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Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutz beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Ohne Boden – eine Denkschrift zum Boden-Bewusstsein – Berlin, Dezember 2002 bodenlos Gefördert durch die

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Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutz beimBundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit (BMU)

Ohne Boden

– eine Denkschrift zum Boden-Bewusstsein –

Berlin, Dezember 2002

bodenlos

Gefördert durch die

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Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutzbeim Bundesministerium für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)

Ohne Boden

- eine Denkschrift zum Boden-Bewusstsein -

bodenlos

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Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats Bodenschutzbeim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und

Reaktorsicherheit (BMU)

Stand Dezember 2002

Prof. Dr. Peter Grathwohl, GeologeInstitut für Geowissenschaftender Universität Tübingen

Prof. Dr. Dietrich Henschler, ToxikologeInstitut für Pharmakologie und Toxikologieder Universität Würzburg

Prof. Dr. Werner Klein, Umweltchemiker und ÖkotoxikologeFraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie Schmallenberg und Aachen

Prof. Dr. Günter Miehlich, Bodenkundler (Vorsitzender)Institut für Bodenkundeder Universität Hamburg

Prof. Dr. Heidrun Mühle, AgronominUFZ - Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbHLeipzig, Halle

Prof. Dr. Hans Willi Thoenes, Technologe (Stellvertretender Vorsitzender)Wuppertal

Prof. Dr. Wolfgang Walther, WasserwirtschaftlerInstitut für Grundwasserwirtschaftder Technischen Universität Dresden

Prof. Dr. Dr. Berndt-Michael Wilke, Bodenkundler und ÖkotoxikologeInstitut für Ökologie, FG Abfallbelastung der Landschaftder Technischen Universität Berlin

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Geleitwort

Böden bilden die Lebensgrundlage für den Menschen: auf ihnen bauen wir unsere Nahrungs- undFutterpflanzen an, auf ihnen gedeihen nachwachsende Rohstoffe, sie reinigen das Wasser, sie dienenals Baugrund und aus ihnen können Rohstoffe gewonnen werden. Böden sind gleichzeitig ein unver-zichtbarer Bestandteil der Ökosysteme. Sie bieten Lebensraum für einen kaum überschaubarenKosmos von Tieren und Pflanzen und sind damit eine wesentliche Grundlage für die Biodiversität;sie sind eine wichtige Steuereinheit für lokale und globale Stoff- und Wasserkreisläufe.

Der Mensch hat Böden seit Jahrtausenden genutzt, teilweise sogar übernutzt. Schon im römischenReich wurde die Bodenerosion durch unangepasste Bodennutzung beklagt. Heute stellen Boden-degradation und Erosion weltweit das gravierendste Problem für die Ernährung der Menschheit dar.Zudem werden Böden mit Schadstoffen belastet oder durch Verdichtung in ihren Funktionen beein-trächtigt.

Die Bundesregierung hat 1999 mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz und der Bodenschutzverordnungdie rechtlichen Grundlagen für einen sorgsamen Umgang mit Böden geschaffen. Seither gilt es, dasBodenschutzrecht in der täglichen Praxis anzuwenden. Im Bodenschutzbericht der Bundesregierungvom Juni diesen Jahres wird der erreichte Stand in diesem wichtigen Feld der Umweltvorsorgebeschrieben. Während der kurzen Zeit seit Inkrafttreten des Gesetzes wurden erhebliche Fortschritteim Bodenschutz erzielt.

Es bleibt aber noch viel zu tun, um flächendeckend einen nachhaltigen Umgang mit Böden zu errei-chen und die derzeitige Flächeninanspruchnahme für Siedlung, Gewerbe und Verkehr deutlichzurück zu führen. Die Bundesregierung wird deshalb eine Strategie zur Reduzierung des Flächen-verbrauchs entwickeln.

Der Einsatz von Düngemitteln bei der Produktion von Nahrungsmitteln darf nicht zu einer schlei-chenden Anreicherung von Schadstoffen in den landwirtschaftlichen Böden führen. Deshalb werdengeeignete Grenzwerte eingeführt, um die Erzeugung von gesunden Nahrungsmitteln auf sauberenBöden auf Dauer zu gewährleisten. Darüber hinaus wird die Bundesregierung zum Schutz desBodens ein Konzept vorlegen, das insbesondere darauf abzielt, Bodenerosion und weitereBodenverdichtungen zu vermeiden.

Umfassender Bodenschutz kann nur gelingen, wenn die Bedeutung der Böden, deren Gefährdungund die daraus resultierenden Folgen allen Bevölkerungskreisen bewusst werden. Ich begrüße esdaher, dass der Wissenschaftliche Beirat Bodenschutz, der mein Ministerium in Fragen des Boden-schutzes berät, sich des Themas angenommen hat und diese Denkschrift veröffentlicht. Sie wendetsich an Alle und zeigt, wie wir zu einem sorgsamen Umgang mit Böden beitragen können. Ich wün-sche, dass diese Schrift zum Ausgangspunkt vieler Initiativen wird.

Jürgen TrittinBundesminister für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit

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InhaltSeite

1 Vorwort 6

2 Böden und ihre Wahrnehmung 8

3 Böden sind wertvoll 103.1 ... weil sie für Nahrung sorgen 103.2 ... weil in ihnen unzählige Tiere und Pflanzen

zu Hause sind 113.3 ... weil sie Gewässer schützen 133.4 ... weil sie Schadstoffe speichern und abbauen 153.5 ... weil sie für ein angenehmes Klima sorgen 163.6 ... weil sie Geschichten erzählen 173.7 ... weil sie Schätze enthalten 18

4 Böden sind bedroht 214.1 ... durch Schadstoffe 214.2 ... durch Arzneimittel 234.3 ... durch Gentechnik 254.4 ... durch Klimaänderungen 274.5 ... durch Überbauung 284.6 ... durch Bodenerosion 30

5 Bodenschutz braucht viele Helfer 335.1 ... im Kindergarten 335.2 ... in der Schule 345.3 ... an Universitäten und Fachhochschulen 355.4 ... in den Medien 375.5 ... im Museum 375.6 ... und Grundbesitz 385.7 ... in Landwirtschaft und Forstwirtschaft 395.8 ... im Garten- und Landschaftsbau 415.9 ... im Naturschutz 425.10... und Sanierung 44

6 Boden und Kunst 46

Glossar 50

Bildnachweis 57

Impressum

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1 VorwortKaum zu glauben, aber wahr: In Deutschlandwird derzeit jeden Tag eine Freifläche so großwie etwa 170 Fußballfelder mit Siedlungen,Straßen und Gewerbegebieten überbaut; das ent-spricht in sechs Jahren der Größe desSaarlandes. Mehr als die Hälfte dieser Frei-

fläche geht durch die Bauwerke vollständig ver-loren, der größte Teil der übrigen Fläche wirddurch die Bautätigkeit so stark gestört, dass dieBöden ihre ursprünglichen Funktionen teilweiseverlieren. Aber Überbauung ist nicht die einzigeForm, durch die Böden verloren gehen. Welt-weit ist etwa ein Drittel der landwirtschaftlichgenutzten Fläche so geschädigt, dass es zu Er-tragseinbußen kommt, und jedes Jahr werdenca. 120.000 Quadratkilometer Ackerland, dassind ca. 0,1 Prozent der nutzbaren Fläche dieserErde, aufgegeben, weil sichder Anbau nicht mehr lohnt.Böden mit ihren natürlichenFunktionen zu erhalten, istdaher eine vordringlicheAufgabe des Umweltschutzes.

Durch die Verabschiedung desBundes-Bodenschutzgesetzesund der Bundes-Bodenschutz-verordnung (i1-1) hat derGesetzgeber dem Boden-schutz einen angemessenenPlatz innerhalb des Um-weltschutzes eingeräumt. Esgilt nun, die Inhalte dergesetzlichen Regelungen indie Praxis umzusetzen. EinHemmnis dafür liegt jedochdarin, dass die komplexenZusammenhänge zwischenden Funktionen, die Bödenhaben, und den Auswirkungender Eingriffe des Menschen weder allen Boden-Nutzern noch der Öffentlichkeit bewusst sind.Der vom Bundesministerium für Umweltschutz,Reaktorsicherheit und Naturschutz ins Lebengerufene Wissenschaftliche Beirat Bodenschutz(WBB, i1-2), der in seinem ersten GutachtenWege für eine erweiterte Vorsorge im Boden-schutz aufgezeigt hat (i1-3), will mit dieser

Denkschrift dazu beitragen, Defizite im Boden-Bewusstsein abzubauen. Die Schrift wendet sichvor allem an jene Akteure, die das Boden-Be-wusstsein verbreiten helfen, also vor allem an:

� Pädagogen für alle Altersstufen� Medien� Museen� Künstler� Verbände, insbesondere die Umwelt- und

Naturschutzverbände, die im Bereich Land-wirtschaft, Forstwirtschaft, Kleingärten undGartenbau tätigen Verbände und den Grund-stückseigentümerverband, sowie

� Boden-, Umwelt- und Naturschutzämter.

Der WBB möchte die Akteure anregen, dasThema verstärkt aufzugreifen und sich mit ihrenspezifischen Mitteln für den Bodenschutz zuengagieren.

Die Broschüre geht zunächst darauf ein, wieBöden und ihr Schutz derzeit in der Öffentlich-keit wahrgenommen werden. In den folgendenAbschnitten beschreibt das Heft, welche Bedeu-tung Böden für den Menschen und seine Um-welt haben, und macht an ausgewählten Bei-

spielen deutlich, welcheProzesse Böden und ihreFunktionen bedrohen. Imletzten Abschnitt gibt derWissenschaftliche BeiratBodenschutz Empfehlungen,wie die unterschiedlichenAkteure helfen können, dasThema Böden und Boden-schutz "gesellschaftsfähig"zu machen. Jedes Kapitelenthält Quellenangaben undHinweise für weitere Infor-mationen. Ein Glossar erläu-tert Fachausdrücke und Ab-kürzungen. Nähere Angabenzu den Bildern, den Bild-autoren und zum Bild-Copyright finden Sie imBildverzeichnis. Weiter-führende Informationen zuBöden und zur Bodenkundefinden Sie unter i1-4.

Die Mitglieder des Beirats sind gerne bereit,Aktivitäten mit weiteren Anregungen zu unter-stützen. Anfragen richten Sie bitte an dieGeschäftsstelle des Wissenschaftlichen BeiratsBodenschutz, z.Hd. Frau K. Seidler, Umwelt-bundesamt, Postfach 330022, 14191 Berlin.

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Es gibt in der ganzen NaturEs gibt in der ganzen Naturkeinen wichtigeren, keinen derkeinen wichtigeren, keinen derBetrachtung würdigeren GegenBetrachtung würdigeren Gegen--stand als den BODEN.stand als den BODEN.

Frédéric Frédéric Albert Fallou, 1862Albert Fallou, 1862

Bild 1: fossiler Podsol in saale-zeitlichen Sanden

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Der Wissenschaftliche BeiratBodenschutz dankt derDeutschen BundesstiftungUmwelt, Osnabrück, für dieUnterstützung bei derHerausgabe dieser Schrift,der Geschäftsstelle desBeirats (Frau KerstinSeidler, Herrn Dr. VolkerFranzius und Herrn Prof. Dr.Friedrich Rück) für dieinhaltliche und redaktionelleUnterstützung, Herrn Dr.Günther Bachmann für dieAbfassung der Kapitel 4.5und 6, Herrn Tim Bartels fürdie kritische Durchsicht desManuskripts und dieErstellung des Kapitels 2sowie Herrn Dr. KlausBerger für die Schluss-redaktion und die Erstellungdes Glossars.

7

ii i1-1: Holzwarth, F., Radtke, H.,Hilger, B. u. Bachmann, G.: Bundes-Bodenschutzgesetz / Bundes-Boden-schutz- und Altlastenverordnung.Bodenschutz & Altlasten 5, ErichSchmidt Verlag, Berlin, 2000. i1-2: Weitere Informationen zumWissenschaftlichen BeiratBodenschutz:www.Wissenschaftlicher-Beirat-Bodenschutz.de. i1-3: Bachmann, G. u. Thoenes, H.W. (Hrsg.): Wege zum vorsorgendenBodenschutz. Bodenschutz &Altlasten 8, Erich Schmidt Verlag,Berlin, 2000. i1-4: Weiterführende Informationenzu Böden und Bodenkunde:Scheffer / Schachtschabel: Lehrbuch

der Bodenkunde. Ferdinand Enke Verlag,Stuttgart, 2002; � Kuntze, H., Roeschmann,G. u. Schwerdtfeger, G.: Bodenkunde.Eugen Ulmer, Stuttgart, 1994; � Blume,H.-P., Felix-Henningsen, P., Fischer, W. R.,Frede, H. G., Horn, R. u. Stahr, K. (Hrsg.):Handbuch der Bodenkunde. Loseblatt-Ausgabe, ecomed, Landsberg / Lech, ab1996; � Sumner, M. E. (Hrsg.): Handbook of SoilScience. CRC Press, Boca Raton u. a.,2000. i1-5: Weiterführende Informationen zumBodenschutz: Rosenkranz, D., Bachmann,G., Eisele, G. u. Harres H.-M. (Hrsg.):Bodenschutz; ergänzb. Handbuch, ErichSchmidt Verlag, Berlin, ab 1988. � Blume,H.-P. (Hrsg.): Handbuch des Boden-schutzes. ecomed, Landsberg/ Lech, 1992.

Bild 2: Eisenausfällungen in eiszeitlichen Sanden

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2 Böden und ihre Wahrnehmung

Der Boden unter unseren Füßen ist uns soselbstverständlich, sein Nutzen so naheliegend,dass er uns oft schon gar nicht mehr bewusstwird. Nur für einen kleinen Teil der Bevölke-rung, beispielsweise für Landwirte, Gärtner undBergleute, ist der Boden täglich präsent. Diemeisten Menschen unserer Gesellschaft abersind typische "Bodenignoranten": Sie assoziie-ren mit Boden Dreck und Matsch. Gummistiefelbeim ersten Spatenstich dokumentieren dieseEinstellung.

Das Umweltbewusstsein macht sich derzeit angetrennter Müllsammlung, am 3-Liter-Auto unddem Schutz der Wale fest. Eine Marketingfirmahat im Auftrag des Landkreises Osnabrück imRahmen der Expo 2000 ermittelt, was OttoNormalverbraucher zum Wort "Boden" einfällt.Aus dieser Befragung hier einige Antworten:

� Boden ist Oberfläche, ein Platz zum Leben; � das, was einem Halt und Sicherheit gibt; � das, worauf wir uns bewegen; � Boden ist zwar essentiell, aber langweilig,

weil starr und zweidimensional; � Boden ist leblos, der Blick darauf

unspannend.

Die Umfrage zeigt:Die Ökologie desBodens, die Art undWeise der Boden-nutzung scheinen nicht wichtig zu sein. Als eineunverzichtbare Lebensgrundlage werden Bödenheute nicht mehr wahrgenommen. Dabei klingtauch im alltäglichen Sprachgebrauch, in zahlrei-chen Metaphern nach, wie selbstverständlich,aber auch elementar der Boden für den Men-

schen ist: z. B. in Redewendungen wie "denBoden unter den Füßen verlieren", "bodenstän-dig sein", "aus dem Boden gestampft" oder"Boden gutmachen".

Doch seine Bedeutung als nahrungsspendendesMedium ist in den Industrieländern weitgehendin Vergessenheit geraten. Die Gründe dafür sindmannigfaltig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wardie Versorgung mit Lebensmitteln das wichtig-ste Ziel. Die Europäische Gemeinschaft veran-kerte 1960 im Vertrag von Rom das Ziel, dieProduktivität zu steigern, um einen angemesse-

nen Lebensstandardder Bevölkerung zugewährleisten. Allein,diese Anstrengungensind heute über dasZiel hinausgeschossen:

Die Ernährung hat sich weitgehend von derProduktion entkoppelt. Ein großer Teil derLebensmittel wird heute importiert. Und dasführt zu "Bodenvergessenheit" bzw. zu einemallzu sorglosen Umgang mit dem Boden, dalebensbedrohlicher Nahrungsmangel kaum zubefürchten ist.

Boden gehört zur Alltäglichkeit. Man hat nichtdas Gefühl, dass der Boden - anders als Luftund Wasser - zum Überleben unbedingt notwen-dig ist. Deshalb nehmen die Menschen die mitder Nutzung verbundenen potentiellen Risikennicht wahr.

Böden heute, das ist Geschäft, Immobilie, Wert-ermittlung, Risiko, ein Handlungsfeld für Ban-ken, Versicherungen, Ingenieurbüros, Rechts-anwälte und Städtebauer. Der Wert des Bodenswird nur noch durch Grundstückspreise deut-lich. Die kulturelle und ökologische Bedeutungeiner nachhaltigen Bodennutzung war einst

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Bild 3: Mit Humus verkittete Sandkörnereines Podsols

Bild 4: Boden kann man nicht essen - aber ohne Böden hat man nichts zu essen

Eine Nation, die ihren BodenEine Nation, die ihren Bodenzerstört, zerstört sich selbst.zerstört, zerstört sich selbst.

Frédéric Frédéric Albert Fallou, 1862Albert Fallou, 1862

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bekannt; sie ist in der heutigen Kultur jedochverschüttet. Allenfalls für Landwirte und Klein-gärtner ist der Bezug zur Bodenfruchtbarkeitnoch vorhanden.

In unserer Mediengesellschaft ist die Aufmerk-samkeit der Bürger eine knappe Ressourcegeworden. So hat es der Boden unheimlichschwer, seine notwendige Wertschätzung inunserer Gesellschaft zu wecken, obwohl Quali-

tät und Fruchtbarkeit des Bodens über die Jahr-tausende bis heute einen entscheidenden Ein-fluss auf die Ernährung der Menschen hattenund noch haben. Mit der Entfernung, die Stadt-bewohner in eine Landschaft mit Bodenkulturzurückzulegen haben, wächst auch die psycho-logische Distanz zum Boden bis hin zum abso-luten Desinteresse.

Noch vor fünfzig Jahren verbrachten die meis-ten Kinder und Jugendlichen ihre Freizeit imFreien, in der Natur, im Wald und auf Wiesenrund um ihren Wohnort. Dabei nahmen sie dieBöden mit all ihren Sinnen wahr. Sie sahen imHerbst die unterschiedlichen Farben der Äckerund kannten den Geruch von Acker-, Wald- undMoorböden; mitunter schmeckten die Spröss-linge den Boden unter ihren Füßen sogar, wennsie hinfielen, darin wühlten oder sich damit be-warfen. Heute dagegen kommen nur noch weni-ge Heranwachsende mit Erde in Berührung. Für

die wenigsten ist eine unbebaute Umgebungschnell erreichbar, und der Sand der Spielplätzeist nur ein sehr unvollkommener Ersatz.Spaziergänge "ins Grüne" finden in Parkanlagenauf gepflasterten Wegen statt, und in den mei-sten Hausgärten müssen sich Kinder schonanstrengen, um in der Erde buddeln zu können.

Entgegen der weit verbreiteten Wahrnehmungbeansprucht jede menschliche Tätigkeit Bodenund insofern ist jeder Mensch in irgendeinerWeise auch ein "Bodenakteur". Die folgendenKapitel wollen daher die Wahrnehmung desBodens und das Bewusstsein über seine Be-deutung und die Notwendigkeit seines Schutzesverbreitern und vertiefen helfen.

ii i2-1: Allgemeine Informationen zumThema: Thoenes, H. W.: Boden-reflexionen in unserer Gesellschaftund der Beitrag des Flächen-recyclings. altlasten spektrum4/2001, S. 165-171. � Dosso, M.:Bodenbewusstsein in Öffentlichkeitund Erziehung. Dokumentation derinternationalen Tagung der Evan-gelischen Akademie, Tutzing,November 1999. SüddeutscheZeitung GmbH, München, 1999, S. 81.

Bild 5: Eisenminerale in einem Moor

Bild 6: Was hat ein Schokoriegel mit Boden zu tun ?

Da praktisch jede menschlicheDa praktisch jede menschlicheTätigkeit Boden beansprucht, istTätigkeit Boden beansprucht, istjeder Mensch in irgendeiner Wjeder Mensch in irgendeiner Weiseeise„Bodenakteur“.„Bodenakteur“.

WBGU-JahresgutWBGU-Jahresgutachten 1994 (i3.1-1)achten 1994 (i3.1-1)

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3 Böden sind wertvollBöden sind eine wesentliche Lebensgrundlagedes Menschen. Er produziert auf ihnen mehr als90 Prozent aller Nahrungsmittel, des Tierfuttersund der Faserstoffe. Der Mensch nutzt Bödenals Rohstofflager und gründet auf ihnen seineGebäude. Böden haben aber auch für die Um-welt wichtige Funktionen. Sie bieten einer gro-ßen Zahl von Tieren und Pflanzen Lebensraum,haben wichtige Funktionen in lokalen und glo-balen Stoffkreisläufen und sorgen für ein ange-nehmes Klima.

Nur wenigen Menschen ist der Zusammenhangzwischen Ernährung und Böden wirklich be-wusst, ganz zu schweigen von den vielen ande-ren Funktionen, die Böden für Menschen und

ihre Umwelt erfül-len. Ohne die Ein-sicht, dass Bödenwertvoll sind, kannBodenschutz nichtgelingen. Die nach-folgenden Ab-schnitte beschrei-ben daher die wich-tigsten Funktionender Böden und ihreBedeutung fürMensch undUmwelt.

3.1 Böden sind wertvoll, weil siefür Nahrung sorgen

Außerhalb der Gewässer hängt alles Leben vomBoden ab, denn Böden bieten Pflanzen Veran-kerung und versorgen sie mit Wasser und Nähr-stoffen. Sie schaffen damit gemeinsam mit demKlima die Voraussetzungen, dass Pflanzen mitHilfe des Sonnenlichts das Kohlendioxid derLuft in Biomasse umwandeln können und sonicht nur selbst wachsen, sondern auch die Er-nährungsgrundlage für Menschen und Tiere bil-den.

Seit Jahrtausenden produzieren Menschen aufBöden gezielt Nahrungsmittel. Doch nicht aufallen Böden gedeihen Pflanzen gleich gut.Böden unterscheiden sich zum Beispiel in derFähigkeit, Wasser so zu speichern, dass diePflanzen in Trockenzeiten davon zehren kön-nen. Sehr günstig sind in dieser Hinsicht Bödenaus tiefgründigen Lehmen und Schluffen, wie z.B. Böden aus Löss, ungünstig sind sandige oder

flachgründige Böden. Von Vorteil ist außerdemein relativ hoch stehendes Grundwasser, das diePflanzen unabhängig von den Niederschlägenmit Wasser versorgt. Dies ist ein wesentlicherGrund für die Fruchtbarkeit von Auen und Mar-schen. Neben Wasser brauchen die Kulturpflan-zen auch Sauerstoff im Boden, so dass immerein Teil der Poren mit Luft gefüllt sein muss.

Damit Pflanzen wachsen können, brauchen sieeine große Zahl von Nährelementen, die sie ingelöster Form dem Boden entnehmen müssen.Die Nachlieferung der Nährelemente in dieBodenlösung erfolgt durch die Zersetzung derorganischen Substanz (Kap. 3.2), durch dieVerwitterung der Minerale des Bodens unddurch den Austausch von Nährstoffen, die anHumus und Tonminerale gebunden sind. Einehohe natürliche Nährstoffversorgung habenwiederum Böden aus tiefgründigen Lehmen undSchluffen wie Lössböden und viele Böden inAuen und Marschen, während Sandböden nichtnur trocken, sondern auch nährstoffarm sind. Inlandwirtschaftlich genutzten Böden muss derEntzug von Nährstoffen mit der Ernte durchDüngung ausgeglichen werden.

Die Bedeutung des Bodens als Ernährungs-grundlage ist in den Industrieländern weitge-hend in Vergessenheit geraten. Heute kann mansich kaum mehr vorstellen, dass in vergangenenJahrhunderten auch in Europa häufig Hungers-nöte herrschten. Gründe dafür waren z. B. Nähr-

VVom Wom Wert der Naturert der Natur, d.h. auch, d.h. auchdes Bodens, kann nur derjenigedes Bodens, kann nur derjenigewissen, der mit ihr „gewirtschafwissen, der mit ihr „gewirtschaf--tet“ hat.tet“ hat.

Günther Günther Altner 1991 inAltner 1991 in„Naturvergessenheit“„Naturvergessenheit“

Bild 7: Gerste

Bild 8: gepflügter toniger Boden

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stoffmangel oder Krankheitserreger im Boden,die milde Winter überdauerten und Misserntenverursachten. Erinnert sei an die Braunfäule, einPilz, der zwischen 1845 und 1849 in Irland dieKnollen der Kartoffel befiel. An dem Ernteaus-fall und seinen Folgen starben mehr als eineMillion Menschen und mehr als zwei MillionenIren wanderten nach Amerika aus. Nach demZweiten Weltkrieg war die Versorgung mitLebensmitteln das wichtigste Ziel. Die Euro-päische Gemeinschaft reagierte darauf und ver-ankerte 1960 im Vertrag von Rom das Ziel, dieProduktivität zu steigern, um einen angemesse-nen Lebensstandard der Bevölkerung zu ge-währleisten. Allerdings sind die daraufhinergriffenen Maßnahmen über das Ziel hinausge-schossen. Die moderne Landwirtschaft hat inden Industrieländern außerdem dazu geführt,dass sich die Ernährung von der Produktion derFeldfrüchte entkoppelt hat. Wer denkt beimVerzehr eines Schokoriegels an die KetteSchokolade - Milch - Kuh - Gras - Boden? Eingroßer Teil der Lebensmittel wird zudem impor-tiert, so dass alle Nahrungsmittel jederzeit ver-fügbar sind. Dies führt zu "Bodenvergessenheit"bzw. zu einem allzu sorglosen Umgang mit demBoden, da lebensbedrohlicher Nahrungsmangelkaum zu befürchten ist.

In den Entwicklungsländern ist das ganz anders.Dort spielt der Boden oft eine entscheidendeRolle für das Überleben der Bewohner.Beispielsweise lebt in der Sahelzone, am süd-lichen Rand der Sahara, fast 90 Prozent derBevölkerung im ländlichen Raum und ist nahe-zu vollständig auf die Erträge der meist wenigfruchtbaren Böden angewiesen. Bei steigenderBevölkerungszahl werden die Böden vor allemdurch Überweidung geschädigt und teilweisevöllig zerstört. Insbesondere in Dürreperiodenführt dies zu verheerenden Hungersnöten, beidenen viele Menschen sterben. Grund genug,die Böden zu erhalten und ihren Schutz der

jeweiligen Region anzupassen. Um die Ur-sachen der Schädigung zu erkennen und Maß-nahmen dagegen ergreifen zu können, müssenBöden immer im Zusammenspiel mit anderennatürlichen Ressourcen (Wasser, Atmosphäre,Vielfalt der Lebewesen) sowie mit ökonomi-schen und sozialen Faktoren betrachtet werden.Die Kenntnis dieser Zusammenhänge ist einwichtiger Schritt zu einem Sinneswandel so-wohl bei den Landnutzern als auch bei denVerbrauchern. Denn in den Industrieländernmuss die Wertschätzung des Bodens wiederzunehmen!

3.2 Böden sind wertvoll, weil in ihnen unzählige Tiere und Pflanzen zu Hause sind

Ein Gramm Boden enthält Milliarden vonMikroorganismen, also Bakterien, Pilze, Algenund Einzeller, und unter einem QuadratmeterBoden leben Hunderttausende bis Millionen vonBodentieren, wie Fadenwürmer, Regenwürmer,Milben, Asseln, Springschwänze und Insekten-larven. Hochgerechnet auf einen Hektar ergibtdas ca. 15 Tonnen Lebendgewicht (i3.2-1), wasetwa 20 Kühen entspricht. Es leben also wesent-lich mehr Organismen in als auf dem Boden!Diese Organismen sind an die in Böden herr-schenden Bedingungen angepasst. Bodenlebenist nur in Hohlräumen möglich, die mit Wasser

ii i3.1-1: Allgemeine Informationenzum Thema: WissenschaftlicherBeirat der Bundesregierung GlobaleUmweltveränderungen: Welt imWandel: Die Gefährdung der Böden.Jahresgutachten 1994, EconomicaVerlag, Bonn, 1994. � FAO: www.fao.org. � Hurni, H.: A Multi-Level Stakeholder Approach toSustainable Land Management. In:Advances in GeoEcology 31, 1998,S. 827-836.

Bild 9: Carbonate in einem Mediterranboden

Und Gott sprach: Die ErdeUnd Gott sprach: Die Erdebringe hervor lebendiges Getierbringe hervor lebendiges Getier,,ein jedes nach seiner ein jedes nach seiner Art: VArt: Vieh,ieh,Gewürm und TGewürm und Tiere des Feldes, einiere des Feldes, einjedes nach seiner jedes nach seiner Art. Und esArt. Und esgeschah so.geschah so.

1Mo 1.241Mo 1.24

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oder Luft gefüllt sind. Kleine Organismen sindauf bestehende Poren angewiesen, größere gra-ben sich ihre eigenen Bauten. Die Bodenorga-nismen bilden untereinander eng verflochtene

Lebensgemeinschaften,deren Zusammensetzungvon den Bodeneigenschaf-ten und der Nutzung ab-hängt. Beispielsweiseüberwiegen in saurenBöden Pilze, während inneutralen Böden Bakteriendominieren, und Bödenunter Gründlandnutzungenthalten mehr Lebewesenals Ackerböden.

In einer kompliziertenNahrungskette zersetzen

Bakterien, Pilze und Bodentiere organischeStoffe und bilden neue Substanzen. Würmer,Asseln, Milben, Springschwänze und Insekten-larven zerkleinern die Streu - zum BeispielLaub oder Stroh - und vermischen das Materialmit dem Boden. Dabei lockern sie den Bodenauf, bilden stabile Bodenkrümel, fördern dieDurchlüftung und erhöhen die Fähigkeit, Wasserzu halten. Regenwürmer beispielsweise verla-gern auf einem Quadratmeter Boden bis zuzwölf Kilogramm Erde jährlich. Die eigentlicheZersetzung der Streu bewerkstelligen die Bakte-rien und Pilze des Bodens. Der größte Teil derorganischen Stoffe wird veratmet, d.h. unterEnergiegewinn in Kohlendioxid und Wasserumgesetzt. Aus dem Rest entstehen die Humin-

stoffe. Diese dunkel gefärbtenStoffe verbessern das Wasser-haltevermögen des Bodens underhöhen seine Fähigkeit, Nähr-und Schadstoffe zu speichern.Sie stabilisieren die Bodenaggre-gate und fördern die Erwärmungdes Bodens. Bei der Zersetzungder Streu werden auch die imPflanzenmaterial gebundenenNährstoffe in einfache anorgani-sche Verbindungen umgewandelt,die von Wurzeln wieder aufge-nommen werden können. DieStreuzersetzung ist somit eineder wichtigsten Leistungen derBodenorganismen.

Die Geschwindigkeit des Streu-abbaus hängt vom Klima, der Artder Vegetation und den Eigen-schaften der Böden ab. In mittel-europäischen Wäldern fallen

jährlich pro Hektar ca. 5 - 7 Tonnen Streu an.Unter günstigen Bedingungen bauen die Boden-organismen diese Menge nahezu vollständig ab.Sind die Bedingungen dagegen ungünstig, wiez. B. bei nährstoffarmen Böden unter Nadel-wald, geht der Abbau des organischen Materialsnur langsam voran. Die Folge: Es bilden sichbis zu mehrere Dezimeter mächtige Streuauf-lagen. Außer der Streu können die Mikroorga-nismen des Bodens auch organische Schadstoffewie zum Beispiel Mineralöle und Pflanzen-schutzmittel abbauen. Diese Fähigkeit wirdauch als Selbstreinigungsvermögen der Bödenbezeichnet (Kap. 3.4) und für deren Sanierunggenutzt.

Darüber hinaus haben manche Mikroorganis-men die Fähigkeit, Luftstickstoff in organischeStickstoff-Verbindungen umzuwandeln. Bei-spielsweise binden Knöllchenbakterien derGattung Rhizobium, die in Symbiose mitSchmetterlingsblütlern wie Klee, Bohne oderLuzerne leben, mehr als 300 Kilogramm Stick-stoff pro Hektar und Jahr. Zum Vergleich:Weizen entzieht dem Boden pro Hektar undJahr zirka 150 Kilogramm Stickstoff. Der öko-logische Landbau kann auf diese Weise durchgezielten Anbau von Schmetterlingsblütlernvollständig auf den Einsatz von Stickstoff-Mineraldüngern verzichten.

Besonders enge Beziehungen bestehen auchzwischen Bodenpilzen und höheren Pflanzen,was zum Teil schon in den Pilznamen (z. B.Birkenröhrling) zum Ausdruck kommt. DieseSymbiose wird als Mykorrhiza bezeichnet. DiePilze bilden dabei an den Wurzeln der Pflanzenein weiteres Geflecht aus und vergrößern da-durch die Kontaktfläche mit dem Boden. Auf-grund ihres geringeren Durchmessers dringensie in noch feinere Bodenporen ein und versor-gen die Pflanzen so mit Wasser und Nährstoffen(insbesondere mit Phosphor).

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Bild 11: Bodenleben

Bild 10: Bakterien (grün) auf Bodenpartikeln (rot)

Bild 12: Der Hamster, ein Bodenbewohner.

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3.3 Böden sind wertvoll, weil sie Gewässer schützen

Fast die gesamte Regenmenge, die auf den Bo-den fällt, sickert in ihn ein. Ein Teil des Wasserswird gespeichert, der Rest versickert. Der überden Boden zum Grundwasser hin abfließendeTeil des Niederschlages wird als Grundwasser-neubildung bezeichnet. Sie liegt in Deutschlandmeist zwischen 100 und 600 Liter pro Quadrat-meter und Jahr, im Mittel bei 200 Liter proQuadratmeter und Jahr. Die jährliche Höhe derGrundwasserneubildung hängt vor allem vomKlima (Menge des Niederschlages, Sonnenein-strahlung, Luftfeuchte und Windverhältnisse),aber auch von der Pflanzenbedeckung und denBodeneigenschaften ab. Wesentliche Boden-eigenschaften sind die Speicherfähigkeit und dieDurchlässigkeit für Wasser. Eine Verdichtungdes Bodens vermindert die Speicherfähigkeit

und die Durchlässigkeit und verringert dadurchdie Grundwasserneubildung. Ein größerer Anteildes Niederschlages fließt dann oberirdisch abund entsprechend weniger kommt dem Grund-wasser zugute.

Erhalt der Bodeneigenschaften bedeutet dem-nach Erhalt der Menge der Grundwasserneu-bildung. Dies ist besonders unter dem Gesichts-punkt der Trinkwassergewinnung von Bedeu-tung, denn 65 % des Trinkwassers werden inDeutschland aus dem Grundwasser gewonnen.Eine Frage und ein kleines Zahlenbeispielmögen dies verdeutlichen: Wie viel unbelasteteBodenfläche benötigt ein Einwohner, um überdie Grundwasserneubildung trinkbares Wasserzu bekommen? In Deutschland liegt der privateWasserverbrauch, alsoohne Berücksichtigungvon Gewerbe undIndustrie, zur Zeit imMittel bei 140 Liter proEinwohner und Tag; imJahr sind dies 51.100Liter pro Einwohner.Nimmt man eine mittle-re Grundwasser-neubildung von 200Liter pro Quadratmeterund Jahr an, dann wer-den 256 Quadratmeterpro Einwohner unbela-stete Bodenfläche benötigt. Dies entspricht einerBodenfläche von 16 mal 16 Meter. Oder andersbeschrieben: Ein Fußballfeld möge die Abmes-sungen von 50 mal 100 Meter gleich 5000Quadratmeter haben. Über solch eine, sonstunbelastete Bodenfläche könnten dann ca. 20Einwohner mit Trinkwasser versorgt werden.

Die Bedeutung des Bodenschutzes,schon im Hinblick auf die Siche-rung der Trinkwassergewinnung,wird sehr deutlich, wenn man sichdie dichte Besiedlung in Deutsch-land vor Augen hält. Aber auch fürdie Oberflächengewässer sind dieBöden von großer Bedeutung, dennin Deutschland strömt einem Flussim Mittel 60 bis 70 % der Wasser-menge über das Grundwasser zu. Der Boden beeinflusst jedoch nichtnur die Menge, sondern auch dieQualität des Grundwassers und derOberflächengewässer. Ein Regen-tropfen, der auf den Boden auftrifftund darin versickert, verändertunter natürlichen BedingungenBild 13: Hochwasser an der Elbe, 2000

Bild 14: Versiegelung fördert den Oberflächenabfluss

ii i3.2-1: Jörgensen, R. G.: Die quanti-tative Bestimmung der mikrobiellenBiomasse in Böden mit der Chloro-form-Fumigations-Extraktions-methode. Göttinger BodenkundlicheBerichte 194, 1995. i3.2-2: Allgemeine Literatur zurBodenbiologie: Brucker, G. u.Kalusche, D.: Boden und Umwelt -Bodenökologisches Praktikum -.Biologische Arbeitsbücher, Quelle& Meyer, 1990; � Xylander, W.(Hrsg.): Leben im Boden.Eigenverlag des StaatlichenMuseums für Naturkunde, 1995.

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mehrfach seine Eigenschaften (vgl. Bild 15).Das liegt an den besonderen Fähigkeiten desBodens, das Wasser biologisch, chemisch undmechanisch zu verändern. Stoffe, die imSickerwasser enthalten sind, können im Bodenvon Pflanzen aufgenommen werden oder mitanderen Stoffen reagieren und unlösbar wer-den. In dieser Form verbleiben sie im Bodenund werden dort gespeichert. Andererseitskann das Sickerwasser aber auch Stoffe ausBodenmineralien herauslösen und in die Tiefetransportieren. An der Veränderung des Sicker-wassers sind im besonderen Maße Mikroorga-nismen beteiligt, deren Einfluss im humosenOberboden am stärksten ist. Indem der BodenStoffe zurückhält und abbaut, wirkt er also wieein Filter oder Puffer. Werden allerdings z. B.durch Düngung mehr Nährstoffe aufgebracht,als die Böden speichern bzw. die Pflanzen ent-nehmen können, bleibt der Überschuss imSickerwasser und beeinflusst die Beschaffen-

heit des Grundwassers, aber auch der Ober-flächengewässer. Ein weiteres Beispiel für den Einfluss desBodens auf Gewässer sind die immer wiederauftretenden Hochwässer: Wird das Versickerndes Niederschlagswassers u. a. durch Versie-gelung und Verdichtung behindert, läuft esrasch oberirdisch zum nächsten Fließgewässerhinab und kann dann Überschwemmungen ver-ursachen - mit den bekannten Folgen für Habund Gut der Menschen. Böden sollten auch ausdiesem Grund so wenig wie möglich versiegeltoder verdichtet werden. Denn lockere, vonVegetation bedeckte Böden können auch großeMengen an Regenwasser aufnehmen und übereinen längeren Zeitraum zwischenspeichern.Es gelangt dann erst nach Tagen oder auchWochen über das Grundwasser in die Fließ-gewässer, wenn die durch die Niederschlägeerhöhten Wasserstände wieder nahezu denNormalzustand erreicht haben.

Am Beispiel des Segeberger Forstes (Schleswig-Holstein) sollen die Wechselwirkungen zwischenBoden und Sickerwasser für die Elemente Kalziumund Stickstoff verdeutlicht werden (i3.3-1). In dendort anstehenden eiszeitlichen Sanden der Saale-Vereisung hat sich ein Podsol (vgl. Bild 19) gebil-det. Der Grundwasserleiter liegt in ca. 7 m Tiefe.Dargestellt sind die Frachten (in Gramm pro Qua-dratmeter und Jahr), die durch das Niederschlags-wasser in den Boden eingetragen, mit dem Sicker-wasser über die verschiedenen Horizonte desBodens in das Grundwasser verlagert und seitlichmit dem Grundwasser abtransportiert werden.

Der Niederschlag trägt jährlich 2,9Gramm Kalzium pro Quadratmeter inden Boden ein. Die Abnahme derTransportraten von Kalzium im Bodenerklärt sich durch den Entzug diesesNährstoffs durch die Pflanzenwurzeln,möglicherweise auch dadurch, dassKalzium in eine feste, unbeweglicheForm übergeht. Im Ausgangsgesteinwird Kalzium wieder gelöst, so dassdieselbe Menge an Kalzium in dasGrundwasser abgegeben wird, wiedurch die Niederschläge zugeführtwurde. Aus der Differenz zwischenEintrag und Abfluss im Grundwasserkann man schließen, dass das zuströ-mende Grundwasser bereits erheblicheKalziumgehalte enthält.

Bei Stickstoff liegen die Verhältnisseanders: Der Eintrag über den Niederschlag ist imVergleich zu Kalzium gering. Die starke Mobili-sierung des Stickstoffs im Oberboden ist auf meh-rere mikrobiell gesteuerte Prozesse zurückzufüh-ren, bei denen organisch gebundener Stickstoff inNitrat umgewandelt wird. Nitrat ist im Sicker-wasser löslich. Ein Teil des Nitrats wird in denUnterboden verlagert und dort zum großen Teil vonden Pflanzenwurzeln aufgenommen. Die zusätzli-che Abnahme des Stickstoffs zwischen dem Unter-boden und dem Ausgangsmaterial ist wahrschein-lich ebenfalls durch mikrobielle Aktivität zu erklä-ren, bei der das Nitrat in gasförmige Verbindungenumgesetzt wird, die in die Atmosphäre entweichen.

Bild 15: Kalzium- und Stickstofftransport in einem Forst

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3.4 Böden sind wertvoll, weil sie Schadstoffe speichern und abbauen

Vor allem seit Beginn der Industrialisierung sindviele Schadstoffe in die Umwelt gelangt. Siewerden beispielsweise in die Atmosphäre ausge-

stoßen, verbreiten sich und gelangen schließlichin den Boden. Auch kam es durch Unkenntnisder Gefahren für Böden, Grund- und Oberflä-chenwasser, durch Unachtsamkeit oder Unfällein der Vergangenheit häufig vor, dass Schad-stoffe lokal in großen Mengen in die Böden undmit dem Sickerwasser in das Grundwasser ge-langten (vgl. Kap 4.1). Außerdem bringt dieLandwirtschaft Stoffe wie Pflanzenschutzmittelund Dünger flächig auf den Boden auf. Im Ge-

gensatz zu der dadurch erzielten Ertragssteige-rung ist es jedoch unerwünscht, dass sich dieseStoffe im Boden anreichern oder in das Grund-wasser gelangen. Aber nicht nur die Aktivitätdes Menschen verursacht eine Schadstoffanrei-cherung in Böden. Auch natürliche Prozesse wieWaldbrände oder Vulkanausbrüche könnenSchadstoffe (z. B. polyzyklische aromatischeKohlenwasserstoffe oder Dioxine) freisetzen,die letztlich im Boden landen. Bild 16 zeigteinige Beispiele aus den für Böden und Grund-wasser wichtigsten Schadstoffgruppen. Doch Böden können auch Schadstoffe zurück-halten oder abbauen und damit verhindern, dassdiese mit dem Sickerwasser in den Untergrundund in das Grundwasser gewaschen werden.Zurückgehalten werden Schadstoffe, wenn siemit der organischen Substanz, den Tonmine-ralen oder den Eisenoxiden der Böden stabileVerbindungen eingehen. Darüber hinaus könnendie Mikroorganismen der Böden viele organi-sche Schadstoffe abbauen und so aus dem Stoff-kreislauf entfernen. Damit lässt sich eine Ge-fährdung des Grundwassers verringern, aus demwir immerhin zu 65 Prozent unser Trinkwasserbeziehen.

Doch leider baut der Boden nicht alle Stoffe ab,die der Mensch in Umlauf bringt, wie z. B.Schwermetallverbindungen und schwer abbau-bare (persistente) organische Schadstoffe, sogenannte POP's (persistent organic pollutants).Treffen solche Verbindungen kontinuierlich aufden Boden, reichern sie sich nur so lange imBoden an, bis die so genannte Rückhaltekapa-zität erschöpft ist. Beispiele dafür sind polyzy-klische aromatische Kohlenwasserstoffe, die ausder Verbrennung fossiler Rohstoffe und demVerkehr stammen, sowie Schwermetalle, dieLandwirte mit dem Dünger oder mit Klär-schlamm regelmäßig auf ihre Äcker aufbringen.Zwar können Böden die Auswaschung diesernicht abbaubaren Stoffe ins Grundwasser verzö-gern, jedoch nicht auf Dauer verhindern. Denndie Wirkung des Bodens als Filter und Puffer istbegrenzt und darf deshalb nicht überstrapaziertwerden.

ii i3.4-1: Schadstoffe im Boden:Blume, H.-P. (Hrsg.): Handbuch desBodenschutzes, ecomed, Landsberg/Lech, 1992. � Hulpke, H., Koch, H.A. u. Nießner, R. (Hrsg.): RömppLexikon Umwelt, 2. Aufl., GeorgThieme Verlag, Stuttgart, New York,2000.

Bild 16: Strukturformel eines Dioxins (grau: Kohlenstoff, rot: Sauerstoff, blau: Wasserstoff, grün: Chlor)

ii i3.3-1: Albertsen, M., Mattheß, G.,Pekdeker, A. u. Schulz, H. D.:Quantifizierung von Verwitterungs-vorgängen. Geologische Rundschau,69, 1980, S. 532-545. i3.3-2: allgemeine Literatur zumThema: Mattheß, G.: Die Beschaf-fenheit des Grundwassers. Lehrbuchder Hydrogeologie Band 2.Gebrüder Bornträger, Berlin,Stuttgart, 1990. � Walther, W.:Diffuser Stoffeintrag in Böden undGewässer. Teubner, Stuttgart, 1999.� Wohlrab, B., Ernstberger, H.,Meuser, A. u. Sokollek, V.:Landschaftswasserhaushalt. PaulParey, Hamburg u. a., 1992.

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3.5 Böden sind wertvoll, weil sie für ein ange-nehmes Klima sorgen

Ein angenehmes Klima herrscht nach Auf-fassung der Meteorologen, wenn die "gefühlte"Temperatur zwischen 5 und 17 Grad Celsiusliegt, genügend Sonnenlicht das Wohlbefindenanregt, ein sanfter Wind die Schwüle verhindertund die Luft sauber und nicht zu trocken ist(i3.5-1). Was aber haben Böden damit zu tun?Um die Wirkung des Bodens auf das Klimadeutlich zu machen, stellen wir uns zunächstvor, es gäbe keine Böden (und damit auch keineVegetation), und die Erdoberfläche bestünde ausfestem Gestein. Die Folge wäre eine beträchtli-che Veränderung der Temperaturen: An wolken-losen Sommertagen würde die Temperatur sostark ansteigen, dass der Mensch unter der Hitzezu leiden hätte. Jeder, der sich schon einmal ineiner Wüste oder in einer Felslandschaft aufge-halten hat, kennt dieses Phänomen. Da Gesteindie Wärme rasch wieder abgibt, würde dieTemperatur sowohl in der Nacht als auch imWinter stark absinken.

Feuchte Böden und Vegetation sorgen in unse-ren Breiten dafür, dass die Temperaturen ausge-wogen sind. Da sich Wasser wesentlich langsa-mer erwärmt als Gestein, steigt die Temperaturfeuchter Böden imFrühjahr nur lang-sam an und sinktim Herbst verzögertab. Besonderswichtig ist dabei,dass ein Teil des imBoden gespeicher-ten Wassers überdie Vegetation unddie Bodenober-fläche verdunstenkann. Die dabeientstehende Ver-dunstungskältewirkt im Sommerkühlend; gleichzei-tig wird eine zugeringe Luftfeuch-tigkeit verhindert.Böden und die vonihnen abhängigeVegetation sorgenalso in unserenBreiten maßgeblichdafür, dass dieTemperaturen und

die Luftfeuchtigkeit meist "im angenehmen Be-reich" bleiben.Jeder kann die Wirkung von Böden und Vege-tation auf das Klima unmittelbar fühlen. Städte,in denen durch Gebäude und Straßen ein großerTeil des Bodens versiegelt ist, sind dafür eingutes Beispiel. An sonnigen Sommertagen steigtim Inneren der Städte die Temperatur wesentlichhöher an als in der ländlichen Umgebung, sodass nach Sonnenuntergang Temperaturunter-schiede von zehn Grad Celsius und mehr auftre-ten. Nachts kühlen Städte weniger ab, so dassbei anhaltend schönem Wetter die Aufheizungzunimmt. Städte bilden gegenüber ihrer Umge-bung Wärmeinseln, in denen die Anzahl heißerTage oft mehr als doppelt so hoch wie in derUmgebung ist (Bild 17, i3.5-1, i3.5-2).

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Bild 17: Zahl der Tage mit Wärmebelastung in Stuttgart, Helbig u.a. 1999

ii i3.5-1: Helbig, A., Baumüller, J.,Kerschgens, M. J. (Hrsg.):Stadtklima und Luftreinhaltung.Springer, Heidelberg u. a., 1999.i3.5-2: Stadtklima: www.stadtklima.de. i3.5-3: Allgemeine Informationen zuKlima und Boden: Geiger, R., Aron,R. H. u. Todhunter, P.: The ClimateNear the Ground. Vieweg, Braun-schweig, Wiesbaden, 5. Aufl., 1995.

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3.6 Böden sind wertvoll, weil sieGeschichten erzählen

Seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts be-schäftigen sich Bodenkundler mit den Gesetz-mäßigkeiten der Bodenbildung. Sie haben her-ausgefunden, dass die heute vorhandenen Bödendas Ergebnis einer meist seit Jahrhunderten bisJahrtausenden anhaltenden Entwicklung sind, in

deren Verlaufsich das oberflä-chennahe Gesteinu. a. durch Ver-witterung, Mine-ralbildung, Hu-musanreicherungund Stoffverla-gerung in Bödenumgewandelt hat.Je nach Art desGesteins, desKlimas und desBewuchses ent-

standen unterschiedliche Böden, die man aneiner charakteristischen Abfolge von Boden-horizonten erkennen kann. Auch der Mensch hatdarin viele Spuren hinterlassen.

Diese Kenntnisse lassen sich nutzen, um denBöden ihre Geschichte zu entlocken. Nichtumsonst spricht man im Bundes-Bodenschutz-gesetz von "Archiven der Natur- und Kultur-geschichte", eine Funktion, die man so wenigwie möglich beeinträchtigen sollte. Als Archiveder Naturgeschichte geben Böden Infor-mationen über die Bildungsbedingungenim Verlauf der Bodenentwicklung. Vonbesonderer Bedeutung sind fossile Bö-den als Klimazeugen vergangener Erd-epochen. Das Archiv der Kulturge-schichte umfasst die menschlichen"Fußabdrücke", die sich in Böden erhal-ten haben. In archäologischen oder his-torischen Fundstätten kann man auf dieBauweise der Gebäude oder die Lebens-umstände schließen. Oft lassen sich ausBodenveränderungen historische For-men der Landnutzung herauslesen.

Zwei Beispiele sollen die Archivfunk-tion der Böden erläutern. Mit einemBlick erkennt man, dass die beiden inBild 19 und 20 wiedergegebenen Bödenunterschiedliche Eigenschaften haben.Für den Humus-Podsol (Bild 19, i3.6-1)ist die Abfolge Ahe/Ae/Bh/Bsh derHorizonte typisch, die durch unter-

schiedliche Färbungen gut zu erkennen sind (dieBöden und Horizontbezeichnungen sind inLehrbüchern der Bodenkunde, siehe i1-4, erläu-tert). Über die Bildungsbedingungen lassen sichfolgende Aussagen machen: Podsole entstehennur dann, wenn das Gestein arm an nährstoff-haltigen Mineralien und gut durchlässig ist, dieVegetation eine nährstoffarme Streu liefert (z. B. Heidekraut, Nadelbäume) und das Klimakühl und feucht ist. Der Mensch hat die Bildungder Podsole häufig dadurch gefördert, dass erdie Vegetation samt den obersten Bodenhorizon-ten abgeräumt und als Einstreu im Stall verwen-det hat. Podsole, wie der hier abgebildete, sindmindestens 1000 Jahre alt. Ihr Oberboden istsehr sauer, nährstoffarm und trocken. Währendder Podsolierung wurden Huminstoffe aus demOberboden in den dunkelbraun gefärbten Bh-Horizont verlagert, der dadurch so fest gewor-den ist (Ortstein), dass die Durchwurzelungerschwert wird.

Schaut man das Bild genauer an, so erkenntman, dass der Podsol von einer als M-Horizontbezeichneten Schicht überlagert ist. Es handeltsich dabei um Bodenmaterial, das der Wind ausder näheren Umgebung dorthin verfrachtet hat.Zahlreiche Holzkohlestücke zwischen dem M-und dem IIAh-Horizont weisen darauf hin, dassKöhlerei die Ursache für die Bodenumlagerungist, was durch die Bezeichnung "Köllerloge" fürdas angrenzende Flurstück bestätigt wird. Ander Ausprägung des Unterbodens ist außerdemerkennbar, dass während der Podsolbildung dasGrundwasser so hoch gestanden haben muss,

dass es zumindestzeitweilig den Bh-Horizont erreicht hat.Heute liegt derGrundwasserstandzirka einen Meter tie-fer - ein Hinweis dar-auf, welche Auswir-kungen die Begradi-gung eines nahegele-genen kleinen Bachshatte. Das Beispielveranschaulicht, dassBöden gleichzeitigArchive der Natur-und Kulturgeschichtesein können.

Eine völlig andereGeschichte erzähltder Rigosol (Bild 20,i3.6-2). Er ist in derHamburger Elb-Bild 19: Podsol

Bild 18: Eisenoxid-Säume in feinen Klüften eines Saprolits

O

M

IIAh

IIAe

IIBhs

IIBsh

IIIGo

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marsch gelegen, aus der Hamburg seit Jahrhun-derten Gemüse und Zierblumen bezieht, undwurde bis vor wenigen Jahren gartenbaulich ge-nutzt. Farblich ist der Boden nur sehr wenig dif-ferenziert. Versucht man aber etwas feuchtenBoden zu kneten, so fühlt man, dass der in 80bis 110 Zentimeter Tiefe gelegene IIfAp-Hori-zont sehr klebrig und damit tonreich ist, wäh-rend oberhalb von 80 Zentimeter Sand domi-niert. Tierknochen- und Ziegelreste belegen,dass schon im tonreichen Unterboden Land-

wirtschaft betriebenwurde. Dieser Bodenist im ursprünglichenZustand für denGartenbau ungeeignet,weil er im feuchtenZustand sehr zäh istund im trockenen Zu-stand harte Klumpenbildet. Erst durch denAuftrag und die Ein-mischung von Sand(R-Horizonte) taugteder Boden für Garten-bau. Die Datierungvon Holzkohlerestenaus dem untersten Be-reich der Aufsandungergab, dass schon vorca. 450 Jahren mit dieser Technik derBodenverbesserungbegonnen wurde. Derheutige Oberboden istkrümelig und leicht zu

bearbeiten. Auch seine Fähigkeit, Wasser zuspeichern und den Pflanzen zur Verfügung zustellen, ist erheblich höher als im tonigen Unter-boden. Zudem hat die Aufhöhung bewirkt, dassder kultivierte Boden weiter vom Grundwasserentfernt liegt, was den Anbau erleichtert, inTrockenzeiten jedoch eine Bewässerung erfor-derlich macht.

Das Auftragen von Sand auf den Boden wareine typische Winterarbeit. Junge Männer fuh-ren mit ihren Kähnen bei ablaufendem Wasserüber die Elbe-Altarme zum Hauptstrom, ließensich an einer sandigen Stelle trockenfallen, füll-ten drei bis vier Kubikmeter Sand ein und fuh-ren mit der Flut wieder stromaufwärts. DerSand wurde mit einer Schubkarre über denDeich gezogen und auf die flussnahen Felderverteilt. Häufig sind Sandaufhöhungen vonzirka 80 Zentimeter beobachtet worden, wozupro Hektar 165.000 Schubkarren Sand nötigwaren.

3.7 Böden sind wertvoll, weil sieSchätze enthalten

Die Suche des Menschen nach Rohstoffen zielteimmer schon auf den Boden ab. Die darin ver-borgenen Schätze haben zum Überleben beige-tragen und die kulturelle Vielfalt mit ihren ört-lichen und zeitlichen Besonderheiten geprägt.Zu den Schätzen zählen u. a. Bruchsteine, Ton,Lehm, Kies und Sand, Mineralien und Erze,Salze, aber auch Kohle, Erdgas und Erdöl. SeitMenschengedenken besteht ein Interesse undauch die Notwendigkeit, diese Rohstoffe zugewinnen und nutzbar zu machen.

Einige Beispiele sollen den Wert der Boden-schätze deutlich machen:

Der Feuerstein, ein Gemenge aus amorpher undkristalliner Kieselsäure (Chalzedon), gilt als derälteste Rohstoff, der von den Menschen derSteinzeit zur Herstellung ihrer Geräte verwendetwurde. Eines der heute immer noch wertvollstenGesteine ist der Kalkstein, der in Steinbrüchengewonnen wird und weitgehend aus Kalzium-karbonat besteht. Der durch Erhitzen von Kalkgewonnene Branntkalk dient als Baustoff (z. B.Kalksandstein), aber auch als Zuschlagstoff z. B. in der Eisengewinnung oder im Straßen-bau. Feld- und Bruchsteine finden vielfältige

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Bild 20: Rigosol

ii i3.6-1: www.bodenlehrpfad.de. i3.6-2: Miehlich, G.: Böden undBodenkultur der Vier- und Marsch-lande - Segen und Last einer Fluss-marschenlandschaft. HamburgerGeographische Studien, 48, Institutfür Geographie der UniversitätHamburg, 1999, S. 199-224.

Bild 21: Minerale in einem Geschiebemergel

R-Ap

IIfAp

R

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Verwendung in Mauern, z. B. Feldsteine alsSteinsockel beim Hausbau, Bruchsteine ausGrauwacke in Platten des Aachener Doms.Buntsandstein wie beim Freiburger Münster und

Sandstein-mauerwerk inWohnhäusernmit verschie-denen natür-lichen Farb-tönen habenneben demBacksteinbauviele Jahr-hunderte denBaustil ge-prägt. Steinedienten seitjeher als Bau-stoff imStraßenbau.Die Straßender Römer

mit ihren typischen Fahrspuren sind ein histori-scher Beweis. Die Pflastersteine aus Granit,Grauwacke, Porphyr oder Basalt dienen dicht-gefügt als Befestigung der Gehwege und derFahrbahnen.

Die Verarbeitung von Ton durch Formen, Trock-nen und Brennen ist uralt. Das für die Porzel-lanherstellung erforderliche Kaolin verlieh demPorzellan den Namen "Weißes Gold". Ton be-steht hauptsächlich aus wasserhaltigen Alumi-niumsilikaten; sie sind in Böden durch Ver-witterung kristalliner Gesteine entstanden.Kaolinit ist das technisch wichtigste Tonmine-ral. Die vielerorts anzu-treffenden Tongrubendienen bis heute alsRohstofflager für eineVielzahl keramischerErzeugnisse, z. B. vonfeinkeramischen Pro-dukten wie Gebrauchs-geschirr oder Fliesen,aber auch für Produkteder Grobkeramik wieAbwasserrohre. Lehmist ein durch Eisenver-bindungen gelb bisbraun gefärbtes Ge-menge aus Ton, Schluffund Sand. Wegen seiner leichten Gewinnungund seiner guten Eigenschaften, z. B. hohesWasserspeichervermögen und guteVerarbeitbarkeit, gehört er zu den wertvollstenRohstoffen. Lehm wird wegen seiner guten

Wärmeisolierung zum Bau der Unterkünfte ver-wendet, seitdem die Menschen die Höhlen ver-lassen haben. Neben ebenerdigen Lehmbauten,z. B. in Afrika, bei denen die Wände aus Lehm-brei hergestellt werden, finden getrockneteLehmziegel für eine mehrgeschossige Bau-weise, z. B. in Kaschmir, Verwendung. Lehmdient aber auch als Mörtel, um das Mauerwerkaus Steinquadern zu verbinden. Er findet sichim Rahmenfachwerk aus Holz, das durch Lehmund Stroh ausgefüllt wurde. Lehm gehört zurBegriffswelt der "gebrannten Erde" (i3.7-1), dasheißt, er dient der Ziegelherstellung für Mauer-werk und Dächer.

Auch Sand und Kies zählen zu den wertvollenRohstoffen unserer Böden. Sand ist eine lockereAnhäufung von feinen, abgerundeten oder ecki-gen Mineralkörnchen und wird aus Sandgrubengewonnen. Er dient als Rohstoff und als unver-zichtbare Zutat für die Produktion von Mörtel,Zement, Beton und Glas, aber auch für die Her-stellung von Sandformen in Metallgießereien.Kiese sind durch fließendes Wasser rundge-schliffene Steine. Besonders bekannt sind dieKies-Ablagerungen, die beim Abschmelzen derEiszeitgletscher entstanden sind. Kies und seingebrochenes Material wird als Schotter undSplit besonders im Straßenbau eingesetzt.

Die zum Teil bis dicht an die Erdoberfläche rei-chenden Abbaumöglichkeiten für Kohle undmetallische Erze waren Ausgangspunkt für diein der ganzen Welt anzutreffenden Stollenbe-triebe und den Untertageabbau (i3.7-2). Bis indie zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurdeBrauneisenstein (Raseneisenerz) im Tagebau

gefördert und verarbeitet.Beim Abbau des Braun-eisensteins wurden sehroft Braunkohlevorkom-men entdeckt. Von großerBedeutung ist nach wievor der Braunkohlentage-bau, auch im Hinblick aufdie Reserven für künftigeGenerationen und die der-zeit geschätzten Reich-weiten für die übrigen fos-silen Rohstoffe (i3.7-3).Besonders beeindruckendist die Untersuchung derBraunkohle-Lagerstätten

in China. Neuerdings wird dort ein Braunkohle-feld, das mit mehr als 200 Milliarden Tonnensicherer Reserven eines der größten der Welt ist,durch Großtagebau und neue Infrastruktur er-schlossen.

Bild 22: altmexikanischeTonplastik

Bild 23: humose Lagen in elsterzeitlichen Sanden

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In Böden werden sogar Schmucksteine wieAchat, Amethyst, Onyx und Topas gefunden,die bis heute die Schmuckindustrie bereichern.Auch heute noch werden an manchen Orten inder Welt aus Flusssanden durch Sieben undWaschen Gold und Diamanten gewonnen.

Ein ganz besonderer Schatz im Boden im Sinneeiner umweltgerechten, nachhaltigen Entwick-lung ist die Bodenwärme. Die Energiegewin-nung aus der Erde, die so genannte Geothermie(i3.7-4), wird besonders in Gebieten mit hohenTemperaturen im Untergrund immer interessan-ter. Große geothermische Anlagen weisen instal-lierte Leistungen zwischen 0,1 MW und 10 MWauf.

Die Nutzung der Rohstoffe ist häufig mit fol-genschweren Eingriffen in die Böden verbun-den. Besteht bei der Gewinnung von Boden-schätzen die Gefahr schwerwiegender und nach-haltiger Beeinträchtigungen der natürlichenFunktionen des Bodens, ist grundsätzlich denSchutzaspekten der Vorrang gegenüber denNutzungsaspekten einzuräumen. Besteht beidieser Abwägung dennoch die Notwendigkeitder Nutzung, so sind mit der Gewinnung unddem Abbau von Bodenschätzen immer Maß-nahmen zur Schadensbegrenzung und zur Vor-sorge im Bodenschutz vorzusehen. Nach demAbbau ist eine kontrollierte Rekultivierungerforderlich, die auch die Belange des Natur-schutzes und der Landschaftspflege berücksich-tigt.

20

ii i3.7-1: Banditt, W. O.: GebrannteErde. Steinbock Verlag, Hannover,1965. i3.7-2: Ernsting, B. (Hrsg.):Georgius Agricola: Bergwelten.Deutsches BergbaumuseumBochum, 55, 1994. i3.7-3: Bundesanstalt fürGeowissenschaften und Rohstoffe:Vorräte an fossilen Rohstoffen.Hannover, 2000. i3.7-4: Landesinitiative NRW:Geothermie - Energie aus der Erde.Düsseldorf, 2001.

Bild 25: Geothermie-Kraftwerk, Neuseeland

Bild 24: Rohdiamant und Quarzkörner

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4 Böden sind bedrohtDer Mensch, das hat das vorherige Kapitel ge-zeigt, ist auf die Nutzung der Böden angewie-sen. Dauerhaft ist dies nur möglich, wenn dieBöden die nutzungsbedingten Eingriffe so aus-gleichen können, dass es nicht zu einem Verlustan Bodenfunktionen kommt. Eine internationaleStudie zum Zustand der Böden (i4-1) hat jedochgezeigt, dass ein Drittel der genutzten Bödenvon Bodendegradation betroffen ist, unter derman vereinfacht den schwerwiegenden, teil-weise irreversiblen Verlust an Böden oder ihrenFunktionen versteht. Bodendegradationen treten

in unterschiedlichen Formen auf. Am weitestenverbreitet ist die Bodenerosion durch Wasserund Wind. Der Eintrag von Schadstoffen schä-digt Böden ebenso wie Überdüngung oder einemangelhafte Zufuhr von Nährstoffen. Überbau-ung, Verdichtung, Vernässung oder künstlicheAustrocknung sind weitere Formen derBodendegradation.

Da eine Wiederherstellung von Bodenfunktio-nen (z. B. durch Rekultivierung zerstörterFlächen oder Bodenreinigung) nur unvollkom-men möglich und oft extrem aufwändig ist,muss Bodenschutz vor allem dafür Sorge tragen,dass schädliche Bodenveränderungen verhindertwerden. Dies setzt voraus, dass allen Boden-Nutzern bewusst ist, welche Gefahren denBöden drohen.

4.1 Böden sind bedroht durch Schadstoffe

Man kann sie manchmal riechen, im Boden zusehen sind sie selten; trotzdem haben Schad-stoffe immense Auswirkungen auf die Umwelt.Über Abfallablagerungen, Unfälle, undichteRohrleitungen, Dünge- und Pflanzenschutz-mittel sowie über die Luft gelangen die Schad-stoffe bevorzugt auf Industrie- und Gewerbe-flächen, aber auch in landwirtschaftlich genutzteBöden und in Böden entlang der Straßen.Schadstoffe versalzen, versauern oder vergiften(kontaminieren) den Boden und das Grund-wasser. Verbleiben gesundheits- oder umweltge-fährdende Substanzen auf stillgelegten Stand-orten von Betrieben oder auf ehemaligen Müll-kippen, spricht man von Altlasten (i4.1-1).

Zwar können sich Böden bei langsamem Ver-lauf der Änderungen ohne Funktionseinbußenanpassen. Problematisch sind allerdings rascheund starke Schadstoffbelastungen, wie sie seitJahrzehnten auftreten. Sie beeinträchtigen wich-tige Funktionen der Böden, so etwa deren Ver-mögen, Stoffe aus den Niederschlägen und demBodensickerwasser auszufiltern, sowie dieFähigkeit, Schadstoffe zu puffern oder in un-schädliche Stoffe umzuwandeln (Entgiftung).Neben der Beeinträchtigung der Böden könnenSchadstoffe die Gesundheit des Menschen undandere Schutzgüter, wie z. B. das Grund- undOberflächenwasser, die Luft sowie die Tier- undPflanzenwelt, belasten.

Die wichtigsten Formen der Schadstoffbelas-tung sind:

Versalzung: In wasserarmenRegionen bewirkt salzhaltigesBewässerungswasser bei gleich-zeitig unzureichender Drainage,dass der Oberboden versalzt.Außerdem kann sich unter un-günstigen Bedingungen Soda bil-den, das den Boden alkalisiert.Die mit einer Versalzung verbun-denen Ertragsminderungen sindvon der Salzverträglichkeit derangebauten Kulturpflanzen ab-hängig. Bei zunehmender Versal-zung muss man die Anbauflächen aufgeben -mit regional gravierenden Folgen wie zum Bei-spiel im Zweistromland (Irak) und in Pakistan.Die Versalzung wird auch durch Flussbaumaß-nahmen, wie Regulierung der Zuflüsse, Ein-deichungen und Staudammprojekte, gefördert.

Schließlich werden wir nur dasSchließlich werden wir nur dasschützen, was wir lieben, aber wirschützen, was wir lieben, aber wirwerden nur das lieben, was wirwerden nur das lieben, was wirverstehen, und wir werden nur dasverstehen, und wir werden nur dasverstehen, was wir gelernt haben.verstehen, was wir gelernt haben.

Baba Dinum, Senegal 1992 Baba Dinum, Senegal 1992 - Übersetzung- Übersetzung

ii i4-1: Oldeman, L. R., Hakkeling, R.T. A. u. Sombroek, W. G.: GlobalAssessment of Soil Degradation -GLASOD. World map of the statusof human-induced soil degradation.2. Aufl., ISRIC, Wageningen undUNEP, Nairobi, 1991. � UNEP(United Nations EnvironmentProgramme): World Atlas ofDesertification. Edward Arnold,London, New York, Melbourne,Auckland, 1992.

Bild 26: Bodenversalzung, Tunesien

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Versauerung: Wie stark Böden versauern,hängt davon ab, wieviel Säure über die Luft ein-getragen wird und welche Menge der Bodenselbst bildet. Maßgebliche Emittenten über dieLuft sind Verkehr, Haushalte, Industrie und dieLandwirtschaft, die Stick- und Schwefeloxidesowie Ammoniak emittieren. Diese Stoffe wer-den in der Atmosphäre in Salpetersäure, Schwe-felsäure und Ammonium-Ionen umgewandelt,die wiederum über die Niederschläge in denBoden eingetragen werden (saurer Regen). ImBoden selbst entstehen Säuren durch dieAtmung der Wurzeln und Bodenorganismen,durch die Bildung von Huminsäuren und bei derNährstoffaufnahme durch die Pflanzen. Immerwenn der Boden diese Einträge nicht mehrabzupuffern vermag, sinkt sein pH-Wert. BeiWerten unter pH 5 kommt es verstärkt zur Frei-setzung von Aluminium-Ionen, die für die mei-sten Kulturpflanzen giftig sind. EU-weitesUmweltqualitätsziel ist es, die Säureeinträgesoweit abzusenken, dass auch empfindlicheÖkosysteme nicht geschädigt werden (i4.1-2).

Kontaminationen:Kontamination bezeichnet einevom Menschen verursachtestoffliche Verunreinigung vonBöden, die gegenüber demnatürlichen Zustand zu erhöhtenSchadstoffgehalten führt. InDeutschland hat man bisher360.000 kontaminations- bzw.altlastverdächtige Flächen regi-striert (i4.1-3). In vielen Fällengefährden Schadstoffe abernicht nur die Böden, sondernauch das Grundwasser. Zu dengefährlichsten Kontaminantenzählen Schwermetalle - vorallem Cadmium -, nicht odernur schwer abbaubare (persi-stente) organische Stoffe undandere Chemikalien sowie derenAbbauprodukte, aber auch Arz-neimittel (Kap. 4.2) und Stoffeaus militärischen Altlasten.

Die Problematik der Schadstoffanreicherung inBöden soll an einigen Beispielen verdeutlichtwerden:

Cadmium, ein Schadstoff mit breiterHerkunft: Cadmium findet sich in Böden derAltstandorte aus der Fabrikation von Batterien,Akkumulatoren, Handelsdüngern, Kunststoffen,Eisen und Stahl sowie insbesondere an Stand-orten mit Anlagen zur Gewinnung und Verar-

beitung von Nichteisenmetallen. Aber auch aufehemaligen Standorten mit Anlagen zur Ober-flächenveredlung und auf Schrottplätzen ist derBoden mit Cadmium belastet.

Produktionsrückstände mit chlorhaltigenChemikalien: In einer ehemaligen chemischenFabrik hatte man bis zur Stilllegung 1985Produktionsrückstände mit chlorhaltigen Che-mikalien in einfachen, ungesicherten Boden-wannen vergraben sowie unkontrolliertAbwässer austreten lassen. Über mehrereJahrzehnte wurde auf diese Art und Weisesowohl der Boden als auch das Grundwassermit Chlorkohlenwasserstoffen, u. a. Dioxineund Furane, verunreinigt. Der Standort musstemit Millionenaufwand saniert werden. In einemanderen Fall hatte eine unsachgemäße Hand-habung der chlorhaltigen Reinigungsmittel Triund Per in einer chemischen Reinigungsanlagedazu geführt, dass der Boden unter dem Gebäu-de verunreinigt wurde. Die Reinigungsmittelversickerten rasch bis in das Grundwasser, dasnun als Trinkwasser ohne aufwändige Sanierungnicht mehr genutzt werden kann. Auf demGelände eines Kindergartens fanden sich imOberboden Reste von gesundheitsgefährdendenKohlenwasserstoffen, die nicht abbaubar und alskrebserregend bekannt sind. Erst nachdem manmühsam bis weit in die Vergangenheit zurückrecherchierte, ließ sich ermitteln, dass sich vormehr als 100 Jahren im Bereich des Kinder-gartens ein Teerlager befand. NotwendigeFolge: ein Austausch des verunreinigten Ober-bodens.

Altablagerungen von Schädlingsbekämp-fungsmitteln: Nach Erhebungen der Ernäh-rungs- und Landwirtschaftsorganisation derVereinten Nationen (FAO, i4.1-4) lagern welt-weit mindestens eine halbe Million TonnenüberflüssigerSchädlingsbe-kämpfungs-mittel (Pesti-zide) in derNähe vonWohnhäusern,Feldern undBrunnen - ins-besondere inStaaten des ehe-maligen Ost-blocks und inden Entwick-lungsländern.Diese Altabla-gerungen bedro-

Bild 27: Auenboden der Elbe mit schadstoffbelaste-ten Schlammschichten

Bild 28: Abfälle, die nicht in den Boden gehören

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hen die Umwelt und Millionen von Menschen.Es handelt sich dabei um Stoffe, die in den mei-sten Ländern längst verboten sind oder derenHaltbarkeitsdatum schon seit langem abgelaufenist. Bei ihrem Zerfall können Stoffe entstehen,die oft giftiger sind als die Produkte selbst undden Boden und das Grundwasser hochgradigverseuchen.

Depositionen: Wie schon erwähnt, gelangenSchadstoffe auch über die Luft in den Boden.Dabei werden "luftbürtige" Emissionen derIndustrie und des Verkehrs vor allem mit demNiederschlag auf den Boden deponiert.Während Depositionsmessungen für anorgani-sche Schadstoffe - etwa Blei, Cadmium, Nitratund Sulfat - schon seit Jahren zur Umweltüber-wachung gehören, werden inzwischen auchorganische Schadstoffe erfasst. Insbesonderemuss dabei Dioxinen, Furanen, polycyclischenKohlenwasserstoffen (PAK) und polychloriertenBiphenylen (PCB), die inzwischen als weltweitverbreitete Belastungen teilweise bereits dasGrundwasser erreicht haben, vermehrt Aufmerk-samkeit geschenkt werden. Die verschiedenen Arten der Schadstoffbelas-tung verlangen unterschiedliche Maßnahmen,um schädliche Auswirkungen zu vermindernoder Gefahren für Mensch und Umwelt abzu-wehren. Versalzung vermindert man, indemdurch geeignete Techniken die Wasserzufuhr aufdas unbedingt notwendige Maß eingeschränktund durch Drainagen die Anreicherung vonSalzen im Boden verhindert wird. Um die Ver-sauerung einzuschränken, sind Maßnahmen anden Emissionsquellen notwendig. So müssendie luftgetragenen Schadstoffemissionen ausIndustrie und Verkehr, aber auch die Stickstoff-einträge aus der Landwirtschaft eingeschränktwerden. Die bisher erreichten Kompromisseüber vorläufig tolerierbare Emissionen undSchadstoffeinträge in den Boden müssen ständigüberprüft und angepasst werden.

Wenn der Boden oder gar das Grundwasser sokontaminiert sind, dass die menschliche Ge-sundheit gefährdet ist, sind Sanierungsmaß-nahmen erforderlich, deren Umfang aus einerGefährdungsanalyse und einem Sanierungsplanresultiert. Grundsätzlich aber sollte der Eintragvon schädlichen Stoffen in den Boden vermie-den werden, damit teure Sanierungsmaßnahmennicht notwendig werden.

4.2 Böden sind bedroht durchArzneimittel

Schon seit langem ist bekannt, dass Industrie-chemikalien, Abfälle aus der Energiegewinnungund Abgase aus dem Verkehr den Boden gefähr-den. Dagegen haben Arzneimittel erst in jüng-ster Zeit Beachtung im Bodenschutz gefunden.Dies verwundert, werden doch Arzneimittel seitvielen Jahrzehnten in ständig wachsenden Men-gen hergestellt und verbraucht. Zudem handeltes sich überwiegend um Stoffe mit starkenEffekten auf biologische Systeme.

Es gibt drei wesentliche Eintragsquellen vonArzneistoffen in Böden: Unverbrauchte Arznei-mittel, die Ausscheidung von Arzneimitteln undderen Umwandlungsprodukten mit Harn undKot und die Anwendung von Arzneimitteln inder Tiermast. Dabei sind direkte Einträge in denBoden von indirekten über Abwässer nicht zutrennen.

Unverbrauchte Arzneimittel spielen mengenmä-ßig eine bedeutende Rolle. Stichproben ergabeneinen Anteil zwischen 20 und mehr als 50 Pro-zent der verkauften Gesamtmenge. In unsererGesellschaft werden mit zunehmendem Wohl-Bild 29: Teeröl aus einer Kokerei

ii i4.1-1: Der Rat von Sachverstän-digen für Umweltfragen (SRU):Altlasten. SondergutachtenDezember 1989. Metzler-Poeschel,Stuttgart, 1990. � SRU: Altlasten II.Sondergutachten Februar 1995.Metzler-Poeschel, Stuttgart, 1995. i4.1-2: SRU: Umweltgutachten1994. Für eine dauerhaft umweltge-rechte Entwicklung. Metzler-Poeschel, Stuttgart, 1994. i4.1-3: SRU: Umweltgutachten2000. Schritte ins nächsteJahrtausend. Metzler-Poeschel,Stuttgart, 2000. i4.1-4: FAO: www.fao.org.

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stand mehr Arzneimittel verkauft und wenigerverbraucht. Unverbrauchtes wird oft, z. B. beimgroßen Hausputz, unachtsam weggeworfen oderan unbeobachteten Orten abgelegt. Dort bildensich lokal begrenzt z. T. sehr hohe Konzentra-tionen im Boden aus, mit entsprechenden schäd-lichen Folgen für Pflanzenund tierische Organismen.Quantitativ bedeutsamersind Arzneimittel-beseitigungen als Abfall. Inungesicherten Müllhaldenkonnten sich so beträchtlicheMengen anhäufen und von dort - wie andereChemikalien auch - direkt oder über Ober-flächengewässer in das Grundwasser gelangen.Diese Art von Abfallbeseitigung hat sich frühernicht selten im Großmaßstab abgespielt, wennArzneimittel herstellende Betriebe Produktions-abfälle in Abfallhalden gelagert hatten. Eine sol-che - heute gesetzlich unterbundene - Praxis hatin vielen Fällen zu Altlasten mit massiven Ver-unreinigungen von abführenden Gewässern bisin die großen Flüsse geführt. Diese Altlastensind bisher nur zum Teil beseitigt. Die miss-bräuchliche Ausbringung unverbrauchter Arz-neimittel im häuslichen Bereich sucht manheute durch die Verteilungswege zu verhindern:Apotheken nehmen Altarzneimittel zurück,Ärzte werden zu rationellerer Verschreibungangehalten, die Industrie stellt bedarfsangepas-ste Verpackungen zur Verfügung. Die Erfolgedieser Bemühungen sind bisher jedoch nichtermutigend.

Auch sachgerecht verbrauchte Arzneimittelvon Mensch und Tier gelangen großflächig inden Boden, und zwar als Ausscheidungspro-dukte über Harn und Kot. Bei Humanarznei-mitteln dominiert der zur Düngung ausge-brachte Klärschlamm, der quasi als Sammel-medium fungiert. An systematischen Bilan-zen fehlt es noch. Hingegen hat man anAbwässern schon zahlreiche Untersuchungenüber ausgeschiedene Arzneimittel durchge-führt. Bisher sind in Oberflächengewässernnahezu 100 Arzneistoffe oder ihre immenschlichen Organismus erzeugten Um-wandlungsprodukte nachgewiesen worden, undihre Zahl nimmt laufend zu. Die ersten aufge-deckten Stoffe betrafen die Clofibrinsäure, einzur Behandlung von Bluthochdruck eingesetztesBlutfette senkendes Mittel, und empfängnisver-hütende Abkömmlinge weiblicher Geschlechts-hormone. Die Verbrauchsmenge bestimmt dasAusmaß des Auftretens solcher Ausscheidungs-produkte in Gewässern und Böden: Sie istbesonders hoch bei den großen Volkskrank-

heiten Bluthochdruck und Rheumatismus undeben bei der Empfängnisverhütung. Über dieKlärschlammausbringung auf Böden gelangeneinige Arzneistoffe in das Grundwasser, wennauch in relativ geringen Konzentrationen. Nichtalle werden bei der Trinkwasseraufbereitung

vollständig abgefiltert.Manche werden auch vonNutzpflanzen aufgenommen.So kann ein - wenn auch sehrgeringer - Anteil der thera-peutisch am Menschen ange-

wendeten Arzneistoffe mitNahrung und Trinkwasser wieder aufgenommenwerden. Die Mengen sind jedoch nach bisheri-ger Kenntnis so gering, dass sie weit unter denSchädigungsgrenzen liegen. Sie stellen keinunmittelbares Risiko für den Menschen dar.Weitaus wichtiger ist der Einfluss auf Boden-organismen. Insbesondere bei Stoffen mit hor-moneller Wirksamkeit kann die Ökologie desbelebten Bodens gestört werden. So sind Verän-derungen der Resistenz von Mikroben durchAntibiotika bekannt geworden. Diese Erfah-rungen begründen weitaus nachhaltiger dieForderung nach Abhilfe. So sind schon seitmehreren Jahren Bestrebungen im Gange,Arzneimittel auf ihre Umweltverträglichkeit hinzu überprüfen. Seit 1998 schreibt das deutscheArzneimittelgesetz eine solche Prüfung für neuentwickelte zulassungspflichtige Arzneimittelvor (7. Novelle AMG). Bisher ist die Vorschriftjedoch nicht umgesetzt worden.

Die größten Einträge von Arzneimitteln in denBoden erfolgen über die Tiermast. Den Tierenwerden die Stoffe als Wachstumsförderer entwe-der im Futter oder als Injektion zugeführt. Siewerden z. T. unverändert oder chemisch ab-bzw. umgebaut mit Harn und Kot wieder ausge-schieden. So gelangen sie direkt oder über Gülleund Mist in den Boden. Zur Behandlung vonTiererkrankungen ist eine Vielzahl von Arznei-mitteln zugelassen, eine stark eingeschränkte

Neu zuzulassende Arzneimittelmüssen unbedingt auch aufihre Umweltverträglichkeit

untersucht werden.

Bild 30: Über die Gülle gelangen in der Tiermast eingesetzte Arzneimittel in den Boden

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Anzahl darf auch als Masthilfe verwendet wer-den. Jedoch findet in großem Ausmaß Miss-brauch statt. Immer wieder berichten die Me-dien über gesetzeswidrige Praktiken von Bauernund Veterinären. An Bedeutung dominieren hier

Antibiotika und Hormone bzw. deren Abkömm-linge; man schätzt, dass die Hälfte der gesamtenAntibiotikaproduktion in die Tiermast geht. Alsschädliche Auswirkungen befürchtet man vorallem, neben Rückständen der Stoffe in Fleisch,Milch und Eiern, die Ausbildung von Antibio-tikaresistenzen in potentiell krankheitserregen-den Mikroorganismen, wodurch diese Stoffe beieiner Infektion des Menschen ihre Wirksamkeitverlieren. Zudem besteht die Besorgnis, dieAusbildung von Resistenzen könne sich auchnachteilig auf die Ökologie der Bodenmikro-organismen auswirken.

Abhilfe ist daher dringend geboten. Der Gesetz-geber hat bisher zu zögerlich reagiert. Zwar be-steht seit 1998 eine europäische Richtlinie zurPrüfung von Tierarzneimitteln auf Umweltver-träglichkeit, der Bodenschutz findet darin aberkeine Berücksichtigung. Umweltschutzverbändedringen auf weitgehende Verbote und strengereÜberwachung der in der Tiermast eingesetztenZusatzstoffe. Dem steht der übermächtige Kon-kurrenzdruck einer sich globalisierenden Nah-rungsmittelproduktion entgegen. Auch sind diewissenschaftlichen Zusammenhänge der kom-plexen Systeme noch nicht hinreichend er-forscht, um verlässliche Risikoanalysen zu er-stellen, die als Basis akzeptierbarer Kompro-misse dienen könnten. Hier besteht noch einerheblicher Forschungsbedarf.

Die Dringlichkeit durchgreifender Problem-lösungen wird durch eine Reihe von Trends inder Entwicklung und Anwendung von Arznei-mitteln verschärft. Der Pro-Kopf-Verbrauch vonArzneimitteln nimmt, trotz aller Kostendämp-fungsbemühungen im Gesundheitswesen, seitJahrzehnten ungebremst zu. Die Gründe hierfürsind die fortschreitende Überalterung der Bevöl-

kerung und der steigende Gesundheitsanspruch.Ein wesentlicher Motor der Bedarfssteigerungist auch der fortschreitende Wandel von der rei-nen Behandlung von Erkrankungen (kurativeMedizin) hin zur Verhütung und Vorbeugung

(präventive Medizin), also dervorsorglichen Einnahme vonArzneimitteln. Der zunehmendeArzneimitteleinsatz bei Menschund Tier bedingt selbstverständ-lich auch eine Verstärkung uner-wünschter Effekte auf die Um-welt. Aus all dem resultiert einzunehmender Eintrag in den undeine steigende Gefährdung desBodens.

4.3 Böden sind bedroht durch Gentechnik

Die Gentechnik verspricht Hilfe für eine Reihebislang ungelöster Probleme. Dies trifft auch fürdie "grüne" Gentechnik zu, unter der man dieAnwendung gentechnischer Verfahren in derPflanzenzucht versteht, mit der die Widerstands-fähigkeit, die Qualität, das Wachstum und derErtrag der Produkte verbessert werden sollen.Man erwartet sich von der Anwendung gentech-nischer Verfahren eine effizientere Flächen-nutzung und die Sicherung der Welternährung.

In vielen Fällen bereitet die Gentechnik aberauch Unbehagen, denn die Folgen, die aus ihrerAnwendung erwachsen, sind aufgrund unzurei-chender Erkenntnisse bislang noch nicht abzuse-hen. Für den Boden wirft der Anbau gentech-nisch veränderter Pflanzen zwei grundsätzlichunterschiedliche Fragen auf:

ii i4.2-1: Allgemeine Literatur zumThema: Umweltbehörde Hamburg(Hrsg.): Arzneimittel in der Umwelt- Konzept für ein Untersuchungs-programm. Bericht des Bund-Länderausschusses für Chemikalien-sicherheit an die 53.Umweltministerkonferenz, 1999. � Kratz, W., Abbas, B. u. Linke, I.:Arzneimittelwirkstoffe in derUmwelt. Zeitschrift für Umwelt-chemie und Ökotoxikologie, 12 (6),2000, S. 343-349.

Bild 31: Taschenboden in saalezeitlichen Sanden

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1. Kommt es zum Eintrag neuartiger Substan-zen in Böden? Diese Stoffe können beispiels-weise Insektengifte sein, zu deren Produktiondie Pflanze absichtlich gentechnisch verän-dert wurde, um sich vor Insektenbefall zuschützen. Neuartige Substanzen können aberauch so genannte Sekundärmetabolite sein,also Stoffwechselprodukte, welche die Pflan-ze unbeabsichtigt nach der gentechnischenVeränderung produziert.

2. Kann es durch Erbgutaustausch zwischen dengentechnisch veränderten Pflanzen und denam Standort vorkommenden Arten zu einerVeränderung der ökologischen Ressourcen,insbesondere der Arten und deren Leistungenkommen?

Die erste Frage ist mit den vorhandenen Metho-den der Risikoerfassung gefährlicher Stoffein-träge in Böden gut zu untersuchen. Die notwen-digen Untersuchungen werden bisher jedochnicht systematisch durchgeführt, da Gentechnikund Chemikalien trotz der Überschneidungengetrennt bewertet werden. In den USA haben

Wissenschaft-ler z. B. fest-gestellt, dassgentechnischveränderterMais das vonihm produzier-te Insektengiftan den Bodenabgibt.Forscher derUniversitätNew York fan-den das Gift inunmittelbarerWurzelnähe,es blieb wäh-rend dergesamten

Versuchsdauer aktiv. Es wird behauptet, diesesGift könnte die Resistenzbildung von "Schädlin-gen" fördern und damit zur zusätzlichen An-wendung von Insektiziden führen. DiesesBeispiel spricht jedoch für die Anwendung derGentechnik, da die Anwesenheit des "Pflanzen-insektizids" wesentlich kleinräumiger ist alsnach traditionellem Insektizideinsatz.

Frage 2 wird kontrovers diskutiert. Wissen-schaftliche Untersuchungen deuten darauf hin,dass Gene von Pflanzen auch auf Mikroorganis-men übergehen können. So übertrugen Raps-pflanzen ein gentechnisch eingebautes Anti-

biotika-Resistenzgen auf den SchimmelpilzAspergillus niger. Selbst die Übertragung aufandere Organismen, sogar auf andere Pflanzenmit dem Pollenflug ist nicht auszuschließen.Diese These unterstützen Untersuchungen, nachdenen sich genmanipulierter Raps mit verwand-ten Wildarten kreuzte, die kilometerweit ent-fernt vorkamen.

Offen ist auch die Frage, wie lange gentech-nisch veränderte Verbindungen in Böden stabilsind. Aus einer Reihe von Untersuchungenwurde deutlich, dass Erbgut (DNA) bzw. dieProdukte der Fremdgene über Monate hinwegim Boden verbleiben können. Die Überlebens-dauer hängt - wie bei Chemikalien - von denKlima- und Bodeneigenschaften ab. Es ist nichtauszuschließen, dass Bodenorganismen Gen-produkte oder Fremdgene aufnehmen und sichdadurch verändern. Grundsätzlich könnte dieGefahr darin bestehen, dass veränderte Boden-organismen ihre Funktionen im Boden nichtmehr wahrnehmen können. Da jedoch nur einkleiner Teil der im Boden lebenden Mikro-organismen überhaupt bekannt ist, sind solcheRisikoabschätzungen derzeit mit erheblichenUnsicherheiten behaftet. Überdies stellt sich dieFrage, mit welcher Wahrscheinlichkeit "neue"oder veränderte Organismen entstehen. Berück-sichtigt man die Generationsdauer der Mikro-organismen, ihre Standorte und die Überlebens-zeit der neuen Genprodukte und genetischenInformationen im Boden, darf die Möglichkeit,dass neue Mikroorganismen entstehen, nichtvon vornherein ausgeschlossen werden. Verän-derungen im Organismenspektrum sind jedochnur dann zu erwarten, wenn der "neue" Organis-mus besser als seine Stammarten an die Umweltangepasst ist. Die wenigen vorliegenden Befun-de lassen dazu noch keine sichere Risikoab-schätzung zu. Inwieweit künftig mit gentech-nisch veränderten Pflanzen auch gefährlicheSubstanzen in den Boden gelangen, wird davonabhängen, welche Gentechnik eingesetzt wirdund wie intensiv die Überprüfung auf sogenannte Sekundärmetabolite durchgeführtwird.

Bild 32: mit Tonmineralen ausgekleidete Pore

ii i4.3-1: Wissenschaftlicher Len-kungsausschuss der EU: ScientificOpinion - Risk assessment in arapidly envolving field: the case ofGenetically Modified Plants, Oct.2000.www.europa.eu.int/comm/food/fs/sc/ssc/outcome_en.html.

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4.4 Böden sind bedroht durch Klimaänderungen

Gemeinsam mit anderen Faktoren, wie der Artder Gesteine, dem Relief und der Vegetation,steuert vor allem das Klima die Entwicklung derBöden. Eine gerichtete Änderung des Klimaswird daher zwangsläufig dazu führen, dass sichdie Eigenschaften und damit die Funktionen derBöden verändern. Welche Konsequenzen derKlimawandel für einen ganz bestimmten Stand-ort hat, ist aufgrund der Unsicherheit der Klima-prognosen heute kaum vorhersagbar. Die meis-ten Klimaforscher sind sich aber zumindest dar-

über einig, dass das Klima in der nördlichenHemisphäre während der nächsten 100 Jahrewärmer und trockener wird. Die Vielzahl be-trachteter Szenarien geht von Temperaturer-höhungen zwischen zwei und sechs GradCelsius und Verschiebungen in den Nieder-schlägen aus. Wesentlich ist die derzeit häufigdiskutierte Frage, inwieweit sich die Nieder-schläge regional verändern. Der Wandel betrifftdabei sowohl die Niederschlagsverteilung alsauch die Intensität der einzelnen Niederschlags-ereignisse. Für dieses Zusammenspiel gibt esviele Modelle. Das Zusammenwirken von Tem-peratur und Niederschlag, einschließlich derBewölkung, in ihrer saisonalen und langfristi-gen Variation beeinflusst nicht nur die Boden-bildung, sondern auch die aktuelle Boden-dynamik. Obwohl es bislang wenig signifikanteBefunde zu diesen Veränderungen an einemStandort gibt, sind durch Vergleiche qualitativeAussagen möglich.

Um die Konsequenzen früherer Klimaänderun-gen auf Böden erfassen zu können, reichen dietypischerweise ca. 100 Jahre zurückreichendenKlimaaufzeichnungen nicht aus. Hinweise ge-ben paläobotanische Informationen, aus denenman das Klima der vergangenen Jahrtausendeableiten kann. Dabei zeigt sich, dass das Klimader letzten 10.000 Jahre erheblich schwankte,mit kalt/trockenen und warm/feuchten Phasen,

aber auch mit Zeiten, in denen das Klima wär-mer und gleichzeitig trockener war. Eine wichti-ge Erkenntnis der Paläobotanik besagt zudem,dass sich ein kurzfristiger Klimawandel auf dieBöden stärker auswirkt als langfristige Verände-rungen. Dennoch haben in den zurückliegenden2.000 Jahren schon geringe Temperaturverschie-bungen im Bereich von einem Grad Celsius,gepaart mit stark variierenden Niederschlägen,zu wesentlichen Veränderungen der Artenver-teilung und damit zu Ökosystemverschiebungengeführt, die zum Teil über Änderungen vonBodeneigenschaften bewirkt wurden.

Generell werden folgende Szenarien der Verän-derungen der Temperatur und des Niederschlagsdiskutiert:� eine Temperaturerhöhung ohne Veränderung

des Niederschlags, was eine Erhöhung der Verdunstung bewirkt;

� eine Temperaturerhöhung mit bedeutender Verminderung der Niederschläge, die Trockenstress hervorruft und bodenbiolo-gische und bodenchemische Prozesse ver-langsamt;

� eine gleichzeitige Erhöhung von Temperatur und Niederschlägen, die bodenbiologische und bodenchemische Prozesse beschleunigt.

Beschränkt man sich auf das Gebiet Mitteleuro-pas, würden sich bei einer Temperaturerhöhungund gleichbleibenden Niederschlägen kurzfristigdie Lebensraum- und die Produktionsfunktionder Böden ver-ändern. DieBodenorganis-men müsstensich an diehöhere Ver-dunstung an-passen, und inder Landwirt-schaft müssteentweder mehrberegnet oderErtragsein-bußen hinge-nommen wer-den. Mit demgleichenSzenario erhöhte sich auch die Nährstoffverfüg-barkeit, was bei vermindertem Pflanzenwachs-tum das Grundwasser gefährdet, dessen Neu-bildung bei diesem Szenario ohnehin vermindertsein wird. Generell ist jedoch davon auszuge-hen, dass unter diesen Bedingungen die physi-kalischen und chemischen Bodeneigenschaftensich nur sehr langsam verändern.

Denn auch wenn der KohlenDenn auch wenn der Kohlen--dioxidausstoß begrenzt wird,dioxidausstoß begrenzt wird,lässt sich die zunehmendelässt sich die zunehmendeWüstenbildung nicht einfachWüstenbildung nicht einfachabschalten.abschalten.

Prof. DrProf. Dr. Klaus . Klaus TöpTöpferfer, , Exekutivdirektor des Exekutivdirektor des

UN-Umweltprogramms (UNEP) UN-Umweltprogramms (UNEP) in Fin FAZ NrAZ Nr. 19 v. 19 v. 23.01.2001. 23.01.2001

Bild 33: Tropfenboden in saalezeitlichen Sanden

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Bei Temperaturerhöhung und bedeutend weni-ger Niederschlägen tritt Trockenstress auf,durch den biologische und chemische Prozesseim Boden verlangsamt werden. Dadurch werdensich die physikalischen und chemischen Eigen-schaften der Böden langsamer verändern alsunter der aktuellen Dynamik. Aufgrund dergegenläufigen Wirkung von Temperaturerhö-hung und Verringerung der Niederschläge ist estheoretisch auch denkbar, dass sich die Boden-eigenschaften nicht ändern. Für die Landwirt-schaft würde dieses Szenario eine radikale Um-stellung auf den Anbau anderer Feldfrüchtebedeuten.

Bei Erhöhung von Temperaturund Niederschlägen würden diebodenchemischen und boden-physikalischen Prozesse be-schleunigt. Treten dazu auchnoch häufiger Starkregen auf,besteht für Böden erhöhte Ero-sionsgefahr. Bei Temperatur-erhöhung und anhaltender guterWasserversorgung erfolgt zwareine Ertragssteigerung, aberauch ein beschleunigter Humus-

abbau. Für den Ertrag von Kulturpflanzen sagendie derzeit eingesetzten Prognosemodelle fol-gendes voraus: Eine Reihe von Kulturpflanzenin gemäßigten bis kalten Klimazonen wird beiTemperaturerhöhungen um bis zu zwei GradCelsius und vermehrten Kohlendioxid-Emissio-nen besser wachsen, dagegen wird die Produk-tion gehemmt, wenn die Temperatur mehr alsvier Grad Celsius zunimmt. Zugleich führenhöhere Niederschläge zu einer Produktions-steigerung und umgekehrt. Außerdem bewirkteine Zunahme von Temperatur und Nieder-schlägen den Abbau von Humus, was negativ zubewerten ist. Versuche dazu habengezeigt, dass sich der Gehalt anorganischer Substanz einesBodens bei Verlagerung in einanderes Klima bereits nach fünfJahren messbar verändert. Auchwenn man derartige Experimentekritisieren kann, zeigt sich dochzumindest, dass negative Effektefür Böden nicht erst in Jahrzehn-ten zu erwarten sind.

Eine Besonderheit bei Klima-änderungen stellen die FaktorenBioverfügbarkeit und Mobilitätvon Schadstoffen in Böden dar.Tendenziös ist diese ThematikGegenstand der Diskussionen zu

"chemischen Zeitbomben". Zweifelsohne beein-flussen die oben geschilderten Veränderungender bodenchemischen Prozesse auch die biover-fügbaren bzw. zur Verlagerung verfügbarenAnteile von Schadstoffen in Böden. Eine quanti-tative Aussage zu den Effekten ist aber aufgrundder Komplexität der Wechselwirkungen derzeitnicht möglich. Jedoch kann man davon ausge-hen, dass ein "Wärmer-Feuchter" zu einer Er-höhung der bioverfügbaren bzw. verlagerbarenSchadstoffe führt, hingegen ein "Wärmer-Trockener" zu einer Erniedrigung. In jedem Fallführt eine Erwärmung dazu, dass sich organi-sche Stoffe aus den Böden schneller verflüchti-gen. Nicht flüchtige Stoffe könnten hingegenbei Erwärmung und erhöhtem Eintrag mit er-höhten Niederschlägen die Böden zusätzlichbelasten, sofern sie nicht beschleunigt abgebautwerden.

Fazit: Wenn der aktuelle Zustand der Böden ein-schließlich seiner natürlichen Entwicklung dasSchutzgut darstellt, haben Klimaänderungen mitsehr großer Wahrscheinlichkeit schädlicheAuswirkungen.

4.5 Böden sind bedroht durch Überbauung

Jeder kennt es: Hebt man im Garten einen Steinauf, dann wimmelt es darunter von Ameisen,

Asseln und Würmern. UnterBeton und Asphalt wimmeltnichts. Denn dort, wo Häuser,Straßen und Wege, Plätze undAuffahrten den Untergrund ver-siegeln, gibt es kein Leben imBoden mehr. Aber auch andereFunktionen, wie die Wasserspei-cherung, der Stoffaustausch oderdie Klimafunktion, gehen verlo-ren.

Derzeit sind fast zwölf Prozentdes Bundesgebietes Siedlungs-und Verkehrsflächen. In den altenBundesländern ist der überbauteAnteil mit 13,3 Prozent deutlichhöher als in den neuen Bundes-

Bild 35: Durch Bautätigkeitstark gestörter Boden

ii i4.4-1: Bourdeau, P., Haines, J. A.,Klein, W. u. Krishna Murti, C. R.(Hrsg.): Ecotoxicology and Climate.SCOPE, 38, 1989.

Bild 34: Pliozäne Sande mit Eiskeil

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ländern (8,4 %), wobei die Fläche pro Einwoh-ner in den neuen Bundesländern mit 556 m²knapp 10 % höher ist als in den alten. Aller-dings ist nur die Hälfte der Siedlungsfläche tat-sächlich versiegelt: Das sind immerhin etwa 2,1Millionen Hektar oder knapp 6 Prozent desBundesgebietes. Aber auch die andere Hälftehat durch Bebauung und Nutzung zumindeststark von ihrer natürlichen Beschaffenheit ein-gebüßt.

Immer mehr Böden gehen den Weg vom Acker-standort, mit meist naturnahem Zustand, überdas "Bauerwartungsland" zum Bauland mit sei-nem hohen Anteil versiegelter Fläche (Bild 36,i4.5-1). Täglich werden in Deutschland etwa130 Hektar meist vormals landwirtschaftlich ge-nutzter Böden in Flächen für Siedlung und Ver-kehr umgewandelt - das ist vergleichbar mit derFläche von ca. 170 Fußballfeldern. Und dieserFlächenverbrauch steigt noch weiter an. Derzeitwächst die Siedlungs- und Verkehrsfläche jedesJahr um mehr als 43.000 Hektar. Dies entsprichteinem Zuwachs in der Größe der Stadt Bremen. Trotz stagnierender Bevölkerungs- und Er-werbstätigenzahlen nimmt die Fläche für

Wohnen, Verkehr, Freizeit und Arbeiten weiter-hin zu. Während die Bevölkerung zwischen1960 und 1999 um ca. 20 % stieg, wuchs dieSiedlungsfläche um 75 %. Ursachen dafür sindsteigende Ansprüche sowie rückläufige Beschäf-tigungsdichten. Von 1950 bis 1997 wuchs dieWohnfläche pro Einwohner von weniger als 15auf 38 m² pro Einwohner.

Werden die Weichen nicht anders gestellt, ist zuerwarten, dass die Umwandlung von landwirt-schaftlich genutzter Fläche für Siedlung undVerkehr auch in Zukunft kontinuierlich zu-nimmt. Denn dieser Trend wird sich auch durchden erwarteten Rückgang der Bevölkerungkaum aufhalten lassen. Man rechnet bis 2010

mit einer Zunahme der überbauten Fläche umetwa 500.000 Hektar: in etwa die doppelteGröße des Saarlandes. Besonders betroffen istdabei das Umland der Städte und Gemeinden,und dies, obwohl ehemals bebautes Land in gro-ßem Umfang zur Verfügung steht. Laut einerBaulandumfrage 1997/1998 könnte man fürmehr als 50 Prozent der mittelfristig benötigtenWohnbaufläche auf baureife Brachgebiete zu-rückgreifen. Zudem ließe sich der gesamte aktu-elle Bedarf an Gewerbebauland aus baureifenWiedernutzungsflächen decken.

Um den alarmierenden Trend umzukehren, hatman viele Alternativen erarbeitet. Sie reichenvon Konzepten einer restriktiven Flächenhaus-haltspolitik über Anreize zur Wiedernutzbar-machung von Brachflächen / Mobilisierung vonBauland bis hin zu einem Vorrang der Innen-vor der Außenentwicklung; schließlich könnte

man flächensparende Baumethodenfördern, die urbane Dichte optimalnutzen sowie Freiraum sichern oderauch ökonomische Instrumente wieeine Bodenwertsteuer / Flächen-nutzungssteuer einsetzen.

Zahlreiche Gremien fordern einendrastischen Rückgang der Flächen-überbauung. Dass dies nicht einfachzu realisieren ist, zeigt folgendesZitat: "Angesichts stabiler Zu-wachsraten beim Siedlungsflächen-wachstum sind mittlerweile jedochTendenzen zur Rücknahme der teil-weise recht kategorischen Forde-

rungen zu bemerken. Auch um die Formulie-rung grundsätzlicher Einsparziele ist es merk-lich ruhiger geworden. Mutmaßlich liegt diesdaran, dass die genannten Forderungen wederwissenschaftlich exakt ableitbar noch politischeindeutig legitimierbar sind. Mehr noch: Übereine merkliche Reduktion der Flächeninan-spruchnahme besteht keinesfalls gesellschafts-politischer Konsens, sofern sie mit hohen odersteigenden Baulandpreisen und Mobilitätsmin-derungen einhergeht. Als pragmatische Zielerücken aktives kommunales Flächenressourcen-management, Wiedernutzbarmachung vonBrachflächen oder Mobilisierung von Baulandin den Vordergrund nachhaltiger Flächen-haushaltspolitik" (i4.5-2).

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Aus der Perspektive einesAus der Perspektive einesBodenlebewesens sind VERSIEBodenlebewesens sind VERSIE--GELGELTE FLÄCHEN „Wüsten“.TE FLÄCHEN „Wüsten“.

UBA-TUBA-Terminkalender September 2002erminkalender September 2002

Bild 36: Änderung der Flächennutzung in Deutschlandzwischen 1993 und 1997

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4.6 Böden sind bedroht durch Bodenerosion

Die Erosion - der Abtrag von locke-rem Material durch Wasser und Wind- ist ein natürlicher Prozess, der imLaufe von Jahrmillionen Gebirge ein-ebnet und Meeresbecken mit Sedi-menten füllt. Unter Bodenerosionversteht man dagegen den über dasnatürliche Maß hinausgehendenAbtrag, den der Mensch auslöst. Manunterscheidet die durch Niederschlä-ge verursachte Wassererosion und diein Starkwindgebieten auftretendeWinderosion (i4.6-1).

Problematisch an der Wassererosionist nicht nur der Verlust an fruchtba-rem Oberboden, sondern auch dieZerschneidung der Hänge und dieÜberdeckung der Böden am Hangfußmit rohem Erosionsmaterial. Ein Teildes Sediments gelangt in die Ge-wässer und lagert sich in den Ge-wässerbetten ab, die deshalb regel-mäßig ausgebaggert werden müssen.Mit dem Sediment werden auchgroße Mengen an Nährstoffen undSchadstoffen in die Gewässer einge-tragen (i4.6-2).

In welchem Ausmaß das Wasser den Bodenabträgt, hängt von mehreren Faktoren ab: derDauer heftiger Niederschläge, der Erodierbar-keit von Böden, der Länge und Neigung derHänge sowie der Bewirtschaftungsform underosionsabwehrenden Maßnahmen. Die maß-geblichen Faktoren der Wassererosion kann manin einer Formel zusammenfassen, mit der sichder mittlere Bodenabtrag pro Jahr grob abschät-zen lässt. Wie das Beispiel Bayern (Bild 37,i4.6-3) zeigt, gibt es erhebliche regionale Unter-schiede. Besonders betroffen sind intensivackerbaulich genutzte Regionen mit Böden ausLöss (Niederbayern, Region um Würzburg), indenen derzeit soviel erodiert, dass binnen 600Jahren eine Schicht von etwa 50 cm abgetragenist, eine Rate, die durch die natürliche Boden-neubildung nicht ausgeglichen werden kann.Ursache für den hohen Abtrag in diesen Regio-nen ist das ungünstige Zusammentreffen vonhügeligem Gelände, Böden, die besonders anfäl-lig für die Bodenerosion sind, und dem verbrei-teten Anbau von Futtermais und Zuckerrüben,zwei Feldfrüchten, die erst spät flächendeckendden Boden schützen, wodurch die Böden denstarken Gewitterregen im Frühling und Früh-sommer weitgehend ungeschützt ausgesetztsind.

Bild 37: Bodenerosion in Bayern

ii i4.5-1: Bundesamt für Bauwesenund Raumordnung: Raumordnungs-bericht 2000. Berichte 7, Selbstver-lag des Bundesamtes für Bauwesenund Raumordnung, 2000. i4.5-2: Dosch, F. u. Beckmann, G.:Trends und Szenarien der Siedlungs-flächenentwicklung bis 2010. In:Informationen zur Raumentwick-lung 11/12, Bundesamt für Bau-wesen und Raumordnung, Bonn,1999. � Dosch, F. u. Beckmann, G.:Siedlungsflächenentwicklung inDeutschland - auf Zuwachs pro-grammiert. In: Informationen zurRaumentwicklung, 8, Bundesamt fürBauwesen und Raumordnung, Bonn,1999. i4.5-3: Ansprechpartner:Umweltbundesamt Berlin � Bundesamt für Bauwesen undRaumordnung, Bonn.

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Winderosion tritt vor allem in Norddeutschlandauf. Betroffen sind großflächige, vegetationsar-me Flächen mit trockenen Böden aus feinenSanden oder feinkörnige Böden mit einemBodengefüge aus staubfeinen Krümeln.

Weltweit ist die Bodenerosion die größte Bedro-hung für die Böden. Nach einer von mehrereninternationalen Organisationen durchgeführtenErhebung ist eine Fläche von zirka 17 MillionenQuadratkilometern erosionsgefährdet - das sindfast 15 Prozent der nutzbaren Fläche der Erde.Jährlich werden ca. 120.000 km² (0,1 % der

nutzbaren Fläche) aufgegeben, weil der Anbaunicht mehr lohnt (i4.6-1). Man schätzt, dass eingroßer Teil der Ackerfläche, die durch Rodunghinzu gewonnen wird, in anderen Regionendurch Bodenerosion wieder verloren geht.Berücksichtigt man zusätzlich, dass die Welt-bevölkerung weiter dramatisch steigt, wird ver-ständlich, dass die Ackerfläche, die pro Kopfzur Verfügung steht, von 0,33 (1986) über 0,23(2000) auf 0,15 Hektar im Jahr 2050 absinkenwird. Da kaum noch fruchtbare Böden in Acker-fläche umgewandelt werden können, kann dieErnährung der Weltbevölkerung nur durchhöhere Erträge sichergestellt werden (i4.6-4).Ein besonders drastisches Beispiel von Boden-erosion durch unangepassten Ackerbau doku-mentiert Bild 38. In der am Nordhang des Picode Orizaba (Mexiko) gelegenen GemeindeTlachichuca wurde 1974 in einer Höhe zwi-schen 3.100 und 3.400 Metern ein größeresWaldstück für den Kartoffelanbau gerodet. Daslinke Bild zeigt, dass bereits im darauf folgen-den Jahr eine etwa 3 Meter tiefe Erosionsrinneentstanden war, die sich jährlich weiter ummehrere Meter einschnitt. Im Jahr 1978 (mittle-res Bild) hatte die Rinne eine Tiefe von zirka 20Metern erreicht, 1991 (rechtes Bild) war sie

mehr als 50 Meter tief und bedrohte die Sied-lung. Vor der Entwaldung bestand keine Gefahr.Denn solange der natürliche Kiefernwald mitseinem dichtem Unterholz wuchs, blieben auchdie extrem lockeren Vulkanascheböden voll-kommen erosionsstabil. Doch unmittelbar nachder Rodung machten sich die in den Subtropentypischen Starkregen gravierend bemerkbar:Das Wasser floss auf dem Boden ab und riss indie Oberfläche tiefe Rinnen. Diese vergrößertensich rasch, weil unter den Böden mächtigeSchichten vulkanischen Lockermaterials lagen.Mittlerweile ist der Kartoffelanbau längst einge-

stellt - doch nicht nur wegen der Bodenerosion.Die Monokulturen wurden zudem von Nema-toden befallen, so dass sich der Anbau nichtmehr lohnte. Die Erosion schreitet dagegen wei-ter fort.

Wird an Hängen Ackerbau betrieben, lässt sichWassererosion nicht völlig vermeiden. Aber esgibt viele Techniken, durch die der Bodenabtragsehr stark eingedämmt werden kann (i4.6-5).Wichtige Maßnahmen gegen Wassererosionsind: eine geeignete Auswahl der Fruchtarten (z. B. Winter- statt Sommergetreide); der Anbauvon Zwischenfrüchten (Futter- und Gründün-gungspflanzen) und Untersaaten (z. B. Klee-Grasgemische im Mais); die parallele Anor-dnung der Felder in quer zum Hang verlaufen-den Streifen, in denen erosionsfördernde underosionshemmende Feldfrüchte abwechseln;konservierende Bodenbearbeitung (z. B. Einsaatin Pflanzenreste der Vorfrucht und Einmulchender Rückstände); Vermeidung von Bodenver-dichtungen durch schwere Maschinen undErhöhung der Gefügestabilität des Oberbodens.Winderosion lässt sich eindämmen, indem mandie Schlaggröße begrenzt und Windschutz-gehölze anlegt.

Bild 38: Bodenerosion im Hochland von Mexiko

1975 1978 1991

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ii i4.6-1: Richter, G. (Hrsg.): Boden-erosion, Analyse und Bilanz einesUmweltproblems. WissenschaftlicheBuchgesellschaft Darmstadt, 1998. i4.6-2: Madsen, B. L. u. Tent, L.:Lebendige Bäche und Flüsse.Edmund Siemers-Stiftung,Hamburg, 2000. i4.6-3: Umweltbundesamt: Datenzur Umwelt 1986/87. Erich SchmidtVerlag, 1986. i4.6-4: Wissenschaftlicher Beirat derBundesregierung Globale Umwelt-veränderungen: Welt im Wandel:Die Gefährdung der Böden.Jahresgutachten 1994, EconomicaVerlag, Bonn, 1994. i4.6-5: Bundesministerium fürVerbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft (BMVEL) (Hrsg.):Gute fachliche Praxis zur Vorsorgegegen Bodenschadverdichtungenund Bodenerosion, 2001. BMVEL,Postfach, 53107 Bonn. www.verbraucherministerium.de.

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5 Bodenschutz braucht viele Helfer

Ein verantwortlicher Umgang mit Böden ist nurdann möglich, wenn Öffentlichkeit und Boden-Nutzer den Wert des Bodens erkennen. Dazu istein angemessenes Wissen über Böden und einepositive Einstellung zum Bodenschutz nötig.Trotz vielversprechender Ansätze, wie derVerabschiedung des Bundes-Bodenschutzge-setzes oder Erfol-gen bei der Alt-lastensanierung,gibt es nocherheblicheDefizite. DerBodenschutzbraucht einenangemessenenPlatz in Politik und Gesellschaft. Um den Zu-gang zu Anregungen und Informationen zuerleichtern, hat der Wissenschaftliche BeiratBodenschutz seine Schlussfolgerungen undEmpfehlungen zielgruppenorientiert nachAkteuren im Bodenschutz gegliedert. In jedemBereich wird kurz auf den aktuellen Zustandeingegangen, werden Mängel undLösungsvorschläge benannt und Hinweise zurweitergehenden Information gegeben. Übergrei-fende Darstellungen zur Verbesserung desBodenbewusstseins finden Sie unter i5-1.

5.1 Bodenschutz im Kindergarten

Noch vor fünfzig Jahren verbrachten die mei-sten Kinder und Jugendlichen einen großen Teilihrer Freizeit "draußen", meint: im Wald undauf Wiesen rund um ihren Wohnort. Dabei nah-men die Heranwachsenden die Böden mit allihren Sinnen wahr. Sie sahen im Herbst dieunterschiedlichen Farben der Äcker und kanntenden unterschiedlichen Geruch von Acker-,Wald- und Moorböden; sie wussten, in welchenBöden man stabile Höhlen bauen kann, undmieden nasse lehmige Böden, auf denen Ton-klumpen an den Schuhen klebten. Mitunter

schmeckten sie den Boden sogar, wenn sie hin-fielen, darin wühlten oder sich damit bewarfen.Heute kommen nur noch wenige Kinder mitBoden in Berührung. Unbebaute Umgebung istfür die wenigsten schnell erreichbar, und derSand der Spielplätze ist nur ein sehr unvollkom-mener Ersatz. Spaziergänge "in die freie Natur"finden auf befestigten Wegen statt, und in denmeisten Hausgärten müssen sich Kinder schonanstrengen, um in der Erde buddeln zu können(bzw. zu dürfen).

Empfehlung 1Sollen Kinder den Bodennicht nur als Schmutzwahrnehmen, den es tun-lichst zu meiden gilt, mussihnen schon der Kinder-garten ein positives Bild

von Böden vermitteln. Mankann mit unterschiedlichen Bodenmaterialienwunderbar spielen. Die Kinder fühlen beimKneten und Formen, dass Böden feucht, troc-ken, weich, hart oder klebrig sind; sie hören,dass Sand knirscht und Ton "schmatzt"; siesehen, dass man auf Bögen, die mit Kleisterbestrichen wurden, wunderbare Bodenbilder"malen" kann; und sie riechen den Unterschiedzwischen einem Acker- und einem Waldboden.Werden Pflanzen aus Samen gezogen, darf dieRolle des Bodens nicht vergessen werden, unddie Betrachtung einer Bodenprobe aus demWald macht jedem Kind bewusst, dass Bödenbelebt sind. Anregungen, Spiele und Lern-materialien für den Umgang von Kindern mitdem Thema Boden finden Sie unter i5.1-1.

Einen besonderenStellenwert kannder Boden imKonzept der Wald-kindergärten erlan-gen, die in zahlrei-chen StädtenDeutschlands ein-gerichtet sind(i5.1-2). Gemein-sam ist ihnen, dassdie Kinder fünfTage in der Wochemehrere Stundenim Freien verbrin-gen und mit allenSinnen die Natur im Wechsel der Jahreszeitenerleben. Mit geeignetem Informationsmaterialsollten Kindergärtnerinnen und Kindergärtnerden Grundstein für den verantwortungsvollenUmgang mit Böden setzen.

WWir haben entdeckt, dass dieir haben entdeckt, dass dieBürger über Nutzen und SchutzBürger über Nutzen und Schutzder Böden nicht so denken, wieder Böden nicht so denken, wieNatur- und Bodenschützer dachNatur- und Bodenschützer dach--ten, dass die Bürger denken.ten, dass die Bürger denken.

Unbekannte QuelleUnbekannte Quelle

ii i5-1: Bundesverband Boden e. V.:www.bodenwelten.de. � Natur-schutz- und UmweltakademieNordrhein-Westfalen:www.nua.nrw.de/boden.

Bild 39: Johanna matscht

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5.2 Bodenschutz in der Schule

Die Überprüfung der Lehrpläne mehrerer Bun-desländer (Beiträge in i5.2-1) hat ergeben, dassBoden als selbständiges Unterrichtsthema(Gymnasium, Oberstufe, jedoch nicht in allenZweigen) lediglich in Baden-Württemberg undNordrhein-Westfalen gelehrt wird. In den übri-gen Bundesländern behandeln viele Schultypendie Bedeutung von Böden und Fragen des Bo-denschutzes gar nicht oder lediglich begleitendin Themen wie Überdüngung und Pestizidein-satz in der Pflanzenproduktion, ohne dass,wegen der knappen Zeit, die bodenkundlichenGrundlagen erklärt werden (können). Bochterschreibt hierzu: "Es muss im Unterricht also

gleichsam das Ober-geschoss eines Hauseserrichtet werden, ohneKeller und Erdgeschoss."(i5.2-1)

Die Untersuchungen habenauch gezeigt, dass bei vie-len Themen, in denen derBoden eine wichtige Rollespielt, nicht einmal derBegriff in den Lehrplänenauftaucht. Immerhin gebendie aktuellen Lehrpläne

unter dem Leitziel "verantwortlicher Umgangmit der Umwelt" schon jetzt die Möglichkeit,das Thema Boden verstärkt in den Unterrichtmit aufzunehmen. Geeignete Unterrichtsmate-rialien, die es für alle Schultypen und Klassen-stufen gibt, erleichtern den Lehrern diese Auf-gabe. Held und Mueller haben in einem Me-dienkatalog (i5.2-2) die wichtigsten Hilfsmittelzur Einführung bodenkundlicher Inhalte in denschulischen Unterricht zusammengestellt undbewertet. Auch aus dem Internet lassen sich

eine Fülle von Informationen für den Unterrichtherunterladen (z. B. i5.2-3).

Empfehlung 2Der Wissenschaftliche Beirat Bodenschutz ruftalle Verantwortlichen dazu auf, Böden zumin-dest gleichwertig neben den anderen Umwelt-kompartimenten Wasser und Luft in die Lehr-pläne aller Schultypen aufzunehmen. Zudemmüssen die Lehrer derart ausgebildet werden,dass sie bodenkundliche Grundlagen vermittelnkönnen (vgl. Kap. 5.3).

Im Sachkundeunterricht der Jahrgänge 1 - 4lassen sich Themen wie "die Bedeutung derBöden für die Ernährung", "der Boden alsLebensraum für Organismen" oder "die Emp-findlichkeit von Böden bei Niederschlägen"behandeln. Einfache Versuche demonstrierendie Vielfalt des Bodenlebens und dass Bödenaus unterschiedlichen Materialien bestehen. Inaußerschulischen Veranstaltungen lassen sichUnterschiede von Acker- und Waldböden beob-achten oder auffällige Unterschiede der Ober-böden in den verschiedenen Landschaftseinhei-ten der Umgebung herausarbeiten. Bei einemBesuch auf einem Bauernhof kann der Landwirtdie Bedeutung der Bodenbearbeitung und derDüngung für den Ertrag der Feldfrüchte erklä-ren. Mehrere für diese Altersstufe entwickelteInformationen, Arbeitsanleitungen und Versuchefinden Sie unter i5.2-3. Tipp: In der Fernseh-Reihe "mittendrin" von Peter Lustig gibt eseinen ausgezeichneten zweiteiligen Film überden Boden.

Schüler der Jahrgänge 5 - 10 sollten die Wir-kungsbeziehungen zwischen Böden und demÖkosystem kennen lernen. Fast jede Schule hateinen Garten, in dem man den Bodenaufbauund die Wirkung unterschiedlicher Bodensub-strate auf das Wachstum von Pflanzen erläuternkann (i5.2-4). Auch für diese Altersstufe gibt eseine große Anzahl gut ausgearbeiteter Experi-mente für den Biologie- und Chemieunterricht(i5.2-2 u. i5.2-3). Das Thema Boden eignet sichzudem ausgezeichnet für eine Projektwoche.Derzeit werden so genannte Bodenkoffer erar-beitet (i5.2-5), die Lehrerunterlagen, Arbeits-mittel für Schüler und Messgeräte enthalten.Mit diesen Materialien lassen sich Themen wie"die Unterschiede von Böden unter Acker undWald", "Böden als Wasser-, Nährstoff- undSchadstoffspeicher" oder "Böden und Ge-wässer" erarbeiten. Soweit Bodenlehrpfade vorOrt bestehen (i5.3-4), kann man auch die Unter-suchung ganzer Bodenprofile in das Programmaufnehmen.

ii i5.1-1: Unter der Rubrik "Klicks fürKids" finden sich im Informations-system der Naturschutz- und Um-weltakademie Nordrhein-Westfalen(www.nua.nrw.de/boden) altersge-rechte Hinweise. � Ideenwettbewerbdes Arbeitskreises "Boden in Unter-richt und Weiterbildung":www.aw.fh-osnabrueck.de/akboden.i5.1-2: Unter dem Stichwort "Wald-kindergarten" werden in Internet-Suchmaschinen knapp 1000 Nach-weise geführt.

Bild 40: Geländearbeit mit Schülern

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Im Geographie-, Biologie- und Chemieunter-richt der Oberstufen sollten schließlich dieRolle der Böden für die Welternährung, dieBodendegradation (z. B. Erosion als Faktor derDesertifikation, Verlust an Biodiversität, Boden-kontamination) und die Möglichkeiten desBodenschutzes verdeutlicht werden (i5.2-2).

Wie die über mehrere Jahre andauernde Veran-staltungsreihe "Schülerforum Umwelttechnik"der Stiftung "Jugend forscht" gezeigt hat, eignensich bodenkundliche Themen auch sehr gut alsEinstieg in das selbständige wissenschaftlicheArbeiten.

5.3 Bodenschutz anUniversitäten und Fachhochschulen

In Deutschland ist das Fach Bodenkunde an 24Universitäten und 14 Fachhochschulen vertre-ten. In allen Studiengängen der Agrar-, Forst-und Gartenbauwissenschaften ist BodenkundeBestandteil des Studienplans. Weitere Studien-gänge, in die Bodenkunde integriert sein kann,sind Geologie, Geographie, Geoökologie, Geo-wissenschaften, Umweltwissenschaften undBauingenieurwesen (i5.3-1). Als eigenständigerStudiengang ist das Fach Bodenwissenschaftenan der Universität Hohenheim (i5.3-2) und ander Fachhochschule Osnabrück (i5.3-3) eta-bliert.

Trotz der großenZahl an bodenkund-lichen Institutenund Studienangebo-ten bestehen Defi-zite in der akademi-schen Lehre. So istdas Fach Boden-kunde in den mei-sten Studiengängender Agrar- undForstwissenschaftenlediglich Bestand-teil des Grundstu-diums, so dass einevertiefte Beschäftigung mit Fragen des Boden-schutzes nicht obligatorisch ist. Nicht in allenStudiengängen mit Schwerpunkt Umwelt- oderNaturschutz ist Bodenkunde / BodenschutzPflichtfach. Die Folge: Ein Teil der Absolven-ten, die vorwiegend in Behörden und Ingenieur-büros tätig werden, ist nicht hinreichend mitdem Boden vertraut. Gleiches gilt für Absol-venten der Geowissenschaften, der Biologie undder Ingenieurwissenschaften.

Empfehlung 3Da die Lehre an Universitäten und Fachhoch-schulen meist didaktisch wenig vorgebildetenWissenschaftlern überlassen ist, empfiehlt derWissenschaftliche Beirat Bodenschutz die Ein-richtung einer Professur für bodenkundlicheFachdidaktik, die Lehrinhalte und -formen fürdie unterschiedlichen Studiengänge weiterent-wickelt. Hier könnte auch der Ausgangspunktfür die Entwicklung von Internet-Lehrangebotensein, mit denen Universitäten und Fachhoch-schulen, an denen es das Fach nicht gibt,bodenkundliches Wissen anbieten.

ii i5.2-1: Der Arbeitskreis "Boden inUnterricht und Weiterbildung" derDeutschen BodenkundlichenGesellschaft (www.aw.fh-osna-brueck.de/akboden) hat in denMitteilungen der Deutschen Boden-kundlichen Gesellschaft Band 85(1997), Heft 3, S. 1629-1674, Band89 (1999), S. 61-96 und Band 96(2001), Heft 2, S. 799-816 zahlrei-che Artikel zur Berücksichtigungder Bodenkunde im Schulunterrichtpubliziert. i5.2-2: v. Held, G. u. Mueller, K.(Hrsg.): Medienkatalog zur Einfüh-rung bodenkundlicher Inhalte in denschulischen Unterricht. Fachhoch-schule Osnabrück, FachbereichAgrarwissenschaften, 2000 (Samm-lung und Auswertung geeigneterLehrmaterialien nach Schultypenund Klassenstufen.). i5.2-3: Die Naturschutz- und Um-weltakademie Nordrhein-Westfalenhat eine ausgezeichnete Website ein-gerichtet (www.nua.nrw.de/boden),in der für die unterschiedlichenAlters- und Schultypen eine großeZahl von Informationen abrufbarsind. � Ein interaktives Lernpro-gramm und ein für den Unterrichtgeeigneter Film (Die Haut der Erde- über den Boden, von dem wirleben) sind über www.aid.de/land-wirtschaft/bodenschutz erhältlich. i5.2-4: Amt für Schule Hamburg(Hrsg.): Bodenuntersuchungen imSchulgarten - eine praxisorientierteArbeitshilfe. Hamburg, 1996. i5.2-5: www.bvboden.de

Bild 41: Saprolit

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Um Fortschritte bei der Integration des ThemasBodenschutz in den Unterricht an Schulen zuerzielen, sollten Lehramtsstudienpläne das FachBodenkunde als Wahlfach in den Fächern Bio-logie, Chemie und Erdkunde einführen. Uni-versitäten könnten durch aktive Mitarbeit bei"Jugend forscht"-Projekten und Angeboten fürSchülerpraktika Studenten gewinnen, die früh-zeitig am Fach Bodenkunde interessiert sind.

Die Mitglieder der Universitäten und Fach-hochschulen haben überdies den Auftrag, ihrFach in der Öffentlichkeit zu vertreten. Sie soll-ten in Zusammenarbeit mit Fachjournalistenregionaler und überregionaler Zeitungen undZeitschriften das Thema Boden öffentlichkeits-wirksam aufbereiten. Sie könnten Anregungenfür Fernsehbeiträge in Sendungen über Umwelt-und Wissenschaftsthemen geben. Die Universi-täten sollten mit öffentlichen Veranstaltungs-reihen, Vorträgen bei Umweltverbänden und inVolkshochschulen sowie durch Mitarbeit in

Agenda-21-Gruppen dasBodenbewusstsein auf lokalerEbene fördern. Außerdem bie-ten Bodenlehrpfade oder dieIntegration von offenenBodenprofilen in Naturlehr-pfaden eine wichtige Möglich-keit, Böden sichtbar zumachen (i5.3-4).

Im Rahmen der Umweltfor-schung wurden in den vergan-genen zwanzig Jahren vielebodenbezogene Themen unter-sucht; Schwerpunkte warenWaldschadensforschung,Landwirtschaft und Agraröko-systeme, Ökosystemanalyse,Auswirkungen von Altlasten

und kontaminierten Standorten auf Gewässer,Grundwasser und Biosphäre, Abfallwirtschaftund Recycling, Reinigung kontaminierter Bö-den, Deponietechnik. Themen und Ergebnissedieser Untersuchungen können Sie der Daten-bank UMPLIS des Umweltbundesamtes entneh-men (i5.3-5). Dennoch gibt es im BereichBodenschutz noch erheblichenForschungsbedarf.

Empfehlung 4Aus Sicht des Wissenschaftlichen BeiratsBodenschutz sind in Zukunft folgende For-schungsthemen vordringlich zu bearbeiten:Auswirkungen von Human- und Tierarznei-mitteln auf Böden, das Verhalten gentechnischveränderter Organismen auf Bodeneigenschaf-

ten und -organismen, die Rolle der Böden fürdie Biodiversität, die Wechselwirkung zwischen

Bodenor-ganismenund Boden-eigenschaf-ten, die Be-deutungdes Boden-schutzes inder Pla-nung, dieBedeutungder kon-trolliertenSelbstreini-gung kon-taminierter

Böden und der Themenkreis Klimafolgenfor-schung. Wünschenswert wäre zudem eine stär-kere Ausrichtung der deutschen Forschung aufBodenprobleme der Entwicklungsländer (i5.3-6), wie die Bekämpfung der Bodendegradation,die Entwicklung nachhaltiger Bodenbewirt-schaftungsformen oder die Optimierung derBewässerung.

Bild 43: Modellversuch zum Wasser-haushalt eines Bodens

Bild 42: Installation von Mess-sonden in einem Boden

ii i5.3-1: Über die Homepage desInstituts für Bodenkunde derUniversität Hamburg (www.geo-wiss.uni-hamburg.de/i-boden) kannüber Verweise eine große Zahlnationaler wie internationalerbodenkundlicher Institute und Insti-tutionen erreicht werden. i5.3-2: Informationen zumStudiengang unter www.uni-hohenheim.de/soils. i5.3-3: Informationen zum Studien-gang unter www.fh-osnabrueck.de/studium_lehre_/01_bodenwissen-schaften.i5.3-4: Das Umweltbundesamt hateinen Reiseführer zu den BödenDeutschlands herausgegeben, indem die meisten Bodenlehrpfadebeschrieben sind. � Zum Aufbauvon Bodenlehrpfaden: www.aw.fh-osnabrück.de/akboden. i5.3-5: www.umweltbundesamt.de.i5.3-6: Wissenschaftlicher Beirat derBundesregierung Globale Umwelt-veränderungen: Welt im Wandel:Die Gefährdung der Böden.Jahresgutachten 1994, EconomicaVerlag, Bonn, 1994.

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5.4 Bodenschutz in den Medien

In der modernen Informationsgesellschaft kön-nen allein die Massenmedien eine breite Öffent-lichkeit erreichen. Bedauerlicherweise ist dasThema Boden - trotz seiner umwelt- und gesell-schaftspolitischen Bedeutung - in den Mediennur sehr schwer transportierbar. Boden gehörtzur Kategorie Umwelt, deren Schutz nach Mei-nungsumfragen bei den Bürgern nur noch einenachrangigeBedeutunghat. Dement-sprechendselten wirddas Thema inden Medienbehandelt.

Eine Meldungin der Tages-pressebraucht einenaktuellenBezug. Dieserfindet sichbeim ThemaBoden nur sehr selten und dann in einem negati-ven Zusammenhang ("Vergiftung der Böden","Bodenerosion bedroht Ernährung der Weltbe-völkerung"). Eine differenzierende Darstellungder Problematik können nur die Ressorts"Wissen" oder "Umwelt" unterbringen, die je-doch nur einen kleinen Leserkreis interessieren.Bei dem derzeitigen Stellenwert des ThemasBoden ist eine eingehende Behandlung aberauch dort eher die Ausnahme.

Im Fernsehen hat das Thema mit weiteren Prob-lemen zu kämpfen. Böden bewegen sich nicht,sie sind für Außenstehende bestenfalls Schön-heiten auf den zweiten Blick. Böden haben kei-nen Kuschelfaktor, im Gegenteil: man assoziiertsie mit Schmutz. Auch für das Fernsehen gilt,dass meist nur Spartensendungen zur Umweltdas Thema behandeln, und wenn, dann häufig innegativem Zusammenhang. Beiträge, die denWert der Böden vermitteln und dabei eine posi-tive Haltung zum Bodenschutz erzeugen, sindextrem selten. Eine rühmliche Ausnahme istPeter Lustig mit einer zweiteiligen Folge in derKindersendung "mittendrin" gelungen.

Im Internet gibt es eine Fülle von Informatio-nen, die für unterschiedliche Alters- und Inte-ressensgruppen aufbereitet sind (z. B. i5-1).Aber solche Websites suchen nur diejenigen auf,die sich bereits für dieses Thema interessieren.

Empfehlung 5Nach Auffassung des Wissenschaftlichen BeiratsBodenschutz müssen, trotz aller Schwierig-keiten, verstärkt Anstrengungen unternommenwerden, das breite Publikum über die Medien zuerreichen. Eine wichtige Möglichkeit sindBeiträge für das Fernsehen, die für Sendungenwie ZDF.umwelt oder Globus die vielfältigenAspekte des Themas knapp und spannend aufbe-reiten. Eine Übersicht über bestehende Filme

bietet die IWF Wissen und MediengGmbH (i5.4-1). Darüber hinaussollte man alle Möglichkeiten nut-zen, ausführliche Berichte in regel-mäßigen Abständen in denPrintmedien unterzubringen.Dafür ist eine kreative Zusammen-arbeit zwischen Medienproduzen-ten und Fachleuten aus den mitBoden befassten Institutionenerforderlich. Hilfreich wärenaktuell gehaltene Presseinforma-tionen (i5.4-2) und ein Verzeichnisvon Fachleuten, die als Ansprech-partner dienen können.

5.5 Bodenschutz im Museum

Museen können einen großen Beitrag zur Ver-besserung des Bodenbewusstseins in der Öffent-lichkeit leisten. Die Mitarbeiter sind geschultund haben die technischen Voraussetzungen, umdas für die meisten Menschen verborgene The-ma mit allen Sinnen "begreifbar" zu machen.Ein hervorragendes Beispiel ist die im Herbst2001 eröffnete Dauerausstellung "unter.Welten"im Osnabrücker Museum am Schölerberg (i5.5-1). Der Besucher wird im Eingangsbereich aufdas Thema eingestimmt und durch mehrereBodenhöhlen geleitet, in denen er Bodenlebe-wesen und die Böden unter Wald und Ackerkennenlernt. Schließlich gelangt er in einenKeller, der Böden in der Stadt verdeutlicht. Vonden einzelnen Höhlen erreicht der Besucher dieDauerausstellungen "Wald", "Kulturlandschaft","Stadtökologie" und "Moor". Das Museum istgleichzeitig ein anerkanntes Regionales Um-weltbildungszentrum mit einem breiten Angebotfür Kindergärten und alle Schulformen. Außer

ii i5.4-1: Wissenschaftlicher Film:www.iwf.de. i5.4-2: www.bvboden.de/presse (inVorbereitung).

Bild 44: Ausriss aus dem Hamburger Abendblatt vom 15.05.01

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dem Museum bietet das Osnabrücker Land alsErgebnis des EXPO-Projekts "FaszinationBoden" eine Fülle weiterer Ausstellungen undErlebnisparks, in denen das Thema Boden be-handelt wird (i5.5-2). Neben diesem regionalenSchwerpunkt gibt es Abteilungen von Museen,in denen Teilaspekte des Bodens behandelt wer-den. Eine weitere Möglichkeit, das ThemaBoden in Museen, aber auch in Schulen oderAusstellungshallen zu behandeln, sind Wander-ausstellungen, von denen mehrere verfügbarsind (i5.5-3).

In den Niederlanden gibt es zwei Museen mitdem Schwerpunkt Boden. Das International SoilReference and Information Centre (ISRIC) inWageningen beherbergt eine umfangreicheSammlung von Bodenmonolithen, die derÖffentlichkeit zugänglich ist. Es unterhält darü-ber hinaus eine weltweite Dokumentation vonBodeninformationen und betreibt Ausbildungund Forschung (i5.5-4). Das "Museonder" imNationalpark "De Hoge Veluwe" führt physischund inhaltlich in die "Unterwelt" (i5.5-5).

Empfehlung 6Es wäre eine große Unterstützung für den Bo-denschutz, wenn sich weitere Museen entschlie-ßen könnten, das Thema Boden in Daueraus-stellungen zu präsentieren. In jedem Fall solltenBöden und ihre Bedeutung in allen naturkund-lichen Museen oder Spezialmuseen mit land-wirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oderarchäologischen Schwerpunkten berücksichtigtwerden. In Museen mit Freiflächen sollten be-gehbare Bodenprofile den direkten Kontakt mitBöden ermöglichen.

5.6 Bodenschutz undGrundbesitz

Im Gegensatz zu den beiden UmweltmedienWasser und Luft befindet sich Boden generellals Grundbesitz in privatem oder öffentlichemEigentum. Dass der Eigentümer mit dem drittenUmweltmedium, dem Boden, nicht uneinge-schränkt verfahren kann, liegt auf der Hand. Mit

dem auch für das Eigentum Boden gültigenGrundsatz "Eigentum verpflichtet. Sein Ge-brauch soll zugleich dem Wohle der Allgemein-heit dienen" ist die eingeschränkte Nutzung imGrundgesetz festgeschrieben. Wegen der beson-deren Bedeutung des Bodens als unentbehrli-ches und unvermehrbares Gut ist Grund undBoden nach einer Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts aus dem Jahre 1967 zudem"weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozia-len Bedeutung mit anderen Vermögenswertenohne weiteres gleichzustellen". Hiermit wurdeeine Sozialbindung als Gebot für eine sozialge-rechte Nutzung des Eigentums an Grund undBoden festgestellt, das gewisse, dem Umwelt-recht unterliegende Pflichten nach sich zieht.

Nach der bundesgesetzlichen Regelung zumSchutz des Bodens (Bundes-Bodenschutzgesetzvon 1998, i1-1) gelten neben der so genanntenJedermannpflicht, nach der jeder, der auf denBoden einwirkt, sich so zu verhalten hat, dassschädliche Bodenveränderungen nicht hervorge-rufen werden (§ 4 Abs. 1), für den Grundstücks-eigentümer die Pflicht zur Durchführung vonMaßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grund-stück drohenden schädlichen Bodenverände-rungen (§ 4 Abs. 2) und die Vorsorgepflicht ge-gen das Entstehen schädlicher Bodenverände-rungen (§ 7).

ii i5.5-1: Museum am Schölerberg:www.osnabrueck.de. i5.5-2: Projekt Faszination Boden:www.obe2000.de. i5.5-3: Derzeit verfügbare Wander-ausstellungen zum Thema Boden: "Leben im Boden", StaatlichesMuseum für Naturkunde, Görlitz,Demiansplatz 57, 02826 Görlitz; � "Der Regenwurm", www.regenwurm.ch; � "Bödenbegreifen", e-mail: [email protected]; � "Der Boden lebt",www.nua.nrw.de/oeffentl/ausstell/boden.htm. i5.5-4: ISRIC: www.isric.nl. i5.5-5: Museonder, Apeldoornseweg250, NL-7351 Hoenderlo.

Bild 45: stark vergrößerte Plastik eines Pseudo-skorpions im Museum am Schölerberg, Osnabrück

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Die hier aufgeführten gesetzlich vorgeschriebe-nen Pflichten entsprechen dem verfassungs-rechtlich gebotenem Umweltpflegeprinzip unddamit auch dem Leitbild der Nachhaltigen Ent-wicklung. Sie stehen aber auch für den Eigen-tümer an Grund und Boden im Einklang mit denverfassungsrechtlichen Grundsätzen des Allge-meinen Persönlichkeitsrechts und des Eigen-tums.

Empfehlung 7Über die vorgenannten Pflichten sollte jederAbgabepflichtige in seinem Abgabebescheidinformiert werden. Die Frage, was Eigentümerund Besitzer über die genannten Pflichten hin-aus besser machen können, ist besonders imHinblick auf eine nachhaltige Bodennutzung zustellen. Gesellschaft und Industrie können alsprivate oder öffentliche Grundstückseigentümerbzw. Anlagenbetreiber ihrer Verantwortung imSinne der oben genannten Grundsätze nurgerecht werden, wenn es langfristig gelingt, dieBoden- und Flächenqualität zu erhalten. In die-sem Verständnis wäre eine nachhaltige Boden-nutzung dann erreicht, wenn die Inanspruch-nahme von Böden mit einer Verpflichtung einherginge, die Böden und Flächen nach Beendigungder Nutzung zumindest in den vorherigenZustand zurückzuversetzen. Ein solches imSinne der Nachhaltigkeit an sich selbstverständ-liches "Verschlechterungsverbot" ist umwelt-rechtlich allerdings noch nicht verankert. Hierwäre eine Selbstverpflichtung des Eigentümersvon größtem Wert.

5.7 Bodenschutz in Landwirt-schaft und Forstwirtschaft

Landwirte leben von den Erträgen ihrer Flächenund damit von der Fruchtbarkeit der Böden.Nachhaltige Bodennutzung setzt den Erhalt derBöden und ihrer Leistungen (Funktionen) vor-aus. Erhalt des Bodens bedeutet konkret, dassder Verlust von Boden(material) oder Qualitäts-verluste der fruchtbarkeitsbestimmenden Merk-male (bzw. Bodenfunktionen) unbedingt zu ver-hindern sind (Kap. 3.1). Zum Verlust an Boden-material führt die Bodenerosion (Kap. 4.6), einVorgang, bei dem Bodenpartikel des Oberbo-dens durch abfließendes Wasser "weggespült"oder durch stärkeren Wind "fortgeweht" und dieBodenprofile somit "gekürzt" werden. Im Laufevon Jahrzehnten bis Jahrhunderten geht so derfruchtbare Boden verloren, und das darunter lie-gende Gestein bildet oft eine unfruchtbare Ober-fläche (i4.6-1, i5.7-1). Die durch Maschinen-

einsatz hervorgerufenen Bodenschadverdich-tungen erschweren die Durchwurzelung desUnterbodens, das Bodengefüge wird beeinträch-tigt und die Infiltrierbarkeit des Bodens fürRegenwasser nimmt ab. Pflanzen haben eineneingeschränkten Wurzelraum, weniger Wasserund Nährstoffe sind für die Wurzeln verfügbar;Ertragseinbußen sind die Folge (i5.7-2).

Auch Schadstoffanreicherungen beeinträchtigendie Qualität von Böden (Kap. 4.1), Nahrungs-oder Futtermittel sind dann nicht mehr für denVerzehr geeignet. Diese Schadstoffe, wieSchwermetalle oder organische Schadstoffe,stammen z. B. aus Verkehr, Heizungsanlagenoder Industriebetrieben und gelangen über dieLuft auf und in die Böden. Auch Düngemittelkönnen Schadstoffe enthalten (i5.7-3). Bödenhaben ein "langes Gedächtnis": Sie reichern dieSchadstoffe an. Die Einträge akkumulieren sichüber Jahrzehnte und führen zu steigendenSchadstoffgehalten. Ein weiterer Anstieg vonSchadstoffen in Böden soll durch die Begren-zung von "zulässigen Zusatzbelastungen" fürBöden durch das Bundes-Bodenschutzgesetz(BBodSchG) und die Bundes-Bodenschutz-verordnung (BBodSchV) (i1-1) verhindert wer-den.

Etwa ein Drittel der Fläche Deutschlands wirdforstwirtschaftlich genutzt. Wälder haben nebender Nutzfunktion (Holzproduktion) auch eineErholungsfunktion und eine Schutzfunktion. Sieregulieren den Wasserhaushalt einer Landschaft,schützen vor Geröll- und Schneelawinen undwirken ausgleichend auf das Klima (i5.7-4).Böden unter Wald sind stellenweise ebenfallsdurch Bodenverdichtung bedroht, wenn dieHolzernte mit schwerem Gerät durchgeführtwird (Rückeschäden). Dabei werden auch dieBodenlebewesen in Mitleidenschaft gezogen,die Regeneration eines verdichteten Bodensgeht langsam vonstatten (i5.7-5). Flächenhafte

Bild 46: lockerer (links) und in einer Fahrspur verdichteter Boden

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Bodenbeeinträchtigungen sind durch Stoffein-träge hervorgerufen worden, die zu einer Ver-sauerung der Böden geführt haben (Kap. 4.1,i5.7-6). Durch Kalkungen werden diese Verän-derungen nicht hinreichend ausgeglichen.

Empfehlung 8Um den Anforderungen der Vorsorge im Boden-schutz gerecht zu werden, müssen Landwirte diein § 17 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (i1-1)formulierten Regeln zur "Guten fachlichenPraxis" einhalten. Hilfestellung geben Bera-tungsunterlagen, die für die unterschiedlichenTeilbereiche der "Guten fachlichen Praxis" ent-wickelt wurden (i5.7-7). Verbindliche Regelnkönnten dieses Ziel schneller verwirklichen hel-fen. Auch eine Zertifizierung wie z. B. dasUmweltsicherungssystem (USL) des VerbandesDeutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs-anstalten (i5.7-8) kann, verbunden mit finanziel-len Anreizen, einen erheblichen Fortschritt beider Umsetzung der "Guten fachlichen Praxis"bedeuten. Weitere Empfehlungen des Wissen-schaftlichen Beirats Bodenschutz finden sich ini1-3.

Zum Schutz der Böden unter Forsten sollen dieRückeschäden soweit wie möglich vermiedenund die Säure- und Nährstoffeinträge aus derLuft soweit abgesenkt werden, dass auch emp-findliche Ökosysteme nicht geschädigt werden.

i5.7-3: Bannick, C. G., Eichmann, C.,Friedrich J., Odau, R. u. Roth, M.(Redaktion): Grundsätze und Maßnahmenfür eine vorsorgeorientierte Begrenzungvon Schadstoffeinträgen in landbaulichgenutzte Böden. UBA-Texte 59/01,Umweltbundesamt, Berlin, 2001. i5.7-4: Bundesministerium für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten (BML): UnserWald - Natur und Wirtschaftsfaktor zu-gleich. BML, Postfach 14 02 70, 53107Bonn. � Arbeitsgemeinschaft NaturgemäßeWaldwirtschaft, 96184 Rentweinsdorf. � Schutzgemeinschaft Deutscher Wald,Meckenheimer Allee 79, 53115 Bonn. � Internationale AlpenschutzkommissionCIPRA: Alpenkonvention. www.cipra.org.i5.7-5: Hildebrandt, E. E.: Der Einfluß derBodenverdichtung auf die Bodenfunktio-nen im forstlichen Standort. Forstwissen-schaftliches Centralblatt 102, 1983, S. 111-125. i5.7-6: Nagel, H.-D. u. Gregor, H.-D.(Hrsg.): Ökologische Belastungsgrenzen -Critical Loads & Levels. Springer Verlag,Berlin u. a., 1999. i5.7-7: Bundesministerium für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten (BML):Grundsätze und Handlungsempfehlungenzur guten fachlichen Praxis der landwirt-schaftlichen Bodennutzung nach § 17Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)vom 17. März 1998. Bekanntmachung desBML vom 23.02.1999. In: Rosenkranz, D.,Bachmann, G., Einsele, G. u. Harreß, H.-M. (Hrsg): Bodenschutz. Kennziffer 8021,Erich Schmidt Verlag, Berlin. � DeutscheLandwirtschaftsgesellschaft: AngepasstesBefahren von Niedermoorgrünland. Merk-blatt 323, 2001. � Deutsche Landwirt-schaftsgesellschaft: Bodenschonung mitmoderner Technik. Arbeitsunterlage, 2001.� Kuratorium für Technik und Bauwesenin der Landwirtschaft (KTBL): Bodenbear-beitung und Bodenschutz - Schlussfolge-rungen für gute fachliche Praxis. Arbeits-papier 266, Darmstadt, 1998. i5.7-8: www.vdlufa.de/usl. � Eckert, H.,Breitschuh, G. u. Sauerbeck, R.: Kriterienfür eine bodenschonende Landbewirtschaf-tung. In: Rosenkranz, D., Bachmann, G.,Einsele, G. u. Harreß, H.-M.(Hrsg.):Bodenschutz, Kennziffer 4050, ErichSchmidt Verlag, Berlin, 2000.

ii i5.7-1: Auerswald, K. u. v. Berger, P.:Bodenerosion durch Wasser -Ursachen, Schutzmaßnahmen undPrognose mit PCABAG. AID-HeftNr. 1378, Bonn, 1998. � Mosimann,T. u. Rüttmann, M.: Bodenerosion -selber abschätzen. Ein Schlüssel fürBetriebsleiter und Berater. Sissach,Schweiz, 1995. � Brunotte, J.,Winnige, B., Frielinghaus, M. u.Sommer, C.: Der Bodenbedeckungs-grad - Schlüssel für gute fachlichePraxis im Hinblick auf das ProblemBodenabtrag in der pflanzlichenProduktion. Bodenschutz 2/1999, S. 57-61.i5.7-2: Bundesministerium fürVerbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft (BMVEL) (Hrsg.):Gute fachliche Praxis zur Vorsorgegegen Bodenschadverdichtungen undBodenerosion, 2001. BMVEL,Postfach, 53107 Bonn.www-verbraucherministerium.de.

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5.8 Bodenschutz im Garten- und Landschaftsbau

Der Garten- und Landschaftsbau nimmt dieBauausführung von Entwürfen der Freiflächen-planung vor, also der Gestaltung von Grün-flächen, Parkplätzen, Wegen etc. im Zuge derStadtplanung. Böden werden im Garten- undLandschaftsbau häufig nur als "Bodenmaterial"oder als "Substrat" wahrgenommen. Sie dienenals Material, mit dem eine gestalterische Idee ineiner Landschaft "modelliert" wird. Demzufolgespielen bautechnische Merkmale wie "Stand-festigkeit" eine große Rolle, die oberste"Schicht" bildet dann die "Vegetationstrag-schicht". Hierzu wird oft Bodenmaterial durchMischen verschiedener Substrate hergestellt mitdem Ziel, einen lockeren, humus- und nährstoff-reichen Wurzelraum zu schaffen. Neben Sandwird organische Substanz in Form von Torfenund Komposten eingesetzt. Natürlich gewachse-ne Böden spielen eine untergeordnete Rolle.

Empfehlung 9Auf Torfe sollte sowohl im Garten- undLandschaftsbau als auch insbesondere in Klein-und Hausgärten verzichtet werden, denn Moore,deren Entstehung mehrere Jahrtausende dauer-te, werden durch den Torfabbau zerstört. Fürdiese Einsatzbereiche sind Qualitätskomposteebenfalls geeignet. Güteanforderungen (i5.8-1)definieren die Ansprüche an Qualitätskomposte,dazu gehören u. a. geringe Salz- und Schad-stoffgehalte sowie die Rottegrade IV oder V für"reife" Komposte. Auch der Komposthaufen imeigenen Garten kann nach diesen Kriterienangelegt und verwendet werden (i5.8-2).

Im Garten- und Landschaftsbau sind künftighöhere Anforderungen an die Qualität des ein-gesetzten Bodenmaterials zu beachten. Basis ist§12 BBodSchV. Auch die bedarfsgerechte Nähr-

stoffversorgung sollte gewährleistet sein (i5.8-3). Ebenso sollten Klein- und HausgärtnerDüngemittel nur dem Bedarf der Pflanzen ange-messen einsetzen. Im Zweifel gibt eine Boden-

untersuchung Auskunft über die Nährstoffver-sorgung bzw. den Düngebedarf, z. B. über dieLandwirtschaftlichen Untersuchungs- und For-schungsanstalten (LUFA, i5.8-4) oder privateBodenuntersuchungslabors. Der Einsatz vonbelasteten Materialien oder Aschen sollte unter-bleiben, da sich darin vorhandene Schadstoffein Böden anreichern und die im Garten erzeug-ten Nahrungsmittel nicht mehr für den Verzehrgeeignet sein können.

Besonderes Augenmerk sollten der gewerblicheGarten- und Landschaftsbau und die Hobby-gärtner/innen auf den Anteil der versiegelten

Flächen richten(Kap. 4.5). JederQuadratmeter anversiegelterBodenoberflächeist vom Wasser-und Luftaus-tausch abge-schnitten undeine "biologischeWüste". Die spar-same Versiege-lung von Grün-und Freiflächen(nur Fahrwege,Verwendung teil-

durchlässiger Materialien etc.) ist ein wichtigerBeitrag. Auch die Entsiegelung nicht mehrgenutzter versiegelter Flächen sollte gefördertwerden.

Bild 48: Ausriss aus einem Firmenprospekt

Bild 47: wechselfeuchter Saprolit

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5.9 Bodenschutz im Naturschutz

Böden können sehr unterschiedliche Eigen-schaften haben. Es gibt nasse, feuchte undtrockene Böden; solche, bei denen der Wasser-gehalt im Jahresverlauf stark schwankt, undandere, wie die Watten, die zweimal täglichüberschwemmt werden. Böden können sauer,neutral oder basisch sein. Sie können nährstoff-arm, nährstoffreich oder mit Salzen angereichertsein. Manche Böden sind nur wenige Zentime-ter tief, andere mehrere Meter mächtig. Einigebestehen überwiegend aus groben Steinen, ande-re aus staub-feinem Lössoder aus Ton,der aus sub-mikrosko-pisch feinenTonmineralenbesteht.Wegen derVielfalt ihrerEigenschaf-ten stellendie unter-schiedlichenBöden spe-zielle Le-bensräumedar, an diesich die Tier-und Pflan-zengemein-schaften an-gepassthaben. Oft sind es Böden mit extremen Eigen-schaften, die seltenen Tieren und Pflanzen einengeeigneten Lebensraum bieten. Gleichzeitig ver-ändern Organismen in vielfältiger Weise dieEigenschaften von Böden. Es besteht also zwi-schen beiden eine intensive Wechselbeziehung.Das meist kleinräumlich wechselnde Mosaikverschiedener Böden erhöht die Vielfalt derLebensformen einer Landschaft und wird damitein wichtiger Faktor für die Biodiversität.

Effektiver Naturschutz setzt daher eine genaueKenntnis der Wechselbeziehungen zwischenBöden und Organismen voraus. Während dieGrundzüge der Beziehungen zwischen Boden-eigenschaften und Pflanzen bzw. Tieren seit län-gerem bekannt sind (i5.9-1), sind allgemeinanwendbare Klassifikationssysteme zur Beurtei-lung der Lebensraumfunktion von Böden unddie Bedeutung der Böden für die BiodiversitätGegenstand der Forschung (i5.9-2).

Bild 49: Bodeneigenschaften beeinflussendie Artenzusammensetzung derVegetation

ii i5.8-1: BundesgütegemeinschaftKompost e. V.: Qualitätskriterienund Gütezeichen für Komposte (ver-schiedene Broschüren und Infoma-terialien). Köln. www.bgkev.de. � Gütegemeinschaft Substrate fürPflanzenbau e. V., Heisterbergallee12, 30453 Hannover. www.substrate-ev.org. � For-schungsgesellschaft Landschafts-entwicklung Landschaftsbau e. V.(FLL, Hrsg.): Qualitätsanforderun-gen und Anwendungsempfehlungenfür organische Mulchstoffe undKomposte im Landschaftsbau.Eigenverlag FLL, 1994. www.fll.de.i5.8-2: Fischer, P.: Leitfaden für dieKompostierung im Garten - AusAbfall wird Dünger, 1999. www.fh-weihenstephan.de/va/infos/projek-te/pe/kompostmedien/leitfaden.htm.� Bund für Umwelt und NaturschutzDeutschland (BUND): Ökotipps -Kompost statt Torf. Broschüre.www.bund.net. � BUND: Ökotipps -Biomüll sammeln und kompostie-ren. Broschüre. � BUND: Ökotipps- Umweltschutz im Garten.Broschüre. i5.8-3: Delschen, Th., König, W.,Leuchs, W. u. Bannick, C.: Begren-zung von Nährstoffeinträgen bei derAnwendung von Bioabfällen inLandschaftsbau und Rekultivierung.EntsorgungsPraxis, Heft 12/96,1996, S. 19-24. � Evers, G.: Dünge-lexikon für den Gartenbau: Begriffeder Pflanzenernährung und Dün-gung von A bis Z. ThalackerMedien, Braunschweig, 1998. � Forschungsgesellschaft Land-schaftsentwicklung Landschaftsbaue. V. (FLL, Hrsg.): BeschreibendesDüngemittelverzeichnis für denLandschafts- und Sportplatzbau.Eigenverlag FLL, 1999. www.fll.de.i5.8-4: Verband Deutscher Land-wirtschaftlicher Untersuchungs- undForschungsanstalten (VDLUFA):www.vdlufa.de.

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Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Schutz derBöden als Naturkörper. Böden sind Archive derNatur- und Kulturgeschichte (Kap. 3.6), derenBeeinträchtigung nach dem Bundes-Boden-

schutzgesetzso weit wiemöglich ver-mieden werdensoll (i1-1).Besonderswichtig ist derErhalt naturna-her und selte-ner Böden. DaNaturschutz-gebiete häufigin vom Men-schen wenigbeeinflusstenGebieten lie-gen und oftStandorte mitextremenEigenschafteneinschließen,gibt es inihnen häufignaturnahe und

seltene Böden. Wegen des generellen Schutz-status sind in Naturschutzgebieten die bestenVoraussetzungen für den Erhalt dieser Bödengegeben. In aller Regel ist jedoch den für denNaturschutz Verantwortlichen fremd, dassBöden wegen ihrer Funktion als Archiv derNatur- und Kulturgeschichte ebenso geschütztwerden sollten wie seltene Tiere und Pflanzen.

Empfehlung 10Die wichtigsten Voraussetzungen für den Schutzder Böden in Naturschutzgebieten sind einegroßmaßstäbige Bodenkarte des Schutzgebieteseinschließlich seiner Randbereiche, die Analyseder Bodeneigenschaften sowie ausreichendeFachkenntnisse zur Beurteilung der Auswirkun-gen von Pflegemaßnahmen und anderen Ein-griffen.

Der Wissenschaftliche Beirat Bodenschutz hatin seinem Gutachten zur Vorsorge im Boden-schutz (i1-3) ausgeführt, dass die Möglichkei-ten, die das Naturschutzrecht für die aktiveVorsorgestrategie zum Schutz des Bodens bietet,noch lange nicht ausgeschöpft sind. Er hält esauch für wichtig, für Böden einen Positiv-Kata-log von Maßnahmen zu entwickeln, die in derEingriffsregelung des Naturschutzgesetzes alsAusgleichs- oder Ersatzmaßnahmen angewendetwerden sollten (i5.9-3).

Ein weiteres wichtiges Instrument zum Schutzder Archivfunktion von Böden im Rahmen desNaturschutzes ist die Ausweisung von Geotopen(i5.9-4), in denen Böden oder Bodengesellschaf-ten aufgrund ihrer Funktion als Archiv derNatur- und Kulturgeschichte geschützt werden.

Zum Bodenschutz in Naturschutzgebieten gehörtüberdies, im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeitdie Rolle der Böden für das Ökosystem undPrinzipien des Bodenschutzes aufzubereiten.Sofern Naturpfade innerhalb der Schutzgebieteangelegt sind, sollten zumindest Informationenüber die Böden eingefügt werden. Soweit diesmöglich ist, sollten Böden dort auch an offenenProfilen sichtbar gemacht werden (i5.3-4). Fürdie Kinder- und Jugendarbeit gibt es eine Füllevon Anregungen, die bereits in den Informatio-nen zu den Abschnitten 5.1 und 5.2 aufgeführtwurden.

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ii i5.9-1: Ellenberg, H.: VegetationMitteleuropas mit den Alpen in öko-logischer, dynamischer und histori-scher Sicht. Eugen Ulmer, Stuttgart,1996. � Dunger, W. u. Fiedler, H. J.(Hrsg.): Methoden der Bodenbio-logie, Gustav Fischer, Jena, 1997. i5.9-2: Römbke, J. u. Dreher, P.:Bodenbiologische Güteklassen.Texte 00/06, Umweltbundesamt,Berlin, 2000. i5.9-3: Müller-Pfannenstiel, K.,Feldwisch, N., Herbert, M. u. Wolf,R.: Wiederherstellungsmöglich-keiten von Bodenfunktionen imRahmen der Eingriffsregelung.Angewandte Landschaftsökologie,Heft 31, Bundesamt für Natur-schutz, Bonn-Bad Godesberg, 2000. i5.9-4: Ad-Hoc-ArbeitsgruppeGeotopschutz: ArbeitsanleitungGeotopschutz in Deutschland -Leitfaden der Geologischen Diensteder Länder der BundesrepublikDeutschland. AngewandteLandschaftsökologie Heft 9,Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg, 1996. � ThüringerLandesanstalt für Geologie (Hrsg.):Geotop 2000 - Geotope im Spiegel-bild der geowissenschaftlichenLandesforschung. Geowissenschaft-liche Mitteilungen von Thüringen,Beiheft 10, Weimar, 2000.

Bild 50: eine Schwarzerde als Naturdenkmal (in derNähe von Hildesheim)

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5.10 Bodenschutz und Sanierung

Ende 2000 waren in Deutschland über 360.000Flächen erfasst, bei denen der Verdacht auf eineAltlast bestand oder bereits bestätigt war. Von

diesen 360.000 Flächensind rund 100.000 Alt-ablagerungen, d. h. still-gelegte Abfallbeseiti-gungsanlagen oderGrundstücke, auf denenAbfälle behandelt, gela-gert oder abgelagert wur-den, und 260.000 Alt-standorte, d. h. Grund-stücke stillgelegterAnlagen oder sonstigeGrundstücke, auf denenmit umweltgefährdendenStoffen umgegangenwurde (i5.10-1). Beispielefür altlastverdächtigeFlächen reichen von ehe-maligen Tankstellen mitmöglichen Bodenverun-reinigungen durch Benzinund Öl bis zu viele Hektargroßen Altdeponien mitsehr hohem Gefährdungs-potential. Neben altlast-verdächtigen Flächenbzw. Altlasten gibt esFlächen, insbesondere

land- oder forstwirtschaftlich genutzte, beidenen der Verdacht schädlicher Bodenverände-rungen (z. B. durch Bodenerosion) besteht oderbestätigt wurde. All diese Flächen müssen un-tersucht und ggf. saniert werden, um Gefahrenvon Mensch und Umwelt abzuwehren und dieFunktionen des Bodens wiederherzustellen.

Altlastverdächtige Flä-chen müssen in einemaufwändigen, mehrstufi-gen Verfahren bearbeitetwerden, das - wenn esvollständig durchlaufenwird - aus mehreren auf-einander folgendenSchritten besteht, derErfassung, der Gefähr-dungsabschätzung, derSanierung und Überwa-chung und schließlich derNachsorge. Die Überwa-chung der Wirksamkeitder Sanierungsmaß-nahmen in der Nachsorge

kann im Extremfall (bei hohem Gefährdungs-potential) durchaus über Jahrhunderte erforder-lich sein.

Die Altlastensanierung kann durch unterschied-liche Maßnahmen erfolgen. Man unterscheidetMaßnahmen zur Beseitigung oderVerminderung der Schadstoffe (Dekontamina-tion), wie z. B. das Abpumpen und die anschlie-ßende Aufbereitung belasteten Grundwassers,Hochtemperatur-Verbrennung organischerSchadstoffe oder bodenbiologische Reinigungs-verfahren, und Maßnahmen, die die Ausbreitungder Schadstoffe langfristig verhindern oder ver-mindern, ohne jedoch die Schadstoffe selbst zubeseitigen (Sicherung), wie z. B. die Einkapse-lung der Altlast durch Oberflächenabdichtungs-systeme oder Dichtwände. Eine dritte Gruppevon Maßnahmen dient insbesondere der Sanie-rung von Flächen mit schädlichen Bodenverän-derungen, z. B. durch Kalkung oder das Auf-tragen von nicht kontaminiertem Material.Altlastensanierung ist teuer. Dies sei an demExtremfall Altdeponie Hamburg-Georgswerderverdeutlicht, deren Sanierung gut 125 Mio. Eurogekostet hat und deren Nachsorge Jahr für Jahrca. 1,5 Mio. Euro kostet.

Empfehlung 11Die Sanierung von Altlasten und kontaminiertenBöden erfordert die Zusammenarbeit unter-schiedlicher Disziplinen, z. B. der Boden- undIngenieurwissenschaften, der Geologie und derChemie. Die systematische Mitwirkung derBodenwissenschaften ist bisher jedoch nicht imerforderlichen Maße gegeben und sollte daherausgebaut werden.

Bei verschiedenen Teilproblemen der Sanierungbesteht noch Forschungs- und Entwicklungs-

Bild 52: Bau der Basisdichtung einer Abfalldeponie

Bild 51: Aufbau des Abdecksystemsfür eine Altdeponie

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bedarf, z. B. bei Strömungs- und Transportpro-zessen in der ungesättigten Bodenzone und ihrerModellierung, bei der Weiterentwicklung vonSanierungsverfahren und der Erforschung vonSelbstreinigungsprozessen sowie bei Maßnah-men zur Wiederherstellung beeinträchtigternatürlicher Bodenfunktionen.

Ein wichtiger Aspekt der Sanierung von Alt-lasten ist die geplante Folgenutzung. DerWissenschaftliche Beirat Bodenschutz empfiehltdurch Wiederverwendung von sanierten Flächenfür Wirtschaftsbetriebe oder als Verkehrsflächen(Flächenrecycling, i5.10-2) den Verbrauchnaturnaher Flächen (der "grünen Wiese") zuverringern.

Wenn sich auch der Altlastverdacht nur beieinem Teil der bisher über 360.000 altlastver-dächtigen Flächen bestätigen wird und nur einkleiner Teil der Flächen ein sehr hohes Gefähr-dungspotential aufweist, so verdeutlicht dochallein die sehr große Anzahl altlastverdächtigerFlächen die ökologische wie auch die ökonomi-sche Dimension dieses Problems, das derÖffentlichkeit jedoch nicht hinreichend bewusstist. Die zuständigen Stellen, die Bildungsein-richtungen und die Medien sollten daher derÖffentlichkeit sehr viel stärker als bisher amBeispiel der altlastverdächtigen Flächen dieBedeutung des Bodens als Lebens- und Überle-bensgrundlage des Menschen und die Bedeu-tung des Bodenschutzes näher bringen.

ii i5.10-1: Umweltbundesamt:www.umweltbundesamt.de. i5.10-2: ITVA-Arbeitshilfe C5-1/98:Flächenrecycling. Ingenieurtech-nischer Verband Altlasten e. V.,Berlin, 1998. home.snafu.de/itva/. i5.10-3: Allgemeine Informationenzum Thema: BBodSchG undBBodSchV: siehe i1-1. � Der Ratvon Sachverständigen für Umwelt-fragen (SRU): Altlasten. Zwei Son-dergutachten, s. i4.1-1. � Franzius,V., Wolf, K. u. Brandt, E. (Hrsg.):Handbuch der Altlastensanierung.Loseblatt-Ausgabe, 2. Aufl., C. F.Müller Verlag, Heidelberg, ab 1995.� Fehlau, K.-P., Hilger, B. u. König,W.: Vollzugshilfe Bodenschutz undAltlastensanierung. Bodenschutz &Altlasten, Band 7, Erich SchmidtVerlag, Berlin, 2000.

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6 Boden und Kunst

Böden zeigen ein weites Spektrum der Naturzwischen Gewordenem und menschlich Ge-machtem, dem Menschen Nützlichem und derNatur Entnommenem, kurz: der Ambivalenz desFortschrittes auf. Böden liefern Motive der be-herrschten Natur, der angeeigneten und nutzbargemachten Natur, aber auch der langfristigenund durch den Menschen nicht kontrollier- undsteuerbaren Entwicklung natürlicher Ressour-cen. Dieses Kapitel will aufzeigen, dass sicheine intensive Wahrnehmung der Böden alsUmweltgut und als künstlerischer Gegenstanddurchaus lohnt. Es gilt eine Bilderwelt zu ent-decken. Die Bilderwelt der Böden besteht ausUnbekanntem und aus Vergessenem, das es wie-der zu entdecken gilt: Welches Bild machen wiruns von der Umwelt und dem Boden? WelcheBilder machen uns den Boden bewusst? EinigeBeispiele sollen Eindrücke vermitteln, wie bis-lang in der darstellenden Kunst mit dem ThemaBoden umgegangen wurde.

Bilder der "fruchtbaren Erde"

Böden waren und sind für den Menschen inerster Linie Ernährungsgrundlage. Kein Bildbeschreibt dies deutlicher als "Der Sturz desIkarus" von Pieter Brueghel d.Ä. von 1558.Brueghel lässt Ikarus, der Erzählung von Ovidtreu bleibend, beim Versuch, wie ein Vogel zufliegen, ins Meer fallen. Aber er rückt die Fabelan den Rand und stellt in den Vordergrund desBildes einen Bauern und einen Hirten, die,scheinbar unbeteiligt, ihren Aufgaben nachge-hen. Der eine bearbeitet den Boden mit derdamals innovativen Technik des bodenwenden-

den Pfluges, der andere hält die Schafe, die imHerbst die Stoppeln fressen und gleichzeitig denAcker düngen, von dem Saatgut des Ackersfern. Dass der Bauer den Pflug entlang derHangkonturen führt, vermeidet die Abspülungvon Bodenmaterial mit Niederschlägen, die inden Pflugrinnen abflössen, wenn diese denHang hinab verliefen. Die Bearbeitung desBodens ist hier Ausdruck für die Sicherheit undKontrolle des Lebens. Die Landarbeiter verkör-pern die erdverbundene, nachhaltige und lebens-nahe Lebensform, die der Erde nimmt, was sieihr auch wieder zu geben vermag. Ikarus dage-gen symbolisiert den zur Hybris neigenden,unmäßigen und letztlich glücklosen Wagemut.

Ähnliche Bilderwelten, die eine Nutzung derUmwelt und des Bodens kommentieren, lassensich anführen. Es sei nur auf die Kalenderblätteraus den "Très riches heures" des Herzogs vonBerry, 1416, erinnert, die im Monat Novemberdie Waldweide der Schweine, im Monat Märzdas Zusammenwirken von dem Weinbauern,dem pflügenden Ackerbauern, dem Schäfer unddem Sämann zeigen (i6-1).

Böden in der Landschaftsmalerei

Ab 1600 wird die Landschaft selbst Gegenstandder Darstellung (i6-2). Insbesondere in denNiederlanden gab es im 17. und 18. Jahrhunderteine große Zahl von Landschaftsmalern (i6-2,i6-3), die nach eigener Naturbeobachtung eineFülle detailreiche Bilder unterschiedlicher Land-schaften schufen, aus denen sich Einiges zumZustand der Böden ableiten lässt: Auf vielenBildern von Jakob van Ruisdael (i6-3) herrschendurch Verbiss von Ziegen und Schafen niedriggehaltene Bäume und Büsche vor, die, wegender Schweinemast, von einzelnen Eichen über-ragt werden. Als Folge der schütteren Vegeta-tion tritt Erosion auf, deren Ausmaß in einigenBildern an freigelegten Wurzeln von Bäumengut zu erkennen ist. Die oft in mehrere Fahr-spuren ausgefransten Fahrwege haben sich inden Boden eingeschnitten und zeigen deutlichausgespülte Spurrillen. Fast vegetationsfreieDünenlandschaften sind intensiver Winderosionausgesetzt. In landwirtschaftlich genutztenMarschen sorgt ein Netz von Gräben für dieerforderliche Entwässerung.

Erst im Impressionismus werden die Farben derBöden wesentliches Gestaltungselement inLandschaftsbildern, so bei Paul Cezanne,Claude Monet, Camille Pissarro, Georges Seuratoder Paul Gauguin. Bildbestimmenden Charak-ter können Bodenfarben in Landschaftsbildern

Bild 53: Pieter Brueghel d.Ä.: Der Fall des Ikarus, Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel

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des deutschen Expressionismus gewinnen, wiebei Ernst Ludwig Kirchner, Franz Marc, KarlSchmidt-Rottluff oder Max Pechstein. Aus Sichteines Bodenkundlers hat sich Hans Jenny mitBöden in der Landschaftsmalerei auseinander-gesetzt (i6-4).

Böden in der Land Art und Earth Art

Die Land Art und die Earth Art (i6-5) haben dasThema Boden aufgegriffen, jedoch nicht alsUmweltthema. Land Art bemüht sich nicht umdie Thematik von Mensch, Natur und Boden.Boden ist nicht Zweck der Kunst, sondern Aus-drucksmittel. Das Thema ist primär der Auf-bruch zu einer veränderten Konzeption in derKunst, der Concept Art, und einem, wie esheißt, erweiterten Kunstbegriff. Im "EarthMound" von 1955 fasst Michael Herbert dieLandschaft als das zu gestaltende Material auf.Er prägt ein frühes Beispiel für die Entstehungeiner neuen Skulpturkunst, die Erde, Landschaftund ihre Materialien thematisiert. Land Art isteine der vielen Kunsttendenzen der Avantgardeder 50er und 60er Jahre. Man sperrte sich gegentraditionelle Bildsprache und Vermittlung vonKunst.

Ein weiteres Beispiel dafür, die Erde als gestal-terisches Material zu verwenden, um in großenMaßstäben Bewegungen und Veränderungenvorzunehmen, ist Michael Heizers "DoubleNegative" (i6-6). Heizer hat für sein WerkDouble Negative 1969/70 nordöstlich von LasVegas in Nevada mit Bulldozern und Dynamitzwei 9 m breite und 15 m tiefe, exakt lineareEinschnitte mit einer Gesamtlänge von mehr als450 m in die Erosionskante eines Tafelbergesgetrieben (30 Fuß breit, 50 Fuß tief und 1500Fuß lang). 240.000 Tonnen Gestein (= 24.000LKWs) wurden bewegt. Der Titel "DoubleNegative" soll eine metaphysische Bedeutungsignalisieren. Da das zweifach Negative eigent-lich unmöglich ist, soll der Titel auf ein beson-deres Verständnis von Skulptur verweisen. DasGrundmotiv ist der quasi unbeschränkt zur Ver-fügung stehende Raum, in dem es so scheint, alskönne sich die Kunst unbeschränkt erproben.Trotz seiner Ausmaße nimmt sich DoubleNegative jedoch im Verhältnis zur Weite derWüste eher bescheiden aus und war dem schnel-len Verfall preisgegeben. Bereits nach zwanzigJahren haben herabgestürzte Felsbrocken undGeröll die Grube fast aufgefüllt. Inwieweit dieAssoziation der Vergänglichkeit aller mensch-lichen Werke gezielt hervorgerufen oder ledig-lich in Kauf genommen wurde, bleibt dahinge-stellt.

In anderen, ebenfalls vielbeachteten Ansätzenwird das für Böden Spezifische in der Kunstaufgegriffen: In der Earth Art und den so ge-nannten Earthworks nehmen künstlerischeProjekte seit den siebziger Jahren die Erde zumMaterial künstlerischen Ausdrucks. Vorwiegendwird Natur jedoch entweder als unberührt"reine" Natur gezeigt, oder aber die moderneUmweltzerstörung anklagend dargestellt. Dane-ben gibt es auch moderne Formen der Land-schaftskunst und der Thematisierung der Naturals ästhetisches Erlebnisfeld. Eindrucksvoll be-legen dies Vertreter der Concept Art wie MelChin, der die Gartenkunst mit Aspekten derPhytoremediation verbindet (also der Pflanzungbestimmter Pflanzenarten, die dem Boden ge-zielt Schadstoffe entziehen und ihn so sanierensollen), sowie Helen und Newton Harrison (i6-7), die Projekte zum Herstellen von Erdeoder die Wiesen-Stories auf dem Dachgarten derKunst- und Ausstellungshalle Bonn realisierten.Auch an Joseph Beuys gescheitertes Projekt aufden Spülfeldern Hamburg-Altenwerder ist zudenken. Zu nennen ist beispielhaft auch "TheNew York Earth Room" von Walter De Maria(i6-8), der eine Erd-Skulptur aus knapp 200Kubikmetern Erde auf 335 QuadratmeternFläche ausstellt. Angemerkt sei, dass dieseSkulptur die dritte ist, die De Maria hergestellthat; die ersten beiden, 1968 in München und1974 in Darmstadt, sind nicht erhalten.

Überrascht von einem ganz und gar unromanti-schen Naturbegriff zeigte sich jüngst die Frank-furter Allgemeine Zeitung in einem Bericht überdie erstaunliche Pracht des Drecks (i6-9).Berichtet wurde vom German Festival, einemgemeinsamen Projekt deutscher und indischerKünstler, das zeitgenössische Kunst in Indienzeigt. Gleich mehrere Künstler nutzten die Erdeals Substanz und Gegenstand ihrer Werke. Sosammelte Ulrike Arnold auf Reisen in Süd-indien Proben von Böden, Steinen, Sand undQuarz, die sie zu Naturfarben verarbeitete undzum Malen auf Felsen und Bergwänden ver-wendete. Manisha Parekh schüttete drei Lehm-hügel auf und ließ Reisigbesen wie Wurzeln ausden Hügeln herausragen. Für das Projekt "RedLake Field" hob Gabriele Heidecker mehrerequadratische Becken aus, die sie mit einerMischung aus roter Farbe und Wasser füllte.Wind und Sonne ließen die dekorative Flüssig-keit langsam zu einer zähen, gummiartigenSchicht trocknen, deren Risse und Brüche sichals Symbol für Vergehen und Zeit, letztlich auchfür die Wüstenbildung lesen ließen.

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Unter Ideologie-Verdacht: Hans Haackes Werk "Der Bevölkerung"

Ein Beispiel dafür, mit wie viel metaphorischerKraft das Thema Boden aufgegriffen werdenkann, ist das Kunstwerk "Der Bevölkerung" vonHans Haacke, das allerdings - was die Natur desBodens angeht - eine weitere Dimension insSpiel bringt: die Ideologie. Über den Boden inHans Haackes Kunstwerk "Der Bevölkerung"hat der Deutsche Bundestag länger debattiert alsüber das Umweltgesetz zum Schutz der Böden.Die Abgeordneten stellten "Boden" unter gene-rellen Ideologieverdacht. Boden ist immer nochmehr ideologische Metapher der "Blut undBoden"-Propaganda der Zeit des National-sozialismus als ein ökologisches, geologischund biologisch zu bestimmendes Schutzgut,dessen Reinhaltung ganz wesentlich zum Reich-tum unserer Gesellschaft und zum Fortbestandunserer Umwelt beiträgt. Das ist nicht mehrzeitgemäß. Die Bedeutung der Böden fürUmwelt und Nahrungsmittel wird durch denrein defensiven Ideologieverdacht zu unrechtvernachlässigt.

In Haackes Kunstwerk leuchtet im Lichthof desReichstagsgebäudes in Anspielung auf das"Dem Deutschen Volke" an der Frontseite des

Reichstags der Schriftzug "Der Bevölkerung"über einem Trog mit Bodenmaterial, das dieAbgeordneten aus ihren Wahlkreisen - also ihrerHeimat - beibringen. Der Erdtrog ist ein Plä-doyer zum Staatsrecht, das völkische ius sangui-nis durch das aufgeklärte ius soli zu ersetzen.Haacke setzt offenbar auf das Bild des grenz-überschreitend zwanglosen Austausches vonnatürlichem Genpotential, das befruchtendwirkt, wenn es einen fruchtbaren Boden vorfin-det. Im übrigen haben die Abgeordneten UlrikeHöfken und Michaele Hustedt die Probe auf dasExempel gemacht. Sie legten kontaminiertenBoden aus einer Rüstungsaltlast in HaackesErdtrog ab. Bundestagspräsident Thierse hat dieErde wegen der Kontamination umgehend ent-fernen lassen und in Verwahrung genommen,obwohl sie, weil in sicheren Behältnissen, keineGefahr für Mensch und Umwelt darstellte - fürdie beiden Abgeordneten eine beklagenswerteReaktion. Sie weisen auf ungleiche Maßstäbehin. Der kontaminierte Boden ist der Umgebungvon Wohngebäuden auf einer Altlast entnom-men, für die offenbar die strengen Maßstäbe derBundestagsverwaltung an die Bodenqualitätnicht gelten. Immerhin ist diese Aktion einerster, wenig beachteter Hinweis auf den Bodenals Umweltmedium; die ökologische Heraus-forderung macht auch vor der Bundestagsver-waltung nicht Halt.

Soil Art: ein Zukunftsprojekt?

Im Boden und insbesondere in der Ökologie desBodens sind weitere Bilder als die bislang ange-sprochenen verborgen. Eine Formen- und Bild-sprache des Bodens ist jedoch noch nicht ent-deckt. Erste Ansätze gibt es - Bilder mit eiszeit-lichen Bodenbildungen erscheinen als Filigran-kunst, Erdfarben liefern beeindruckende farbli-che Konsistenz. Jedoch: Auch ihnen mangelt esan den Metaphern aus der Bildsprache der Bö-den. Eine ästhetisierte Darstellung von Bodenist mehr als eine bloße Abbildung des in derNatur Vorgefundenen. Sie lädt das Bild desBodens mit Metaphern und Bedeutungen auf.Wessolek und Mueller (i6-10) fordern daher dieBegründung einer neuen Kunstrichtung mit demNamen "Soil Art".

Den Klang der Erde zum Schwingen zu brin-gen, die Zeit des Werdens (im Boden) zu begrei-fen, die Farbe der Zeit sichtbar zu machen, dasLesen der Böden wieder zu erlernen - die dar-stellende Kunst könnte uns den Weg weisen vonder altrömischen terra cariosa (der geschädig-ten, verbrauchten Erde, i6-11) zu einem ökolo-gisch aufgeklärten Bild der Böden, der heutigen

Bild 54: Hans Haacke, „Der Bevölkerung“, Innenhof des Reichstagstagsgebäudes, Berlin

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terra preciosa (der wertvollen Erde). Sie müsstedazu den Reichtum an Böden entdecken. So,wie die Böden reich an Bodenleben sind, sosind sie reich an Bodenschätzen, reich an ver-schiedenen Formen und Ausprägungen, reich anNutzbarkeit für den Menschen - jedenfalls fürden anzustrebenden Fall, dass der Mensch mitdem Reichtum Boden, mit seinem Bodenreichnachhaltig umgeht. Der erste Schritt hierzu istder, die Bodenreiche überhaupt wahrzunehmenund ihre Bilderwelt zu prägen.Die Prägung einer solchen Bilderwelt ist einZukunftsprojekt. Es greift ein zentrales Defizitdes heute vorherrschenden Umweltdenkens auf.Die Vermittlung von Umweltwissen ist nochviel zu sehr auf eine meist bilderlose Erzeugungund Weitergabe von Wissen abgestellt. Zu we-nig werden ästhetische Symbole benutzt, kaumwird versucht, eine symbolhaft verkürzte De-monstration von Sinn, Bedeutung, Trost undZuversicht mit Umweltwissen zu verbinden.

i6-1: Makowski, H. u. Buderath, B.:Die Natur dem Menschen untertan.Ökologie im Spiegel der Land-schaftsmalerei, Kindler Verlag,München, 1983. i6-2: Busch, W.: Autonome Land-schaften. In: Kunst- und Aus-stellungshalle der BundesrepublikDeutschland: Landschaften vonBrueghel bis Kandinsky, Bonn,2001. i6-3: Sitt, M., Biesboer, P. (Hrsg.):Jacob van Ruisdael - Die Revolutionder Landschaft. Hamburger Kunst-halle, Waanders Verlag, Zwolle,2002. i6-4: Jenny, H.: The Image of Soilin Landscape Art, Old and New.University of California, 1968. i6-5: Bildbeispiele zu Land andEarth Art: www.tengalerie.ch/land-art/ca/Source.htm; � www.fh-osna-brueck.de/~webboden/soilart/publi-kation.htm. � Beardsley, J.: Earth-works and Beyond: ContemporaryArt in the Landscape. AbbevillePress, 1989. i6-6: Heizer, M.: Double Negative.Rizzoli International Publications,New York, 1991.

ii

i6-7: Harrison, H. M. u. Harrison, N.:Grüne Landschaften. Vision: Die Welt alsGarten. Visionen für das 21. Jahrhundert.Die Buchreihe zu den Themen der EXPO2000, Band 5, Campus Verlag,Frankfurt/M., 1999. i6-8: www.diacenter.org/ltproj/er/er.htm. i6-9: Wefing, H.: Erstaunlich ist die Prachtdes Drecks. Frankfurter AllgemeineZeitung vom 1. Juni 2001. i6-10: Wessolek, G. u. Mueller, K.: Kunstund Boden. Mitteilungen der DeutschenBodenkundlichen Gesellschaft 96, Heft 2,2001, S. 815-816; � s. auch: www.fh-osnabrueck.de/~webboden/soilart/publikation.htm. i6-11: Winiwarter, V.: Böden in Agrar-gesellschaften: Wahrnehmung, Behandlungund Theorie von Cato bis Palladius. In:Sieferle, R. P. u. Breuninger, H. (Hrsg.):Natur-Bilder. Wahrnehmungen von Naturund Umwelt in der Geschichte. Frankfurt/M., Campus, 1999, S. 181-221. i6-12: Allgemeine Informationen zumThema: Nowotny, H. u. Weiss, M. (Hrsg.):Shifting Boundaries of the Real: Makingthe Invisible Visible. Collegium Helveti-cum in der Semper-Sternwarte für denDialog der Wissenschaften, vdf-Verlag,Zürich, 2000. � Burkart, L. u. Groebner,V.: Bilder, Zeichen, böse Spiegel: Medien-wandel und Visualisierung um 1500. In:Nowotny, H. u. Weiss, M.: a. a. O., S. 5-31. � Frantzen, B.: Die vierte Natur -Gärten in der zeitgenössischen Kunst.Kunstwissenschaftliche Bibliothek, Band11, Verlag der Buchhandlung WaltherKönig, Köln, 2000. � Michor, K.: Sinn-bilder in der Landschaftsplanung. In: ANL(Bayerische Akademie für Naturschutz undLandschaftspflege) (Hrsg.): Natur - Weltder Sinnbilder. Laufener Seminarbeiträge1/00, Laufen/Salzach, 2000, S. 31-35. � Radkau, J.: Natur und Macht. Eine Welt-geschichte der Umwelt, C.H. Beck,München, 2000. � Strauss, P. F.: Inwert-setzung landschaftlicher Symbole. In:ANL (Hrsg.): a. a. O., S. 63-67.

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Glossar

AltlastMit Schadstoffen belastete Fläche, von der Gefahren für die menschliche Gesundheit oderdie Umwelt ausgehen. Man unterscheidet Altstandorte und Altablagerungen. Flächen, für dieHinweise auf eine Altlast bestehen, werden als altlastverdächtige Flächen bezeichnet.

Altlastensanierungs. Sanierung

BBodSchG, BBodSchVBundes-Bodenschutzgesetz, Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (i1-1)

BiodiversitätBiologische Vielfalt; sie umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten sowiedie Vielfalt der Ökosysteme.

BioverfügbarkeitBezeichnet den Anteil eines Stoffes, der von Organismen aufgenommen werden kann.

BodenDer von Lebewesen durchsetzte obere Teil der Erdkruste, der durch bodenbildende Prozesse, wie Verwitterung, Tonmineralbildung, Humusbildung und verschiedene Stoffverlagerungs-prozesse, entstanden ist. Art und Intensität der bodenbildenden Prozesse werden durch die Fak-toren der Bodenbildung (Gestein, Klima, Vegetation, Tiere, Relief, Mensch und Zeit) gesteuert.Böden sind durch typische vertikale Abfolgen von Bodenhorizonten charakterisiert (z. B.

Podsol). Der Boden wird nach unten durch festes oder lockeres Gestein und nach obendurch eine Pflanzendecke oder die Atmosphäre begrenzt.

Bodendegradation, -degradierungDauerhafte Schädigung oder Verlust von Bodenfunktionen. Sie kann natürliche Ursachenhaben oder vom Menschen verursacht oder verstärkt sein. Beispiele für Bodendegradation sind

Bodenerosion und Einträge von Schadstoffen.

Bodenerosions. Erosion

BodenfunktionBöden sind Bestandteile von Ökosystemen und werden vom Menschen in unterschiedlicherWeise genutzt. Sie erfüllen dabei sowohl für Ökosysteme als auch für den Menschen Funktio-nen. Das Bundes-Bodenschutzgesetz (i1-1) unterscheidet natürliche Funktionen (Lebensgrund-lage und Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen; Bestandteil des Naturhaushalts, insbe-sondere Auswirkungen auf die Wasser- und Stoffkreisläufe; Rückhalt von (Schad-) Stoffen), dieFunktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte und Nutzungsfunktionen (Rohstofflager-stätte; Produktion von Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen; Standort für Siedlung undErholung sowie Standort für wirtschaftliche und öffentliche Nutzungen, Verkehr und Ver- undEntsorgung).

Bodengefüge (Bodenstruktur)Räumliche Anordnung der festen Bodenbestandteile; mit bloßen Auge erkennbar sind z. B. dasEinzelkorngefüge, das typisch für Sandböden ist, oder verschiedene Formen des Aggregat-gefüges, bei denen die Bodenteilchen Körper (Aggregate) mit bestimmten Formen und Größenbilden. Das Gefüge beeinflusst viele wichtige Bodeneigenschaften.

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Bodenhorizont (auch kurz: Horizont)annähernd parallel zur Erdoberfläche angeordnete Lage des Bodens mit charakteristischenEigenschaften, die durch bodenbildende Prozesse ( Boden) entstanden ist. Bodenhorizontewerden durch jeweils einen Großbuchstaben und zur weiteren Charakterisierung durch ein odermehrere Kleinbuchstaben gekennzeichnet. Die wichtigsten Großbuchstaben sind A für einenmineralischen Oberbodenhorizont, der meist mit organischer Substanz angereichert ist (unddann Ah heißt), B für einen mineralischen Unterbodenhorizont, der gegenüber dem Ausgangs-gestein durch bodenbildende Prozesse wie die Verwitterung verändert wurde, und C für dasAusgangsgestein des Untergrunds. Weitere Symbolkombinationen werden bei den einzelnenBöden erläutert. Die vertikale Abfolge von Bodenhorizonten wird an einem senkrechten Schnittdurch den Boden, dem so genannten Bodenprofil, untersucht.

Bodensanierungs. Sanierung

BodenschadverdichtungVerdichtung des Bodens, die Bodenfunktionen langfristig nachteilig verändert

BodenschutzMaßnahmen, die negative Einflüsse auf Bodenfunktionen abwehren oder Bodenfunktionenerhalten, wiederherstellen oder verbessern

BodenversalzungAnreicherung von Salzen in oder auf Böden, speziell in trockenen Gebieten; häufig durchBewässerung mit unzureichender Drainage verursacht.

BodenversauerungZufuhr von Säuren in den Boden. Sie kann von außerhalb, insbesondere durch Eintrag von sauerwirkenden Stoffen wie Schwefel- oder Salpetersäure aus der Luft ("saurer Regen"), oder durchbodeninterne Prozesse (z. B. die Atmung der Bodenorganismen) erfolgen.

BodenversiegelungÜberbauung des Bodens mit Bauten (vor allem Strassen und Gebäude), durch die natürliche

Bodenfunktionen beeinträchtigt werden oder verloren gehen. Gegenteil: Bodenentsiegelung.

Bodenwasserhaushalts. Wasserhaushalt

BuntsandsteinAbschnitt der Erdgeschichte, 251 bis 244 Mio. Jahren vor heute (über den Zeitraum gibt esunterschiedliche Angaben). Es wird der (ältere) untere, der mittlere und der (jüngere) obereBuntsandstein unterschieden. In Deutschland treten im Buntsandstein meist Sandsteine, aberauch tonige Sedimente auf.

BruchtektonikBruchtektonik ist ein Teil der Lehre vom Bau der Erdkruste und den Bewegungen und Kräften,die diese erzeugt haben (Tektonik). Sie beschäftigt sich mit dem Zerbrechen der Kruste und dendabei entstehenden Erscheinungen, wie Fugen, Klüften, Spalten und Verwerfungen. Das WortBruchtektonik wird auch für die Erscheinungen und Prozesse selbst benutzt.

BVBBundesverband Boden e. V., www.bvboden.de

DBGDeutsche Bodenkundliche Gesellschaft, www.dbges.de

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Dekontaminations. Kontamination

DepositionAblagerung von luftgebundenen Stoffen auf der Erdoberfläche. Man unterscheidet trockene undfeuchte Deposition.

DesertifikationVom Menschen durch Übernutzung (v. a. Überweidung) hervorgerufener Landschaftswandel inSteppen und Savannen, bei dem sich wüstenähnliche Bedingungen ausbreiten: so ändert sich dieVegetation und die Pflanzendecke dünnt aus, was bestimmte Formen der Bodendegradationwie Erosion und Bodenversalzung auslöst.

EiskeilEiskeile sind keilförmige, nach unten weisende Spalten in Sedimenten ( Gestein) oder Böden,die in kalten Gebieten ( Permafrostgebiete) entstanden sind. Man unterscheidet neu gebildete("rezente") und fossile Eiskeile. In rezenten Eiskeilen ist die Spalte mit Eis gefüllt, in fossilenEiskeilen ist sie nach Schmelzen des Eises mit Sedimenten verfüllt. Die Eiskeile Mitteleuropasstammen aus den Eiszeiten.

EiszeitenAbschnitte der Erdgeschichte, in denen große Gebiete der Erdoberfläche von Gletschern undInlandeismassen bedeckt waren. Die letzten Eiszeiten im so genannten Eiszeitalter ("Pleistozän")liegen erst 2,5 Mio. bis 10.000 Jahre zurück. In Nordwest-Europa werden die drei letzten Eis-zeiten als Elster (älteste), Saale und Weichsel (jüngste) bezeichnet, im Alpenraum heißen sieMindel, Riss und Würm.

elsterzeitlichs. Eiszeiten

Emission, Emittent; ImmissionIm Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die von einer Anlage (dem Emittenten) ausge-henden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und andere Umwelteinwirkungen.Auch die austretenden Stoffe selbst werden als Emissionen bezeichnet. Wenn Emissionen, un-verändert oder verändert, auf Mensch oder Umwelt einwirken, z. B. abgelagert werden, sprichtman von Immissionen.

ErosionErosion ist der Abtrag von Boden durch Wasser, Eis, Wind und die Schwerkraft. Der durchBodennutzung erhöhte Anteil an Erosion wird als Bodenerosion bezeichnet.

FAOFood and Agricultural Organization of the United Nations (Landwirtschaftsorganisation derVereinten Nationen), www.fao.org

FlugsanddeckeVom Wind abgelagertes Sediment ( Gestein) aus Sand, das auf einem anderen Gesteinoder Boden liegt. Flugsanddecken entstanden während der Eiszeiten in Gebieten vor denEismassen, aber auch in historischer Zeit in Folge von Rodungen wie in der heutigen Heide inNiedersachsen.

Gesteinefeste Mineralgemenge der Erdkruste. Man unterscheidet drei Hauptgesteinsgruppen: Magmatite(z. B. Granit oder Basalt), Metamorphite (z. B. Gneise, Schiefer oder Marmor) und Sedimente(Lockersedimente wie Sand oder Löss und Sedimentgesteine wie Sand- oder Kalkstein).Gesteine bilden das anorganische Ausgangsmaterial von Böden.

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GeotopGeotope sind z. B. Steinbrüche, Böden oder auch natürliche Landschaftsteile, die Erkenntnisseüber die Entwicklung der Erde oder des Lebens vermitteln. Schutzwürdig sind Geotope, die sichdurch besondere erdgeschichtliche Bedeutung, Seltenheit, Eigenart oder Schönheit auszeichnen.

Geschiebemergelkalkhaltiges, toniges Sediment ( Gestein), das mit Geröllen und Blöcken (dem "Geschiebe")durchsetzt ist und vor allem während der Eiszeiten am Grunde von Gletschern entstanden ist.

Horizonts. Bodenhorizont

HuminstoffeOrganische Verbindungen von meist dunkler Farbe, die im Boden bei der Zersetzung der Streugebildet werden und wegen ihrer Eigenschaften wichtige Funktionen u. a. für diePflanzenernährung haben.

Humuss. Organische Substanz

Immissions. Emission

ISRICInternational Soil Reference and Information Centre, Wageningen, Niederlande, www.isric.nl

ITVAIngenieurtechnischer Verband Altlasten e. V., www.itv-altlasten.de

KaolinitEin Tonmineral, das durch intensive Verwitterung unter warmfeuchten, tropischenBedingungen entsteht.

KlärschlammIn Kläranlagen aus Abwässern abgetrennter Schlamm mit sehr hohen organischen Anteilen, derhohe Gehalte an Nährstoffen und organische bzw. anorganische Schadstoffe ( Schwer-metalle) aufweist.

Kontamination, DekontaminationKontamination: Belastung der Umwelt mit für Mensch oder Umwelt schädlichen Stoffen wie z. B. Schwermetalle oder organische Schadstoffe. Dekontamination: Entfernung oderVerringerung von Verunreinigungen.

Landschaftswasserhaushalts. Wasserhaushalt

LehmMineralgemisch aus den Korngrößen Sand, Schluff und Ton, in der Regel in jeweilsrelativ hohen Anteilen.

LössLockersediment mit der vorwiegenden Korngröße Schluff, das durch Wind während der

Eiszeiten abgelagert wurde. Böden aus Löss gehören zu den wertvollsten Kulturböden derErde.

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MediterranbodenSammelbezeichnung für Böden, die unter mediterranem Klima (Klima des Mittelmeerraumesmit trockenen Sommern und feuchten Wintern) entstanden sind. Sie sind häufig rot gefärbt undlehmig-tonig.

MikroorganismenIn der Bodenkunde die mit dem bloßen Auge nicht erkennbaren Kleinstlebewesen. Man unter-scheidet Mikrofauna (Tiere) und Mikroflora (z. B. Bakterien, Pilze oder Algen).

Mineralefeste, chemisch einheitliche, anorganische Grundbestandteile der Gesteine

miozän, Miozäns. Tertiär

MoorBöden, die aus Torfen aufgebaut sind. Moore weisen ein ständig hoch anstehendes Grundwasserauf, wodurch Sauerstoffmangel entsteht. Dadurch werden Pflanzenreste nur langsam abgebautund reichern sich als Torf an.

MykorrhizaLebensgemeinschaft von bestimmten Bodenpilzen und Pflanzen

NährstoffeFür das Pflanzenwachstum notwendige Stoffe. Man unterscheidet die in hohen Mengen benötig-ten Makronährelemente, wie Stickstoff, Phosphor oder Kalium, von den nur in geringen Mengenbenötigten Mikronährelementen, wie Eisen oder Mangan.

ÖkosystemWirkungsgefüge von Lebewesen und deren abiotischer Umwelt

Organische SchadstoffeFür Menschen, Tiere oder Pflanzen schädliche organische Verbindungen, die in geringemUmfang natürlich entstehen, überwiegend aber vom Menschen hergestellt werden oder bei tech-nischen Prozessen entstehen, z. B. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), poly-chlorierte Biphenyle (PCB) oder Dioxine (s. i3.4-1)

Organische Substanz (Humus)Abgestorbene und umgewandelte Reste von Pflanzen und Tieren sowie Huminstoffe, diesich im oberen Bereich des Bodens anhäufen

ParabraunerdeBoden mit der Horizontfolge Ah/Al/Bt/C ( Bodenhorizont), der durch den Prozess der Ton-verlagerung entstanden ist. Dabei wird Ton ( Ton, Bedeutung 1) im Oberboden gelöst, mitdem Sickerwasser transportiert und im Unterboden wieder ausgefällt. Der so an Ton verarmte

Bodenhorizont heißt Al-Horizont und der mit Ton angereicherte Bt-Horizont. Parabraun-erden gehören zu den am weitesten verbreiteten Böden Mitteleuropas, kommen häufig inGebieten vor, in denen Löss abgelagert wurde, und sind im allg. günstige Ackerstandorte.

PelosolBoden, der aus tonreichem Gestein (z. B. Tonschiefer) entstanden ist und einen Bodenhori-zont (den so genannten P-Horizont) mit sehr hohem Tongehalt (meist über 45 Masse-% Ton)enthält.

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PermafrostgebieteKalte Gebiete mit "ständig" gefrorenen Böden (Permafrostböden, Dauerfrostböden), die zumin-dest die meiste Zeit des Jahres gefroren sind und allenfalls im Sommer im oberem Bereich auf-tauen. In heutiger Zeit gibt es Permafrostgebiete vor allem in den nördlichen Breiten Russlandsund Nordamerikas (in der Tundra und Taiga). Während der Eiszeiten gab es Permafrost-gebiete auch weiter südlich im Vorfeld der Gletscher und Inlandeismassen z. B. in Mitteleuropa.

pliozän, Pliozäns. Tertiär

Podsol, PodsolierungDer Podsol ist ein nährstoffarmer, saurer Boden mit der Horizontfolge Ahe/Ae/Bhs/C ( Bodenhorizont), der durch Stoffumwandlungs- und -verlagerungsprozesse (die so genanntePodsolierung) entstanden ist. Humusstoffe und Eisen- und Manganoxide werden dabei aus demOberboden ausgewaschen (Horizonte Ahe, Ae) und im Unterboden (Bhs) wieder ausgefällt.Podsole entstehen in Mitteleuropa auf quarzreichen Gesteinen (z. B. Sand) bei hohen Nieder-schlägen und niedrigen Temperaturen unter einer Vegetation mit schwer abbaubarer Streu (z. B.Heide oder Nadelgehölze).

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffes. organische Schadstoffe

RekultivierungLandschaftliche Neugestaltung von Gebieten, die durch menschliche Eingriffe, insbesonderedurch Abbau von Rohstoffen wie Braunkohle, geschädigt oder zerstört wurden, um die Gebietewieder nutzbar zu machen. Die Maßnahmen zur Rekultivierung orientieren sich an der geplantenFolgenutzung, z. B. Landwirtschaft, Wald oder Erholung. Hauptmaßnahme ist in der Regel dasAufbringen oder die Herstellung eines geeigneten Bodensubstrats.

RigosolBoden, der durch regelmäßiges, tief reichendes Pflügen und Lockern (das so genannte Rigolen)oder durch Auftrag oder Eintrag von Fremdmaterial entstanden ist. Der überprägte Boden-horizont wird mit R bezeichnet.

saalezeitlichs. Eiszeiten

Sand1. Kornfraktion mit einer Korngröße von 0,063 bis 2 mm; 2. Mineralgemisch, das meist vorwiegend Körner der Kornfraktion Sand enthält und daneben

geringere Anteile an Schluff und Ton.

SanierungDurchführung von Maßnahmen zur Sicherung oder Dekontamination von Altlastenoder anderen schädlichen Bodenbelastungen. Mit der Sanierung soll sichergestellt werden, dasskeine Gefahren mehr für die Umwelt und die Gesundheit des Menschen ausgehen.

SaprolitGesteinszersatz, der unter tropisch-feuchten Bedingungen durch tiefgründige chemischeVerwitterung entstanden ist. Dabei werden in der Regel Minerale umgewandelt, gelöst und zumTeil ausgewaschen.

SchadstoffeIn der Umwelt vorkommende Stoffe, die in Ökosystemen oder Lebewesen nachteiligeVeränderungen hervorrufen können. Wichtige Schadstoffgruppen sind organischeSchadstoffe und Schwermetalle.

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Schluff1. Kornfraktion mit einer Korngröße von 2 bis 63 µm (63 µm = 0,063 mm), d. h. feiner als

Sand und gröber als Ton; 2. Mineralgemisch, das vorwiegend Körner der Kornfraktion Schluff enthält und daneben

geringere Anteile an Sand und Ton.

SchwermetalleMetalle mit relativ hoher Dichte (größer als 5 g/cm³). Sie kommen in der Natur meist nur ingeringen Konzentrationen vor und sind zum Teil für Pflanzen oder Tiere lebensnotwendig, kön-nen jedoch zum Teil auch in schon geringen Konzentrationen giftig sein. Zu den toxischenSchwermetallen gehören Blei, Cadmium und Quecksilber.

SicherungDurchführung von Maßnahmen, die die Ausbreitung von Schadstoffen aus Altlasten oderanderen schädlichen Bodenbelastungen verhindern

SRUDer Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, www.umweltrat.de

TaschenbodenBoden mit taschenartigen Einsenkungen von feinkörnigen Lagen in darunter liegende, meistgrobkörnige Lagen. Sie entstehen durch Verformungen und Verwürgungen im Auftaubereich vonBöden, die nur in den Sommermonaten auftauen und sonst gefroren sind ( Permafrost-gebiete). Ein besonderer Typ des Taschenbodens ist der Tropfenboden, bei dem tropfenförmigeSandkörper in feinkörnige Lagen eingesunken sind.

tertiär, TertiärDas Tertiär ist ein Abschnitt der jüngeren Erdgeschichte, der von 66 bis 2,5 Mio. Jahre vor heutedauerte. Die beiden jüngsten Unterabschnitte des Tertiärs sind das Miozän (vor 24,6 bis 5,1 Mio.Jahren) und das Pliozän (vor 5,1 bis 2,5 Mio. Jahren). Die Eigenschaftswörter (tertiär, miozän,pliozän) kennzeichnen die Entstehungszeit der jeweiligen Bildungen.

Ton1. Kornfraktion mit einer Korngröße von bis zu 2 µm, d. h. feiner als Schluff; 2. Mineralgemisch, das meist vorwiegend Körner der Kornfraktion Ton enthält und daneben

geringere Anteile an Sand und Schluff. 3. feinkörniges Lockersediment, das vorwiegend aus Tonmineralen besteht.

TonmineraleGruppe von Mineralen, die Hauptbestandteile von Tonen (Bedeutung 3) sind. Sie beein-flussen maßgeblich die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Böden.

Tropfenbodens. Taschenboden

UmweltkompartimentAbgrenzbarer Ausschnitt aus der Umwelt, z. B. Boden, Wasser oder Luft.

UNEPUnited Nations Environment Programme (Umweltschutzorganisation der Vereinten Nationen),www.unep.org

VerwitterungSammelbezeichnung für eine Reihe von physikalischen, chemischen und biochemischen Pro-zessen, die Gesteine und Minerale zerstören oder umwandeln. Zur physikalischen Ver-witterung gehört z. B. die Frost- und die Wurzelsprengung, zur chemischen Verwitterung dieLösungsverwitterung. Die Verwitterung ist ein grundlegender Prozess für die Bodenbildung.

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Quellen:Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltänderungen: Welt im Wandel:Die Gefährdung der Böden. Jahresgutachten 1994. Economica Verlag, Bonn, 1994. � Hintermaier-Erhard, G. u. Zech, W.: Wörterbuch der Bodenkunde. Ferdinand Enke Verlag,Stuttgart, 1997. � Hulpke, H., Koch, H. A. u. Nießner, R. (Hrsg.): Römpp Lexikon Umwelt. 2.Aufl., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 2000. � AG Boden: BodenkundlicheKartieranleitung, 4. Aufl., Hannover, 1994. � Murawski, H. u. Meyer, W.: GeologischesWörterbuch. 10., neu bearb. u. erw. Aufl., Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, 1998.

Wasserhaushalt (Landschafts- , Boden-)Unscharf benutzter Begriff. Bezeichnet für ein abgegrenztes Gebiet (z. B. eine "Landschaft" odereinen "Boden") und einen bestimmten Zeitraum die Bilanz des eingehenden und des ausgehen-den Wassers und der Wasservorratsänderung. Die Bilanz wird in der Wasserhaushaltsgleichungformuliert. Eingehende Größen sind der Niederschlag und Zuflüsse, ausgehende Größen sind dieVerdunstung und Abflüsse (z. B. Oberflächenabfluss oder die Versickerung in das Grundwasser).

WBBWissenschaftlicher Beirat Bodenschutz beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit (BMU), www.Wissenschaftlicher-Beirat-Bodenschutz.de

Bildnachweis

Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt.

Titelbild: Nicole Herpel, HamburgBilder 1, 2, 4, 6, 8, 11, 13-15, 18-20, 22-29, 31, 33-35, 37-39, 44, 46, 48-52: Günter Miehlich, HamburgBilder 7, 12, 30, 45: Bernhard Volmer, Osnabrück, Dauerausstellung unter.Welten des Museums amSchölerberg, OsnabrückBilder 3, 5, 9, 21, 32: Thomas Poetsch, HamburgBilder 41, 47: Horst Wiechmann, HamburgBild 10: Julia Gebert, HamburgBild 17: aus Helbig u.a. (vgl. i3.5-1)Bild 36: aus Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (vgl. i4.5-1)Bild 40: Claudia Fröhlich, Immanuel-Kant-Gymnasium, SinstorfBild 42: René Schwartz, Bad-OldesloeBild 43: Katrin Tresselt, HamburgBild 53: ©: Kunstfoto SPETDOORN et fils, 1040 Brüssel, Belgien; mit freundlicher Genehmigung der Königlichen Kunstmuseen von Belgien, BrüsselBild 54: ©: Hans Haacke & VG Bild Kunst, mit freundlicher Genehmigung des Künstlers

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Impressum:

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Ohne Boden - bodenlos : Eine Denkschrift zum Boden-Bewusstsein /Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutz beim BMU. -Berlin: 2002ISBN 3-00-010646-4

© 2002 Wissenschaftlicher Beirat Bodenschutz beim BMU

Redaktionsschluss: 10.04.2002

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