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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 40. JAHRGANG, HEFT 7 1. APRIL 1962 UBERSICHTEN ~Nucleins~iuren als Basis genetischer Kontinuit~it Von GE~x~) Koch Aas dem Laboratorium der S~if~ng m~r Erforschung der spina]en ~nder~hmung und der mu]~iplen Sklerose (Vorstand: Prof. Dr. H. PE~) ~[amburg-Eppendorf Die zentrale Stellung der Nucleins~uren ffir die Konti- nuitEt des Lebendigen wurde erst in den letzten Jahren klar erkannt. Dazu haben die vereinten Bemfihungen vieler Mikro- biologen, Bioehemiker, Strahlenbiologen und Genetiker bei- getragen. Eines der wesentlichsten Charakteristika des Lebendigen ist die Selbstvermehrungsfiihigkeit, die Produk- tion yon Nach_kommen, die Weitergabe yon Eigenschaften yon einer Generation zur underen. Wie ist es abet mSglich, dagt des Erseheinungsbild einer Pflanzen- oder Tiergattung noeh nach mehreren Generationen das gteiehe ist ? Worin ist diese genetisehe Kont.innitiit ver- ankert ? In welche Strukturen, in welche Stoffklasse wird die genetisehe Information eingepr~gt? An solehe biologische Triigerstrukturen sind zwei Forderungen zu stellen: einmal miissen sie in der Lage sein, die genetische Information iden- tisch yon Generation zu Generation weiterzugeben und zum anderen die SynH~ese ihrer eigenen Struktur als eine identische Reduplikation zu induzieren. Zu fordern ist also eine auto- katalytische Funktion. Dabei sell die Bezeichnung ,,auto- katalytiseh" allerdings yon vorneherein nieht zu eng aufgefaBt werden, nnd wir wollen die M6glichkeit often lessen, dab diese Autokatalyse im Negativ-Positiv-Verfahren vor sieh gehen und die gleiche genetische Information yon verschiedenen Strukturen beherbergt werden kann. Mit der reinen autokatalytischen Funktton were jedoch nur eine Seite der genetischen Tr~gersubstanz gen~nnt. Die Gesehlechtszetlen beherbergen aueh die Information ffir den Aufbau eines Organismus. Diese Information finder ihren Ausdruek in der Synthese einer Reihe spezifiseher, in unserer Sicht jedoch sekund~irer Stoffe wie z.B. der Enzyme. Wir wol]en diese Funktion der Tr~iger der genetisehen Informa- tion als ,heterokatalytiseh" bezeichnen im Gegensatz zu der vorher erwghnten autokatal~ischen. Dieser Saehverh~]t wurde bisher in dem Satz zusammengefaBt, dal~ der Genotyp im PhEnotyp seinen Ansdruck finder. Die ktassisehe Genetik, die diese Beziehung bereits riehtig erkannte, mul~te sich und mu] sich noch heute damit begnfigen festzustellen, in welcher Folge bestimmte Eigensehaften in tCreuzungen mit Tr~gern wieder anderer Eigenschaften yon Generation zn Generation weitergegeben werden. Der Frage nach dem stofflichen Wesen der Gene kann mi~ den Methoden der klassisehen Genetik nur in beschr~nktem nnd indirektem MaBe nEher gekommen werden und dann noch am besten etwa durch Untersuehungen fiber die Folgen ~uBerer Einflfisse, wie z.B. UV- oder RSntgenbestrahlung, die die genetische Kontinuit~it unterbrechen, sei es, dab sie die identisahe Reduplikation, d.h. die autokatalytisehe Funktion, oder aber die ~bersetzung der genetischen Information in synthetische AblEufe der Zellen, d.h. die heterokatalytisehe Funktion, verhindern oder eine der beiden Funktionen abEndern. Eine solche Anderung tier Gene bezeiehnen wir als Mutation. Hiermit kommen wir zu einem weiteren, dem di'itten Charak- teristiknm des Tr~gers der genetis chen Information, der WandeI- barkei~. Die genetische KontinuitEt ist keine absolute, vielmehr linden wir eine tangsam fortsehreitende ~ndenmg im Er- scheinungsbild alles Lebendigen, besonders deutlioh an Orga- nismen, die eine schnelle Vermehrungsrate besitzen. Wir be- ziehen uns hier natfirlich nicht auf die vorfibergehenden, dutch Eul~ere Einfliisse hervorgerufenen VerEndelamgen, sondern ~uf die dauerhaften, dutch Mutation ausgelSsten. Diese dauer- haften A'nderungen der genetisehen Information bilden mit der sekundEr yon auBen hinzutretenden Selektion die Voraus- setzung fiir eine Adaptation der Organismen an ihre Umwelt and damit die Grundlage fiir eine fortsehreitende Evolution. Klin. Wschr., 40. Jahrg. Die experimentellen Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben die Bedeutung der NucleinsEnren fiir die genetische Kontinuit~t erwiesen und sie als die Tr~ger der genetisehen Information charakterisiert. Bevor wit nns diesen Unter- suchungen zuwenden, die zum grS~ten Tell an Mikroorganis- men, an Bakterien nnd Viren durehgeffihrt wurden, und die zu pr~zisen Vorstellungen iiber den Meehanismus yon 8utokata- lytischer und heterokataIytiseher Funktion der NueleinsEuren ffihrten, sehein~ e8 angebracht, kurz auf die historische Ent- wicklung einzugehen. I. Die biologische Bedeutung der Nucleinsiiuren in histologischer Sicht ~Noch vor 30 Jahren war nichts bekannt fiber die biologi- sche Funktion der NucleinsSuren. Man wul~te zwar, dab die Nucleins~uren in zwei chemisch unterschiedliehen Strukturen vorlagen, der Desoxyribonucleins~ure und der Ribonuclein- s~ure. Die Desoxyribonucleins~ure oder DNS war aus Thy- muszellen in reiner Form dargestellt worden und die Ribo- nueleins~ure oder RNS aus Hefezellen. Die Nueleins~uren erhie]ten auf Grund falscher Annahmen ihre Bezeiehnung naeh diesem Vorkommen. Nan vermutete, dab die DNS, die ThymusnucleinsEure, spezifiseh fiir Tierzellen sei und die ~NS, die Hefenucleinsgure, spezffisch ffir Pflanzenzellen sei. Eine konkrete Vorstellung fiber die Bedeutung der Nueleinsguren hatte man nicht. Man daehte daran, da.g sie mit ihren sauren und basischen Gruppen zur Aufreehterhaltung des pg in den Zellen benStigt werden. Den Nue]einsEuren wurde kein besonderes Interesse gewidmet; denn die Proteine in ihrer mannigfaehen Gestalt und ihrem wesentlieh vielf~Itiger zusammengesetzten Aufbau sehienen fiir eine zentrale Kontrolle des Zellmetabolismus und ffir eine ~bertragung der genetisehen Information yon Zelle zu Zelle wesentlieh geeigneter zu sein. Die ersten Hinweise auf die biologische Funktion der NueleinsEuren wurden dureh histoehemisehe Untersuehungen gewonnen. FEULGEN lind ]~OSSE:NBECK 1 hatten in den zwan~ ziger Jahren ihre spezifisehe und noch heute gebrEuehliehe ~Iethode ffir den Nachweis yon DNS entwiekelt und gezeigt, dab D~S spezifiseh im ZellkeI~ ]okalisiert ist und. zwar sowoM in Tier- als aueh in Pflanzenzellen. Der spezifisehe Naehweis der RNS gelang erst sparer, einma] auf der Basis der Unna~ FErbung mit Met, hylgriin und Pyronin und zum anderen dureh die Verbesserung der UV-Mikrospektrophotometrie dutch CASPE~SSO~ 2. Die ~ueleinsEuren absorbieren UV-Lieht st~rk, und C~sPE~sso~ ~ konnte 1940 zeigen, dal~ des Cytoplasma der Zetlen UV-Lieht absorbiert, obwohl es l~eulgen-negativ ist, Noeh iiberzeugender sind die experimentellen Befunde von B~C~ET 3 und seinen Mitarbeitern. Sie benutzten in ihren Untersuohungen Ribonuclease, ein Enzym, des spezifisch I£NS abbaut. Sie konnten dutch Unna-F~rbung yon Gewebe- sehnitten vor und nach Behandlung mit Ribonuelease zeigen, dab die Bindung der Farbstoffe, die Basophilie des Gewebes, nach Ribonueleasebehandlung vSllig verschwindet. C~SPE~SSO~ und BR-~Ct~ET fanden sehon wenige Jahre sp~iter, dal~ alle Gewebe, die ein sehnelles Wachstum zeigen, und darfiber hinaus alle Zellen, die Proteine sezernieren, stark basophil, bzw. eine hohe UV-Absorption besitzen nnd dem- zufolge reich an eytoplastischer I~NS sind. Einen hohen I~NS- Gehalt zeigen z.B. die Magensehleimhautzellen, die das Pepsin produzieren, und die Wurze]spitzen verschiedener Pflanzen. Besonders eindrueksvoll ist der hohe RNS-Gehalt der Drfisen- zellen yon Seidenspinnerraupen, deren einzige bekannte Funk- tion die Produktion des Seidenproteins ist. Beaehtenswert ist weiterhin, dal~ Gewebe mit hoher phy-siologiseher AktivitE~, 24

Nucleinsäuren als Basis genetischer Kontinuität

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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 40. JAHRGANG, HEFT 7 1. APRIL 1962

UBERSICHTEN

~Nucleins~iuren als Basis genetischer Kontinuit~it Von G E ~ x ~ ) Koch

Aas dem Labora tor ium der S~if~ng m~r Erforschung der spina]en ~ n d e r ~ h m u n g und der mu]~iplen Sklerose (Vorstand: Prof. Dr. H. PE~) ~[amburg-Eppendorf

Die zentrale Stellung der Nucleins~uren ffir die Konti- nuitEt des Lebendigen wurde erst in den letzten Jahren klar erkannt. Dazu haben die vereinten Bemfihungen vieler Mikro- biologen, Bioehemiker, Strahlenbiologen und Genetiker bei- getragen. Eines der wesentlichsten Charakteristika des Lebendigen ist die Selbstvermehrungsfiihigkeit, die Produk- tion yon Nach_kommen, die Weitergabe yon Eigenschaften yon einer Generation zur underen.

Wie ist es abet mSglich, dagt des Erseheinungsbild einer Pflanzen- oder Tiergattung noeh nach mehreren Generationen das gteiehe ist ? Worin ist diese genetisehe Kont.innitiit ver- ankert ? In welche Strukturen, in welche Stoffklasse wird die genetisehe Information eingepr~gt? An solehe biologische Triigerstrukturen sind zwei Forderungen zu stellen: einmal miissen sie in der Lage sein, die genetische Information iden- tisch yon Generation zu Generation weiterzugeben und zum anderen die SynH~ese ihrer eigenen Struktur als eine identische Reduplikation zu induzieren. Zu fordern ist also eine auto- katalytische Funktion. Dabei sell die Bezeichnung ,,auto- katalytiseh" allerdings yon vorneherein nieht zu eng aufgefaBt werden, nnd wir wollen die M6glichkeit often lessen, dab diese Autokatalyse im Negativ-Positiv-Verfahren vor sieh gehen und die gleiche genetische Information yon verschiedenen Strukturen beherbergt werden kann.

Mit der reinen autokatalytischen Funktton were jedoch nur eine Seite der genetischen Tr~gersubstanz gen~nnt. Die Gesehlechtszetlen beherbergen aueh die Information ffir den Aufbau eines Organismus. Diese Information finder ihren Ausdruek in der Synthese einer Reihe spezifiseher, in unserer Sicht jedoch sekund~irer Stoffe wie z.B. der Enzyme. Wir wol]en diese Funktion der Tr~iger der genetisehen Informa- tion als ,heterokatalytiseh" bezeichnen im Gegensatz zu der vorher erwghnten autokatal~ischen. Dieser Saehverh~]t wurde bisher in dem Satz zusammengefaBt, dal~ der Genotyp im PhEnotyp seinen Ansdruck finder.

Die ktassisehe Genetik, die diese Beziehung bereits riehtig erkannte, mul~te sich und mu] sich noch heute damit begnfigen festzustellen, in welcher Folge bestimmte Eigensehaften in tCreuzungen mit Tr~gern wieder anderer Eigenschaften yon Generation zn Generation weitergegeben werden. Der Frage nach dem stofflichen Wesen der Gene kann mi~ den Methoden der klassisehen Genetik nur in beschr~nktem nnd indirektem MaBe nEher gekommen werden und dann noch am besten etwa durch Untersuehungen fiber die Folgen ~uBerer Einflfisse, wie z.B. UV- oder RSntgenbestrahlung, die die genetische Kontinuit~it unterbrechen, sei es, dab sie die identisahe Reduplikation, d.h. die autokatalytisehe Funktion, oder aber die ~bersetzung der genetischen Information in synthetische AblEufe der Zellen, d.h. die heterokatalytisehe Funktion, verhindern oder eine der beiden Funktionen abEndern. Eine solche Anderung tier Gene bezeiehnen wir als Mutation. Hiermit kommen wir zu einem weiteren, dem di'itten Charak- teristiknm des Tr~gers der genetis chen Information, der WandeI- barkei~.

Die genetische KontinuitEt ist keine absolute, vielmehr linden wir eine tangsam fortsehreitende ~ndenmg im Er- scheinungsbild alles Lebendigen, besonders deutlioh an Orga- nismen, die eine schnelle Vermehrungsrate besitzen. Wir be- ziehen uns hier natfirlich nicht auf die vorfibergehenden, dutch Eul~ere Einfliisse hervorgerufenen VerEndelamgen, sondern ~uf die dauerhaften, dutch Mutation ausgelSsten. Diese dauer- haften A'nderungen der genetisehen Information bilden mit der sekundEr yon auBen hinzutretenden Selektion die Voraus- setzung fiir eine Adaptation der Organismen an ihre Umwelt and damit die Grundlage fiir eine fortsehreitende Evolution.

Klin. Wschr., 40. Jahrg .

Die experimentellen Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben die Bedeutung der NucleinsEnren fiir die genetische Kontinuit~t erwiesen und sie als die Tr~ger der genetisehen Information charakterisiert. Bevor wit nns diesen Unter- suchungen zuwenden, die zum grS~ten Tell an Mikroorganis- men, an Bakterien nnd Viren durehgeffihrt wurden, und die zu pr~zisen Vorstellungen iiber den Meehanismus yon 8utokata- lytischer und heterokataIytiseher Funktion der NueleinsEuren ffihrten, sehein~ e8 angebracht, kurz auf die historische Ent- wicklung einzugehen.

I. Die biologische Bedeutung der Nucleinsiiuren in histologischer Sicht

~Noch vor 30 Jahren war nichts bekannt fiber die biologi- sche Funktion der NucleinsSuren. Man wul~te zwar, dab die Nucleins~uren in zwei chemisch unterschiedliehen Strukturen vorlagen, der Desoxyribonucleins~ure und der Ribonuclein- s~ure. Die Desoxyribonucleins~ure oder DNS war aus Thy- muszellen in reiner Form dargestellt worden und die Ribo- nueleins~ure oder RNS aus Hefezellen. Die Nueleins~uren erhie]ten auf Grund falscher Annahmen ihre Bezeiehnung naeh diesem Vorkommen. Nan vermutete, dab die DNS, die ThymusnucleinsEure, spezifiseh fiir Tierzellen sei und die ~NS, die Hefenucleinsgure, spezffisch ffir Pflanzenzellen sei. Eine konkrete Vorstellung fiber die Bedeutung der Nueleinsguren hatte man nicht. Man daehte daran, da.g sie mit ihren sauren und basischen Gruppen zur Aufreehterhaltung des pg in den Zellen benStigt werden.

Den Nue]einsEuren wurde kein besonderes Interesse gewidmet; denn die Proteine in ihrer mannigfaehen Gestalt und ihrem wesentlieh vielf~Itiger zusammengesetzten Aufbau sehienen fiir eine zentrale Kontrolle des Zellmetabolismus und ffir eine ~bertragung der genetisehen Information yon Zelle zu Zelle wesentlieh geeigneter zu sein.

Die ersten Hinweise auf die biologische Funktion der NueleinsEuren wurden dureh histoehemisehe Untersuehungen gewonnen. FEULGEN lind ]~OSSE:NBECK 1 hatten in den zwan~ ziger Jahren ihre spezifisehe und noch heute gebrEuehliehe ~Iethode ffir den Nachweis yon DNS entwiekelt und gezeigt, dab D ~ S spezifiseh im ZellkeI~ ]okalisiert ist und. zwar sowoM in Tier- als aueh in Pflanzenzellen. Der spezifisehe Naehweis der RNS gelang erst sparer, einma] auf der Basis der Unna~ FErbung mit Met, hylgriin und Pyronin und zum anderen dureh die Verbesserung der UV-Mikrospektrophotometrie dutch CASPE~SSO~ 2. Die ~ueleinsEuren absorbieren UV-Lieht st~rk, und C~sPE~sso~ ~ konnte 1940 zeigen, dal~ des Cytoplasma der Zetlen UV-Lieht absorbiert, obwohl es l~eulgen-negativ ist, Noeh iiberzeugender sind die experimentellen Befunde von B~C~ET 3 und seinen Mitarbeitern. Sie benutzten in ihren Untersuohungen Ribonuclease, ein Enzym, des spezifisch I£NS abbaut. Sie konnten dutch Unna-F~rbung yon Gewebe- sehnitten vor und nach Behandlung mit Ribonuelease zeigen, dab die Bindung der Farbstoffe, die Basophilie des Gewebes, nach Ribonueleasebehandlung vSllig verschwindet.

C~SPE~SSO~ und BR-~Ct~ET fanden sehon wenige Jahre sp~iter, dal~ alle Gewebe, die ein sehnelles Wachstum zeigen, und darfiber hinaus alle Zellen, die Proteine sezernieren, stark basophil, bzw. eine hohe UV-Absorption besitzen nnd dem- zufolge reich an eytoplastischer I~NS sind. Einen hohen I~NS- Gehalt zeigen z.B. die Magensehleimhautzellen, die das Pepsin produzieren, und die Wurze]spitzen verschiedener Pflanzen. Besonders eindrueksvoll ist der hohe RNS-Gehalt der Drfisen- zellen yon Seidenspinnerraupen, deren einzige bekannte Funk- tion die Produktion des Seidenproteins ist. Beaehtenswert ist weiterhin, dal~ Gewebe mit hoher phy-siologiseher AktivitE~,

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Klinische 330 G s ~ A R s Koch: Nueleins~uren als Basis genetischer Kontinuitgt Wochenschrift

jedoeh ohne ausgepr~gte Proteinsynghese wie Herz-, Muskel- oder Nierengewebe nur geringe Mengen an RNS besitzen. CAS~'~RSSO~ und B R A C ~ vermuteten deshalb schon vor fast 20 Jahren, dab der t~NS ffir die Kontrolle der Proteinsynthese eine besondere nnd bedeutende l~olle zukommen miisse. Die Untersuchungen der letzten Jahre bestgtigten diese Ver- mutungen und zeigen, dab die RNS in der Proteinsynthese eine Mittlerrolle ftir die heterokatalytisehe Aufgabe der Gene tibernimmt, auf die wir sparer noeh zuriiekkommen we~<len.

Der erste Hinweis, dab in den Nucleinsguren die ffir die genetische Kontinuit~t verantwortliehen Tr~igerstrakturen vor]iegen, wurde yon A v ~ r , MAcL~soD und 2¢i:cCAgTn¥ ~ im Jahre 1944 ver6ffentlieht. Die Autoren zeigten, dab die Ver- ~nderung genetiseh kontrollierter Eigensehaften yon Bal~- terien, die sog. Transformation yon Bakterien, dureh die

Abb. 1. Die beiden dutch DNS-Doppelspirale nach WATSON-CI~ICK. spezifisehe Basenpaartmg ztasammengehM~enen komplemen~iren DNS-

F~den trennen sich bei der Vermehrung, jeder Einzelfaden dient zur Synthese seines Komplement~rfadens

isolierte und gereinigte DNS aus einem verwandten Bakterien- stature induziert werden kann. Die Bedeutung dieser Nuclein- siiuretransformation yon BakterieR, auf die wit spgter noeh einmal zurfiekkommen werden, wurde damals nur yon sehr wenigen Autoren erkannt. Es bedurf~e eines zweiten Him weises auf die zen~rale und leitende Funktion der Nnctein- sguren ffir lebende Zellen. Er kam aus der Virusforsehung. HERSHEY und CHASE S legten 1952 experimentelle Beflmde vor, die eindeutig zeigten, dab bei der Infektion yon Bakterien dureh Viren nur die Virusnueleinsgure in die Bakterien ein- dringqs und dort sowohl die Vermehrung der eigenen Struktur induziert und damit eine autokatalytische Funktion ausfiihrt, daneben aber such heterokatalytiseh die Vermehrang des virusspezifischen Proteins veranlaBt. Die Virasnueleinsgure ist demnaeh in der Lage, die an eine fiir die genetisehe Informa- tion als Trggerstruktur in Frage kommende Subst, anz gestellten Bedingungen der autokatalytisehen Vermehrung und der heterokatalytisehen Funktion zu erffillen.

I I . Die autokatalytischs FunCtion der Nucleinsiiure Wenden wit uns zun~ehst der autokatalytisehen Funktion

der Nueleins~uren zu. Wie kann man sieh den Meehanismus der identisehen Reduplikation vorstellen ? Die entscheidenden Grundlagen hierzu wurden 1953 yon WATSON und C~ICJf ~ erbraeht. Die bioehemisehe Analyse der DNS hatte ergeben, dab bei allen bis dahin bekannten Desoxyribonucleins~uren die Menge an Purinbasen gleich der Menge an Pyrimidinbasen ist und welter, dab das Verh~ltnis yon Adenin zu Thymin 1 : I

und das Verh~ltnis yon Guanin zu Cytosin 1:I betr~gt. Auf Grnnd yon RSntgenstrukturanalysen entwickelten WATSON und CRIC~ ein DNS-l~fodell: Das Riickgrat der langen, faden- f6rmigen DNS-Molekfile bilden dutch Phosphatbrfieken mit- einander verbundene Desoxyribo~emolekiile, yon denen jedes so mit einer Base verbunden ist, dab diese in einer ganz bestimmten sterischen Konfiguration dureh Wasserstoff- brfiekenbindungen spezifiseh mit einer anderen Base eines zweiten Nueteins/iuivfadens zu reagieren vermag. Zwei DNS- Fadenmolekfile legen sich so in Form yon zwei komplementiiren Strukturen aneinander und bilden eine Helix, eine Spirale. Dabei steht einem Adenin immer ein Thymin und einem Guanin ein Cytosin gegenfiber. Dieses yon WATSON und C~ICK vorgelegte Modetl der Komplementarit~t der beiden DNS- StrS~nge liefert zugIeieh such die erste MSgliehkeit, sieh gedank- lich den Meehanismus der iden~isehen Reduplikation, der autokatal~isehen Selbstvermehrung, vorzustellen (Abb. 1). Die beiden komplement//ren DNS-Str~inge trennen sich, und jeder Einzelfaden bildet die Matrize zur Neusynthese seines komplemen~ 'en Fadens.

Der erste eindeubige experimentelle Beleg ffir diesen Mechanismus wurde 1958 dureh MES~LSOX und STAHL 7 erbraeht. Dureh Kultur yon E. eoti~Bakterien in t~N- haltigem Medium wurde die DNS der Bakterien mit sehwerem Stiekstoff markier~, Wie die zweite Abbildung zeigt, l~Bt sieh die lSN-m~rkierte DNS, da sie sehwe~vr ist, durch eine be- s~immte Zentrifugationsmethode, dnreh die Diehtegradienten- zentrifugation, yon normaler, d .h . l~N-haltiger DNS in einem ZentrifugenrShrehen sauber abtrennen. Bringt man nnn die lSN-markierten Bakterien zurfiek in ltN-haltiges Medium, so zeigt sieh naeh einer Generation tier auf Grand der Watson-Crick-Hypothese erwartete, in seiner Pr~zision jedoeh iiberraschende Befund (Abb. 3). Die gesamte DNS ist gleieh dicht oder gMeh sehwer, sie liegt bei der Diehtegradienten- zentrifugation weder an Stelle der I~N- noch an Stelle der lSN-DNS, sondern genau intermedi~r, d.h., sie besteht zur H~lfte aus noeh lSN- und zur H~lfte aus bereits I~N-hMtigen Bausteinen.

Das ist genau das Ergebnis, das wir erwarten, wenn der eine Nueleins~urestrang als Matrize ffir die Bildung eines komplement~ren zweiten Stranges dient. Dieser Befund allein ist jedoeh noeh kein endgtiltiger Beweis. Es kann noch der Einwand geltend gemacht werden, dat~ die ISN-haltige DNS abgebaut und ihre Bausteine mit zur Neusynthese yon DNS verwandt werden. Diese MSglichkei~ wird dureh die folgenden weiteren Befunde ausgeschlossen: Erhitz~ man hochmolekulare DNS auf 900 C, so wird die Doppelstrang-DNS in zwei Einzel- fadenmolekfile gespalten. Unt~rwirft man erhitzte Nuelein- s~ure, die zur H~lfte mit lSN-markiert war, erneut der Dichte- gradient~nzentrifugation, so zeigt sich, dab genau die H~ilfte l~N-haltig und die andere H~lfte l~N-haltig ist. Der genannte Einwand fiber den Abbau der lSN-haltigen Nueleins~ure ist somit ausgesehlossen und der Magrizenmechanismus der DNS-l~eduplikation bewiesen. Der Beweis wird gesggxkt dureh den Befund, dab die ~SN-Einstrang-DNS fiber mehrere Generationen unvergRdert weitergegeben wird.

Wir haben damit gewissermaBen einen Naehweis der Mendelsehen Gesetze auf molekularer Ebene gewonnen. Nieht ganz, wird man mit geeh t sagen, denn es finder hier ja keine Paarung start. Dieser Einwand bes~eht hier noch zu Reeh~, jedoeh ist such diese fehlende ,,Erg~nzung" bereits gefunden worden. Bis vor kurzem war man der Uberzeugung, dab native DNS immer in Form der Doppelspirale vorliegt bzw. nur in dieser Form biologiseh aktiv, wir meinen heterokatalytisch aktiv sein kann. Es sind uns jedoeh Viren bekannt geworden, die nur eine Einstrang-DNS enthalten und deren isolierte Ein- strang-DNS such in der Lage is~, in Zellen eine Virusvermeh- rung anzuregen s. Dieser Befund regte zur ~berprfifung der Frage an, ob es gelingt, eine biologisehe Aktivitgt yon DNS in Einstrangform, z.B. bei der transformierenden Bakterien-DNS zu linden. Im gewiinsehten Sinne verliefen die genannten Versuehe bisher negativ, jedoeh fiihrten sie zu interessanten Beobaehtungen. Miseht man zwei Arten yon DNS, die ver- sehiedene genetische und biologisehe Aktivit~ten besit~en, erhitzt die LSsung und kfihlt sie langsam wieder ab, so finder rnan unter den hen aaftretenden DNS-l~lolektilen einige, die die Eigenschaften beider Eltern-DNS-Molektile tragen und sieh daher gepaart haben mfissen s. Eine solche Paarung yon zwei ,,Halbmolekiilen" war sehon seit einigen Jahren diskutierb worden. Die MSglichkeit einer solehen Paarang bildet die Voraussetzung zur Erkl~rung einer Reihe grundsgtzlicher Mechanismen w~hrend der Bildung yon gekombinant.en bei

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Jg. 40, Heft 7 GEBI-IARD KOCH: Nucleins/im'en als Basis genetischer Kontinuitgt 33 1 L Aprii 1962

Mikroorganismen. Auch bei den Bakterien and Viren linden wir die sog. Heterocygoten, Teilchen, die zwei verschiedene genetische Strukturen beherbergen.

111. Spontane und induzierte Vergnderungen der Erbtriiger Wir wenden uns nun dem Problem der genetischen Dis-

kontinuitiit zu, der verh~Itnism~f~ig selten eintretenden Ver- ~nderung der Erbeigenschaften (lurch Mutation, dem 3. Charak- teristikum der genetisehen Tr~gersubstanz neben autokata- lytiseher und heterokatalytischer Funktion.

Nur bei Mikroorganismen ist es bisher gelungen, diesen Meehanismus eindeutig aufzuklgren. I-Ialten wit daran fest, dab die genetische Information in der Reihenfolge der Basen im Nucleins~urefaden festgelegt ist, so muI~ jede Vergnderung dieser l~eihenfolge such eine Ver~nderung der Erbeigensch aften naeh sich ziehen. Die cytologische Gene~ik ha.tte schon vor l~ngerem zeigen kSnnen, dab das Fehlen eines Chromosomen- stiickes oder die Translokalisation yon Chromosomenstticken ganz bestimmte Ver~nderungen der Geneigenschaften bewirk~. Es gibt jedoeh viele Mutationen mit Anderungen im Erschei- nungsbild, die morphologisch an den Chromosomen nicht naehweisbar sind.

Eine Basis zur experimentellen Bearbeitung sotcher Muta- tioneu wurde erst vor drei Jahren durch die Arbeiten yon Mv~nl~Y und GlSl~nI~ ~° in Tfibingen gewonnen. Es gelang ihnen erstmals, ~¢Iutationen in vitro an intakten Tabak- mosaikviren und ihrer isolierten Nueleins~ure dureh rein ehemisehe Behandlung hmworzurufen. Die Aminogruppen der Nueleinsiiuren lassen sieh dureh Behandlung mit salpetriger S~ure bei saurem p~ entfernen. Die Entfernung einer einzelnen Aminogruppe des Virusnueleins~urefadens reicht sehon aus, um entweder die Vermehrungsf~.higkeit dieser Nueleinsiiure yon vorneherein zu verhindern oder um eine Mutation aus- zulSsen~L Diese epoehemaehenden Befunde der Tiibinger Arbeitsgruppe wurden sehr sehnell mit einer Reihe anderer Viren bestiitigt.

Mutationen lassen sieh auf diese Weise such bei Bakterien ausl6sen le. Naehdem nun einmal gezeigt worden war, dab eine Mutation in vitro ausgel6st werden kann, wurde schnell eine Reihe anderer Verfahren ausgearbeitet, die ebenfa.lls Mutationen in vitro induzieren kSnnen. Immer handelt es sieh dabei um eine .&nderung an den Nueleins~ure-Basen oder um die Entfernung einzelner Basen aus dem Zucker-Phosphat- Riiekgrat tier Nueleins~uren.

Weiterhin fiihrten zu pr~izisen Vorstellungen fiber den Vorgang der 2~Iutation neuere Versuche, die die Folgen des Einbaus yon Basenanalogen wie 5-Bromuracii und 2-Amino- puriu in die DNS yon Bakterien und Viren betreffen. Wir gehen bier nut auf die eindrucksvollen U:ntersuehungen yon F~E~s~ ~a ein. Er konnte zeigen, dag der Einbau yon Basen- analogen zu einem gehguften Auf~reten yon bes~immten 3Iutanten fiihrt, die spontan selten entstehen. Mutationen, die dutch einen Einbau von 5-Bromuraeil ausgelSst wurden, k6nnen dutch Einbau yon 2-Aminopurin wieder riiekggngig gemaeht werden. Zur Erktgrung entwiekelte F ~ s s folgende Vorstellung: Basenanaloge kSnnen auf zweierlei Weise zur AuslSsung einer Mutation fiihren, einmal dadureh, dag sie an falscher Stelle eingebaut werden, zum anderen dadureh, dab sie an reehter Stelle eingebaut werden, sieh aber bei einer folgen- den Vermehrung mit einer anderen Base paaren (Abb. 4).

So kann 2-Aminopurin, das an Stelle yon Adenin eingebau~ wird, eine Wasserstoffbriiekenbindung sowohl mit Thymin wie aueh mit Cytosin eingehen and vergleiehbar 5-Bromuraeil mit Adenin, aber such mit Guanin paaren. Wird nun bei einer Ver- mehrung an Stelle yon Thymin 5-Bromuracil eingebaut, so kann bei einer weiteren Vermehrung d~nn an Stelle des urspriingliehen Adenins Guanin im DNS-Faden eingesetzt werden. Bei dieser Art yon N[utation wird also stets eine Purinbase dutch eine Purinbase ersetzt oder eine Pyrimidinbase dureh eine Pyrimidinbase. Da die spontane l~Iutation offenbar anderen Gesetzmggigkeiten folgt, miil3te bei ihr eine Purinbase (lurch eine Pyrimidinbase ersetzt werden oder aber ein Basen- paar zuviel oder zuwenig in die DNS eingebaut werden 1~.

Aueh dem Meehanismus der Strahleninaktivierung der genetisehen Substanz, insbesondere der UVdnduzierten, ist man lest auf der Spur. Aus strahleninduziert~r DNS konnte WAeKm~ is eine aus 2-Thyminresten hervorgehende Substanz isolieren. Offenbar ruff die UV-Bestrabtung eine Xondensa- Lion yon zwei nebeneinander oder seh~'gg auf der Zwillings- spirale gegeniiberliegenden Thyminresten hervor. Somit lassen sieh eine naeh UV-Bestrahlung auftretende Bloekierung der DNS-Synthese und ein gehguftes Auftreten yon Rekombinan. ten erkl~ren.

I V. Die heterokatalytische Funktion der NucleinsSure Mit diesen ~Iinweisen auf die biochemischen und mole-

kularen Grundlagen des Mutationsvorganges miissen wir uns hier begniigen, um noch kurz auf die heterokatalytische Funk- tion der Nucleins~uren, auf die Steuerung des Zellmetabolis- mus, eingehen zu k6nnen. Wir knfipfen dazu an die zu Beginn erw~hnte Korrelation zwischen RNS-Gehalt und Protein-

Abb. 2au .b . a UV-Absorptionsbanden yon ~4N- ,and ~N-hMtiger ]]. coli- DNS nach Dicl~tegradientmlzentrifltgation. b N[ikrodensitometexkurven

von 2&

synthese an. Halten wir lest, dag der cytopIasmatisehen RNS eine bestimmende Aufgabe bei der Froteinsynthese zukommt, so stellt sich als erste Frage, wo diese I~NS lokalisiert sei, und zweitens, wie sie in den Prot, einstoffwechsel eingreife. Die Analyse yon Zellhomogenaten zeigt, daI3 der grSgte Teil der I~NS strukturgebunden, d.h. proteingebnnden in Form der

Abb. 3. UV-kbsorptionsbanden yon ~Bakterien-DNS nach Inkubation fiber mehre~ Generationen in ~N-haltigem Medium, zum Generationszeit- Imnkt 0 in ~N-haltiges Medimn m~rfickgebracht (a and b wie in Abb. 2)

sog. Mikrosome oder Ribosome vorliegt. Diese bestehen zu zwei Dritteln aus Nucleins~ure und einem Drittel aus Protein. Etws~ 10--20% der eytoplasmatischen t~NS ist nicht protein- gebunden und wird als ,,t6sliche I~NS °° bezeichnet. Diese ist mit einem Molgewieht yon etwa 30 000 ungefi~hr 30real kleiner sis die proteingebundene RNS. In vivo- und in besonderem MMte aber such in vitro-Versuche mit zellfreien Systemen haben gezeigt, dab beiden Nucleinsgurefraktionen fiir die Pro+oeinsynthese eine bedeutende Rolle zukommt.

In der Abb. 5 sind unsere gegenw~.rtigen Kenntnisse fiber den Ablauf der Proteinsynthese schematisch und vereinfacht zusammengefagt. Die Carboxylgruppe der einzelnen Amino- s~uren wird in einem ersten Schritt durch ein Enzym, das spezifiseh fiir jede einzelne Aminos~ure ist, aktiviert and an die

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Klinische 332 GEB~IARD KOCH: Nucleins~Luren als Basis genetischer Kontinuiti~t Wochenschrift

zweite oder drit ts 0H-Gruppe der l~ibose yon Adenosin- Triphosphat unter ]~'reisetzung yon Pyrophosphat gebunden. Diese im ersten Schritt gebildete Amino-acyl-Adenosinmono- phosphatverbindung wird enzymatisch an eine fiir jede Amino- s//ure wiederum spezifisehe 16sliche RNS endst~ndig gebunden. Die 15sliche RNS muB dazu aktiviert werden, d. h. in jedem Falle endstAndig die Sequenz Cytvsin-Cytosin-Adenosin t.ragen,

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Abb. 4a u.b. 3{6glichkeiten der ~[utationsausl6sung nach FREESE. a Fehlerhafter Baseneinbau. b Fehlerhafte Basenpaarung

andernfalls sie nicht in der La te is~, eins Aminos/~ure zu binden. Dieser 15sliche I~NS-Aminos~urekomplex wandert zu den Ribosomen, wird dort spezifisch gebunden und die Amino- sgure hier in eine Peptidbindung eingebaut. Der Vorgang wiederholt sich bis zur Fertigsteltung eines Proteins, das sich dann erst yon den gibosomen 15st und diese dadurch wiederum zur Synthese eines neuen weiteren Proteinmolekfits befahigt.

ArninosOureektivierung Ld.sliche RN5 - Aktivierung

-As , ATP--* A-QczI-AMP RNSCCA ,---RNS÷ 2CTP+ATP (.PP) < / ( . 3 P P )

RNSCCA-acyI-A (.AMP]

R -

D / -

N R N S ÷ B -

S S - O - M -

PROTEIN (16slich)

Abb. 5. Schema z~m &blauf der Protei~sTnthese. -AS aktivierte Amino- sg.ure; ATP Adenosin-Triphosphat; :P:P Pyrophosphat; AMP Adenosin- IVfonophosphat ; t~NSCGA 16sliche I~NS mit endst.~diger Sequenz Cytosin-

Cytosin-Adenosin; CTP Cytosin-TriphosphaL; RIgS + ~dbermittler der genetischea Information

Die besprochenen Ergebnisse fiber die Vorggnge der Proteinsynthese lassen auf den ersten Blick vermuten, dab die t/.ibosome autonome Zellstrukturen darstellen and an ihnen die Produktion sines Proteins mehr oder weniger selbst~ndig abl~uft. ~Vie greift nun die DNS kon*rollierend in den Ablauf der Proteinsynthese t in ? ttieriiber ist noch wenig bekannt. Am besten untersueht sind die Zusammenh~nge nach der Infektion yon Bakterien mit Viren. Hier wird die Kontrolle der Bakterien-DNS fiber den Bakterienstoffweehsel a.usgeschaltet and dutch die eindringende Virus-DNS ersetzt. Die Protein- synthese verl/~uft zun/~ehst, zumindest was ihre quantitative Zunahme betrifft, unvergndert weiter~% Die erste virus- spezifische Substanz, die synthetisie~* wird, ist eine t~NS. tt ier ist bemerkenswert, dug diese I~NS in die zu bildenden neuen Virusteilchen nicht mit eingebaut wird. Sic ist jedoch

insofern virusspezifisch, da sie sich in ihrer Basenzusammen- setzung yon normaler Bakterien-RNS unterscheidet and darfiber hinaus eine Basenzusammensetzung zeigt, die der der infizierenden Virus-RNS gleichkommt. Neuerdings konnte wsiterhin gezeigt werden, dag diese RNS eine Basensequenz besitzt, die einem Strang der infizierenden DINS komplement~r ist. Diese neugebildete RNS paart n/~mlich spezifisch mit einem Strang der Virus-DNS. 5ian darf deshalb annehmen, dag die RNS die genetische Information fibermittelt und zur Synthese spezifischer Proteine anregt.

Unter diesen Proteinen linden sich virusspezifische Enzyme, die fiir die autokatalytische Funktion der infizierenden DNS, ffir ihre Vermehrung ben5tigt werden. Die heterokatalytische Funktion der DNS tr i t t somit zuerst getrennt yon der auto- katalytisehen ein. Experimentell IgBt sich die autokatalyti- sche Fnnktion der DiNS ganz unterdrfieken, z.B. dutch UV- Bestrahlung, ohne dadurch die heterokata.lytische Funktion meBbar zu beeinflussen. Eine l~eihe spezifischer, dutch die Virnsinfcktion induzierter Proteinsynthesen, 1Kuft auch nach Bestrahlung der Virus-DNS ab, ohne dag eine DNS-Vermeh- rung eintritt 1L

Die Ergebnisse der letzten Jahre erlaubsn es uns heute, die autokatMytische Funktion der DNS und auch die ver- schiedenen Stufen der heterokatalyt.ischen Funktion der DNS, wie RNS-Synthese und die einzelnen Stufen der Protein- synthese, in vitro in zellfreien Systemen zu studieren. Die Grundprobleme sind allerdings noch nicht wesentlich kMner geworden und noch keineswegs endgiiltig gelSst.

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