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Kapitel6 GroBlebensraume der Erde Lernziele Klimadiagramme Charakterisierung der terrestrischen Lebensraume FlieBgewasser und Seen als limnische tebensraurne GroBlebensraume des Meeres 6.1 Terrestrische Lebensraurne Klassifikationsversuche fur Grofslebensraume der Erde verbinden in der Regel Klima - parameter mit der Struktur der natiirlichen Vegetation, die durch die vorherrschen- den Lebensformen definiert wird (S. 174). Als Klimakenngrolsen gelten der mittlere Jahresniederschlag und die mittlere Jahrestemperatur. In Abbildung 6.1 sind bei- spielsweise Tundren durch das Vorherrschen von Grasern und Zwergstrauchern und durch Jahresdurchschnittstemperaturen zwischen -5 "C und -10 "C charakterisiert. Die Iahresniederschlage iiberschreiten 1000 mm nur in Ausnahrnefallen. Sommer- griine Laubwalder, wie sie fur Mitteleuropa typisch sind, belegen im Diagramm den Bereich von ca. 5 -12 "C, bei Niederschlagen zwischen 1000 und 2 000 mm. Der tro- pische Regenwald ist besonders durch das iippige Auftreten von Cefafspflanzen-Epi- phyten gekennzeichnet. Er ist auf Gebiete mit Temperaturjahresmitteln uber 20 "C und Niederschlagsmitteln > 2000 mm beschrankt. Klimatypen werden durch Klimadiagramme definiert, die moglichst viel okolo- gisch relevante Information enthalten 6.1). In einem Klimaatlas der Erde haben Walter und Lieth (1967) die Diagramme fur sarntliche Klimamessstationen der Erde zusammengestellt. Darauf aufbauend konzipierten sie ein Klimatypensystem mit neun Grundtypen, die die Klimate der neun Groflebensraume (Zonobiome) der Erde mit relativ einheitlicher Vegetation und Tierwelt charakterisieren. Der Begriff Biom bezieht sich auf die gesamte lebende Welt einer okologisch cinheitlichen Region (z. B.mitteleuropaisches Flach- und Hugelland, Sahara, Pampa).

Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

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Page 1: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

Kapitel6

GroBlebensraume der Erde

~ Lernziele

KlimadiagrammeCharakterisierung der terrestrischen LebensraumeFlieBgewasser und Seen als limnische tebensraurneGroBlebensraume des Meeres

6.1 Terrestrische LebensraurneKlassifikationsversuche fur Grofslebensraume der Erde verbinden in der Regel Klima -parameter mit der Struktur der natiirlichen Vegetation, die durch die vorherrschen-den Lebensformen definiert wird (S. 174). Als Klimakenngrolsen gelten der mittlereJahresniederschlag und die mittlere Jahrestemperatur. In Abbildung 6.1 sind bei-spielsweise Tundren durch das Vorherrschen von Grasern und Zwergstrauchern unddurch Jahresdurchschnittstemperaturen zwischen -5 "C und -10 "C charakterisiert.Die Iahresniederschlage iiberschreiten 1000 mm nur in Ausnahrnefallen. Sommer-griine Laubwalder, wie sie fur Mitteleuropa typisch sind, belegen im Diagramm denBereich von ca. 5-12 "C, bei Niederschlagen zwischen 1000 und 2 000 mm. Der tro-pische Regenwald ist besonders durch das iippige Auftreten von Cefafspflanzen-Epi-phyten gekennzeichnet. Er ist auf Gebiete mit Temperaturjahresmitteln uber 20 "Cund Niederschlagsmitteln > 2000 mm beschrankt.Klimatypen werden durch Klimadiagramme definiert, die moglichst viel okolo-

gisch relevante Information enthalten ( ~Kasten 6.1). In einem Klimaatlas der Erdehaben Walter und Lieth (1967) die Diagramme fur sarntliche Klimamessstationen derErde zusammengestellt. Darauf aufbauend konzipierten sie ein Klimatypensystemmit neun Grundtypen, die die Klimate der neun Groflebensraume (Zonobiome) derErde mit relativ einheitlicher Vegetation und Tierwelt charakterisieren. Der BegriffBiom bezieht sich auf die gesamte lebende Welt einer okologisch cinheitlichen Region(z. B. mitteleuropaisches Flach- und Hugelland, Sahara, Pampa).

Page 2: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

246 6 Grofilebensraurne der Erde

chara kteristische Lebensformen

0 immergriine Laubholzer

[JJ] regengriine taubholzer

g terrestrische Formationensommergriine taubholzer

1!S.:J

tropische Reqenwalderimmergriine Nadelholzer 2 subtr-warmternp.Reqenwalder- 15 D Epiphyten (GefaBpflanzen) ...

ClI 3 kiihltemperierteReqenwalder"0

IgogI Sukkulenten :n;4 regengriine Monsunwalder- 10 ::

f~'::":~ Grasartige 5 sommergriine Laubwalder

- 5 6 {kalt)temperierte Nadelwalder,.....

I' Dornqeholze~ • ClI... N Savannenc 0 ~;o 8~ u.r,

a .9 ~ 9 Hartlaubqeholzef! 10 WaldsteppenClI 5 1:.Q.E ;H!" {sub)tropische Graslanders'" J, ~ s 12 temperateSteppen~ 10 ~ en <Us:

L?~~13 Tundren~ClI N1ii 15 r Hillewiisten"E

~ : ~'E Trockenwiisten

20 Kaltewiisten

25

30500 1000 2000 3000 4000 4500

mittle re [ahresniederschlaqe (mm)

6.1 Die Verbreitung der zonalen Forma t ionen und der Lebensformen (Sprossp flanzen) aufder Erde, in Abhangigkeit von der Jahrestemperatur und den Jahresniederschlaqen, NachSitte et a l. (2002).

Einen Sonderfall stellen die Gebirge dar (Orobiome). Sie sind tiber alle GroBle-bensraume hinweg verteilt und zeigen durch die Vertikalerstreckung eine deutlicheHohenzonierung, die mit einer Veranderung des zonalen Klimas einhergeht. BeiWaldern nahe der Baumgrenze sprechen wir von subalpiner Stufe,bei der Zone ober-halb der Waldgrenze von alpiner und im Gletscherbereich von nivaler Stufe. Unter-halb der subalpinen Stufe schliefsen die montane, die submontane und die kollineStufe und schlieBlich die planare Stufe (Flachland) an, die bis zur Meereskuste reicht.Pur eine ausfuhrl iche Behandlung der terrestr ischen Grofslebensraume siehe Grab-herr (1997).

Page 3: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

6.1 Terrestrische l.ebensraume 247

Kasten 6.1 Aufbau und Inhalt eines Kimadiagramms ---------eine relativ feu chte Zeit vor, die vert ika l schraf-f iert dargestellt w ird (10).Obersteigen die mittleren monatl ichen Nieder-

schlaqe 100 mm, so w ird der MaBstab auf 1/10 re-duz iert und die relat iv perhumide Jahreszeit wirdschwarz dargestellt (Klimadiagramm von Harare,S. 249). 11. Monate mit mittlerem Tagesminimumunter 0 ·C (schwarz) = kalte Jahreszeit, 12. Mona-te mit absolutem Min imum unter 0 ·C (schraqschraffiert), d. h. Spat- oder Fruhfroste sind mag-lich .

20

mm

40

60

4 5/ /

8,4 · 6859

8

I11

20

30

2/ /

Hohenh eim (402 m)3 --.. [50-40]·C

6 10<,- 3,5

- 25,0W.ZZ7-ZZ2r---'-'--u~ZZ__7'/

Der typ ische Aufbau eines Klimad iagramms nachWalter und Liet h (1967) geht aus der Abbi ldunghervor. x-Achse: FOr die Nordhernisphare werdendie Monate von Januar bis Dezember aufgetra -gen, fur die Sudhern isphare von Juli bis Juni, so-dass die warme Jahreszeit immer in der Mitte desDiagramms Iiegt. y-Achse: Die Temperatur (links)w ird in ·Cangegeben, der Niederschlag (rechts) inmm. Ein Teilstr ich entspricht 10 ·C bzw. 20 mmNiederschlag.Die Ziffern auf den Diagrammen bedeuten: 1.

Stat ion , 2. Hohe uber dem Meer, 3. Zahl der Be-obachtungsjahre (eventuell erste Zahl fOr Tempe-ratur und zwe ite fur Niederschlaqe), 4. mittlereJahrestemperatur, 5. mittlere jahr liche Niede r-schlagsmenge, 6. mittleres taq lichesMinimum deskalt esten Monats, 7. absolutes Minimum (tiefstegemessene Temperatur), 8. Kurve der mittlerenMonatstemperaturen, 9. Kurve der mitt leren rno-nat lichen Niederschlaqe.Befindet sich die Niederschlagskurve unter der

Temperaturkurve, liegt fur das betreffende KIi-magebiet eine relative DOrrezeit vor (etwa imKlimadiagramm von Harare, S. 249), die punkt iertdargestellt wird . Befindet sich die Niederschlags -kurve hingegen Ober der Temperaturkurve, Iiegt

6.1.1 Tropischer Regenwald (feuchttropische Zone)

Klima. Im tropischen Regenwald (~ Abb. 6.2) betragt die mittlere Tagestemperaturganzjahrig ca. 25-27 °C (immer uber 18°C, aber selten mehr als 35°C). TropischeRegenwalder sind frostfrei. Die Tag-Nacht-Unterschiede sind groBer als die Iahres-schwankungen des Monatsmittels, daher spricht man von einem so genannten Tages-zeitenklima.Temperaturbedingte Iahreszeiten fehlen, aber Niederschlage konnen jah-reszeitlich variieren. Die durchschnittlichen Niederschlage betragen 2000-3000 mmund konnen bis zu 10000 mm erreichen. Die Niederschlage ubersteigen das ganzeIahr die Evapotranspiration, d. h. das Klima ist ganzjahrig humid.Pflanzenwelt. Die Baumschicht im Regenwald gliedert sich in drei Stockwerke : die

A-Schicht mit den Urwaldriesen, deren schirmformige Kronen mit einer Hohe von30-60 m das darunter liegende geschlossene Kronendach uberragen, die B-Schicht inetwa 24 m Hohe, deren kugelforrnige Kronen den Hauptteil des geschlossenen Kro-nendachs bilden, und darunter die C-Schicht in einer Hohe von etwa 18 m, mit Bau-men, deren konische Kronen die verbleibenden Lucken in der Kronenschicht schlie-Ben.Nur etwa 3 % des einfallenden Lichts erreicht den Boden, d. h. unter der Kro-

Page 4: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

248 6 Grof3lebensraume der Erde

nenschicht ist es in der Regelsehr dunkel. Ein groBer Teildes Regenwaldbodens bleibtwegen des Lichtmangels unbedeckt oder ist nur sparlich bewachsen . Regenwaldersind extrem reich an Lianen und Epiphyten, die die Baume als Unterlage fur ihr eige-nes Wachstum nutzen. AuffalligeMerkmale der Baume sind Blatter mit Traufelspit-zen, die fur ein rasches AbflieBen des Regenwassers sorgen. Brettwurzeln verleihenden Stammen Stabilitat, denn wegen der ungenugenden Sauerstoffversorgung dernassen Boden konnen keine tiefer reichenden Wurzeln entwickelt werden. Regenwal-der sind durch hohe Phytomasse (standing crop), hohe Jahresproduktion und hoheZersetzungsraten gekennzeichnet. Der hohe Streuanfall verteilt sich tiber das ganze[ahr, und die Zersetzung der Streu erfolgt in weniger als einem Iahr, Daher gibt eskeine tiefen Humusschichten. Symbiosen der Pflanzen mit Mykorrhiza-Pilzen sindweit verbreitet und sorgen fur eine rasche Wiederaufnahme der Nahrstoffe, bevordiese ausgewaschen werden.Tierwelt. Tropische Regenwalder gehoren zu den artenreichsten Okosystemen und

umfassen vermutlich rund drei Viertel aller Tierarten der Erde. Die groBte Artenzahlwird im Kronenraum der Baume erreicht. Viele Tiere zeigen morphologische Anpas-sungen an das Leben in den Baumwipfeln (Krallen des Faultiers, Greifschwanze derAffen, Flughaute der Gleithornchen). Regenwalder sind charakterisiert durch einegroBe Arten- und Individuenzahl von staatenbildenden (sozialen) Insekten wie Ter-miten (Isoptera), Ameisen, Bienen und Wespen (Hymenoptera). Termiten sind alsHolzzersetzer von groBer Bedeutung fur das schnelle Zuruckfuhren toten Pflanzen-materials in den Stoffkreislauf.

Boqor (240 m)2S,O' 4117

(14] mm300 ,

' C 20050 · 100

40 - · 80

30 - 60

20 40 ,10 20

6.7 0

6.2 Verbreitung destropischen Regenwaldgebietes (Klimadiagramm von Bogor, Indonesien). NachWalter undBreckle (1999) und Sitte et al. (2002).

Page 5: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

6.1 Terrestrische tebensraume

6.1.2 Tropisch-subtropische Regenzeitenwalder und Savannen(trockentropische Zone)

Klima. Die trockentropische Zone ist durch einen Wechsel von Regen- und Trocken-zeit gekennzeichnet (~Abb. 6.3). Die Dauer der Trockenzeit und die jahrliche Nieder-schlagsmenge bestimmen die Vegetation. Das Monatsmittel der Temperatur liegtmeist uber 18°C und die Regenzeit ist die warmere Iahreszeit. Froste treten nur inRandbereichen auf. Feuer ist ein bedeutender okologischer Faktor (S. 15).Vegetation. Die typische Vegetation besteht aus halbimmergriinem Wald (Tro-

ckenzeit 3-6 Monate, Niederschlag 1500-2000 mm), regengriinem Wald wie demMonsunwald in Sudostasien (Trockenzeit 5-8 Monate, Niederschlag 500-1500 mm)oder Savannen (Trockenzeit 7-10 Monate, Niederschlag 250-600 mm). Bluhphasenund Laubwechsel sind streng an die jahreszeitliche Rhythmik gebunden. Auffallig sinddie vor der Regenzeit synchron bluhenden Baume, In halbimmergriinen Waldernkonnen Epiphyten noch zahlreich sein, Brettwurzeln fehlen jedoch. Hochgrassavan-nen sind oft feuerbedingt, Niedergrassavannen eher klimabedingt bzw. durch denFraBdruck von Megaherbivoren (Antilopen, Zebras , Gnus, Elefanten usw.) verur-sacht.Tierwelt. Die Tierwelt der halbimmergriinen Walder zeichnet sich durch eine hohe

Diversitat aus. Fur die Savannen sind groBe Herden herbivorer Saugetiere charakte-ristisch , die bis zu 50 % der Primarproduktion konsumieren. Bedeutend sind auchstaatenbildende Insekten (Termiten, Ameisen) und diverse andere Insektengruppenwie z. B. schwarmbildende Heuschrecken.

Harare (1472 m)

[20J 18.5' 840 mm300-c

•200

50 100

40 80

30 60

20 40

.. 20. .0

249

6.3 Verbreitung tropisch-subtropischer Regenzeitenwalder und Savannen (Klimadiagramm von Harare,Simbabwe). NachWalter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).

Page 6: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

250 6 Grofslebensraume der Erde

6.1.3 HeiBe Halbwusten und Wusten (subtropisch-tropischeWustenzone)

Klima. Diese Lebensraume sind ganzjahrig tracken und heiB (~ Abb. 6.4). Die Eva-potranspiration ubersteigt in fast allen Monaten den Niederschlag, d. h. das Klima istarid. Die jahrlichen Niederschlage liegen unter 250 mm und sind sehr variabel (Wus-ten mit Sommer- oder Winterregen, Nebelwiisten und Extremwiisten, die oft jahre-lang regenlos sind). AIleTemperaturmonatsmittelliegen tiber 5°C, wahrend mindes-tens vier Monaten betragen die Monatsmittel uber 18°C. Die taglichen Temperatur-amplituden sind groB, Nachtfroste haufig, Wolkenbedeckung und Luftfeuchte mitAusnahme der Nebelwusten sehr gering .Vegetation. Abiotische Faktoren bestimmen das Landschaftsbild und die Stoffum-

satze. Wusten kommen als Fels-, Schutt-, Sand-, Salz- oder Tonwiisten vor. Halbwiis-ten weisen bei einem Jahresniederschlag bis ca. 100 mm eine schuttere Vegetation auf,bei Iahresniederschlagen unter 100 mm ist die Vegetation auf wenige Stellenbeschrankt (z. B. in Wadis) . Viele Pflanzen haben Trockenheitsanpassungen unter-schiedlicher Art ausgebildet wie hartlaubige (skleraphylle), wasserspeichernde (suk-kulente) und laubabwerfende Xerophyten sowie wechselfeuchte (poikilohydre) Arten("Auferstehungspflanzen") zeigen. Therophyten keimen nur nach einem Regen undfuhren zur so genannten Wustenblute.Tierwelt. Besonders in Vollwiisten ist die Primarproduktion sehr gering und auch

wenig konstant, sodass die Tierwelt grundsatzlich nur geringe Dichten aufweist. Tiereleben vorwiegend im Boden und sind oft nachtaktiv. Auffallig ist das Vorherrschenvon Nagern, giftigen Reptilien und Skorpionen. Schwarzfarbung (Melanismus)ermoglicht Kafern ein Aufheizen in den kalten Morgenstunden, Sanger gewinnendurch komplexe Strukturen der Atemorgane die Luftfeuchtigkeit aus der Ausatemluftzuruck (S. 22).

. . . . . . . . .10 " • -: -: -: -: -: • :- .: .: . : : -: -: 20

_at7ir:::=;:~~.;.......;....:..-.:..,..:..-.'-;-=:;:.:::1. 0

-c50

40

30

20

Kalro (20 m)

[37J 20,S' 26

. ,... . . ..... .. . .

mm300200100

80

60

40

6.4 Verbreitung hei13er HalbwOsten und WOsten (Klimadiagramm von Kairo, Agypten). NachWalter undBreckle (1999) und Sitte et al. (2002).

Page 7: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

6.1 Terrestrische l.ebensraume 251

6.1.4 Mediterran warmtemperate, diirre- und episodischfrostbelastete Gebiete mitHartlauhwaldern

Klima. Diese Lebensraume sind durch kuhle, feuchte Winter und trocken-heifse Som-mer (Mittelmeersommer) mit feucht -milden Ubergangszeiten (Fruhjahr/Herbst)gekennzeichnet (~ Abb. 6.5). Die Temperaturmittel der Wintermonate fallen durch-schnittlich nicht unter 5°C, Froste sind aber episodisch moglich, gelegentlich sogarSchnee. Die jahrliche Niederschlagssumme betragt mehr als 400 mm, sodass ein meistwaldfahiges Klima vorherrscht. Feuer ist als okologischer Faktor bedeutend (5. 15).Vegetation. Als typische Vegetation herrschen Hartlaubwalder oder Gebiischfor-

mationen vor. Letztere sind bekannt als Macchie (Mittelmeergebiet), Kwongan (Sud-westaustralien), Fynbos (Kapland), Chaparral (Kalifornien) oder Matorral (Spanien,Chile). Diese sind sehr artenreich und weisen bei einem hohen Grad an Konvergenzfloristisch groBeUnterschiede zwischen den einzelnen Gebieten auf.AlsAnpassungender Vegetation an die haufigen Feuer haben sich hohes Regenerationsvermogen,dicke, korkreiche Borken und Hitzekeimung herausgebildet. Durch die Sommerdiirreist die Bodenbildung gehemmt und das weit verbreitete Hartlaub schwer zersetzbar.Besonders das Mittelmeergebiet ist ein uralter Kulturraum, in dem Okosysteme wieextensiv genutztes Weideland mit Zwergstrauchern und kurzlebigen Grasern tiber-wiegen (Garrigue). Charakteristisch sind auch Geophyten (Liliaceae, Orchidaceae).Tierwelt. Es gibt kaum spezielle Eigenheiten der Tierwelt, abgesehen von generel-

len Anpassungen an Trockenheit, Hitze und haufig auch an Feuer (5.16). Die Tierweltweist ahnlich wie die Pflanzenwelt einen hohen Artenreichtum auf. Durch ihre Isola-tion gibt es in den mediterranen Gebieten viele endemische Arten.

\

(

20

80

~1 60

~m ' 40

mm17,0' 385 300

200100

20

30

tos Angeles (95 m)[70-53)

' C

50]40

10

_~·.~-lrn~~~'=:::::;::='=:;::::"'~-n'+ 0

6.5 Verbreitung mediterraner, warmtemperater Gebiete mit Hartlaubwaldern (Klimadiagramm von LosAnge-les, USA). NachWalter und Breckle (1999) und 5itte et al. (2002).

Page 8: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

252 6 Grofllebensraume der Erde

6.1.5 Warmtemperate, regenreiche, episodisch frostbelasteteGebiete mit immergriinen Lorbeerwaldern

Klima. Iahresniederschlage tiber 1000 mm fuhren zu einem ganzjahrig humiden,warmtemperaten Klima mit Wintermonatsmitteln tiber 5 °C und Sommerrnonats-mitteln tiber 18 °C (~Abb. 6.6). Es gibt keine trockene Iahreszeit, der Niederschlag istganzjahrig hoher als die Evapotranspiration. Im Winter kommen regelmafsig leichteFroste vor, vereinzelt auch Schnee. Feuer spielt keine Rolle.Vegetation. Vorherrschend sind immergrune Regenwalder (in den feuchtesten

Gebieten, z. B. von Mittelchile), Lorbeerwalder, sommergrune Regenwalder undReliktnadelwalder (z. B.die Sequoia-Walder in Kalifornien und die Araucaria-Walderin Mittelchile). Meist sind diese eher dunklen Walder relativ artenreich. Sie weiseneinen gleichmafsigen Autbau mit einheitlicher Baumschicht von maximal 30 m Hoheauf, Gefafpflanzen-Epiphyten oder Lianen spielen aber im Vergleich zum tropischenRegenwald nur eine geringe Rolle.Moose und Hautfarne sind weit verbreitet. Die cha-rakteristische Blattform ist der Lorbeerblatttypus: maBig grofs, ganzrandig, ledrig,immergrun, ohne Traufelspitzen, Brettwurzeln fehlen. Sommergrune, d. h. laubab-werfende Walder haben haufig immergrune Straucher im Unterwuchs, z. B.die sud-westirischen Eichenwalder mit Stechpalmen. Beivielen dieser Gebiete handelt es sichurn alte Kulturraume, in denen die naturliche Vegetation stark zuruckgedrangt ist.GroBe Urwaldgebiete findet man nur noch in Neuseeland, Chile und Nordjapan.Tierwelt. Die Tierwelt weist in der Regelwenig Besonderheiten auf. Lediglich Neu-

seeland verfugt aufgrund seiner isolierten Lage tiber eine vielfaltige endemischeVogelwelt mit vielen flugunfahigen Arten wie Kiwi, Kakapo (Eulenpapagei) undTakahe-Ralle. Bemerkenswert waren auch mehrere Arten von groBen Laufvogeln(Moas), die jedoch inzwischen ausgerottet wurden.

INaga. akl (133m)

1S.5· 1967 mm /...,[30) 300·c 20050 100 ,40 80

30 60

20 40

10 20

\rt2.2 0- 5,6

- -

6.6 Verbreitung warmtemperater Gebiete mit immergrOnen torbeerwaldern (Klimadiagramm von Nagasaki,Japan). NachWalter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).

Page 9: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

6.1 Terrest rische t ebensraurne

6.1.6 Klihltemperate Zone der laubabwerfendenWalder

Klima. Charakteristisch fur diese Zone ist ein Klima aus vier Jahreszeiten: Winter mitSchnee und obligaten Frosten bis unter -10°C, warme, niederschlagsreiche Sommerund relativ lange Ubergangsphasen (Fruhjahr, Herbst) . Die Vegetationsperiode dau-ert 6-8 Monate, das Temperaturminimum in dieser Zeit liegt uber 5 "C. Der Iahres -niederschlag betragt 500-1 500 mm und ist gleichmafsig tiber das Iahr verteilt. Hau-fig tritt ein unbestandiger Witterungsverlauf durch frontengebundene Niederschlageauf ( ~Abb. 6.7).Vegetation. Vorherrschend sind relativ artenarme, somrnergrune Laubwalder, die

einen deutlichen Aspektwechsel mit Laubfall und Laubaustrieb aufweisen. Waldersind in Baum-, Strauch- und Krautschicht gegliedert. Die Waldbodenarten (Hemi-kryptophyten) sterben im Herbst ab, im Fruhjahr erscheinen Ephemere (meist Geo-phyten) noch vor dem Laubaustrieb (z. B. Buschwindroschen). Der Laubfall ist pri-mar eine Anpassung an die winterliche Frosttrocknis und fuhrt zu einer Verringerungder transpirierenden Oberflache. Die Stamrne bilden deutliche Jahresringe aus. DieLaubstreu ist leicht zersetzbar und wird rasch abgebaut. Dies fuhrt zu gut ausgebilde-ten Humusschichten. Die kuhltemperaten Walder wurden durch das pleistozane Kal-teklima stark zuruckgedrangt (erzwungene Migrationen) und sind in Europa durchdie Nord-Sud-Barrieren der Alpen und des Mittelmeeres begrenzt. Daher ist die euro-paische Waldgeholzflora wesentlich artenarrner als die Nordamerikas und Ostasiens.Die meisten dieser Gebiete wurden durch den Menschen stark zuruckgedrangt unddurch Acker-, Weide- und Gartenkulturen bzw. urbane Zentren ersetzt.Tierwelt. Bei der Tierwelt handelt es sich im Wesentlichen urn eine typische Wald-

fauna mit charakteristischen Kalteanpassungen, Viele Vogelarten wandern nachSuden, viele Sanger halten Winterschlaf, wechselwarme Tiere (z, B.Amphibien) fallenin Kaltestarre, Wirbellose weisen spezifische Uberdauerungsstadien auf.

253

11~I'~~~WlShlnglo n D.C. (22 m) mm ,i-- ~[30) 13,8' 1053 300

' C 20050

IJ~l~_~100

40 80

30 60

20 ' 40

10 20

\-1.7- 26,1 0 ,

,/

6.7 Verbreitung der kOhl-temperaten Zone der laubwerfenden Walder (Klimadiagramm von Washington D.C.,USA). NachWalter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).

Page 10: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

254

Achtuba (5 m)[24.10)

·c30

20

10 -

- 13,7- 37. 7

- 10

6 Grofllebensraume der Erde

6.1.7 Winterkalte Steppen, Halbwusten und Wusten(kalt-aride Zone)

Klima. Die kalt-aride Zone ist durch kalte Winter mit Frosten unter -10°C und tro-ckene, heifseSommer gekennzeichnet ( ~Abb. 6.8). Ein Teildes Niederschlags (hochs-tens 400 mm) fallt als Schnee. Das Schneeschmelzwasser ist wesentlich fur die Boden-durchfeuchtung und bildet einen wichtigen Wasservorrat im trockenen Friihsommer.Die gunstigen Wachstumsbedingungen sind auf nur 2-5 Monate im Friihjahr undFruhsommer reduziert.Vegetation. Bei Niederschlagen tiber 250 mm bilden sich Steppen, zwischen 100

und 250 mm Halbwiisten , unter 100 mm Vollwiisten. Die Steppen sind als ausge-dehnte, artenreiche Wiesensteppen, Hochgras- oder Kurzgrasprarien (great plains)ausgebildet. Eine Entwicklung von Friihlingsbliihern tiber Friihsommerstadien zutrockenem Spatsommeraspekt ist ausgeprsgt. Zum Teil gibt es ausgedehnte Uber -gangszonen . Diese sind alsWaldsteppen ausgebildet, als Halbwiisten (meist blattloseStraucher, Geophyten; Sukkulenz ist unbedeutend) oder als Vollwiisten mit kontra-hierter Vegetation. Die gut zersetzbare Streu wird unter starker Beteiligung von Nage-tieren rasch umgesetzt.Steppen und Prarien sind uralte Siedlungsgebiete vor allem von Reiterkulturen.

Wegen ihrer hervorragenden Eignung alsAckerboden wurden sie allerdings in jungs-ter Zeit grofsflachig umgewandelt und sind heute nur noch in Resten (meist alsSchutzgebiete) vorhanden.Tierwelt. Die Tierwelt war urspriinglich durch umfangreiche Bestande an herbivo-

ren Grofssaugern gekennzeichnet, z. B. Bisons in Amerika , Tarpane (Wildpferde) inEuropa oder Saiga-Antilopen in Asien, die heute stark zuruckgedrangt sind. AuchNager sind von groBer Bedeutung (Ziesel,Wuhlmause, Kaninchen) .

7. 7' 255mm60

40

20

o

6.8 Verbreitung winterkalter Steppen, HalbwOsten und WOsten (Klimadiagramm von Achtuba, Russland). NachWalter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).

Page 11: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

6.1 Terrestrische l.ebensraume

6.1.8 Winterkalte Nadelwaldgebiete oder Taiga (boreale Zone)

Klima. Die boreale Zone ist durch kalte, lange Winter von 6-7 Monaten und Frostenunter -20°C gekennzeichnet (~Abb. 6.9). Die Sommer sind kuhl, die Monatsmittelliegen durchwegs unter 18°C und nur 1-3 Monate iiber 10"C.Der Jahresniederschlagist mit unter 500 mm relativ gering, und ein grofser Teil des Niederschlags fallt alsSchnee. Durch die Kalte ist der Niederschlag aber hoher als die potenzielle Evapo-transpiration, dadurch entsteht ein humides Klima. 1m Sommer herrschen Langtag-bedingungen (Mittsommernacht) , im Winter lange Polarnachte.Vegetation. Nadelwalder (Taiga) mit einer einfachen Baumschicht aus Fichten,

Tannen, Larchen und Kiefern dominieren. Die Walder weisen einen moos-, chamae-phyten-, hemikryptophyten- und geophytenreichen Unterwuchs auf, einjahrigePflanzen fehlen fast ganz. Eine helle Taiga in den kont inentalsten Bereichen (domi-niert von Larchen) wird von einer dunklen Taiga mit immergriinen Nadelholzernunterschieden. Floristisch sind sie jeweils sehr einheitlich. Boreale Laubholzer sindPioniere in Windwurf- und Brandflachen. Feuer ist als okologischer Faktor in konti -nentalen Gebieten von Nordamerika und Sibirien sehr bedeutend. Die Boden sindstark sauer, die Bodenfauna ist artenarm und die Bodenstreu schlecht zersetzbar. DieBoden sind im Winter gefroren, aber auch ganzjahrig gefrorene Boden (Permafrost-boden), auf denen z. T. immer noch Wald wachsen kann, sind weit verbreitet.Tierwelt. Die Tierwelt ist durch grofseSaugetiere gekennzeichnet (Hirsche, Baren,

Biber,Wolfe, Fuchse, Schneehasen), viele kommen jedoch nur in geringer Dichte vor.Zu den Anpassungen der Tiere gehoren jahresperiodische Wanderungen bei Vogeln,Winterschlaf bei Saugetieren (Erdhornchen, Murmeltiere) bzw. ein Leben unter derisolierenden Schneedecke (Manse, Spitzmause) (S. 13).

255

Archong elsk (10m)[61-24 )

' C40

0.4' 466mm80

60

40

20

o

6.9 Verbreitung winterkalter Nadelwaldgebiete (Klimadiagramm von Archangelsk, Russland). NachWalter undBreckle (1999) und Sitte et al. (2002).

Page 12: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

256 6 GroB lebensraume der Erde

6.1.9 Tundren und polare Wiisten (polare und subpolare Zone)

Klima. Polartundren und -wiisten sind durch kalte, lange Winter von mehr als neunMonaten Dauer mit extremen Frosten (unter -30 °C) und einer Vegetationszeit vonnur 1-3 Monaten mit Mitteltemperaturen von iiber 5 °C gekennzeichnet ( ~ Abb.6.10). Der Niederschlag ist insgesamt gering (unter 250 mm) und fallt vorwiegend alsSchnee. Durch die geringe Verdunstung ist das Klima jedoch humid. Starke Verglet-scherung und periglaziale Gelandeformen sind bedeutend.Vegetation. Diese Lebensraume weisen ein waldfeindliches Klima auf. Mit zuneh-

menden Breitengraden geht eine oft sehr ausgedehnte Waldtundra in eine Zwerg-strauchtundra, eine Grastundra (Trocken-, Feucht-, Nasstundra) und schliefslich ineine polare Kaltewuste iiber. Die Flora ist relativ artenarm und im Bereich der Nord-hemisphare sehr einheitlich. Auf der Sudhemisphare kommen endemische Inselflo-ren und Tussockgraslander mit groBen Horsten vor. Durch Kalte und Staunasse inden aufgetauten Permafrostboden ist die Zersetzungsrate sehr gering, sodass sichhohe Rohhumusauflagen und Torfbildungen ergeben.Tierwelt. Die Tierwelt ist durch hohe Dichten an Saugetieren (Rentieren,Moschus-

ochsen , Lemmingen) und Vogeln (Watvogeln, Gansen, Enten) und gleichzeitig gro-Ben Artenreichtum gekennzeichnet. An den Kiisten leben Robben, Walrosse, Eisba-ren, Tolpel, Alke usw. Zu ihren Kalte- und Schneeanpassungen gehoren Wanderun-gen (z,B.Vogelzug),Haar- und Federwechsel zu hellen oder weiBen Farben (teils auchganzjahrig).

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6.10 Verbreitung der Tundren und polaren WU5ten (Klimadiagramm von Karskije Vorota, Insel Vaigatsch, Russ-land). NachWalter und Breckle (1999) und Sitte et al. (2002).

Page 13: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

6.2 Limnische t.ebensraume

6.2 limnische tebensraurne

Die Gewasser des Festlandes, Fliefsgewasser und Seen, sind mit dem jeweiligen Klimaund den umgebenden terrestrischen Lebensraumen verbunden. Eine strenge Paralle-lisierung mit den Landlebensraumen, beispielsweise im Sinne eines fur einebestimmte Pflanzengesellschaft typischen Gewassers oder eines "typischen Savannen-gewassers", ist allerdings nicht moglich. Die Lebensgemeinschaften im Wasser sindprimar von dessen physikalischen und chemischen, lebensraumbestimmendenEigenschaften abhangig. Oft steht ein Faktor im Vordergrund, der von den Lebeweseneine bestimmte Spezialisierung verlangt (z. B. Nahrstoffrnangel, Sauerstoffmangel,Stromung, Eisbildung, hoher Salzgehalt usw.).Verglichen mit den Landlebensraumen werden die Bedingungen im Wasser

wesentlich durch dessen hohere Dichte und Viskositat, in Fliissen auBerdem durch dieStromung gepragt. Entsprechend eng sind die Anpassungen, und der Grad an Kon-vergenz ist sehr hoch. Limnologie und Meeresbiologie unterscheiden daher imWesentlichen auch nur zwischen zwei Lebensformen des freien Wassers, dem Plank-ton und dem Nekton. Planktonorganismen schweben im freien Wasserkorper (Pela-gial) und nutzen den Auftrieb, wohingegen sich Nektonorganismen aktiv und im Ver-haltnis zur Korpergrofse iiber groBe Distanzen bewegen (im SiiBwasser sind diesiiberwiegend Fische). Der Gewassergrund, das Benthal, wird von vielen sedentaren,d. h. festsitzenden Organismen besiedelt (Benthos). Die vagilen Rauber und Weide-ganger bewegen sich aufgrund des hohen Widerstands langsam. Vertreter aller dieserLebensformen finden sich auch in der Makrophytenzone (Schilfrohrichte, Laich-kraut- und Armleuchteralgenwiesen) des Litorals.In den Fliissen und Bachen verlangt die Stromung Anpassungen in Form stromli-

nienartiger Korper bzw.Haftorgane fur die Organismen des Gewassergrundes. Plank-tonorganismen fehlen in rasch strornenden Fliefsgewassern. Unabhangig von floristi-schen und faunistischen Unterschieden sind daher die Lebensformen des freien Was-sers wie auch des Gewassergrundes in GroBe und Form sehr ahnlich und die entspre-chenden Lebensgemeinschaften praktisch auf der ganzen Welt aus gleichenLebensformen aufgebaut (Konvergenz).

6.2.1 FlieBgewasser

1m weltweiten Uberblick kann zwischen zwei Grundtypen unterschieden werden(lilies 1961): Rhithralfliisse und Potamalflusse, Das Rhithron zeichnet sich durchhohe FlieBgeschwindigkeit, niedrige Temperaturen, geringe Temperaturschwankun-gen und hohen Sauerstoffgehalt aus. Die Abflussschwankungen stehen in enger Bezie-hung zum Niederschlagsregime und der Niederschlagsmenge im Einzugsgebiet (z. B.Friihsommerhochwasser schneereicher Hochgebirge, Friihlingshochwasser schnee-reicher Mittelgebirge, Monsunhochwasser). Stromungstolerante Lebensgemeinschaf-ten und Lebensformen sind typisch. Dies trifft vor allem fur die Benthosfauna, dieLebewelt am Gewasserboden, zu, fur die abgeflachte Korper, Haft- und Saugapparatekennzeichnend sind . Der sandig-schotterige Gewasserboden mit seinem Liickensys-tern (hyporheisches Interstitial) bietet zahlreichen strornungsintoleranten Arten

257

Page 14: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

258 6 Grof3lebensraume der Erde

Lebensraum. Das Wasser im hyporheischen Interstitial bleibt in der Regel von Eisbil-dung verschont, bildet somit fur viele Tiere einen Ruckzugslebensraum. Bei denFischen dominieren Winterlaicher (z. B.Saiblinge und Bachforelle).1m Potamon fluktuieren die Wassertemperaturen starker und werden von Luft-

temperatur und der direkten Sonneneinstrahlung mitbestimmt. Auch der Sauerstoff-gehalt variiert starker, bleibt aber allgemein bei eher geringeren Konzentrationen. DieStromung ist gering, besonders nahe dem Gewassergrund, Hier kommen vor allemeurytherme Arten, die auch mit geringen Sauerstoffmengen leben konnen, vor. Essind oft dieselben, die auch in stehenden Gewassern gefunden werden. Unter denFischen dominieren Sommerlaicher.

6.2.2 Seen

Bei Seen spielt als okologisches Klassifizierungskriterium die jahreszeitlich abhangigeDurchmischung des Wasserkorpers, die durch unterschiedliche Temperaturschich-tung zustande kommt, eine wesentliche Rolle. Die Seen unserer Breiten (kuhltempe-rate Lebensraume) durchmischen sich zweimal im Iahr, im Herbst und im Fruhjahr(dimiktische Seen, ~ Abb. 6.11). 1m Sommer ist das warme Oberflachenwasser durcheine temperaturbedingte Sprungschicht (Thermokline) vom kalten und schwererenTiefenwasser getrennt. Die Temperaturunterschiede losen sich im Herbst durch diesinkenden Umgebungstemperaturen auf, sodass sich das Wasser durchmischt. 1mWinter bildet sich wieder eine Sprungschicht aus, diesmal allerdings ist das Oberfla-chenwasser biter als das Tiefenwasser. Wesentlich verantwortlich fur diese Schich-tung ist aufser der Temperatur die Tatsache, dass Wasser bei etwa 4 °C sein Dichtema-ximumhat.Seen in Gebieten, die ganzjahrig warm (Tropen, Subtropen) oder kalt sind (polare

Gebiete), durchmischen sich nie (amiktisch). In Gebieten, in denen die Temperatu-ren im Winter nicht langere Zeit unter 4 °C absinken (mediterrane und warmtempe-rate Lebensraume), durchmischen sich die Seen nur einmal im Iahr im Winter(monomiktisch). Ebenso mischt sich das Wasser in tropisch-subtropischen Regen-zeitengebieten durch die Dichteunterschiede, die durch den Niederschlags- bzw.Tem-peraturwechsel bedingt sind, einmal im Iahr, Flache Seen durchmischen sich durchdie taglichen Temperaturschwankungen standig (polymiktisch) .Vom Nahrstoffgehalt her ist eine Einteilung in nahrstoffreiche Seen (eutrophe

Seen) mit meist flachem Becken und breiter Uferbank, reichlichem Phyto- und Zoo -plankton und gut ausgebildeter Ufervegetation sowie in nahrstoffarme Seen (oligo-trophe Seen) mit tiefem Becken und schmaler Uferbank, geringer Planktonentwick-lung und damit klarem Wasser weit verbreitet. Oligotrophe Seen findet man haufigerin hoheren Lagen, an Gebirgsrandlagen (oft junge, erst nach der Vereisung entstan-dene Seen) und in der Arktis, eutrophe Seen eher im Flachland und in warmerenRegionen.Wie man die Seen auch einteilt, die vorherrschenden Lebensformen in ihnen

(Plankton- und Nektonorganismen) unterscheiden sich praktisch nicht. Der hoheGrad an Konvergenz wird durch die dominierenden Faktoren Wasserdichte und die

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6.3 GroBlebensraume des Meeres 259

Sommer

Winter

Herbst

Friihling

6.11 Zirkulation desWasserkorpers in einem dimiktischen See.

hohe Viskositat des Wassers bestimmt. In Landokosysternen ist die Lebensformen-vielfaIt wesentlich groBer.

6.3 GroBlebensraume des MeeresZweifellos sind die Lebensbedingungen in den Tropenmeeren nicht dieselben wie inden Polarmeeren. Eine analoge Gliederung wie fur die Landlebensraume ist aber auchim Meer nicht sinnvoll. Zwischen den Teillebensraumen des Meeres, den Kusten, demSchelf und der Tiefsee bestehen grofsere Unterschiede als zwischen den Meeren derverschiedenen WeItteile (Ott 1996). Wie im SuBwasser wird zwischen Pelagial, demLebensraum des freien Wassers, und dem Benthal, dem Lebensraum am Gewasser-boden unterschieden (~ Abb. 6.12). Pelagial- und Benthalgemeinschaften der Seenund des Meeres sind sich in ihrer Lebensformenstruktur ahnlich. Dichte und Visko-sitat des Wassers sind auch fur die Mobilitat der Meeresbewohner entscheidende Fak-toren. Dem SalzgehaIt des Meeres begegnen die Meeresorganismen mit verschiedenenphysiologischen Anpassungen.

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260 6 Grofllebensraume der Erde

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6.12 Gliederung desMeeres und Verteilung der wichtigsten Produzententypen. NachOtt(1996),

6.3.1 Pelagial

Das Pelagia! des Meeres, dessen Hauptbewohner wie im Sufswasser kleine Plankton-und groBe (im Meer auch sehr groBe) Nektonorganismen sind, kann in zwei unter-schiedliche Provinzen geteilt werden: jene des Schelfbereichs (neritische Provinz), inder das Licht bis zum Meeresgrund dringt, und jene des offenen Ozeans tiber demKontinentalabhang und den Tiefseeboden (ozeanische Provinz). Die neritische Pro-vinz wird besonders in der temperaten Zone durch Zirkulation bis zum Grunderfasst. Es kommt zur Durchmischung des Wassers mit Sauerstoff und Nahrstoffen,Licht, ebenfalls bis zum Grund reichend, errnoglicht photosynthetische Produktion.Insgesamt ist die ArtenvielfaIt des Planktons hoch. Die ozeanische Provinz besitzteine durchschnittliche Tiefe von 4 000 m, reicht aber in den Tiefseegraben noch bis inTiefen von mehr als 10000 m hinab. Mit der Tiefe nehmen die Komplexitat und Viel-fait der Lebensgemeinschaften ab, aber noch die grofsten Tiefen sind belebt. Wesent-liches Charakteristikum dieser Provinz ist, dass ein GroBteil auBerhalb des photosyn-thetisch aktiven Bereichs liegt. Als Primarproduzenten leben in dieser aphotischenZone nur aerobe oder anaerobe chemoautotrophe Organismen ( ~Tab. 3.1), derenProduktion aber nur im Bereich heifer Gasaustritte bedeutend ist. Der Nahrstoffge-haIt des ozeanischen Wassers ist durch die fehlende Durchmischung gering (Aus-nahme sind Auftriebsgebiete, upwellings, z. B. an den Westkusten Sudamerikas undder Namib). Das gilt auch fur die Schwankungen von Temperatur und Salzgehalt.Einige Verwandtschaftsgruppen haben sich in der ozeanischen Provinz besondersreich entwickelt, so die Foraminiferen, Radiolarien und Coccolithophoriden, derenSchalen einen wichtigen Bestandteil der Meeressedimente bilden.

Page 17: Ökologie kompakt || Großlebensräume der Erde

6.3 Grofllebensraurne des Meeres

6.3.2 Benthal

Auch beim Benthal des Meeres sind es die gewaltigen Dimensionen, besonders jeneder aphotischen Zone, die es vom Sufswasserbenthal absetzen. Hierzu kommen Wel-lenschlag und Gezeiten im Kiistenbereich. Kiistenbereiche konnen je nach Form,Sedimentbeschaffenheit (Fels-, Sandkuste), Nahrstoffgehalt und Temperaturschwan-kungen des Wassers sehr unterschiedlich sein. Einheitlicher ist das Benthal der apho-tischen Zone, obwohl auch hier mit den heiBen Gasaustritten (black smokers) imBereich der Beruhrungsnahte der Kontinentalplatten Lebensraume sehr eigenwilligerArt auftreten. Analog zu den Habitattypen des Festlandes lassen sich auch fur das Ben-thaI des Meeres charakteristische Standorte mit entsprechenden Lebensgemeinschaf-ten unterscheiden und beschreiben (Ott 1996).Felskiisten konnen in eine Spritzzone (Supralitoral), eine Gezeitenzone (Eulito-

ral) und eine dauernd wasserbedeckte Zone (Sublitoral) untergliedert werden . Siesind durch einen Wechsel mariner und atmospharischer Einflusse im Sub- und Euli-toral, hohe mechanische Belastung durch Wellenschlag (Staudruck und Scherkrafte)sowie durch extreme Wechsel von Temperatur und Salzkonzentration vor allem imSupralitoral und Eulitoral (Verdunstung, Aussufsen durch Niederschlag) gekenn-zeichnet.Wattenkiisten bilden sich bei extrem flacher Kustenneigung, etwa im Innern tiefer

Buchten oder hinter barrierebildenden Inseln. Das beste Beispiel ist das Wattenmeerder Nordsee, gegliedert in supralitorale Salzmarschen, das eigentliche Watt (uberflu-tete Sand- und Schlickflachen) und den Strandwall an der Niedrigwasserlinie. Cha-rakteristisch sind auch die Priele, d. h. Kanale, in denen das Wasser abflieBt.Marschen und Mangroven sind Bestande von aus dem Wasser ragenden GefaB-

pflanzen. Sie entstehen an geschiitzten Verlandungskiisten und dringen bis etwa zurMittelwasserlinie seewarts vor. Bei Marschen handelt es sich oft urn Monokulturenvon Marschgras (Spartina). Mangroven sind Walder und Gebiische mit Stelzwurzeln(vor allem Rhizophora, Sonneratia und Avicennia).Seegraswiesen wachsen auf standig wasserbedeckten, flachen oder schwach

geneigten Sedimentboden der Starklichtzone. Das Seegras ist mit seinen ausgedehn-ten Rhizomsystemen im Boden verankert und bildet Bestande bis zu 1m Hohe, See-graswiesen und Algenmatten bieten in der strukturarmen Umgebung des Meeres-grundes strukturreiche Bestande an und sind ein wichtiger Lebensraum und Laich-platz fur viele Tiere.In Schelfgebieten sind bis zu 40 % des Bodens von Sandboden bedeckt, die gegen

den Schelfrand in Silt- und Tonboden iibergehen. Solche Feinsedimentboden enthal-ten, vor allem im Miindungsgebiet von Flussen, einen hohen Anteil Sedimentfracht.In Buchten und Lagunen bestehen die Schlarnmboden bis zu 90 % aus Ausscheidun-gen von Suspensionsfressern. Oberhalb der Wellenbasis ist die Tierwelt artenarm undvon geringer Dichte, unterhalb der Wellenbasis findet sich ein grofserer Arten- undFormenreichtum, besonders von grabenden Tieren (Muscheln, Schnecken, Borsten-wurmern, Krebsen, Stachelhautem).Korallenriffe kommen ausschlieBlich in den warmen Meeren vor. Sie sind extrem

stenotherm und auf die Starklichtzone beschrankt, Das Grundgeriist eines Korallen-riffes bilden Steinkorallen (Madreporaria), die in enger Symbiose mit Algen (Zoo-

261

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262

7 Fragen•

6 Grofllebensraume der Erde

xanthellen) leben. Die Hauptmasse des Kalkes aber wird yon Algen, Foraminiferen,Hydrozoen, Mollusken, sedentaren Polychaeten und Moostierchen (Bryozoa) gebil-det.Die Abgrenzung der Tiefsee ist schwierig. Einerseits reichen die Kontinentalsockel

bis in 4000 m Tiefe hinunter, andererseits kommen Tiefseearten in den Polarmeerenschon bei 100 m Tiefe vor, Gemeinhin bezeichnen wir den Bereich zwischen demKontinentalrand in 200 m Tiefe und dem Kontinentalsockel in 4000 m Tiefe alsBathyal. Die eigentliche Tiefsee (Abyssal) reicht yon 4000-6000 m Tiefe, darunterliegen die Tiefseegraben, das Hadal. Rund 70% der Weltmeere sind tiefer als 4 000 m.Vollige Dunkelheit, konstante niedrige Temperaturen urn -2 bis +2 DC, hoher hydro-statischer Druck, schwache Wasserbewegung und geringes Nahrstoffangebot kenn-zeichnen das Leben in der Tiefsee. Hier sind zahlreiche charakteristische Tiefseeland-schaften ausgepragt: Kontinentalabdachung mit starken Stromungen und Sediment-umlagerung, steilwandige Canyons mit yon Trubstromen gebildeten Schwemmke-geln, pelagische Sedimentflachen, riesige Flachen yon rotem Tiefseeton in landfernenBecken, Manganknollenfelder und primare Hartboden der zentralen Kamme undSpreizungsachsen. Die Organismenwelt der Tiefsee ist allgemein noch weitgehendunbekannt.

1. Erklaren Sie den Aufbau eines Klimadiagramms. 02. Warum wird zur Einteilung der terrestrischen t.ebensraume die Vegetation, aber nicht die

Tierwelt verwendet? 03. Nennen und charakterisieren Sie die neun terrestrischen Grofllebensraume der Erde. 04. Erklaren Sie die okoloqischen Unterschiede zwischen terrestr ischen und limnischen Lebens-

raurnen. 05. Warum lassen sich Lebensraurne im aquatischen Bereich nicht gut anhand von Klimadaten

einteilen? 06. DasWeltmeer erscheint uns als ein einheitlicher Wasserkorper. Nach welchen Parametern

kann es dennoch untergliedert werden? 0

Die Auflosungen der Fragen sind im Internet zu finden (http://www.oekologiebuch.unibe.ch).