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Nullwertige „Wetterverben“ Frühneuhochdeutsch: zu sand Thomans tag hub es an zu schneyben (Arnpeck Chron. 678f.). Das „Scheinsubjekt“ es ist allerdings bis ins Frühneuhochdeutsche nicht obligatorisch, wie die folgenden Beispiele zeigen: Vnd der HERR lies donnern vnd hageln (Luther Biblia deutsch 1545, Ex. 9,23). In stilistisch markierten Sonderfällen ist auch ein „inneres Objekt“ möglich: Aber der HERR lies donnern einen grossen Donner vber die Philister (Luther Biblia deutsch 1545, 1 Sam. 7,10). Auch kann in bestimmten Fällen ein handelndes Subjekt genannt sein: Der HERR donnerte vom Himel (Luther Biblia deutsch 1545, 2 Sam. 22,14). so iz uuath, so uuagont te bovmma ‘wenn es weht, biegen sich die Bäume’. Mittelhochdeutsch: Nû hienc ein tavel vor dem tor / an zwein ketenen enbor: / dâ sluoc er an daz ez erhal / und daz ez in die burc erschal. (Hartmann, Iwein 299-302) Althochdeutsch: so iz regenot, so naszcent te boumma ‘wenn es regnet, werden die Bäume nass’.

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Nullwertige „Wetterverben“

Frühneuhochdeutsch: zu sand Thomans tag hub es an zu schneyben (Arnpeck Chron. 678f.). Das „Scheinsubjekt“ es ist allerdings bis ins Frühneuhochdeutsche nicht obligatorisch, wie die folgenden Beispiele zeigen: Vnd der HERR lies donnern vnd hageln (Luther Biblia deutsch 1545, Ex. 9,23). In stilistisch markierten Sonderfällen ist auch ein „inneres Objekt“ möglich: Aber der HERR lies donnern einen grossen Donner vber die Philister (Luther Biblia deutsch 1545, 1 Sam. 7,10). Auch kann in bestimmten Fällen ein handelndes Subjekt genannt sein: Der HERR donnerte vom Himel (Luther Biblia deutsch 1545, 2 Sam. 22,14). so iz uuath, so uuagont te bovmma ‘wenn es weht, biegen sich die Bäume’. Mittelhochdeutsch: Nû hienc ein tavel vor dem tor / an zwein ketenen enbor: / dâ sluoc er an daz ez erhal / und daz ez in die burc erschal. (Hartmann, Iwein 299-302) Althochdeutsch: so iz regenot, so naszcent te boumma ‘wenn es regnet, werden die Bäume nass’.

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Einwertige Verben mit Subjekt

Frühneuhochdeutsch: Da sprachen seine Juenger, HErr, schlefft er, so

wirds besser mit jm ‘da sprachen seine Jünger: Herr, schläft er, dann

wird es besser mit ihm’ (Luther, Biblia Deutsch 1545, Joh. 11,12).

Mittelhochdeutsch: Tristan und diu künigîn die sliefen harte suoze

‘Tristan und die Königin, die schliefen sehr sanft’ (Gottfried

Trist. 18212f.).

Althochdeutsch: Lazarus unser friunt slafit ‘Lazarus, unser Freund,

schläft’ (Tatian 230/471,3).

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Einwertige Verben ohne Subjekt

Frühneuhochdeutsch: Vnd da dieselbigen [Tage] ein ende hatten,

hungerte jn darnach (Luther Biblia deutsch 1545, Lk. 4,2).

Mittelhochdeutsch: do chom er ze ainem vigenbaum der pei dem wege

stunt und sucht daz wucher dar auf und envande sein nicht und hungerot in

‘da kam er zu einem Feigenbaum, der am Weg stand, und suchte

Früchte darauf und fand keine, und ihn hungerte’ (Oberalt. Pred.

11,24-26).

Althochdeutsch: Inti mit thiu her thô fasteta fiorzug tago Inti fiorzug

nahto after thiu hungirita Inan ‘und als er vierzig Tage gefastet hatte,

danach hungerte ihn’ (Tatian 13,25-27).

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Unpersönliche einwertige Verben auf -rn

Inen slâferot nieth. noch er neslâfet ‘er [der Löwe] wird nicht schläfrig, und er schläft nicht’ (Jüngerer Physiologus, WDP 5,23). mich scheiszert, hofier ich anders nicht gleich in die hosen ‘ich muss dringend scheißen; gleich mache in die Hose’ (Schade, Satiren 2,253,16).

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es gibt…

So aber vns wenig ärtz für kompt/ gibt es ein anzeigung/ so aber viel/ gibt es kein anzeigung

‘Wenn wir auf wenig Erz stoßen, gibt es dafür ein Anzeichen, wenn es aber viel

ist, gibt es kein Anzeichen’ (Agricola 1557, 80).

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Adhortativ ohne Subjektpronomen

Mittelhochdeutsch: dâ sterbent wan die veigen. die lâzen ligen tôt! ‘da

sterben nur die Todgeweihten; die wollen wir tot liegen lassen’

(Nibelungenlied 150,2).

Althochdeutsch: Nu sehen, mit uuelichemo flîzza uuir den gotis

uuinkarten ûoben ‘nun lasst uns sehen, mit welchem Fleiß wir

Gottes Weingarten bearbeiten’ (Predigtsammlung B2, 15f., SKD

169).

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Zweiwertige Verben mit Subjekt und Akkusativobjekt

(transitive Verben)

• Frühneuhochdeutsch: AM anfang schuff Gott Himel vnd Erden

(Luther Biblia deutsch 1545, Gen. 1,1).

• Mittelhochdeutsch: da sach man daz himelbrot […], daz vindet man

noch da (Oberalt.Pred. 21,30f.).

• Althochdeutsch: garutun se iro guđhamun ‘sie bereiteten ihre

Rüstungen’ (Hildebrandslied 5, SKD 1).

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Früher transitiv

• Frühneuhochdeutsch: Da kam Abraham / das er sie klaget vnd

beweinet (Luther Biblia deutsch 1545, Gen. 23,2).

• Mittelhochdeutsch: si weinte sine wnden ez was ir grimme leit ‘sie

beweinte seine Wunden, es verursachte ihr schlimmes Leid’

(Nibelungenklage 2063,3).

• Althochdeutsch: iuih selbon weinot ‘euch selbst beweint!’ (Otfrid

IV,26,32).

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Subjekt und adverbialer Akkusativ

• Frühneuhochdeutsch: Denn der HERR hat mich den weg gefüret zu

meines Herrn Bruders haus (Luther Biblia deutsch 1545, Gen.

24,27).

• Mittelhochdeutsch: der fuor wazzer unde wege, /unz wider in des

grâles pflege ‘der reiste (über) Wasser und Wege, zurück in die

Obhut des Grals’ (Parzival 826,23f.).

• Althochdeutsch: fuarun andara strâza ‘sie zogen eine andere

Straße’ (Otfrid I,17,77).

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Subjekt und nominale Ergänzung im Nominativ

(subst. oder adj. Prädikatsnomen) • Frühneuhochdeutsch: unflektiertes adjektivisches Prädikatsnomen: Vnd du solt in

den Kasten thun allerley Thier […] das sie lebendig bleiben bey dir (Luther Biblia deutsch

1545, Gen. 6,19). – substantivisches Prädikatsnomen: Barrabas aber war ein Moerder

(Luther Biblia deutsch 1545, Joh. 18,40).

• Mittelhochdeutsch: unflektiertes adjektivisches Prädikatsnomen: Tiure unde wert ist

mir der man ‘teuer und wert ist mir der Mann’ (Gottfried Trist. 17); flektiert: kein

künec sô werder was als er ‘kein König war so hoch angesehen wie er’ (ebd. 453). –

Substantivisches Prädikatsnomen: daz was der vriunt, von dem sî sprach ‘das war der

Freund, von dem sie sprach’ (ebd. 770).

• Althochdeutsch: unflektiertes adjektivisches Prädikatsnomen: chud ist mir al irmindeot

‘bekannt ist mir alles Volk’ (Hildebrandslied 13 SKD 2); flektiert: du bist dir alter

Hun, ummet spaher ‘du bist, alter Hunne, unglaublich schlau’ (ebd. 39, SKD 5);

substantivisches Prädikatsnomen: her fragen gistuont … hwer sin fater wari ‘er begann

zu fragen, wer sein Vater sei’ (ebd. 8f. SKD 2).

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Subjekt und Infinitivergänzung

• Frühneuhochdeutsch: DA sich aber die Menschen begunden zu

mehren auff Erden […] Da sahen die kinder Gottes nach den töchtern

der Menschen / wie sie schön waren (Luther Biblia deutsch 1545,

Gen. 6,1f.).

• Mittelhochdeutsch: dô daz der minnende man, / ir vriunt, begunde

merken, / alrêrste begunde in sterken / diu minne ‘als das der

liebende Mann, ihr Freund, zu bemerken begann, da begann

ihn zum ersten Mal die Minne zu stärken’ (Gottfried Trist.

1092-1095).

• Althochdeutsch: Joh ih biginne ridinon, wio er bigonda bredigon ‘und

ich beginne zu berichten, wie er zu predigen begann’ (Otfrid

I,2,7).

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Subjekt und partitiver Genitiv

• Frühneuhochdeutsch trinken mit Genitiv: Vnd da er des Weins tranck / ward er truncken / vnd lag in der Hütten auffgedeckt ‘und als er von dem Wein trank, wurde er betrunken und lag nackt in der Hütte’ (Luther Biblia deutsch 1545, Gen. 9,21); trinken (und auch essen) mit Akkusativ: Sorget nicht fur ewer Leben, was jr essen vnd trincken werdet (Luther Biblia deutsch 1545, Mt. 6,25); mit Präpositionalkonstruktion: ALso sol der Priester […] dem Weibe von dem bittern verfluchten Wasser zu trincken geben (Luther Biblia deutsch 1545, Num. 5,23f.).

• Mittelhochdeutsch trinken mit Genitiv: Trinket wînes niht ze vil, Wenne er unkiusche haben will ‘trinkt nicht zu viel Wein, weil der Unkeuschheit zu Folge hat’ (Renner 10621f.); mit Akkusativ: Der vierde wil met, der fünfte bier, Der sehste trinket wazzer als ein stier (Renner 9368).

• Althochdeutsch

trinken mit Genitiv: er drank es (es ist der Genitiv des Pronomens e!), so ih thir zellu, joh sinu kind ellu ‘er trank davon, wie ich dir sage, und alle seine Kinder’ (Otfrid II,14,32); mit Akkusativ: nioman trinkenti altan uúin uuili sliumo niuuan ‘niemand, der alten Wein trink, will sogleich neuen’ (Tatian 199,18f.).

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Konkurrenz von Genitiv- und Akkusativobjekt

• Frühneuhochdeutsch: Welcher man vor der ee gesündet hat mit der

vnkeüsch, als man selten einen vindet der des nicht getan hab, vnd peicht

er des nicht […] selben man ist got vil straffen durch ein pos chläftig weib

(Regel der hl. ee 279).

• Mittelhochdeutsch: und haete wir iuch nie gesehen, sone waere ouch

disses leides niht ‘und hätten wir Euch nie gesehen, dann wäre

auch dieses Leid nicht’ (Gottfried Trist. 5818f.).

• Althochdeutsch: Ih ni háben, quad siu, in uuár uuiht gómmannes sár

‘Ich habe, sprach sie, fürwahr keinen Mann’ (Otfrid II, 14,49).

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Genitivverben (1)

Verben der geistigen Teilnahme

• Frühneuhochdeutsch: Vnd wo sie zweiffellig sein / sollen sie weither

radts pflegen / bei den rechtuerstendigen ‘und wo sie im Zweifel sind,

sollen sie außerdem Rat einholen bei den Juristen’ (Carolina

60,21f.).

• Mittelhochdeutsch: Der künec pflach sîner geste vil groezliche wol

‘der König kümmerte sich sehr großzügig um seine Gäste’

(Nibelungenlied 252,1).

• Althochdeutsch: „Ni will ih“ … therero dato plegan borathrato

‘nicht will ich … mich allzusehr um diese Dinge kümmern’

(Otfrid IV,24,28).

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Genitivverben (2)

Zustand oder Vorgang einer Trennung

• Frühneuhochdeutsch: Aber der öberste Schenck gedacht nicht an

Joseph / sondern vergas sein (Luther Biblia deutsch 1545, Gen.

40,23).

• Mittelhochdeutsch: got von himele […] der edeler herzen nie vergaz!

(Gottfried Trist. 1710f.).

• Althochdeutsch: Vuanda so fúrnomes neuuírt fergezen dero ármon

‘denn niemals werden die Armen vergessen’ (Notker, Psalter

26,22f.).

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Genitivverben (3)

Wegnehmen oder Entfernen

• Frühneuhochdeutsch: als sein vorfar Saul von Got des künigreichs

entsetzt waz (Murner Adel 208).

• Mittelhochdeutsch: ich will uns des enbinden ‘ich will uns (von

diesem Verdacht) lösen’ (Parzival 717,18).

• Althochdeutsch: ther inan thes sêres inbant ‘der ihn von dem

Gebrechen erlöste’ (Otfrid III,4,48).

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Genitivverben (4)

Bewegung im Raum

• Frühneuhochdeutsch: des wolt der herzog nit volgen (Arnpeck

Chron. 516).

• Mittelhochdeutsch: unt will dû mînes râtes volgen (Kaiserchron.

12988).

• Althochdeutsch: Fólge mînes râtes ‘folge meinem Rat’ (Notker,

Boethius I,22,22).

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Vom Genitivobjekt zum Subjekt

• Frühneuhochdeutsch: Luther verwendet verdrießen bereits mit einem Subjekt im Nominativ: Das ist das grewliche stücke, welches die Bepste bis her so hefftiglich verdreusst (Luther Bapstum 210).

• Mittelhochdeutsch dominiert die unpersönliche Konstruktionsweise: Vil manic mensche ir jâres geniuzet, Manigen irs lebens ouch verdriuzet ‘viele Menschen genießen ihre Zeit. Manchen verdrießt das Leben auch’ (Renner 1303f.).

• Althochdeutsch: (irdriozan): nirthrôz se thero uuorto ‘nicht verdrossen sie die Worte’ (Otfrid I,27,44).

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Subjekt und prädikativer Genitiv

• Frühneuhochdeutsch: Selig sind die reines hertzen sind (Luther Biblia deutsch

1545, Mt. 5,8).

• Mittelhochdeutsch: wir suln nu hôhes muotes wesen ‘wir werden nun eine edle

Gesinnung an den Tag legen’ (Gottfried Trist. 1606).

• Althochdeutsch: ist éllenes gúates joh wola quékes muates ‘er ist von großer

Tapferkeit und von sehr wachem Verstand’ (Otfrid L 68).

Prädikativ ist auch ein „Genitiv des Besitzers“:

• Frühneuhochdeutsch: So gebet dem Keiser, was des Keisers ist, vnd Gotte, was Gottes

ist (Luther Biblia deutsch 1545, Mt. 22,21).

• Mittelhochdeutsch: daz diu schoene Îsôt mîn ist (Gottfried Trist. 13243).

• Althochdeutsch: uuanta iro ist himilo rihhi ‘denn ihrer ist das Himmelreich’

(Tatian 135,18-20).

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Subjekt und Dativobjekt

• Frühneuhochdeutsch: wer mir das gesagt hiet in meinen jungen tagen

[…] ich hiecz nit gelaubt (Arnpeck Chron. 604f.).

• Mittelhochdeutsch: sî suochent iuch, nû volget mir ‘sie suchen

Euch; nun folgt mir!’ (Iwein 1230).

• Althochdeutsch: Inti quad imo. folge mir ‘und sagte zu ihm: folge

mir!’ (Tatian 127,16).

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Dativ als „inneres Subjekt“

• Frühneuhochdeutsch: Was ist das fur ein Traum / der dir getreumet hat? (Luther

Biblia deutsch 1545, Gen. 37,10).

• Mittelhochdeutsch: Dem troumte eins nahtes, dô er lac / In sînem bette und ruowe pflac

/ Ein troum, des er vergaz zehant (Renner 581-583).

• Althochdeutsch: Der lôrboum hábet tía natura. úbe sîn ást úfen slâfenden mán geléget

uuírt. táz ímo uuâr tróumet ‘der Lorbeer hat die Eigenschaft, wenn sein Ast auf

einen schlafenden Menschen gelegt wird, dass ihm Wahres träumt’ (Notker,

Martianus Capella, I,698,11-13).

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Unpersönlich mit prädikativem Dativ

• Frühneuhochdeutsch: Do der gelb fleck ist vnd mit dem finger drawff dewt, do ist mir we (Dürer, autobiographische Notiz zu einem Selbstbildnis)

• Mittelhochdeutsch: want im nie orses dürfter was ‘weil ihm nie ein Pferd nötiger war’ (Wolfram Willehalm 42,23).

• Althochdeutsch: Vnde háre mih ána so dir not si. unde danne lóse ich dih ‘und rufe mich an, wenn es dir Not ist, und dann erlöse ich dich’ (Notker, Psalter 49,15).

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Possessive Dativrelation

• Frühneuhochdeutsch: Ich […] versich mich, der Brief sei Euch

worden (Dürer Briefe 21,8f.).

• Mittelhochdeutsch: der künec, diu süeze künigîn, / die teilten wol

gelîche / ir herzen künicrîche: /daz ir wart Riwalîne / dâ wider wart ir

daz sîne; ‘der König und die Königin, die teilten gleicherweise

ihrer Herzen Königreiche: das Ihre wurde Riwalin; im

Gegenzug wurde ihr das seine’, (Gottfried Trist. 814-817).

• Althochdeutsch: tiurida sí In then hohiston gote ‘Ehre sei Gott in

der Höhe’ (Tatian 87,14).

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Konkurrenz von Genitiv- und Präpositionalobjekt

• Frühneuhochdeutsch: Des libs wir sorgen yemer dar ‘um den Leib machen wir uns

immerzu Sorgen’ (Narrenschiff 85,146). Möglich ist hier aber auch die Lesart

‘für den Leib sorgen wir immerzu’. Luther verwendet die Präposition für: dir

ist nichts befolhen, fur mich oder dich zu sorgen. Es heisst: Wirff dein anligen auff den

HErrn, Der sorget fur dich (Luther Briefe 11,291,16-18).

• Mittelhochdeutsch: wan daz ich sorge um mîn wîp ‘weil ich mir Sorgen um meine

Frau mache’ (Iwein 2836). Daneben ist auch noch die Konstruktion mit

Genitiv möglich: des ir dâ sorget, des sorg ich ‘worum ihr euch sorgt, dafür sorge

ich’ (Iwein 7438).

• Althochdeutsch: uuir uuârun suorgênti ther thîneru gisuntî ‘wir sorgten uns um dein

Wohlbefinden’ (Otfrid I,22,51). Daneben stehen aber bereits Fälle mit

präpositionalem Anschluss mit bî: uns ist leid hiar managaz; thorôt ni sorgên uuir bî

thaz ‘hier (d.h. auf Erden) ist uns manches leid; dort (d.h. im Himmel) sorgen

wir uns nicht darum’ (Otfrid V,23,83).

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Subjekt und adverbiale Ergänzung Lokaladverbiale:

• Frühneuhochdeutsch: Vil narren sint jn disem druck / Die doren sint / jnn manchem stuck / Den sitzt der esel vff

dem ruck ‘viele Narren sind in diesem Buch, die sind in vieler Hinsicht Toren sind. Denen sitzt der Esel

auf dem Rücken’ (Narrenschiff 78,1-3).

• Mittelhochdeutsch: Dô sâzen in den venstern diu schoenen mægedîn (Nibelungenlied 647). • Althochdeutsch: Tumbo saz in berke mit tumbeme kinde enarme ‘Tumbo saß auf einem Berg mit einem

dummen Kind im Arm’ (Straßburger Blutsegen 6, SKD 375).

Im älteren Deutschen (und noch in Dialekten) können Ruheverben zu Bewegungsverben werden, wenn die

Präpositionen mit dem Akkusativ verwendet werden:

• Frühneuhochdeutsch: Lieber Kazmair, da siz nider zu uns (Katzmaier 475).

• Mittelhochdeutsch: suz sâzen sî zwêne über daz spil ‘so setzten sie sich beide über das Spiel’ (Gottfried Trist.

2249).

Temporaladverbiale:

• Frühneuhochdeutsch: Keret doch ein zum hause ewers Knechts / vnd bleibet vber nacht (Luther Biblia deutsch

1545, Gen. 19,2).

• Mittelhochdeutsch: do beleip ich langer âne nôt ‘dort blieb ich länger ohne Grund’ (Iwein 3537).

• Althochdeutsch: trohtin her suihhit îu fior taga biliban ist ‘Herr, er riecht schon; vier Tage ist er [im Grab]

geblieben’ (Tatian 477,1f.).

Modaladverbiale:

• Frühneuhochdeutsch: damit sich aber Richter vnd vrtheyler […] in solchen fellen dester rechtmessiger zu halten wissen

(Carolina 86,9-11).

• Mittelhochdeutsch: wan si […] gehapte sich erbermeclîchen ‘denn sie benahm sich erbärmlich’ (Konrad v.W.

Trojanerkrieg 11164). • Althochdeutsch: gihabêt iuih baldo ‘verhaltet euch tapfer’ (Otfrid III,8,30).

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Zweiwertige Verben ohne formales Subjekt

Schon:

• Frühneuhochdeutsch: DA nu geld gebrach im lande Egypten vnd

Canaan / kamen alle Egypter zu Joseph ‘weil nun Geld fehlte…’

(Luther Biblia deutsch 1545, Gen. 47,15); hier steht das von

gebrach abhängige geld bereits als Subjekt im Nominativ.

Aber noch:

• Mittelhochdeutsch: lîbes unde guotes /der gebristet mir beider ‘Leben

und Besitz, an beidem habe ich Mangel’ (Iwein 3582f.).

• Althochdeutsch: ioh imo in thera fristi thes gisiunes gibrusti ‘und

ihm fehlte in dieser Zeit das Augenlicht’ (Otfrid III,20,84).

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Subjekt, Dativ- und Akkusativobjekt

• Frühneuhochdeutsch: Ihr dürft meinem Weib und Mutter nix leihen,

sie haben itz Gelds genug (Dürer Briefe 36,24f.).

• Mittelhochdeutsch: nu lîhet mir ein horn, daz mir ze mâze sî ‘nun

leiht mir ein Jagdhorn, das für mich angemessen ist’ (Gottfried

Trist. 3192f.). – Bei Imperativen ist das Subjekt der Verbform

immanent.

• Althochdeutsch: alle dagafristi, thi er uns ist lîhenti ‘alle Tage, die

er uns leiht’ (Otfrid I,10,18).

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Subjekt, Dativ- und Genitivobjekt

• Frühneuhochdeutsch: Dez danket sie got und azze die visch mit

freuden (Engelthaler Schwesternb. 9).

• Mittelhochdeutsch: dune darft mir dienstes danken niht ‘du musst

mir für meinen Dienst nicht danken’ (Parzival 49,11).

• Althochdeutsch: thaz thu uns es muazis thankon ‘dass du uns

dafür danken musst’ (Otfrid II,24,38); es ist Genitiv!

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Subjekt, Akkusativ- und Präpositionalobjekt

• Frühneuhochdeutsch: Der herre, der mich erlost hat von deme munde

des lawin, der erlose mich von den hendin des Phylistei (Mühlhäuser

Historienbibel, Erben 1961: 59).

• Mittelhochdeutsch: daz er die armen sel von der helle erlost

(Oberalt.Pred. 111,11f.).

• Althochdeutsch: er unsih gidrôsti, fon fîanton irlôsti ‘er rette uns,

erlöste uns von den Feinden’ (Otfrid IV,2,4). – Daneben auch

noch mit Genitiv: mit sînes selbes uuirdîn irlôsta unsih thera burdin

‘mit seinen eigenen Verdiensten erlöste er uns von der Last’

(IV,25,12).

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Subjekt, Dativ- und Präpositionalobjekt

• Frühneuhochdeutsch: Lieber her Jorig, mein hauswirt lett euch fast

pittn, das ir im hinder den habich hellft (Paulsdorfer Briefe 83).

• Mittelhochdeutsch: helfet mir ze lîbe wider ‘verhelft mir wieder

zum Leben’ (Gottfried Trist. 9599). Auch im

Mittelhochdeutschen wird helfen noch mit Genitiv verwendet:

Und helfet mir der reise in Burgonden lant ‘und verhelft mir zu der

Reise nach Burgund’ (Nibelungenlied 62,1).

• Althochdeutsch: darazuo geuuerdo mir helfen ‘dazu verhilf mir’

(Notker Psalmen 533,30). Eine Parallelüberlieferung hat an

dieser Stelle die Variante mit dem Genitiv: des geuuerdo mir

helfen.

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Subjekt und zwei Akkusative

• Frühneuhochdeutsch: Johannes […] leret euch den rechten weg

(Luther Biblia deutsch 1545, Mt. 21,32).

• Mittelhochdeutsch: daz en lerte mich niht min vater ‘das lehrte

mich mein Vater nicht’ (Nibelungenlied 1743,4).

• Althochdeutsch: Theist suazi joh ouh nuzzi inti lerit unsih wizzi

‘das ist süß und nützlich und lehrt uns Weisheit’ (Otfrid

I,1,55).

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Mit prädikatsnominalem Gleichsetzungsakkusativ

• Frühneuhochdeutsch: welchers nit tht, der sol nit bischof ordiniert

werden (Schade Satiren 3,179-36f.).

• Mittelhochdeutsch: Er graif mir an den wizen lip / er sprah: „ich

mache dich ein wip“ ‘er griff mir an den weißen Leib; er sprach:

ich mache dich zur Frau’ (Carmina Burana 185,8).

• Althochdeutsch: den diu sâlda máchôta fríunt . tén máchôt sâr

uúnsâlda fîent ‘den das Glück zum Freund gemacht hat, den

macht alsbald das Unglück zum Feind’ (Notker Boethius

I,156,23f.).

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Subjekt, Akkusativ- und Genitivobjekt

• Frühneuhochdeutsch: so eyn verletzter oder beschedigter, auß etlichen vrsachen jemant der missethat selbs zeihet ‘wenn ein Verletzter oder Geschädigter aus irgendwelchen Gründen jemanden selbst der Missetat beschuldigt’ (Carolina 36,1f.).

• Mittelhochdeutsch: sine zigen mich der valscheit ‘sie beschuldigten mich nicht der Falschheit’ (Iwein 4124).

• Althochdeutsch: dés nîoman gót zihen nemûoz ‘dessen darf niemand Gott beschuldigen’ (Notker, Boethius I,315,14f.).

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Subjekt, Akkusativobjekt und Richtungsergänzung

• Frühneuhochdeutsch: dahin sendet eur poten und klaget das dem babst (Arnpeck Chron. 488).

• Mittelhochdeutsch: wer iuch her hab gesendet desn hân ich niht vernomen ‘wer Euch hierher geschickt hat, davon habe ich keine Kunde’ (Nibelungenlied 142,2).

• Althochdeutsch: ich santa zi thuringiun .II. gifengidi ‘ich habe zwei Kleider nach Thüringen geschickt’ (Fuldaer Federprobe, SKD 405).

Vierwertig?

• Frühneuhochdeutsch: Ich hab ein Fuhrmann bestellt, der soll mich führen von Antorff gen Cölln ‘ich habe einen Fuhrmann engagiert. Der soll mich von Antwerpen nach Köln bringen’ (Dürer Reisetagebuch 175,22f.).

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Subjekt, Dativobjekt und Richtungsergänzung

• Frühneuhochdeutsch: Wie / wenn das Weib mir nicht wolt folgen in dis Land? (Luther Biblia deutsch 1545, Gen. 24,5 – Richtung); Vnd es folgete jm nach viel Volcks aus Galilea, aus den zehen Stedten, von Jerusalem, aus dem Juedischenlande, vnd von jenseid des Jordans (Luther Biblia deutsch 1545, Mt. 4,25 – Herkunft).

• Mittelhochdeutsch: dô volgete Chuonrâte / hin ze den Lancparten / Friderîch von Valkenstain (Kaiserchron. 17055-57 – Richtung); ûzer mînes vater lande hâstû mir gevolgôt (ebd. 11875f. – Herkunft).

• Althochdeutsch: folget imo in hus ‘folgt ihm ins Haus’ (Tatian 555,15 – Richtung); fon hiericho folgeta inan mihil menigi ‘aus Jericho folgte ihm eine große Menge’ (Tatian 388,29f. – Herkunft).

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Akkusativ / Dativ, Subjekt, Prädikatsnomen

• Frühneuhochdeutsch waz sy pillich deucht ‘was ihnen angemessen erschien’ (Katzmair 489).

• Mittelhochdeutsch: die herren dûhte daz niht guot (Ottokar Reimchron. 6305).

• Althochdeutsch: gab er antuuurti, thaz pêtrum thûhta herti ‘er gab eine Antwort, die Petrus hart dünkte’ (Otfrid III,13,19).

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Subjekt und zwei Präpositionalobjekte

• Frühneuhochdeutsch: so soll der ambtmann mit im darumb nit fechten ‘deshalbv soll der Amtmann mit keinen Streit führen’ (Österr. Weistümer VII,853,42f.).

• Mittelhochdeutsch: sie striten um die selen / mit sente Michaelen ‘sie kämpften um die Seelen mit St. Michael’ (Brandan 637f.).

• Althochdeutsch: Tô hínderstûont íh (…) zestrîtenne. uuíder demo flégare des pretorii (…) úmbe geméine nôttúrfte ‘da begann ich zu streiten gegen den Vorsteher des Prätors um allgemeine Notwendigkeiten’ (Notker, Boethius I,27,5-7).

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Adjektivische Genitivvalenz (1)

• Frühneuhochdeutsch: wer ir vil isset, der wirt grindig vnd vol lewß ‘wer viel isst, wird grindig und voller Läuse’ (Eberhard Kochb. 99). - Wes das hertz vol ist / des gehet der mund uber (Luther, Sendbr. vom Dolmetschen 487,6f., auch Biblia deutsch 1545, Mt. 12,34, Lk. 6, 45).

• Mittelhochdeutsch: Unkustiger liute valschlich wort / Sint honiges vol und stiftent mort ‘hinterhältiger Leute falsche Worte sind voll mit Honig und stiften zu Verbrechen an’ (Renner 16383f.).

• Althochdeutsch: diu uuerlt ist fol dero, die dir habent den phaflichen namen ‘die Welt ist voll derer, die dem Namen nach Priester sind’ (Predigtsammlung B1, 17f., SKD 168).

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Adjektivische Genitivvalenz (2) Adjektive der seelischen/geistigen Befindlichkeit

• Frühneuhochdeutsch: Wenn er stehet / wird er seines Lebens nicht gewis sein (Luther Biblia deutsch 1545, Hiob 24,22).

• Mittelhochdeutsch: Dû bist mîn, ich bin dîn. / des solt dû gewis sîn ‘du bist mein, ich bin dein, dessen sollst du gewiss sein’ (Minnesangs Frühling 21).

• Althochdeutsch: thes mannilîh giuuis sî ‘dessen sei sich jeder Mensch gewiss’ (Otfrid V,1,18).

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Adjektive und Adverbien mit Dativvalenz

• Frühneuhochdeutsch: Ez waz ein prediger, der was einer frawen gar getrew (Engelth. Schwesternb. 13).

• Mittelhochdeutsch: si was im getriuwe. des ir diu meiste menige giht ‘sie war ihm treu; das sagen die meisten von ihr’ (Nibelungenlied 1139,4). – Schon im Mittelhochdeutschen treten neben Ergänzungen mit dem Dativ auch präpositionale Ergänzun-gen: und hilf mir, daz mîn niftelîn / wider mich getriuwe müeze sîn! (Gottfried Trist. 12621f.).

• Althochdeutsch: Daz er diê gehalte. die ímo getriúuue sint ‘dass er die erhalte, die ihm treu sind’ (Notker, Psalter 109,8).

Adjektive mit zu:

• Frühneuhochdeutsch: da paten wir mein herrn, daz er den Türlein mit uns sandt zu herzog Steffan mit der antburt, ez wär uns zu schweer ‘da baten wir meinen Herrn, dass er den Türlein zusammen mit uns zu Herzog Stefan senden möge, es sei uns zu schwer’ (Katzmair 467).

• Mittelhochdeutsch: wan er was ime ze swaere ‘denn es war ihm immer zu schwer’ (Gottfried Trist. 2867).

• Althochdeutsch: imo was eo fehta ti leop ‘ihm war immer der Kampf zu lieb’ (Hildebrandslied 27).

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Adverbialia nach Duden Grammatik (2014: 782-786)

Lokaladverbiale (Untergruppen: Orts, Richtung, Herkunft, räumliche

Erstreckung)

Temporaladverbiale (Untergruppen: Zeitpunkt, Frist, zeitlicher

Ausgangspunkt, zeitliche Erstreckung)

Modaladverbiale (Untergruppen: Vorgehensweise, Grad / Maß / Intensität,

gradueller Unterschied, Mittel, Begleitung)

Kausaladverbiale (Untergruppen: Grund oder Ursache, Grundlage einer

Folgerung, Bedingung, Folge, Zweck, unwirksamer Gegengrund).

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Adverbiale Genitive (1)

Lokaler Genitiv • Althochdeutsch: se uuara se geloufan uualdes ode uueges ode heido ‘wohin auch

immer sie laufen, im Wald, auf dem Weg oder der Heide’ (Wiener Hundesegen 5, SKD 394).

Temporaler Genitiv: • Frühneuhochdeutsch: Wer vil lust hat wie er hofier / Nachts vff der gassen vor der

thůr (Brant Narrenschiff 62). • Mittelhochdeutsch: eines nahtes, dô er bî ir lac (Gottfried Trist. 13676).

• Althochdeutsch: thes nahtes er in zalta reda managfalta ‘nachts redete zu ihnen vielerlei’ (Otfrid IV,13,2).

Kausaler Genitiv: • Frühneuhochdeutsch: Denn jr habt vns darumb ausgefürt in diese wüsten / das jr diese

gantze Gemeine hungers sterben lasset (Luther Biblia deutsch 1545, Ex. 16,3). • Mittelhochdeutsch: daz wir niht hungers sterben (Iwein 6394). • Althochdeutsch: húngeres irstérbent siê ‘vor Hunger sterben sie’ (Notker, Psalter

II,629,7).

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Adverbiale Genitive (2)

Instrumentaler Genitiv: • Mittelhochdeutsch: er sprach scarfere worte ‘er sprach mit scharfen Worten’

(Genesis 937). Akkusativ wäre scarferiu wort. • Althochdeutsch: ich wisero worto hiwarnon iwih harto ‘ich warne euch eindringlich

mit weisen Worten’ (Otfrid IV,7,23). Modaler Genitiv:

• Frühneuhochdeutsch: und ob einer unversehener sach darin käm, in uß z jagen ‘und falls einer zufällig hinein käme, um ihn hinaus zu jagen’ (Schade Satiren II,43,22).

• Mittelhochdeutsch: die burc er in nôtsturmes an gewan ‘die Burg eroberte er von ihnen im heftigem Sturmangriff’ (Kaiserchron. 16639).

• Althochdeutsch: Dánnân fûoren sîe îligero férte ‘davon fuhren sie in eiliger Fahrt’ (Notker, Martianus Capella I,838,5).

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Adverbialer Akkusativ

• Frühneuhochdeutsch: Denn gmeine Gmäl will ich ein Jahr ein Haufen machen, daß

Niemand glaubte, daß möglich wäre ‘den gewöhnliche Gemälde könnte ich in

einem Jahr haufenweise machen, dass niemand glauben würde, dass es

möglich wäre’ (Dürer Briefe 57,22-24).

• Mittelhochdeutsch: sô der man naht unde tac /den tôtvînt vor ougen hât ‘wenn der

Mensch Nacht und Tag den Todfeind vor Augen stehen hat’ (Gottfried Trist.

1844f.).

• Althochdeutsch: ziu stet ir allan tag unnuze ‘warum steht ihr den ganzen Tag faul

herum?’ (Tatian 371,13f.).

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Dativus ethicus

• Frühneuhochdeutsch: dankht mir dem volkh vleissig (Katzmair 469).

• Mittelhochdeutsch: Frâget mir einen jüden, wâ got sî ‘fragt mir einen Juden, wo

Gott sei’ (Berthold I,401,38f.).

• Althochdeutsch: du bist dir, alter Hun, ummet spaher ‘du bist (dir) alter Hunne,

unglaublich gerissen’ (Hildebrandslied 39).

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Dativus commodi

• Frühneuhochdeutsch: Man mus zu weilen einem tollen hunde den fus aus dem wege

rucken vnd dem Teuffel zwo kertzen anstecken ‘man muss manchmal [vor] einem

wütenden Hund den Fuß wegziehen und dem Teufel zwei Kerzen anzünden’

(Luther Briefe 10,43,20-22).

• Mittelhochdeutsch: Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr ‘ich zog mir einen

Falken heran, länger als ein Jahr’ (Kürenberger 6,1, Minnesangs Frühling 25)..

• Althochdeutsch: teta imo gouma mihhila leui in sinemo hús ‘Levi richtete für ihn ein

Gastmahl aus in seinem Hause’ (Tatian 197,6f.).

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Dativus incommodi

• Frühneuhochdeutsch: An S. Mertenstag hat man zu Antorff in unser Frauen Kirchen

meinem Weib ein Beutel abgeschnitten ‘am St. Martintag hat jemand in Antwerpen

in der Marienkirche meiner Frau einen Geldbeutel abgeschnitten’ (Dürer

Reisetagebuch 139,22-24).

• Mittelhochdeutsch: Swie im sîne sinne / von der kraft der minne / vil sêre waeren

überladen ‘wie ihm seine Sinne durch die Kraft der Minne in höchstem Maße

getrübt waren’ (Iwein 1519-1521).

• Althochdeutsch: unti im iro lintun luttilo wurtun ‘bis ihnen ihre Schilde klein

[gehauen] wurden’ (Hildebrandslied 677).

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Pertinenzdativ

• Frühneuhochdeutsch: Auch wer da hat ein stinkends Maul / Dem ist die Leber im

Bauch faul. … Doch welchem sein Arschloch oft blut / Dafür ist Spiegler Damis [ein

Heilmittel] gut (Dürer, Reime 80,1-5). – Grenzfall possessiver Dativ / Dat.

incommodi: denn ich weiß es wol, er bescheußt manchem burger sein weib und tochter

‘denn ich weiß es wohl: er bescheißt manchem Bürger seine Frau und seine

Tochter’ (Schade Satiren 2,162,27f.).

• Mittelhochdeutsch: Er warf mir ûf das hemdelin ‘er warf mir das Hemdchen

hoch’ (Carmina Burana Nr. 185,9).

• Althochdeutsch: Hirez runeta hintun in daz ora ‘uuildu noh, hinta’ ‘ein Hirsch

raunte einer Hinde [Hirschkuh] ins Ohr: willst du noch Hinde?’ (Hirsch und

Hinde, SKD 399).

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Reflexiver Dativ

• Frühneuhochdeutsch: wiltu noch mein darzu spotten? hab dir den Ciprian und die

gicht! ‘willst du mich noch lange verspotten? Bekomm das Gliederreißen und

die Gicht!’ (Schade, Satiren 2,263,12).

• Mittelhochdeutsch: ich stuont mir nehtin spate an einer zinnen ‘ich stand spät

nachts an einer Zinne’(Minnesangs Frühling, Kürenberger 25, II,2); das

Pronomen mir könnte allenfalls als ‘allein’ interpretiert werden.

• Althochdeutsch: E guas mer ngene francia ‘ich war in Frankreich’ (Pariser

Gespräche, Haubrichs/Pfister 1989: 87).

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Lokale Angaben

Lokale Relationen werden ausgedrückt mit Präpositionen wie beispielsweise an (ahd. ana, mhd. ane), auf (ahd., mhd. ûf), aus (ahd., mhd. ûz), bei (ahd., mhd. bî), bis (mhd. bi), durch (ahd. thuruh, mhd. durh), hinter (ahd. hintar, mhd. hinter), mit (ahd., mhd. mit), nach (ahd. nâh, mhd. nâch), über (ahd. ubir, mhd. über), um (ahd. umbi, mhd. umbe), unter (ahd. untar, mhd. unter), von (ahd. fona, mhd. vone), vor (ahd. fora, mhd. vor), wider (ahd. widar, mhd. wider), zu (mhd., mhd. zuo) u.a.

• Frühneuhochdeutsch: In der zeit so die lerch singt, so singest du vor meiner heiligen drivaltikeit ‘in der Zeit, wenn die Lerche singt, dann singst du vor meiner heiligen Dreifaltigkeit’ (Engelth. Schwesternb. 15).

• Mittelhochdeutsch: Anderthalp des Rînes sach man … den künic mit sînen gesten ‘jenseits des Rheines sah man den König mit seinen Gästen’ (Nibelungenlied 579f.).

• Althochdeutsch: dar ni mac denne mak andremo helfan vora demo muspille ‘dort kann kein Mensch dem anderen helfen vor dem Jüngsten Gericht’ (Muspilli 57, SKD 69).

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Temporale Angaben

• Frühneuhochdeutsch: erst pey acht tagen ist mir ainer warn ‘erst vor acht Tagen ist

mir einer [ein Brief] zugegangen’ (Paulsdorfer Briefe 84).

Die Präposition bis (ursprünglich eine Zusammensetzung aus bî und i) erscheint

erstmals im Mittelhochdeutschen:

• Mittelhochdeutsch: swaz dû biz dâ her hâst getân ‘was immer du bis jetzt getan

hast’ (Gottfried Trist. 3070).

• Althochdeutsch: mit salteru in henti, then sang si unz in enti ‘mit dem Psalter in der

Hand, den sang sie bis zum Schluss’ (Otfrid I,5,10).

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Instrumentale Angaben

• Frühneuhochdeutsch: und tettn mit Prandt auf bayden Thailn groß verderblichen

Schaden ‘und richten mit Brandstiftung auf beiden Teilen großen Schaden an’

(Landsh. Ratschron. 296).

• Mittelhochdeutsch: er vrumte starchiu wunder mit sîner grôzen krefte ‘er vollbrachte

enorme Großtaten mit seiner großen Kraft’ (Nibelungenlied 87,4).

• Althochdeutsch: nu vuil ich then ureidon slahan mit ten colbon ‘nun will ich den

Unhold mit dem Knüppel erschlagen’ (Wider den Teufel, SKD 399)

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Komitative Angaben

• Frühneuhochdeutsch: Ist des Jars kommen in das Landt am Reyn des Königs Sun von

Franckreich, der Telfün [Dauphin], mit den Frantzösen und Englischen 80.000 mann

(Landsh. Ratschron. 289). – herzog Hainrich von Bairn und Saxen (…) mit samt der

kaiserin ist zu dem kaiser ins feld zogen (Arnpeck Chron. 503).

• Mittelhochdeutsch: ich bin mit ir biz her beliben / und hân mit ir die tage vertriben

(Gottfried Trist. 67f.); und pat si daz si sich fraeuten mit samt im daz er sein verlorns

schaf funden hiet ‘und bat sie, dass sie sich mit ihm freuten, dass er sein

verlorenes Schaf gefunden hatte’ (Oberalt.Pred. 124,27f.).

• Althochdeutsch: Inti lebeta mit Ira gommanne sibun Iâr ‘und lebte mit ihrem Mann

sieben Jahre lang’ (Tatian 91,25f.).

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„Negativ komitativ“

• Frühneuhochdeutsch: Got muß hie allein schaffen, ohn alles menschlich Sorgen und

Zutun (Luther Briefe 10,656).

• Mittelhochdeutsch: nu bin ich âne liute hie ‘nun bin ich ohne Leute hier’

(Gottfried, Tristan 2362f.).

• Althochdeutsch: dar ist lip ano tod, lioht ano finstri, selida ano sorgun ‘dort ist Leben

ohne Tod, Licht ohne Finsternis, Glückseligkeit ohne Schmerzen’ (Muspilli

14f., SKD 66).

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Kausale Angaben

• Frühneuhochdeutsch: Die magt durch vil glatter wort und verheissen ihres herren

verwilget und emfacht von im ein kind ‘aufgrund vieler schmeichelnder Worte und

Versprechungen empfing die Magd von ihm ein Kind’ (Wickram Rollwagenb.

19); ob des fürbrachten argkwons vnd verdachts (Carolina 26,18); umb des arkwans

willen eilt er in seinem gahen zoren haym ‘aufgrund seines Argwohns eilte er in

seinem jähen Zorn nachhause’ (Arnpeck Chron. 516); wir christen schmehen die

juden irer blintheit halb Schade Satiren III, 10,18f.).

• Mittelhochdeutsch: diu ir vil liehten ougen vor leide weineten bluot ‘ihre sonst so

hellen Augen weinten Blut vor lauter Leid’ (Nibelungenlied 1069,4); durch sîn

eines sterben starp vil maneger muoter kindt ‘wegen dieses einen Tod starb [später]

mancher Mutter Kind’(ebd. 19,4).

• Althochdeutsch: nu irhuge (...) des uuibes, diu uone dere beruorida sines keuuatis

keheiligit uuart ‘nun denke an die Frau, die von der Berührung / infolge der

Berührung seines Gewandes geheilt wurde’ (Predigtsammlung A1, 25f., SKD

157).

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Finale Angaben

• Frühneuhochdeutsch: nu kam es dick, das er mit der fürstin durch kurzweil den

schachzagl zoch ‘nun kam es oft vor, dass er mit der Fürstin zur Unterhaltung

Schach spielte’ (Arnpeck Chron. 515). – umb des willen wolt si in geberen der pet

‘um dieser Sache willen / zu diesem Zweck wollte sie ihm diese Bitte

gewähren’ (ebd. 516).

• Mittelhochdeutsch: do unser herre durch unser hail an daz hilig chraeutz erhangen wart

‘als unser Herr für unser Heil an das heilige Kreuz gehängt wurde’

(Oberalt.Pred. 21,8).

• Althochdeutsch: Thaz ih ni scribu thuruh ruam ‘das schreibe ich nicht für den

Ruhm’ (Otfrid I,2,17).

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Exzeptive Angaben

• Frühneuhochdeutsch: Küng Hainrichen waren all fürsten gehorsam im reich an herzog

Arnolf von Bairen ‘… außer Herzog Heinrich von Bayern’ (Arnpeck Chron.

478); di haiden wurden ganz erschlagen hunz an siben ‘… bis auf sieben’ (ebd. 483).

• Mittelhochdeutsch: daz rieten im die besten (…) âne Hagnen eine ‘das rieten ihm

die besten mit der einzigen Ausnahme Hagens’ (Nibelungenlied 1455,2f.).

• Althochdeutsch: Sîd tér álemahtîg ist. tér ál gemág. âne ubel ‘weil der allmächtig ist,

der alles vermag außer das Böse’ (Nb 242,28f.).

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Modale Angaben

• Frühneuhochdeutsch: Doch hab ich widerumb nicht allzu frey die buchstaben lassen

faren, Sondern mit grossen sorgen sampt meinen gehülffen drauff gesehen (Luther Sendbr.

vom Dolmetschen 490,6f.).

• Mittelhochdeutsch: er treit den lip swâre, / mit strûbendem hâre, / barschenkel unde

barvuoz ‘er schleppt sich mühsam dahin, mit struppigem Haar, nackten

Schenkeln und barfuß’. (Iwein 2819-2821).

• Althochdeutsch: Der got pétet mit rehttera kiloube, der stet fore gote ‘wer Gott im

rechten Glauben anbetet, der steht vor Gott’ (Predigtslg. C1, SKD 173,1f.).

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Kanzleisprachlicher Nominalstil

• Item, welche personen von jrer güter wegen die peinlich gericht zůbesitzen schuldig sein vnnd

das selb auß schwacheyt vnd gebrechlicheyt jres leibs vernunfft jugent alter oder anderer

vngeschicklicheyt halber nit besitzen noch verwesen mögen so offt das not beschicht Soll der,

oder die selbigen ander tüglich personen zu besitzung des peinlichen gerichts an jr statt

ordnen vnd bestellen mit wissen vnnd zulassen deßselben oberrichters (Carolina 24,12-19).

• Kausal: von jrer güter wegen, auß schwacheyt vnd gebrechlicheyt jres leibs und anderer

vngeschicklicheyt halber

• Final: zu besitzung des peinlichen gerichts

• Modal: mit wissen vnnd zulassen deßselben oberrichters.

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Adjektivadverbien

• Frühneuhochdeutsch: Do nu kaiser Fridrich lang kriegt het mit der stat Mailand und

mit dem pabst ‘als nun Kaiser Friedrich lange Krieg geführt hat mit der Stadt

Mailand’ (Arnpeck Chron. 503).

• Mittelhochdeutsch: Gunther unde Gernôt di sint mir lange bekannt ‘Gunter und

Gernot, die sind mir seit langem bekannt’ (Nibelungenlied 56,4).

• Ahd. Quadhun al fro min, So lango beidon uuir thin. / Thanne sprah luto Hluduig ther

guoto ‘sie sprachen alle „mein Herr, so lange haben wir auf dich gewartet“; da

sprach laut, Ludwig, der Gute’ (Ludwigslied 30, SKD 85).

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Fast wie englisch -ly: Adverbien auf -lich

• Frühneuhochdeutsch: dan mein veter Sygmund ligt sberlich kranck an den frantzzochen ‘denn mein Vetter Siegmund lieg schwer darnieder an der Syphilis’ (Paulsdorfer Briefe 84); sberlich ist eine bairische dialektnahe Schreibweise von schwerlich.

• Mittelhochdeutsch: sich und die sîne cleite er dô / rîlîche und alse im wol gezam ‘sich und die Seinen kleidete er da prachtvoll, wie es sich für ihm ziemte’ Gottfried, Tristan 482f.); rîlîche ist ein Ableitung von rîch ‘reich, prachtvoll’ mit dissimilatorischem Schwund des ch von rîch aufgrund desselben Konsonanten im Suffix (s. 87). – Daz seit uns ein ander ewangelista offenlichen ‘das sagt uns einen anderer Evangelist ganz offen’ (Oberalt.Pred. 10,20).

• Althochdeutsch: doh maht du nu aodlihho, ibu dir din ellen taoc, / in sus heremo man hrusti giwinnan ‘doch kannst du nun, wenn dir deine Kraft reicht, von einem so alten Mann die Rüstung gewinnen’ (Hildebrandslied 55f., SKD, 55f.); aodlîhho ist eine Adverbialbildung vom Adjektiv aod (normalisierte Form ôdi) ‘leicht, einfach’.

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Artikel(nicht)setzung in einem althochdeutschen Text

(Wessobrunner Gedicht und Gebet, um 800)

Dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista, Dat ero ni uuas noh ufhimil, noh paum <...> noh pereg ni uuas, ni <...> nohheinig noh sunna ni scein, noh mano ni liuhta, noh der maręo seo. Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo, enti do uuas der eino almahtico cot, manno miltisto, enti dar uuarun auh manake mit inan cootlihhe geista. enti cot heilac <...>

Cot almahtico, du himil enti erda gauuorahtos, enti du mannun so manac coot forgapi, forgip mir in dino ganada rehta galaupa enti cotan uuilleon, uuistóm enti spahida enti craft, tiuflun za uuidarstantanne enti arc za piuuisanne enti dinan uuilleon za gauurchanne.

Das erfuhr ich unter den Menschen als größtes der Wunder: Dass die Erde nicht war noch der Himmel oben: Weder Baum noch Berg war noch irgendein [hier fehlt ein Wort]. Auch die Sonne schien nicht, noch leuchtete der Mond noch das schimmernde Meer. Als da nichts war an Enden und Wenden, war da war dennoch der eine allmächtige Gott, der Menschen Mildester. Und da waren mit ihm auch viele herrliche Geister. Und der heilige Gott <>.

Allmächtiger Gott, du hast den Himmel und die Erde geschaffen, und du hast den Menschen so viel Gutes gegeben. Gib mir in deiner Gnade rechten Glauben und guten Willen, Weisheit und Klugheit und die Kraft, den Teufeln zu widerstehen und das Böse zu vermeiden und deinen Willen zu erfüllen.

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Artikel und Vorerwähntheit

Inti sar gibot her thie iungiron stigan in skef ‘und sogleich befahl er den Jüngern in (ein)

Schiff zu steigen’ (Tatian 251,31f.).

Mehrere Zeilen später heißt es:

Inti nidarstiganter petrus fon themo skefe gieng oba themo uuazare, ganz wörtlich: ‘und

heraussteigend aus dem Schiff ging Petrus über dem Wasser’ (ebd.253,32-255,2).

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Artikelsetzung hat nichts mit Verbalaspekt zu tun!

farames zi bethleem Inti gisehemes thaz uuort thaz thar gitân ist ‘lasst uns nach Bethlehem

gehen und lasst und das Wort sehen, das dort erfüllt worden ist’. (Tatian 87,20f.).

thô sie gihortun then cuning. fuorun ‘als sie den König gehört hatten, zogen die davon’

(Tatian 95,7f.).

Thô herodes gisah uuanta her bitrogan uuas fon then magin ‘als Herodes sah, dass er

betrogen war von den Magiern’ (Tatian 97,6f.).

thô her gisah manage thero pharisęorum ‘als er die Menge der Pharisäer sah’ (Tatian

107,2).

Sogar mit dem Verbum gibot gibt es einen Gegenbeleg:

Inti mittiu her forstuont gibot zigebanne then lichamon ‘und als er es erfahren hatte, gebot

er, den Leichnam herauszugeben’ (Tatian 653,22f.). Der Leichnam (Jesu) ist in

der vorausgehenden Erzählung mehrfach vorerwähnt; deshalb steht der

bestimmte Artikel.

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Definiter Artikel bei bestimmten Größen

thô thaz gihorta herodes ther cuning uuard gitruobit. Inti al hierusalem mit

Imo, Inti gisamanota then hêrduom thero biscofo In thie gilêrton thes folkes

‘als das Herodes, der König, hörte, wurde er betrübt und ganz

Jerusalem mit ihm. Und er versammelte die Schar der Priester

und die Gelehrten des Volkes’ (Tatian 93,17-21).

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Unbestimmter Artikel

In dagon eines kuninges, joh harto firdanes, was ein ewarto ‘in den Tagen eines Königs, [und zwar] eines sehr lasterhaften, war ein Priester’ (Otfrid I,4,1f.).

Ansätze zu einem Plural auch des unbestimmten Artikels:

• Mittelhochdeutsch: Daz was in einen zîten, dô vrou Helche erstarp ‘das war in Zeiten, als Königin Helche gestorben war’ (Nibelungenlied 1143,1).

• Althochdeutsch: Las ih iu in alawar in einen buachon ‘ich las tatsächlich in Büchern’ (Otfrid I,1,87).

• Auch Dialekte kennen einen Plural des unbestimmten Artikels, z.B. bair. gib Obacht, do han oi Oa drin ‘pass auf, da sind Eier drinnen’.

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Sonderfall Eigennamen

• Frühneuhochdeutsch: Ludbig, kaiser Arnolfs sun, kam an das teitsch reich in der stat Forchaim ‘Ludwig, Kaiser Arnulfs Sohn, übernahm die Herrschaft über das deutschen Reich in der Stadt Forchheim’ (Arnpeck 477).

• Mittelhochdeutsch: Sigmunt unde Siglint die mohten wol bejagen mit guote michel êre (Nibelungenlied 29,2f.).

• Althochdeutsch: Hadubrant gimahalta, Hiltibrantes sunu ‘Hadubrand sprach, Hildebrands Sohn’ (Hildebrandslied 14, SKD 2).

Aber:

• Der Tichtl und sein gesellen wollten yee nit ‘Der Tichtl und seine Gesellen wollten auf gar keinen Fall’ (Katzmair 469).

• Den Arnolf assen de leys ze tod ‘den Arnulf fraßen die Läuse zu Tode’ (Arnpeck Chron. 477).

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Schwache Flexion nach unbestimmtem Artikel

und Zahlwörtern

• Frühneuhochdeutsch: da Jhesus von dannen furbas gieng, folgeten jm zween Blinden

nach ‘als Jesus von dort weiterzog, folgten ihm zwei Blinde’ (Luther Biblia

deutsch 1545 Mt. 9,27).

• Mittelhochdeutsch: wenne wurdent ir ein stumbe? ‘wann wurdet Ihr einer

Stummer?’ (Iwein 2259).

• Althochdeutsch: da saz ein plinte pi demo uuege ‘da saß ein Blinder am Wege’

(Predigtslg. B4,2f., SKD 172).

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Artikel und Adjektivflexion

(frühneuhochdeutsch)

• Schwache Form nach vorausgehendem bestimmtem Artikel: mit dem guten frid und regiment samlet der fürst ainen grossen schacz ‘mit dem guten Frieden und (guter) Regierung erwarb der Fürst einen großen Schatz’ (Arnpeck Chron. 614);

• Schwache Form nach vorangehendem stark flektiertem Adjektiv: Der herr … eret sy mit besunderem guten gebet ‘der Herr ehrte sie mit besonderem guten Gebet’ (ebd. 612);

• Schwache Form nach flektiertem unbestimmtem Artikel: was ainem guten richter gebürt ze thun ‘was einem guten Richter zu tun gebührt’ (ebd. 497)

• Starke (pronominale) Form nach unbestimmtem Artikel (Nominativ): nu bas kung Hainrich gar ain gutiger, weiser fürst (ebd. 479)

• Starke (substantivische) Form nach unbestimmtem Artikel (Nominativ): di genant ward Maultasch … darumb also genannt, das sy alls ain ungeschaffen weyb bas ‘die „Maultasch“ genannt wurde, weil sie rundum ein hässliches Weib war’ (ebd. 582);

• Starke Form ohne determinierendes Element: und es ward guter frid in teytschen landen ‘und es wurde guter Friede in deutschen Landen’ (ebd. 577).

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Artikel und Adjektivflexion

(mittelhochdeutsch)

• Schwache Form nach vorausgehendem bestimmtem Artikel: Volgen wir der guoten lêre nâch ‘folgen wir der guten Lehre nach’ (Renner 3315)

• Schwache Form nach flektiertem unbestimmtem Artikel: Sîn trôst lît … an einem grôzen schrîne vol / Heilictuoms ‘sein Vergnügen liegt an einem großen Schrein voller Reliquien’ (ebd. 6982-4)

• Starke (pronominale) Form nach unbestimmtem Artikel (Nominativ): Zeimâl lief ein grôzer hunt ûz einem dorfe in einen walt ‘es lief einmal ein großer Hund aus einem Dorf in einen Wald’ (ebd. 73434-5)

• Starke (substantivische) Form ohne determinierendes Element: Die got dar zuo geschaffen hât, daz si guot bilde geben ‘die Gott dazu geschaffen hat, dass sie (ein) gutes Vorbild geben’ (ebd. 182f.)

• Starke (pronominale) Form ohne determinierendes Element: Wenne nie kein tier erger wart / Denne ein wîp von übeler art ‘weil nie ein Tier ärger war als ein Weib von übler Art’ (ebd. 449f.);

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Artikel und Adjektivflexion

(althochdeutsch) • Schwache Form nach vorausgehendem bestimmtem Artikel: so denne der

mahtigo khuninc daz mahal kipannit ‘wenn dann der mächtige König den Gerichtsplatz festlegt’ (Muspilli 31, SKD 67)

• Schwache Form nach flektiertem unbestimmtem Artikel: Lang sin daga sine zi themo ewinigen libe ‘lang mögen seine Tage sein bis zum ewigen Leben’ (Otfrid L77)

• Starke (pronominale) Form nach unbestimmtem Artikel (Nominativ): thaz thaz ewiniga lib lerta thar ein armaz wib ‘dass das ewige Leben (d.h. Christus) eine arme Frau lehrte’ (ebd. II,14,84)

• Starke (substantivische) Form nach unbestimmtem Artikel (Nominativ): Chám óuh éin hálz smid ‘es kam auch ein lahmer Schmied’ (Notker, Martianus Capella I,760,21f.)

• Starke (substantivische) Form ohne determinierendes Element: Bi uuaz kerost thu, guot man, daz ih thir geba trinkan? ‘warum verlangst du, guter Mann, dass ich dir zu trinken gebe?’ (Christus und die Samariterin 7, SKD8 9);

• Starke (pronominale) Form ohne determinierendes Element: tu der pist einiger trost unta euuigiu heila aller dero, di an dih gloubant ‘der du der einzige Trost (wörtlich: einziger Trost) und das ewige Heil all derer bist, die an dich glauben’ (Otlohs Gebet 1f., SKD 182).

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(Schwache) n-Formen bei Feminina

• Frühneuhochdeutsch: Von Dauid bis auff die Babylonischen gefengnis, sind vierzehen

gelied ‘von David bis auf die Babylonische Gefangenschaft sind vierzehn

Generationen’ (Luther Biblia deutsch 1545 Mt.1,17).

• Mittelhochdeutsch: in reizete haz unde leit /ûf die grôzen unhöfscheit ‘ihn reizten

Hass und Schmerz zu der großen Gemeinheit’ (Gottfried Tristan 13609f.).

• Althochdeutsch: Sumelichez fellit ana die guôten erda unter furebringet cehincicualtigiz

wuocher ‘manches fällt auf die gute Erde und bringt hundertfache Frucht’

(Predigtslg. B3,6f., SKD 171).

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Schwache Form nach dem unbestimmten Artikel

• Mittelhochdeutsch: sô sol ein wîse man … wîsen unde lêren ‘so soll ein weiser

Mann unterweisen und lehren’ (Gottfried Tristan 17897-17903).

• Althochdeutsch: éin scône houbet. únde … éin scône múnt ‘ein schönes Haupt und

einer schöner Mund’ (Notker, Martianus Capella I, 829,9f.).

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Seit jeher die Regel: vorangestelltes Adjektiv

• Frühneuhochdeutsch: Nu ist ein allter briester in dem bruederhaus zu Regenspurg

(Paulsdorfer Briefe 81).

• Mittelhochdeutsch: Ez wuochs in Burgonden ein vil edel magedin ‘es wuchs in

Burgund ein sehr edles Mädchen heran’ (Nibelungenlied 2,1).

• Althochdeutsch: ih bin guot hirti (Tatian 461,26; im lateinischen Text steht ego

sum pastor bonus).

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Nachstellung ist (unter Sonderbedingungen) möglich

• Frühneuhochdeutsch: David der prophet lobesan / Der wirt es in geleret han ‘David,

der lobenswerte Prophet, der wird es ihm beigebracht haben’ (Schade Satiren

I, 80,13f.).

• Mittelhochdeutsch: Ir pflâgen drie künege, edel und rîch ‘für sie sorgten drei

Könige, edel und reich’ (Nibelungenlied 4,1).

• Althochdeutsch: her furlaet in lante luttila sitten / prut in bure, barn unwahsan ‘er

ließ im Land das Kleine sitzen, die Braut im Gemach, das unmündige Kind’

(Hildebrandslied 20f., SKD 3); mit Flexion des Adjektivs: Thar was ein man

fruater joh edilthegan guater ‘dort war ein weiser Mann und guter Edelmann’

(Otfrid II,12,1).

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Ein kanzleisprachliches Syntagma (17. Jh.)

In einem Dresdener Testament von 1646 kommt der Erblasser auf die Christliche, billiche, gleichmäßige Theilung meiner wohlerworbenen, größten theils von neuen durch Herren gnad ... ansehlichen Heyrath (Testament Dölau 108) zu sprechen.

Auf Theilung bezogen: drei gereihte Adjektive (Christliche, billiche, gleichmäßige) attributiv bezogen.

Auf Heyrath unmittelbar bezogen: wohlerworbenen und ansehlichen.

Erweiterungen:

wohlerworbenen: mit Possessivpronomen meiner erweitert.

ansehlichen: umfangreiche Attributgruppe, die eine adverbiale Genitivkonstruktion (größten theils) und zwei Präpositionalkonstruktionen (von neuen und durch Herren gnad) enthält.

Mit der präpositionalen Gruppe durch Herren gnad ‘durch des Herren Gnade’ wird begründet, warum das Vermögen ansehlich ist. Das geschah größten theils von neuen ‘größten Teils zusätzlich’ zu dem in die Ehe mitgebrachten eigenen Vermögen.

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Possessivpronomen Frühneuhochdeutsch:

• Normalfall ist das vorangestellte Possessivum ohne Artikel: Ich und mein gesell hieten es gern verzogen ‘ich und mein Gefährte hätten es gerne hinausgezögert’ (Katzmair 466). Fälle mit Artikel und Possessivum kommen vor, sind aber selten: so das mein erb gar dienet seiner hannd ‘wenn mein Erbe ganz zu seiner Verfügung steht’ (Füetrer Poytislier 37,3).

• Nachgestelltes Possessivum: Nit daß si ketzer söllen sein / Also ist nit die meinung mein ‘nicht dass sie Ketzer sein sollen; das ist nicht meine Meinung’ (Schade Satiren I,33,243f.). Wie das Beispiel zeigt, sind solche Wortstellungen hauptsächlich durch den bequemen Reim (mein: dein: sein) verursacht.

Mittelhochdeutsch

• Artikel und Possessivum: ouch sol daz min gebeine uf disem durren steine des jungesten tages beiten ‘auch soll mein Gebein auf diesem harten Felsen auf den Jüngsten Tag warten’ (Brandan 421-423)

• Nachgestelltes Possessivum: hilf mir, gnediger herre min (ebd. 219, gleichzeitig ein Beispiel für Nachstellung).

Althochdeutsch

• Artikel und Possessivum: Ih wanu thu sis rehto thesses mannes knehto, thes sines gisindes ‘ich vermute, du bist wahrhaftig einer der Knechte dieses Mannes, seines Anhangs’(IV,18,7f.)

• Vorangestelltes Possessivum: dat Hiltibrant hætti min fater ‘das mein Vater Hildebrand hieß’ (Hildebrandslied 17, SKD 3);

• Nachgestelltes Possessivum: Alle die mir rietun den unrehton rihtuom, die sint fienta din ‘alle, die mir zu unrechtem Reichtum rieten, sind deine Feinde’ (Psalm 138,18f., SKD 106).

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Zahlwörter

• Frühneuhochdeutsch: Der Übergang von Flexion zu Nichtflexion zeigt sich

z.B. bei Luther: mit drey seulen / vnd dreien füssen (Luther Biblia deutsch 1545,

Ex. 38,15).

• Mittelhochdeutsch: da waren da sechs steinein chrueg … in der ieglichen goz man zwei

mez oder dreu ‘da waren sechs steinerne Krüge; in jeden davon goss man zwei

oder drei Maß’ (Oberalt.Pred. 34,5-7); die Neutrumsform dreu zeigt, dass das

Zahlwort mit dem dem Neutrum mez im Nom.Pl. kongruiert. Auch zwei

weist diese Form auf.

• Althochdeutsch: Normalfall ist Flexion und Voranstellung: Thiu faz thiu

namun lides zuei odo thriu mez ‘die Fässer nahmen an Wein zwei oder drei Maß

auf’ (Otfrid II,9,95); flektiert und mit Nachstellung: Ik gihorta đat seggen, đat

sih urhettun non muotin, Hiltibrant enti Hađubrant untar heriun tuem ‘ich hörte das

erzählen, dass sich Herausforderer trafen, Hildebrand und Hadubrand,

zwischen zwei Heeren’ (Hildebrandslied 1-3, SKD 1).

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Attributive Genitive

(frühneuhochdeutsch)

• Partitiver Genitiv: Da gieng hin der Zwelffen einer, mit namen Judas Jscharioth

(Luther Biblia deutsch 1545, Mt. 26,14)

• Possessiver Genitiv: der ist in meines vatters hauß zu herberg gelegen ‘der hat im

Haus meines Vaters Quartier genommen’ (Wickram Rollwagenb. 47

• Definierender Genitiv: wie jn vnser Hohenpriester vnd Obersten vberantwortet haben,

zum verdamnis des Todes (Luther Biblia deutsch 1545, Lk. 24,20)

• Genitiv der Zugehörigkeit: Fridrich, des iczgedachten Ludbigs bruder ‘Friedrich,

der Bruder des eben erwähnten Ludwig’ (Arnpeck Chron. 539)

• Genitiv des Subjekts: Nun stund es nit seer lang nach meines manns seligen todt ‘nun

hat es nicht mehr lange gedauert nach dem Tod meines seligen Mannes’

(Wickram Rollwagenb. 115).

• Genitiv des Objekts: Hochgelehrter, bewährt Weiser ..., vieler Sproch Erfahrner, bald

Verständiger aller fürbrochten Lügen und schneller Erkenner rechter Worheit, ersamer

hochgeachter Herr Wolbot Pirkamer (Dürer, Briefe 33,20-23).

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Attributive Genitive

(mittelhochdeutsch)

• Partitiver Genitiv: sie æze an dem vierden tage vil gerner ein stücke brôtes ‘sie äße am

vierten Tag viel lieber ein Stück Brot’ (Berthold I,388,21f.)

• Possessiver Genitiv: über allez sînes hêrren lant ‘über das ganze Land seines

Herren’ (Gottfried Tristan 1884)

• Definierender Genitiv: unz an mînes tôdes zil ‘bis an meines Todes Ziel’

(Gottfried Tristan 8273)

• Genitiv der Zugehörigkeit: er ist von edelem künne, eines richen künegs sun

(Nibelungenlied 103,1)

• Genitiv des Subjekts: von eines hornes duzze ‘vom Schall eines Horns’

(Nibelungenlied 945,2)

• Genitiv des Objekts: ich vil iu waege sîn dvrch mînes sunes liebe ‘ich will Euch sehr

zugetan bleiben aus Liebe zu meinem Sohn’ (Nibelungenlied 1074,3f.).

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Attributive Genitive

(althochdeutsch)

• Partitiver Genitiv: do uuas der eino almahtico cot, manno miltisto ‘da war der eine

allmächtige Gotte, der Männer Mildtätigster’ (Wessobrunner Gedicht 7f.,

SKD 16)

• Possessiver Genitiv: der ziuueibet den gotis uuinkarte ‘der ruiniert Gottes

Weingarten’ (Predigtslg. B2,21f., SKD 169)

• Definierender Genitiv: thaz sines lichamen hus ‘das Haus seines Leibes’ (Otfrid

II,11,44)

• Genitiv der Zugehörigkeit: Hvndes ars in tine naso ‘des Hundes Arsch in deine

Nase!’ (Pariser Gespr. 42)

• Genitiv des Subjekts: kilaubu in kot fater almahticun kiscaft himiles enti erda ‘ich

glaube an Gott, den Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde’ (St. Galler

Credo 8, SKD 27)

• Genitiv des Objekts: In godes minna ind in thes christanes folches ‘aus Liebe zu

Gott und zum christlichen Volk’ (Straßburger Eide 18, SKD 82).

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Partitiver Genitiv und konkurrierende

Konstruktionen

• Appositiv: das vil menschenplut unnüczlich möcht vergossen werden ‘dass viel

Menschenblut vergebens vergossen würde’ (Arnpeck Chron. 479).

• Präpositional: aber von dem geschloss wurden di veint mit gebalt abgetriben, auch etbo

vil von den Pehamen ‘aber von dem Schloss wurden die Feinde mit Gewalt

vertrieben, auch ziemlich viele von den Böhmen’ (ebd. 661).

• Vgl. dagegen die mittelhochdeutsche Konstruktion

mit partitivem Genitivattribut: er versuchte vil der

rîche durch ellenthaften muot ‘er suchte viele Reiche

heim in seinem Tatendrang’ (Nibelungenlied 21,2).

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Präpositiver (vorangestellte) Genitiv und

Kompositum

• Attributive Genitivfügung: was nach des gerichts ordnung recht … verfasset ist ‘was

nach dem Recht der Ordnung des Gerichts verfasst ist’ (Carolina 93); vor

etlichen eyns peinlichen gerichts personen ‘vor mehreren Personen eines peinlichen

Gerichts’ (73).

• Kompositum: nach … erkantnuß des richters / sampt vier gerichts personen ‘nach

Erkenntnis des Richter mitsamt vier Gerichtspersonen’ (13), nach laut diser

peinlichen Keyserlichen gerichts ordnung ‘nach dem Wortlaut dieser peinlichen

kaiserlichen Gerichtsordnung’ (90).

• Nicht zu entscheiden: inn gegenwertigkeyt des Richters … vnd des gerichts schreibers

‘in Gegenwart des Richters und des Gerichtsschreibers’ oder ‘des Gerichts

Schreibers’ = ‘des Schreibers des Gerichts’ (47)?

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Präpositionale Attribute

Frühneuhochdeutsch

• Herre von obernlanden, fürst von vil selden ‘Herr überirdischer Länder, Fürst vieler

Reichtümer’ (Ackermann 27,27).

• Lokale Einordung einer Bezugsgröße: Der dieb auff den todtenbeinen meint, sein

gesell kem mit dem hamel ‘der Dieb auf den Totenknochen glaubte, sein Kumpan

käme mit dem Hammel’ (Rollwagenb. 107).

Mittelhochdeutsch

• der herre von dem lande, swie er des tages krône truoc ‘der Herr von dem Land,

obwohl der die Krone trug’ (Nibelungenlied 640,4). Daneben stehen aber

auch Genitivfügungen: Dô sprach der künec des landes (102,1) oder Dô sprach der

wirt des landes (125,1).

Althochdeutsch:

• Gilaubistu lib after tode ‘glaubst du an das Leben nach dem Tod?’ (Fränkisches

Taufgelöbnis 13, SKD 23).

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Adverbiales Attribut

• Frühneuhochdeutsch: von dem Allmechtigen bistu gesegnet / mit segen oben von Himel

erab / mit segen von der tieffe … mit segen an brüsten vnd beuchen ‘vom Allmächtigen

bist du gesegnet mit Segen oben vom Himmel herab, mit Segen aus der Tiefe,

mit Segen an Brüsten und Bäuchen’ (Luther Biblia deutsch 1545, Gen. 49,25).

• Mittelhochdeutsch: ein juncvrouwe … diu stât an ir gebete, in der kapellen hie bî ‘eine

Jungfrau, die betet in der Kapelle hier in der Nähe’ (Iwein 9895-7).

• Althochdeutsch: des kruces horn da obana ‘des Kreuzes Spitze da oben’

(OtfridV,1,19).

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Appositionen

• Frühneuhochdeutsch: So hett aber der knecht der Aff auch ein armbrust ‘da hatte

aber sein Knecht, der Affe, auch eine Armbrust’ (Götz Fehd 71).

• Mittelhochdeutsch: er was eins fursten sun von Rôme, ein rehter Rômære ‘er war Sohn

eines Fürsten von Rom, ein richtiger Römer’ (Berthold I,11,9-11).

• Althochdeutsch: durh die diga sanctę Mariun euuiger magidi ‘durch die Bitte der

heiligen Maria, der ewigen Jungfrau’ (Otlohs Gebet 26f., SKD 184).

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Satzwertige Attribute

Frühneuhochdeutsch

• Pronominaler Anschluss: daß züchtige, erbare weiber, ja auch jungfrauwen auff wagen oder zů schiff faren, deren man gar wenig verschonen thůt ‘dass züchtige, ehrbare Frauen, sogar Jungfrauen auf Wagen oder mit dem Schiff fahren, auf die man sehr Rücksicht nimmt’ (Rollwagenbüchlein 9). – Das Beispiel zeigt, dass Attributsätze auch in Distanz zum Bezugswort stehen können.

• Adverbialer Anschluss: der setzer war nicht faul und wuscht mit seim sack herfür, darinn die gschrifft war und schlůge sie dem münch umb den kopff ‘der Buchdrucker war nicht faul und zog den Sack hervor, in dem das Buch war und schlug das dem Mönch über den Kopf’ (ebd. 41).

• Anschluss mit Partikel: Also hůb der nechst baur, so bey im stůnde, an und pfiff ‘also begann der nächste Bauer, der bei ihm stand, und pfiff’ (ebd. 63).

Mittelhochdeutsch

• Pronominaler Anschluss: von dem schîne, der von unsers herren antlitze gêt ‘von dem Leuchten, das von Antlitz unseres Herrn ausgeht’ (Berthold I,390,3f.)

• Adverbialer Anschluss: unde bindet in einem rosse an den zagel unde füeret in ûz an daz gewicke, dâ die erhangenen unde erslagenen dâ ligent ‘und bindet ihn einem Pferd an den Schweif und bringt an die Wegkreuzung, an dem die Erhängten und Erschlagenen herumliegen’ (ebd. 395,4-6).

Althochdeutsch

• Pronominaler Anschluss: Oba Karl then eid, then er sinemo bruodher Ludhuuuige gesuor, geleistit, indi Ludhuuuig min herro, then er imo gesuor, forbrihchit (Straßburger Eide 31-33, SKD 82).

• Adverbialer Anschluss: daz frono chruci, dar der heligo Christ ana arhangan uuard ‘das herrliche Kreuz, daran/ an dem der heilige Christus erhangen ward’ (Muspilli 100f., SKD 72).

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Attributive Infinitive

Frühneuhochdeutsch

Anno 1485 … hat herzog Jörg … di stat belegt und im willen di zu gewinnen oder zu

stürmen ‘Im Jahr 1485 hat Herzog Jörg die Stadt belagert mit der Absicht, sie zu

erobern oder zu erstürmen’ (Arnpeck Chron. 634).

Mittelhochdeutsch

Infinitiv mit ‘zu’: wan du gewalt hast ze hailen die armen menschen hie in erde ‘weil du die

Macht hast, die armen Menschen hier auf der Erde zu heilen’ (Oberalt.Pred.

9,12f.).

Flektierter Infinitiv (Genitiv): nû heter rîtennes zît ‘nun hatte er Zeit zu reiten’

(Iwein 5548).

Althochdeutsch

Infintiv mit ‘zu’: uuistóm enti spahida enti craft, tiuflun za uuidarstantanne

(Wessobrunner Gebet 12f., SKD 16).

Flektierter Infinitiv (Genitiv): tîe du an déro nôte des kebérennes … skírmis ‘in der Not

des Gebärens’ ‘die du in der Not des Gebärens beschützt’ (Notker Martianus

I,815,23f.).

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Nominalklammern

Frühneuhochdeutsche Kanzleisprache

• ein jeder eins raths zu Nürmberg, in stetten oder dörffern, auff dem lande untertheniger und

verwandter haußman ‘ein jeder des Rats zu Nürnberg [Zugehörigkeitsgenitiv], in

Städten oder Dörfern, auf dem Lande [koordiniertes präpositionales Attribut]

untertaner und untergebener [koordiniertes Adjektivattribut] Hausbesitzer’

(Policey II, 135).

Althochdeutsch

• Nominalklammer um ein einfaches Adjektiv: der uuenago man ‘der hilflose

Mensch’ (Muspilli 66, SKD 69);

• Komplexere Nominalklammer um ein Adverb (sô) und ein Partizip mit

abhängiger Präpositionalkonstruktion: téro sô mít sylogismo gestárhtun uuârhéite

‘der so [Adverb] mit einem Syllogismus bestätigten [Partizipialkonstruktion]

Wahrheit’ (Notker, Boethius, I,356,3f.).

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Außerhalb der Klammer

• Althochdeutsch: Der die minne uuider sinen nahisten nieth nihat ‘wer die Liebe zu

seinem Nächsten [präpositionales Attribut] nicht hat’ (Predigtslg. B1, SKD

168,8f.).

• Mittelhochdeutsch: daz man die eht anders niht enmâlet wan als ein kint von fünf

jâren, als junclich, oder von sehsen ‘dass man die [Engel] nicht anders malt als ein

Kind von fünf Jahren [präpositionales Attribut], so jung [nachgestelltes

attributives Adjektiv], oder von sechs [koordiniertes 2. präpositionales

Attribut]’ (Berthold I,389,13-16).

• Frühneuhochdeutsch: zu offentlicher verdamblicher ergernuß des gemeinen mans, wider

das klar wort Gottes, darzu wider die bebstischen recht, vnd obgemellt vnser ausgangnen

meynung vnd beschaid ‘zum öffentlichen, verdammungswürdigen Ärgernis des

einfachen Mannes [Genitiv des Objekts], gegen das klare Wort Gottes

[präpositionales Attribut], dazu gegen das päpstliche Recht [koordiniertes 2.

präpositionales Attribut] und unsere oben erwähnte, erlassene Anordnung

und Anweisung [koordiniertes 3. präpositionales Attribut]’ (Policey II,544).

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ge-Präfigierung und Perfektivität

• Frühneuhochdeutsch: der boerger … kloyte syen alder, daz he czu al(t) were vnd

koende nicht gekempen, he were krang vnd swach ‘der Bürger beklagte sein Alter,

dass er zu alt wäre und nicht kämpfen könne; er wäre zu kraftlos und zu

schwach’ (Der Bauer im Zweikampf, Erben 1961: 27).

• Mittelhochdeutsch: si hêten noch manegen recken, des ich genennen niene kann ‘sie

hatten noch viele Recken, die ich nicht vollständig nennen kann’

(Nibelungenlied 10).

• Althochdeutsch: Hiltibrant gimahalta, Heribrantes suno: wela gisihu ih in dinem

hrustim dat du habes heme herron goten, ‘Hildebrand sagte, Heribrands Sohn, gut

erkenne ich an deiner Rüstung, dass du zuhause einen guten Herrn hast’

(Hildebrandslied 45-47).

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ge-Präfigierung entspricht Plusquamperfekt

• Frühneuhochdeutsch: Do dem herzog Stefan sein hausfrau gestarb, nam er zu der ee

ain gräfin von Klef ‘als Herzog Stefans Ehefrau gestorben war, nahm er eine

Gräfin von Cleve zu Ehe’ (Arnpeck Chron. 595).

• Mittelhochdeutsch: Dô unser herre daz firmamente geschuof, dô hiez er, daz ez umbe

liefe als ein schîbe ‘als unser Herr das Firmament geschaffen hatte, da befahl er,

dass es sich drehe wie eine Scheibe’ (Berthold I,392,30-32).

• Althochdeutsch: denne der gisizzit, der dar suonnan scal enti arteillan scal toten enti

quekkhen, denne stet dar umpi engilo menigi ‘wenn der Platz genommen hat / sich

gesetzt hat, der urteilen soll über Tote und Lebende, dann steht um ihn die

Schar der Engel’ (Muspilli 85-87, SKD 71).

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Frühneuhochdeutsche Verlaufsperiphrasen

• Als sy aber im heimziehen waren, kamen sy auff der straß ungeferlich wider zůsamen ‘als

sie aber auf dem Heimweg waren, kamen sie auf der Straße zufällig wieder

zusammen’ (Rollwagenbüchlein 30).

• Da ersiehe ich vnngeuerlich im springenn, das er nach mir sticht mit ainem brotmesser

(Götz Fehd 57,26f.).

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sein, werden und bleiben mit Infinitiv und Part. Präs.

(frühneuhochdeutsch)

• sein mit Partizip Präsens: der babst war ain bestie, das ist in wälsch ain

unvernünftigs tier, das von dem mer aufsteigent yst ‘der Papst wäre eine Bestie, das

bedeutet in welscher Sprache ein vernunftloses Tier, das aus dem Meer

aufsteigt’ (Arnpeck Chron. 581).

• sein mit Infinitiv: danne frwen nit allein lieb habent, sunder sint in liebe

vnsinnenklichen wüten ‘weil Frauen nicht nur lieben, sondern vor Liebe wie von

Sinnen wüten’ (Wyle Transl. 39,1-3).

• werden mit Partizip Präsens: der Kazmair … redt welsch mit uns; wir muessen in

machen, daz er recht redent wirt ‘der Katzmair redet welsch mit uns; wir müssen

ihn dazu bringen, dass er anfängt richtig zu reden’ (Katzmair 480);

• werden mit Infinitiv: Von deß wegen der Apinarius, wiewol er seer erscürnt war, ward

lachen ‘deshalb begann Apiarius, obwohl er sehr erzürnt war, zu lachen’

(Rollwagenbüchlein 24).

• bleiben mit Infinitiv: vnd sagt zu meinem bruder: „Der leufft vnnd schreitt vnns nach,

wir wollenn hörenn, was er woll“, blieben also haltenn, bis er zu vnns khame (Götz Fehd

63,33-35).

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sein und werden mit Infinitiv und Part. Präs.

(mittelhochdeutsch)

• sein mit Partizip Präsens: wirt s'einem andern gegeben, sô ist mîn trôst und mîn leben und al diu vröude dâ hin, ze der ich dingende bin ‘wird sie einem anderen gegeben, dann ist mein Trost und mein Leben und meine ganze Freude dahin, zu der es mich hinzieht’ (Gottfried Tristan 8195-98)

• sein mit Infinitiv: Wise uns gehelfen van dere grozer dufenen, daz is des duveles gewalt ‘hilf uns aus der großen Taubheit; das ist des Teufels Macht’ (Arnsteiner Marienleich 235-237, Maurer I,449).

• werden mit Infinitiv und mit Part. Präs.: „Dû solt für dich varn“, sprach unser herre, „unz … ze den kalten brunnen, sô werdent sie alle trinken“ … Unde do sie quâmen zuo den wazzern, dô wurden sie trinkende ‘du sollst weiterziehen, sprach unser Herr, bis zu den kalten Quellen; dann trinken sie alle. Und als sie zu den Wassern kamen, begannen sie zu trinken’ (Berthold I,38,12-20).

Die Periphrase aus werden mit Infinitiv bezieht sich auf den Vorgang des Trinkens insgesamt. Die Umschreibung mit werden und Part. Präs. bezieht sich auf den Anfang des Trinkens (die Durstigen stürzen sich auf das Wasser), ist also inchoativ.

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sein und werden mit Part. Präs. und werden mit Inf.

(althochdeutsch)

• sein mit Partizip Präsens: Druhtines gheist ist sprehhendi dhurah mih ‘Gottes

Geist spricht durch mich’, wörtlich: ‘ist durch mich sprechend’ (Isidor X;8-10)

• werden mit Partizip Präsens: Tho ward mund siner sar sprechanter ‘da begann

sein Mund sogleich zu sprechen’ (Otfrid I,9,29)

• werden mit Infinitiv ist im Althochdeutschen nur sehr sporadisch belegt:

unde gehôre unsih. so uuirdo ih ánaháreen ‘erhöre uns, dann werde ich [dich]

anflehen’ (Notker Psalmen II,63,2f.). Belegt ist auch präfigiertes giwerdan mit

Infinitiv: der heiligo Christ unta sancte marti der gauuerdo uualten hiuta dero hunto

‘Christus und St. Martin mögen heute die Hunde behüten’ (Wiener

Hundesegen 3f., SKD 394).

Die Stelle kann so gelesen werden, dass Christus und der hl. Martin in dem

Moment, in dem der Segen ausgesprochen ist, damit beginnen, auf die

davonlaufenden Hunde aufzupassen. Eine ähnliche Formulierung findet sich im

Petruslied (7f., SKD 103): Pittemes den gotes trut … daz er uns firtanen giuuerdo ginaden

‘lasst uns den Vertrauten Gottes [Petrus] bitten, dass er uns Verworfenen Gnade

erweisen möge’. Fast wortgleich findet sich diese Formulierung auch bei Otfrid

bezogen auf Johannes den Täufer: thaz er uns firdanen giwerdo ginadon (I,7,28).

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Althochdeutsche Perfektperiphrasen

• sein-Periphrase: dhurah inan ist al uuordan, dhazs chiscaffanes ist ‘durch ihn ist

alles geworden, das geschaffen ist’ (Isidor I,16f.).

• haben-Konstruktion mit flektiertem Partizip: thin mna thia ih habeta

gihaltana ‘deine Münze, die ich behalten hatte’, wörtlich: ‘deine Münze, die ich

(als) Behaltene hatte’ (Tatian 541,4f.).

• haben-Periphrase mit unflektiertem Partizip und transitivem Verb:

Niuwiboran habet thiz lant then himilisgon heilant ‘Neugeboren hat dieses Land den

himmlischen Heiland’ (Otfrid I,12,13).

• haben-Periphrase mit unflektiertem Partizip und intransitivem Verb:

Vuanda er netuôt der mán pęnitentiam. êr er bechénnet uuiêo er gefáren hábet ‘denn der

Mensch tut keine Reue, ehe er erkennt, wie er sich verhalten hat’, wörtlich:

‘wie er gefahren ist’ (Notker, Psalmen 31,1).

• eigan-Periphrase: Heigun sa Northman Harto biduuungan ‘sie haben da die

Normannen hart bedrängt’ (Ludwigslied SKD 85,24; die Form Heigun zeigt

„prothetisches“ h- vor anlautendem Vokal).

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Perfekt mit haben und sein im Mittelhochdeutschen

• sein-Perfekt mit dem Vollverb sein: got, du bist gewesen ie ‘Gott, du bist seit

jeher gewesen’ (St. Brandan 78);

• sein-Perfekt mit intransitivem Verb (Ortsveränderung): du bist gevarn … in

vil manch verborgen lant ‘du bist gefahren in viele verborgene Länder’ (ebd.

1282f.).

• haben-Perfekt mit transitivem Verb: nu hat dich her gesant den du uns da

vornennest ‘nun hat dich der hierher gesandt, von dem du uns Kunde gibst’

(ebd. 1284f.)

• haben-Perfekt mit intransitivem Verb (weder Orts- noch

Zustandsveränderung): ich han hie gesezzen wol zehn jar ‘ich habe hier gut und

gerne zehn Jahre lang gesessen’ (ebd. 369).

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Perfekt in wörtlicher Rede (Frühneuhochdeutsch)

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Erzählen und Besprechen in einem Reisebericht

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Plusquamperfekt im Mittel- und Althochdeutschen

• Mittelhochdeutsch:

Allez ir gesinde chlagete vnd schrê

mit ir lieben vrouwen, wande in was harte wê

vmb ir vil edeln herren den si dâ hêten velorn

dô hêt gerochen Hagene harte Brünhilde zorn

‘Ihr ganzes Gesinde klagte und weinte mit ihrer lieben Königin, denn ihnen tat es

sehr leid um ihren so edlen Herren, den sie verloren hatten. Da hatte Hagen

grausam Brünhilds Zorn gerächt’. (Nibelungenlied 1013). – Der Mord an

Siegfried, gleichbedeutend mit Hagens Rache für die Kränkung Brünhilds, lag

dem Wehklagen am Königshof zeitlich voraus.

• Althochdeutsch:

Ther liut tho geiscota thaz thaz druhtin thara queman was ‘das Volk erfuhr es, dass der

Herr dorthin gekommen war’ (Otfrid III,9,1).

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Bergpredigt (Luther)

Selig sind / die da geistlich arm sind / Denn das Himelreich ist jr.

Selig sind / die Senfftmuetigen / Denn sie werden das Erdreich besitzen.

Selig sind die da hungert vnd dürstet nach der Gerechtigkeit / Denn sie sollen sat werden.

Selig sind die Barmhertzigen / Denn sie werden barmherzigkeit erlangen.

Selig sind die reines hertzen sind / Denn sie werden Gott schawen.

Selig sind die Friedfertigen / Denn sie werden Gottes kinder heissen.

Selig sind / die vmb Gerechtigkeit willen verfolget werden / Denn das Himelreich ist jr.

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Bergpredigt mittelhochdeutsch (1343)

Sêlic sint di armen des geistes, wan das himelrîche ist ir.

Sêlic sint di senftmtigen, wan si sullen besitzen die erden.

Sêlig sint di da weinen, wan si sullen getrôst werden.

Sêlic sint di da hungirt und durstit nâch der gerechtikeit, wan si sullen gesetit werden.

Sêlig sint di barmherzigen, wan si sullen barmherzikeit irvolgen.

Sêlic sint di reines herczin, wan si sullen gote sehin.

Sêlic sint di vridesamen, wan si sullen gotis sune geheizen werden.

Sêlic sint di durchêchtunge lîden durch di gerechtikeit, wan daz himelrîche ist ir

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Bergpredigt althochdeutsch (Tatian)

salige sint thiethar arme sint in geiste uuanta thero ist gotes rihhi salige sint manduuare uuanta thie bisizzent erda salige sint thiethar uuvofent uuanta thie uuerdent gifluobrit salige sint thiethar hungerent Inti thurstent reht, uuanta thie uuerdent gisatote salige sint thiethar sint miltherze, uuanta sie folgent miltidun salige sint thiethar sint subere in herzon, uuanta thie gisehent got salige sint thiethar sint sibbisame uuanta sie gotes barn sint ginennit salige sint thiethar ahtnessi sint tholenti thuruh reht uuanta iro ist himilo rihhi

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Mittelhochdeutsches werden- und althochdeutsches

sollen-Futur

• Mittelhochdeutsches werden-Futur: Dû solt für dich varn“, sprach unser herre, „unz

… ze den kalten brunnen, sô werdent sie alle trinken (Berthold I,38,12-20).

• Althochdeutsches sollen-Futur: ni scal ih firlázan iz ouh ál, nub ih ío bi iuih gerno

gináda sina férgo ‘niemals werde ich es unterlassen, ihn gerne um Gnade für

Euch anzuflehen’ (Otfrid S 33f.).

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Epistemisches werden in Luther-Briefen

Was Der New Doctor George Maior an E. k. f. g. [Euer Kurfürstliche Gnaden]

schreibet, werden E. k. f. g. aus bey gelegter seiner schrifft wol wissen gnediglich zuuernemen

(Luther Briefe 11,5).

E. k. f. g. werden alles wol zu vernemen wissen aus seiner, Balten Nyderlands, schrifften (ebd.

11,41).

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Flektierte Partizipien mit werden (althochdeutsch)

• flektiertes Part.Prät.: Tho ward ther fater alter gotes wihi irfulter ‘da wurde der Vater

(noch) als Alter (ein von) Gottes Segen Erfüllter’ (Otfrid I,10,1).

• flektiertes Part.Präs.: Tho ward mund siner sar sprechanter ‘da wurde sein Mund

sogleich (ein) Sprechender’ (Otfrid I,9,29)

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werden und sein mit unflektiertem Part. Prät.

• Frühneuhochdeutsch: erstlich: setzen: ordnen vnnd wöllen wir, daß alle peinlich gericht

mit Richtern, vrtheylern vnd gerichtßschreibern, versehen vnd besetzt werden sollen, von

frommen, erbarn, verstendigen vnd erfarnen personen (Carolina 1).

• Mittelhochdeutsch: so werden sie vororteilet /daz sie nimmer werden geheilet ‘dann

werden sie verurteilt, so dass sie niemals mehr gerettet werden können’ (St.

Brandan 449f.).

Althochdeutsch

• uuirdit denne furi kitragan daz frono chruci, dar der heligo Christ ana arhangan uuard

‘wird dann vorangetragen das herrliche Kreuz Christi, an das der heiligen

Christus gehängt wurde’ (Muspilli 100f., SKD 72).

• Sang uuas gisungan, uuig uuas bigunnan ‘das Lied wurde gesungen, der Kampf wurde begonnen’ (Ludwigslied 48, SKD 86).

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Zustandspassiv mit sein

• Frühneuhochdeutsch: Denn ich bin wider an mein Ampt gesetzt / vnd jener ist

gehenckt (Luther Biblia deutsch 1545, Gen 41,13).

• Mittelhochdeutsch: diz ist gelobet, nu sî alsô ‘das ist versprochen, nun sei es so’

(Gottfried Tristan 3378).

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Indikativische tun-Periphrasen

• Frühneuhochdeutsch: Der gůt man nichts arges gedencken thet (Rollwagenbüchlein

80).

• Mittelhochdeutsch wie stêt iu daz, frou minne, / daz ir manlîche sinne / und

herzehaften hôhen muot / alsus enschumpfieren tuot? ‘was bringt Euch dazu, Frau

Minne, dass Ihr mannhafte Sinne und aus dem Herzen kommenden hohen

Mut auf solche Weise zunichte macht?’ (Parzival 291,5).

• tun mit Verbalabstraktum

• Frühneuhochdeutsch: wir wöllen den hindergankh tuen ‘wir wollen den

Kompromiss eingehen’ (Katzmair 480).

• Mittelhochdeutsch: ich wil gen mîn gebet tuon (Berthold I,7,12).

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Frühneuhochdeutsche würde-Konjunktive

und ein täte-Konjunktiv

Nun wust ich woll, das er die saw bey denn ohrn nehmen wurtt ‘nun wusste ich genau, dass

er die Sau bei den Ohren packen würde’, d.h. ‘in die Offensive gehen würde’

(Götz, Fehd 66,5).

Ich halt davor, sie [die Malerei] wurde Euch wohl gefallen ‘ich vermute, sie würde Euch

gut gefallen’ (Dürer Briefe 47,19).

Wenn E. K. F. G. gläubte, so würde sie Gottes Herrlichkeit sehen; weil sie aber noch nicht

gläubt, hat sie auch noch nichts gesehen (Luther, Briefe 2,457).

Nit wunder wer, ich thet mich verfluchen ‘es wäre kein Wunder, wenn ich mich verfluchen würde’ (Sachs, Kälberbrüten 141, Fastnachtssp. 137).

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Modalverbgefüge und Satzklammer

• Frühneuhochdeutsch: Aber es ist ein große Erbet doran und ich kann sie vor Pfingsten

nit wol ausmachen ‘aber es hängt viel Arbeit daran, und ich kann sie vor

Pfingsten nicht fertig bekommen’ (Dürer Briefe 28,13f.). – Mit wissen als

Modalitätsverb: So weiß ich mich mit nichten zu verantworten, denn daß ich faul bin zu

schreiben ‘so weiß ich mich mit nichts anderem zu entschuldigen, als dass ich

zu faul zum Schreiben bin’ (ebd. 21,14f.).

• Mittelhochdeutsch: du solt mich einer bete gewern ‘du sollst mir eine Bitte

gewähren’ (Gottried Tristan 3367).

• Althochdeutsch: wili mih dinu speru werpan ‘du willst mich mit deinem Speer

niederwerfen’ (Hildebrandslied 40, SKD 5).

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Modaler Infinitiv mit zu

• Frühneuhochdeutsch: So ist der briester allt und kranck, darumb ist nit zu peiten

‘nun ist der Pfarrer alt, deshalb ist nicht zu warten / kann man nicht warten’

(Paulsdorfer Briefe 81).

• Mittelhochdeutsch: unde von ir ieglîcher wære gar vil unde gar lanc sunderlîchen ze

sagenne ‘und von jedem wäre sehr viel und sehr lange im einzelnen zu sagen /

könnte … gesagt werden’ (Berthold 388,7f.); noch han ich vil mit eu ze reden

‘noch habe ich viel mit euch zu reden / muss ich viel mit euch reden’

(Oberalt.Pred. 97,25).

• Althochdeutsch: Endi ioh dhazs ist nu unzuuiflo so leohtsamo zi firstandanne, dhazs

dhiz ist chiquhedan in unseres druhtines nemin ‘und das ist auch ohne Zweifel leicht

einzusehen / kann man leicht einsehen, dass das im Namen unseres Herrn

gesagt ist’ (Isidor VII,7-10).

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Funktionsverbgefüge

• Frühneuhochdeutsch: daß der kläger durch berürte vnwarhafftige vnd betrügliche

außzüg nit zů schaden bracht werde ‘das der Kläger wie erwähnt nicht durch

falsche und betrügerische Aussagen zu Schaden gebracht werde’ (Carolina

96,29-97,1).

• Mittelhochdeutsch: daz er aber ie ze schaden kam / daz enkam von archeite niht ‘dass

er aber jemals zu Schaden kam, das geschah nicht aus Böswilligkeit’ (Gottfried

Tristan 290f.).

• Althochdeutsch: zurchundin ziuho (lat. contestabor), wörtlich: ‘ich ziehe zu

Urkunde’, d.h. ‘ich bezeuge’ (StSG. I,520,22-29).

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Satzklammern

Frühneuhochdeutsch: von Stundt an hat der Heubtman iren Man on alle Entgeltnus

ausgelassen ‘sogleich hat der Hauptmann ihren Mann ohne Gegenleistung frei

gelassen’ (Grimmenthal Mirakelb. 345).

Mittelhochdeutsch: der hat den aller besten wein untz her behalten ‘der hat den

allerbesten Wein bisher zurückgehalten’ (Oberalt.Pred. 37,20f.).

Althochdeutsch: So ferro daz osten ist fone demo uuestene . so ferro habet er fone uns ketan

unseriu unreht ‘so weit der Osten vom Westen entfernt ist, so wet hat er von getan

unser Unrecht’ (Notker Ps. 102,12).

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Kontaktstellungen/Ausklammerungen

• Frühneuhochdeutsch: der selbig hat gehabt sanct Valten Kranckeyt von Jungent

‘derselbe hat gehabt St. Valentins Krankheit [Epilepsie] seit seiner Jugend’

(Grimmenthal Mirakelb. 356).

• Mittelhochdeutsch: der selb war got der hat geschaffen mit sinem goetlichem gewalt himel

und erd und alle geschepf ‘derselbe wahre Gott, der hat geschaffen mit seiner

göttlichen Macht Himmel und Erde und alle Geschöpfe’ (Oberalt.Pred.

54,36-38).

• Althochdeutsch: Vuanda got habet fernomen minen uuoft ‘denn Gott hat

vernommen mein Weinen’ (Notker Ps. 6,9).

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Stellungsvarianten bei dreiteiligen Prädikaten Frühneuhochdeutsch

• Abfolge 123 = Hvb (finit) → Mvb (Part.Prät.) → Vvb (Inf.): und nymant hat im mocht helfen ‘und niemand hat ihm helfen können’ (Grimmenthal Mirakel 356).

• Abfolge 231 = Mvb (finit) → Vvb (Part.Prät) → Hvb (Inf.): das gerstenbrot mus gebrochen werden (Müntzer Briefe 385).

• Abfolge 213: Mvb (finit) → Hvb (Inf.) → Vvb (Part.rät) jch wolt denn auz der statt sein geriten ‘ich wollte dann aus der Stadt geritten sein’ (Katzmair 480).

Mittelhochdeutsch

• Abfolge 213 = Mvb (finit) → Hvb (Inf.) → Vvb (Part.Prät.): dâ mite sol er den eit haben gebüezet ‘damit soll er den Eid erfüllt haben’ (Berthold I,8f.).

• Abfolge 231: = Mvb (finit) → Vvn (Part.Prät) → Hvb (Inf.) Zem dritten mâle sol dîn geloube ûf ein steinîn herze gebûwen sîn ‘drittens soll dein Glaube auf ein steinernes [d.h. festes] Herz gebaut sein’ (Berthold 45,16f.).

Althochdeutsch

• Abfolge 213 = Mvb (finit) → Hvb (Inf.) → (Part.Prät): unde sin uinea Ecclesia sancta sol uuerden plantata ‘und sein Weinberg, die heilige Kirche wird gepflanzt werden’ (Notker Ps. 79,1; das Part. Prät. plantata ist zwar lateinisch, aber nachträglich durch keflanzot glossiert).

• Abfolge 231 = Mvb (finit) → Vvb (Part.Prät) → Hvb (Inf): Suslih uuunda nemag keheilet uuerden ‘eine solche Wunde kann nicht geheilt werden’ (Notker Ps. 50,3).

• Abfolge 321 = Vvb (Part.Prät) → Mvb (fonit) → Hvb (Inf.) Keschendet muozzin uuerden unrehte ‘vernichtet müssen werden die Ungerechten’ (Notker Ps. 24,4).

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Zweiteilige Prädikate (frühneuhochdeutsch)

• Abfolge 13 = Und das Ding, das mir vor eilf Johren so wol hat gefallen, das gefällt mir

itz nüt mehr ‘und das Dinge, das mir vor elf Jahren so gut gefallen hat, das

gefällt mir jetzt nicht mehr’ (Dürer Briefe 2,18-20).

• Abfolge 23 = Mvb (finit) → Hvb (Inf.): und bitt Uch, Ihr wöllt, obs Not wär, ihn

gegen den Herren verantworten, so er nit zu Badaw will beleiben ‘und bitte Euch, Ihr

wollt, wenn es notwendig wär, ihn gegen den Herrn in Schutz nehmen, wenn

er nicht in Padua bleiben will’ (Dürer Briefe 26,27f.).

• Abfolge 31 = (Part.Prät.) → Hvb (finit): Mich wundert, daß Ihr mir nit schreibt, wie

Euch der Saphirring gefall, den Uch der Hans Imhoff geschickt hat ‘mich wundert, dass

Ihr mir nicht schreibt, wie Euch der Saphirring gefällt, den Euch Hans

Imhoff geschickt hat’ (29,20-22).

• Abfolge 32 = Hvb (Inf.) → Mvb (finit): Ich will Euch einmol einschließen und zu

Euch than die Rech., die Ros., die Gart. und die Schutz. und Por. und noch viel, der ich

nit sagen will Kurz halben. Die müssen Euch verschneiden ‘ich werde Euch einmal

einsperren und Euch die [es folgt eine Reihe abgekürzter Frauennamen]

mitgeben und viele andere, von denen ich der Kürze halber nichts sagen will.

Die müssen Euch kastrieren’ (Dürer Briefe 39,12-14).

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Zweiteilige Prädikate (mittelhochdeutsch)

• Abfolge 13 = Hvb (finit) → Vvb (Part.Prät.): lop si dem ewigen vater da ze himel

der sinen hiligen sun hin ze erd hat gesant ‘Lob sei dem ewigen Vater im Himmel,

der seinen heiligen Sohn auf die Erde gesandt hat’ (Oberalt.Pred. 19,6f.).

• Abfolge 23 = Mvb (finit) → Vvb (Inf.): Alse wênic als er sich vor dem tôde mac

verbergen, als wênic mac er sich verbergen an dem jungesten tage ‘so wenig er sich vor

dem Tod verbergen kann, so wenig kann er sich verstecken am Jüngsten

Tage’ (Berthold 400,20-22).

• Abfolge 31 = (Part.Prät.) → Hvb (finit): Swaz daz firmament begriffen hât - daz ist

der himel, den wir dâ sehen ‘was immer das umfasst hat, das ist der Himmel, den

wir sehen’ (ebd. 392,22f.).

• Abfolge 32 = Vvb (inf.) → Mvb (finit): Ein übergülde ist ez aller der sælikeit, diu

… iemer mêr eht werden mac ‘ein Übermaß ist es aller Seligkeit, die jemals werden

kann’ (ebd. 388,15f.).

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Zweiteilige Prädikate (althochdeutsch)

• Abfolge 13 = Hvb (finit) → Vvb (Part.Prät): thaz in irridon uuerdent gileitit ‘dass

sie in die Irre geleitet werden’ (Tatian 519,9).

• Abfolge 23 = Mvb (finit) → Vvb (Inf.): oba thu maht gilouben alliu ‘wenn du

alles glauben kannst’ (Tatian 311,30).

• Abfolge 31 = Vvb (Part.Prät) → Hvb (finit:) also diu uuinréba kerihtet vuirdit in

demo scuzzelinge ‘wie die Weinrebe aufgerichtet wird im Schössling’ (Predigtslg.

B2,12f., SKD 169).

• Abfolge 32 = Vvb (Inf.) → Mvb (finit): Dei uuerh, dei man dar inna uuurchen scol

(ebd. 13).

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Part. Prät = Infinitiv

• hastu'z umbe in varen lân, / wiltû, sô hân ouch ich’z getan ‘hast du es ihm zuliebe

bleiben lassen, wenn du willst, dann habe ich es auch getan’ (Gottfried Tristan

10651).

• Von grôzer übermüete müget ir hoeren sagen ‘von großer Verwegenheit könnt ihr

nun sagen hören’ (Nibelungenl. 1003).

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Dreiteilige Prädikate (frühneuhochdeutsch)

• Abfolge 123 = Hvb (finit) → Mvb („Ersatzinfinitiv“) → Vvb (Infinitiv): daß

wir von ihm zu Maria und den Heiligen haben müssen fliehen (Luther Briefe

6,105,73f.)

• Abfolge 132 = Hvb (finit) → Vvb (Inf.) → Mvb („Ersatzinfinitiv): daß wir

…uns keiner Gnaden noch Trost zu ihm haben versehen können (ebd. 74f.).

• Abfolge 213 = Mvb (finit) → Hvb (Inf) → Vvb (Part.Prät): das ich woll an ein

ortt wollt sein gerittenn, wörtlich ‘dass ich wohl an einen anderen Ort geritten

sein wollte’, d.h. ‘dass ich wohl an einen anderen Ort geritten sei’ (Götz

78,34f.).

• Abfolge 231 = Mvb (finit) → Vvb (Part.Prät) → Hvb (Inf.) es ist ain merlin daz

Christus solt gesprochen haben zu Thome (Kettenbach 208,37f.).

• Abfolge 321 = Vvb (Part.Prät) → Mvb(finit) → Hvb (Inf.): wie er etta auch

seltzam wort gesagt sol haben ‘wie er gelegentlich auch seltsame Worte gesagt

haben soll’ (Luther Briefe 9,172,37f.).

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Dreiteilige Prädikate (mittelhochdeutsch)

• Abfolge 213 = Mvb (finit) → Hvb (Inf.) → Vvb (Part.Prät.) Wellet ir êrste nâch

dem ôlei loufen sô ez wol halbes solte sîn verbrunnen? ‘wollt ihr erst dann nach dem

Öl laufen, wenn es schon halb verbrannt sein sollte?’ (Berthold 8,8f.).

• Abfolge 231 = Mvb (finit) → Vvb (Part. Prät.) → Hvb (Inf.): daz si anders niht

auch moehten erlediget werden ‘dass sie nicht auch auf andere Weise nicht erlöst

werden konnten’ (Oberalt.Pred. 3,10).

• Abfolge 321 = Vvb (Part.Prät) → Mvb (finit) → Hvb (Inf.): ein heren magt …

von der er geboren wolt werden ‘eine edle Jungfrau, von der er geboren wollte

werden’ (Oberalt.Pred. 6,38-7,1).

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Dreiteilige Prädikate (althochdeutsch)

• Abfolge 213 = Mvb (finit) → Hvb (Inf.) → Vvb (Part.Prät., lateinisch) Du

habest mih keleret daz ih sol gratis uuerden iustificatus ‘du hast mich gelehrt, dass ich

umsonst gerechtfertigt werden soll’ (Notker Ps. 118N,98).

• Abfolge 231 = Mvb (finit) → Vvb (Part.Prät.) → Hvb (Inf.): der uzzer Gotes

riche sol ferstozzen uuerden ‘der aus Gottes Reich verstoßen werden soll’ (Notker

Ps. 119,5).

• Abfolge 312 = Vvb (Part.Prät) → Hvb (inf.) → Mvb (finit): ich geloube, daz …

mir gelonot werdin sol ‘ich glaube, dass mir gelohnt werden soll’ (St. Galler

Glauben III, SKD 63,16)

• Abfolge 321 = Vvb (Part.Prät.) → Mvb (finit) → Hvb (Inf.): fone dien nu

gesungen sol uuerden (Notker Ps. 105, Einleitung).

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was „zusammengehört“

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Variable Verbstellung (z.B.) im Lateinischen

• Germania omnis a Gallis Raetisque et Pannoniis Rheno et Danuvio fluminibus, a

Sarmatis Dacisque mutuo metu aut montibus separatur ‘Germanien insgesamt ist von

den Galliern, von den Rätern und Pannoniern durch Rhein und Donau, von

den Sarmaten und Dakern durch wechselseitiges Misstrauen oder

Gebirgszüge geschieden’.

• Celebrant carminibus antiquis, quod unum apud illos memoriae et annalium genus est,

Tuistonem deum terra editum ‘sie feiern in alten Liedern, der einzigen Art ihrer

geschichtlichen Überlieferung, Tuisto, einen Gott, der aus der Erde geboren

ist.’

(beides aus der „Germania“ des Tacitus)

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„Tongewicht“ und Serialisierung (Behaghel)

Mittelhochdeutsch

• do der vater was komen

• do der vater wollte komen.

• do er komen was

• do er komen wollte.

dagegen Neuhochdeutsch eher

als der Vater gekommen war

als der Vater kommen wollte

Trotzdem:

ein lieber alter Freund:

Hier nehmen lieber und Freund „das schwächer betonte alter „zwischen sich“.

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Vorfeld

• Frühneuhochdeutsch: In einer statt mit nammen Freyburg saß ein reicher radtsherr,

welcher mit seiner frawen noch nie in fünfftzehen jar kein kind gehebt hat

(Rollwagenbüchlein 18).

• Mittelhochdeutsch: Daz firmament hât sînen louf von oriente hin ze occidente ‘das

Firmament hat seinen Lauf von Osten hin nach Westen’ (Berthold I,392,36).

• Althochdeutsch: Daz euangelium zélit uns, daz unser herro Ihesus Christus zuo den

heiligen bóton imo iruueliti sibinzic unta ziuueni iungerun ‘das Evangelium erzählt

uns, dass unser Herr Jesus Christus sich 72 Jünger als heilige Boten erwählt

hat’ (Predigtslg. B1,1f. SKD 168).

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Keine Verbzweitstellung (Frühneu- und Mittelhochdeutsch) Frühneuhochdeutsch

• Verberststellung: nam der herr das ertrich, formiret den lib des menschen ‘der Herr nahm Erde und formte den Leib des Menschen’ (Schade Satiren III,1).

• Späterstellung: Die magt durch vil glatter wort und verheissen ihres herren verwilget und emfacht von im ein kind ‘die Magt willigte aufgrund vieler glatter Worte und Versprechungen ihres Herrn ein und empfängt von ihm ein Kind’ (Rollwagenbüchlein 19).

Bei Luther finden sich vielfach mit denn oder darum angeschlossene Begründungssätze mit Verbletztstellung. Hier dürften jedoch kausale Subjunktionen (weil, da, wann u.a.) eingewirkt haben, die Verbend- oder Späterstellung bedingen:

• Denn sie bis daher stum gewest vnd mit Schrifften sich hart verbittert haben ‘denn sie sind bisher stumm gewesen und haben sich mit ihren Schrift [gegenseitig] beleidigt’ (Luther Briefe 11,300,9f.)

Mittelhochdeutsch

• Verberststellung tritt im Mittelhochdeutschen häufig bei mit und(e) koordinierten Sätzen auf : da chom daz himelisch licht ueber in und leit er sich selb in daz grap ‘da kam das himmlische Licht über ihn, und er legte sich selbst ins Grab’ (Oberalt. Pred. 21,29f.).

• Ein seltener Fall von Späterstellung: wol im wart ‘ihm erging es gut’ (Berthold II,25,25).

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Verbstellungen (u.a.) im Hildebrandslied

• Verberststellung: garutun se iro guđhamun, gurtun sih iro suert ana ‘sie bereiteten

ihre Rüstungen, gürteten sich ihtre Schwerter um’ (5)

• Verbzweitstellung: Ik gihorta đat seggen ‘ich hörte das erzählen’ (1)

• Späterstellung: forn her ostar giweit ‘vor langer Zeit ist er nach Osten gezogen’

(18).

• Auch in ahd. Prosatexten erscheint vereinzelt Verbendstellung: Saligiu

uuituuua, du uone gote in allen dingen so piuolehen uuirdest ‘selige Witwe, du wirst

von Gott in allen Dingen so beschützt’ (Predigtslg. A1,3f. SKD 156).

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Vorvorfeld

• Frühneuhochdeutsch: Aber herr gott wir warenn mueth, vnd hetten hartt gearbeitt mit

dem geschutz vnd der wagenburg ‘aber Herrgott, wir waren müde und hatten uns

entsetzlich abgemüht mit dem Geschütz und der Wagenburg’ (Götz Fehd

68,30f.).

• Mittelhochdeutsch: vrouwe, ich wil iu rehte sagen / mîn herze und allen mînen muot

‘Herrin, ich will Euch ehrlich mein Herz und meine Gedanken mitteilen’

(Gottfried Tristan 1522f.).

• Althochdeutsch: narra er sarda gerra ‘der Narr, er vögelte dauernd’ (Pariser

Gespr., Haubrichs/Pfister 1989, 87).

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Herausstellung

• Frühneuhochdeutsch: Als er nun den harrn besehen und den puls begriffen hatt, da

befand er an allen warzeychen, daß im solche kranckheyt vonn grossem trinken zgestanden

was ‘als er nun den Urin untersucht und den Puls gefühlt hatte, da erkannte er

an allen Symptomen, dass er sich diese Krankheit vom vielen Trinken

zugezogen hatte’ (Rollwagenb. 108).

• Mittelhochdeutsch: Die guot wîse habent in dirre werlt, die werden gnôzsam den reinen

frouwen, von den wir nu gesprochen haben ‘die eine gute Lebensweise haben auf

dieser Welt, die werden den reinen Frauen, von denen wir jetzt gesprochen

haben, zugesellt’ (St. Pauler Pred. 80,10-12).

• Althochdeutsch: Unser herro der almahtige got der sprichet in desmi euangelio ‘unser

Herr, der allmächtige Gott, der spricht spricht in diesem Evangelium’

(Predigtslg. B2,1 SKD 171).

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Frühneuhochdeutsch: Verberstellung bei Verben des

Sprechens, Denkens, Fühlens, auch bei Hilfsverben

Beispiele aus persönlichen Aufzeichnungen und Briefen Albrecht Dürers:

• Ward mein Gevater die alte Margareth von Weissenburg ‘die alte Margarethe von

Weißenburg wurde meine Taufpatin’ (4,1)

• Gedenk ich, es hab auch kein Not ‘ich denke, es ist nicht nötig’ (4,31),

• Wär mir und ihm nütz gewest ‘es wäre mir und ihm nützlich gewesen’ (28,27)

• Sagt er, er mein niht anders ‘es sagte, er meine es nicht anders’ (29,15),

• Werden die Tag kurz, daß Einer nit vil kann machen ‘die Tage werden kurz, so dass

man nicht viel arbeiten kann’ (49,20).

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Verbletztstellung, v.a. in Verstexten

• Frühneuhochdeutsch: Nun steiget beide ärßling rab! Den Geist ich schon beschworen

hab! ‘nun steigt beide rückwärts herunter. Ich habe den Geist schon

beschworen’ (Sachs, Teufelsbannen 237f., Fastnachtssp. 160).

• Mittelhochdeutsch: daz er mit dem orse nider ze einem hûfen gelac / nu er sich wider ûf

gewac ‘dass er mit dem Pferd auf einem Haufen lag. Nun rappelte er sich

wieder hoch’ (Gottfried Tristan 9134-6).

• Althochdeutsch: Er ist giweltig filu fram joh hera in worolt zi uns quam ‘er halt

Gewalt über alles und kam in die Welt zu uns’ (Otfrid I,3,43).

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Vorfeldbesetzungen

• Frühneuhochdeutsch: dem morderischen ritter [Dativobjekt] ward sein verdienter lon

‘dem mörderischen Ritter wurde sein verdienter Lohn zuteil’ (Arnpeck Chron.

589).

• Mittelhochdeutsch: den richtum [Akkusativobjekt] tailt unser herre got gelich sinen

chinden ‘den Reichtum verteilte Gott, unser Herr, zu gleichen Teilen an seine

Kinder’ (Oberalt.Pred. 64,19).

• Althochdeutsch: chud [Prädikatsnomen] ist mir al irmindeot ‘kund ist mir alles

Volk’ (Hildebrandslied 13, SKD 2).

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Mittelfeldbesetzungen: Frühneuhochdeutsch • Da → gab → mir → mein bruder → ein gaull ‘da gab mir mein Bruder ein Pferd’(ebd.

64,5)

Abfolge: Adverb → finites Verb → pronominales Dativobjekt → Subjekt → Akkusativobjekt.

• Volgenndts → hat → mich → marggraue Friedrich loblicher gedechtnus → alls ein knaben → vfferzogen ‘danach hat mich Markgraf Friedrich löblichen Gedächtnisses als einen Knaben großgezogen’ (Götz Fehd 57,19f.)

Abfolge: Adverb im Vorfeld → finites Verb → pronominales Akkusativobjekt → komplexe Nominalphrase als Subjekt → Konjunktionalphrase → klammerschließendes Part.Prät.

• Vnnd → des nachts → khamen → sie → zu mir → inn mein stublen → inn des Dietzen herberg (ebd. 79,28f.)

Abfolge: Konjunktion (kein Satzglied) → Adverbiale Angabe im Vorfeld → finites Verb → pronominales Subjekt → drei Präpositionalphrasen von zunehmendem Umfang.

• sunst → wollt → ich →ime → zuuor → wider → ein streich oder ettlichen → gebenn haben ‘sonst wollte ich ihm vorher nochmal einen Hieb oder mehrere versetzt haben’ (ebd. 59,24f.)

Abfolge: Adverb → finites Verb (1. Klammerteil) → pronominales Subjekt → Adverb → Adverb → komplexes (koordiniertes) Akkusativobjekt → infinite klammerschließende Prädikatsteile.

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Mittelfeldbesetzungen: Mittelhochdeutsch

• so → hat → uns → unser herre → ze sinen genaden → enpfangen (Oberalt. Pred.

33,25f.).

Abfolge: Adverb → finites Verb → pronominales Akkusativobjekt → Subjekt →

Präpositionalphrase → infiniter klammerschließender Prädikatsteil.

• wir → schueln → aver → unserm chaiser, dem heiligen Christ, → einen so getanen

pfenninch → laisten ‘wir sollen aber unserem Kaiser, dem Heiligen Christus,

einen so beschaffenen Zins(pfennig) leisten’ (ebd. 170,19-21)

Abfolge: Pronominales Subjekt finites Verb → (unbetontes) Adverb →

(komplexes) Dativobjekt → (komplexes) Akkusativobjekt → infiniter

klammerschließender Prädikatsteil.

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Mittelfeldbesetzungen: Althochdeutsch

• Du → ligest → nu → baz → in dinemo betta → eina ‘du liegst nun besser in

deinem Bett alleine’ (Predigtslg. A1,15).

Abfolge: Pronominales Subjekt → finites Verb → unbetontes Adverb →

betontes Adverb → Präpositionalphrase → betontes Adverb.

• E → lustosotost → du → dih → in dero uuunneluste des lichinamen unde in den freisen

des keuuates ‘früher vergnügtest du dich mit der Wollust des Leibes und mit

dem Luxus der Kleider’ (Predigtslg. A 1,10-12 SKD 156).

Abfolge: Adverb → finites Verb → pronominales Subjekt → Reflexivpronomen

→ 2 komplexe koordinierte Präpositionalphrasen.

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Nachfeldbesetzung (Frühneuhochdeutsch)

• Adverbiale Angabe: Ich hoffe, wo Doctor Brück wir Urlaub krigen, wie er mich

vertröstet, so will ich mit ihm kommen morgen oder übermorgen (Luther Briefe 6,270,3-

5).

• Präpositionalphrase: Ich bin ia schwach gewesen auff dem weg hart vor Eisleben (ebd.

11,275,4f.).

• Umfangreiches Akkusativobjekt: Dazu itzt konige vnd fursten rauben vnd nemen

solche guter, dazu noch grosse geschencke (ebd. 7,90f.).

• Attributsatz: Denn du wilt sorgen fur deinen Gott, grade als were er nicht allmechtig, der

da kundte Zehen Doctor Martinus schaffen, wo der einige alte ersoffe ynn der Saal (ebd.

11,287,5-7); zwischen dem Bezugswort des Attributsatzes, Gott, steht hier

noch ein eingeschobener Modalsatz.

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Nachfeldbesetzung (Mittelhochdeutsch)

• Adverbiale Angabe: unser herre, der almaechtig got, der hat uns diu pilde gegeben allenthalben ‘unser Herr, der allmächtige Gott, hat uns die Beispiele gegeben allenthalben’ (Oberalt.Pred. 89,3f.).

• Präpositionalphrase: Und halt in den kloestern hât diu gîtikeit sô gar grôzen übernthant gewunnen, … in sumelîchen kloestern mit sacrilegie, mit symonîe, mit eigenschaft ‘und gerade in den Klöstern hat die Habgier so enorm überhand genommen, in manchen Klöstern mit Sakrilegien, mit Simonie, mit Privateigentum’ (Berthold I,394,19-22).

• Umfangreiches Genitivobjekt: der drier ding ist uns armen sündrn vil not, der mirren, des rauches, des goldes ‘an diesen drei Dingen haben wir armen Sünder großen Bedarf, an Myrre, an Weihrauch, an Gold’ (Oberalt. Pred. 32,17f.; not ist hier klammerschließendes nominales Element).

• Attributsatz: wir schueln des lichtes gern, von dem die hiligen engel erluechtet sint ‘wir sollen nach dem Licht streben, von dem die heiligen Engel erleuchtet sind’ (ebd. 55,11f.)

• Abfolge Subjekt und zwei koordinierte Präpositionalphrasen: da hat uns geschriben der hilig ewangelista von der menschlichen natur unsers herren und auch von siner goetlichen magenchreft ‘da hat uns der heilige Evangelist von der menschlichen Natur unseres Herrn und auch seiner göttlichen Allmacht geschrieben’ (ebd. 27,21-23).

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Nachfeldbesetzung (Althochdeutsch)

• Präpositionalphrase: Christ uuart gaboren er uuolf ode diob ‘Christus wurde

geboren vor Wolf und Dieb’ (Wiener Hundesegen, SKD 394,1).

• Adverbiale Angabe und Genitivobjekt: Der heiligo Christ unta sancte Marti der

gauuerdo uualten hiuta dero hunto ‘der heilige Christus und St. Martin, die mögen

heute die Hunde beschützen’ (ebd.3f.).

• Akkusativobjekt: Nv vuillih bidan den rihchan Crist ‘nun will ich bitten den

mächtigen Christus’ (Wider den Teufel, SKD 399).

• Genitivattribut: Der die minne uuider sinen nahisten nieth nihat, der scol niemar daz

ambahte kiuinnen der bredigi ‘wer die Liebe gegen seine nächsten nicht hat, der

soll niemals das Amt der Predigt innehaben’ (Predigtslg. B1,8-10 SKD 168).

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Entscheidungs- und Ergänzungsfragen (Frühneuhochdeutsch)

• Eine Reihung von Entscheidungsfragen: do stund der von Koln vor dem altar mit dem bischofstab in seiner hand und fragt den küng di nachfolgenden artikl und punkt: wildu den heiligen gelauben, der den kristenlichen leuten da gegeben ist, halten und mit rechten werken befestigen? der küng antbort: ich wil. der bischof: bildu den heyligen kirchen und der kirchen diener ain treuer bebarer und beschirmer sein? der küng: ich wil. der bischof: wildu das reich, dir von got verlichen nach gerechtigkait deiner vorfaren, regiren und kreftiglichen beschirmen? der küng: ich wil. der bischof: wildu di recht des reichs und seine güter behalten und das unrechtiglich verbant wär, widerbringen und getreulichen in des reichs nucz und gebrauch keren? der küng: ich wyl. der bischof: wildu armer und reicher bitbe und waisen ain geleicher richter und gütiger beschirmer sein? der küng: ich wil. der bischof: wildu dem allerheyligisten in got vater und heren, dem romischen bischof, und der heyligen römischen kirchen schuldige underthänigkeit und treu bebeysen? darauf antbort der künig das wil ich (Arnpeck Chron. 549).

• Ergänzungsfrage: nach ainer benigen zeit hub er sich auf und sprach zu dem poten: wo oder bie hastu deinen herren lassen? er antbort: an dem tisch hab ich in lassen frolich und gesund (ebd. 480).

• Ergänzungsfrage in Form eines Deklarativsatzes mit Verbzweitstellung: di frau sprach: ir drei fromen ritter, ir habt doch die gelübd wol gehört? do sprachen die ritter: ja, genädige frau, gar wol (Arnpeck Chron. 509).

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Entscheidungs- und Ergänzungsfragen (Mittelhochdeutsch)

• Entscheidungsfrage: weder ist ez êre oder niht? / ich spriche nein unde jâ. / nein unde

jâ sint beidiu dâ. ‘ist es Ehre oder nicht? Ich sage nein und ja; nein und ja,

beides trifft zu’ (Gottfried Tristan 16324-6). Entscheidungsfragen konnte im

Mittelhochdeutschen mit weder eingeleitet werden.

• Ergänzungsfrage: „welhen wec gen ich rehte gegen Regenspurc?“ So sprich ich: „da ganc

alle die wege die rehte gegen Regenspurc gent und laz alle die unrehte dar gent“: dannoch

möhte ein man wal irre werden ‘„welchen Weg gehe ich richtig nach Regensbug?“

Darauf antworte ich: „gehe alle die Wege, die richtig nach Regensburg führen

und meide alle, die in die falsche Richtung gehen“. Da könnte einer verrückt

werden.’ (Berthold I,2,39-3,3)

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Entscheidungs- und Ergänzungsfragen (Althochdeutsch)

• Entscheidungsfrage: Erro. guillis trenchen gualigot guin? ‘Herr, willst du etwa

guten Wein trinken?’ Antwort: Suille mine terue ‘Das will ich, meiner Treu’

(Haubrichs/Pfister 1989, 87).

• Ergänzungsfrage: Guanna sarden ger? ‘wie oft habt Ihr gevögelt?’ Antwort:

‘Terue nasteh ‘meiner Treu, ich weiß es nicht’ (ebd.).

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Befehlssätze Frühneuhochdeutsch

• Ge hin, hack holtz! und halt dein Maul! (Sachs, Kälberbrüten 289, Fastnachtssp. 145.).

• Verbotssatz = negierter Befehlssatz mit Verbzweitstellung: Do antwurt im die mter vnd sprach. du ferst nicht svn wann du allein mein aingepornez kint pist (Gesta Rom. 1).

Mittelhochdeutsch

• ganc her für unde samen dîn volk unde dîne liute alle samt unde var ze velde unde strît mit den heiden! ‘Komm hervor und versammle dein Volk und alle deine Leute und zieh zu Felde und kämpfe gegen die Heiden!’ (Berthold I,37,32-34).

• Verblos: Uf den herten wec der sc harpfen buoze, oder an den grunt der helle! ‘auf den harten Weg der scharfen Buße oder in die tiefste Hölle!’ (ebd. 71,29).

Althochdeutsch

• Gimer min ros ‘hol mir mein Pferd!’, Gimer min schelt ‘gib mir meinen Schild!’, Gimer min spera ‘gib mitr meinen Speer!’, Gimer min suarda ‘gib mir mein Schwert!’, Gimer min hanscoh ‘gib mir meinen Handschuh!’, Gimer min stap ‘gib mir meinen Stab’, Gimer min matzer! ‘gib mir mein Messer!’, Gimer cherize ‘gib mir eine Kerze!’ (Haubrichs/Pfister 1989: 87).

• Verblos: ben zi bena, bluot zi bluoda, lid zi geliden sose gelimida sin ‘Knochen zu Knochen! Blut zu Blut! Glied zu Glied! So seien sie zusammengefügt’ (2. Merseburger Zauberspruch 8f., SKD 366).

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Die Straßburger Eide (v.J. 842)

Karl schwört auf Deutsch, damit Ludwigs Soldaten ihn verstehen können: In godes

minna ind in thes christanes folches ind unser bedhero gehaltnissi fon thesemo dage frammordes, so

fram so mir got geuuizci indi mahd furgibit, so haldih thesan minan bruodher soso man mit rehtu

sinan bruodher scal, in thiu thaz er mig so sama duo, indi mit Ludheren in nohheiniu thing

negegango, the minan uuillon imo ce scadhen uuerdhen ‘Aus Liebe zu Gott und um des

christlichen Volkes und unserer beider Erretung willen will ich von diesem Tag an,

sofern Gott die Weisheit und die Stärke dazu verleiht, mich meinem Bruder

gegenüber so verhalten, wie man sich von Rechts wegen seinem Bruder gegenüber

verhalten soll, damit er mich genauso behandle. Und mit Lothar werde ich nie einen

Vertrag schließen, der ihm [gemeint ist Ludwig] schaden könnte’.

Ludwigs Kämpfer legen nach: Oba Karl then eid, then er sinemo bruodher Ludhuuuige gesuor,

geleistit, indi Ludhuuuig min herro, then er imo gesuor, forbrihchit, ob ih inan es iruuenden nemag,

noh ih noh thero nohhein, then ih es iruuenden mag, uuidhar Karle imo ce follusti neuuirdhit ‘wenn

Karl den Eid, den er seinem Bruder Ludwig schwor, einhält, und Ludwig, mein Herr,

den, welchen er ihm [also Karl] geschworen hat, bricht, und ich ihn daran nicht

hindern kann, dann werden weder ich noch jeder, den ich daran hindern kann, ihm

gegen Karl beistehen’ (Straßburger Eide 18-13 und 31-34, SKD 82).

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Nebensatzarten mit Satzgliedstatus

Subjektsätze nehmen die Position ein, die auch von einem nominalen Subjekt besetzt sein kann: wer müde ist, sollte schlafen : der Künstler sollte schlafen. Objektsätze besetzen eine Position, die auch von einem nominalen Objekt gefüllt sein kann: der Künstler malt, was er will : der Künstler malt ein Porträt. Subjekt- und Objektsätze fasst man unter dem übergeordneten Begriff „Inhaltssätze“ zusammen. In Adverbialsätzen kommen zeitliche, räumliche, kausale, finale (usw.) Einordnungen zum Ausdruck In struktureller Hinsicht entsprechen freie Angaben im Hinblick auf den übergeordneten Satz.

• Räumlich (lokal): Der Künstler macht sich Skizzen, wo er gerade geht oder steht : der Künstler macht sich überall Skizzen.

• Temporal: Der Künstler malt, wenn die Lichtverhältnisse gut sind : der Künstler malt im Abendlicht.

• Kausal: Der Künstler malt, weil ihn sein Schaffensdrang dazu drängt : der Künstler malt aufgrund seines Schaffensdranges.

• Final: Der Künstler malt unentwegt, damit er berühmt wird : Der Künstler malt unentwegt für seinen Ruhm.

usw.

[Attributsätze haben keinen Satzgliedstatus]

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Nebensätze nach Status

Nebensätze

mit Satzgliedstatus (Gliedsätze) ohne Satzliedstatus

Inhaltssätze

A. Subjektsatz B. Objektsatz C. Adverbialsatz D. Attributsatz

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Nebensätze nach Art der Einleitung (Beispiele)

Pronomen: Wer als Künstler Karriere machen will, braucht nicht nur Talent, sondern

auch gute Beziehungen (Subjektsatz). – Ein Künstler, der keine guten Beziehungen

aufbaut, macht keine Karriere (Attributsatz).

Subjunktion: Mein Kumpel wurde ein berühmter Künstler, weil er sich gute Beziehungen

aufgebaut hat (Kausalsatz).

Relativadverb: Den Grund, warum er solchen Erfolg hat, versteht der Künstler selber

nicht (Attributsatz).

Uneimgeleitet: Baust du dir keine guten Beziehungen auf, wirst du als Künstler nie

berühmt. Hier nimmt das Prädikat die Erststelle ein. Die größte Gruppe der

uneingeleiteten Nebensätze stellen die Konditionalsätze dar. Sie gehen

normalerweise dem Hauptsatz voraus.

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Nebensätze nach Art der Einleitung

(schematisch)

Nebensätze

eingeleitet

relativ

1. mit Pronomen 2. mit Adverb 3. mit Partikel 4. mit Subjunktion 5. uneingeleitet

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Klassifikation nach Status und Einleitung

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A1 / B1: Subjekt- und Objektsätze (1)

Frühneuhochdeutsch

• Die du mir gegeben hast, die habe ich bewaret, vnd ist keiner von jnen verloren (Luther Biblia deutsch 1545, Joh. 17,12). – Erweitert: selig seind die da geben und besitzen das gelt, wann ir ist der römisch hof ‘selig sind, die das Geld besitzen und ausgeben, den ihrer ist die Kurie zu Rom’ (Schade Satiren II,107,1-3).

Mittelhochdeutsch • Die ive flvochent, den solt ir niht flvochen ‘die euch fluchen, denen sollt ihr nicht

fluchen’ (Spitalregel Eichstätt 40). – Erweitert: Die da dienent vnd lesent ze dem tische, die svlen for oder nach ezzen in dem referten (ebd. 1).

Althochdeutsch • Der in dera chindiska nieth pidenchan niuuela sina heila, der pidenche siâ doch … in

demo altere (Predigtslg. B2, 50-52, SKD 170). – Erweitert: diu dornigi erda pizeichinet die, die dir minnent die uuerltlichen scazze ‘die dornige Erde symbolisiert die, die die weltlichen Schätze lieben’ (B3,14, SKD 171).

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A1 / B1: Subjekt- und Objektsätze (2)

Frühneuhochdeutsch

• wer gesund ist, der soll die gans also gebratenn essenn, so schadt sie dester mynderr. Wer

aber krannck ist, der soll wenig do von essenn (Eberhard Kochb. 90).

Mittelhochdeutsch

• Swer guot und barmherzic sî, / Der wone den fürsten selten bî ‘wer gut und

barmherzig ist, der suche nicht die Gesellschaft von Fürsten’ (Renner 677f.).

Althochdeutsch

• So hwer so suganti farah forstilit ... gelte soł III ‘wer ein saugendes Ferkel stiehlt,

bezahle drei Solidi’ (Lex Salica 23f. SKD 56; so hwer so ist ein

verallgemeinerndes Relativpronomen).

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A1 / B1: Subjekt- und Objektsätze (3)

Frühneuhochdeutsch

• welcher baur meer gott lestert, den wolt er nit allein an seinem gůt, sonder auch an dem

leib straffen ‘welcher Bauer Gott mehr lästert, den wollte er nicht nur mit

seinem Gut bestrafen, sondern auch mit einer Leibstrafe’ (Rollwagenb. 90).

Mittelhochdeutsch

• swelh ritter disen serpant / slüege mit sîn eines hant, / ir gaebet ime ze solde / iuwer

tohter Îsolde ‘welcher Ritter diesen Drachen mit siner eigenen Hand erschlüge,

Ihr gäbet ihm zum Lohn Eure Tochter Isolde’ (Gottfried Tristan 9803-6).

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Indirekte Fragesätze (1)

• Frühneuhochdeutsch: Der leufft vnnd schreitt vnns nach, wir wollenn hörenn, was er

woll ‘der rennt und schreit uns hinterher; wir wollen hören, was er will’ (Götz

Fehd 63,34).

• Mittelhochdeutsch: wer iuch her hab gesendet, desn hân ich niht vernomen ‘wer Euch

hergeschickt hat, das hat mir niemand gesagt’ (Nibelungenlied 142,2).

• Althochdeutsch: her fragen gistuont / fohem uuortum. hwer sin fater wari ‘er begann

mit knappen Worten zu fragen, wer sein Vater wäre’ (Hildebrandsl. 8f.).

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Indirekte Fragesätze (2)

Frühneuhochdeutsch

• vnnd erfurnn auch vf welchenn tag er vff wollt sein ‘und [wir] erfuhren auch, an

welchem Tag er aufbrechen wollte’ (Götz Fehd 112,17).

Mittelhochdeutsch

• Reht in den noeten sol der vrome, / ze swelhem ende ez danne kome, / bedenken ‘vor

allem in Nöten soll ein Tüchtiger bdenken, zu welchem Ende es führen

werde’ (Gottfried Tristan 1869-71).

Althochdeutsch

• Nu sehen, mit uuelichemo flizza uuir den gotis uuinkarten ûoben ‘nun lasst uns

überlegen, mit welchem Fleiß wir Gottes Weingarten bearbeiten’ (Predigtslg.

B2, 15f., SKD 169).

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A2 /B2: Subjekt- und Objektsätze mit adverbialer

Einleitung

Frühneuhochdeutsch

• ich … sagtt innen, wie die sachenn geschaffenn, vnnd was mir mit dem marschalckh …

begegnett wer ‘ich sagte ihnen, wie es um die Angelegenheit stünde und was mir

mit dem Marschall passiert wäre’ (Götz Fehd 58,8-10)

Mittelhochdeutsch

• ichn weiz, war umbe sî ez tuont ‘ich weiß nicht, warum sie das tun’ (Iwein 2472)

Althochdeutsch

• Inti hér niuuesta uuanan íz uúas ‘und er wusste nicht, woher es war’ (Tatian

179,6).

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[A4 / B4] Mit Subjunktion eingeleitete Subjekt- und

Objektsätze

Frühneuhochdeutsch (Subjektsatz – Objektsatz) • und ist mir laid, das ir alls törhafft seitt ‘und mir tut es leid, dass Ihr so töricht

seid’ (Paulsdorfer Br. 83). – und erkanten die gesellen, das der setzer solt gewunnen han unnd der münch mit der gschrifft überwunden wär ‘und die Gesellen erkannten, dass der Buchdrucker gewonnen hatte und der Mönch mit der Schrift überwunden war’ (Rollwagenb. 41).

Mittelhochdeutsch (Subjekt- und Objektsatz)

• daz der ein dar wider chom … daz bezaichent daz diu heidenschaft gesament scholt werden zů dem einen gelauben des heiligen Christes ‘dass der eine dorthin zurückkam, das bedeutet, dass die Heidenschaft zu dem einen Glauben der heiligen Christus versammelt werden sollte’ (Oberalt.Pred. 157,27-19).

Althochdeutsch (Subjekt- und Objektsatz) • pidiu ist durft mihhil allero manno uuelihemo, daz in es sin muot kispane, daz er kotes

uuillun kerno tuo ‘deshalb ist es jedem Menschen eine Notwendigkeit, dass ihn sein Streben dahin bringt, dass er Gottes Willen gerne erfüllt’ (Muspilli 18-20, SKD 66f.). Der erste daz-Satz hat Subjektstatus, der zweite ist ein Objektsatz in Abhängigkeit von kispane.

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Ahd. thaz / daz

• Lesen uuir, thaz fuori ther heilant fartmuodi. ze untarne, uuizzun thaz, er zeinen

brunnon kisaz. ‘Wir lesen, dass der Heiland unterwegs war, müde von der

Fahrt. Mittags, wir wissen das: er setzte sich zu einem Brunnen.’ (Christus und

die Samariterin 1f., SKD 89).

• wela gisihu ih in dinem hrustim,

dat du habes heme herron goten,

dat du noh bi desemo riche reccheo ni wurti (Hildebrandslied 46-48, SKD 6)

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Indirekte Fragesätze mit ob (< obe < oba)

Frühneuhochdeutsch

• Lieber, ich wollt geren wissen, ob Euch kein Buhlschaft gestorben wär ‘Lieber, ich wollte gerne wissen, ob Euch keine Geliebte weggestorben ist’ (Dürer Briefe 23,1-3).

Mittelhochdeutsch

• diu werde küneginne hete aldar nâch im gesant, ob er noch wider in daz lant wær komen von der heidenschaft ‘die edle Königin hatte dorthin nach ihm gesandt, ob er schon wieder ins Land gekommen sei aus dem Heidenland (Parzival I,2,1-5).

Althochdeutsch

• oba her suntig ist niuueiz ‘ob er sündig ist, weiß ich nicht’ (Tatian 455,30).

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[A5 / B5] Uneingeleitete (asyndetische) Subjekt- und

Objektsätze

Frühneuhochdeutsch

• umb das sorg ich, er wurd sich nur meiner not erfreyen ‘darum sorge ich mich, er würde sich nur an meiner Not ergötzen’ (Arnpeck Chron. 592).

Mittelhochdeutsch

• Daz vierde ist, er wânde, er möhtez dar zuo bringen …, swenne daz mer in ünden gêt und alsö griuwelîchen stürmet unde wüetet … daz daz wilde mer über al danne stüende von sîn einiges worte ‘das vierte ist, er glaubte, er könne es dahin bringen, wenn das Meer wogt und so grauenvoll stürmt und wütet, dass das wilde Meer überall weg bliebe nur auf seinen Befehl’ (Berthold I,399,6-10). – Dieses Satzgefüge enthält einen uneingeleiteten Subjektsatz (er wânde …), in den ein uneingeleiteter Objektsatz (er möhtez…) integriert ist.

Althochdeutsch

• kundt er imo in droume, er thes wibes wola goume ‘er verkündete ihm im Traum, dass er die Frau gut behüten solle’ (Otfrid I,8,20). Anders als der mittel- und frühneuhochdeutsche Beleg zeigt das Otfrid-Zitat Verbendstellung.

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Temporalsätze (Frühneuhochdeutsch) • Vorzeitig: Anno 1489 am aufarabnt ist küng Maximilian, nachdem er erledigt ist worden aus der gefänknus zu

Brück … eingeritten zu München ‘Am Abend vor Christi Himmelfahrt 1489 ist König Maximilian, nachdem er aus der Gefangenschaft in Brügge frei gekommen war, in München eingeritten’ (Arnpeck Chron. 578). – Wie er nun ein lied oder zwey gesungen hett, zohen sy in zum tisch, daß er bey inen seß und mittzechte ‘wie / nachdem er nun ein Lied oder zwei gesungen hatte, zogen sie ihn zum Tisch, dass er bei ihnen sitze und mittechte’ (Rollwagenb. 38).

• Gleichzeitig: Den Arnolf assen de leys ze tod …da man zalt anno domini 900 ‘den Arnulf bissen die Läuse zu Tode, als man das Jahr 900 schrieb’ (Arnpeck Chron. 477). Die Subjunktion da wir im Frühneuhochdeutschen allmählich durch als und wie verdrängt: Als er aber in kurtzer zeit darnach wider gesundt worden, ist im tag unnd nacht die gelübt, so er gethon hat, vor augen gewesen ‘als aber bald darauf wieder gesund geworden war, stand ihm Tag und Nacht das Gelübde, das er getan hatte, vor Augen’ (Rollwagenb. 11).

• Nachzeitig: di selben brief wurden aufgebrochen, ee das sy komen zu der küngin ‘diese Briefe wurden aufgebrochen, bevor sie zu der Königin gelangten’ (Arnpeck Chron. 508).

• Zeitdauer: wann ich jetzt erst khem, vnnd das man mir annsagtt, so woltt ich reittenn, weill die geull gingen ‘wenn ich jetzt erst käme und man mir das befehlen würde, dann würde ich reiten, solange die Gäule liefen’ (Götz Fehd 65,16f.).

• Zeitlicher Ausgangspunkt: Bald er aber merckt, daß im niemants zů hilff hat mögen kommen … do hat er angefangen jämmerlichen schreyen (Rollwagenb. 18).

• Zeitlicher Zielpunkt: reitt mit dorthin zu jhenem hauffenn, bis daz des reichs fannen der adler vonn Kostentz herrauß khombtt! ‘reit zu dem jenem Trupp, bis das Reichsbanner, der Adler, von Konstanz heraus kommt’ (Götz Fehd 61,25f.). – Die Subjunktion bis (das) verdräng in frühneuhochdeutscher Zeit älteres unz (daz), das sich am längsten im Bairischen hält: und der beschluss beschach also, das frau Jacoba solt wonen pei dem herzog von Burgundi, der auch si fürstlich versechen solt so lang, hunz herzog Johanns seins zorn gegen ir vergass ‘und der Beschluss lautete so, dass Frau Jacoba beim Herzog von Burgund wohnen sollte, der sie auch fürstlich versorgen sollte, bis Herzog Johann seines Zorn gegen sie vergaß’ (Arnpeck Chron. 590).

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Temporalsätze (Mittelhochdeutsch)

• Vorzeitig: dô er ir rede gehôrte, er sprach getriuwelîche sint; / Ir vil guoten recken, war umbe tuot ir daz? ‘nachdem er ihre Rede vernommen hatte, sprach er aus treuem Herzen: Ihr guten Recken, warum tut ihr das?’ (Nibelungenl. 865,4-866,1).

• Gleichzeitig: Daz volc bevalch er Hagenen, dô er wolde dan ‘das Heer vertraute er Hagen an, als er fort wollte’ (ebd. 180,1). – Tristan, daz er die burc gesach. von einer linden er dô brach zwei schapel wol geloubet ‘als Tristan die Burg erblickte, brach er von einer Linde zwei schön belaubte Blütenzweige ab’ (Gottfried Tristan 3149-51).

• Nachzeitig: ê dô der ungehiure man / die stangen haete wider gezogen, / dô haete im Tristan an erlogen / einen stich zem ougen ‘bevor der unheimliche Kerl die Stange wieder aufgegriffen hatte, hatte ihm Tristan trickreich einen Stich in die Augen versetzt’ (Gottfried Tristan 16152-5).

• Allzeitgültigkeit: daz eine werlt were so / gelegen under dirre erde: / swen ez hie naht werde, / daz ez danne dort tac si ‘dass eine Welt so unter dieser Erde liege: wenn es hier Nacht werde, dass es dort Tag sei’ (Brandan 30-33).

• Zeitlicher Zielpunkt: nu was dar nâch vil harte unlanc, / unz daz er aber einer vart / durch banekîe in eine wart ‘nun dauerte es gar nicht lange, bis er wieder eine Fahrt, diesmal zum Vergnügen, unternahm’ (Gottfried Tristan 410-412).

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Temporalsätze (Althochdeutsch)

• Vorzeitig: Thiz zeichan deta druhtin Krist mennisgon zi erist, / sid er hera in worolt quam joh mannes lichamon nam ‘dieses Wunder wirkte der Herr Christus als erstes, nachdem er in die Welt gekommen war und einen menschlichen Leib angenommen hatte’ (Otfrid II,8,23f.). – After diu, do er … gecrucigot uuard, to raster in demo grabe trie taga ‘nachdem er gekreuzigt worden war, ruhte er im Grab drei Tage’ (Physiologus 31-33, SKD 125).

• Gleichzeitig: Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo / enti do uuas der eino almahtico ‘als da nichts war an Enden und Wenden, da war der eine allmächtige Gott’ (Wessobrunner Gedicht 6f., SKD 16). – so iz regenot, so naszcent te boumma ‘wenn es regnet, werden die Bäume nass’; so iz uuath, so uuagont te bovmma ‘wenn es weht, biegen sich die Bäume’, so diz rehpochchili fliet, so plecchet imo ter ars ‘wenn das Rehböcklein flieht, dann leuchtet ihm der Arsch’ (St. Galler Sprichwörter, SKD 403). Diese Sprichwörter lassen allerdings auch eine konditionale Lesart zu.

• Nachzeitig: Ter helfant únde sîn uuîb bezeichenent Adam unde Euun, tî dir dirnun uuarin, er sí daz obiz azzin ‘der Elefant und sein Weib symbolisieren Adam und Eva, die jungfäulich waren, ehe sie die Frucht aßen’ (Physiologus 84-86, SKD 129).

• Zeitlicher Ausgangspunkt: thaz wazar theist giwihit, /sid druhtin Krist quam uns heim inti iz mit sinen lidin rein ‘Das Wasser ist geheiligt, seit Christus, der Herr, zu uns gekommen ist, und es mit seinen Gliedern berührt hat’ (Otfrid I,16,1f.).

• Zeitlicher Endpunkt: sorgen mac diu sela, unzi diu suona arget ‘ängstigen muss sich die Seele, bis das Urteil verkündet wird’ (Muspilli 6, SKD 66).

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Frühneuhochdeutsche Kausalsätze • es ist mein mainung und her Jorgens, das ir von stund an kumbt, wan dy thumhern all kumen sein

‘es ist mein Wille und der des Herrn Jörg, dass ihr sogleich kommt, weil die Domherren alle gekommen sind’ (Paulsdorfer Br. 84).

• Zu dem so war mir ermelter vonn Huttenn ein lieber vnnd naher freundt, gegenn dem ich auch, weill er ein waidtlicher ritter wahr, nit wollt ernnstlich gemeindt habenn ‘außerdem war mir der erwähnte von Hutten ein lieber und naher Freund, gegen den ich auch deshalb, weil er ein vortrefflicher Ritter war, nicht ernsthaft etwas unternehmen wollte’ (Götz Fehd 88,15-17).

• seit er nit anders wolt, so wolt wir geen ‘weil er es nicht anders wollte, wollten wir gehen’ (Katzmair 467).

• Vnd bitte, E. k. f. g. wollten mirs gnediglich zu gut halten, solch verzogen antwort, Denn ich itzt ynn einer Erbeit stecke ‘und bitte, Euer Kurfürstlich Gnaden mögen mir die verspätete Antwort verzeihen, weil ich gerade in einer Arbeit stecke’ (Luther Briefe 10,20,60-62).

• hab ich es woll gewonnt, hab ich … nichts gessenn oder getrunckenn … dann es etwan nit annderst sein konnth ‘habe ich nichts gegessen oder getrunken, weil es ja nicht anders sein konnte’ (Götz Fehd 54,10-12).

• Abraham vnd Dauid werden fuernemlich angezogen, Darumb das den selbigen Christus sonderlich verheissen ist ‘Abraham und David werden besonders erwähnt, weil diesen Christus auf besondere Weise verheißen worden ist’ (Luther Biblia deutsch 1545, Vorrede zu Mt.). Das adverbiale darum(b) ist ursprünglich ein Korrelat im übergeordneten Satz: ich halt aber, er thu es dorum, das Ihr sein Schwoger itz seid worden ‘ich vermute aber, er tut es deswegen, weil Ihr jetzt sein Schwager geworden seid’ (Dürer Briefe 38,1f.).

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Mittel- und althochdeutsche Kausalsätze

• Mittelhochdeutsch • si hête grôze sorge um ir kindes lîp / wan si wol erchande Gunthêrn und sîne man ‘sie

hatte große Angst um das Leben ihres Kindes, weil sie Gunther und seine Mannen gut kannte’ (Nibelungenl. 51,2f.). – durch daz sîn fluz sô tunkel was, / der knappe den furt dar an vermeit ‘weil seine Strömung so dunkel war, vermied der Knabe die Furt hindurch’ (Parzival 129,4f.).

• Althochdeutsch

• nicuri thû forhtan zinemanne mariun thina gimahhun, uuanta thaz In iru giboran ist, thaz ist fon themo heilagen geistesiu gibirit sun. Inti thû ginemnis sinan namon heilant, bithiu uuanta her sinaz folc heilaz tuot’ ‘fürchte dich nicht, Maria zu deiner Frau zu nehmen, weil das, was von ihr geboren wird, vom heiligen Geist ist, und du nennst seinen Namen Heiland, weil er sein Volk errettet’ (Tatian 83,18-24).

• Ohne expliziten Ausdruck der Kausalität: Hiltibrant gimahalta, Heribrantes sunu, her uuas heroro man ‘Hildebrand sagte, Heribrands Sohn, er war der ältere Mann’ (Hildebrandsl. 7, SKD 1). Hier besteht eine Kausalbeziehung, denn Hildebrand kommt aufgrund seines Alters das Recht zu, als erster das Wort zu ergreifen. Dieser Kausalzusammenhang bedurfte aber keines expliziten Ausdrucks.

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Frühneuhochdeutsche Konditionalsätze

Der ein hatt ein hanndt, so hat der annder ein bein, wann sie dann erst zwo henndt hettenn, vnd zwey bein, wie wollt ir dann thun? ‘Der eine hatte nur eine Hand, der andere nur ein Bein. Wenn sie erst zwei Hände und zwei Beine gehabt hätten, was hättet ihr dann gemacht?’ (Götz Fehd 79,9f.).

Aber sawerr öpffel die kelten vnd derrent, ob du der naturlichenn hicz zu vil hast vnd ob du newrr dar an schmeckst, so stercken sie das hercz vnd das hirnn ‘aber saure Äpfel mach kalt und trocken, wenn du zu viel von der natürlichen Hitze hast; und wenn du nur daran riechst, dann stärken sie das Herz und das Hirn’ (Eberhard Kochb. 98).

vnd wo sunst die person jres wesens verdächtlich wer / daß er den mort gethon / die mag man wo er derhalb nit redlich entschuldigung hett / gefenglich annemen vnd peinlich fragen ‘und wenn die Person aufgrund ihres Verhaltens anderweitig verdächtig wäre, dass sie den Mord begangen hätte, die soll man, sofern sie in der Sache keine nachvollziehbare Begründung vorzubringen hat, inhaftieren und unter der Folter befragen’ (Carolina 36,12-15).

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Mittel- und althochdeutsche Konditionalsätze Mittelhochdeutsch

• Ir manic vert reht als si tobe, / Sô si daz swenzelîn vorn an siht ‘manche von ihnen benimmt sich wie verrückt, wenn sie das Schwänzlein vorne dran sieht’ (Renner 412f.).

• Wê in, ob si ân riuwe sterbent ‘wehe ihnen, wenn sie ohne Reue sterben’ (ebd. 990).

• swenne ez diu vuoge lie geschehen, /sô gruozte sî´n vil tougen ‘wenn es die Gelegenheit zuließ, dann grüßte sie ihn ganz heimlich’ (Gottfried Tristan 1086f.).

Althochdeutsch • So du in chestigost . so lasterot er dih ‘wenn du ihn züchtigst, dann lästert er dich’

(Notker Psalter 48,19). • ibu du mi ęnan sages, ik mi de odre uuet ‘wenn du mir einen nennst, dann kenne

ich die anderen’ (Hildebrandsl. 11, SKD 2).

• Hera santa mih god Ioh mir selbo gibod / Ob hiu rat thuhti, Thaz ih hier geuuhti ‘Gott sandte mich her und gebot mir selbst, wenn es euch ratsam erschiene, dass ich hier kämpfe’ (Ludwigslied, SKD 33f., SKD 85).

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Verallgemeinernde Relativ-/Subjektsätze mit konditionalen

Korrelaten

• Frühneuhochdeutsch: Wer sie mit feigenn ißt, so sein sie gut furr vergiffte lüfte vnd

furr alle gifft ‘wer sie mit Feigen isst, dann sind sie gut gegen vergiftete Lüfte

und gegen jedes Gift’ (Eberhard Kochb. 96).

• Mittelhochdeutsch: Wîp und vederspil diu werdent lîchte zam. / swer sî ze rehte

lucket, sô suochent sî den man ‘Frauen und Falken, die werden leicht zahm. Wer

sie richtig anlockt, dann suchen sie den Mann’ (Kürenberger 13, Minnesangs

Frühling 26).

• Althochdeutsch: Siuuelich mán oder wîb firgihdigód uuerde. zéseuuen hálbun. so

lâza man ímo in déro uuínsterun hénde an demo ballen ‘welcher Mann oder Frau an

der Gicht leidet an der rechten Seite, so lasse man ihn am linken Handballen

[zur Ader]’ (Contra paralysin 2-4, SKD 384).

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Eingeleitete Exzeptivsätze (Frühneuhochdeutsch)

• Frühneuhochdeutsch: So weiß ich mich mit nichten zu verantworten, denn daß ich

faul bin zu schreiben ‘so kann ich mich nichts rechtfertigen, es sei denn damit,

dass ich zu faul bin, um zu schreiben’ (Dürer Briefe 21,14f.).

• wie kann ein christ sich davor hüten, es si dan daß er war nem irer gebot und predig

‘wie kann sich ein Christ davor hüten, es sei denn, dass er ihre Gebote und

Predigt befolge’ (Schade Satiren III, 8,28-30).

• La mich. Wann die morgenrött ist itzunt auffgestigen. Er antwurt. Ich las dih nit newer

du gesgnest mich ‘Lass mich, denn die Morgenröte ist schon aufgestiegen. Er

antwortete: Ich lasse dich nicht, es sei denn, du segnest mich’ (Mentel-Bibel,

Kurrelmeyer 1907: 154).

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Finalsätze (Frühneuhochdeutsch)

• so zog mich der herr haubtman Paulus vonn Apsperg herfur, vnd nam mich zu im, das ich stets im veldt bey vnd nebenn im sein must ‘so bestellte mich Herr Hauptmann Paulus von Asperg herbei und nahm mich zu sich, damit ich im Feld bei und neben ihm sein würde’ (Götz Fehd 65,23f.).

• Denn er kan sie noch wol und gar bald, ynn yhrer klugheit ergreiffen, das sie es selbs mussen versaltzen und verderben, auff das sie, wie Heintz, sich selbs ynn iamer und not bringen ‘denn er [Gott] kann sie recht gut und bald bei ihrer Klugheit packen, damit sie es selber versalzen und verderben müssen, damit sie wie Heinz [Herzog Heinrich von Braunschweig] sich selber in Jammer und Not bringen’ (Luther Briefe 10,127,58-60).

• O du heiliger sant Christoffel, hilff mir in disen meinen grossen wassersnöten, damit ich wider ans land kommen mög ‘Heiliger Christophorus, hilf mir aus meiner großen Seenot, damit wieder an Land kommen kann’ (Rollwagenb. 15).

• Beide Deutungen, sowohl die relative (adverbiale) als auch die finale (subjunktionale) sind bei folgendem Satz möglich: Gang heim und hol bickel, schaufflen und hauwen, damit du in außgrabst ‘Geh nachhause, hol Pickel, Schaufel und Hacke, damit / womit du ihn [den Schatz] ausgräbst’ (ebd. 62).

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Finalsätze (Mittel- und Althochdeutsch)

Mittelhochdeutsch:

• Nû lât ez iuch erbarmen, daz sich got über iuch erbarme ‘nun lasst es euch erbarmen, damit Gott sich euer erbarmt’ (Berthold I,401,26f.). – Einer gêt ûz durch daz er stel, / Der ander würget jeme die kel ‘der eine zieht los, damit er stehle; der andere drückt ihm die Kehle zu’(Renner 10585f.).

Althochdeutsch

• Adam uuart kescaffen, daz er uuari ûberi des paradysi ‘Adam wurde erschaffen, damit er Bewohner des Paradieses sei’ (Predigtslg. B2, 16f., SKD 169).

• Tú idrís bézechenet únsirin tróhtin, dér an sih nam den menischen líhhamin, zé diu, dáz ér unsirin tót féruuórfe ‘Die Hydris symbolisiert unseren Herrn, der den menschlichen Leib an sich nahm, dass er unseren Tod besiege’ (Physiologus 52-54, SKD 127). – Er … hiez siu haben die miteuuari des lampis, so daz si íre crimme nieth niûobten in diê ire untertanen ‘er befahl ihnen, die Sanftmut des Lammes zu haben, damit sie ihren Grimm nicht an ihren Untertanen ausließen’ (Predigtslg. B1,30-32, SKD 168f.).

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Konsekutivsätze

Frühneuhochdeutsch

• Werden die Tag kurz, daß Einer nit vil kann machen ‘die Tage werden kurz, so

dass man nicht viel arbeiten kann’ (Dürer Briefe 49,20). – Vnd sie waren beide /

Abraham vnd Sara alt vnd wol betaget / Also das es Sara nicht mehr gieng / nach der

Weiber weise (Luther Biblia deutsch 1545 Gen. 18,11).

Mittelhochdeutsch • wan jene die wâren verdâht / an ir spil sô sêre, / daz sî dô nihtes mêre / niwan ir spîles

gedâhten ‘denn jene waren so sehr in ihr Spiel vertieft, dass sie an nichts mehr

dachten als an ihr Spiel’ (Gottfried Tristan 2314-7). – dô verstiezen s’an der vart,

/alsô daz in der hirz entwart ‘da verloren sie die Fährte, so dass ihnen der

Hirsch entwischte’ (ebd. 17304f.).

Althochdeutsch • unde der dracho uuiret so uordtal, daz er liget, alsor tot si ‘und der Drache wird so

wird so furchtsam, dass er da liegt, as ob er tot sei’ (Physiologus 24f., SKD

125).

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Konzessivsätze (Frühneuhochdeutsch)

• Zum andren ist sich auch gnůg zů verwundren, daß die welt so einfeltig ist, so daß einer

meint, er wölle vil verheissen, ob er das gleichwol nit thůn kann ‘außerdem muss man

sich genug wundern, dss die Welt so einfältig ist, dass einer meint, er können

viel versprechen, obwohl er es nicht halten kann’ (Rollwagenb. 14).

• nun ist die hrerei der priesterschaft, wie wol sie alt und gemein ist, wider gottes wort

‘nun ist die Hurerei des Klerus, obwohl die alt und allgemein üblich ist, gegen

das Wort Gottes’ (Schade Satiren III,166,1f.).

• du sichst iez daß alle lant vol propheten sind, ja all stet und dörfer, trutz daß iemand

anders sprech ‘du siehst jetzt, dass alle Länder voller Propheten sind, ja sogar

Städte und Dörfer, auch wenn jemand etwas anderes sagt’ (ebd. III, 10,12).

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Konzessivsätze (Mittel- und Althochdeutsch)

Mittelhochdeutsch

• dô Jhêsus bekante daz die Pharisêi hôrten daz Jhêsus mêr jungern machit dan Jôhannes

und toufit (Alleine her ouch selber niht intoufte, sondern ouch sîne jungern) Do liez her

Judêam ‘als Jesus erfuhr, dass die Pharisäer hörten, dass er mehr Jünger

sammelte als Johannes, obwohl er nicht selber taufte, sondern seine Jünger,

verließ er Judäa’ (Evangelien MB Joh. 4,2f., 187).

• swie wol er den willen hat, volbracht er in nicht ‘obwohl er die Absicht hatte,

führte er sie nicht aus’ (Oberalt. Pred. 133,25).

Althochdeutsch • Souuieo der mennisco gange an demo gotes pilde . er uuirt iedoh in gemeitun getruobet

sines muotes ‘obwohl der Mensch nach dem Bilde Gottes wandelt, wird er

dennoch durch Nichtigkeiten in seinem Geist verwirrt’ (Notker Psalter 38,7).

• Toh ir iouueder sament sehent. ir skeident siu doh ‘Obwohl ihr die beiden

zusammen seht, unterscheidet ihr sie doch’ (Notker Boethius 355,2f.).

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Modalsätze (Frühneuhochdeutsch)

• und als er für die herrn kame, kunt man kein wort auß im bringen, sundern stalt sich, als

ob er nit reden kundt oder ein narr were ‘und als er vor die Herren kam, konnte

man kein Wort aus ihm herausbringen, sondern er stellte sich, als obe er nicht

reden könnte oder ein Narr wäre’ (Rollwagenb. 59).

• Auch … will ich … mich tapfer halten weder mein Gewohnheit ist ‘auch will ich

mich tapfer halten, wie es meine Gewohnheit ist’ (Dürer Briefe 32,3-5).

• ein armer student, wellicher … die füß lieber under dem tisch hatt, dann daß er sölt in

einem bůch studieren, als man deren noch vil findet ‘ein armer Student, der die Füße

lieber unterm [Wirtshaus-]Tisch hatte, als dass er in einem Buch studieren

sollte, wie es viele von der Sorte gibt’ (Rollwagenb. 174).

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Modalsätze (Mittelhochdeutsch)

• zwêne alte wallaere. / die wâren gote gebaere, / getaget unde gejâret. / gebartet unde

gehâret, / alsô diu wâren gotes kint / und wallaere dicke sint ‘zwei alte Pilger, die

waren gottgefällig, betagt und bejahrt, bärtig und haarig, wie es die wahren

Gotteskinder und Pilger oft sind’ (Gottfried Tristan 2623-28).

• Daz viuwer stoup ûz ringen, alsam ez tribe der wint ‘das Feuer stob aus den

Eisenringen, als bliese der Wind hinein’ (Nibelungenl. 460,1)

• von der brust enbaste er die, / daz er die brust dô ganze lie ‘von der Brust löste er sie

[die Haut] in der Weise ab, dass er die Brust unzerteilt ließ’ (Gottfried Tristan

2887f.).

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Modalsätze (Althochdeutsch)

• thu biguol en uuodan, so he uuola conda ‘da beschwor ihn Wotan, wie er es gut

konnte’ (Merseburger Zauberspr. 5, SKD 365).

• so haldih thesan minan bruodher soso man mit rehtu sinan bruodher scal ‘so halte ich

diesen meinen Bruder, wie man von Rechts wegen seinen Bruder halten soll’

(Straßburger Eide 20f., SKD 82).

• Also dem einhurnin niman geuolgen nemag, so nemag ouh nehein man uernemin daz

gerune unsiris trotinis ‘so wie dem Einhorn niemand folgen kann, so kann auch

kein Mensch das Geheimnis unseres Herrn verstehen’ (Physiologus 43-45,

SKD 126).

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Lokal-/Direktionalsätze Frühneuhochdeutsch

• Lokal: wo di ächter begriffen wurden, da ermort und erschlug man sy und liess kainen lebntig davon komen ‘wo die Geächteten gefasst wurden, da ermordete und erschlug man sie und ließ keinen lebendig davon kommen’ (Arnpeck Chron. 637).

• Direktional: so machten sich des Thallackers knechtt auch hin wo sie möchten ‘so machten sich des Thalackers Knechte dahin auf, wohin sie wollten’ (Götz Fehd 73,3).

Mittelhochdeutsch

• Lokal: und kam in kurzer vriste, / ê danne er sîn iht wiste, / rehte ûf den trachen, dâ er lac ‘und stieß nach kurzer Zeit, ehe er sich‘s versah, genau auf den Drachen, wo er lag’ (Gottfried Tristan 9123-5).

• Direktional: dô reit mit sînen vriunden Sivrit, der degen / und ouch diu küneginne, dar si hêten vreuden wân ‘da ritt mit seinen Verwandten Sigfried, der Held, und auch die Königin [dorthin], wo sie Freuden erhofften’ (Nibelungenl. 779,2f.).

• Althochdeutsch • Lokal und direktional: Inti thâr ih bin thara nimugut Ir queman ‘und wo ich bin,

dahin könnt ihr nicht kommen’ (Tatian 435,28f.).

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Restriktivsätze

Frühneuhochdeutsch

• vnerwegen das der bischoff, wie inn der Meintzischenn vhedt auch gemeldt ist, verredt hett, weill ich sein erster feindt were, must ich sein feindt ersterbenn ‘abgesehen davon, dass der Bischof, wie in der Mainzer Fehde auch berichtet worden ist, verkündet hatte, weil ich sein erster Feind wäre, müsste ich als sein feind sterben’ (Götz Fehd 105,17-19).

Mittelhochdeutsch

• an ime brast al der tugende niht, /… wan daz er ze verre wollte / in sînes herzen luften sweben /und niwan nâch sînem willen leben ‘an ihm fehlte keine Tugend, außer dass er zu hoch hinaus wollte, in den Lüften seines Herzens schweben und nur nach seinem Willen leben’ (Gottfried Tristan 260-264). – Sandix haizzet ways chraut. Daz kraut hat ein rot wurtzl vnd hat pleter nahent sam die lactuken.

• an daz si smeler sint vnd spitziger ‘Sandix heißt Waidkraut. Dieses Kraut hat Blätter fast wie Lattich, nur dass sie schmaler sind und spitzer’ (Konrad v.M. BdN 454,21f.).

Althochdeutsch

• Tîe fóne ánderên búrgen dárachómene uuâren . tîe hábetôn dîa sélbun êa . âne daz sie nîeht nemáhtôn ferre suffragia ‘die aus anderen Städten dorthin gekommen waren, die hatten das selbe Gesetz, nur dass sie kein Stimmrecht hatten’ (Notker Boethius I,152,5).

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Uneingeleitete Konditionalsätze (Frühneuhochdeutsch)

• bekent der gefragt, daß er jemandt vergifft habe, oder vergifften wöllen, Man soll jn auch

fragen aller vrsachen vnd vmbstende ‘gesteht der Befragte, dass er jemanden

vergiftet hat oder vergiften wollte, soll man ihn auch nach allen Ursachen und

Umständen befragen’ (Carolina 48,7-9).

• Ist das du dir hst fürgenomen ze wütern In Gwiscardum, so kere din wüterye vnd

grimikait In mich ‘solltest du vorgenommen haben, gegen Guiscard zu wüten,

dann richte deine Wut und deinen Grimm gegen mich’ (Wyle Transl. 87,22-

24).

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Uneingeleitete Konditionalsätze (Mittel- und Althochdeutsch)

Mittelhochdeutsch

• bistû mir holt, als ich dir bin, /treistû mir herze, als ich dir trage, / weiz got sô sul wir unser tage / vrôlîche mit ein ander leben ‘bist du mir hold, wie ich dir bin, hast du ein Herz für mich, so wie ich für dich. weiß Gott, so werden wir unsere Tage fröhlich miteinander leben’ (Gottfried Tristan 5164-7).

• ist aber daz er von lêre kann / dekeiner slahte zouberlist, … sô waere er maneges bezzer tôt ‘ist es der Fall, dass er aufgrund einer Lehre irgendeine Zauberlist beherrscht, dann wäre er viel besser tot’ (Gottfried Tristan 1002-6).

• Problematisch: â ritter, mahtu sprechen? sprich! ‘Ach, Ritter, kannst du sprechen? Dann sprich!’ (ebd. 9464).

Althochdeutsch

• Ist siu denne uuarhaft magit, so sprinet ez in iro parm unde spilit mit iro (Physiologus

39-41, SKD 126).

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Uneingeleitete Exzeptivsätze • Frühneuhochdeutsch

• also der czwik nicht mak frucht brengen von ym selbir, her inblybe an dem wynstocke, also inmuget ir, ir enblybet den an mir ‘so wie der Zweig nicht aus sich selber Frucht bringen kann, es sei denn er bleibe am Weinstock, ebenso könnt ihr auch nicht, es sei denn ihr bleibt an mir’ (Berliner Evangelistar I,69,2-4).

• Den jüngeren Konstruktionstyp mit der Partikel denn repräsentiert bereits ein Satz wie Vnd er sprach / Las mich gehen / denn die morgenröte bricht an / Aber er antwortet / Jch las dich nicht / du segenest mich denn (Luther Biblia deutsch 1545 Gen. 32,26).

• Mittelhochdeutsch • Der zuletzt zitierte Luther-Satz (es geht um den Kampf Jacobs mit Engel,

Gen. 32,26) lautet in einer frühmittelhochdeutschen Nachdichtung der Genesis Der engel sprach „la mich.“ iacob chot „des ne beginne ich, du ne wellest mich segenen“ (Fundgruben II,48,1f.). – Eine frühneuhochdeutsche Version mit Subjunktion newer ist bei den Belegen unter C4d (Folie 170) zitiert.

• Althochdeutsch

• Althochdeutsch: Nisal nieman then diubal uorhtan uuanda her nemach manne scada sin, iz nihengi imo use druhttin ‘niemand muss den Teufel fürchten, denn er kann dem Menschen nicht schaden, außer unser Herr gestatte es ihm’ (Reimspruch, SKD 600).

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Konzessivsätze

Frühneuhochdeutsch

• liessen sich gar vil Juden und Jüdin und ire Künder in seiner Gnaden Landen tauffen und ward doch kainer darzue genött ‘ließen sich auch sehr viele Juden und Jüdinnen und ihre Kinder in den Landen Seiner Ganden taufen, so wurde doch keiner von ihnen genötigt’ (Landsh.Ratschron. 301)

Mittelhochdeutsch

• enmueg wir daz gantze brot niht erwerven, so ezzen doch die brosem die von der herren tisch vallent ‘können wir auch nicht das ganze Brot bekommen, so essen wir doch die Brosamen, die vom Tisch der Herren fallen’ (Oberalt. Pred. 63,13-15).

Althochdeutsch

• Preiten sih ouh ferro diu irdisken riche . noh tanne sint io manige diete. dero ein chuning souueler geuualtigosto ist nieth neuualtet ‘erstrecken sich auch weithin die irdischen Reiche, so müssen dennoch viele Völker übrig bleiben,, über welche ein König, auch der der mächtigste ist, keine Gewalt hat’ (Notker Boethius I,154,8-10).

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Pronominal eingeleitete Attributsätze Frühneuhochdeutsch

• Mit Prädikat im Konjunktiv: dein tranck soll sein alter wein, der lautter sey, vnd kein newen wein,

der do trüb sej ‘dein Trank soll alter Wein sein, der rein ist und kein neuer Wein, der trüb ist’

(Eberhard Kochb. 110).

• Erweitert: Von einem einfeltigen bawren, der da beicht und kund nit betten (Rollwagenb. 63). –

Anschluss mit welch-: In einer statt mit nammen Freyburg saß ein reicher radtsherr, welcher mit seiner

frawen noch nie in fünfftzehen jar kein kind gehebt hat ‘in einer Stadt mit Namen Freiburg wohnte

ein reicher Ratsherr, welcher mit seiner Frau nach 15 Jahren noch kein Kind bekommen

hatte’ (ebd. 18).

Mittelhochdeutsch

• ein alder man da vor saz / mit einem grawen barte / der der pforten warte ‘ein alter Mann saß davor

mit einem grauen Bart, der die Pforte bewachte’ (St. Brandan 528-530).

• Erweitert: der freunt der da chomen ist, daz ist unser mt, der vil dikch von uns vert, so er gedencht und

wirvet nach wertlichen dingen ‘der Freund, der da gekommen ist, meint unser Denken, das oft

von uns wegstrebt, wenn er nach weltlichen Dingen trachtet’ (Oberalt.Pred. 103,4-6).

Althochdeutsch

• Einan kuning uueiz ih, Heizsit her Hluduig, / Ther gerno gode thionot ‘einen König weiß ich – er

heißt Ludwig – der gerne Gott dient’ (Ludwigsl. 1f., SKD 85).

• Erweitert: die uinf uuerlti, die dir uore Christis kiburte uuaren ‘die fünft Weltalter, die vor Christi

Geburt waren’ (Predigtslg. B2, 25f., SKD 169).

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Adverbial eingeleitete Attributsätze

Frühneuhochdeutsch • Darnach khamen wier an das Ortt, wo die Schuelen gewesen ist, darein die Jungfrauu

Maria unnd Muetter Gottes ganngen ist ‘danach kamen wir an den Ort, wo die Schule gestanden hat, in die die Jungfrau Maria und Mutter Gottes gegangen ist’ (Pilger 1494: 190).

• In solher kümmerlicher zeit, da sich vil fürsten in Saxen und Swaben saczten wider den kaiser, do seczt sich auch wider in herzog Gbelfo von Bairen ‘in solch schwerer Zeit, als sich viele Fürsten in Sachsen und Schwaben dem Kaiser widersetzten, da widersetzte sich ihm auch Herzog Welf von Bayern’ (Arnpeck Chron. 493).

Mittelhochdeutsch: • sô möhte diu werlt diu buoch in ir niht behalten, dâ ez an gestüende daz ich gesach ‘dann

könnte die Welt die Bücher nicht fassen, in denen das stünde, was ich gesehen habe’ (Berthold 390,24f.).

Althochdeutsch • sibinzic unta ziuueni iungerun, der er îe ziuueni unte ziuueni fure sante … in îegliche

burch unte stat, dare er selbi chomen uuolti (Predigtslg. B1,2-3, SKD 168).

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Mit Partikel eingeleitete Attributsätze

Frühneuhochdeutsch

• wann er hett ir und irem sun gelobt ze geben alle güter, so sein bruder kaiser Hainrich hinder sein verlassen het ‘denn er hatte gelobt, ihr und ihrem Sohn alle Güter zu geben, die sein Bruder, Kaiser Heinrich, hinterlassen hat’ (Arnpeck Chron. 490).

Mittelhochdeutsch

• Die des nievven chünnen. die bitten mit dien vvorten so si chunnin ‘die das [Vaterunser] nicht können, die sollen mit den Worten bitten, die sie können’ (Wackernagel Pred. u. Geb. 34,10f.).

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Subjunktional eingeleitete Attributsätze

Frühneuhochdeutsch • Es haben sich die alten vor langer zeit eines gemeinen sprüchworts gebraucht, daß under

allen lasteren undanckbarkeit das gröst ist (Rollwagenb. 7).

• Vnnd war derselbig ein feinner hubscher gesell, als man vnnder tausenndt kham so ein geradenn menschenn findenn soltt ‘und der war ein feiner, hübscher Geselle, wie man unter Tausend kaum einen so ehrlichen Menschen finden kann’ (Götz Fehd 76,39-41).

Mittelhochdeutsch • durch so getan genade … daz er sich selben sinem vater opherte für der menschen schulde,

so chom er in dise werlt ‘durch solche Gnade, dass er sich selbst seinem Vater opferte für die Schuld der Menschen, kam er in die Welt’ (Oberalt.Pred. 4,25-28).

• daz waz diu zit do er in dem grab lach und si sein nicht sahen ‘das war die Zeit, da er im Grabe lag und sie ihn nicht sahen’ (ebd. 94,37f.).

Althochdeutsch • after thero ziti thaz her suohta fon then magin, thô uuard gifullit ‘nachdem die Zeit,

die er von den Magiern erfahren hatte, vorüber war’ (Tatian 97,12f.).

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Asyndetische Relativsätze

Frühneuhochdeutsch: • Verbzweitstellung: Was solten sie thun, dann das sie befelch gaben, man solt in wider

aus dem thurn nehmen ‘was sollten sie tun, außer dass man ihnen den Befehl gab, man sollte ihn wieder aus dem Turm holen’ (Rollwagenb. 163).

• Verbendstellung: Denn sit der Zeit ihr fur vns gesorget habt, wolt vns das feur verzeret haben in vnser Herberge ‘denn ab dem Moment, in dem Ihr Euch um uns Sorgen gemacht habt, wollte uns das Feuer in unserer Herberge verzehren’ (Luther Briefe 11,291,6f.).

Mittelhochdeutsch

• Verbzweitstellung: sô was al zehant sîn wân, / er waere dar inne / durch die küniginne ‘so war sogleich seine Vermutung, er wäre drinnen wegen der Königin’ (Gottfried Tristan 13580-2).

Althochdeutsch

• Verbendstellung: Ich gebiude dir, wurm, du in demo fleiske ligest...daz du des fleiskes niwet mer ezzest ‘ich gebiete dir, wurm, der du in diesem Fleisch liegst, dass du von dem Fleisch nichts mehr wegfrisst’ (Contra vermem edentem 1-5, SKD 373f.).

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Weiterführende Relativsätze

Frühneuhochdeutsch

• er ward in Frankreich geboren und in ainer krezen gen Bairen getragen, davon er pucklat bas ‘er wurde in Frankreich geboren und in einem Korb nach Bayern getragen, wovon er bucklig war’ = ‘wovon er bucklig geworden war’ = ‘davon war er bucklig geworden’ (Arnpeck Chron. 605).

Mittelhochdeutsch

• etswenne ich ouch den prîs erstreit, daz man mîn drüber gerte, /des ich si dô gewerte ‘ebenso erkämpfte ich auch den Preis, dass mich darüber [zur Tafelrunde] lud, was ich ihnen gewährte’ = ‘das gewährte ich ihnen’ (Parzival 764,3f.).

Althochdeutsch

• suîe die zi iungisti chomen, so inphiegen si doh folliz lon, uuande in daz himelrih offen stuont, so si aller erist got uolgetin. So iz auh noh uns allen tuot, suenne uuir unsih durhnahtlichen bicherin ‘obwohl diese zuletzt kamen, empfingen sie dennoch vollen Lohn, weil ihnen das Himmelreich offenstand, als ob sie von Anfang an Gott gefolgt wären, wie es auch bei uns allen der Fall ist, wenn wir uns vollständig bekehren’ (Predigtslg. B2 41-42, SKD 170).

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Parallelsätze (Proportionalsätze)

Frühneuhochdeutsch

• ie mehr man die hren schlecht, ie lieber sie einen haben ‘je mehr man die Huren

schlägt, umso lieber haben sie einen’ (Schade Satiren II,268,2f.).

Mittelhochdeutsch

• So du den visch ie vester drukest zwischen den henden, so er ie leihticleicher durch die

hant slingt ‘je fester du den Fisch zwischen den Händen drückst, umso

leichter fluscht er durch die Hand’ (Konrad v.M. BdN 271,12f.).

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Verbletztstellung im Germanischen?

• Die Stelle aus dem Matthäus-Evangelium (12,5) Aut non legistis in lege, quia in sabbatis sacerdotes in templo sabbatum violant et sine crimine sunt ‘oder habt ihr nicht im Gesetz gelesen, dass das am Sabbat die Priester im Tempel den Sabbat verletzen und ohne Sünde sind’

wird im Althochdeutschen zweimal unabhängig voneinander übersetzt:

• 1. Odho ni larut ęr in ęuu daz dem uuehha tagum dea ęuuarta in demo temple bismizant resti tac enti sint doh anu lastar (Mondseer Matthäus 5).

• 2. eno nilasut ír in thero euu bithiu in sambaztag heithafte mán in templo sambaztag niuirint inti uzan lastar sint (Tatian 225,31-226,2).

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Eine kanzleisprachliche Nebensatzklammer

so aber eyn person, eyner gnugsamen vnzweifenlichen überwunden vnnd erfunden missethat

halben, nach laut diser vnser vnd des heyligen Reichs ordnung von der oberkeyt vnd ampts wegen

entlich an jrem leib oder glidern gestrafft werden sollte … (Carolina 27,6-10).

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Nebensatzkorrelate • Subjektsatzkorrelat (Paul 2007: 463, Ebert u.a. 1993: 452): Die ive flvochent, den solt ir niht

flvochen ‘die euch fluchen, denen sollt ihr nicht fluchen’ (Spitalregel Eichstätt 40).

• Objektsatzkorrelat : Die da dienent vnd lesent ze dem tische, die svlen for oder nach ezzen in dem referten (ebd. 1).

• Temporalsatzkorrelat : Bald er aber merckt, daß im niemants zů hilff hat mögen kommen … do hat er angefangen jämmerlichen schreyen (Rollwagenb. 18).

• Kausalsatzkorrelat: seit er nit anders wolt, so wolt wir geen ‘weil er es nicht anders wollte, wollten wir gehen’ (Katzmair 467).

• Konditionalsatzkorrelat : Aber sawerr öpffel die kelten vnd derrent, ob du der naturlichenn hicz zu vil hast vnd ob du newrr dar an schmeckst, so stercken sie das hercz vnd das hirnn ‘aber saure Äpfel mach kalt und trocken, wenn du zu viel von der natürlichen Hitze hast; und wenn du nur daran riechst, dann stärken sie das Herz und das Hirn’ (Eberhard Kochb. 98).

• Uneingeleiteter Konditionalsatz: Ist siu denne uuarhaft magit, so sprinet ez in iro parm unde spilit mit iro (Physiologus 39-41, SKD 126).

• Konsekutivsatzkorrelat: wan jene die wâren verdâht / an ir spil sô sêre, / daz sî dô nihtes mêre / niwan ir spîles gedâhten ‘denn jene waren so sehr in ihr Spiel vertieft, dass sie an nichts mehr dachten als an ihr Spiel’ (Gottfried Tristan 2314-7).

• Lokalsatzkorrelat: wo di ächter begriffen wurden, da ermort und erschlug man sy und liess kainen lebntig davon komen ‘wo die Geächteten gefasst wurden, da ermordete und erschlug man sie und ließ keinen lebendig davon kommen’ (Arnpeck Chron. 637).

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Mehrteilige Nebensatzkorrelate

• Vnd sie waren beide / Abraham vnd Sara alt vnd wol betaget / Also das es Sara nicht

mehr gieng / nach der Weiber weise (Luther Biblia deutsch 1545 Gen. 18,11).

• du sichst iez daß alle lant vol propheten sind, ja all stet und dörfer, trutz daß iemand

anders sprech ‘du siehst jetzt, dass alle Länder voller Propheten sind, ja sogar

Städte und Dörfer, auch wenn jemand etwas anderes sagt’ (Schade Satiren III,

10,12).

• Tú idrís bézechenet únsirin tróhtin, dér an sih nam den menischen líhhamin, zé diu, dáz

ér unsirin tót féruuórfe ‘Die Hydris symbolisiert unseren Herrn, der den

menschlichen Leib an sich nahm, dass er unseren Tod besiege’ (Physiologus

52-54, SKD 127).

• Er … hiez siu haben die miteuuari des lampis, so daz si íre crimme nieth niûobten in diê

ire untertanen ‘er befahl ihnen, die Sanftmut des Lammes zu haben, damit sie

ihren Grimm nicht an ihren Untertanen ausließen’ (Predigtslg. B1,30-32, SKD

168f.)

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„Wiederaufnahme“

• Frühneuhochdeutsch: vnd der schmack, der von in get, der sterckt das hercz ‘und der

Geschmack, den sie geben, der stärkt das Herz’ (Eberhard Kochb. 98).

• Mittelhochdeutsch: unser herre, der almaechtig got, der hat uns diu pilde gegeben ‘unser

Herr, der allmächtige Gott, der hat uns die Beispiele gegeben’ (Oberalt. Pred.

89,3f.).

• Althochdeutsch: der heiligo christ unta sancte Marti de fruma mir sa hiuto alla hera

heim gasunta ‘der heilige Christus und Sankt Martin, die mögen sie mir heute

alle gesund nachhause bringen’ (Wiener Hundesegen 6f., SKD 394).

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(Neben-)satzwertige Infinitive = Infinitivsätze

Subjektinfinitiv: Es macht dem Künstler Spaß, sein Publikum zu provozieren. Objektinfinitiv: Der Künstler versteht es, sein Publikum zu provozieren

Adverbialer (finaler) Infinitiv: Der Künstler unternimmt alles, um sein Publikum zu provozieren

Attributiver Infinitiv: die Kunst, das Publikum zu provozieren.

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Subjektinfinitiv

• Frühneuhochdeutsch: Dise unfletige weiß treib er so lang, biß es den andren pfaffen

anfieng verdriessen ‘diese unflätige Weise trieb er so lange, bis es den anderen

Pfaffen anfing zu verdrießen’ (Rollwagenb. 17).

• Mittelhochdeutsch: ich unsaeliger man, daz sî min ouge ie gesach, dô uns ze scheidenne

geschach ‘ich unseliger Mann, dass sie jemals mein Auge sah, als wir uns

trennen mussten’, wörtlich: ‘als uns zu scheiden geschah’ (Iwein 328-330).

• Althochdeutsch: nist guot zi nemenna thero ckindo brot. inti zi uuerfenna hunton ‘nicht

ist es gut das Brot der Kinder wegzunehmen und den Hunden hinzuwerfen’

(Tatian 273,23-25).

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Objektinfinitiv

• Frühneuhochdeutsch: Und als Ihr mir aufschriebt, etlich Stein zu kaufen, hab ich

gedacht, ich wöll Euch die Ring schicken ‘und als Ihr mir aufgetragen habt, einige

Edelsteine zu kaufen, dachte ich, ich werde Euch die Ringe schicken’ (Dürer

Briefe 24,4).

• Mittelhochdeutsch: Unde sâ zehant sô diu katze die kroten alsô gelecket, sô beginnet sie

al zehant dorren unde gêt ir daz hâr ûz ‘und sogleich wenn die Katze die Kröte

abgeleckt hat, beginnt sich auszutrocknen, und ihr gehen die Haare aus’

(Berthold I,405,19f.).

• Althochdeutsch: Bat er sih ketrencan daz uuip thaz ther thara quam ‘er bat, ihm zu

trinken zu geben, die Frau, die dort kam’ (Christus u. die Samariterin 5, SKD

89).

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Adverbialer (finaler) Infinitiv

• Frühneuhochdeutsch: Vnnd wollt mir je marggraff Jorg … ein sammeten schaubenn

… geben, mich damit zu bedeckhenn vnnd darein zulegenn ‘und Markgraf Jörg wollte

mir einen Umgang geben, um mich damit zuzudecken und mich

hineinzulegen’ (Götz Fehd 58,23-25).

• Mittelhochdeutsch: Ich gloub, daz er danne chunftich ist ze tailen einem îeglichen

menschin nâh sînen werchen ‘ich glaube, dass er dann kommt, um einen jeden

Menschen gemäß seinen Werken zu richten’ (St.Pauler Pred. 1,21-23).

• Althochdeutsch: thiu gigebanu sint in zi haltan ‘die ihnen gegeben sind, um sie zu

halten’ (Tatian 269,18).

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um + zu = um zu

Phase 1:

• (1) so les man daz unchraut und bint daz ze brennen ‘so sammle man das Unkraut und binde es zusammen, um es zu verbrennen’ (Oberalt.Pred. 45,14).

• (2) oder gîst ez umbe kleider ‘oder gibst es für Kleider’ (Berthold I,25,14)

Phase 2:

• Der finale Infinitiv mit ze und die Präpositionalphrase mit um(be) werden in Sätzen kombiniert, in denen die um(be)-Phrase sowohl als Akkusativobjekt zum ze-Infinitiv als auch als finale Angabe zum Restsatz fungiert. Beispiel:

• (3) Ein barfüssermünch gienge auff der termeney, umb käß unnd eyer zů samlen ‘ein Barfüßermönch ging in den Bettelbezirk, um Käse und Eier zu sammeln’ (Rollwagenb. 39).

Phase 3:

• und enplösten in oben, umb sein prust zu salben ‘und entblößten ihn oben, um seine Brust zu salben’ (Arnpeck Chron. 550).

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Attributiver Infinitiv Frühneuhochdeutsch

• Substantivischer Bezug: Jch habe es macht zulassen, vnd habe es macht wider zu nehmen ‘ich habe die Macht, es zu gewähren, und ich habe die Macht, es wieder zu nehmen’ (Luther Biblia deutsch 1545, Joh. 10,18).

• Adjektivischer Bezug: wann wir all kristenmenschen … zu retten und zu beschirmen … schuldig sein ‘weil wir alle Christenmenschen zu retten und zu beschützen verpflichtet sind’ (Arnpeck Chron. 663).

Mittelhochdeutsch

• Substantivischer Bezug: Daz zukker rosat hat ein chraft ze chreftigen vnd ze senftigen wider den roten fluz vnd wider das wüllen, daz von colera chumpt ‘das Zuckerrosat hat die Kraft zu kräftigen und zu mildern gegen den Blutfluss und das Erbrechen, das von der Cholera kommt’ (Konrad v.M. BdN 375,24f.).

• Adjektivischer Bezug: sô soltû gedenken, daz dû gote des andern pfundes schuldic bist wider ze reiten ‘so sollst du daran denken, dass du verpflichtet bist, Gott über das andere Pfund Rechenschaft zu geben’ (Berthold I,13,35f.).

Althochdeutsch

• Substantivischer Bezug: ih gab íu giuualt zitretanne ubar natrun inti scorpiones ‘ich gab euch die Macht, über Nattern und Skorpione zu treten’ (ebd. 221,19f.).

• Adjektivischer Bezug: thes ni bin uuirdig giscuohu zitraganne ‘dessen Schuhe zu tragen ich nicht würdig bin’.

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Flektierter (attributiver) Infinitiv

Mittelhochdeutsch

• nû heter rîtennes zît ‘nun hatte er Zeit zu reiten’ (Iwein 5548).

Althochdeutsch

• moyses gibot zigebanne buoh artribannes, wörtlich: ‘Moses gebot zu geben eine

Urkunde des Scheidens’, d.h. ‘einen Scheidungsbrief auszustellen’ (Tatian

336,30-337,1).

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Negationsarten

Gegenwartssprache:

Adverbiale Negation (mit nicht, nie, nirgends, niemals, keineswegs u.a.) Nominale Negation (mit keiner, niemand, nichts) Attributive Negation (mit kein, keinerlei)

Konjunktionale Negation (mit weder … noch).

Der älteste (längst untergegangene) Negationstyp ist die Partikelnegation mit ahd. ni.

Daraus entwickelte sich die (alt- und Mittelhochdeutsche) klitische Negation (im Frühneuhochdeutschen verschwunden)

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Negationen im Wessobrunner Gedicht und Gebet

dat gafregin ih mit firahim firiuuizzo meista, Dat ero ni uuas noh ufhimil, noh paum <...> noh pereg ni uuas, ni <...> nohheinig noh sunna ni scein, noh mano ni liuhta, noh der maręo seo. Do dar niuuiht ni uuas enteo ni uuenteo, enti do uuas der eino almahtico cot, manno miltisto, enti dar uuarun auh manake mit inan cootlihhe geista. enti cot heilac Das erfuhr ist unter den Menschen als größtes der Wunder Dass die Erde nicht war noch der Himmel oben weder Baum noch Berg war noch irgendein <>. Auch die Sonne schien nicht noch leuchtete der Mond noch das schimmernde Meer. Als da kein Ende und keine Wende war da war dennoch der eine allmächtige Gott der Menschen Mildester. Und da waren mit ihm auch viele herrliche Geister. Und der heilige Gott <>.

Allmächtiger Gott, du hast den Himmel und die Erde geschaffen, und du hast den Menschen so viel Gutes gegeben. Gib mir in deiner Gnade rechten Glauben und guten Willen, Weisheit und Klugheit und die Kraft, den Teufeln zu widerstehen und das Böse zu vermeiden und deinen Willen zu erfüllen.

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Otfrids Kritik der doppelten Verneinung

Duo etiam negativi, dum in latinitate rationis dicta confirmant, in hujus linguae usu pene

assiduae negant; et quamvis hos interdum praecavere valerem, ob usum tamen cotidianum, ut

morum se locutio praebuit, dictare curavi

‘Auch eine doppelte Negation, die im Lateinischen die Aussage bekräftigt,

bedeutet in unserem Sprachgebrauch praktisch immer eine Verneinung, und

wenn ich dies bisweilen auch hätte vermeiden können, habe ich doch mit

Rücksicht auf die Umgangssprache mich bemüht, dem gewöhnlichen

Sprachgebrauch entsprechend zu schreiben’ (aus Vollmann-Profe 1987: 23).

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Der älteste Typ: Partikelnegation

• ni waniu ich iu lib habbe ‘nicht habe ich Hoffnung, dass er noch am Leben sei’

(Hildebrandsl. 29, SKD 4).

Weitere Beispiele für diese Art der Negation:

• enti ni unsih firleiti in khorunka ‘und führe uns nicht in Versuchung’ (St. Galler

Paternoster 5, SKD 27).

• feorzuc nahto uuarte he e tages getanes, daz he ni protes ni lides ni neouuihtes, des e

tages gitan si, ni des uuazeres nenpize ‘vierzig Nächte hüte er sich vor früher am

Tag Zubereitetem, dass er nicht von Brot noch von Wein noch von sonst

etwas, das früher Tag zubereitet wurde, noch von Wasser zu sich nehme’

(Baseler Rezepte 12-14, SKD 39).

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Klitische und kombinatorische Negation

• Nur proklitische Negation: Mit herzen unde mit munde pringet fure die keuuarheit,

neirkebet ubel mit ubile ‘mit Herz und Mund sprecht die Wahrheit, vergeltet

nicht Übel mit Übel’ (Predigtslg. A3 24, SKD 162).

• Kombinatorische Negation (proklitisch + ‘nicht’): Daz pimurmilotin die eristen,

die allen den tac arbeiten, daz er in nieth zi erist nigab unte in auh nieth mera nigab.

‘darüber schimpften die ersten, die den ganzen Tag gearbeitet hatten, dass er

ihnen [den Lohn] nicht zuerst gab und ihnen auch nicht mehr gab’

(Predigtslg. B 2, SKD 170,67-69).

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Kombinatorische Negation und Negation mit ‚nicht‘

• Kombinatorische Negation: daz aber er ie ze schaden kam, / daz enkam von

archeite niht ‘dass er jemals zu Schaden kam, das kam nicht aus Bosheit’

(Gottfried Tristan 290f.).

• Sô man mâlet die engele, dâ seht ir wol …, daz man die eht anders niht enmâlet wan als

ein kint von fünf jâren, als junclich ‘wenn man die Engel malt, da seht ihr wohl,

dass man die nicht anders malt als ein Kind von fünf Jahren, genau so jung’

(Berthold I,389,13-16).

• Negation mit alleinstehendem ‘nicht’: Wande man ez allez in einer predigen niht

verenden mac noch in vieren noch in zehenen, sô wil ich iu hiute niwan sagen von den die ein

rein herze habent ‘weil man es aber in einer [einzigen] Predigt nicht zu Ende

führen kann, auch nicht in vier oder zehn, will ich heute nur von denen reden,

die ein reines Herz haben’ (ebd. 388,10-12).

• Früheste Belege um 1000: Manige neuuizzen dero dingo nieht ‘manche wissen

nicht um diese Dinge’ (Notker Psalmen 4,6).

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Der althochdeutsche Schadens-Wicht

Ad signandum domum contra diabolum. Uuola uuiht, taz tu uueist, taz tu uuiht heizist.

Taz tu neuueist noch nechanst cheden chnospinci ‘zum Segnen des Hauses gegen einen

Teufel: Wohl Wicht, dass du weißt, dass du Wicht heißt. Dass du nicht vermagst

noch kannst [das Wort] chnospinci aussprechen’ (SKD 389).

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allein stehendes nicht

Manige neuuizzen dero dingo nieht ‘manche wissen nicht um diese Dinge’ (Notker Psalmen 4,6).

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Adverbiale Negation

Frühneuhochdeutsch

• Und Euer Hund werdens gut haben, daß Ihrs nimmer lahm schlagt ‘und Eure Hunde werden es gut haben, wenn Ihr sie nicht mehr lahm prügelt’ (Dürer Briefe 39,20-22).

Mittelhochdeutsch

• wir ensuelen durch dehaine unser suende, swie groz si sein, nimmer got missetrauen ‘wir sollen wegen keiner unserer Sünden, wie groß sie auch immer sind, Gott misstrauen’ (Oberalt. Pred. 6,5f.).

• Mittelhochdeutsch: dû solt dîn ougen niemer mêr von im kêren ‘du sollst deine Augen niemals von ihm abwenden’ (Berthold I,389,1).

Althochdeutsch

• Thaz man thes io koroti: thie sehs ziti worolti /(in guates nio ni wangta) mit wisduamu drankta ‘damit man es erkenne: die sechs Weltalter (an Gutem hat es ihnen nie gefehlt) durchtränkte er mit Weisheit’ (Otfrid II,10,5f.).

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Attributive Negation

Mittelhochdeutsch • Einfache Negation: Artûs, bî dem ein site lac: / nehein rîter vor im az ‘Artus, bei

dem es Gewohnheit war, dass kein Ritter vor ihm zu essen begann’ (309,6f.) • Doppelte Negation: nehein man gekrœnet wart / nie, ichn het im vollen art / mit

kampfe rede ze bieten ‘kein Mann wurde je gekrönt, dem ich nicht uneingeschränkt im Kampf zur Rechenschaft ziehen könnte’ (Parzival 324,15-17).

Althochdeutsch • Doppelte Negation: Ni fullit er sih wines, ouh lides niheines ‘nicht füllt er sich

mit Wein, auch mit keinem Rauschgetränk’ (Otfrid I,4,35). – Negierendes niheines steht hier nach dem Bezugswort lides und steht in einer Funktionseinheit mit ni. – thaz ir forstantet thaz ih in imo nifand niheininga sahha fon then ‘damit ihr versteht, dass ich an ihm keine Schuld fand’ (Tatian 627,14f.).

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Von dehein ‚irgendein‘ zu kein

• Phase I: dehein als positives Indefinitum

• Phase II: dehein als Positive Indefinitum, jedoch immer häufiger in

kombinatorischem Zusammenwirken mit einem anderen negierenden

Element

• Phase III: dehein > kein als attributive Negation.

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Von dehein ‚irgendein‘ zu kein: Belege

Frühneuhochdeutsch

• Phase I: swanne er danne cmet zv wer keines herzin. so tvt alse die heilige sele tet die da sprach in canticis ‘wann immer er dann kommt, zum Herzen irgendeines von euch, dann handelt so wie die heilige Seele, die in den Cantica sprach’ (Leyser Pred. 96,36f.).

• Phase II: jch ward kain pösen dingen nie hold ‘ich hatte nie einen Hang zu bösen Dingen’ (Katzmair 482).

• Phase III: du solt kein marck, es sej in vogelnn oder andernn tieren, essenn, wann es macht den swindel in dem haubt ‘du sollst kein Knochenmark, sei es von Vögeln oder anderen Tieren essen, denn es macht Schwindel im Kopf’ (Eberhard Kochb. 107).

Mittelhochdeutsch

• Phase I: daz ist dîn site, … / daz du den iemer hazzen muost / deme dehein êre geschiht ‘das ist dein Charakterzug, dass du den stets hassen musst, dem irgendeine Ehre widerfährt’ (Iwein 137-141).

• Phase II: ine kan decheinen buochstap ‘ich beherrsche keinen Buchstaben’, d.h. ‘ich kann nicht lesen und schreiben’ (Parzival 115,27).

• Phase III: dâ von sô heizet der ketzer ein ketzer, daz er deheinem kunder sô wol glîchet mit sîner wîse sam der katzen ‘darum heißt der Ketzer ein Ketzer, weil er in seinem Verhalten keinem Lebewesen so sehr gleicht wie der Katze’ (ebd. 403,6f.).

Althochdeutsch

• Phase I: Saligiu uuituuua … Umbe uuaz scolt du nu decheinen man uueinon? ‘Selige Witwe, warum solltest du nun einem Ehemann nachweinen?’ (Predigtslg. A1 7f., SKD 156).

• Phase II: ni mag thiu worolt ... haben in iu theheinan haz ‘die Welt kann gegen euch keinen Hass haben’ (Otfrid III,15,29).

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Mehrfachnegation: dialektal und historisch

• Bairisch: Halz Mäu und sag es keinen Menschen nichd ‘halt’s Maul und sag es

keinem Menschen [nicht]’ (Thoma Filserbriefe 26).

• Frühneuhochdeutsch: Es bdarf sich Keiner keins getreuen Diensts zu ihr Keinem

versehen ‘es darf sich keiner irgendeinen zuverlässigen Dienst von irgendeinem

von ihnen erhoffen’ (Dürer Briefe 19,12f.).

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Nominale Negation

Frühneuhochdeutsch • Ich sach hin und her; ich sach kain jrer freund da ‘ich sah mich nach überall um; ich

sah keinen ihrer Verwandten da’ (Katzmair 488).

• Da antbort der rat und sprach, sy wären niembant kainer raitung mer schuldig ‘da antwortete der Rat und sprach, sie wären niemandem irgendeine [keine!] Rechenschaft schuldig’ (ebd. 465).

Mittelhochdeutsch • ich erkenne ir nehein. / man und wîp mir sint al ein ‘ich kann keinen von ihnen

unterscheiden; Männer und Frauen sehen all gleich aus’ (Parzival 116,25). –nieman weiz, wie lange ez wert ‘niemand weiß, wie lange es währt’ (Renner 871).

Althochdeutsch • uuande da niheinir ist hereri noh smahere demo anderemo ‘weil dort keiner

vornehmer oder geringer ist als der andere’ (Predigtslg. B 2,74f., SKD 171). – denne hevit sih mit imo herio meista, / daz ist allaz so pald, daz imo nioman kipagan ni mak (Muspilli 75f.).

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Pronominales (positives) weder

• Mittelhochdeutsch: im tete der zwîvel wê, wederm er helfen solde ‘ihm tat der

Zweifel weh, welchem [von beiden] er helfen sollte’ (Iwein 146).

• Althochdeutsch: sorgen mac diu sela, unzi diu suona arget, / za uuederemo herie si

gihalot uuerde ‘fürchten muss sich die Seele, bis das Urteil ergeht, zu welchem

[der beiden] Heere sie beordert wird’ (Muspilli 6f., SKD 66).

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weder … oder …

Frühneuhochdeutsch

• Weder han ich an dich mein väterlich erb pegert oder han ich dein gepot ye überuaren?

‘habe ich von dir mein väterliches Erbe verlangt oder habe ich dein Gebot

übergangen?’ (Regel der ê 282).

Mittelhochdeutsch

• wan er enwiste, weder ir muot wider in wre übel oder guot ‘denn er wusste nicht,

ob ihre Gefühle ihm gegenüber übel oder gut wären’ (Gottfried Tristan 877f.).

Althochdeutsch

• uuedar ist odira ziquedanne sint thir furlazano sunta odo ziquedanne arstant inti gang

‘was [von beidem] ist leichter zu sagen, deine Sünden sind dir vergeben, oder

steh auf und geh?’ (Tatian 193,23-25).

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weder … noch ..

Frühneuhochdeutsch

• ich můß allein singen; dann mir kan hierinn weder baß noch discant helffen ‘ich muss

alleine singen, denn mir kann bei der Sache weder Bass noch Diskant helfen’

(Rollwagenb. 99).

Mittelhochdeutsch

• Fledermûs ist weder mûs / Noch vogel und ist doch beiden gelîch: / Sam sint die meide

zwîfellîch ‘Fledermäuse sind weder Maus noch Vogel und sind sich doch

ähnlich. Ebenso sind die Mädchen dubios’ (Renner 11982f.).

Althochdeutsch

• Tér nezímberoe neuuéder. nóh án dero hóhi des pérges. nóh án demo grîeze des stádes

‘der errichte kein Gebäude, weder auf der Höhe des Berges noch auf dem

Sand des Meeresstrandes’ (Notker Boethius I,87,9f.).