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854 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 11 Fachthemen Martin Grassl Thomas Benz DOI: 10.1002/stab.201001375 Der Fluss Okavango im afrikanischen Botsuana mündet in ein in- ländisches Delta. Die dadurch entstehenden fruchtbaren Gebiete bilden die Grundlage für den einmaligen Artenreichtum der Flora und Fauna. Dies ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt. Zur Erschließung des nordöstlichen Teils des Deltas ist es geplant, die bestehende Fährverbindung durch eine feste Brü- ckenverbindung als Schrägseilbrücke zu ersetzen. Um den Sym- bolcharakter des Bauwerks zu unterstreichen, wurden die Pylone in einer speziellen Gestaltungsidee als A-Pylone in der Form von sich kreuzenden Elefantenzähnen entworfen. Es werden die Ent- wurfsgeschichte sowie wichtige Details der Konstruktion erläu- tert. Nach ihrer Fertigstellung wird die Okavango River Bridge die erste Schrägseilbrücke in Botsuana sein. Sie wird einen wesent- lichen Beitrag zur Verbesserung und Entwicklung der Infrastruk- tur des Okavango-Deltas leisten. Okavango River Bridge in Botsuana, Africa – Elephant tusks for the Okavango. The Okavango River in the African country Bot- suana leads in a domestic delta. Due to the fact that the area is very fertile a unique species richness of flora and fauna has de- veloped. This is a magnet for tourists from all over the world. For developing the north-eastern part of the Delta, it is planned to re- place the existing ferry service by a static link as a cable-stayed bridge. To emphasize the symbolic character of the building the towers were designed in a special design idea as the A-pylons in form of intersecting elephant tusks. It is the design history, as well as important details of the construction explained. After completion, the Okavango River Bridge will be the first cable- stayed bridge in Botsuana. It will make a significant contribution to improving and developing the infrastructure of the Okavango Delta. 1 Einführung Botsuana befindet sich im Zentrum des südlichen Afrikas und besitzt keinen eigenen Meereszugang (s. Bild 1). Das Land ist 582000 km 2 groß, was in etwa der Größe Frank- reichs entspricht, und hat nur rund 1,8 Millionen Einwoh- ner. Damit gehört es zu den am dünnsten besiedelten Län- dern der Erde. Das gesamte Land liegt auf einem Hoch- plateau; nur wenige Gebiete liegen unterhalb von 1000 m über NN. Große Teile des Landes macht die Halbwüste Kalahari im Südteil aus. Im Nordwesten liegt das große Binnendelta des Flusses Okavango (s. Bild 2). Der Fluss entspringt im Zentrum von Angola auf dem Hochland von Bin und fließt von dort aus in das wüstenhafte Lan- desinnere von Botsuana. Okavango River Bridge in Botsuana, Afrika – Elefantenzähne für den Okavango Herrn Dipl.-Ing. Manfred Grassl zur Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet Bild 1. Südliches Afrika (von www.mapoftheunitedstates.wordpress.com) Fig. 1. Southern Africa (from www.mapoftheunitedstates.wordpress.com) Bild 2. Karte von Botsuana (von www.delta-camp.com) Fig. 2. Map of Botsuana (from www.delta-camp.com)

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854 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 79 (2010), Heft 11

Fachthemen

Martin GrasslThomas Benz

DOI: 10.1002/stab.201001375

Der Fluss Okavango im afrikanischen Botsuana mündet in ein in-ländisches Delta. Die dadurch entstehenden fruchtbaren Gebietebilden die Grundlage für den einmaligen Artenreichtum der Floraund Fauna. Dies ist ein Anziehungspunkt für Touristen aus allerWelt. Zur Erschließung des nordöstlichen Teils des Deltas ist esgeplant, die bestehende Fährverbindung durch eine feste Brü-ckenverbindung als Schrägseilbrücke zu ersetzen. Um den Sym-bolcharakter des Bauwerks zu unterstreichen, wurden die Pylonein einer speziellen Gestaltungsidee als A-Pylone in der Form vonsich kreuzenden Elefantenzähnen entworfen. Es werden die Ent-wurfsgeschichte sowie wichtige Details der Konstruktion erläu-tert. Nach ihrer Fertigstellung wird die Okavango River Bridge dieerste Schrägseilbrücke in Botsuana sein. Sie wird einen wesent-lichen Beitrag zur Verbesserung und Entwicklung der Infrastruk-tur des Okavango-Deltas leisten.

Okavango River Bridge in Botsuana, Africa – Elephant tusks forthe Okavango. The Okavango River in the African country Bot-suana leads in a domestic delta. Due to the fact that the area isvery fertile a unique species richness of flora and fauna has de-veloped. This is a magnet for tourists from all over the world. Fordeveloping the north-eastern part of the Delta, it is planned to re-place the existing ferry service by a static link as a cable-stayedbridge. To emphasize the symbolic character of the building thetowers were designed in a special design idea as the A-pylons inform of intersecting elephant tusks. It is the design history, aswell as important details of the construction explained. Aftercompletion, the Okavango River Bridge will be the first cable-stayed bridge in Botsuana. It will make a significant contributionto improving and developing the infrastructure of the OkavangoDelta.

1 Einführung

Botsuana befindet sich im Zentrum des südlichen Afrikasund besitzt keinen eigenen Meereszugang (s. Bild 1). DasLand ist 582000 km2 groß, was in etwa der Größe Frank-reichs entspricht, und hat nur rund 1,8 Millionen Einwoh-ner. Damit gehört es zu den am dünnsten besiedelten Län-dern der Erde. Das gesamte Land liegt auf einem Hoch-plateau; nur wenige Gebiete liegen unterhalb von 1000 müber NN. Große Teile des Landes macht die HalbwüsteKalahari im Südteil aus. Im Nordwesten liegt das großeBinnendelta des Flusses Okavango (s. Bild 2). Der Flussentspringt im Zentrum von Angola auf dem Hochlandvon Bin und fließt von dort aus in das wüstenhafte Lan-desinnere von Botsuana.

Okavango River Bridge in Botsuana, Afrika –Elefantenzähne für den OkavangoHerrn Dipl.-Ing. Manfred Grassl zur Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet

Bild 1. Südliches Afrika (von www.mapoftheunitedstates.wordpress.com)Fig. 1. Southern Africa (from www.mapoftheunitedstates.wordpress.com)

Bild 2. Karte von Botsuana (von www.delta-camp.com)Fig. 2. Map of Botsuana (from www.delta-camp.com)

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Das volkswirtschaftliche Einkommen Botsuanas be-ruht auf dem Erschließen von Bodenschätzen im Berg-bau, auf der Fleischproduktion aus Rinderhaltung und aufEinnahmen aus dem Tourismus. Hier spielt das Okavan-go-Delta mit seinem einmaligen Artenreichtum eine we-sentliche Rolle. Große Teile des Deltas sind im Momentnur per Kleinflugzeug zu erreichen. Lediglich südlich undwestlich des Deltas gibt es asphaltierte Straßen. Nördlichdes Deltas verkehrt derzeit als einzige Kreuzungsmöglich-keit auf botsuanischem Boden eine Autofähre, welche je-weils nur zwei Fahrzeuge gleichzeitig aufnehmen kann.Östlich dieser Fährverbindung existiert nur eine für dieseRegion typische Sandpiste. Um den nordöstlichen Teil desDeltas auch für den Autoverkehr und somit für den Tou-rismus besser zu erschließen, ist nun geplant, eine festeBrückenverbindung über den Okavango zu errichten. DerStandort der Brücke wird in unmittelbarer Nähe der jetzi-gen Fährverbindung nahe dem Ort Shakawe sein, da dieTopografie des Flusses mit seiner Breite und seinen unzu-gänglichen Ufern eine Querung an anderer Stelle nahezuunmöglich macht.

2 Entwurfsgeschichte

Der Okavango ist in seinem festen Flussbett an der Stelleder geplanten Querung etwa 120 m breit. Beidseits diesesständig mit Wasser gefüllten Flussbettes schließen sichbreite Ufergebiete an, welche durch das alljährliche Hoch-wasser teilweise meterhoch überflutet werden. Um diesenatürlichen Retentionsflächen nicht einzuschränken,schließen sich an die geplante Strombrücke mit einerGesamtlänge von 400 m beidseitig Vorlandbrücken von156,5 m bzw. 606,5 m an (s. Bild 3). Diese Vorlandbrü-cken werden in Spannbetonweise ausgeführt und im Takt-schiebeverfahren erstellt. Sie werden hier nicht näher be-handelt. Beidseitig an das Brückenbauwerk anschließendwerden zudem asphaltierte Straßen neu hergestellt. DenAuftrag für die Generalplanung hat das Büro CPP Consul-ting Engineers aus Garbarone, Botsuana. Für die Brü-ckenplanungen sind das Ingenieurbüro Grassl, Hamburg,für die Strombrücke sowie das Büro APCO, Andre Oost-huizen Consult aus Johannesburg, für die Vorlandbrückenals Nachunternehmer tätig.

Die Brücke wird an ihrem Standort einen gewissenSymbolcharakter haben. Deshalb wurden an die Kon-struktion der Strombrücke hohe gestalterische Ansprüchegestellt und man entwickelte als Gestaltungsidee eineSchrägseilbrücke. Die Ausbildung des Querschnitts wurdeals Stahlbeton-Verbund Konstruktion gewählt. In der Vor-planungsphase wurden insgesamt sechs Varianten derSchrägseilbrücke, einhüftig, zweihüftig und mit unter-schiedlichen Pylonformen untersucht (s. Bild 4).

Nachdem sich der Auftraggeber für die zweihüftigeVariante entschieden hatte, wurden die beiden Vorzugslö-sungen zur Pylonausbildung an einem Computergesamt-modell visualisiert, um die Einpassung in die vorhandeneSituation besser beurteilen zu können. Hierbei handelte essich um eine klassische Pylonausbildung mit vertikalenPylonen beidseits des Brückendecks angeordnet (s.Bild 5), sowie eine speziell für Botsuana entwickelte Ge-staltungsidee: A-Pylone in der Form von sich kreuzendenElefantenzähnen (Elephant Tusks, s. Bild 6).

Durch diese Formensprache sind mehrere wichtigeKriterien der Gestaltung erfüllt. Einerseits bilden die Pylo-ne einen Torcharakter, der den Eingang zum Okavango-Delta darstellt. Andererseits symbolisieren Elefantenzäh-

Bild 3. Übersicht des Bauwerks (Visualisierung)Fig. 3. Panoramic view of the building (visualisation)

Bild 4. Optionale Pylonformen der VorplanungsphaseFig. 4. Optional tower designs of the pre-planning phase

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ne das Land Botsuana, das die größte Elefantenpopula-tion in Afrika besitzt. Der Elefant ist ein wichtiger Touris-musmagnet. Dieser Entwurfsidee konnte der Auftraggeberfolgen und legte sich im Juni 2008 auf die Variante Ele-phant Tusks fest.

3 Ausführungsentwurf3.1 Allgemeines

Ziel der Planung war es, für die Brückenkonstruktionmöglichst viele Symmetriebeziehungen zu schaffen, da dieBrückenachse sich in einer Geraden befindet. So ist dieBrücke sowohl zur Brückenmitte als auch zur Brücken-achse vollkommen symmetrisch. Es ergibt sich daraus einexakt 200 m langes Mittelfeld mit zwei jeweils 100 m lan-gen Seitenfeldern. Die Seile sind in acht Seilgruppen zujeweils neun Seilen arrangiert. Es ergeben sich dadurchSeilquerträgerabstände in der Regel von 10,0 m. Nur inBrückenmitte und im Bereich der Pylonachsen werden die Abstände auf 15,0 m bzw. 25,0 m vergrößert. DerHochpunkt der Brücke befindet sich in der Mitte derStrombrücke, die Längsneigung beträgt zu beiden Seiten0,5 % (s. Bild 7).

Der Regelquerschnitt hat eine Gesamtbreite von12,40 m. Er nimmt die beiden Fahrbahnen mit jeweils3,35 m Breite sowie beidseitig jeweils ca. 1,80 m breiteGehwege auf, welche durch Betonschutzwände von denFahrbahnen dauerhaft getrennt werden. Der Querschnittwird als Dachprofil mit einer Querneigung von 2,5 % alsStahlverbundquerschnitt mit trapezförmigen luftdicht ver-schweißten Stahlhohlkästen als Hauptträger ausgeführt.

Die Plattendicke beträgt im Bereich der Hohlkästen 25 cmund an den Kragarmspitzen 20 cm. Zusammen mit den1,75 m hohen Stahlkästen ergibt sich die Querschnitts-höhe zu 2,00 m (s. Bild 8).

Durch die symmetrische Ausbildung der Strombrü-cke entsteht ein Verhältnis der Stützweiten von 1/2/1.Dies stellt für einen Durchlaufträger mit drei Feldern einnicht optimales Stützweitenverhältnis dar, so dass es er-forderlich wird, die Seitenfelder der Brücke zu ballastie-ren. Das wird dadurch realisiert, dass schon vor denTrennpfeilern die Überbauhöhe von 2,0 m auf 3,0 m ver-größert wird. Zusätzlich wird der Überbau an den Brü-ckenenden auf der gesamten Breite als Hohlkasten aus-geführt und mit Schwerbeton gefüllt (s. Bild 9). Das istgestalterisch unproblematisch, da die Bauhöhe der Vor-landbrücken ebenfalls 3,0 m beträgt und somit der unver-meidliche Querschnittssprung harmonisiert wird. Damitkann der Lagesicherheitsnachweis an den Trennpfeilernmit der geforderten Sicherheit auch im Grenzzustand derTragfähigkeit erbracht werden.

Die zu Wartungszwecken begehbaren Stahlpylonehaben eine Höhe von ca. 52,0 m über den Fundament-sockeln. Die Verankerung der Parallellitzenseile erfolgt imInneren der Pylonen an zugänglichen Verankerungsebe-nen. Überbauseitig werden die Seile zu beiden Seiten desÜberbaudecks an auskragenden Seilquerträgern ange-schlossen, welche ebenfalls als luftdicht verschweißteStahlhohlkästen ausgeführt werden. Sie sind im Bereichder Fahrbahn mit Kopfbolzendübeln mit der Betonfahr-bahnplatte schubfest verbunden und bilden mit denLängsträgern einen Trägerrost (s. Bild 10).

Bild 5. Option vertikale Pylone (Visualisierung)Fig. 5. Option vertical towers (visualisation)

Bild 6. Option gekreuzte Stoßzähne (Visualisierung)Fig. 6. Option intersecting elephant tusks (visualisation)

Bild 7. Übersicht der SchrägseilbrückeFig. 7. General arrangement of the cable-stayed bridge

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Bild 8. Querschnitt der SchrägseilbrückeFig. 8. Cross section of the cable-stayed bridge

Bild 9. Anpassung des Höhenversatzes zwischen Vorlandbrücke und StrombrückeFig. 9. Adjustment of the construction height between bank bridges and river bridge

Bild 10. Querschnitt am SeilquerträgerFig. 10. Cross section at the cable cross beam

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3.2 Stahlpylone

Die Brücke über den Okavango ermöglicht den Zugang zueinem der größten und artenreichsten Naturreservate. Soentstand die Idee, die Pylone in der Form von sich kreu-zenden Elefantenzähnen auszubilden. In einer ersten Pha-se wurde ein intensives Designstudium betrieben, mit demZiel, die Geometrie möglichst naturnah hinsichtlich Formund Proportionen auszubilden. Zudem wurde in der Vor-planung die Frage des Materials (Stahl oder Beton) aus-führlich erörtert. Beton hätte hier den wesentlichen Vor-teil gehabt, dass er beinahe in jeder beliebigen Form her-gestellt werden kann. Allerdings hätte eine Verankerungder Seile im Inneren der Pylonen durch die dadurch erfor-derlichen massiven Außenwände zu erheblichen Abmes-sungen geführt, die das Erscheinungsbild der Pylonen äu-ßerst negativ beeinflusst hätten. So fiel die Wahl auf denBaustoff Stahl. Schon im Entwurf musste genau unter-sucht werden, wie die Pylone gefertigt werden können,was bei einem in der Höhe veränderlichen sowie ge-krümmten Querschnitt gewisse fertigungstechnische He-rausforderungen mit sich bringt.

So wurde das folgende Herstellungskonzept entwi-ckelt: Jeder Pylon wird aus 30 einzelnen Stahlschüssen ge-fertigt. Dabei bestehen die einzelnen Segmente aus sichverjüngenden Kegelschnitten, welche polygonal miteinan-der verschweißt werden (s. Bild 11). Dadurch entsteht einegewisse Abweichung von der ideal gekrümmten Form. Umdie Sichtbarkeit dieser Abweichung mit eventuell erkenn-baren Knicken und Schattenkanten für den Betrachtereinzuschätzen, wurde zunächst eine Vollmodell-Compu-tervisualisierung inkl. verschiedener Perspektiven und Be-leuchtungszustände erstellt.

Darüber hinaus wurde ein 3D-Modell eines Pyloneninkl. eines Teils des Fahrbahndecks und einiger Seile imMaßstab 1:87 gefertigt. Die Erstellung des Modells erfolgtemit dem Rapid Prototype Modelling-Verfahren in Zusam-menarbeit mit der Fachhochschule Ostwestfalen Lippe.Bei diesem Verfahren wird auf Grundlage einer CADZeichnung mit Hilfe eines speziellen 3-D Druckers ausverschiedenen Kunststoffen ein dreidimensionaler Körpermaßstabsgetreu hergestellt. Dabei werden durch die hoheerzielbare Genauigkeit etwaige geometrische Unstetig-keiten ebenfalls abgebildet. Das so erstellte Modell wurdeim Anschluss aus verschieden Perspektiven, teilweise un-ter extremen Lichtverhältnissen, fotografiert (s. Bild 12).Die Ergebnisse waren durchweg positiv, so dass davonausgegangen werden kann, dass es zu keiner sichtbarenVerfälschung der Idealform im fertig gestellten Zustandkommen wird. Die Pylone haben in ihrem Fußbereich ei-nen Außendurchmesser von 3,0 m. Dieser verjüngt sichkontinuierlich bis zum Kreuzungsbereich auf 2,50 m.Oberhalb davon reduziert sich der Außendurchmesserweiter auf 1,50 m. Den Abschluss bildet eine Glaskuppel,in der die Beleuchtung für die Luftfahrtsicherung unterge-bracht ist. Die Pylone sind vom Brückendeck aus durcheine Tür zugänglich. Die Begehbarkeit wird im Innerendurch Steigleitern gewährleistet. Dabei sind sowohl dieunteren Aufspannungspunkte der Pylonen als auch dieoben gelegenen Seilverankerungen und die Beleuchtung fürdie Luftfahrtsicherung erreichbar (s. Bild 13). Damit sindalle wartungsrelevanten Teile der Konstruktion zugänglich.

Um den Pylonen auch farblich ein realistisches Erschei-nungsbild zu verleihen, werden sie mit einer Deckbeschich-tung in dem Elfenbeinfarbton RAL 1015 versehen.

3.3 Lagerungssystem und Fahrbahnübergänge

Das Lagerungskonzept der Strombrücke sieht eine zwän-gungsfreie Lagerung des Überbaus vor. Der Festpunkt inLängsrichtung wird dabei am südwestlichen Pylon ge-wählt, da seitens der Vorlandbrücke aus dieser Richtungam Trennpfeiler ein größerer Dilatationsweg aufgenom-men werden muss. Die querfeste Lagerung des Überbaus

Bild 11. Kegelschnitt SegmenteFig. 11. Conic section segments

Bild 12. Brückenmodell im Maßstab 1:87Fig. 12. Model of the bridge in scale 1:87

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Bild 13. Pylon im SchnittFig. 13. Sectional drawing of the tower

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wird analog zu den Vorlandbrücken in allen vier Achsenauf der östlichen Seite gewählt. An den Pylonen wird aufeine vertikale Unterstützung des Überbaus durch Lagerverzichtet. Die statischen Berechnungen zeigten, dassdurch die relativ engen Abstände der Seilquerträger aufdiese starre Lagerung verzichtet werden kann. Damitkann im Bereich der Pylonachsen ein ausgeprägtes Stütz-moment vermieden und die Momentenbeanspruchung imÜberbau deutlich reduziert werden (s. Bild 14).

Die horizontalen Festhaltungen in den Pylonachsensind stahlbaumäßige Sonderkonstruktionen. Dabei werdendie einseitig verschieblichen Stützpunkte als Lager mit ei-nem Linienanschlag ausgebildet (s. Bild 15). Die Konstruk-tion ist damit für beide Bewegungsrichtungen grundsätz-lich gleich, sie werden jeweils um 90° gedreht eingebaut.Das längs- und querfeste Lager wird mittels eines vertikalverschieblichen Schubdollens realisiert. Die Gleitpaarun-gen werden aus einer Kombination aus Edelstahl undPTFE ausgebildet. Als Lager kommen auf den Übergangs-pfeilern handelsübliche Kalottenlager zum Einsatz.

Die Fahrbahnübergänge werden als wasserdichteLamellenkonstruktionen geplant und erhalten eine obenliegende Geräuschminderung. Damit werden Einzelspalt-weiten bis zu 100 mm möglich und die Anzahl der erfor-

derlichen Lamellen reduziert sich. Bei den aufzunehmen-den Gesamtdehnwegen von ca. 600 mm bzw. 670 mmkommt damit eine 7-schlaufige bzw. 8-schlaufige Über-gangskonstruktion zum Einsatz. Die Zugänglichkeit derÜbergangskonstruktionen an den Trennpfeilern wird vonden Hohlkästen der Vorlandbrücke aus über die War-tungsgänge gewährleistet.

3.4 Trennpfeiler

Die Pfeiler der Vorlandbrücken werden als Pfeilerschei-ben (Stützenkopfbreite: 1,50 m) in Stahlbeton ausgebildet.Die Übergangspfeiler zwischen den Vorlandbrücken undder seilverspannten Strombrücke sollen dem Gestaltungs-konzept folgend das gleiche Erscheinungsbild aufweisen.Für die klassische Anordnung der Lager nebeneinanderwäre ein breiterer Stützenquerschnitt erforderlich gewor-den, daher werden die Lager der Vorlandbrücken und dieLager der Strombrücke in einer Reihe auf dem Stützen-kopfbalken angeordnet. Dies wird realisiert, indem dieStahlkästen der Hauptträger der Strombrücke mit Krag-armen ausgebildet werden, so dass sich der Überbau gleicheiner zweizinkigen Gabel neben den Lagern der Vorland-brücke absetzt (s. Bild 16). Auf diese Weise kann einschmaler Trennpfeiler realisiert werden, dessen Silhouetteden Regelpfeilern der Vorlandbrücke entspricht.

3.5 Unterbauten und Gründungsystem

Die Stahlpylone werden am Fußpunkt auf massiven Fun-damentsockeln aufgespannt, die auf einer gemeinsamenPfahlkopfplatte angeordnet sind. Der vorhandene Bau-grund besteht aus Felsschichtungen mit unterschiedlichstarken Verwitterungsgraden, so dass eine Tiefgründungmittels Bohrpfählen zum Einsatz kommt. Als Pfahltypwerden verrohrte Bohrpfähle entworfen, bei denen derPfahlbeton durch ein dünnes Stahlrohr ummantelt wird,das im Boden verbleibt. Da die Gründungen der Pylonen

Bild 14. Verlauf der Biegemomente für die Lagerungsvarianten (Einheitslastfall)Fig. 14. Developing of the bending moments for the bearing options (unit load case)

Bild 15. Horizontalkraftlager am PylonFig. 15. Bearing for horizontal forces at the tower

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in einem Bauwerksabschnitt liegen, der in ständig wieder-kehrenden Hochwasserperioden überflutet wird, werdendie sensiblen Aufspannungspunkte der Pylonfußpunkte ineiner Höhe angeordnet, die eine planmäßige Überflutungausschließt. Zusätzlich erhalten die Verankerungsköpfeder Aufspannungen einen Korrosionsschutz durch fettver-presste Abdeckungen.

3.6 Bauvorgang

Das Baufeld liegt in einem Gebiet, dessen Zugänglichkeitin den Wintermonaten durch Überschwemmungen er-schwert wird. Die Bauvorgänge müssen hierauf abge-stimmt werden.

Das Gebiet östlich des Okavango ist derzeit nur mit ei-nem relativ kleinen Fährboot zu erreichen, welches den An-forderungen einer Großbaustelle in keiner Weise genügt. Eswird somit erforderlich, eine bauzeitliche Querung desFlusses zu errichten. Eine Verbindung mittels einer Pon-tonbrücke wurde verworfen, da die Mindestwassertiefe imFlussbett nicht sichergestellt ist und außerdem der Fluss andieser Stelle mehrmals am Tag für die Schifffahrt, insbeson-dere der Grenzpolizei, passierbar bleiben muss. Aus diesenGründen wird in der Planung eine Hilfsbrücke mit einemtemporären Mittelpfeiler vorgesehen. Seitlich des Bau-feldes wird eine Baustraße angeordnet, von wo aus Stich-

wege zu den einzelnen Pfeilerstandorten abzweigen. DieseBaustraße stellt eine Einschränkung der erforderlichenRetentionsflächen dar, weshalb ihre Höhe nur so hoch ge-wählt werden kann, dass sie bei größeren Hochwasser-ereignissen ebenfalls überschwemmt werden wird. Die Vor-landbrücken werden nach Einbringen der Gründung undErrichten der aufgehenden Pfeiler im Taktschiebeverfahrenvon den Widerlagern her eingeschoben.

Der Bau der Strombrücke erfolgt auf beiden Seitendes Flusses nahezu gleichzeitig. Es werden zunächst dieGründungselemente der Pylonen sowie die Fundament-sockel in Stahlbetonbauweise erstellt. Parallel zur stahl-baumäßigen Errichtung der vorgefertigten Segmente derPylonen werden die Stahlhauptträger der Seitenfelder aufHilfsstützen aufgelegt und verschweißt. Die Erstellung desMittelfeldes erfolgt im Freivorbau. Dabei werden vorgefer-tigte Stahlschüsse mittels eines Vorbaukranes vorgefah-ren, verschlossert und verschweißt. Die Stahlschüsse ha-ben dabei i. d. R. eine Länge von 10,0 m und sind symme-trisch zu dem Seilquerträger ausgebildet (s. Bild 17). Nachdem Verschweißen wird jeweils eine Seilpaarung mit demzugehörigen rückwärtigen Seilpaar eingebaut und vorge-spannt. Die Hilfsstützen werden dabei sukzessive freige-setzt und ausgebaut. Nach dem Lückenschluss in der Mit-te des Stromfeldes erfolgt die Betonage der Fahrbahnplat-te. Dabei werden Betonierabschnitte mit einer Länge von

Bild 16. Anordnung der Lager am ÜbergangspfeilerFig. 16. Arrangement of the bearings at the combination pier

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ca. 20,0 m vorgesehen. Die Betonierfolge wird in Hinblickauf eine ausgewogene Belastung des Systems optimiert.Abschließend erfolgt der Ausbau des Querschnitts.

4 Vorschriften

Die Vorbemessung der Strombrücke wurde gemäß denDIN-Fachberichten seitens des Bauherrn bestellt. Hierbeiwurden die ortsspezifischen Randbedingungen hinsichtlichTemperaturschwankungen und relativer Luftfeuchte sinn-voll angepasst. Da der gesamte Brückenzug, bestehend ausVorlandbrücken und Strombrücke, nach Fertigstellungeinem gemeinsamen Standard genügen muss, wurdenschon frühzeitig auch die entsprechenden Vorschriften desBotsuana Roads Department in die Planung mit einbezo-gen. Die Standard Specification for Road and Bridge Worksgreifen dabei überwiegend auf die Vorschriften des SouthAfrican Bureau of Standards zurück. Diese lehnen sichsehr stark an den British Standard an. Damit entsprechendie konstruktiven Vorgaben und Bemessungsanforderun-gen weitestgehend dem europäischen Sicherheitsniveau.Für die derzeit durchgeführten Ausführungsberechnungenwurden lediglich Anpassungen hinsichtlich des anzusetzen-den Verkehrslastmodells vorgenommen.

5 Ausblick und Schlussbemerkung

Nach Abschluss der Planungen ist es vorgesehen, im Zugeeines internationalen Präqualifikationsverfahrens Baukon-sortien auszuwählen, die dieser bautechnischen Herausfor-derung gewachsen sind und über ausreichend Erfahrungenim Schrägseilbrückenbau verfügen. Im Anschluss an dieVergabe der Bauleistungen wird der Bau des gesamten Brü-ckenzuges inkl. der Vorlandbrücken aus Spannbeton etwadreieinhalb Jahre benötigen. Nach ihrer Eröffnung wird dieOkavango River Bridge in Mohembo Village die ersteSchrägseilbrücke in Botsuana sein (Bild 18). Sie wird einenwesentlichen Beitrag zur Verbesserung und Entwicklungder Infrastruktur des Okavango-Deltas leisten.

An der Planung Beteiligte:Bauherr:The Government of the Republic of BotsuanaMinistry of Public Works and TransportDepartment of Roads

Generalplaner Okavango-Querung,Planung Verkehrsanlage:CPP, Botswana (Pty) Ltd., Consulting Engineers & PlannersBroadhurst, Gaborone

Vorentwurfs-, Entwurfs und Ausführungsplanung sowieAufstellen der Verdingungsunterlagen:Büro APCO, Oosthuizen, Johannesburg, South Africa(Vorlandbrücken)Ingenieurbüro Grassl GmbH, Hamburg (Strombrücke)

Baugrundgutachter:K. Schwartz Pr Eng, Consulting Geotechnical EngineerMargate 4275, South Africa

Sondergutachter Erdbeben:Professor Andrzej Kijko, Natural Hazard AssessmentConsultancy, Centurion, South AfricaTC Partridge, Partridge, Maud and Associates,Johannesburg, South Africa

Literatur

[1] Girmscheid, G.: Vordimensionierung der Haupttragwerks-proportionen von Schrägseilbrücken. Bautechnik 64 (1987),S. 313–317.

[2] Girmscheid, G.: Statische und dynamische Berechnung vonSchrägseilbrücken. Bautechnik 64 (1987), S. 340–347.

[3] Svensson, H.: Fritz Leonhardts Schrägkabelbrücken. Stahl-bau 68 (1999), S. 474–485.

[4] Walther, R.: Schrägseilbrücken. Düsseldorf: Beton VerlagGmbH, 1994.

[5] Gebert, G. et al.: Die neue Rheinbrücke Wesel – Entwurfs-planung und Ausschreibung, Stahlbau 76 (2007), S. 657–670.

Autoren dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Martin Grassl, Dipl.-Ing. Thomas Benz, Ingenieurbüro Grassl GmbH, Hohler Weg 4, 20459 Hamburg, www.grassl-ing.de

Bild 17. MontageeinheitFig. 17. Construction unit

Bild 18. Okavango Bridge (Visualisierung)Fig. 18. Okavango Bridge (visualisation)