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PRAXIS 42 ST.GEORG 6/2005 Erst die Saat, dann die Ernte M arleen präsentiert sich und Gerome sehr pro- fessionell. Ihrer Leis- tungsklasse D2 ent- sprechend hat sie den Wallach auf Kandare gezäumt. In der Lösungs- arbeit wählt sie den klassischen Weg, über Trab und gebogene Li- nien sich und das Pferd locker zu machen. Dabei zeigt sich recht schnell, dass selbst in dieser hohen Klasse (Ziel: S) oft noch Sitzkor- rekturen nötig sind: Marleen könn- te stabiler in der Mittelpositur sit- zen, dann wären ihre Hände nicht so unruhig und ihre Schenkel wür- den weniger klopfen. Gerome ar- beitet zwar willig mit, dennoch macht sich schnell bemerkbar, dass er intelligent und „sparsam“ ist: Er tut nur so viel, wie er muss. Martina Hannöver konzentriert sich folglich zunächst auf Sitzkorrektu- ren, denn bekanntlich können nur aus einem korrekten Sitz auch kor- rekte Hilfen gegeben werden. An- schaulich verknüpft sie Ursache und Wirkung: Marleen soll zum Beispiel mit der Wade deutlich ru- higer agieren, statt bei nahezu je- dem Tritt des Pferdes den Sporen zu benutzen. „Motiviere das Pferd, von allein vorwärts zu gehen. Dann hast du mehr Möglichkeiten, dich auf korrektes Sitzen zu konzentrie- ren.“ Von vornherein behält die Ausbil- derin das formulierte Ziel – näm- Gelungener Bergauf-Galopp: So zeigen sich Marleen und Gerome am Ende des Trainings. Profireitstunde Offizieller Ausrüster des deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei. Martina Hannöver- Sternberg Die 38-jährige Pferdewirt- schaftsmeisterin hat be- reits zahlreiche Pferde in den Grand Prix-Sport ge- bracht und war häufig hoch platziert bei Deut- schen Meisterschaften. Nach vielen Jahren intensi- ver Zusammenarbeit mit Herbert Rehbein auf dem Grönwohldhof hat sich Martina Hannöver-Stern- berg gemeinsam mit ihrem Mann 1999 in Lütjensee bei Hamburg mit einem ei- genen Betrieb selbststän- dig gemacht. Nicht nur na- tional, auch international macht die Ausbilderin von sich reden – unter ande- rem durch Lehrveranstal- tungen in Australien und das Training portugiesi- scher Dressurreiter, das sie seit drei Jahren erfolgreich betreibt. Die Trainerin Verspannte Einleitung zur Pirouette: Gerome drückt rechts den Rücken hoch, Marleen sitzt darum schief. Präsentiert von 6/2005 ST.GEORG 43 Marleen Sievert und Gerome Marleen ist 25 Jahre alt und möchte das Reiten vielleicht einmal zu einem zweiten beruflichen Standbein ausbauen. Darum absolvierte sie Anfang des Jahres erfolgreich ihren Trainer A. Mit dem zehnjährigen Wallach Gerome ist sie bis zur Klasse M/A platziert, nun möchte sie den Sprung in die Klasse S wagen. Doch dabei sind ihr die Pirouetten im Weg. „Gerome fällt es schwer, dabei Last aufzunehmen und er hebt sich heraus“, beschreibt sie ihr Problem. Egal ob man eine A- oder eine S- Dressur im Visier hat – eins bleibt für Martina Han- növer-Sternberg immer im Vorder- grund: die grund- legende Arbeit am Sitz des Reiters und an den Grund- gangarten des Pferdes. Dass ei- nem dann die Lek- tionen wie reife Früchte in den Schoß fallen, ha- ben die drei Ge- winnerinnen der Profi-Reitstunde am eigenen Leib erfahren... zögernd reagiert das Pferd. Es dau- ert drei, vier Trabtritte, ehe Gerome wirklich „Gas gibt“, und es dauert genauso lange, bis er wieder ver- sammelter trabt. „Deine Verbindung zum Pferd darf nicht so verzögert sein“, beschreibt Martina Hannöver das Problem. „Er muss fleißiger werden und vor allem schneller reagieren“, fordert sie. „Anders gesagt: deine Tele- fonverbindung zu Gerome muss störungsfreier sein.“ Marleen ge- lingt es bereits nach einigen Run- den, diese Forderung besser zu er- füllen, doch Martina Hannöver ist immer noch nicht zufrieden. „Das geht noch besser, Marleen. Stell‘ dir vor, du hast ein „Date“ zum Abendessen mit deinem Pferd. Es genügt aber nicht, nur das Date zu machen und dann dort zu erschei- nen – du muss auch aktiv werden, du musst etwas auf den Tisch brin- gen!“ Marleen lacht, strafft den Oberkörper, setzt sich tiefer in den Sattel und „serviert“ ihrem Pferd danach noch deutlichere Hilfen. mit Martina Hannöver-Sternberg Reiterin und Pferd Foto links: Gerome ist nicht genügend versammelt, um in die Pirouette zu gehen. Darum hebt er sich deutlich he- raus. Foto rechts: Martina Hannöver hat Gero- me in der Vorberei- tung besser versam- melt, darum gelingt die Pirouette besser. Nun darf Marleen galoppieren – also die Gangart reiten, in der auch die Pirouetten geritten wer- den. Auch hier soll Marleen da- rauf achten, ihr Tempo mehr zu variieren, um Gerome aufmerk- samer zu machen. Immer wieder kehrt Martina Hannöver zurück zu Sitzkorrekturen: „Du musst ru- higer im Oberkörper sitzen, nicht so wühlen, um dein Pferd vor- wärts zu reiten. Wenn du dich groß machst, wird auch dein Pferd groß“, erklärt sie Marleen. In der Vorbereitung zur Pirouet- tenarbeit soll Marleen dann im- mer wieder wechseln zwischen traversartigem Galopp – versam- melt geritten – und Geradeausrei- ten – dabei zulegen. Gerome „hakt“, sobald Marleen das Tem- po zurückführt, er springt nicht mehr so flüssig durch. „Er traut dir nicht“, stellt Martina Hannöver fest. „Versuche, das traversartige Reiten viel öfter und spielerischer in deine Arbeit einzubeziehen“, rät sie Marleen für die Zukunft. Um besser herauszufinden, wie sich das Problem abstellen lässt, schwingt sich die Lehrerin selbst in den Sattel. Gerome geht willig auf die Hilfen von Martina Han- lich die Arbeit an den Pirouetten – im Auge. Scheinbar „nebenbei“ baut sie den Unterricht auf dieses Ziel gerichtet auf. „Das Hinter- bein deines Pferdes muss erst ein- mal gut nach vorne durchschwin- gen“, fordert Martina Hannöver. Schubkraft und Tragkraft muss das Pferd aufbauen, bevor es so schwere Lektionen wie Pirouet- ten meistern kann. In der Lö- sungsphase soll Marleen darum zunächst viele Übergänge inner- halb einer Gangart reiten – zule- gen und aufnehmen. Hier zeigt sich eine generelle, dennoch re- lativ leicht zu behebende Schwie- rigkeit des Paares: Marleen for- dert immer nur zögernd, genauso Martina Hannöver rät: „Marleen ist eine ehrgeizige Reiterin mit viel Gefühl und Routine. Es gibt aber einige Feinheiten, an denen sie arbeiten muss, besonders was ihren Sitz angeht: Dadurch dass Marleen in der Mittelpositur nicht stabil genug ist, werden Ober- und Unterkörper zu wacklig – der Schenkel klopft, die Hände geben Gerome keine sichere Anleh- nung. Darum gelingt es der Reiterin noch nicht gut genug, ihr Pferd auf kleinere, feinere Hilfen einzustellen, sozusagen seine „Zün- dung“ zu verfeinern. Marleens großer Vorteil ist, dass sie Korrektu- ren sehr gut umsetzen kann. Sie zeigt große Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten, weil sie genau weiß, dass danach die Arbeit an den Lektionen leichter wird. Wenn Marleen ihren Sitz ein wenig sta- bilisiert und etwas spielerischer mit der Arbeit an Lektionen um- geht, werden die Pirouetten schon in dieser Saison gut genug sein, um in der Klasse S gut mithalten zu können.“ Fotos: Toffi

Offizieller Ausrüster des deutschen Olympiade-Komitees für ... · Damit Lando seine Qualitäten im Trab un- ter Beweis stellen kann, muss er insgesamt stärker angepackt werden

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PRAXIS

42 ST.GEORG 6/2005

Erst die Saat, dann

dieErnte

Marleen präsentiert sichund Gerome sehr pro-fessionell. Ihrer Leis-tungsklasse D2 ent-

sprechend hat sie den Wallach aufKandare gezäumt. In der Lösungs-arbeit wählt sie den klassischenWeg, über Trab und gebogene Li-nien sich und das Pferd locker zumachen. Dabei zeigt sich rechtschnell, dass selbst in dieser hohenKlasse (Ziel: S) oft noch Sitzkor-rekturen nötig sind: Marleen könn-te stabiler in der Mittelpositur sit-zen, dann wären ihre Hände nichtso unruhig und ihre Schenkel wür-den weniger klopfen. Gerome ar-beitet zwar willig mit, dennochmacht sich schnell bemerkbar, dass

er intelligent und „sparsam“ ist: Ertut nur so viel, wie er muss. Martina Hannöver konzentriert sichfolglich zunächst auf Sitzkorrektu-ren, denn bekanntlich können nuraus einem korrekten Sitz auch kor-rekte Hilfen gegeben werden. An-schaulich verknüpft sie Ursacheund Wirkung: Marleen soll zumBeispiel mit der Wade deutlich ru-higer agieren, statt bei nahezu je-dem Tritt des Pferdes den Sporenzu benutzen. „Motiviere das Pferd,von allein vorwärts zu gehen. Dannhast du mehr Möglichkeiten, dichauf korrektes Sitzen zu konzentrie-ren.“Von vornherein behält die Ausbil-derin das formulierte Ziel – näm-

Gelungener Bergauf-Galopp: So zeigen sich Marleen und Gerome am Ende des Trainings.

ProfireitstundeOffizieller Ausrüster

des deutschenOlympiade-Komitees

für Reiterei.

Martina Hannöver-Sternberg

Die 38-jährige Pferdewirt-schaftsmeisterin hat be-reits zahlreiche Pferde inden Grand Prix-Sport ge-bracht und war häufighoch platziert bei Deut-schen Meisterschaften.Nach vielen Jahren intensi-ver Zusammenarbeit mitHerbert Rehbein auf demGrönwohldhof hat sichMartina Hannöver-Stern-berg gemeinsam mit ihremMann 1999 in Lütjenseebei Hamburg mit einem ei-genen Betrieb selbststän-dig gemacht. Nicht nur na-tional, auch internationalmacht die Ausbilderin vonsich reden – unter ande-rem durch Lehrveranstal-tungen in Australien unddas Training portugiesi-scher Dressurreiter, das sieseit drei Jahren erfolgreichbetreibt.

Die Trainerin

Verspannte Einleitung zurPirouette: Gerome drücktrechts den Rücken hoch,Marleen sitzt darum schief.

Präsentiert von

6/2005 ST.GEORG 43

Marleen Sievert und Gerome

Marleen ist 25 Jahre alt und möchte das Reiten vielleicht einmal zu einem zweiten beruflichenStandbein ausbauen. Darum absolvierte sie Anfang des Jahres erfolgreich ihren Trainer A.Mit dem zehnjährigen Wallach Gerome ist sie bis zur Klasse M/A platziert, nun möchte sieden Sprung in die Klasse S wagen. Doch dabei sind ihr die Pirouetten im Weg. „Gerome fälltes schwer, dabei Last aufzunehmen und er hebt sich heraus“, beschreibt sie ihr Problem.

Egal ob man eineA- oder eine S-Dressur im Visierhat – eins bleibtfür Martina Han-növer-Sternbergimmer im Vorder-grund: die grund-legende Arbeit amSitz des Reitersund an den Grund-gangarten desPferdes. Dass ei-nem dann die Lek-tionen wie reifeFrüchte in denSchoß fallen, ha-ben die drei Ge-winnerinnen derProfi-Reitstundeam eigenen Leiberfahren...

zögernd reagiert das Pferd. Es dau-ert drei, vier Trabtritte, ehe Geromewirklich „Gas gibt“, und es dauertgenauso lange, bis er wieder ver-sammelter trabt.„Deine Verbindung zum Pferd darfnicht so verzögert sein“, beschreibtMartina Hannöver das Problem.„Er muss fleißiger werden und vorallem schneller reagieren“, fordertsie. „Anders gesagt: deine Tele-fonverbindung zu Gerome mussstörungsfreier sein.“ Marleen ge-lingt es bereits nach einigen Run-

den, diese Forderung besser zu er-füllen, doch Martina Hannöver istimmer noch nicht zufrieden. „Dasgeht noch besser, Marleen. Stell‘dir vor, du hast ein „Date“ zumAbendessen mit deinem Pferd. Esgenügt aber nicht, nur das Date zumachen und dann dort zu erschei-nen – du muss auch aktiv werden,du musst etwas auf den Tisch brin-gen!“ Marleen lacht, strafft denOberkörper, setzt sich tiefer in denSattel und „serviert“ ihrem Pferddanach noch deutlichere Hilfen.

mit Martina Hannöver-SternbergReiterin und Pferd

Foto links: Geromeist nicht genügendversammelt, um indie Pirouette zugehen. Darum hebter sich deutlich he-raus.Foto rechts: MartinaHannöver hat Gero-me in der Vorberei-tung besser versam-melt, darum gelingtdie Pirouette besser.

Nun darf Marleen galoppieren –also die Gangart reiten, in derauch die Pirouetten geritten wer-den. Auch hier soll Marleen da-rauf achten, ihr Tempo mehr zuvariieren, um Gerome aufmerk-samer zu machen. Immer wiederkehrt Martina Hannöver zurückzu Sitzkorrekturen: „Du musst ru-higer im Oberkörper sitzen, nichtso wühlen, um dein Pferd vor-wärts zu reiten. Wenn du dichgroß machst, wird auch dein Pferdgroß“, erklärt sie Marleen.In der Vorbereitung zur Pirouet-tenarbeit soll Marleen dann im-mer wieder wechseln zwischentraversartigem Galopp – versam-melt geritten – und Geradeausrei-ten – dabei zulegen. Gerome„hakt“, sobald Marleen das Tem-po zurückführt, er springt nichtmehr so flüssig durch. „Er trautdir nicht“, stellt Martina Hannöverfest. „Versuche, das traversartigeReiten viel öfter und spielerischerin deine Arbeit einzubeziehen“,rät sie Marleen für die Zukunft.Um besser herauszufinden, wiesich das Problem abstellen lässt,schwingt sich die Lehrerin selbstin den Sattel. Gerome geht willigauf die Hilfen von Martina Han-

lich die Arbeit an den Pirouetten –im Auge. Scheinbar „nebenbei“baut sie den Unterricht auf diesesZiel gerichtet auf. „Das Hinter-bein deines Pferdes muss erst ein-mal gut nach vorne durchschwin-gen“, fordert Martina Hannöver.Schubkraft und Tragkraft mussdas Pferd aufbauen, bevor es soschwere Lektionen wie Pirouet-ten meistern kann. In der Lö-sungsphase soll Marleen darumzunächst viele Übergänge inner-halb einer Gangart reiten – zule-gen und aufnehmen. Hier zeigtsich eine generelle, dennoch re-lativ leicht zu behebende Schwie-rigkeit des Paares: Marleen for-dert immer nur zögernd, genauso

Martina Hannöver rät:„Marleen ist eine ehrgeizige Reiterin mit viel Gefühl und Routine. Esgibt aber einige Feinheiten, an denen sie arbeiten muss, besonderswas ihren Sitz angeht: Dadurch dass Marleen in der Mittelpositurnicht stabil genug ist, werden Ober- und Unterkörper zu wacklig –der Schenkel klopft, die Hände geben Gerome keine sichere Anleh-nung. Darum gelingt es der Reiterin noch nicht gut genug, ihr Pferdauf kleinere, feinere Hilfen einzustellen, sozusagen seine „Zün-dung“ zu verfeinern. Marleens großer Vorteil ist, dass sie Korrektu-ren sehr gut umsetzen kann. Sie zeigt große Bereitschaft, an sichselbst zu arbeiten, weil sie genau weiß, dass danach die Arbeit anden Lektionen leichter wird. Wenn Marleen ihren Sitz ein wenig sta-bilisiert und etwas spielerischer mit der Arbeit an Lektionen um-geht, werden die Pirouetten schon in dieser Saison gut genug sein,um in der Klasse S gut mithalten zu können.“

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növer ein und schon nach sehrkurzer Zeit ist sichtbar, dass sieden Wallach deutlicher versam-meln kann, ohne dass er sich ver-spannt. „Dein Pferd braucht mehrDruck und Schub von hinten,außerdem musst du deine äuße-ren Hilfen an Schenkel und Zü-gel deutlicher einsetzen“, stellt dieAusbilderin fest. „Er beherrschtdie Lektion, verspannt sich aberbereits bei der Einleitung.“ Marti-na Hannöver zeigt ihrer Schüle-

rin den Wechsel zwischen Traversund Geradeaus, der schon erheb-lich flüssiger gelingt. Damit Mar-leen den Unterschied zwischen gutund schlecht besser spürt, soll sienun bewusst mit zu wenig äußerenHilfen reiten, anschließend ihreäußeren Hilfen gezielt stärker ein-

setzen – der Erfolg wird sofortsicht- und spürbar. „Das war gut“,freut sich Marleen, als ihr nun ei-ne große Arbeitspirouette in gu-ter Versammlung gelingt. Das Zielist erreicht, doch eine Aufgabe gibtMartina Hannöver der Studentinnoch mit auf den Weg: „Du musstso aufhören, wie du morgen an-fangen willst“, erklärt MartinaHannöver, und Marleen lässt dieStunde ausklingen mit lockeremZügel-aus-der-Hand-kauen-lassen.

Zu Beginn der Stunde lässtClaudia ihren Wallachrecht lang im Hals, er sollsich in Ruhe an die unge-

wohnte Atmosphäre gewöhnen.„Das ist vom Grundsatz her auchrichtig so“, bestätigt Martina Han-növer, die immer zunächst das Po-sitive hervorhebt. Doch auch ihreersten Korrekturen lassen nichtlange auf sich warten. „Claudia,dein Pferd muss von Anfang anmehr durch den gesamten Körperarbeiten“, fordert die Ausbilderin.Lando senkt zwar den Kopf undgeht ausreichend durchs Genick,doch er schwingt nur wenig vonhinten über den Rücken nach vor-ne durch, der Trab ist recht kurz.Den Grund dafür erkennt MartinaHannöver sofort – auch hier istder Reitersitz die Quelle des Pro-blems. „Bleib’ lockerer im Bein,versuche, bei jedem Tritt deines

Pferdes mit dem Fußgelenk tiefnach unten durchzufedern“, for-dert sie Claudia auf. „Gib‘ deinesteife Einheitshaltung auf, fang‘an, mit deinem Pferd zu spielen!“Claudias Hände geben ihremPferd wenig Anlehnung, der Zügelspringt. „Arbeite deutlicher aus

Präsentiert von

Offizieller Ausrüster des deutschenOlympiade-Komitees für Reiterei.

44 ST.GEORG 6/2005

Claudia Büttner und Lando

Claudia ist 24 Jahre alt, hat zehnjährigmit Longenunterricht angefangen. ZumTraining hat sie ihren achtjährigen Mecklenburger Wallach Lando mitge-bracht. Er gehört ihr, seit er drei Jahre

alt ist, und wurde von Claudia selbst ausgebildet. Bis zurKlasse L sind die beiden in der Dressur erfolgreich, ein Berei-ter hat zudem L-Siege im Springen auf Lando erzielt. Claudiaempfindet ihren Fuchs als sehr lektionssicher, hat aber eingrundsätzliches Problem: „Die Trabtour ist bei uns wenigausdrucksvoll. Tempiwechsel innerhalb des Trabs und Ver-sammlung wollen nicht so recht klappen“, sagt sie.

Reiterin und PferdNach schweißtreibendenRunden haben Claudia undLando zueinander gefun-den: Der Wallach schwingtgut durch den Körper.

Profireitstunde

Hier gelingt Marleen eineoptimale Vorbereitung zurPirouette: Gerome ist gutversammelt und bleibt den-noch locker.

Zu Beginn der Stunde gehtLando zu lang und nicht ehr-lich durchs Genick.

Martina Hannöver rät:„Claudia und Lando sind ein harmonisches Paar, die noch weiter kom-men könnten. Doch dazu muss Claudia kritischer mit sich selbst umge-hen. Sie gibt sich zufrieden mit dem, was Lando ihr anbietet, dabeisollte sie ihren Wallach eigentlich stärker herausfordern. Ihre Einwir-kung ist zu „entspannt“, zu lässig. Sie sollte in der täglichen Arbeitmehr ohne Bügel reiten, um sich im Sitz weiter zu strecken und um einbesseres Gleichgewicht zu finden. Dadurch wird sich auch ihre unruhi-ge Handhaltung verbessern – mit der Folge, dass sie Lando eine stabi-lere Anlehnung bieten kann. Damit Lando seine Qualitäten im Trab un-ter Beweis stellen kann, muss er insgesamt stärker angepackt werden.Es geht bei diesem Paar nicht um das Können, mehr um das Wollen.“

dem Handgelenk, mach‘ kleineund geschmeidige Bewegungen“,fordert Martina Hannöver. An der

Bemuskelung des Wallachs kannman erkennen, dass er ein „Acht-zigprozentiger“ ist – also ein

mit MartinaHannöver-Sternberg

Pferd, das von sich aus nicht hun-dert, sondern nur achtzig Prozentseines Potenzials zu geben bereitist. Darum soll Claudia von An-fang an mit mehr Druck und mehrTempo reiten. „Fordere dein Pferdheraus“, heißt es immer wieder.Nach einigen Runden hat Landobereits gut begriffen, dass heuteachtzig Prozent nicht genügenwerden, um seine Reiterin zufrie-den zu stellen, und er beginnt, flei-ßiger mitzuarbeiten. Damit Clau-dia mit ihren treibenden Hilfendurchkommt, setzt sie ihre Gertehäufig ein. „Vorsicht!“, warntMartina Hannöver. „Du kannstLando gern einmal kurz mit derGerte wach machen – sie darf abernicht die ganze Zeit im Takt mit-treiben! Bei vielen Pferden lauertauch eine weitere große Gefahr:Wenn die Muskeln des Pferdesnoch nicht locker sind, wirst dudas Gegenteil des Gewünschtenerreichen: Lando wird sich bei je-dem Gertenschlag verspannen,seine Kruppe wird hochgehen unddie Hinterhand wird weiter dieMitarbeit verweigern.“ Nach der Lösungsphase soll Clau-dia in immer schnellerem WechselÜbergänge innerhalb des Trabsreiten. „Leg zu, und sobald Landoreagiert, nimmst du das Tempowieder heraus und wendest ab“,beschreibt Martina die nächsteÜbung. Ihr ist es besonders wich-tig, dass Claudia viel Abwechs-lung in die Trabarbeit bringt, denn„so wird Lando aufmerksamer, erwartet dann schon auf seinenächste Aufgabe.“ Die grundle-

gende Arbeit im Trab zeigt schnellihre Wirkung, Lando ist mit je-dem Übergang mehr bereit, überden Rücken durchzuschwingenund seine Hinterhand „aktiv insGeschehen einzubringen“, lobtMartina das Paar. Der Trab ist nunbereits deutlich ausdrucksvoller,auch die Verstärkungen, die Clau-dia immer wieder ins Programmeinbaut, werden besser – auch da-durch, dass Claudia deutlich akti-ver reitet. In der anschließenden Galoppar-beit zeigt sich ein ähnliches Pro-blem: Ross und Reiter haben sichauf einen „bequemen Kompro-miss“ eingelassen. Lando galop-piert beim Zulegen sehr gut imDreitakt mit weit ausholendemVorderbein, soll er jedoch ver-sammelt gehen, „fällt“ das Vor-derbein auf den Boden. „Du reitestnicht versammelt, sondern lang-sam“, kommentiert Martina Han-növer. Sie fordert Claudia auf,„gerade beim Zurücknehmen desTempos weiter zu treiben, denk’an Mittelgalopp!“ Mit dieser anschaulichen Anwei-sung kann Claudia etwas anfan-gen, sie wirkt sichtbar besser ein,schon verbessert sich auch derAusdruck im Galopp. „Du hast ei-ne gute Reitstunde hinter dir,wenn dein Pferd am Ende mehrLust hat zu arbeiten als am An-fang“, sinniert Martina Hannöverund freut sich, dass Lando zumSchluss im Leichttraben noch ein-mal zeigt, wie weit sein Hinter-bein nach vorne schwingen kann –weil er es nun will. �

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Foto links: Lando ist nicht bereit, versammelt zu galoppie-ren. Foto rechts: Kurz darauf arbeitet er schon besser mit.

Ganz locker und ge-schmeidig lassen es Na-dine und Denver ange-hen, da gibt es in den

ersten Minuten der Reitstunde fürAusbilderin Martina Hannöver garnicht so viel zu korrigieren. „Na-dine sitzt sehr weich und ausba-lanciert im Pferd, sie reitet mitviel Gefühl“, lobt die Trainerin.Denver zeigt sich zunächst ge-nauso arbeitswillig und locker wieseine Reiterin, wenn auch zu se-hen ist, dass er eine Schokoladen-seite hat: Links herum lässt sichDenver willig stellen und biegen,

rechts herum verkantet er sich so-fort und wirft bei den Hilfen derReiterin seinen Kopf unwillig indie Höhe – obwohl Nadine mitdem rechten Schenkel einzuwir-ken versucht, kommt sie mit ihrenHilfen nicht recht durch. MartinaHannöver hat die Ursache dafürschnell gefunden: Nadines rechterSteigbügel ist ein Loch kürzer alsder linke. „So kannst du nichtgleichmäßig einwirken und ver-suchst außerdem, zu viel mit demBein und zu wenig mit deinen Ge-wichtshilfen zu reiten“, erläutertdie Ausbilderin. „Nur wenn beide

Beine gleich lang am Sattel undam Pferdeleib liegen, wirst du ler-nen, mehr mit Gewicht und weni-ger mit dem piekenden Sporeneinzuwirken.“ In der weiteren Ar-beit wird jedoch schnell klar, dassnicht allein die unterschiedlicheSteigbügel-Länge dafür verant-wortlich ist,dass Nadineein Problemmit den Tra-versalen hat –ihr grundsätz-liches Pro-blem ist die

ProfireitstundePräsentiert von

Offizieller Ausrüster des deutschenOlympiade-Komitees für Reiterei.

Nadine Seifert und Denver

Nadine hat mit ihren 17 Jahren schon viel er-reicht: Sie hat ihren achtjährigen Mecklenbur-ger Wallach Denver selbst ausgebildet und warmit ihm bis zur Dressur Klasse L mehrfachplatziert. Nun will sie den Sprung in die Klasse

M wagen – doch dort warten einige Klippen auf die Beiden. Beson-ders am Herzen liegen Nadine die Traversalen: „In dieser Lektionweicht Denver mir ständig aus“, beschreibt sie. „Was kann ich da-gegen tun?“, möchte sie von Martina Hannöver wissen.

Reiterin und Pferd

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Arbeit an der Längsbiegung desPferdes. Martina Hannöver bautdie Stunde so auf, dass Nadine imVerlauf der Zeit immer mehr undimmer engere Wendungen reitensoll – mit zunehmender Stellungund Biegung. Je höher die Anfor-derungen steigen, desto schwieri-ger wird es, Denver zur Mitarbeitzu motivieren. „Du musst deinPferd in der täglichen Arbeit be-weglicher machen“, erklärt dieGrand Prix-Reiterin das Fernzieldes Paares. „Man nennt das auchflexen: Teste seine Beweglichkeitin der Ganasche, im Hals und inder Rippe. Mach‘ ihn weicher undnachgiebiger!“ Dazu sind viele ge-bogene Linien und mal weitere,mal engere Linien erforderlich.

„Du wirst einige Wochenbrauchen, um einen sicht-und spürbaren Erfolg zuerzielen“, sagt MartinaHannöver. Erst wenn diesbesser gelingt, sollte sichNadine erneut für eineReitstunde zum Ziel set-

Martina Hannöver rät:„Nadine hat einen sehr guten und geschmeidigenGrundsitz, darauf kann man aufbauen. Allerdings istdeutlich zu sehen, dass ihr die Routine für M-Lektio-nen fehlt – je höher die Anforderungen an ihre reiter-liche Einwirkung werden, desto schwerer fällt es ihr,den grundsätzlich guten Sitz aufrecht zu erhalten.Wenn ein so junger Reiter selbst lernt und gleichzei-tig seinem Pferd eine Lektion beibringen soll, mussman mit Fehlern und Rückschlägen rechnen. Diegrößte Hilfe für Nadine wäre es, ein paar Mal auf ei-nem älteren Lehrpferd zu sitzen, um ein Gefühl fürneue Lektionen zu bekommen.“

Ein locker-flockiger Beginn: Den-ver könnte zwar mit der Naseweiter vor der Senkrechten gehen,ansonsten aber zeigt sich das Paarsehr losgelassen.

Ausbruch über dieSchulter: Da Denversich nur ungern stellenund biegen lässt,weicht er aus. Nadinesäußere, begrenzendeHilfen sind zu schwach.

Unterschiedlich lange Bügelhindern Nadine daran, aufbeiden Seiten gleich starkzu treiben.

mit Martina Hannöver-Sternberg

6/2005 ST.GEORG 47

Foto links: Denver verkantet sich und reagiert nicht auf dieseitwärts treibenden Hilfen. Foto rechts: Unter MartinaHannöver tritt er seitwärts und lässt sich etwas stellen.

zen, an ihren Traversalen zu ar-beiten. Nadine gibt freimütig zu,dass sie sozusagen zeitgleich mitdem Pferd lernt. „Es wäre hilf-reich, wenn du erst einmal auf ei-nem Lehrpferd spüren würdest,wie du die Lektion reiten musst,wann du welche Hilfen wie starkeinsetzt“, rät Martina Hannöver.Kurzerhand setzt sie sich selbstauf Denver, um genauer zu spü-ren, wo das Problem liegt. Denverzeigt sich zwar williger, doch erversteht noch nicht so genau, wasvon ihm verlangt wird. Darum„zerlegt“ die Ausbilderin die Tra-versale zunächst in zwei Einzel-teile. „Ich möchte zuerst, dassDenver auf meine seitwärts trei-benden Hilfen reagiert und wirk-lich kreuzt“, erklärt sie. Dazu rei-tet sie zunächst einige lange SeitenSchulterherein, baut Volten und

einige Pferdelängen Mitteltrab indie Arbeit mit ein. „Mit dieserAbwechslung kannst du Denverbesser frisch und motiviert halten.“Anschließend reitet Martina Han-növer einige halbe Traversalen imSchritt, später auch im Trab, aller-dings mit sehr wenig Stellung undBiegung. „Für heute ist das ge-nug. Erst wenn Denver willigerseitwärts geht, kann ich versuchen,ihm die nötige Stellung und Bie-gung zu geben“, so Martina Han-növer weiter. Auch wenn Nadinemit der Hoffnung zur Reitstundekam, am Ende perfekte Traversa-len reiten zu können und dieseHoffnung nicht in Erfüllung ging– sie hat schon weitere Reitstun-den mit der Trainerin vereinbart,um ihrem Ziel in diesem Jahrnoch ein Stück näher zu kommen.

Kerstin Niemann

„Lord Georg“ v. Lord Sinclair - Reservesieger der Südd. Körung in München 2005