kleist auf für ihn typische Weise viele Sätze kunstvoll umgestellt hat, gehört der Text nicht in das literarische Umfeld der Weimarer Klassik, zumal Kleist die Verhältnisse im Dorf nicht auf die von Friedrich Schiller verlangte Art „idealisiert“. Dem Lustspiel fehlt ebenso die Humanitätsemphase der Klassik wie das Unendlichkeitspathos oder wahlweise die ironische Leichtigkeit der frühen Romantik. Dadurch fordert Kleist die üblichen Rubrizierungen der Literatur um 1800 heraus.[13] So lässt Kleist z.B. Frau Marthe ungeniert über „König Philipps Hinterteil“ sprechen, das durch den Bruch des Krugs vom Rest des Körpers getrennt worden sei. Das Lustspiel nimmt hier und an anderen Stellen Züge des naturalistischen und des modernen Dramas vorweg.

Harro Müller-Michaels stellt zusammenfassend die These auf: „Neben Klassik und Romantik bilden die Dramen Kleists eine eigene Spur in der Literaturgeschichte.“[14] Dafür, dass Heinrich von Kleist mit seinem Lustspiel einen Sonderweg beschreitet, spricht auch sein Umgang mit der Kritik Goethes an dem Stück. Dieser hatte 1807 kritisiert, das Drama Der zerbrochne Krug gehöre „dem unsichtbaren Theater“ an, ihm fehle eine Handlung, die die Bezeichnung verdiene.[15] Dadurch zeigte Goethe, dass er in der Tradition des Aristoteles auch bei einer Komödie eine Mimesis erwartete. Kleist hingegen vertrat die Auffassung, sein Werk sei nicht Abbildung, Mimesis einer vorhandenen Wirklichkeit, sondern entstehe im Schaffensprozess. Es sei als kontinuierlicher Prozess zu verstehen.[16]

Interpretationen[Bearbeiten]

Dorfrichter Adam als Komödiant[Bearbeiten]

Eine gesellschaftsbezogene Deutung wird Adam als Verkörperung eines korrupten Justizwesens sehen, in dem Privates und Öffentliches vermischt werden. Andererseits ist er natürlich auch eine Figur in der Tradition der alten – sozusagen vorliterarischen – Vitalkomik, deren Vertreter sich durch triebgesteuerte Unmäßigkeit in Bezug auf Essen und Trinken, man muss eigentlich sagen durch „Fressen“ und „Saufen“, und ihren unersättlichen Sexualtrieb hervortaten. Als lüsterner Alter stellt Adam also einen alten Komödientypus dar, der durch sein Verhalten mehr oder weniger gegen gesellschaftliche Normen verstößt. Es handelt sich hier aber nicht um den Rückfall in eine vorliterarische Form der Komödie, denn Kleist ist es gelungen, diese alte Art der Komik in eine „regelmäßige“, literarische Form zu integrieren.[17]