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originalarbeit Nutzung der Geothermie mittels Erdwärmeabsorber und Grundwasserbrunnen D. Adam, R. Markiewicz Zusammenfassung: Die Entwicklung leis- tungsfähiger Wärmepumpen ermöglicht seit einigen Jahrzehnten die Anhebung der im Untergrund gespeicherten Energie auf Temperaturniveaus, die eine aktive Beheizung von Gebäuden erlauben. Seit Anfang der 90er Jahre wurden Technolo- gien entwickelt, die es erlauben, Absor- bersysteme in Fundamente von Gebäu- den und in Infrastrukturbauwerke zu integrieren und größere Energiepotentiale wirtschaftlicher zu erschließen. Mit der Entwicklung von neuen Bauweisen ist ein Anstieg des Kühlbedarfes in Gebäuden verbunden, für die sich diese neuen Ab- sorbertechnologien ebenso sehr gut eig- nen. Neben diesen geschlossenen Syste- men zur Nutzung der Geothermie kommen verstärkt offene Systeme zur di- rekten Nutzung des Grundwassers durch die Entnahme und die Wiederversicke- rung zur Anwendung. Technisch ausge- reifte Lösungen sowie hydraulische und thermische Simulationen bilden die Grundlage für die effiziente Planung von Anlagen zur thermischen Nutzung des Untergrundes. Utilising geothermal energy by means of geothermal absorbers and groundwater wells Summary: The development of efficient heat pumps has made it possible over the past decades to raise the energy stored in the ground to temperature lev- els which permit the active heating of buildings. Since the early nineties, novel technologies have helped to integrate absorber systems into building founda- tions and infrastructure buildings and to develop larger energy potentials at lower cost. These novel absorber technologies are also suited to meet the increasing cooling requirements of modern build- ings constructed by recently developed methods. Besides these closed geother- mal systems, open systems for the direct utilisation of the groundwater through extraction and re-infiltration are being increasingly used. Sophisticated solu- tions such as hydraulic and thermal sim- ulations form the basis for the efficient technical design of plant utilising the thermal energy of the ground. Einleitung und Prinzip der 1. Geothermienutzung In den meisten Klimazonen Europas ist die Temperatur des Untergrundes ab einer Tiefe von ca. 10–15 m aufgrund dessen thermodynamischer Trägheit nahezu kon- stant. Bis zu einer Tiefe von ca. 50 m be- trägt sie in der Regel 10–15 °C. Eine Um- wälzung der Wärme reicht für eine Heizung im Allgemeinen nicht aus, sodass Wärmepumpen zur Anhebung der Tem- peraturniveaus verwendet werden. Die Bodenwärme wird der Wärmepumpe durch den sog. Primärkreislauf zugeführt, der Sekundärkreislauf befindet sich im Bauwerk. Leistungsfähige Wärmepumpen weisen einen Wirkungsgrad von ca. 4 bis 5 auf, d. h. in diesem Fall ist nur ein Viertel bis ein Fünftel Fremdenergie erforderlich. Der Hauptanteil von rund 75 % bis 80 % der nutzbaren Gesamtenergie stammt aus der im Untergrund gespeicherten Wärme. Im Falle der Kühlung wird eine Kälte- maschine eingesetzt. Bei günstigen Rand- bedingungen besteht die Möglichkeit, ohne Kältemaschine das Auslangen zu finden. Die Kühlung erfolgt in diesem Fall lediglich durch Umwälzung der im Boden gespeicherten Kälte. Bei diesem sog. „Free Cooling“ wird der Fremdenergiebedarf auf den Betrieb einer Umwälzpumpe re- duziert. Umschaltbare Wärmepumpen er- möglichen sowohl eine Beheizung als auch eine Kühlung. Der Transport der Wärme im Unter- grund erfolgt über unterschiedliche Me- chanismen, wobei in gering durchlässigen Böden neben anderen Übertragungsme- chanismen die Wärmeleitung (Konduk- tion) vorherrscht, wohingegen in stark durchlässigen, Grundwasser führenden Bodenschichten die Wärmeströmung (Konvektion) entscheidend für die Wär- meübertragung ist. Für den Transport von Wärme- bzw. Kälteenergie ist ein Temperaturunter- schied zwischen dem zur Nutzung her- angezogenen Untergrund und dem Abb. 1: a: Absorberleitungen für eine Energiebodenplatte. b: Verlegung von Absorberleitungen im Bewehrungskorb eines Energiepfahls. c: Absorberleitungen am Bewehrungskorb einer Energie- schlitzwand. d: Einbringen von Absorberleitungen in einen Kleinbohrpfahl. Abb.: Autoren a c b d 5-6/2010 öwaw 77 © Springer-Verlag

Nutzung der Geothermie mittels Erdwärmeabsorber und ... · technical design of plant utilising the thermal energy of the ground. 1. Einleitung und Prinzip der Geothermienutzung In

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Nutzung der Geothermie mittels Erdwärmeabsorber und Grundwasserbrunnen

D. Adam, R. Markiewicz

Zusammenfassung: Die Entwicklung leis-tungsfähiger Wärmepumpen ermöglicht seit einigen Jahrzehnten die Anhebung der im Untergrund gespeicherten Energie auf Temperaturniveaus, die eine aktive Beheizung von Gebäuden erlauben. Seit Anfang der 90er Jahre wurden Technolo-gien entwickelt, die es erlauben, Absor-bersysteme in Fundamente von Gebäu-den und in Infrastrukturbauwerke zu integrieren und größere Energiepotentiale wirtschaftlicher zu erschließen. Mit der Entwicklung von neuen Bauweisen ist ein Anstieg des Kühlbedarfes in Gebäuden verbunden, für die sich diese neuen Ab-sorbertechnologien ebenso sehr gut eig-nen. Neben diesen geschlossenen Syste-men zur Nutzung der Geothermie kommen verstärkt offene Systeme zur di-rekten Nutzung des Grundwassers durch die Entnahme und die Wiederversicke-rung zur Anwendung. Technisch ausge-reifte Lösungen sowie hydraulische und thermische Simulationen bilden die Grundlage für die effiziente Planung von Anlagen zur thermischen Nutzung des Untergrundes.

Utilising geothermal energy by means of geothermal absorbers and groundwater wells

Summary: The development of efficient heat pumps has made it possible over the past decades to raise the energy stored in the ground to temperature lev-els which permit the active heating of buildings. Since the early nineties, novel technologies have helped to integrate absorber systems into building founda-tions and infrastructure buildings and to develop larger energy potentials at lower cost. These novel absorber technologies are also suited to meet the increasing cooling requirements of modern build-ings constructed by recently developed methods. Besides these closed geother-mal systems, open systems for the direct utilisation of the groundwater through extraction and re-infiltration are being increasingly used. Sophisticated solu-tions such as hydraulic and thermal sim-ulations form the basis for the efficient

technical design of plant utilising the thermal energy of the ground.

Einleitung�und�Prinzip�der�1. Geothermienutzung

In den meisten Klimazonen Europas ist die Temperatur des Untergrundes ab einer Tiefe von ca. 10–15 m aufgrund dessen thermodynamischer Trägheit nahezu kon-stant. Bis zu einer Tiefe von ca. 50 m be-trägt sie in der Regel 10–15 °C. Eine Um-wälzung der Wärme reicht für eine Heizung im Allgemeinen nicht aus, sodass Wärmepumpen zur Anhebung der Tem-peraturniveaus verwendet werden. Die Bodenwärme wird der Wärmepumpe durch den sog. Primärkreislauf zugeführt, der Sekundärkreislauf befindet sich im Bauwerk. Leistungsfähige Wärmepumpen weisen einen Wirkungsgrad von ca. 4 bis 5 auf, d. h. in diesem Fall ist nur ein Viertel bis ein Fünftel Fremdenergie erforderlich. Der Hauptanteil von rund 75 % bis 80 % der nutzbaren Gesamtenergie stammt aus

der im Untergrund gespeicherten Wärme.Im Falle der Kühlung wird eine Kälte-

maschine eingesetzt. Bei günstigen Rand-bedingungen besteht die Möglichkeit, ohne Kältemaschine das Auslangen zu finden. Die Kühlung erfolgt in diesem Fall lediglich durch Umwälzung der im Boden gespeicherten Kälte. Bei diesem sog. „Free Cooling“ wird der Fremdenergiebedarf auf den Betrieb einer Umwälzpumpe re-duziert. Umschaltbare Wärmepumpen er-möglichen sowohl eine Beheizung als auch eine Kühlung.

Der Transport der Wärme im Unter-grund erfolgt über unterschiedliche Me-chanismen, wobei in gering durchlässigen Böden neben anderen Übertragungsme-chanismen die Wärmeleitung (Konduk-tion) vorherrscht, wohingegen in stark durchlässigen, Grundwasser führenden Bodenschichten die Wärmeströmung (Konvektion) entscheidend für die Wär-meübertragung ist.

Für den Transport von Wärme- bzw. Kälteenergie ist ein Temperaturunter-schied zwischen dem zur Nutzung her-angezogenen Untergrund und dem

Abb. 1: a: Absorberleitungen für eine Energiebodenplatte. b: Verlegung von Absorberleitungen im Bewehrungskorb eines Energiepfahls. c: Absorberleitungen am Bewehrungskorb einer Energie-schlitzwand. d: Einbringen von Absorberleitungen in einen Kleinbohrpfahl.

Abb

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a

c

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originalarbeit

Transportmedium erforderlich. Grund-sätzlich wird zwischen zwei Systemen unterschieden:

Geschlossene Systeme (Absorberkreis-■■

lauf)Offene Systeme (direkte Grundwasse-■■

rentnahme)

Bei geschlossenen Systemen zirkuliert ein Wärmeträgermedium durch die Absorb-erleitungen, welches beim Durchströmen entweder erwärmt oder abgekühlt wird. Bei offenen Systemen wird das Grundwas-ser aus dem Aquifer entnommen und di-rekt genutzt, anschließend wird das er-wärmte oder abgekühlte Wasser wiederum dem Grundwasserträger zugeführt.

Für die Planung einer Geothermiean-lage sind folglich die Eigenschaften des Untergrundes zu bestimmen, Wärmeleit-fähigkeit und Wärmespeicherkapazität sind die maßgebenden thermischen Pa-rameter des Bodens, bestehend aus den drei Phasen Feststoff, Porenwasser und Porenluft. Weiters ist der Bedarf an Wärme- und Kälteenergie innerhalb ei-nes Jahreszyklus unter Berücksichtigung der jeweiligen Wärme- und Kälteleistung für die Auslegung und den Betrieb der Anlage entscheidend.

Prinzipiell kann zwischen zwei grund-sätzlich verschiedenen Möglichkeiten der geothermischen Energiebewirtschaftung unterschieden werden:

Einfache geothermische Energieent-■■

nahme bzw. -zufuhrSaisonaler Betrieb mit Wärme- und ■■

Kältespeicherung

Während beim einfachen geothermi-schen Betrieb, bei dem nur Energie aus dem Boden entnommen oder nur Ener-gie in den Boden eingetragen wird, der Energiefluss lediglich in eine Richtung erfolgt, wird beim saisonalen Betrieb die thermodynamische Trägheit des Bodens herangezogen, um Energie im Boden zu speichern, sodass diese zum benötigten Zeitpunkt wiederum entnommen wer-den kann. Bei einem saisonalen Speicher ist es daher möglich, eine ausgeglichene Energiebilanz im Zeitraum eines Jahres zu gewährleisten. Böden mit hoher Durchlässigkeit eignen sich besonders gut für den einfachen Betrieb zur Wärme- oder Kältenutzung, da durch die Grund-wasserströmung kontinuierlich die er-wärmten bzw. abgekühlten Partikel abtransportiert und durch neue ersetzt werden. Böden mit geringer Durchlässig-keit eignen sich hingegen besonders gut für die saisonale Speicherung, da kein

nennenswerter Massenstrom stattfindet und somit die betroffenen Partikel am selben Ort verbleiben.

Erdwärmeabsorber2.

Neben den klassischen „Erdwärmeson-den“ und „Erdwärmekollektoren“ ermög-

lichen auch erdberührte Bauwerksteile („Erdwärmeabsorber“) eine sehr wirt-schaftliche Nutzung der Geothermie. Dies betrifft vor allem Bauwerksteile aus Beton („Massivabsorber“). Hiefür kom-men primär Tieffundierungen („Energie-pfähle“, „Energieschlitzwände“), aber auch Flachfundierungen („Energiebo-

Abb. 2: Einbau des Energievlieses in einem Testabschnitt des bergmännisch aufgefahrenen Lainzer Tunnels.

Abb. 3: a: Thermische Nutzung von Ankern im bergmännischen Tunnelbau. b: Thermische Nutzung von Ankern zur Böschungsstabilisierung.

a

b

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denplatten“) infrage. Die Absorberleitun-gen werden unmittelbar in die Fundie-rungselemente verlegt, zusätzliche Einbauten im Erdreich sind nicht erfor-derlich. Neue Entwicklungen stellen ganze Infrastrukturbauwerke, wie „Ener-gietunnel“, dar bzw. Bauteile, die insbe-

sondere für den Bau von unterirdischen Bauwerken, wie „Energieanker“, „Ener-gievlies“, „Energietübbung“ und „Ener-giebrunnen“ eingesetzt werden. Energie kann mittlerweile auch aus Abwasser durch die Verwendung von speziellen Absorberelementen genutzt werden.

Erdwärmesonden, Erdwärme-2.1. kollektoren

Bei den Erdwärmesonden und Erdwärme-kollektoren handelt es sich um gängige An-wendungen, Erdwärme für Heiz- und Kühl-zwecke zu nutzen. Bei den Erdwärmesonden werden Absorberrohre in eine eigens dafür abgeteufte Bohrung eingebaut und der Rin-graum mit speziellen Verpressmaterialien verfüllt. Das Erdreich wird somit über die gesamte Tiefe der Erdwärmesonde ther-misch aktiviert. Demgegenüber werden bei den Erdwärmekollektoren Absorberrohre in einer Tiefe von ca. 1,3 m verlegt, womit eine flächenhafte Erdwärmenutzung er-zielt wird. Sowohl die Erdwärmesonden als auch die Erdwärmekollektoren können als technisch ausgereift angesehen werden.

Energiepfähle, Energieschlitz-2.2. wände, Energiebodenplatten

Im Prinzip können alle erdanliegenden Betonbauteile als Energieabsorber ver-wendet werden, somit auch Flachfundie-rungen (Abb. 1a). Tieffundierungen (Pfähle, Schlitzwände) eignen sich in be-sonderer Weise, da tiefer liegende Bereiche des Untergrundes erschlossen werden, welche nicht mehr unter dem Einfluss der saisonalen Temperaturschwankungen an der Oberfläche stehen. Aus diesem Grund ist auch der „Energiepfahl“ jenes Element, mit dem am häufigsten eine geothermi-sche Energiebewirtschaftung erfolgt. Kleinbohr- und Kleinrammpfähle werden häufig aus Stahlrohren hergestellt, womit der Hohlraum ähnlich einer klassischen Erdwärmesonde mit Absorberleitungen bestückt werden kann. Grundsätzlich kommen folgende Tieffundierungsele-ment infrage:

Fertigteilrammpfähle aus Beton (Voll- ■■

und HohlquerschnittOrtbetonbohrpfähle (■■ Abb. 1b)Schlitzwände (■■ Abb. 1c)Kleinbohr- und Kleinrammpfähle ■■

(Abb. 1d)

Die Nutzung von Einphasendichtwänden, die beispielsweise zur Umschließung von Altlasten sowie für den Hochwasserschutz hergestellt werden, ist Gegenstand eines aktuellen Forschungsprojektes.

Energievlies2.3.

Beim Energievlies handelt es sich um eine neue Entwicklung, bei dem zwischen zwei vernadelten Vliesbahnen Absorberrohre eingelegt werden. Überall dort, wo Vliese

Abb. 4: Energietübbing: Anordnung der Absorberelemente innerhalb des Betonfertigteils (oben) und testen eines Prototyps im Labor (unten), Pralle et al. 2009.

Abb. 5: Pilotprojekt für die Erdwärmenutzung eines in offener Bauweise (Deckelbauweise) errichteten Tunnelbauwerks (links). Simulationsberechnung zur Ermittlung des thermischen Einflussbereiches (rechts).

Abb. 6: Möglichkeiten der Erdwärmenutzung bei bergmännisch aufgefahrenen Tunnelbauwerken.

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im Erd-, Grund- und Tunnelbau zum Trennen, Filtern, Drainieren, Verstärken und Bewehren eingesetzt werden, kann das Energievlies grundsätzlich verwendet werden. Erste Anwendungen erfolgten beim Bau des Lainzer Tunnels, bei dem im Rahmen einer Pilotanlage (Abb. 2) die

Trennung zwischen Innen- und Außen-schale mittels des Energievlieses erfolgte.

Energieanker2.4.

Anker werden für die Stabilisierung von Hängen und Böschungen sowie zur Siche-

rung von Tunnelbauwerken verwendet. Die Anker reichen damit tief in den Berg und erschließen große Volumina (Abb. 3a), die zur Geothermienutzung herangezo-gen werden können. Grundsätzlich wer-den Rohranker in Abhängigkeit vom In-nendurchmesser mit geschlossenen

Abb. 7: Prinzipschema der direkten thermischen Grundwassernutzung für Heiz- (links) und Kühlzwecke (rechts). (http://www.geothermie.walthelm.com/varianten_der_erdwaermenutzung.htm; Eberhard & Partner AG – Aarau).

Abb. 8: Schematische Übersicht des Wärmetransportes einer Energiepfahlanlage im Heizfall (Leistungsbilanz).

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Koaxialrohren ausgestattet oder das An-kerrohr selbst dient als Absorber, wodurch nur ein offenes Rohr in den Anker einge-bracht wird. In diesem Fall ist insbeson-dere auf die Abdichtung im Bereich des Endes des Ankers zu achten. Energieanker wurden erstmals im Zuge einer Versuchs-anlage auf einer Böschung (Abb. 3b) im Zuge der Errichtung des Lainzer Tunnels eingesetzt.

Energietübbing2.5.

Der so genannte Energietübbing (Abb. 4) wurde von den Firmen Ed. Züblin AG und Rehau AG + co entwickelt. Damit kann nun auch aus maschinell vorgetriebenen Tun-neln, bei denen Betonfertigteile (Tübbinge) als Tunnelschale verwendet werden, Erd-wärme entzogen werden. Nach bereits er-

folgten Labor- und Feldversuchen wurde nun erstmalig beim Eisenbahntunnel Jen-bach im Tiroler Unterinntal eine Tunnel-länge von 54 m mit Energietübbingen aus-gestattet, um den nahe gelegenen Bauhof der Gemeinde Jenbach mit Wärme aus dem Tunnel bzw. Erdreich zu versuchen. (Pralle et al. 2009)

Energietunnel – TunnelThermie2.6. ®

Beim Einbau von Erdwärmeabsorbern in Tunnel ist zunächst zwischen offenem (Abb. 5) und bergmännischem (Abb. 6) Tunnelbau zu unterscheiden. Bei der An-wendung der offenen Bauweise stehen die bekannten Flach- und Tiefgründungs-element zur Verfügung: Einbau von Mas-sivabsorbern in Bohrpfählen, Schlitzwän-den und unter den Bodenplatten. Im

bergmännischen Tunnelbau kann mit Massivabsorbern der Sohlbereich von Tunnelröhren mit Absorberleitungen ausgestattet werden. Zur Nutzung der Tunnelschalen eignet sich beim berg-männischen Tunnelvortrieb das Ener-gievlies als Trennlage zwischen Innen- und Außenschale und beim maschinell vorgetriebenen Tunnel die Energietüb-binge. Im Zuge der Sicherung des Gebir-ges während des Ausbruches kann der Energieanker als Stützmittel eingebaut werden. Pilotanlagen sowohl für die of-fene als auch die bergmännische Bau-weise wurden im Zuge der Errichtung des Lainzer Tunnels hergestellt.

Energiebrunnen2.7.

Bei zahlreichen Bauvorhaben werden Brunnen zur Absenkung des Grundwas-serspiegels benötigt. Diese meist tempo-rären Maßnahmen können auch zur Hei-zung und/oder Kühlung benachbarter Bauwerke genutzt werden, und zwar so-wohl temporär als auch permanent. Letz-teres erfordert im Allgemeinen keine auf-wändige zusätzliche wasserrechtliche Genehmigung, da die Nutzung von ein-zelnen Brunnen nur zur geothermischen Energiebewirtschaftung keinen Eingriff in den Wasserhaushalt des Untergrundes darstellt. Eine zu Forschungszwecken umfassend instrumentierte Versuchsan-lage wurde im Zuge des Baus des Lainzer Tunnels betrieben, bei der sowohl Ent-nahmebrunnen (Wärmequelle) als auch Versickerungsbrunnen (Wärmesenke) verwendet werden. Zur Erzielung eines geschlossenen Wärmeträgersystems dienten U-förmige Rohre als Erdwärme-sonden.

Energie aus Abwasser2.8.

Abwasserkanäle stellen oftmals aufgrund des hohen Massenstroms und den auch im Winter hohen Abwassertemperaturen eine ergiebige Energiequelle dar, die mit-hilfe von speziellen Absorbersystemen nutzbar gemacht werden kann. Verschie-dene Systeme werden zurzeit auf deren Tauglichkeit als nachhaltig wirksame Energieabsorber untersucht. Eine erste großmaßstäbliche Forschungsanlage wurde in Wien errichtet und betrieben.

Grundwasserbrunnen3.

Bei der direkten Nutzung der Grundwas-serwärme (Offenes System) müssen min-destens zwei Brunnen gebohrt werden:

Abb. 9: Mechanismen beim Wärmestrom vom Erdreich zur Absorberflüssigkeit (schematisch).

Abb. 10: Ergebnis (Schnittdarstellung) einer dreidimensionalen thermischen Simulationsberechnung für ein Infrastrukturbauwerk, das auf Energiepfählen und Energieschlitzwänden fundiert ist.

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ein Förderbrunnen (Quelle) und ein Schluckbrunnen (Senke). Im Heizbetrieb wird über einen oder mehrere Förder-brunnen das Grundwasser entnommen und dem Grundwasser die Wärme entzo-gen. Das abgekühlte Wasser wird an-schließend einem oder mehreren Schluckbrunnen bzw. Versickerungsan-lagen zugeführt und auf diese Weise wie-der dem Aquifer zugeführt (Abb. 7). Im Kühlbetrieb wird dem entnommenen Grundwasser Wärme zugeführt und an-schließend das erwärmte Wasser versi-ckert. Für die Auslegung von derartigen Anlagen sind grundsätzlich folgende Grenzen der Nutzung zu beachten:

Steht die erforderliche Wassermenge ■■

immer zur Verfügung?Beeinflusst die Thermalfront bzw. der ■■

Absenk- und Aufspiegelungstrichter fremde Wasserrechte?Beeinflussen sich Entnahmebrunnen ■■

und Schluckbrunnen gegenseitig?

Hydraulische und thermische 4. Simulation

Geschlossene Systeme4.1.

Theoretische Grundlagen4.1.1.

Bei geschlossenen Systemen zur Erdwär-menutzung (Massivabsorbertechnologie) hängt die dem Erdreich entziehbare Ener-giemenge im Wesentlichen von folgenden Parametern ab:

Stoffeigenschaften des Bodens: Wär-■■

meleitfähigkeit λB, spezifische Wärme-kapazität cB, Dichte ρB

Stoffeigenschaften des Massivabsor-■■

berbauteils: Wärmeleitfähigkeit λBeton, spezifische Wärmekapazität cBeton, Dichte ρBeton

Grundwasserströmung■■

Temperatur ■■ TB und Temperaturgradi-ent ∆TB

Zeitdauer ■■ t des Energieentzuges bzw. Energieeintrags

geometrische Verhältnisse der Massiv-■■

absorberBetriebskonzept und Energiebewirt-■■

schaftungssystem der Erdwärmeanlage

Der Transport der entzogenen Energie-menge vom Massivabsorber (Energie-pfahl, Energieschlitzwand etc.) zur Tech-nikzentrale erfolgt durch erzwungene Konvektion der Flüssigkeit in den Absorb-erleitungen, für deren Auslegung und Be-trieb im Wesentlichen folgende Parameter zu berücksichtigen sind:

Rohrinnendurchmesser ■■ DRohrlänge ■■ L bzw. LP

Beschaffenheit der Rohrwandung ■■

(Rohrrauigkeit) εStoffparameter der Absorberleitungen: ■■

Wärmeleitfähigkeit λR, spezifische Wär-mekapazität cR, Dichte ρR

Stoffparameter der Absorberflüssig-■■

keit: Wärmeleitfähigkeit λ, spezifische Wärmekapazität c, Dichte ρ; Dynami-sche Viskosität ηStrömungsgeschwindigkeit ■■ um der Ab-sorberflüssigkeitStrömungsverhältnisse (laminar – tur-■■

bulent)

Der Wärmetransport vom Erdreich bis zum Nutzraum ist in Abbildung 8 schema-tisch für den Heizfall einer Massivabsor-beranlage (Beispiel Energiepfahl) darge-stellt. Die Vorgänge innerhalb der Wärmepumpe (Wärmepumpenkreislauf ) und des Sekundärkreislaufes können grundsätzlich als bekannt angesehen wer-den. Die Simulation und Dimensionie-rung erfolgt üblicherweise durch den HKLS-Experten, wofür geeignete Software-produkte am Markt erhältlich sind. Die Wärmepumpe stellt dabei die Schnittstelle zum Primärkreislauf bzw. zu den Massiv-absorbern dar, für deren Simulation und Dimensionierung die Wärmetransport-vorgänge innerhalb des Erdreichs, vom Erdreich zur Absorberflüssigkeit und in-nerhalb bzw. durch die Absorberflüssig-keit zu berücksichtigen sind.

Sobald die Vorlauftemperatur (geregelt durch die Wärmepumpe) der Absorber-flüssigkeit im Primärkreislauf T

VL Pr im klei-

ner ist als die Boden- bzw. Erdreichtempe-ratur T

B, kommt es zunächst zu einer

Abkühlung des Pfahles und dadurch in-nerhalb des Erdreiches zu einem Wärme-strom in Richtung Pfahl. Innerhalb des Pfahles wird die Wärme von der Absorber-flüssigkeit aufgenommen, die sich da-durch erwärmt. Die Rücklauftemperatur T

RL Pr im kann dabei als „Ergebnis“ des Pri-

märkreislaufes gesehen werden und ist

Abb. 11: Temperaturverhältnisse (Grundrissdarstellung) im Erdreich und der Energiefundierung in einer Tiefe von 15 m unterhalb der Bodenplatte im Verlauf eines Jahres.

Abb. 12: Berechnungsgleichungen für gesättigte und gesättigte/ungesättigte Zonen im Untergrund.

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eine der wichtigsten Beurteilungskriterien für die Effizienz einer Massivabsorberan-lage. Es bildet sich schließlich ein Gleich-gewicht zwischen dem Wärmestrom vom Boden zum Pfahl

.QB und dem von der Ab-

sorberflüssigkeit transportierten Wärme-strom

.QSole . Dieser Wärmetransport hängt

von zahlreichen Faktoren ab, wie schema-tisch in Abbildung 9 dargestellt ist. Die einzelnen Faktoren haben auf die Effizienz einer Massivabsorberanlage einen mehr oder weniger großen Einfluss. Einige, wie z. B. die Wärmeleitfähigkeit des Erdreiches oder die Erdreichtemperatur, sind durch die Natur vorgegeben und können nicht beeinflusst werden. Faktoren, wie z. B. die Anzahl der Absorberrohre oder die Strö-mungsgeschwindigkeit der Absorberflüs-sigkeit (Massenstrom) können aber im Zuge der Dimensionierung gewählt wer-den. Hier gilt es ein technisch-wirtschaft-liches Optimum zu finden, um den Ener-gieaustausch zwischen Erdreich und Absorberflüssigkeit zu maximieren und die Herstell- und Betriebskosten zu mini-mieren.

Die Strömungsverhältnisse innerhalb der Absorberrohre und die daraus resul-tierende Wärmeübertragung vom Absor-berrohr zur Absorberflüssigkeit können

analytisch berechnet werden. Für die Be-rechnung des gesamten Wärmetranspor-tes vom Erdreich zur Absorberflüssigkeit sind allerdings aufgrund der zahlreichen Einflussparameter und der Komplexität oftmals aufwändige numerische Verfah-ren (z. B. FEM) erforderlich.

Praktische Umsetzung4.1.2.

Für die Simulation und Dimensionie -rung einer Massivabsorberanlage wäre es grundsätzlich wünschenswert, das Gesamtsystem „Boden – Primärkreislauf – Wärmepumpenkreislauf – Sekundär-kreislauf“ (vgl. Abbildung 8) mit sämt-lichen Einflussparametern zu simulie-ren. Zusätzlich zu berücksichtigen wären die geometrischen Verhältnisse (Bau-werk, Bauteilaufbauten, Anordnung der Massivabsorberlemente etc.) sowie bau-werks- bzw. standort spezifische Parame-ter (Außenluft tempera tur, Innenlufttem-peratur etc.). Dies erfordert oftmals dreidimensionale Be rechnungs modelle, um insbesondere die geometrischen Ver-hältnisse realitätsnah abbilden zu kön-nen. Eine derartige dreidimensionale Si-mulation unter Berücksichtigung sämtlicher Einflussparameter ist mit den

derzeitigen Computern und Softwarepa-keten allerdings nicht möglich. Durch das große Verhältnis zwischen den einerseits kleinen Absorberrohren und den ande-rerseits großen Bauwerksabmessungen sind die Modellgrenzen rasch erreicht. Demzufolge hat sich in der Praxis fol-gende Vorgehensweise ergeben:

Für Forschungsaufgaben (z. B. Opti-mierung der Abstände der Absorberrohre) werden nur einzelne Bauteile isoliert be-trachtet, sodass ein höherer Detaillie-rungsgrad möglich ist und damit die Ab-sorberrohre im Detail modelliert werden können. Bei Simulationsaufgaben für kon-krete Bauprojekte, steht die Ermittlung des Gesamtenergiepotentials im Vordergrund. Für die Berechnungen sind in den meisten Fällen entsprechende Annahmen und Vereinfachungen gegenüber den tatsäch-lichen physikalischen Verhältnissen zu treffen, da weder alle Einflüsse korrekt er-fasst werden können noch alle Randbe-dingungen mit vertretbarem Aufwand rechnerisch modellierbar sind. Zu den wesentlichen Eingangsgrößen zählen:

Geometrie der Bauteile und Situierung ■■

der Absorberleitungen (z. B. Innen- und Außenseite bei einer Schlitzwand oder z. B. gesamter Umfang eines Ener-giepfahls)Stoffparameter der einzelnen Elemente ■■

(Beton, Boden, Wärmeträger)Rand- und Anfangsbedingungen (An-■■

fangstemperaturen, Randtemperatu-ren wie z. B. Außenlufttemperatur, Luft-temperatur im Bauwerksinneren inklusive der entsprechenden Wärme-übergangskoeffizienten)Thermische Belastungen des Systems ■■

(z. B. Eingangstemperatur der Absor-berflüssigkeit in die Massivabsorber-elemente)

Für konkrete Anwendungsfälle existieren Softwaretools, die für eine Simulation her-angezogen werden können: Beispiels-weise das Programm EWS, mit dem Erd-wärmesondenfelder berechnet werden können oder das Programm Pilesim zur Simulation einer Energiepfahlanlage. Der Vorteil derartiger Programme liegt in de-ren einfachen Bedienung und der ver-gleichsweise kurzen Berechnungsdauer. Zu beachten ist allerdings, dass meistens nur bestimmte geometrische Verhältnisse und Randbedingungen berücksichtigt werden können. Beispielsweise kann mit dem Programm Pilesim nur ein regelmä-ßiger Energiepfahlraster modelliert wer-den, sodass in vielen Fällen auf numeri-sche Simulationen (z. B. Finite Elemente

Abb. 13: Wärmespeicherung und Wärmetransportvorgänge im Untergrund.

Abb. 14: Beispiel für die Ermittlung der Reichweite der Temperaturfront bei einer direkten Grundwasser-nutzung (Grundrissdarstellung) durch eine gekoppelte hydraulisch-thermische Simulationsberechnung. An der Versickerungsstelle wird während der Heizperiode 7 °C kaltes Wasser und während der Kühlperiode 17 °C warmes Wasser dem Aquifer rückgeführt.

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Methode) zurückgegriffen werden muss, um komplexere geometrische Verhält-nisse zu erfassen.

Bei einfachen geometrischen Verhält-nissen (z. B. Energiebodenplatten) gelingt es im Simulationsmodell die einzelnen Absorberleitungen zu berücksichtigen, so-dass eine mit der Zeit variable Eintritts-temperatur der Absorberflüssigkeit in die Massivabsorber vorgegeben und die Aus-trittstemperatur berechnet werden kann. Die Wärmeleistung ergibt sich dann aus der Differenz von Eintritts- und Austritts-temperatur gemäß nachfolgender Glei-chung:

.

Q = c . .m . ΔT (1)

mit .

Q: Wärmestrom [kW] c: spezifische Wärmekapazität [kWh/

(kgK)] .

m: Massenstrom [kg/h] ΔT: Temperaturdifferenz zwischen Vor-

lauf- und Rücklauftemperatur [K]

Bei komplexeren geometrischen Verhält-nissen (z. B. Großprojekt mit Energie-schlitzwänden) können die einzelnen Ab-sorberrohre aus genannten Gründen nicht mehr im Einzelnen berücksichtigt wer-den. In diesen Fällen ist man gezwungen, einen Mittelwert der erwarteten Eintritts- und Austrittstemperatur anzunehmen. Die Wärmeleistung ergibt sich in diesem Fall über den Wärmefluss vom Boden zum Massivabsorber. Durch Integration des Wärmeflusses über alle mit Absorberlei-tungen belegten Flächen resultiert schließ-lich die Gesamtleistung der Anlage.

Abbildung 10 und Abbildung 11 zeigen exemplarisch Ergebnisse einer dreidi-mensionalen Simulationsberechnung zur Ermittlung der Gesamtleistung einer Massivabsorberanlage, bestehend aus Energiebodenplatte, Energiepfählen und Energieschlitzwänden.

Offene Systeme4.2.

Hydraulische Berechnung4.2.1.

Bei der Simulation hydraulischer Vor-gänge im Untergrund ist unter anderem zu beachten, dass der meist vorliegende maßgebende Parameter – die Filterge-schwindigkeit vf nach Darcy – nur im mit Wasser vollständig gesättigten Boden gül-tig ist. Wie Abbildung 12 zeigt, sind im Bo-den jedoch Zonen vorhanden, in denen der Sättigungsgrad im Jahresverlauf schwankt – bei hohen Grundwasserstän-

den ist die gesättigte Zone höher als bei niedrigen Grundwasserständen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass im Bereich von Wasserentnahmen aufgrund des Ab-senktrichters die ungesättigte Zone ver-größert und im Bereich der Versickerung die ungesättigte Zone verkleinert wird.

Um einen derartigen Wechsels zwi-schen gesättigten und ungesättigten Be-dingungen in Simulationsberechnungen zu berücksichtigen, können die Gleichun-gen nach Richard’s mit Stoffparametern von z. B. Van Genuchten herangezogen werden. Für gesättigte Zonen kann die in Abbildung 12 angegebene einfachere La-Place Gleichung verwendet werden, die sich aus der Kontinuitätsgleichung und der Darcy-Gleichung ableiten lässt.

In den meisten Fällen ergeben sich al-lerdings bei Verwendung der Gleichungen nach Richard’s sehr lange Rechenzeiten bei denen oftmals eine numerische Mo-dellkonvergenz schwierig zu erreichen ist. Zudem ist die Wahl geeigneter Stoffpara-meter nach z. B. Van Genuchten mit gro-ßen Unsicherheiten behaftet. Aus diesem Grund kann folgender Berechnungsan-sätze gewählt werden:

Wird anstelle der Durchlässigkeit kf [m/s] mit der Transmissivität T [m²/s] ge-rechnet, so können mit einem zweidimen-sionalem Berechnungsmodell (Grundriss-modell) dreidimensionale Verhältnisse (Verteilung der hydraulischen Höhe im Grundriss) simulieret werden. Die Trans-missivität stellt dabei das Integral des kf -Wertes über die wassergefüllte Mächtig-keit H [m] des Grundwasserleiters dar.

Bei der Grundwassersimulation ist so-mit die wassergefüllte Mächtigkeit die in jedem Punkt variierende hydraulische Höhe, womit die Transmissivität ebenfalls eine Modellvariable darstellt, nach der schließlich die Gleichungsmatrix gelöst wird. Damit lassen sich letztendlich die hydraulische Höhe für jeden Punkt und damit auch Absenk- bzw. Aufspiegelungs-trichter im Bereich der Entnahme bzw. Versickerung berechnen.

Thermische Berechnung4.2.2.

Die aus dem Entnahmebrunnen nutz-bare thermische Leistung lässt sich wie-derum mit Gleichung (1) berechnen. Beispielsweise ergibt sich für den Heiz-fall entsprechend Abbildung 7 mit einer Temperaturdifferenz von ΔT = 4 K, einer ange nommenen Förderleistung des Ent-nahmebrunnens von 10 l/s eine thermi-sche Leistung von ca.

.Q = 170 kW. Dieses

einfache Beispiel zeigt grundsätzlich das

große Energiepotenzial einer thermischen Grundwassernutzung.

Um die thermische Reichweite (Ther-malfront) im Bereich der Versickerung zu berechnen, ist im Regelfall eine dreidi-mensionale gekoppelte hydraulische-thermische Simulation durchzuführen, damit die im Untergrund auftretenden Wärmetransportmechanismen und Rand-bedingungen berücksichtigt werden kön-nen. Die wichtigsten Wärmetransportvor-gänge im Untergrund sind (vgl. Abb. 13):

Wärmeleitung – Konduktion: Die Wär-■■

meleitung ist die Übertragung von Wärme zwischen benachbarten Teil-chen innerhalb eines Körpers. Sie ist unabhängig von einer Massenbewe-gung und damit der bestimmende Transportmechanismus in festen Pha-sen, findet aber auch in Flüssigkeiten und Gasen statt.Wärmeströmung – Konvektion: Kon-■■

vektion ist der Wärmetransport, der durch die Bewegung von Teilchen zu-stande kommt. Die zu den Teilchen ge-hörende Wärme wird dabei mitgeführt. Konvektion findet nur in Flüssigkeiten und gasen statt (im gegenständlichen Fall: im Grundwasserkörper).

Bei der Konvektion breitet sich die Wärme mit der Geschwindigkeit der bewegten Teilchen aus. Für die Grund-wasserströmung bedeutet das, dass die Abstandsgeschwindigkeit des Was-serteilchens maßgebend ist. Da aber nur ein Teil des Mehrphasensystems Boden fließendes Wasser ist, wird mit der Filtergeschwindigkeit unter Be-rücksichtigung des Porenanteils ge-rechnet.Dispersion: Wasserteilchen, die durch ■■

eine Bodenmatrix strömen, durchque-ren diese nicht auf geraden Bahnen, wie es die Filtergeschwindigkeit be-schreibt. Durch verschiedene Pro-zesse werden die Teilchen sowohl in Längs- (longitudinale Dispersivität) als auch in Querrichtung (transversale Dispersivität) abgelenkt. Die mitge-führte Wärme breitet sich daher eben-falls aus, während ihre Intensität ab-nimmt.Zusätzlich zu diesen Transportvorgän-■■

gen ist bei transienten Berechnungen das Wärmespeichervermögen eines Stoffes zu berücksichtigen.

Da der Schwerpunkt von derartigen drei-dimensionalen hydraulisch-thermischen Modellen in der Berechnung der thermi-schen Reichweite (Abb. 14) des über die Schluckbrunnen bzw. Versickerungsan-

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originalarbeit

lage eingeleiteten Wassers liegt, kann je nach Anwendungsfall zur Modellvereinfa-chung eine konstante Grundwassermäch-tigkeit des Aquifers angesetzt werden. Im Berechnungsmodell ist somit die Schicht des Aquifers zu jedem Zeitpunkt vollstän-dig wassergesättigt, sodass die numerisch einfacher zu bewältigende LaPlace-Glei-chung (mit dem Gesetz von Darcy) zu-grunde gelegt werden kann.

Durch eine derartige Modellvereinfa-chung mit konstanter Grundwasser-mächtigkeit ergeben sich insbesondere im Bereich der Entnahme und Versicke-rung Modellunschärfen, da die Absenk- bzw. Aufspiegelungstrichter nicht exakt abgebildet werden. Aus thermischer Sicht kann dies allerdings vernachlässigt wer-den, da der hydraulische Einfluss der Ent-nahme bzw. Versickerung im Modell oh-nehin durch die in diesen Bereichen höhere Grundwasser-Strömungsge-schwindigkeit berücksichtigt wird. Eine derartige Modellvereinfachung ist aller-dings für den jeweiligen Anwendungsfall zu prüfen.

zusammenfassung�und�5. Ausblick

Die geothermische Nutzung von Fundie-rungen, Keller- oder Stützwänden ermög-licht ein umweltfreundliches, Ressourcen schonendes sowie wirtschaftliches Heizen und/oder Kühlen von Bauwerken. Es wer-den „saubere“ Energie und „sich selbst er-neuernde“ Energieträger genutzt, die di-rekt am Ort der Nutzung dem Untergrund entzogen oder in diesem gespeichert wird. Mit zunehmender Anwendung für Wohn- und Geschäftshäuser, öffentliche Ge-bäude, Industrieobjekte, Infrastruktur-bauwerke etc. sinkt die Abhängigkeit von Energieimporten.

Als besonders geeignet haben sich Pfähle und Schlitzwände erwiesen, wo-bei praktisch keinerlei Tiefenbegrenzung nach oben oder unten besteht. Bei sach-gemäßer Betriebsführung wird das Trag-fähigkeits-Verformungsverhalten der Fundierungselemente in keinem geo-technisch oder statisch relevanten Aus-maß beeinflusst.

Die Nutzung der geothermischen Ener-gie mittels erdberührter Bauteile ist nicht nur auf Fundierungen und massive Wände bzw. Pfahlwände beschränkt. „Energietun-nels“, die Heizung und/oder Kühlung von Verkehrsflächen auf Straßen sowie Brücken und die direkte thermische Nutzung von Grundwasser stellen weitere Anwendungs-gebiete mit einer Vielzahl von Vorteilen dar: Umweltfreundlichkeit, Schonung von Ressourcen, Wirtschaftlichkeit, Erhöhung der Betriebssicherheit (z. B. Straßenverkehr im Winter), Erhöhung der Lebensdauer bei gleichzeitiger Reduktion des Erhaltungs-aufwandes von Bauwerken (z. B. Straßen-decken, Brückentragwerke) etc.

Für die Simulation, Dimensionierung und Planung von Erdwärmeabsorbern und Grundwasserbrunnen waren anfänglich noch sehr aufwendige Berechnungen erfor-derlich. Mittlerweile existieren bereits Soft-warelösungen, mit denen bestimmte (vom Softwarehersteller vorgegebene) Fälle rasch simuliert werden können. Bei davon abwei-chenden Randbedingungen und komple-xen Verhältnissen sind allerdings weiterhin vergleichsweise aufwändige Berechnungs-modelle erforderlich. Mit der stetig wach-senden Bedeutung der Nutzung von um-weltfreundlicher Energie wird es aber auch in diesem Bereich wertvolle Weiterentwick-lungen in naher Zukunft geben. n

Korrespondenz: Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Dietmar Adam Technische Universität Wien Institut für Geotechnik, Forschungsbereich für Grundbau, Boden- und Felsmechanik Karlsplatz 13/220 A-1040 Wien Tel.: +43-(0)1/58801-22100 Fax: +43-(0)1/58801-22199 E-Mail: [email protected] und GEOTECHNIK ADAM ZT GmbH Wiener Straße 66-72/15/4, A-2345 Brunn am Gebirge Tel.: +43-(0)2236/312244-11 Fax: +43-(0)2236/312244-99 E-Mail: [email protected] Dipl.-Ing. Dr.techn. Roman Markiewicz GEOTECHNIK ADAM ZT GmbH Wiener Straße 66–72/15/4 A-2345 Brunn am Gebirge Tel.: +43-(0)2236/312244-22 Fax: +43-(0)2236/312244-99 E-Mail: [email protected]

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