52
1972 - 2002 Olympisches Dorf

Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

1972 - 2002Olympisches Dorf

Page 2: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege

1 Olympia - Stadion2 Mehrzweckhalle3 Schwimmhalle4 Kleine Sporthalle5 Radrennbahn6 Volleyballhalle7 Hockeyplätze

8 Trainings- und Aufwärmplätze

9 Olympisches Dorf10 Rundfunk- und

Fernsehzentrum 11 Pressestadt12 S-Bahn-Station

13 U-Bahn-Station14 Fernsehtrum15 Künstlicher See16 Freilichtbühne17 Aussichtsberg18 Parkplätze19 Olympia-Baugesellschaft

Titelbild: Eva Knevels

Page 3: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

EIG: An unsere Leser 4

Grußwort Dr.Hildegard Hamm-Brücher 5

Das Oberwiesenfeld 6/7

Planungsgeschichte des Olympischen Dorfes 8

Architekt Erwin Heinle 9

Das Olydorf als lebensweltlicher Ort 10/11

Studentenviertel Oberwiesenfeld 12/13

Die Media-Linie 14/15

Pfarrer Summerer: Wie es anfing vor 30 Jahren 16/17

Evangelische Kirche: Improvisiertes Leben 18

Evangelische Kirche: Gruß aus FrankenNicht nur Seelsorge gefragt 19

Evangelische Kirche: ... den letzten beißen die Hunde 20

Nadischule: Schüler treffen Behinderte 21

Die Straßen im Olympiadorf: Connolly, Straßberger, Nadi 22

Kindergarten Frieden Christi: Von Anfang an dabei 23

Die Straßen im Olympiadorf: Helene Mayer 24/25

Drei Jahrzehnte ODBG: Selbst ist das Dorf 26/27

Meditation: Brückenfunktionen 27

Das Olympia-Dorf 28

Der Einzug 29

Mittelpunkt unserer Welt 30/31

Kultstätte der Moderne? 32

Hier bin ich Mensch 33

Kulturverein: Vom Sportlerkino zum Kulturtreff 34/35

Interview:Ilsedore und Klaus W. Jonas 36/37

20 Jahre flexibel wohnen 38

Geglückter Selbstversuch 39

20 Jahre Kindertreff Oly 40

Mit 60 im 30ten 41

Modell einer demokratischen Bürgergesellschaft 42/43

Drei Generationen im OD 44

Studentendorf: Wenn Schlümpfe grillen 45

Unser Nachbar Timofej 46

Hallo, wir sind die Dorfsenioren30 Jahre Dorf – ein Altenheim? 47

Unsere Nachbarn / Pressestadt 49

Transrapid, Abgasfilter 50

Impressum 50

Inhalt

Page 4: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 4 Nr. 74

30 Jahre Olympisches Dorf– eine Generation Dorfleben

Einwohner-Interessen-GemeinschaftOlympisches Dorf e.V.

An unsere Leser – Mitglieder, Dorf-bewohner, ehemalige Olydörfler,Besucher, Kritiker und Freunde desOlympiadorfes ...

Bei der Beschäftigung mit dieserSonderausgabe des Dorfboten istuns wieder einmal bewusst gewor-den, unter welcher besonderenAdresse wir wohnen. Man mag zuunserem einmaligen Stadtquartierstehen, wie man will ... für uns istdas Olympia-"Dorf" inmitten desMillionendorfs München eine Hei-mat mit unverwechselbarer Identitätgeworden. Schon die "ersten Sied-ler" 1973 haben hier, umgeben vongähnender Leere und beängstigen-der Stille, ihre käuflich erworbeneParzelle mit Zuversicht und Pionier-geist bestellt und beackert. Undnach und nach füllte sich das Dorfmit Leben durch zögerlich nachzie-hende Familien, die ebenso begei-stert und tatkräftig Neuland betra-ten. Soziales Engagement, Ideenreich-tum, Fantasie einerseits und einezukunftweisende, humane Architek-tur andererseits führten zu einemWohnmodell, von dem man heute,nach 30 Jahren gelebter Praxis sagenkann: Es hat sich bewährt.So ist aus diesem Dorfboten durch-aus eine Hommage an das Olympia-dorf geworden, die zwar nicht über-sehen will, dass es auch problemati-

sche Seiten gibt, die uns mit diesemWohnkonzept auferlegt wurden -aber wie immer, wenn gefeiert wird,steht das Schöne im Vordergrund ...

Quasi einen roten Faden durch dasHeft ergeben eingestreute Beiträgeaus den Village News, die fast täg-lich während der Olympiade erschie-nen und über das Dorfgeschehenausführlich berichteten. Sie ermögli-chen dem heutigen Leser ab und zueinen schmunzelnden Blick zurück indie Atmosphäre und Stimmung zuder Zeit, als die Geschichte desOlympischen Dorfes ihren Anfangnahm.

Anliegen der EIG war und ist es, dieVerantwortung aller Bewohner – obEigentümer oder Mieter -, aberauch der Stadt München für diesesObjekt wach zu halten, damit seinebauliche Substanz und seine hoheLebensqualität erhalten bleiben. Das zusammengetragene Materialzeigt: Das Dorf hat eine besondereVergangenheit, eine lebendigeGegenwart - und seine Zukunft...?Wir Dorfbewohner haben sie selbstin der Hand!

Vorstand und Beirat

Page 5: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 5Nr. 74

„Gemeinsam gehen wir den Weg in die Bürgergesellschaft“

Dr. Hildegard Hamm-BrücherEhrenbürgerin der Landeshauptstadt München

Liebe Bewohnerinnen und Bewohner des Olympischen Dorfes,

es ist mir eine große Freude, Ihnenzum 30. Jubiläum meine herzlich-sten Glückwünsche auszusprechen,nachdem uns eine Gemeinsamkeiteng verbindet: Die Liebe zu selbst-bestimmtem Handeln und bürger-schaftlichem Gemeinsinn.

Hinter dem weltberühmten Dachdes Olympiastadions, dessen Leich-tigkeit den demokratischen Geistdes neuen Deutschlands verkörpernsollte, hat sich in einer ebenfallsungewöhnlichen Architektur eineGemeinschaft entwickelt, die einezweite wichtige Botschaft in dieWelt sendet: Demokratie, das heißtauch Mitmachen, Einmischen, dieNachbarschaft aktiv zu gestalten –und nicht den politischen Repräsen-tanten die Zügel zu überlassen. Dassind die Tugenden der Bürgergesell-schaft, für die ich als Kritikerin desvon Parteien beherrschten Staatsunverdrossen die Trommel schlage.

Sie verwalten sich zum großen Teilselber, führen die Sanierung IhresDorfes trotz widrigster Umständegemeinsam durch, trotzten erfolg-reich dem Bau eines erdrückendenFußballstadions. Mögen Sie auchweiterhin ein Vorbild sein für unse-ren gemeinsamen Weg in die Bür-gergesellschaft, in München undüberall auf der Welt!

Page 6: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 6 Nr. 74

Streiflichter aus der Geschichtedes Oberwiesenfeldes. Nach derFacharbeit „Der Strukturwandeldes Oberwiesenfeldes“ von Adelheid Hartl für die fachlichePrüfung für das Lehramt an Realschulen, München 1977.

1790 wagte sich der kurfürstlicheHofkammer- und KommerzienratDominikus von Schweiger daran, densüdlichsten Teil des öden „oberenWiesenfeldes“ zu kultivieren. Er leg-te am heutigen Maßmannsbergl, da-mals eine Viertelstunde vor derStadt, an der Grenze des Burg-friedens, ein Ökonomiegut an, mitPferde- und Kuhstall, Treibhaus,1500 Obstbäumen, Feld- und Wie-sengründen usw ... Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ...wurden 77 Tagwerk des „oberenWiesenfeldes“ nördlich des Gutes alsExerzierplatz angekauft, aber ..schon bald um 35 3/8 Tagwerk nachNorden erweitert... Ein die ganze Stadt erschütterndesEreignis geschah 1835. Der Ober-kanonier Stanislaus Schmitt (DieSchreibweise des Namens ist nicht

einheitlich.), Sohn eines Lehrers ausObergünzburg, jagte sich mit demPulverturm in die Luft. Wie aus sei-nem Abschiedsbrief hervorgeht, ver-übte er diese Wahnsinnstat ausÄrger über die unwürdige Be-handlung von seiten der Unter-offiziere. Es waren neun Menschen-leben zu beklagen, und der Sach-schaden wurde auf insgesamt ca.125 000 Gulden geschätzt. Dieungeheure Druckwelle der Explosionzerstörte sämtliche Fensterscheibenin München, und sogar in Passaukonnte man die Explosion noch ver-nehmen. Eine seltsame Fügung rette-te dabei Hunderten das Leben. Denneigentlich war für den Nachmittagder Explosion eine Besichtigung desPulvermagazins mit dem gesamtenKadettenkorps, den Pagen der kö-niglichen Pagerie und dem Lehr-körper vorgesehen, die aber wegenSchwindelanfällen eines Majors ab-gesagt wurde. Das Laboratoriumwurde später wieder aufgebaut, dasPulvermagazin aber bei Milberts-hofen errichtet... ... in den achtziger Jahren (des 19.Jahrhunderts) überschritt das militäri-sche Gelände den Kanal und reichtebis in das Milbertshofener Feld undin das Riesenfeld. Jetzt war Platz ge-schaffen, so daß am Ende des letzten

und zu Beginn dieses Jahrhundertsdie Militärbauten auf dem Oberwie-senfeld wie Pilze aus dem Bodenschießen konnten... (Es) sei nochkurz darauf hingewiesen, daß aufdem Oberwiesenfeld auch vieleglanzvolle Paraden stattfanden... Eine neue Entwicklung wurde seitder Jahrhundertwende angezeigtdurch den Bau von Arbeiterwoh-nungen für Beschäftigte der Artil-leriewerkstätten. Das Oberwiesen-feld bekam nun also auch eineWohnfunktion. Ein „Verein für Ver-besserung der Wohnungsverhält-nisse“ wurde gegründet... Auch an das Münchner Straßen-bahnnetz wurde das vorwiegendmilitärische Gelände nach und nachangeschlossen. Die erste Linie 1904führte durch die SchleißheimerStraße, und einige Jahre danachkonnte man mit der Straßenbahnauch den Leonrodplatz erreichen... Um die Jahrhundertwende gewinntein neuer Bereich der Technik anBedeutung, nämlich die Luftfahrt.Auch auf dem Oberwiesenfeld wirdAnteil an ihrer Entwicklung genom-men; so entsteht an der Ecke Heß-/Leonrodstraße die Luftschifferab-teilung mit Ballonhalle... Ein großesEreignis für den Exerzierplatz Ober-wiesenfeld war die Landung des Zep-pelin-Luftschiffs „Z 1“ mit dem Gra-fen Zeppelin an Bord am 1. April1909. Der Prinzregent Luitpold undeine ungeheure Menschenmengebegrüßten das Luftschiff... 1910 wurden die Otto-Werke amRande des Oberwiesenfeldes an derheutigen Lerchenauer Straße ge-gründet. In diese Hallen zogen etwasspäter die Bayerischen Motorenwer-ke ein, die damals noch Flugzeugeherstellten ... Häufig wurden aufdem Oberwiesenfeld Flugtage ver-anstaltet... Während des 1. Weltkrieges wurdedas Oberwiesenfeld als Militärflug-platz und Werksflugplatz der Otto-Werke genutzt. Danach wurde eszum 1. Verkehrsflughafen Mün-chens. 1925 planierte man an derMoosacher Straße die erste Lande-bahn. Das Flughafengebäude wurde1931 fertiggestellt... Doch bald zeigtDie Großbaustelle Olympiapark 1971 – hier Stadion

Ein geschichtsträchtiges Gelände

Das Oberwiesenfeld

Page 7: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

sich schon, daß die Kapazitäten desFlughafens nicht mit einem zu vertre-tenden Aufwand zu erweitern sind.So wird 1936/37 beschlossen, denVerkehrsflughafen nach Riem zu ver-legen. 1939 ist es dann soweit: DerVerkehrsflughafen Oberwiesenfeldschließt seine Pforten. In der folgen-den Zeit dient das Oberwiesenfeldnoch als Militärflughafen und späterals Sportflughafen. 1938 findet aufdem Oberwiesenfeld ... das TreffenHitlers mit Mussolini (statt) ... Nach 1945 diente dann das Ober-wiesenfeld den amerikanischen Sol-daten als Übungsplatz und als Ab-ladeplatz für Abfall aller Art. Augen-zeugen berichteten mir, daß dieAmerikaner ganze Waggons Ba-nanen und Kaffee dort abgeladenund zum Teil vergraben haben. DieMünchner, für die damals dieLebensmittel sehr knapp waren, hol-ten sich diese Waren, wobei esmanchmal zu unschönen Zusam-menstößen kam ...Schon kurz nach dem Kriege ent-standen Kleingartenanlagen, auf de-nen Münchner auf 280 - 300 qmGrund für einen Pachtzins von RM15.- pro Jahr Obst und Gemüse mitbeachtlichen Erträgen erzeugten ... In den Nachkriegsjahren ... schien dasOberwiesenfeld ... eine unbeachtete

Oase für die Stadtentwicklung zusein ... Dem war aber nicht ganz so.Die Gründe für dieses Nichtbeachtenlagen vielmehr in den unterschiedli-chen Interessen der drei Eigentümeram Oberwiesenfeld, des Bundes, derStadt und des Landes, die lange Zeitnicht auf einen gemeinsamen Nen-ner gebracht werden konnten ... DieStadt wünschte sich das Oberwie-senfeld als einen riesigen Erholungs-park mit einem Großstadion ... Aber... für den Bund (war) die erneute

verstärkte Nutzung des Oberwiesen-feldes als militärisches Gelände inte-ressant ... Das Bayerische Staatsmini-sterium für Unterricht und Kultuswollte Hochschulinstitute, Stu-dentenwohnheime und eine Sport-akademie errichten ... Der Bau des Fernsehturms, mit demman 1965 begann, leitete dann dieneue Entwicklung auf dem Oberwie-senfeld ein. Die Heimgärtner im Nor-den des Schuttberges mußten unterheftigem Protest das Feld räumen ...

Briefmarkenblatt von 1972

Hier wird Natur gebaut

Vier Kilometer vom Stadtzentrum Münchensentfernt entstehen die Bauten für die Spieleder XX. Olympiade. Auf einem 3 qkm großenGelände im Norden der Stadt werden die bau-lichen Voraussetzungen für „Olympia der kur-zen Wege“, „Olympia im Grünen, für heitereund beschwingte Spiele“ geschaffen.Nach der Konzeption von Prof. Günter Beh-nisch (Stuttgart) und seiner Partner, die als Sie-ger aus dem 1967 veranstalteten Architekten-Wettbewerb hervorgingen, entsteht eine an-mutige olympische Landschaft, in die dieSportbauten eingebettet werden. Die Architektur der Hochbauten paßt sich derreizvollen, abwechslungsreichen olympischenLandschaft an, die 1972 die Besucher mit

Hügeln und Dämmen, einem See und Alleenempfangen wird. Die Olympia-Planer wider-standen der Gefahr des Gigantismus. Menschli-che Maßstäbe, wie sie bei der Gestaltung derSpiele gelten sollen, kennzeichnen auch dieArchitektur der olympischen Bauten. 1966 vergab das Internationale OlympischeKomitee die Spiele der XX. Olympiade nachMünchen. 1968 begannen die Vorarbeiten aufdem Oberwiesenfeld. Mitte 1969 wurde mit demBau von Stadion, Sporthalle und Schwimmhalleangefangen. Im Sommer 1970 standen die Roh-bauten, am 23.7.1970 wurde das Richtfest gefei-ert. Im Winter 1971/72 waren die Hauptarbeitenabgeschlossen ... 1,35 Milliarden Mark werdendie Olympia-Investitionen in München kosten ... Die Erfüllung des zweiten Versprechens - Spie-le im Grünen - stellte die Olympia-Planer und -

Bauer vor eine ebenso reizvolle wie schwierigeAufgabe. Den Architekten bot sich mit demOberwiesenfeld eine reizlose, vollkommenebene Schotterfläche mit einer indifferenten,vorwiegend industriell genutzten Randbe-bauung. Zum ersten Male wurden hier dieMöglichkeiten des modernen Tiefbaues einge-setzt, um eine größere Fläche in ihrem Land-schaftscharakter völlig zu verändern. Auseinem Gelände, das einen Sportflugplatz, Aus-stellungsfläche für die Bauma, Schrebergärtenund Gerümpeläcker beherbergte, wuchs undwächst eine vielgegliederte Landschaft, wurdewertvolles Baugelände, das ebenso wie derhier entstehende größte Sportpark der Bundes-republik zu einer erheblichen Aufwertung desMünchner Nordens führen wird ...

Olympia-Pressestelle 1972

Nr. 74 Seite 7

Page 8: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 8 Nr. 74

„Man kann sich etwas besseres vor-stellen – gebaut worden ist es indes-sen bisher noch nicht“, so lautet 1980das treffende Resümee des Architek-turkritikers Manfred Sack über dasOlympiadorf. Eine gewisse Ambiva-lenz zieht sich durch alle Urteile, obpositive oder negative Kritik: Dieeinen sehen unmenschlich aufge-türmte Betonmassen, die anderen eingrünes Idyll, in dem die Extreme Groß-stadt und Kleinstadt, Rigidität undNatur zu einem einzigartigen Stadt-viertel verschmelzen ....Um für eine Wohnsiedlung, die spä-ter von 10.000 Menschen bewohntwird, in kurzer Zeit die beste Lösungzu finden, wird der Entwurfsprozessdurch ein sogenanntes „Opti-mierungsverfahren“, eine aus derRaumfahrttechnik entliehene Metho-de zur abgestuften Alterna-tivenbildung, gelenkt ... Es werden57 Vorstudien entwickelt. Begleitetvon Fachberatern, die Beurteilungs-kriterien zu Tageslicht, Hygiene,Schallschutz, Ökologie, Wirtschaft-lichkeit, Grünraum, Verkehr, Sozio-logie und Baurecht erstellen, wird imWechsel von Expertenbeurteilungund Überarbeitung in fünf Stufendas Konzept der heutigen Bebauunggefunden. Für die letzte Beur-

teilungsrunde zogman unter anderenauch Georges Can-dillis, Jacob BerendBakema und AarneErvi als Experten hin-zu ... Änderungendes Raumprogrammsführen zur Ver-schleppung desPlanungsprozesses:Das IOC benötigtstatt der ursprüng-lichen 8000 Quar-tiere im Laufe derPlanung 12.500 Quartiere bei gleich-bleibender zur Verfügung stehenderFläche; ... daraus folgende Verzöge-rungen kosten Zeit, die später bei derBauausführung fehlt. Aus heutigerSicht der Architekten war das Kon-zept des Olympiadorfes ... ohnehinnur durch den enormen Zeitdruckund – nicht zu vergessen – die olym-pische Euphorie realisierbar ...In Abstimmung mit den ArchitektenBehnisch & Partner und GüntherGrzimek wird für das OD einebewusst strenge und geometrischeGestaltung als Gegensatz zur orga-nischen Modellierung des Olympia-parks gewählt. Dies gilt sowohl fürdie Grünräume als auch für dieArchitektur. Trotz Integration in dasGesamtkonzept soll das OlympischeDorf einen ablesbar eigenen Bereichbilden. Die Härte des Baukasten-prinzips aus Beton kontrastieren die

Das Olympische Dorf

Kurzform derPlanungsgeschichte

Architekten durch kleingegliederte,farbig gestaltete Fußgängerräumeund die intensive Bepflanzung derTerrassenhäuser....Die Relevanz des Olympiadorfes be-schreibt G.Marano, Landeskonser-vator im Bayer. Landesamt für Denk-malpflege, der sich während einerInformationsveranstaltung im Olympiadorf 1998 folgendermaßenäußerte: „Heute wäre die Idee unddas Risiko, ein ganzes Stadtviertelnach einem theoretischen Modell zuplanen, solche Konstruktionen wiedie Zeltdächer zu schaffen, in derGesellschaft nicht mehr durchsetz-bar. Angesichts vieler Großsied-lungen andernorts, die inzwischendarniederliegen, hat sich allein dasOlympiadorf bis heute erhalten –einzig funktionierend in ganz Europa!“

Dipl.Ing. Barbara Wohn (2002)

Das Olympische Dorf

Für mehr als zwei Wochen werden 12.000 Ath-leten und Betreuer im Olympischen Dorf imNordost-Bereich des Oberwiesenfeldes ihreHeimat finden. Nach den Spielen wird Mün-chen hier seine modernste Wohnsiedlunghaben. Die rund 3.000 Wohnungen des Män-nerdorfes und die 1.800 Appartments desFrauendorfes werden nicht von den Organi-satoren der Olympischen Spiele, sondern vonprivaten Bauträgern und vom Studentenwerkerrichtet. Für die Zeit der Spiele mietet dasOrganisationskomitee diese Wohnungen, in

denen rund 8.000 Sportler, 1.800 Sportlerinnenund etwa 2.000 Betreuer untergebracht wer-den können. Nach den Plänen der ArchitektenProf. Heinle & Wischer & Partner sowie Eckert& Wirsing werden die Bauten der OlympischenDörfer errichtet. Beim Männerdorf handelt essich (vorwiegend) um Drive-in-Terrassenhäuser,die bis zu 14 Stockwerken hoch werden, beimFrauendorf um ein 18 Stockwerke hohes Hoch-haus und um 800 zweigeschossige Bungalows.Der Entwurf zum Olympischen Dorf ist dasErgebnis einer mehrstufigen Optimierung, die– gemessen am Umfang und an der Viel-schichtigkeit des Objekts – erstmals in dieser

Größenordnung in der Architektur angewen-det wurde. Herausragende Merkmale dieses modernenWohnungsbaues sind einmal die hängendenTerrassen, die den Bewohnern ein Höchstmaßan Himmel und Sonne bieten sollen, sowie diestrikte Trennung von Fußgänger- und Fahrver-kehr. Die Fahrstraßen verlaufen unter den Häu-sern, wo die Bewohner auch die Abstellplätzefür ihre Autos vorfinden. Bepflanzte Erdwälleschirmen die Wohnbauten gegenüber demVerkehrslärm der am Olympischen Dorf vorbei-führenden Straßen ab.

Olympia-Pressestelle 1972

Postkarte von 1972

Page 9: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 9Nr. 74

Dass das vielzitierte einmalige „sozia-le“ Konzept unseres 1972 entstan-denen Olympiadorfes sich in 30 Jah-ren auch in der Praxis bewährte undnoch heute Gültigkeitbesitzt, steht uns Bewoh-nern Tag für Tag vor Augen.Das beweist, wie voraus-schauend und zu-kunftweisend die damali-gen Planer ihr Konzept umsetzten – nicht zuletztmittels eines erstmals ange-wandten „Optimierungs-verfahrens“.Eine gleichermaßen inspi-rierende als auch entschei-dende Rolle spielte bei die-sem Vorgehen – sozusagenals ‘spiritus rector’ der Ge-staltungsvorgabe – der Architekt Prof. Erwin Hein-le. Um die Leistung diesesMannes für unser Dorf, dasFormat und den Hinter-grund seiner Persönlichkeitauch nur annäherungswei-se würdigen zu können –nicht zuletzt anlässlich seines Todesim Januar dieses Jahres – suchten wirim Namen der EIG den persönlichenKontakt zu seiner Tochter, FrauGudrun Neumeister. Im Gespräch verwies Frau N. als auf-fällige Charakteristika ihres Vaters auf„seine Aufgeschlossenheit und Be-geisterungsfähigkeit“, aber auch aufseine „unvoreingenommene, men-schenfreundliche Art des Umgangsmiteinander“. Insbesondere sei seineLiebe zur Architektur gepaart gewe-sen mit einem „weitgespannten,komplexen Denken“, das seine „sozi-al-philosophischen Grundlagen“ ver-eint habe mit den „ästhetisch-funk-tionalen Prinzipien des modernenInternationalen Baustils“. Ein speziel-les Anliegen ihres Vaters bei derGestaltung des Olympiadorfes seigewesen, trotz aller begrenzendenäußeren Vorgaben – des engen Rau-mes, der finanziellen Be-

schränkungen etc. – doch „Neuland“zu schaffen und trotz der Vielzahl derWohnungen noch das Gefühl „dereigenen Scholle, wenn auch auf eng-stem Raum“ zu ermöglichen.Sie verwies aber auch auf den„Glücksfall der von einer Aufbruch-stimmung getragenen speziellen Si-tuation damals, die es ermöglichte,verschiedene Einflussfaktoren zubündeln und interdisziplinäresDenken fruchtbar umzusetzen“. Wir können abschließend nur fest-stellen, dass das Konzept aufgegan-

gen zu sein scheint. Aber mit ihm gabuns Prof. Heinle – „der immer wiedergerne ins Olympiadorf kam“ – dieVerpflichtung auf, dieses von ihm ge-schaffene Lebens- und Wohnmodellnicht nur zu genießen oder einigeSchwächen zu kritisieren, sondernauch wirklich weiterhin am Leben zuerhalten für die Nachfolgegeneration,immer wieder mit dem Geist und denBedürfnissen der Menschen zu erfri-schen - ähnlich seinem einstigen „spi-ritus rector“.

R.W./Ch.E.

Erinnerungen

1967 im Herbst und 1968 im Frühjahr arbei-tete ich als Student der Technischen Hoch-schule am Olympischen Dorf München. Stu-denten wurden in außergewöhnlichen Be-lastungsphasen gesucht, um manuelle,weisungsbedingte Arbeiten durchzuführen.

1967 war es das Aufzeichnen der Grund-risstypen zum Vorentwurf, 1968 wurde das Modell der Gesamtanlage im MaßstabM = 1:100 gebaut.Erwin Heinle sahen wir, d.h. insgesamt ca.120-150 Mitarbeiter, bei wöchentlichenRundgängen und immer kurz vor offiziellenPräsentationen. Er war freundlich, sprach

jeden kurz an: „Wie geht’s, viel Druck? ...etc.“ Wir, die Studenten, die er nicht kann-te, sahen ihn als Respektsperson, als Chef,immer gut gekleidet, braun gebrannt undtatendurstig.Später wurden die Planungsmethoden desOlympischen Dorfes unter dem Begriff„Optimierungsverfahren“ veröffentlichtund Heinle, Wischer und Partner, Freie Archi-tekten wurde international bekannt - nichtnur wegen der guten Architektur, sondernauch wegen der wissenschaftlichen An-sätze, unterstützt durch ein Team namhafterExperten.Für Erwin Heinle hieß „Planen ist Denken inAlternativen“. Die einzelnen Aspekte wur-den in einem „morphologischen Kasten“verflochten, bewertet und gewichtet.Dadurch sollte der Planungsprozess transpa-rent gestaltet werden und subjektive, viel-leicht auch emotionale, ja sogar politischeKriterien als dominierende Entscheidungs-faktoren nivelliert werden. Der „gordischeKnoten“ von komplexen Zusammenhängenwurde durch Erwin Heinle entflochten unddann neu, nachvollziehbar gebunden.Nach der Olympiade 1972 begann ich imBüro Heinle, Wischer und Partner, FreieArchitekten zu arbeiten. Erwin Heinle wur-de zuerst mein Chef, dann mein Partner undspäter auch mein Freund. Seine Systematik,die auf klarem Denken und einem aufrichti-gen Charakter beruhte, prägte meine Arbei-ten und mein Leben. Die Logik desOptimierungsverfahrens kann man auchauf die Probleme des Lebens gleichermaßenanwenden. Dafür bin ich ihm dankbar undwerde ihn nie vergessen.

Prof., Dipl.Ing., Christian Pieter Rassaerts

Prof. Erwin Heinle †

Foto

:priv

at

Architekt Erwin Heinle

Spiritus Rectordes Olympiadorfes

Page 10: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 10 Nr. 74

Nicht die Steine, sondern die Men-schen sind es, welche die urbs zurcivitas machen, welche die Stadt zueinem Ort der sozialen Beziehungen,des Austausches, der Kommuni-kation werden lassen. Aber es sinddie Steine, auch und gerade in ihrerarchitektonischen Gestalt, welchedie Möglichkeiten und Begren-zungen der sozialen Ausgestaltungder urbs zur civitas wesentlich beein-flussen. Damit steht Architektur ineinem besonderen Wechselbezug zudem, was Leben in der Stadt bzw. ineinem Stadtviertel ausmacht, also zuder sozialen Ordnung eines Raumes,seinen symbolischen Bedeutungen,die er für seine Bewohner hat, undseinen kommunikativen Qualitäten,die soziale Beziehungen zwischenihnen befördern oder behindernkönnen.Über das Olympische Dorf wurde inden letzten 30 Jahren viel geredetund geschrieben. Das meiste von

dem, was in der „nacholympischen“Vergangenheit bis hin zur jüngstenStadion-Debatte die Schlagzeilen inden Medien bestimmte, zielte aufProbleme der architektonisch-bauli-chen Gestaltung, bezog sich also imweitesten Sinne auf die Steine,wenig davon auf das soziale Leben.Dies erstaunt um so mehr, als insbe-sondere das Olydorf als ein bemer-kenswert gut funktionierendes unddamit eher seltenes Modell-Ex-periment einer außerordentlichenWohnraum-Ballung gesehen werdenkann. So findet sich hier eben nichtdie mit extrem hoher Einwohner-dichte oft einhergehende massiveHäufung nur allzu bekannter sozialerProbleme großstädtischer Wohn-Silos. Dies mag auf ein integrativ wirkendes Sozialgefüge auf derGrundlage einer ausgeglichenen So-zialstruktur und einer gut ausgestat-teten „dörflichen“ Infrastruktur zu-rückzuführen sein, die insbesondere

auch Kindern, Alten und Behin-derten eine Lebensqualität bietet,mit der andere Stadtviertel kaumkonkurrieren können. Eine wesentli-che Voraussetzung hierfür könnteaber auch darin liegen, daß das Oly-dorf dem entgegen steht, was Sozio-logen mit dem Konzept des „Nicht-Ortes“ (Marc Augé) zu erfassen ver-suchen: Der ‘Nicht-Ort’ ist ein Ort,der für die sich dort befindlichen,womöglich gar wohnenden Men-schen keine eigene „Identität“besitzt, der von ihnen nur in seinerFunktion – z.B. als anonyme „Schlaf-stadt“ – wahrgenommen wird. OhneBezug zu seiner Umgebung undohne eigene Geschichte könnte derNicht-Ort – wie z.B. die Traban-tensiedlung – hier wie dort existie-ren. Und vor allem hindert er dieMenschen daran, einen sinnhaftenBezug zwischen dem Innen ihrerLebenswelt und dem umgebendenAußen herzustellen.Das Olydorf ist im Vergleich zu die-sem Konzept des „Nicht-Ortes“offenbar das genaue Gegenteil – alsoein „Ort“ mit einer ganz eigenen,historisch gewachsenen (und in man-cher Hinsicht recht symbolträchtigen)Identität. Es ist eingebettet in dieStadt, mit einem deutlichen „Innen-Außen“-Bezug, der eine Grenze mar-kiert, ohne trennend zu wirken. Undes ist vor allem mehr als nur dörfli-ches Dorf, weil es aus einer Vielfaltvon je typischen eigenen Lebens-welten seiner Bewohner besteht: fürdie einen geruhsamer Alterswohnsitzmit viel Grün und kurzen Wegen zuÄrzten, Apotheken und Läden; fürdie anderen der Ort ihrer eigenenKindheit, den sie als ideal für dasGroßwerden der eigenen Kinder er-achten; für wieder andere ein Raum,der ihnen als Behinderte eigen-ständige „Raumerfahrungen“ auchaußerhalb der eigenen Wohnung zu-mindest nicht unnötig erschwertu.a.m. – Derartige lebensweltlicheAneignungen der jeweiligen Umweltund ihre Verwandlung in ein Stücksubjektive „Heimat“ lassen sich beinäherem Hinsehen sicher vielfachund an vielen Orten beobachten. DasSpezifische am Olydorf mag aber

Zum Verhältnis von Steinen und Menschen

Das Olydorf als lebensweltlicher Ort

„Olympische Landschaft“ 1980 – aus „Versteinerungen“ von Norbert Steiner

Page 11: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 11Nr. 74

wohl gerade darin liegen, daß es als„Dorf in der Stadt“, als „urbanesDorf“ solche Vielfalt zuläßt, vielleichtsogar befördert, und dennoch odergerade deshalb Integration anbietet,ohne sie zu erzwingen.Ein solches Integrationsangebot,das – sofern angenommen – ausden in einem Viertel lebenden Men-

schen erst „Bewohner“macht, braucht eine räum-lich-symbolische Ordnung,die „eigen-sinnige“, d.hden eigenen Lebensbe-dürfnissen entsprechendeAktivitäten zuläßt, die Plät-ze für flexible Verge-meinschaftungen mit ge-meinsam geteilten Bedeu-tungen bereithält. Damites freilich tatsächlich zuBegegnungen kommenkann, dürfen solche Räu-me und Plätze weder ei-nem ausgrenzenden Zugangsreglement unter-liegen noch für ausschließ-lich einen einzigen Zweckdefiniert sein, sondern siemüssen in jeder Hinsicht

„offen“ gehalten werden. Mit z.B.dem Forum 1 und 2, dem Nadi-See,dem „Rollschuh-Platz“, dem Kir-chenzentrum, aber auch den Brun-nen, Sandkästen, Sitzgelegenheitenbietet das Olydorf eine Vielfalt sol-cher potentieller Vergemeinschaf-tungs-Orte. Auch und gerade dieseräumliche Ausstattung ermöglicht

es den dort lebenden Menschen,aus den „aufgehäuften Steinen“keinen Nicht-Ort werden zu lassen,sondern daraus ihre lebensweltli-chen Orte zu gestalten. Und dabeiist es vor allem diese von den Menschen wahrgenommene eigeneGestaltungsmöglichkeit, welcheschließlich die Differenz markiert zusogenannten Problemvierteln mitihren unattraktiven Wohn-Silos undihren sozialen Brennpunkten vor derHaustür.Vor diesem Hintergrund ist dem Oly-dorf für seine Zukunft mindestenszweierlei zu wünschen: zum einendie Bewahrung und Fortentwicklungseiner spezifischen Identität, undzwar gerade auch mit Blick auf seineVergemeinschaftungsräume und -plätze; zum anderen ein Denken,Sprechen, Schreiben und vor allemHandeln, welches bei „Dorfbe-langen“ nicht die urbs, sondern diecivitas ins Zentrum rückt, welchesnicht bei „den Steinen“, sondern beiden konkreten lebensweltlichen Be-langen der Menschen seinen Aus-gangspunkt nimmt.

PD Dr. Werner Schneider,Soziologe, S 36

Die drahtige Sex-Bremse

Sie ist schon ein Ärgernis, diese mannshohedrahtige Gouvernante, die als Relikt vergange-ner Zeiten auch im Jahre 1972 erstaunlich mun-ter das Olympische Dorf durchläuft und Wacheschiebt. Gemäß ihres Dauerauftrages nämlichhält sie seit der Gründung des ersten Olympi-schen Dorfes 1932 in Los Angeles die olympi-schen Männer in Schach und die Damen „sauber“. Daß sie dabei gelegentlich das Schicksal ande-rer Gouvernanten teilt, liegt freilich in derNatur der Sache, denn wie jene altjüngferli-chen Wächterinnen unserer Großmütter wirdauch sie nicht selten überlistet, wenn nicht garschachmatt gesetzt.In München freilich wollte man sie zunächstüberhaupt nicht haben. Die Presse verspottetesie als konservative alte Tante und forderte:„Der Zaun muß weg!“Und das nach 40 Jahren treuer Dienste!Doch allem Gezeter zum Trotz behielt sie dank

der mächtigen Bestimmungen des ehrwürdi-gen IOC ihren Posten und fühlte sich gar rechtzufrieden ...... Was aber sagen die Sportlerinnen zu ihrerGouvernante von Amts wegen? Sie sollten be-geistert sein! Schließlich gibt es das nur bei den

Olympischen Spielen, daß einmal die Männerum ihre Gleichberechtigung kämpfen müssen:sie nämlich haben keinen Anspruch auf eineIOC-eigene Gouvernante ...

Village News - 29.8.1972

Liebe Freunde,in wenigen Tagen beginnen an 31 Sportstättenin 196 Disziplinen die Wettkämpfe der XX.Olympischen Spiele. München, die heimlicheHauptstadt der Bundesrepublik Deutschland,hat die Jugend der Welt zu Gast. Aus 123 Na-tionen wurden die besten Athleten geschickt.Wir freuen uns, daß Sie gekommen sind undmöchten alle herzlich begrüßen. Bei allemsportlichen Leistungsstreben soll die menschli-che Begegnung nicht zu kurz kommen. Imolympischen Dorf - es ist von der Größe her jaeigentlich eine kleine Stadt - werden sichbereits bestehende Freundschaften festigenund zahlreiche neue entstehen.

Village News - 17.8.1972

Page 12: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 12 Nr. 74

Bei der Entstehung des Studen-tenviertels spielten zwei Faktoren eine besondere Rolle:Einmal hatte es 1972 als Olympisches Dorf der Frauen zudienen, zum andern fiel seineRealisation in eine Phase desradikalen Umdenkens über studentische Wohnformen.

Das Programm basierte zunächst aufdem Wohngruppen-Prinzip, dasnach dem Krieg die staatlichen För-derungsrichtlinien bestimmte. Wäh-rend der Planungszeit, die schon1960 begann, kam es jedoch durchdie Betroffenen, die Student/en/in-nen - kulminierend in den Jahren1967/68 - zu einer immer heftigervorgetragenen Ablehnung der„Wohngruppe“ als eines möglichenInstruments dirigistischer Gemein-schaftsideologie und zur Forderungnach individueller Unabhängigkeit in

Form des autarken Apartments miteigener Sanitärzelle und Kochge-legenheit.Staat und Studentenwerk gingendarauf ein, und es entstanden einHochhaus mit 801 Apartments undein Gemeinschaftszentrum (ArchitektGünther Eckert), Stufenbauten mit100 Zweierapartments für verheira-tete Student/en/innen und Personal-wohnungen sowie Flachbauten, eineteppichartige Struktur von 800 Mini-Reihenhäuschen (Architekt WernerWirsing).Bei letzteren musste es darumgehen, der Massenhaftigkeit dergroßen Zahl gleicher Elemente durchabwechslungsreiche Gliederung zubegegnen. Zur eigenen Haustür ge-langt man über kleinmaßstäblich di-mensionierte Plätze und Gassen. Eindichtes Zusammenrücken und damitauch eine ökonomische Bo-dennutzung wurden möglich durch

Das Unterdorf am Oberdorf

Studentenviertel Oberwiesenfeld

Studentisches Wohnen im „Unterdorf“

Page 13: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 13Nr. 74

eine vertikale innere räumliche Ord-nung mit Galerie, Dachterrasse undHauptbelichtung von oben. Bei der häufigen Wiederholung eineseinzigen Typs konnte die Herstellungwirkungsvoll rationalisiert und teilin-dustrialisiert werden. Die reinen Bau-kosten/Haus betrugen DM 12.000 =ca DM 165/cbm umbauten Raums,womit die damaligen Baukosten-Indexzahlen ganz erheblich unter-schritten wurden.Allerdings muss dazu gesagt werden,dass die Bauausführung unter bau-physikalischen und energetischenApekten zwar den seinerzeit gültigenRegeln entsprach, aber inzwischengewonnenen Erkenntnissen und daraus abgeleiteten heftigen Forde-rungen nicht mehr genügt. DasStudentenwerk plant deshalb ent-sprechende Modernisierungs-maßnahmen, die angesichts desempfindlichen Mangels an ge-eigneten Wohnungen für Stu-

dent/en/innen in unserer Stadt auchmit maßvollen Verdichtungen kom-biniert werden sollen. Die bauliche Struktur bietet Indivi-dualität an nicht nur durch „Daseigene Haus“, sondern auch durchSpielräume für Selbstgestalten, wiez.B. die Verteilung der Wohnflächeauf zwei Ebenen mit dem Element„Treppe“ im Inneren der Wohn-würfel. Außen gibt es den Spielraumfür Begrünen - Topfpflanzen auf denDachterrassen und erstaunlich viel-fältige Vegetation auf Streifen natür-lichen Bodens an den Häusern ent-lang. Ein weiteres Feld ist das derFassadenmalereien, die auf dreierleiWeise in Gang kamen: Zunächstdurch einen vom Studentenwerk ver-anstalteten Wettbewerb, durchAktionen von Kunststudent/en/in-nen-Gruppen und natürlich vor allemdurch Eigeninitiativen der Be-wohner/innen.Die Erfahrung über nun mehr als drei

Jahrzehnte zeigt, dass die Spielräumefür sehr persönliches Artikulieren imUmgang mit der temporären Be-hausung intensiv genutzt werden:Teils sensibel sorgfältig, teils ruppigunbekümmert, teils original ideen-reich, teils anspruchslos imitativ - aufjeden Fall mit einer verblüffendenVielfalt von Erscheinungsformen.Herauskommt ein abwechslungsrei-ches, in steter Veränderung befindli-ches Ambiente, das allgemein alsunverwechselbar im Sinne Stu-dentischen Wohnens gilt. Bemerkenswert ist vielleicht noch,dass in diesem Quartier viel Kom-munikation unter den Bewoh-ner/n/innen stattfindet, was - beson-ders in der warmen Jahreszeit - aufden Plätzen und in den Gassen auchdeutlich sichtbar wird. Das magheißen, dass konsequent individuali-siertes Wohnen nicht Isolationbedeuten muss.

Text und Bild: Werner Wirsing, Juni 2002

Studenten-Reihenhaus im Urzustand ... und im N. Y. Look

Page 14: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 14 Nr. 74

Das Media-Linien-System ist einVersuch, öffentliche Bereiche inFreiräumen zu aktivieren, d.h.Bereiche des täglichen Lebensdurch Einsatz verschiedensterMedien aufzuwerten, als auchdie in unseren Klimabereichenzeitlich begrenzte Nutzung vonFreiräumen zu verlängern undangenehmer zu gestalten, wobeidie Nutzer die jeweilige Situationselbst veranlassen können. In der Denkmalliste (2001) wer-den die „farbigen Rohrbahnen“als „raumbestimmend“gewürdigt. Der Brunnen aus Carrara-Marmor auf dem Forum 1wurde ebenfalls von HansHollein gestaltet.

„Im Frühling 1971 organisierte dieODMG einen internationalen einge-ladenen Wettbewerb zur Belebungund künstlerischen Gestaltung desForums im Olympischen Dorf inMünchen. Das Ergebnis des Wett-bewerbs wurde im Dezember 1971bekanntgegeben: Mit dem 1. Preiswurde Hans Hollein aus Wien ausge-zeichnet. Sein Projekt schlug einSystem vor, das über die Forums-bereiche hinaus erweitert werdenkonnte, und da kein weiterer Wett-bewerb für andere öffentliche Berei-che des Olympischen Dorfes ein kla-res Gegenargument liefern würde,empfahl das Preisgericht, den Vor-schlag Holleins auf das gesamte Dorfauszudehnen, „da diese Arbeit alssehr überzeugend angesehen wür-de“. Der Bauherr folgte dieser Emp-fehlung und beauftragte Hollein mitder Ausführung des erweiterten Pro-

jektes – insbesondere, da das vorge-schlagene System zusätzlich die Pro-bleme der Beleuchtung, der Orientie-rung und der Information löste. Das Kunstwerk ist hier nicht alsEinzelobjekt aufgefasst, sondern alsBestandteil eines integrierten Sys-tems ... so genannter ‘Medialinien’.Durch verschiedene Bereiche desDorfes laufen diese Linien als einzel-ne Pfade, die in den zentralen Kom-munikationsbereichen wie Forumund Markt* zusammengeführt undverdichtet werden. Damit sind Signalwirkung undOrientierungsmöglichkeit ebensogewährleistet wie die Versorgung mitden erforderlichen Medien**, ... „

* gemeint war der Bereich zwischen Kirche

und Helene-Mayer-Ring 14.

** für den öffentlichen Raum

(nicht etwa für die Haustechnik der WEGs!)

Leuchtende Medialinien auf dem Forum 1 und in der Connollystraße, mit aufgespannten Markisen

Farbige Rohrbahnen

Die Media-Linie von Hans Hollein

Page 15: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 15Nr. 74

Medien– was ist damit eigentlich gemeint?Dazu hier eine interpretierende Legende derisometrischen Zeichnung:

projection

Aufhängungsmöglichkeit für Dia- oder Film-leinwände und Projektoren; Steckdosen dafürsind in regelmäßigen Abständen (alle 2m) vor-handen. An einer parallelen Medialinie häng-ende Paneele oder Rollos haben dabei alsLeinwand gedient.

sound

Der Ton dazu kam aus speziell gestaltetenLautsprechern, die ebenfalls alle 2 m ange-schlossen werden konnten und während derOlympiade auch für Durchsagen an die Sport-ler dienten.

cool air jets

waren 1972 - vor der Energiekrise und derEinführung ökologischen Gedankengutes - zurBequemlichkeit der Besucher von Veranstal-tungen im Amphitheater vorgeseheneKaltluftschleier. Tatsächlich wurden zwar die„Düsen“ dafür eingebaut, die Versorgungüber Klimakanäle dann aber doch nicht beibe-halten.

infrared-heating

Infrarotheizung war das für kühlere Abendeeinsetzbare Pendant dazu.

sun shade

Markisen (weiß-hellblau gestreift) sollten vonFall zu Fall als mobiler Sonnenschutz dienen.Sie sind überall da montierbar, wo zweiMedia-Linien parallel laufen, und befandensich auf dem Forum 1 und Markt.

roofs

Die leichten Dächer aus gewelltem, bombier-tem Fiberglas boten Schutz vor Regen undSchnee.

mobile information

Informationstafeln können mit Hammerkopf-schrauben in die Halfenschienen (überall, an derUnterseite der Medialinien!) eingehängt werden.

water curtain

Der „Wasservorhang“ ist gedacht zum Spaßund für’s Vergnügen im Brunnenbereich (aberauch zur Kühlung durch Verdunstung an Tagenmit niedriger Luftfeuchtigkeit).

light

Licht spendet die Media-Linie heute noch –

wenn auch nicht mehr wie ursprünglich miteinem durchgehenden doppelten Band beson-ders schmaler amerikanischer Neonröhren,sondern aus Kostengründen mit einer wenigereleganten Umrüstung auf handelsüblicheNeonleuchten mit dickeren Röhren, die inmehr oder weniger großen Abständen leuch-ten. – Zusätzlich könnten alle 2 m Spots ein-gesteckt werden.

Orientierung

– wie mit Ariadnefaden: Indem der Fremdeden farbcodierten Linien folgt, findet er sich imverwirrenden Labyrinth des Dorfes baldzurecht. Die Medialinien haben die heitereSkala der Olympiafarben von Otl Aicher: hell-blau, hellgrün und orange für die Wohnarme,dazu weiß und safrangelb für die Zentrumsbe-reiche, und silberfarbene Teile. Rot hatte OtlAicher ausdrücklich als zu aggressiv aus demFarbenkanon verbannt, es erscheint nur„außerhalb“ des Dorfes auf der Südrampe.

Dipl.-Ing. M. Mühlenbeck-Krausen, N8

Quelle der Zitate und Abbildungen:

Reihe Architecture and Urbanism Band A+U

E8502 „Hans Hollein“ Copyright 1985 by A+U.

Publishing Co.,Ltd., Tokyo, 113, Japan

ISOMETRIE: FORUM 1

Page 16: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 16 Nr. 74

so dass er auch ge-kannt wurde, und auchdementsprechend guteKontakte möglichwaren. Das Attentatam 5. Septemberbrachte nun eine völligneue Situation inner-halb des OlympischenDorfes: Eine Niederge-

schlagenheit, wie sie vorher nicht ge-ahnt werden konnte. Denn niemandhat sich so etwas vorstellen können,was da geschehen war. Die Spieledauerten dann um einen Tag länger,das heißt bis 11. September wegendes ausgefallenen Tages der Trauer.Und dann räumte jeder möglichstschnell seine Unterkunft, und eswurde ungemütlich im OlympischenDorf. Ja, es kam sogar so weit, dass,weil die Dinge nicht gleich weg-geräumt wurden, sich dementspre-chend auch Ungeziefer bei uns fest-machte. Das änderte sich aber relativschnell dann wieder, als die Woh-nungen hergerichtet wurden, damit

1970 ernannte mich Kardinal Döpfner zum Pfarrer der neuenPfarrstelle Frieden Christi, dienach den Olympischen Spielen1972 entstehen sollte.

Zuvor aber war meine Aufgabe, nebenMitwirken bei einigen Kommissionen(vor die Olympischen Spiele) die kirch-lichen Dienste im Olympischen Dorfmit aufzubauen und zu begleiten. Umauch persönliche Begleitung zu erler-nen, übernahm ich, mit anderen zu-sammen, die Seelsorge der deutschenWintersportler in Sapporo – Japan.Dieses Amt als Olympiapfarrer bliebmir dann bis 1994 in Lillehammer -Norwegen; daher auch der Name„Olympiapfarrer“.Nach den Olympischen Spielen 1972in Sapporo konnte ich am 24. Febru-ar 1972 in das katholische Pfarrhauseinziehen - eine sehr seltsame Situ-ation - man kam kaum mit Leutenzusammen, weil ja außer den 13Hausmeistern, die dann im Laufe desMärz einzogen, niemand innerhalbdes Olympischen Dorfes wohnte. DieSituation war auch deshalb etwasungewohnt, weil ja das ganze Olym-pische Dorf mit Drahtzaun „einge-sperrt“ war, deshalb fuhr man mitdem Auto auf die bewachten Ein-gänge zu, wurde oft gebeten, das In-nerste des Autos herzuzeigen, umDiebstähle zu verhindern. Ob das da-mit gelang, steht in Frage.

Gottesdienste feierte ich in einigenNachbargemeinden, am Werktagging ich von einer Kommission zuranderen, denn diese Kommissionenwaren notwendig, um die verschie-denen Ansätze der Mitarbeit bei denOlympischen Spielen in München zubewerkstelligen.Das waren Gottesdienste, es war dieJugendkommission, es war die großeKommission, die mit dem Wissen-schaftskongress in Verbindungstand, es war die Vorbereitung derschriftlichen Unterlagen bis zur Pla-nung der kirchlichen Dienste imO l ymp i s chenDorf. Das letz-tere war meineHauptaufgabe.Von den Olym-pischen Spielenbrauche ichwohl nichts zuerzählen. Es war bis zum5. September1972 eine herr-liche Zeit, dieuns geschenktwar. Auch dieZ u s a m m e n -arbeit war sehrgut. Wir konn-ten durch unserKirchenzentrum,das als Begeg-nungszentrum ausgewiesen war,doch viele Kontakte herstellen. Auchmit den Gottesdiensten konnte mitoft bis zu 14 Sprachen am Sonntag,sei es ökumenisch, seien es auchkatholische Gottesdienste, die Ver-bindung mit den Sportlern aufrechterhalten werden.Das ging dann so, dass jeder von mei-nen Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern (es waren 30 Pfarrer ver-schiedener Konfession, sowie 20 wei-tere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterim Begegnungszentrum) einenbestimmten Bereich hatte, den erbetreute. Das heißt, es kam immerderselbe Pfarrer zu der Mannschaft,

Pfarrer Summerer, der wirklich erste Dorfbewohner berichtet

Wie es anfing vor 30 Jahren

Noch aber ist die Zeit fern, wo Heinz Sum-merer den Titel eines wohlbestalltenMünchner Pfarrers tragen wird. Jetzt mußer sich noch gefallen lassen, als „Olympia-Pfarrer“ bestaunt zu werden. Daß man ihnkennt, obwohl er keine Olympia-Farbenträgt wie die anderen Offiziellen, erklärtder Sportpfarrer so: „Wir Geistlichen sindhier die einzigen, die zivil gekleidet sind.Dadurch fallen wir immer wieder auf!“

Weltbild 26.7.72

Einzug in Oberwiesenfeld

Kein Teppichhändler geht hier auf die Suchenach einem Käufer – es ist vielmehr PfarrerHeinz Summerer! Der als Olympia-Pfarrerbekannte und beliebte katholische Geist-liche – gerade erst aus Sapporo zurückge-kommen – zieht in sein neues Domizil aufdem Münchner Oberwiesenfeld ein. Dortwird er während der XX. olympischen Som-merspiele vom 26. August bis 10. Septemberdie Sportler aus aller Welt betreuen. DasÖkumenische Zentrum im olympischen Dorfsteht beiden christlichen Konfessionen zurVerfügung; es vereinigt zwei Kirchen untereinem Dach mit Versammlungs- und Ju-

gendräumen, zwei Pfarr-häusern und einen Kinder-garten. In einem der Pfarr-häuser wird PfarrerSummerer auch nach Been-digung der Spiele wohnenbleiben.

Nürnberger Zeitung,

Februar 1972

Page 17: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 17Nr. 74

die Familien bzw. Einzelpersonen ein-ziehen konnten. Denn vorher warendie Böden herausgerissen, das Mo-biliar der Bundeswehr wieder zurück-gebracht, der Dreck einigermaßenbekämpft worden.Den ersten Gottesdienst feierten wiran Weihnachten 1972 im Olympi-schen Dorf und im evangelischenZentrum der Pressestadt und dannjeden Sonntag im Olympischen Dorf.Die Teilnehmer bekamen Zulas-sungsscheine, da ja nach wie vor dasOlympische Dorf mit einem Draht-zaun umgeben war. Über 15 Haus-meister bereiteten die Einzugsmög-lichkeiten vor. Im evangelischen Pfarrhaus lebte Fa-milie Althaus, Studentenpfarrer inMünchen, liebe Nachbarn schon seitMitte 1972. Zum 1. Januar 1973 be-kam die evangelische Gemeinde mitPfarrer Gerhard Köhnlein ihrenersten Pfarrer, der vorerst in der Pres-sestadt einzog (Gemeindezentrum).Ab März/ April 1973 zogen Familienund Erwachsene in die Wohnungenein, die Studenten waren schon abNovember 1972 wieder gekommen.

Der katholische Kin-dergarten begannam 2. Mai 1973, dieSchule zum neuenSchuljahr 1973. DieGrundschule an derDieselstraße war be-reits am 8. Novem-ber 1972 eröffnetworden, denn diePressestadt warbereits im Novem-ber/Dezember 1972eingezogen. DasOlympische Dorf sahaußen wirklich auswie eine Festung.Deshalb war auchsein Ruf nicht der beste, aber wirwissen ja selbst, innen drin ist esetwas völlig anderes. Langsamkamen Blumen, die sich im Olym-pischen Dorf breit machten, langsamwuchsen auch die Bäume heran, sodass man dann nicht mehr nur diegrauen Fassaden anschauen brauch-te. Und das, glaube ich, war das Ent-scheidende überhaupt. Dass alle mit-halfen, dass dieses Olympische Dorfauch vom Schmuck her eine guteWohnmöglichkeit wurde.Und dann begann das normaleLeben, wenn auch das Dorf erst1976 so richtig voll wurde. Die Kir-chen bekamen am 31. Mai 1974 ihrekirchliche Weihe - aber das stehtschon wieder auf einem anderenBlatt. Eines war wichtig: Wir grüßten unsauf der Fußgängerebene und beka-men dadurch ein Zusammenhalts-gefühl, noch dazu wo uns mancheLeute als verrückt bezeichneten, weilwir im Olympischen Dorf wohnten.Ist es heute auch noch so?Es war erquickend, zuzuschauen,dass vor allem auch Familien mit Kin-dern in das Olympische Dorf einzo-gen. So dass wir manchmal in densiebziger Jahren 70 bis 100 Erst-kommunionkinder hatten. Inzwi-schen sind ja alle älter geworden, sodass heuer nur 17 Erstkommunion-kinder zum Tisch des Herrn gingen.Aber vielleicht wird’s wieder einmalanders. Ich glaube, dem Olym-pischen Dorf tut gerade gut, dass es

eine Mischform ist. So dass viele Kin-der auch mit den Erwachsenen zu-sammen das genießen können, waswir unter Fußgängerebene positivverstehen, und was uns auch hilft,dass man miteinander ins Gesprächkommt. Ich hoffe, dass das auchweiterhin möglich ist.

Foto

:Ger

linde

Eic

hler

Gedenktafel vor Connollystraße 31

„Zwischen dem Leistungsstreß dieser Tageund der für viele unvermeidlichen Enttäu-schung können die Kirchen neutrale Part-ner sein.“

Pfr. Summerer – Weltbild 26.7.77

Einen eigenen Beitrag kann der Hack-brettspieler Summerer zum folk-loristischen Teil der Spiele beitragen. Die-ser olympische Gottesvertreter ist gleich-zeitig ein Meister der alpenländischenMusik. In seinen olympischen „Dorf-Pfarr-hof“ haben drei Gitarren, ein Klavier undein Hackbrett den Umzug gut überstan-den ... Die Wintersportler von Sapporokonnten manches Lied davon singen, wieansteckend der Gesang des MünchenerGeistlichen ist.

Weltbild 26.7.72

Die Kirchen machen mit bei Olympia. Dasist zu genüge bekannt. Argwöhnt jetztvielleicht einer, die heiteren Spiele würdendoch nicht so heiter? Deshalb nicht, weilman sich einen heiteren Klerus nicht vor-stellen kann? Wer solches befürchtet, seiberuhigt! Wenn auf Münchens heitereSpiele Schatten fallen, liegt es kaum anden Vertretern der Kirche. Wer es nichtglaubt, lasse sich Pfarrer Heinz Summerervorstellen - die Personifikation der kirchli-chen Hilfeleistung im Olympiadorf ...Heinz Summerer ist das, was man in Bay-ern ein „g’standenes Mannsbild“ nennt ...Geboren wurde er wenige Straßen vomOberwiesenfeld entfernt - wo bekanntlichdie Jugend der Welt zum Kräftemessenantritt. „Mit Fug und Recht kann ich da-rum sagen, ich habe hier bereits Sportgetrieben, als noch kein Olympiahase überdie Aschenbahn sauste“, freut sich derMünchner. Selbstverständlich gehörennoch andere Qualifikationen zu einemOlympia-Pfarrer, als daß er „gleich um dieEcke“ geboren wurde...

Der Dom, 27.8.72

Page 18: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 18 Nr. 74

Vor 30 Jahren war das OlympischeDorf noch eine riesige Baustelle.Fieberhaft versuchte man, allesnoch termingerecht für dieunmittelbar bevorstehendenSpiele der XX. Olympiade fertig-zustellen. Manche Baumängelsind wohl aus dem damaligenZeitdruck zu erklären. Mitten imLärm und Staub der Bauarbeitenwohnten schon Menschen: In den kleinen Bungalows an derConnollystraße waren es Studierende der Münchner Hoch-schulen, die glücklich waren, hierein Zuhause gefunden zu haben.Am Eck Helene-Mayer-Ring/Straßbergerstraße hatten die beiden großen Konfessionenzwei Kirchen unter einem ge-meinsamen Dach gebaut und nebeneinanderliegende Pfarr-häuser für die Geistlichen.

Als damaliger Studenten-Seelsorgerfür die beiden Münchner Universi-täten zog ich mit meiner Frau undunseren drei Buben im Januar 1972so in die unmittelbare Nachbarschaftdes katholischen GemeindepfarrersHeinz Summerer. Als „Pionier“ derkirchlichen Arbeit im OlympischenDorf wirkte er hier schon geraumeZeit, leitete den Aufbau der „kirchli-chen Dienste für die Olympischen

Spiele“ und die Fertigstellung derKirche für seine entstehende großePfarrei „Frieden Christi“. Das Zusammenwohnen und Zusam-menarbeiten mit ihm war nicht nurgut nachbarschaftlich sondern vonökumenischer Offenheit undmenschlicher Herzlichkeit getragen.Er und seine Mitarbeiter gaben unsdas Gefühl, nicht allein zu sein, wennabends und am Wochenende überder sonst lärmenden Baustelle einebeklemmende Stille lag. Das Leben in dieser Frühzeit desOlympiadorfes war in vielerlei Hin-sicht ungewöhnlich. Das ganze Ge-lände war durch einen bewachtenBauzaun von der Außenwelt abge-schnitten. An den Einfahrten hattenwir den Wächtern unsere Sonder-ausweise zu zeigen und oft auch denInhalt des Auto-Kofferraums (so soll-ten die Bau-Diebstähle verhindertwerden). Erwarteten wir Besuch, so musstendie Wächter vorher informiert wer-den. Einkaufsmöglichkeiten gab esnoch keine im Dorf, der Schulwegfür unsere Kinder führte bis zurSchleißheimer Straße in Milberts-hofen. Auch die U-Bahn war zu-nächst nicht fertig, ein Bus fuhr zur

Münchner Freiheit. Telefonieren kon-nten wir anfangs nur über die Bau-baracke unserer Baufirma, eine Ne-benstelle lag in unserer Wohnung. Eswaren Zeiten, die uns einige Impro-visationskunst abverlangten. Wie haben wir uns gefreut, als dannendlich die Menschen kamen! Zuerstdie Athletinnen und Athleten ausden Ländern der Welt. Das war einfrohes Leben im Dorf, eine Atmo-sphäre der Freundschaft zwischenden Völkern. Der Mord an Aktivender israelischen Mannschaft und dieGeiselnahme mit dem bitteren, tödli-chen Ende riss uns aus dem schönenTraum heraus. Nur zögernd zogen nach den Spielendie ersten Dauerbewohner ein. Obda eine Scheu vor dem Ort der Tragö-die unterschwellig mitspielte? Dochdas Leben siegte über denSchrecken. In immer mehr Woh-nungen brannten jetzt abends dieLichter; Geschäfte, Gaststätten,Schule und Kirchen luden die Men-schen ein. Aus den neu gepflanztenBäumchen wurden schöne großeBäume, Symbole für ein gelingendesLeben in diesem besonders interes-santen Teil Münchens.

Gerhard Althaus (1972-78)

Evangelische Kirche

Improvisiertes Leben

Foto

:Gab

riele

Pee

Dachkonstruktion des Kirchenzentrums (1972)

Die Aufgaben der Geistlichen beziehensich erwartungsgemäß zunächst auf denGottesdienst. Im Gewirr der terrassenför-mig angelegten Sportlerwohnungen ent-stand eine Kirche. Ein langgestreckterZweckbau aus Glas und Beton, der unterden verschachtelten Wohnkästen seinerUmgebung fast verschwindet. Das profaneFlachdach behütet zwei Gottesdienst-räume - für jede der großen Konfessioneneinen. Der Blick nach oben läßt die Dach-konstruktion aus Stahlrohren erkennen.

Weltbild 26.7.72

Page 19: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 19Nr. 74

Gemeinden ... Sie alle grüßen wirganz herzlich. Wir wünschen demOD und seinen BewohnerInnen zum30. Geburtstag, dass es überschauba-re Heimat auf Zeit bleibt und wird fürviele verschiedene Menschen. DenKirchen im OD wünschen wir Phanta-sie und Selbstbewußtsein, das Evan-gelium immer wieder ins Gesprächder Verschiedenen zu bringen.Pfüa Gott – und Ade.

Ihr/e Pfr/in Gudrun Scheiner-Petry

und Dr. Bernhard Petry (1993-96)

PS: Übrigens haben wir im OD schoneinmal einen 30. Geburtstag gefei-ert. Wie lange das schon wieder herist ... Auch die berufliche Station

Zur Zeit leben wir „auf dem Land“.Manchmal, wenn wir ins Auto stei-gen, ohne das hier gar nichts geht,denken wir mit Wehmut an die Zeit„im Dorf“ zurück, als wir noch mitdem Statt-Auto auskommen konn-ten, weil viele berufliche und privateWege über den Autos, im Fußgän-gerbereich des Oly-Dorfes verliefen.Das Gehen im Dorf hat unser Wohn-und Lebensgefühl geprägt. VieleSchwätzchen und auch Tiefereshaben sich dabei ergeben. In einerunüberschaubaren Großstadt, in ei-ner unüberschaubarer werdendenWelt und Zeit hatte das Leben imDorf etwas anrührend Überschauba-res. Ein „bei uns im Dorf“ war zuspüren bei den vielen Festen, abervor allem auch bei dem vielfältigenEngagement für das gemeinsameLeben – die zu erhaltenden Wegewaren nur ein Bereich.Dieses Überschaubare hatte nichtsAbschließendes. „Bei uns im Dorf“wurde nicht dicht gemacht. Inbesonders schöner und eindrückli-cher Erinnerung haben wir den Deut-schen Evangelischen Kirchentag1993, als viele Dorfbewohner ihreTüren öffneten, um Gäste aufzuneh-men – über Konfessionsgrenzen hin-weg.Über Konfessionsgrenzen haben wirauch einiges gelernt in dieser Zeit.Dass es sie gibt und sie auch zu unse-rer Identität gehören, dass sie aberauch überschritten werden könnenin geschwisterlicher Gemeinschaftund gegenseitiger Annahme. Dashaben wir in vielen ökumenischenBegegnungen erleben können. Daswaren prägende und beglückendeErfahrungen. Ich habe im Amts-zimmer unseres katholischen Kol-legen meine kleine Tochter gestillt –das war für mich ein dichter Aus-druck versöhnter Verschiedenheit.Viele Namen und Gesichter sind unsnoch in präsenter Erinnerung: Konfir-mandinnen und Konfirmanden, Tauf-eltern, GottesdienstbesucherInnen,engagierte Mitarbeitende der beiden

nach dem OD liegt schon wiederzwei Jahre hinter uns. Nun arbeitenwir seit 2 Jahren als Studienleiter/inan der Ev.-Luth. Gemeindeakademiein Rummelsberg bei Nürnberg, wie-der als Stellenteiler. Franziska kommtschon in die 2. Klasse und Jannawird eingeschult – und manchmalfragen wir uns, wie es wohl wäre,wenn sie jetzt einfach um die Ecke indie Nadischule gehen würden ...

Evangelische Kirche

Grußwort aus Franken

Nicht nur Seelsorge gefragt

Meine erste Bekanntschaft machte ich mitdem OD im Jahre 1979. In Vertretung deszuständigen Pfarrers stand ein Taufbesuch an.Da es regnete, nahm ich mein Auto. Von Moo-

sach kommend war die Straßbergerstraßeschnell gefunden. Aber ein Parkplatz war nir-gends in Sicht. Nahe der Schule quetschte ichdas Auto in eine Parklücke. Wo war gleich wie-der diese Straßbergerstraße? Woanders! Nachdem Taufgespräch fand ich mein Auto ganzwoanders. Dass ich dann ein halbes Jahr spä-ter die Pfarrstelle OD übernehmen sollte, warnicht einmal zu ahnen.Damals wurde noch nach einem Namen

gesucht für die Kirche. Ihr Inneres war weiß undkahl. Noch gab es keinen Teppich, keinen Wand-behang oder Kerzen an den Seiten: Im Unter-geschoss kein Holz an Wänden und Garderobe,keine Bar für Feste, Olympiaschmause und Früh-schoppen, keine Teestube. All das braucht der

Mensch zum Sein - so dachte ich und habe ge-handelt. Das Bild zeigt etwas von der Arbeit mitden Olympiakindern – eine prägende underfüllte Zeit für mich und meine Familie.Wenn ich heute von meiner Arbeit im Kran-kenhaus zurück ins OD komme, nicken mirimmer einige Leute zu. Es sind die Alten. Undich nicke zurück.

Jürgen Koch (1980-92),

Krankenhausseelsorger

Flötende Olympiakinder

Foto

:priv

at

Page 20: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 20 Nr. 74

Als Mitte 1996 die Evang. Pfarr-stelle im OD im kirchlichen Amtsblatt zur Wiederbesetzungausgeschrieben war, fand ich das,was da über die Evang. Gemeindestand, sehr reizvoll. Also schautenmeine Frau und ich uns das„Dorf“ mal an. Da ist es gut zuleben und zu arbeiten, war dererste Eindruck. Gewöhnungsbe-dürftig vielleicht, aber interessant.

Beim Bewerbungsgespräch fragteman mich, ob ich denn wisse, dasseine Asbestsanierung an den beidenKirchen anstehen würde. Nun hatteich schon Bauerfahrung und ging da-von aus, dass da eben ein paar Plat-ten raus und wieder rein müssten.Zum 1.1.97 fing ich dann meinenDienst im OD an. Noch immer warnicht ganz das Ausmaß derAsbestsanierung klar. Mit den mo-dernsten Baumitteln hatte man 25Jahre vorher gebaut, und das wardamals Asbest. Wärmedämmend bei

geringer Baustärke, schwerentflammbar und leicht zuverarbeiten, das waren dieWundereigenschaften desneuen Baustoffes. 25 Jahrespäter sah das anders aus.Nach verschiedenen Gut-achten war irgendwannklar, das wird keine kleineSache. Und: Man wollte esrichtig machen, d. h. dieRekonstruktion der beidenKirchen schon mit denkmal-pflegerischen Mittelndurchführen.Zunächst hieß das Totala-briss und Entsorgung derbeiden Kirchen. Nur die selbsttragen-de Dachkonstruktion war stehenge-blieben. Die Wände und Raum-einbauten der Kirche wurden, bis aufdie wenigen Sakralgegenstände, auf-wändig entsorgt. Mehrere Wochenlang war die Kirche mit Plastik luft-dicht verpackt, riesige Maschinensorgten unter viel Lärm Tag undNacht für den nötigen Unterdruck,damit auch nicht ein Asbeststäu-bchen die Umwelt belasten konnte.Für die Anwohner war das keine ein-fache Zeit, aber wichtig für die

Sicherheit aller. Als dann alles ausge-baut war, konnte ich die Kirchesehen, wie sie damals vor 30 Jahrenbeim Bau ausgesehen hatte: EinStahlgerippe als Dachkonstruktionauf zwölf Pfeilern ruhend. Von Nor-den her begann dann die Rekon-struktion der beiden Kirchen. Nichtalles ist geblieben, wie es ursprüng-lich war. 30 Jahre Praxis haben ein-fach auch gelehrt, dass man das einoder andere besser machen konnte.So wurden die Türen in ihrem Ausse-hen quasi umgedreht, um das Kreuzdeutlicher sichtbar werden zu lassen.Auch der Eingangsbereich zwischenden beiden Kirchen wurde leicht ver-ändert. Die ursprünglichen Olympia-farben für die Farbakzente an denAussenwänden wurden aufwändigwieder hergestellt. Am 21.6.98 wur-den die beiden Kirchen in einem ge-meinsamen Festakt wieder einge-weiht. Nur eines war damals nochnicht klar: Aus einem alten dichtenDach war – durch Schlamperei derDachdeckerfirma – ein Sorgenkindentstanden, das uns bis ins letzteJahr beschäftigte. Immer wieder reg-nete es durch, an unterschiedlichstenStellen und die Löcher waren nurschwer zu finden.In der nun sanierten Kirche war dasGemeindeleben schnell wieder ein-gezogen. Der Gottesdienstbesuch istgestiegen und auch sonst hat die Kir-che wieder ihren Platz mitten imDorf. Und das nicht nur geogra-phisch.

Bernhard Götz, Pfarrer der Olympiakirche

Ökumenische Verpackung von Christo?

Foto

:Hel

ga E

isen

berg

erEvangelische Kirche

...den letzten beißendie Hunde

...vom Frühstücks-Kaffee bis zum Olympiateller, vom Selbstwähl-Menü bis zum Espresso zwischendurch, von der Geburtstagsfeier bis zum Fondue-Abend

Unser Restaurant „Bayern - Stub´n“ ist immer gerne Ihr gastlicher Nachbar!Wir danken Ihnen ganz herzlich für alle Ihre Besuche in diesen 30 Jahren!

Und freuen uns auf alle weiteren Besuche, egal aus welchem Anlass!

Ihr Team vom Four Points Hotel Olympiapark

Geniessen, speisen, feiern...

Four Points Hotel Olympiapark MünchenHelene-Mayer-Ring 12 · D-80809 München · Tel: 0 89/3 57 51-0 · Fax: 0 89/3 57 51-800

[email protected] · www.arabellasheraton.com

Page 21: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 21Nr. 74

Im Rahmen der diesjährigen Projektwochevom 29.4.-3.5.02 hat sich die Klasse 3b einmalgefragt, wie es eigentlich ist, wenn man sich

nicht so bewegen kann, wie gewohnt. Zustan-de kam eine für die Kinder äußerst interessan-te Woche, in der sie viel über Behinderungenerfahren haben und vor allem selbst aufre-gende Dinge ausprobieren durften.Die Schüler erhielten ein Satzpuzzle mit Aussa-gen von Behinderten und verschiedene Behin-dertenporträts, die sie vorstellen sollten. Daswarf viele Fragen auf. Die Kinder waren sicht-lich davon beeindruckt, dass eine wegen einesSchnupfens verschobene Schutzimpfung einLeben im Rollstuhl zur Folge haben kann.Der 2. Tag sollte zu einem Highlight werden.Die Klasse war im „Münchner Förderzentrum“eingeladen, wo sich mehrere behinderte Mit-arbeiter des Arbeitskreises zur IntegrationBehinderter und zwei Helfer sehr engagiert umdie Schüler kümmerten. Um gar nicht erst Bar-rieren aufkommen zu lassen, durften sich dieKinder gleich in einen Rollstuhl setzen undmussten einen schwierigen Parcours über Hin-dernisse und durch eine Slalomstrecke fahren.Besonders interessant wurde es dann, als sieeine Rampe erklimmen sollten. Hinunter ginges zwar schnell, aber manchmal eben zu flott.Bremsen war angesagt! Unter Anleitung einerTherapeutin führten die Schüler auch feinmo-torische Übungen durch. Wie bindet man sichdenn einen Schuh, wenn man eine Brille aufder Nase hat, durch die man schlecht sieht undauch noch Handschuhe trägt? So langsamwurde es jedem Kind klar, mit welchen ganzalltäglichen Problemen ein Behinderter zukämpfen hat.Zusätzlich lernten die Schüler, wie man einenRollstuhlfahrer schiebt und ihm im Straßenver-kehr helfen kann, ohne aufdringlich zu seinoder ihn zu erschrecken. Auf dem Rückweg zurSchule sahen die Kinder plötzlich viele Dingemit anderen Augen an, z.B. Bordsteinkantenund Treppen als Hindernisse für Rollstuhl-fahrer.Anschließend berichtete die Klasse 3b den 4.Klassen von ihren Erfahrungen – mit Film-ausschnitten, denn die Schüler wurden dieganze Woche über von einem Filmteam be-gleitet. Dann hieß es auch für die Viertklässler:selbst ausprobieren! Mit 10 Rollstühlen wurdedie Turnhalle zum Trainingsplatz.Am nächsten Tag machten die Schüler Erfah-

rungen zum Thema Blindsein. In einem Zirkelder Sinne sollten die Kinder durch Tasten, Rie-chen und Schmecken die unterschiedlichstenDinge erkennen.Abschluss der Projektwoche war am 6.5. einUnterrichtsgang zum Marienplatz. Zum Akti-onstag verschiedener Behindertengruppenwaren 40 Stände aufgebaut, an denen manwieder verschiedene Erfahrungen machenkonnte. Große Freude herrschte bei denSchülern, als sie auch „ihre Behinderten“unter den Teilnehmern entdeckten.Ich denke, diese Woche hat einen kleinen Bei-trag zur Überwindung der Schwellenangstgeleistet, die viele von uns im Umgang mitBehinderten haben.

Gabriele Eisenberg-Menke,

Lehrerin der Klasse 3b

NADISCHULE

Schüler treffen Behinderte –ein etwas anderes Projekt der Klasse 3b

Probefahrt im Rollstuhl

Feinmotorische Übungen mit Brilleund Handschuhen... Über den großen Zuspruch, den unser

Unterhaltungszentrum mit Theater, Dis-kothek und Kino findet, freuen wir unsaußerordentlich; zeigt es doch, wie gut wirunsere Programme gestaltet haben. Nachden Olympischen Spielen soll das Zentrumin eine Schule umgestaltet werden. DieSchüler möchten ihre Räume und Einrich-tungen natürlich auch intakt vorfinden.Ausgehobene und zerstörte Türen undFenster sind letztlich kein Mittel, sich Ein-laß in überfüllte Veranstaltungen zu ver-schaffen ...

Walther Tröger (Dorfbürgermeister)

in Village News 31.8.1972

Ein Abend im Night-Club

... Der Weltenbummler mit der männlich-rauchigen Stimme, Mike Tuttlies, ist seit 1.August der Mann im olympischen Dorf,der mit Soul, Beat und Rock and Roll für,wie er sagt, „Tralala und Hopsassa“ sorgt.Der Scheibendreher über „seinen“ Bava-ria-Night-Club, der nach den olympischenWettkämpfen in einen Schulraum umfunk-tioniert wird: “Hier ist jeden Abend tolleStimmung. Und das, obwohl sogenannteunsolide Sportler bestimmt nicht auf ihreRechnung kommen. Denn alkoholischeGetränke sind in Tuttlies Reich verpönt –getrunken wird Tee ... Erfolgshit Nummereins? Antwort: Popcorn ... Die Australierlachen sich die hübschesten Mädchen anund die Osteuropäer, allen voran die Rus-sen, würden sich ... am liebsten Kopfhörergeben lassen, so gebannt folgen sie deninternationalen Klängen ...

Village News 17.8.1972

Page 22: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 22 Nr. 74

Neben olympischem Edelmetall ge-wann Straßberger zwischen 1919und 1939 13 deutsche Meistertitelsowie einen Welt- und zwei Europa-meistertitel. Außerdem konnte erwährend seiner Karriere 9 Welt-rekorde auf seinem Konto verbu-chen. Erst mit 40 Jahren nahm erAbschied von der internationalenBühne. Schon mit 56 Jahren starb er1950 in München.

Nadistraße

Der 1894 in Livorno/ Italien geboreneSäbel- und Florettfechter holte bei

den Olympischen Spielen Medaillenund wurde hinter dem Schützen Wil-lis Lee erfolgreichster Teilnehmer die-ser Spiele. Schon acht Jahre zuvor,1912 in Stockholm, hatte er sich denOlympiasieg im Florettfechten ge-holt. Zusammen mit seinem BruderAldo Nadi, einem ebenfalls sehr er-folgreichen Fechter, stand er 1920 inallen drei siegreichen Mannschaften.Nedo Nadi starb am 29. Januar 1940noch nicht 46jährig in Rom.

Piktogramme: Otl Aicher,1972

Otl Aicher war für das visuelleErscheinungsbild der Olympi-schen Spiele zuständig: Blaue, auf die Spitze gestellte Quadrate(Connollystr.), grüne Dreiecke(Nadistr.), orange Kreise (Straßbergerstr.) für Hausnum-mern und Straßennamen des OD. Ihre Namen tragen die Straßennach Sportlern, die mehrfachund erfolgreich an OlympischenSpielen teilgenommen haben:

Connollystraße

Dem 1866 in Boston geborenenJames B. Connolly wurde bei den I. Olympischen Spielen der Neuzeit1896 in Athen eine große Ehre zuteil.Mit seinem Sieg im Dreisprung (Sie-gesweite 13,71m) gewann er nichtnur die Goldmedaille, sondern erwurde damit der erste Olympiasiegerder Moderne. (Der letzte Olympia-

sieg der Antike war 1511 Jahre zuvoran den armenischen Boxer Varazde-tes gegangen.) Connolly war noch Student an derHarvard University, als er erstmals vonden neuen Olympischen Spielen hör-te. Nach Athen kam er dann unterden abenteuerlichsten Umständen:Da ihn die Universität für die 2-mona-tige Europareise nicht freistellte, ex-matrikulierte er sich, fuhr dann mitdem Schiff 16 Tage von New Yorknach Neapel, von dort mit dem Zug

nach Brindisi, dann wieder mit demSchiff nach Korfu und weiter perBahn nach Athen. Am 5. April 1896,24 Stunden vor Beginn seines Wett-kampfes, kam er am Austragungsortder Spiele an. Immerhin gewann erdann nicht nur Gold im Dreisprung,sondern auch noch Silber im Hoch-sprung und Bronze im Weitsprung.Zur Olympiade 1900 in Paris nahm ernochmals am Wettbewerb im Drei-sprung teil und gewann mit 13,97mdie Silbermedaille. Am 20. Januar1957 starb Connolly im gesegnetenAlter von 91 Jahren.

Straßbergerstraße

Der 1894 geborene GewichtheberJosef Straßberger wurde 1928 inAmsterdam Olympiasieger imSchwergewicht. Diesen Titel konnteer vier Jahre später in Los Angelesnicht verteidigen, sondern gewann

hinter den beiden Tschechoslowa-ken Skobla und Psenicka ‘nur’ Bron-ze. Dabei setzte Straßberger auf einMittel recht eigener Art, um sich fitzu halten: Der Münchner nahm einganzes Fass Bier mit auf die Reisenach Amerika, weil er auch im Landder Prohibition auf den Gerstensaftnicht verzichten wollte. Jeder hattedamals so seine eigenen Trainings-methoden, denn so perfekt wissen-schaftlich wie heute wurde der Sportnocht nicht betrieben.

Buchhändlerinsucht

1 1/2 - 2-Zimmer-Wohnung

im Olympiadorf

bis 850E incl. Nebenkosten

Angebote über EIG erbeten

Die Straßen im Olympiadorf und ihre Namenspatrone

Grafisches Orientierungssystem ausgeometrischen Formen und olympische Farben

Page 23: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 23Nr. 74

Auch unser Kindergarten blicktauf ein 30-jähriges Bestehen zurück. Wir, Karin Krause undBarbara Fischer, sind von Anfangan mit dabei.

Wieviele Kinder wir wohl durch dieKindergartenjahre begleiten durften?Wir haben aufgehört zu zählen!Mittlerweise sind bereits die Kinder,von denen ein Elternteil unseren Kin-dergarten besucht hat, schon wiederbei uns. Gerne denken wir an die vie-len Feste und Feiern zurück, die wirin Zusammenarbeit mit Herrn PfarrerSummerer und den jeweiligen Eltern-beiratsmitgliedern gefeiert haben.Besonders glücklich schätzen wir unsauch, nach der Sanierung von No-vember 1999 bis November 2000

wieder in den ursprünglichen Räu-men des Hauses arbeiten zu dürfen. In all den Jahren unserer Kindergar-tenarbeit haben wir, das Team, auchviele Bewegungen miterlebt und mit-getragen (Vorschule, Arbeitsblätter,antiautoritäre Erfahrungen, situati-onsorientierten Ansatz usw.), die sichauf unsere pädagogische Arbeit aus-

gewirkt haben. Es gab sowohl positi-ve als auch negative Erfahrungendabei. Aber gerade diese Erfahrun-gen, denen wir aufgeschlossen aberauch kritisch gegenüberstanden, ha-ben uns wieder ein Stück weiter ge-bracht in der Arbeit mit den Kindern.Der Kontakt und die Zusammen-arbeit mit den Eltern wurde dadurchimmer intensiver. Eines können wir mit Sicherheit sa-gen: Die Grundwerte, wie christlicheErziehung und soziales Miteinander,standen und stehen immer im Mittel-punkt unserer pädagogischen Arbeit. Erlauben Sie uns an dieser Stelle einekritische Anmerkung: Bereits lange bevor den Schulen dieErarbeitung eines pädagogischenKonzeptes auferlegt wurde, habenErzieherinnen freiwillig und aus Über-zeugung für ihre Einrichtungen indivi-duelle pädagogische Konzeptionenerstellt und die Grundlagen ihrer pä-dagogischen Arbeit geschaffen.Es zeugt immer noch von Informa-tionsdefiziten und mangelndenKenntnissen bei Journalisten, Poli-tikern und der Öffentlichkeit, dassSpielen und Lernen immer noch alsGegensatz gesehen wird. Alters-gemäß lernen heißt auch spielen,sich im Spiel die Welt aneignen, Ein-sichten und naturwissenschaftlicheZusammenhänge gewinnen. DerKiga ist der Ort, an dem die Lern-bereitschaft der Kinder in idealerWeise gefördert, Neugier erhalten,ästhetische und kreative Tätigkeitengeweckt werden können:• Wenn dem Kindergarten als Ele-

mentarstufe des Bildungssystemsmehr gesellschaftliche Wertschät-

zung entgegen gebracht würde.• Wenn die Zusammenarbeit von Kiga

und Grundschule intensiviert wer-den würde, so dass Übergänge flie-ßender gestaltet werden können.

• Wenn die Schule und ihr Systemnur annähernd diese Aufgeschlos-senheit zeigen würde, die im Kigaallgegenwärtig ist, so müsste manheute – so glauben wir – nicht soviel über die Pisa-Studie diskutieren.

Wir können jedenfalls sagen – auchnach so vielen Jahren – oder geradedeshalb macht uns die Arbeit mitden Kindern viel Freude. Wer sich noch mehr für den Kindergar-ten und unsere Arbeit interessiert, hateinmal im Jahr am „Tag der offenenTür“ die Gelegenheit dazu (wird recht-zeitig bekannt gegeben). Das ganzeTeam würde sich sehr darüber freuen.In Kinderaugen leuchtet eine froheBotschaft, in Kinderherzen liegt dieErinnerung an das Paradies.

Karin Krause, Barbara Fischer

Barbara Fischer

Foto

s:pr

ivat

Karin Krause

Dr. Dagmar KreienbergZahnärztin

01. 06. 2002 – Praxiseröffnung– Termine nur nach Vereinbarung –

Meinen Kassen-Zahnarztsitz habe ich in diePraxisräume von Herrn Dr. Dr. Michael Janson gelegt.Neben allen Bereichen der Zahnheilkunde ist mein

besonderer Behandlungsschwerpunkt die Kinderzahnheilkund.

Connollystraße 4 • 80809 MünchenTel. 089-35 47 74-0 mobil 0177-73 111 65

Welche Zahnarzthelferin mit Verwaltungskenntnissen

(gerne auch Wiedereinsteigerin)hat Spaß am Beruf

und möchte mit mir in einer Privatpraxis im Olympischen Dorf

an drei halben Tagenzusammenarbeiten.

Suche engagierte ZH ab sofort.

Dr. Dagmar KreienbergConnollystr. 4

80809 München Tel. 35 47 74-0mobil 0177-73 111 65

Kindergarten Frieden Christi

Von Anfang an dabeiErstes Olympiakind

Als das Trainerehepaar Arrutiunian aus Ko-lumbien mit der dreijährigen Tochter Eli-sabeth ins Olympische Dorf einziehen woll-te, gab es einige betretene Gesichter. Dennein IOC-Beschluß verbietet Kindern den Ein-zug ins Dorf. Aber Klein-Elisabeth lächeltedie Olympiabosse nur an, und schon wurdevon Protokollchef Norbert Müller eineunkonventionelle Lösung gefunden. Alserstes Olympiakind zog die Dreijährigejetzt mit ihrer Mutter ins Olympiahotel.

Village News - 26. 8. 1972

Page 24: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 24 Nr. 74

Als die Deutsche Bundespost1968 die erste Serie von Sonder-marken zugunsten der Stiftungzur Förderung der OlympischenSpiele München 1972herausbrachte, ehrte sie aucheine Sportlerin, die 1928 inAmsterdam im Florettfechtenolympisches Gold, 1936 in Berlindie Silbermedaille und 1929,1931 und 1937 die Einzel-Weltmeisterschaft erkämpft hatte: Helene Mayer -‚die blondeHe’, wie sie aufgrund ihrer Haarpracht von Freunden undSportkameraden genannt wurde.Und an sie erinnert auch der ihrgewidmete Helene-Mayer-Ringim Münchner Olympiadorf.

Wie kam es, daß der Name geradedieser begnadeten Sportlerin undüberragenden Persönlichkeit so oft

Schlagzeilen machte,und was für einMensch war dieseHelene Mayer, derenBild einstmals inallen Zeitungen auf-

tauchte mit dem breiten Stirnband,das das in Zöpfen geflochtene Blond-haar im Zaume hielt? Eine fast unvor-stellbare Wirkung ging von ihrer Per-son aus, und wo immer sie in den20er und 30er Jahren im In- undAusland zum Kampf antrat, warendie größten Säle überfüllt, und dieBegeisterung des Publikums kanntekaum Grenzen. Helene Mayer wurde am 20. De-zember 1910 in Offenbach als Toch-ter eines praktischen Arztes jüdischerKonfession geboren. Mit sieben Jah-ren erhielt sie ihren ersten Ballettun-terricht, und schon bald war sie indieser Kunst so erfolgreich, daß siebereits zwei Jahre später, Anfang1920, mit Solovorführungen auftrat.Schließlich kam sie zu dem damals inOffenbach bekannten Turn- undFechtmeister Arturo Gazzera, der esnach kurzer Zeit verstand, ihre Be-geisterung für den Fechtsport zuwecken, dem sie sich hinfort mit ech-ter Leidenschaft widmete. Nach ersten Erfolgen im Jugendfechtenwurde sie bereits 1925, 14jährig,deutsche Meisterin im Florett-

fechten. Sechs Jahre hintereinander,bis 1930, behielt sie diesen Titel bei:wahrlich eine Erfolgsserie, die inDeutschland bis zum heutigen Tagunerreicht geblieben ist. Weltberühmt wurde Helene Mayer1928, als sie bei den OlympischenSpielen in Amsterdam im Damen-florett die Goldmedaille für Deutsch-land holte. Überall sah man damalsdas Bild der „blonden He“ mit denHaarschnecken über den Ohren.Über Nacht war sie zu einer Be-rühmtheit geworden. „Schulmäd-chen und Olympiasiegerin“, so laute-te der Titel der großen Bildreportageeiner der bekanntesten Illustriertender damaligen Zeit. Da sieht man sieinmitten ihrer Klassenkameradinnen,da blickt man hinein in das mitSiegestrophäen, Schleifen, Kränzenund Diplomen geschmückte Zimmerim Elternhaus. Wie angetan derInterviewer nach seinem Besuch ist,erkennt man am Ton seines Berich-tes: „Alle Welt kennt sie, alles liebtsie in dieser keineswegs kleinenStadt ... Die alten Hellenen hättenihre helle hellenische Freude an He-lene gehabt, sie verkörpert ihr Sport-und Menschheitsideal: Schönheitund Tüchtigkeit. Merkwürdig wider-spruchslos vereinigen sich in diesemblonden Mädchen die stärksten Ge-gensätze: Sehnigkeit und Anmut,Energie mit Naivität, Sprödigkeit mitEleganz.“Zwischen 1929 und 1931 nahm siean unzähligen nationalen und inter-nationalen Wettbewerben teil underrang 1932 zur Olympiade in Los„Die blonde He“ 1926 beim Training

Foto

:Arc

hiv

Ludw

ig E

.May

er

Die Straßen im Olympiadorf und ihre Namenspatrone

Erinnerungen an Helene Mayer„Die blonde He“ (1910-1953)

Page 25: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 25Nr. 74

Angeles einen fünften Platz. Wäh-renddessen hatte sie an der Frank-furter Uni mit dem Jura-Studiumbegonnen mit der Absicht, sich ein-mal auf dem Gebiet des internatio-nalen Rechts zu spezialisieren und inden diplomatischen Dienst einzutre-ten. Sprachstudien an der Sorbonnein Paris sowie am Scripps College inKalifornien sollten die Voraus-setzungen dafür ergänzen. Aberschon nach wenigen Wochen, nochim Januar 1933, wurde ihr das vomDAAD für 1932/33 verliehene Sti-pendium aus rassischen Gründenvon den neuen Machthabern wiederabgenommen. Als sie sich plötzlichohne alle Mittel weit von ihrer Hei-mat entfernt befand, erhielt sie vomScripps College sofort ein „Scholar-ship“, das ihr das Philologie-Studiumund das Diplom 1934 ermöglichte.Sie wußte, daß es damals im deut-schen diplomatischen Dienst keinenPlatz für sie als Halbjüdin geben wür-de, und zog die Konsequenzen: Sowurde sie Emigrantin und wanderteim Juni 1933 anläßlich der ameri-kanischen Fechtmeisterschaften legalin die USA ein und blieb dort als„Permanent Resident“ mit der festenAbsicht, einmal „U.S.Citizen“ zuwerden. Lange Monate vor Beginn der Berli-ner Olympiade von 1936 wurde inamerikanischen Sportkreisen die Fra-ge erörtert, ob eine deutsch-jüdischeEmigrantin aus Nazi-Deutschland anden Spielen in Berlin teilnehmendürfe. Zahllose Briefe gingen zwi-schen beiden Ländern hin und her.Im Herbst 1935 wurde dem Leiterdes amerikanischen OlympischenKomitees, Avery Brundage, vondeutscher Seite die Zusicherunggegeben, daß Juden in der deut-schen Mannschaft teilnehmen könn-ten. Daß Helene Mayer nicht in dieUS-Mannschaft aufgenommen wer-den konnte, lag an den IOC-Be-stimmungen, denen zufolge sie alszweifache Teilnehmerin auch beimdritten Mal nur als Mitglied einerdeutschen Equipe auftreten durfte.Sie konnte dann Anfang 1936 anden Ausscheidungskämpfen inDeutschland teilnehmen und qualifi-

zierte sich alsbeste Fechterin.Bei ihrer drittenOlympia-Teilnah-me 1936 in Ber-lin erfocht siesich eine Silber-medaille. EndeAugust 1936war sie wieder inden USA undkehrte bis 1938nur noch zwei-mal zu Fami-l i e n b e s u c h e nnach Deutsch-land zurück. ImJuli 1937 ge-wann sie dieW e l t m e i s t e r -schaft in Parisund damit ihrenletzten großenSieg auf europäi-schem Boden.Sie nahm ihreTätigkeit als Do-zentin für deut-sche Sprache amMills Collegewieder auf, undlehrte von 1938bis 1947 gleichzeitig auch an derBerkeley-Universität von Kalifornien.Zwischen 1939 und 1946 wurde sieachtmal amerikanische Fecht-meisterin. Nachdem sie viele Jahre hindurchohne allen Kontakt mit ihrer Familiewar, sehnte sie sich zurück nach Eu-ropa. Im Februar 1947 schrieb sieeiner ihrer Freundinnen aus demFechtsport: „Das Leben ist nicht ein-fach; wohl lebe ich in einem Land, indem es viel besser zugeht als inEuropa, aber auch ich muß mich red-lich plagen und lebe nicht in Sausund Braus. Ich habe zwei Stellungen,um alles verdienen zu können, imMills College am Morgen und aufder Universität von Cal am Nachmit-tag und Abend ... Und man ist dochletzten Endes sehr allein in diesemLande.“Noch ein anderer Grund ließ ihreSehnsucht, zum alten Kontinent zu-rückzukehren, stärker werden: Eine

tödliche Krankheit zwang sie mehrund mehr aufs Krankenlager, bereite-te ihr ungeahnte Schmerzen, erfor-derte eine Operation nach der ande-ren. Im Februar 1952 verließ sie Amerika.Im Mai 1952 heiratete sie einen „Ur-bayern“ aus München, Erwin Falk-ner von Sonnenburg und be-gründete mit ihm noch einen eige-nen Hausstand in Heidelberg. Am15. Oktober 1953 begannen diedeutschen Fechtmeisterschaften inKöln. Wie gern hätte sie diesensportlichen Wettkampf miterlebt.Doch zu Beginn der Veranstaltungmußte Erwin Casmir, der gemeinsammit ihr 1928, 1932 und 1936 in denOlympischen Spielen gefochten hat-te, ihren Tod bekanntgeben. In ei-nem Meer von Blumen wurde sie aufdem Münchner Waldfriedhof imFamiliengrab der Sonnenburgs bei-gesetzt

Klaus W. Jonas

Foto

:Arc

hiv

Ludw

ig E

.May

er

Helene Mayer - bis heute jüngste Fechtolympiasiegerin aller Zeiten

Page 26: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 26 Nr. 74

Als nach der Olympiade 1972 dieSportler aus ihren Quartieren imOlympischen Dorf der Männer(ODM) auszogen, haben die 5Bauträger, zusammen firmierendals Olympiadorf-Maßnahmeträ-gergesellschaft (ODMG), den Umbau der olympischen Quartie-re zur nacholympischen Nutzung,also in „normale“ Wohnungendurchgeführt mit dem Ziel, mög-lichst viele davon möglichst raschverkaufen zu können. Dass dasdann nicht so recht geklappt hat,steht auf einem anderen Blatt,hat aber doch auch ein wenig mitunserem Thema zu tun.

Während der Spiele war für denBetrieb im ODM das Nationale Olym-pische Komitee (NOK) verantwortlich,danach war es die ODMG. DieODMG hat die Grundstückgrenzenfestgelegt und die einzelnen Grund-stücke zu Wohnungseigentums-

g e m e i n s c h a f t e n(WEG) zugeordnet. Inden WEGs spieltendie Bauträger zu-nächst selbst Ver-walter.

Zum Betrieb des gesamten Dorfesbedurfte es aber einer Betriebs-einrichtung der Wohnungs- undGrundstückseigentümer, denn dasgesamte Dorf ist ja, mit Ausnahmeder Autofahrstraßen, Privatgelände.Diese Betriebseinrichtung sollte fürden Betrieb und Unterhalt aller imgemeinschaftlichen Eigentum stehen-den Flächen und Bauwerke imOlympischen Dorf zuständig sein. Indiesem „Privatunternehmen“, derOlympiadorf-Betriebsgesellschaft(ODBG), einer Gesellschaft aller Ei-gentümer im ODM, wurden in einemumfangreichen Katalog alle Rechteund Pflichten sowie die jeweiligenKostenanteile und deren Zuordnungzu den einzelnen WEGs genauestensfestgelegt. Entsprechend dieser Fest-legung wird der gemeinschaftliche

Betrieb organisiert, die anfallendenArbeiten durchgeführt und derenBezahlung geregelt. Dazu gehörenz.B. die Pflege der Grünanlagen, derUnterhaltung sowie die Reinigungund Beleuchtung der Gehwege, dieErhaltung der Spielplätze und vorallem der Betrieb und der Unterhaltunserer empfindlichsten und weitund breit einmaligen Anlage, derpneumatischen Müllentsorgung. Die-se Festlegungen wurden im Dezem-

ber 1976 notariellbeurkundet.

Die ODMG steuerteals „Bauträgerclub“die ODBG mehr oderweniger selbst. Sie

hatte zu diesem Zeitpunkt wegen dervielen noch nicht verkauften Woh-nungen in den WEGs die Stimmen-majorität und war in den Gesell-schafterversammlungen der ODBG,in der 17 Treuhänder und mehrereBeiräte sitzen, zunächst mehrheitlichdurch ihre eigenen Treuhänder vertre-ten. Dies änderte sich letztlich rasch,als gerichtlich festgestellt wurde, dassBauträger, auch bei umfangreichemWohnungsbesitz in einer WEG, inWohnungseigentumsversammlungennur eine Stimme haben. Dadurchkamen die immer zahlreicher wer-denden Wohnungseigentümer in dieLage, ihren Einfluss in der Gesell-schafterversammlung (GV) der ODBG

über den selbst ge-wählten Treuhänderihrer WEG geltend zumachen.

Die GV der ODBGbegann nun, als die

Interessen der Wohnungseigentümergegenüber den Interessen der Bauträ-ger an Gewicht zunahmen, sich mitden Schäden zu beschäftigen, die aufeine überhastete und in einzelnenFällen auf schnelle Abzocke zielendeBauausführung ebenso wie auf einemangelhafte Bauüberwachungzurückzuführen waren. Außerordent-

lich schwierig war die gegenseitigeAbgrenzung der einzelnen Grund-stücke, da die Zuordnung der Flächenim Olympischen Dorf zu den WEGsvöllig willkürlich erschien und zuwei-len bizarre Formen erkennen ließ. DieTatsache, dass einzelnen WEGs sehrunterschiedlich große Gehwegs-flächen „zugeordnet“ sind, sahenspäter einzelne WEGs mit kleinenGehwegsflächen bei der Sanierunggemeinschaftlich genutzter Bereichemitunter als individuellen Vorteil. Beidieser Anschauungsweise wurdejedoch außer Acht gelassen, dass derWert einer Wohnung im OlympischenDorf sehr stark vom Gesamterschei-nungsbild abhängt und deshalb einemöglichst rasche gemeinsame Sanie-rung der gemeinsam genutzten Geh-

wegsflächen im ge-meinsamen Interessestehen sollte.

Ausgehend jedochvon der Annahme,dass die jeweiligen

Bauträger auch in erster Linie als An-sprechpartner für Ansprüche bezüg-lich der jeweiligen Baumängel ange-sehen wurden, haben sich die WEGsin der ersten Zeit hauptsächlich mit„ihren“ Grundstücken beschäftigt.Mit zunehmendem Sanierungsbedarfhat in den vergangenen Jahren glück-licherweise eine Mehrheit der Treu-händer in der GV der ODBG diegemeinschaftliche Sanierung als ein-zig sinnvollen und zielführenden Wegerkannt und dies mit der Zusicherungvon Zuschüssen der Landeshaupt-stadt München durch entsprechendeBeschlüsse in die richtigen Bahnengelenkt. Mit ungeheurem Fleiß undAkribie haben sich technisch veran-lagte Treuhänder mit Fragen der Haf-

tung bei zunehmen-dem Zerfall auseinan-dergesetzt und sichebenso intensiv umtechnische Lösungs-ansätze bemüht.

Die Geschäftsführer bekamen, alsausführendes Organ der GV, zuneh-mend klare Handlungsanweisungenund waren dadurch immer besser in

Drei Jahrzehnte Olympiadorf - drei Jahrzehnte ODBG

Selbst ist das Dorf

Page 27: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 27Nr. 74

„Brückenfunktionen“

Unsere Fußgängerebene hat Brücken-funktion. Dies könnte uns anregen, auch aufanderen Ebenen Brücken zu suchen.Ich habe zwei Geschichten dazu herausge-sucht:

1. Die Familienbrücke

Es gab Krach in der Familie. Ein heftigerWortwechsel zwischen Vater und Mutter. DieKinder stumm dabei.Heimlich stiehlt sich die Zwölfjährige davon,läuft zu einer Telefonzelle und wählt dieNummer der Eltern. Zu Hause hört der Vaterüberrascht, wie sich eine Mädchenstimmemeldet:„Guten Tag, ich bin Reporterin und macheeine Umfrage für eine Illustrierte: Lieben SieIhre Frau?“Der Vater, völlig verdutzt, zögert lange: „Ja,hm, natürlich!“ Dann ruft er: „Helga, kommdoch mal!“Die Mutter erkennt auch erst nach einerSchrecksekunde die Stimme ihrer Tochter:„Verzeihen Sie, ich mache eine Umfrage: Lie-ben Sie Ihren Mann?“„Ja“, ruft sie völlig verwirrt.„Danke!“ ruft die Mädchenstimme am ande-ren Ende der Leitung ...„Jetzt brauche ich erst einmal einen Kaffee“,seufzt der Vater.

2. Die Blume des Balkons

Eine ältere Dame, etwas kränkelnd, abernicht bettlägerig, wohnte in einem engenZimmer – genau eine Etage unter ihrer Ver-mieterin, die mit fast allen anderen Hausbe-wohnern im Streit lag.

Da überlegte die Dame, wie sie wohl der Ver-mieterin ein wenig näher kommen könnte:Wenn sie an ihrer Tür läutete, wurde ihr nichtaufgemacht; wenn sie versuchte, sie übersTelefon zu erreichen, wurde nicht abgeho-ben. So erging es allen im Hause.Da hatte die Dame eine Idee. Sie pflanzteeine Sonnenblume in einen großen Topf undstellte sie auf ihren Balkon. Die Blume wuchssehr schnell, und bald erreichte sie den obe-ren Stock – den Balkon der Vermieterin. Undals die Sonnenblume zu blühen begann – dieältere Dame begoss sie täglich – da leuchte-te die Blüte genau auf der Höhe des oberenBalkons, wo die Vermieterin wohnte.Da freute sich diese so sehr, dass sie hinun-terging und sich für die Sonnenblumebedankte. So kamen sie ins Gespräch – undalle Hausbewohner schmunzelten erleichtertüber den Trick der Dame mit der Sonnen-blume.Auch könnte man sehr vorsichtig umgehenmit den Blumen, die ihren „Abfall“ ins näch-ste Stockwerk abwerfen ...Wie gesagt: Brücken sind gut und könnenuns auch nach 30 Jahren gut tun. Z. B. sinddie beiden Gemeinden gute Brücken – füralle.Ich wohne jetzt über 30 Jahre im Olympi-schen Dorf. Es ist mir vieles ans Herz gewach-sen, und das hat vielfach mit Brücke zu tun:vom Gruß her bis zur Entschuldigung.So wünsche ich noch gute Jahre mit vielengoldenen Brücken.

MEDITATIONder Lage, einen klar strukturiertenAufgabenkatalog abzuarbeiten.Gleichzeitig spielte sich zu dieser Zeitin der GV ein Prozess der Selbst-findung und Konsolidierung ab, dermehrheitlich zu der Erkenntnis führte:

Wenn wir nicht ge-meinschaftliche Auf-gaben gemeinsamanpacken, werdenwir – auch einzeln –nicht weiterkommen.

Erst als sich der Bauzustand in einigenBereichen der Fußgängerebene sodramatisch verschlechterte, dass aneinzelnen Stellen Einsturzgefahrbestand, besannen sich die Treu-händer und beschlossen in der GVder ODBG mehrheitlich, zur Vorberei-tung der gemeinschaftlichen Sa-nierung der öffentlichen Gehwegs-flächen ein unabhängiges und sach-verständiges Gutachten erstellen zulassen. Darin wurde abschnittsweiseund detailliert der unterschiedlichebauliche Zustand und die damitzusammenhängende Gefährdung derFußgängerebene dargestellt und vierunterschiedliche technische Vorschlä-ge zur Sanierung unterbreitet. Der Rest ist bekannt und hier schonöfter aus unterschiedlichen Blick-winkeln dargestellt worden. Wichtigaber ist insbesondere, dass an diesernur gemeinschaftlich zu lösendenAufgabe „Instandsetzung der Über-bauungsbereiche im OlympischenDorf“ das Bewusstsein darüber in derGesellschafterversammlung sowohlneu entstanden ist als auch sich nochweiter vertieft und verfestigt hat.Mehr und mehr Eigentümer im Olym-pischen Dorf beginnen nach nun-

mehr 30 Jahren zuerkennen, dass siemit der ODBG ihreigenes Unterneh-men zu ihrem eige-nen Vorteil betreiben.

S. Goedeckemeyer – Treuhänder ODBG

Dr. J. Schmidt - Straßenbeirat Straßbergerstraße

Piktogramme: Otl Aicher 1972

Mo-Fr 6.00 - 19.00 Uhr • Sa 6.00 - 14.00 Uhr • So 8.00 - 11.00 Uhr

••••• ständig ofenfrisch •••••

Auf Ihren Besuch freut sich Familie Forsterund gratuliert dem Olympiadorf zum 30-jährigen Jubiläum

Page 28: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 28 Nr. 74

Kurz nach den Olympischen Spielen1972 wollten nur wenige hinauszie-hen, eine Zeitlang standen über dieHälfte der Wohnungen im Olympia-dorf leer. Doch inzwischen ist ausdem ehemaligen Sportler-Quartierein beliebtes und attraktives Stadt-viertel geworden. Heute im olympi-schen Dorf eine Wohnung zu finden,ist schier unmöglich. Denn die ‚Dörf-ler’ fühlen sich rundum zufriedenund möchten nicht mehr wegziehen.Und das ist auch verständlich: Werlebt mitten in einer anonymenMillionenstadt nicht gern in einemkleinen, überschaubaren, geschlosse-nen Dorf? Die Bewohner der ‚Insel-stadt’ entwickelten ein Eigenleben,ein Zusammengehörigkeitsgefühl,das in keinem anderen MünchnerStadtteil so ausgeprägt ist. Lebensqualität, oft ein leeres Schlag-wort, ist im Olympiadorf Wirklich-keit. Der gesamte Autoverkehr istunter die Erde verbannt. Das Dorfgehört allein den Fußgängern undRadfahrern. Innerhalb von Grünan-lagen in einer gesunden Luft ohneAbgase und Verkehrslärm zu woh-nen, macht Spaß.

Prädikat: Kinderfreundlich

Und wohl kein anderer Stadtteil inMünchen kann mit einer solchenBerechtigung das Prädikat kinder-freundlich ausgestellt bekommen ...Spielplätze, Grün- und Sportanlagen,mitten im Dorf ein kleiner See ...

Richtiges Dorfleben

Das junge Dorf hat schon ein richti-ges Dorfleben entwickelt. Es tut sicheine Menge und wer hier Langewei-le verspürt, ist selber schuld.Sommerfeste im Freien, Flohmärkteund Kunstausstellungen sind zu fest-en und beliebten Einrichtungengeworden. Ein Sportverein, ein vor kurzem ge-gründeter Kulturverein und die bei-den Kirchen bieten ein vielfältigesFreizeitangebot ... Zwei eigene Zei-

tungen informieren die Bewohner:Der „Dorfbote“ der Einwohner-Inter-essen-Gemeinschaft und „Olympia-dorf aktuell“, die Stadtteilzeitung derSPD ...

Alle Wünsche werden erfüllt

Wer sich nach dem neuesten Trendkleiden will, braucht nicht in dieStadt zu fahren. Die Boutiquen bie-ten für jeden Geschmack etwas. ObSie eine neue Brille brauchen, sichdie Haare färben oder einen Anzugreinigen lassen wollen, im Laden-zentrum werden Ihre Wünscheerfüllt ... Die Einkäufer sind nichtvon der üblichen Großstadt-Hektikbeherrscht. Hier schlendert mangemütlich durch die Geschäfts-passagen. Immer wieder bleiben dieLeute stehen, um Bekannte zubegrüßen. Der „Dorfratsch“ istständiges Requisit des Einkauf-bummels ...

Münchner Stadtanzeiger 1979

Sportlerquartier > Geisterstadt > Olydorf

Ensemble Olympiapark - Umgrenzung: DerBereich, der durch die Landshuter Allee imWesten, die Trieb- und Moosacher Straßeim Norden, die Lerchenauer Straße im Os-

ten sowie die Fußlinie des Olympiabergsund den Verlauf des Nymphenburg-Bieder-steiner Kanals im Süden eingegrenzt wird,beschreibt ein Ensemble von geschichtli-cher, künstlerischer und städtebaulicherBedeutung. Es enthält in einem künstlichgestalteten Landschaftspark, unter demWahrzeichen des Olympiaturms, die zurAusrichtung der XX. Olympischen Spiele1972 angelegten Sportstätten nebst denzugehörigen Nebeneinrichtungen undVerkehrsanlagen, sowie das Olympische Dorf.

Auszug aus der Denkmalliste 2001

Foto

:E.S

edlm

eier

Das größte Dorf der Welt 72

München hat bei seiner Bewerbung umdie Olympischen Spiele 1972 „Spiele derkurzen Wege“ und „Spiele im Grünen“versprochen. Ob es sein Versprechenauch eingelöst hat, werden diejenigenentscheiden, die jetzt in das olympischeDorf einziehen - nämlich Sie!Zunächst einmal: Viel zu laufen brauchenSie wirklich nicht. Ein Blick auf das oftbeschriebene Zeltdach beweist, daß manIhnen die Sportstätten sozusagen vor dieFüße gelegt hat.Was nun die Wege im olympischen Dorfselbst betrifft, sie sind tatsächlich nicht derRede wert! Wenn Ihnen der Bummel durchdas Dorf trotzdem zu lang erscheint, dannbedenken Sie, wieviel Zeit bei einer Stipp-visite im Vergnügungszentrum, in derMilchbar, in der Ladenstraße oder beimBaden vergehen kann. Auch sollten Sie nicht vergessen, daß Sie ineinem jungen Dorf wohnen, dessen Bäumesich erst zu richtigen mausern müssen unddessen Rasen noch in der Pubertät steckt!In Ihren Wohnungen werden später Fami-lien leben und im Vergnügungszentrum,das Ihnen die Freizeit vertreibt, werdenSchulkinder mit mathematischen Formelngeplagt und kleine Kinder gehütet.Sobald die olympischen Damen aus derGefahrenzone heraus sind, verschwindetnatürlich auch der vieldiskutierte Zaun.Tragen Sie ihn mit Humor, wie überhauptalles, was nicht so perfekt ist. Perfektionhaben wir nämlich nicht versprochen. Die junge Australierin Shane Goulderklärte: „Es ist wunderbar“ - vielleichtim Namen vieler!

Village News 17.8.1972

Page 29: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 29Nr. 74

Endlich (1975) war es soweit. Der Möbelwagen näherte sichdem Dorfe. Neuzuzüglers hattenihr Domizil im Flachbereichgemalt und geweisselt, geputztund gefegt. Nun standen sienebst Kindern, Hund, Katze undMeerschweinchen erwartungsvollam Reihenhausportal.

Nach drei Stunden standen und war-teten sie noch immer. Nanu? Da kamschweißtriefend und erschöpft, dieHand drohend zur Faust geballt, einMann daher: „Wie können wir dennhier hereinfahren? Drei Stundenschon irren wir mit unserm großenMöbelwagen herum. Von Orientie-rungshilfen habt Ihr im Dorfe wohlnoch nie etwas gehört, was?“Ein Schatten der Betroffenheit glittüber die Gesichter unserer Neu-bürger. (Immerhin Betroffenheit, alsoman fühlte sich bereits dazugehörig.)Wie konnte man den Möbelmannberuhigen? Der Älteste, aktiver Pfad-finderführer, erbot sich als Geisel undfolgte dem noch immer zornigenTransportexperten treppauf und -nie-der zum Lastwagen. Dort hatte sichbereits ein Wagenstau gebildet, undman war soeben dabei, den polizeili-chen Abschleppdienst zu alarmieren.Wenig später und nach einigen ver-wegenen Wendemanövern stand dieMöbelfracht an der Einfahrt zurFeuerwehrstraße und damit kaum

noch 100 Meter vordem Ziel. Doch wie-der brach dasSchimpfen der Trans-porteure los: „Daaah- kommen wir mitunserm Wagen nichtunten durch, das isteinfach zu niedrig!“Erneutes Wenden,nochmals Kritik ander dörflichen Fehlar-chitektur, erneutesKurven durch dieUnterwelt, und nacheinem Umweg überOben-ohne-Straßenund -Zufahrten stan-den, endlich, endlich,die Möbel vor demneuen Heime.Rasch waren sie nunabgeladen. Wie aberging das alles insHaus hinein? EineHausbreite von 380Zentimetern ist zwar nicht ohne archi-tektonischen Pfiff, aber diese und ins-besondere die elegante Wendeltreppenach oben und nach unten birgtunzählige Gelegenheiten, auch dieletzten Verzierungen der einzelnenMöbelstücke hinsichtlich ihrer Abmes-sungen schätzen zu lernen. Dankungeahnter Kreativitäten aller Betei-ligten erfolgten Teiltransporte viaBalkonbrüstung, und der alte Wäsche-schrank, der im Souterrain Platz findensollte, fiel einer horizontalen Durch-schneidung anheim, um später wiederkunstgerecht repariert zu werden.

Ein neues Dorf setzt eben neue Maß-stäbe, glücklicherweise nicht nurbezüglich der wohnlichen Enge, son-dern auch und insbesondere bezüg-lich der Lebensqualitäten. Auf diese –und nicht weniger als das – aberkommt es an. Sie machen denberechtigten Zorn jener Möblerebenso wie späterer Lieferanten allerArt wieder mehr als wett. Schließlichsoll sich jeder Fremde im Dorf verlau-fen, geschieht ihm ganz recht, wenner hier nicht wohnt!

Aus „Dorfgeschichten“

von Hannspeter Voltz, 1983

1975 - Möbelwagen vor Reihenhausportal

• Einbinden von Büchern, Fotoalben, ... • Einbinden von Doktorarbeiten, Manuskripten aller Art, ...• Restaurieren von alten Büchern und Spielen, ... • Anfertigen von Behältnissen für alles und jedes in jeder Größe

• Aufziehen und rahmen von Bildern, Landkarten, ...• Prägen und verzieren von Bucheinbänden, ...

Lassen Sie sich unverbindlich beraten, wenn Sie Wertvolles erhalten, oder etwas Neues individuell gestalten wollen- wenn Sie mal mit einem wirklich persönlichen Geschenk Freude bereiten wollen.

Ich liefere kurzfristig - und immer in traditioneller buchbinderischer Qualität.

HandbuchbindereiJutta Dominke

Kantstraße 26 Rgb • 80809 München • Tel./ Fax 35 65 1004 • www.handbuchbinderei.de • e-mail: [email protected]

Der Einzug

Tücken der Architektur Foto

:priv

at

Page 30: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 30 Nr. 74

Sigrid (59), meine Frau und Fotojournalistin, und ich (64, Dipl.-Ing.) waren uns vomfast ersten Augenblick unseresKennenlernens an einig, daß unsdie Ferne mehr interessiert alseine Karriere zu Hause. In den60er Jahren zogen wir immergrößere Reise-Kreise in Europa,doch 1968 machte uns eineAuto-Reise in den Iran endgültigsüchtig. Ein Jahr später beschlossen wir, die Erde perAuto in östlicher Richtung zuumrunden. Wir kauften einenVW-Hochraumbus, bauten ihn als fahrbare Wohnstatt aus,kündigten unsere Jobs, verkauf-ten Hab und Gut und brachen im Herbst 1971 auf.

Wir durchquerten Asien, verschifftennach Australien, um auch diesenKontinent von West nach Ost zudurchkreuzen, gingen erneut auf einSchiff nach Südamerika und fuhrendurch nahezu alle süd- und mittel-amerikanischen Staaten sowie Me-xiko nach USA. Als wir Ende 1974 –reich an Erlebnissen und Erfahrun-gen, aber mit tiefrotem Konto – zu-rückkehrten, machten wir aus sehrpragmatischen Gründen unsere ersteBekanntschaft mit dem OlympischenDorf. Wir hatten uns kurzfristig ent-schlossen, in München zu bleibenund hier zu arbeiten. Dazu brauch-ten wir eine Wohnung. Der Marktwar um die Weihnachtszeit leerge-fegt. Wir erinnerten uns an Presse-berichte über Wohnungshalden imOlympiadorf und fuhren in die dama-lige Geisterstadt. Zufällig trafen wir einen Hausmeister,der uns ein Einzimmerapartment imHelene-Mayer-Ring vermittelte. Ge-wohnt, jeden verfügbaren Raum zunutzen, unterteilten wir das Zimmerhorizontal, indem wir von einemWandregal zu einem Kleiderschrank,den wir in die Zimmermitte gestellthatten, Balken legten und dort obenunser Bett einrichteten. So gewann

Sigrid eine Dunkelkammer, in der sieihre zahllosen Reisefotos ausarbeitenkonnte. Vom Hochbett bot sich,obwohl wir nur im 4. Stock wohn-ten, bei Föhn-Sonnenuntergängenein unvergleichlicher Blick genWesten.Auf der Ausstellung Caravan undBoot 1975 konnten wir unser Welt-reise-Auto ausstellen. Wir produzier-ten eine Broschüre über die Er-fahrungen der Reise, die uns förm-lich aus der Hand gerissen wurde.Das bestärkte uns, Tips für individu-elle Fernreisen, Baupläne für dieInneneinrichtung wie auch unsereReiseerlebnisse zu publizieren. Dochals mir Mitte des Jahres die UNOeinen Job an einem Telekommuni-kations-College in Pakistan anbot,entschlossen wir uns sofort, erneutnach Osten aufzubrechen. Fast aufAnhieb fanden wir einen Nachmieterfür unser etwas ungewöhnlich einge-richtetes Apartment und machtenuns bald mit unserem VW-Bus nachHaripur auf den Weg, einen kleinenOrt im Norden Pakistans. Dort hatteSiemens eine Telefonfabrik gebaut,der eine Weiterbildungseinrichtungangegliedert war. Mein Job war etwas mühsam, aberdas Leben auf dem indischen Sub-kontinent interessant. Als gegenEnde der Vertragslaufzeit mein vor-heriger Chef aus Deutschland anriefund fragte, ob ich wieder bei ihmarbeiten wolle, sagte ich zu. Zuvorkonnten wir noch an einer Gru-ppenreise für in Pakistan lebendeAusländer ins damals sehr verschlos-sene China teilnehmen, zu einer Zeit,als Mao noch lebte und uns dassozialistische Paradies nahegebrachtwerden sollte.Schon in Pakistan hatten wir be-schlossen, wieder eine Wohnung imOlympiadorf zu suchen, weil uns diekurze Wohn-Episode die vielen Vor-teile des Dorfes gezeigt hatte. Als wirin München eintrafen, sahen wir unsum und kauften innerhalb wenigerStunden eine Dreizimmerwohnung

in der Nadistraße im 8. Stock, in derwir uns sofort wohl fühlten. Wäh-rend unserer Abwesenheit hatte sichin Deutschland ein alternativer Reise-führermarkt für Individualtouristenentwickelt. Wir fassten die Broschü-ren unserer Reisen zu einem Buch„Im VW-Bus um die Erde“ zusam-men und gaben es im Selbstverlagheraus. Das Buch verkaufte sich sogut, daß wir fünf Auflagen heraus-bringen konnten.1978 bot mir mein Arbeitgeber an,ein Tochterunternehmen aufzubau-en. Doch zuvor konnte ich noch zweiUrlaube für eine Reise nach West-afrika zusammenlegen. Mitte No-vember brachen wir mit unseremgrundüberholten VW-Bus auf underreichten bald die Tannesrouftpistein Algerien, die westliche Route indie Sahelzone. Am Pistenbeginn füll-ten wir Wasser- und Fahrzeugtanksowie zusätzlich 17 Benzinkanisterauf, denn es lagen 1400 km sprit-fressende Piste vor uns, und es konn-te gut möglich sein, daß es an derenEnde kein Benzin gab. Mit dem zwei-radgetriebenen, total überladenenWagen mußte man um jede Weich-sandstelle herum navigieren. Na-türlich blieben wir ein paar Mal ste-cken und mußten das Fahrzeugmühselig ausbuddeln. Aber die ein-samen Wüstennächte, die Sonnen-unter- und -aufgänge und die un-endliche Weite machten alle Mühsalwieder wett. Nachdem wir uns in Westafrika um-gesehen hatten, durchquerten wirauf der Hoggarpiste, der damaligen„Rennstrecke“ zwischen Nord- undSüd-Sahara, die riesige Wüste einzweites Mal. In Tamanrasset bekamunser braves Auto wieder Asphaltunter die Räder, zehn Tage späterkehrten wir zurück nach München.Eine völlig andere Welt erwartetemich zu Hause. Vom VW-Bus-Fahrer-sitz mußte ich in den Geschäfts-führersessel einer Firma umsteigen,die zunächst nur aus einem weiterenIngenieur, einer Sekretärin und mirbestand. Immerhin kamen wir miteinem interessanten Angebot aufden Markt: Computer oder andereelektronische Anlagen, die bis dahin

Das Olympiadorf

Mittelpunkt unserer Welt

Page 31: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 31Nr. 74

nach z.B. Brandschäden verschrottetwurden, zu einem Bruchteil des Neu-preises wiederherzustellen. Bereitsam Jahresende beschäftigten wir 15Mitarbeiter. Doch eine so spezialisier-te Dienstleistung konnte nur weit-räumig vertrieben werden. Baldschon gründeten wir Tochtergesell-schaften in der Schweiz und in denUSA. Um das Know-How dort aufzu-bauen, zogen Sigrid und ich für einVierteljahr nach New York um.Obwohl mich mein Beruf fast ständigherumtrieb, konnten wir von denEinzelreisen in unserem VW-Busnicht lassen. Im ersten längerenUrlaub verschifften wir nach Ale-xandria und bereisten Ägypten. Wie-der stellten wir fest, daß es für Ein-zelreisende keine brauchbare Li-teratur gab. Ziemlich spontanbeschlossen wir, selbst einen Reise-führer für Individualisten zu schrei-ben, den wir 1983 in unserem Verlagherausbrachten. Schon nach einemJahr war die Erstauflage verkauft, fürdie Aktualisierung jeder weiterenAuflage reisten wir erneut in das sichstürmisch entwickelnde Land. ZurZeit sind wir bei der 14. Auflageangekommen, die auf knapp 700Seiten angeschwollen ist. 1985 grün-deten wir zusammen mit fünf gleich-gesinnten Selbstverlegern die Reihe„Reise Know-How“, die sich strikteQualitätsstandards setzte und heuteals die führende Reihe für Indi-vidualreisende mit über 200 Titelngilt.Ägypten wurde uns zur zweiten Hei-mat. In einer Oase kauften wir unsein Grundstück, das außer ein paarPalmen nichts anderes bietet alseinen unbegrenzten Blick in die wei-te Wüstenlandschaft. Das ThemaÄgypten war auch mein Heilmittel,den täglichen Stress eines überlan-gen Arbeitstages zu kompensieren:wenn ich schrieb, reiste ich faktischim Land umher. Aber die Firma botneben den technischen Herausfor-derungen und den Erfolgserlebnissenauch den Vorteil, daß wir mehr undmehr Tochtergesellschaften bis hinnach Neuseeland gründen konnten.Das bedeutete ständiges Reisen, beidem mich auch öfters Sigrid beglei-

ten konnte.1986 trennten wir uns nach 16jähri-ger Freundschaft endgültig vonunserem braven VW-Bus, der einenwohlverdienten Platz im DeutschenMuseum fand, und stiegen auf einneues Allradmodell um. 1989 öffne-te sich die DDR-Grenze, wir fuhrensofort los, um das uns unbekannteDeutschland gründlich zu besichti-gen und darüber einen Individual-Reiseführer zu schreiben, den wirbereits im Juli ‘90 herausbrachten. Unsere Verlagsarbeit, um die sichSigrid hauptsächlich kümmerte,beanspruchte immer mehr Platz, dieDreizimmerwohnung reichte nichtmehr aus. Wir suchten nach einergrößeren Wohnung. Ein Makler botuns eine Penthousewohnung an, dieuns aber vor der Nase wegge-schnappt wurde. Enttäuscht gingenwir „fremd“ und schauten uns Häu-ser am Stadtrand Münchens an.Aber wir konnten uns nicht vorstel-len, es in der vergleichsweise men-schenleeren Vorstadtidylle auszuhal-ten. Wir stellten schnell fest, was unsder weite Blick, die kurzen Wege unddas soziale Umfeld im Olympiadorfbedeuteten und kehrten reumütigmit unseren Gedanken zurück. Die Makler im Olympiadorf konntenuns mit entscheidend größeren Woh-

nungen nicht weiterhelfen. Kurz ent-schlossen schrieben wir alle Pent-housebesitzer an - und siehe da, einerwar bereit zu verkaufen. Im Herbst1991 zogen wir erneut ein paarStockwerke höher. Hier fanden wirden ausreichenden Platz, um Bücherschreiben, Fotos bearbeiten und diegeschriebenen Bücher bis zurDruckreife herstellen zu können.Arbeiten und Wohnen gehen hieroben eine grandiose Symbiose ein.Wenn der Blick vor lauter Computer-arbeit rechteckig geworden ist, gehtman in die grüne Terrassen-Oase undentspannt, schaut (im Sommer) denAmseln zu, die im Vogelbad plan-schen, den Meisen, die emsig ihreJungen füttern. Selbst wenn die Win-terstürme das ‚Häuschen’ wegzubla-sen drohen, frischen ein paar Rundenauf der Terrasse den Kopf wieder auf.1998 zog ich mich aus der Firma, dieinzwischen in 18 Ländern vertretenwar und weltweit 600 Mitarbeiterbeschäftigte, ins Privatleben zurück.Sigrid und ich beschlossen, uns nunein etwas komfortableres, gelän-degängiges Wohnmobil nach eige-nen Plänen bauen zu lassen, umungehindert unserer Leidenschaftnachgehen zu können: unterwegs zusein.

Wil Tondok

Foto

:Sig

frid

Ton

dok

Unsere grüne Oase über den Dächern

Page 32: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 32 Nr. 74

„The games must go on’’ – Noch immer prägt dieser Satz dieSchatten der Vergangenheit.

München, Olympiadorf 1972: Hiertraf sich die Jugend der Welt. Mün-chen vibrierte. München atmete hef-tig ein und aus. München lachte. DerMief des Gestern, der lange wie einMorgennebel über der Stadt lag,hatte sich schlagartig verzogen.„Olympia“ schüttete ihre goldenenStrahlen über die Stadt. Die Men-schen, U-Bahn, S-Bahn, Straßen-bahnen – alles „funktionierte“ fürdas große Fest. Frau/Mann ließensich anstecken von der guten Laune.Vom Lächeln. Vom Lachen. Die Son-ne strahlte. Der Himmel weissblau.Menschen umarmten sich. Lagensich in den Armen. Die ganze Weltwar zu Gast in München. Olymp warheruntergestiegen zu den Men-schen. München feierte. Bis zu denSchüssen ... Dann Trauer. Eine Stadt –ein ganzes Volk weinte. Die Welttrauerte. Menschen lagen sich wie-der in den Armen. Diesmal aber trä-nenbenetzt.Das Olympiadorf. Vom Olympiaturmaus betrachtet. Wie an einer Per-lenkette aufgezogen kuscheln sichdie Bauten in der Connolly-, Nadi-und Straßbergerstraße in die Land-schaft. Der BMW-Zylinder bewachtgönnerhaft die Szene – abgeschirmtvon den klotzigen Abwehrbautendes Helene-Mayer-Ringes. Die Stu-dentenwohnungen ducken sich buntund flach. Der Mittlere Ring durch-quert mit immerwährendem Sausen

die eine Seite der Olym-pischen Anlage. Dasgraue Band des Frank-furter Ringes grenztzum Norden hin ab. WieNarben in der Land-schaft wirken diese Zeit-räuber der Modernevom Olympiaturm ausbetrachtetDas Olympiadorf. DieMetamorphose istgelungen. Von der ein-stigen Müllhalde zumliebenswerten Dorf im„Dorf“. Das ist dasOlympiadorf. Es ist zwarnicht alles Gold wasglänzt. Doch hier ist jetztnicht der Ort zum Me-ckern. Jetzt soll gefeiertwerden. 30 Jahre Olym-piadorf. Wenn das nichts ist. Anmanchen Stellen ganz schön herun-tergekommen, lässt der Zahn der Zeitso manche Bausünde(n) und Fehlpla-nungen zum Vorschein treten. Aberinsgesamt kann ich sagen: Manchmalkomme ich mir hier vor wie auf demOlymp. Die Pappeln singen rau-schend ihr Lied. Die Amseln lassensich nicht lumpen und stimmen fröh-lich ein, die Spatzen tschirpen dazu.Die Sonne lacht oft. Autos verschwin-den im Untergrund. Oh Dorf, wie bistdu so ruhig, oft. Bei Föhn winken dieAlpen und du „riechst“ förmlich dasMittelmeer rufen. Das Olympiadorf. Manchmal frageich mich, ob unsere „Kommunika-tion“ im Dorf stimmt? Viele Mitbe-

wohner kennen sich auch nach Jah-ren nur vom Anschauen – beimNamen wirds noch schwieriger. UndEinsamkeiten lauern in dieser, unserer„dörflichen“ Gemeinschaft. Da tut esoft gut, dass Kirche und Küche zuden Festen zusammenkommen. Hierwerden Kontakte geknüpft. Aberlangt das? Brauchen wir nicht eineneue, verbesserte Kultur desZuhörens und des aktiveren Mit-einander? Ehrliche Kommunikationauf allen Ebenen, allen Fluren istangesagt. Wie geht es denn demNachbarn wirklich? Nehmen wir dochnur die Kulturveranstaltungen im Oly-dorf. Traurig zu sehen, dass oft nureine handvoll Teilnehmer anwesendist. Trotzdem erfreut das Angebot.Und dass das (Kinder)-Kino weiter-macht ist auch ein Sieg der Vernunft.Nur – der Fahrstuhl zum forum 2könnte öfters zugänglich sein - fürdie, die ihn wirklich brauchen ...Das Olympiadorf. Eingebettet in eine„Stadtschaft“. Das Dorf im Dorf. Ver-wegen trotzend. Trutzburgmässig -doch „Ubahnig“ und „bussig“ gutzu erreichen ... Olympiadorf - ich lie-be dich.

Peter Rubin HMR

Für das Dorf typische Terrassenhäuser

Foto

:H

elga

Eis

enbe

rgerDas Dorf im Dorf

Kultstätte der Moderne?

MAGIC HAIR

Wir schneiden Haare- und das gut -

- seit 13 Jahren im Dorf -

Telefon: 351 92 77

Page 33: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 33Nr. 74

Was Goethe seinen Faust sagen lässt,liest sich wie eine Beschreibung desMünchner Olympiadorfes: Zu hörenist des Dorfs Getümmel in der La-denstraße zwischen Plus und Ten-gelmann, oder im Kirchenzentrum,wenn Katholiken und Protestantennach getrennten Gottesdiensten infriedlichem Plausch vereint sind. WoGegensätze überbrückt werden, daist des Volkes wahrer Himmel. Allekönnen zufrieden jauchzen und sichnach Lust und Laune entfalten: Imforum 2 oder in den gemütlichenPubs die Großen, in den Kinder-gärten oder der Nadischule die Klei-nen. Für das Dorf gilt ohne Wennund Aber: Hier ist Menschsein mög-lich - Hund oder Katze sein übrigensauch. Wie von unsichtbaren Fäden gezo-gen, haben wir in unseren früherenWohnsitzen das Olympiadorf um-kreist: Zuerst, Ende der 60er Jahrevon Gern am Dantebad aus, dahaben wir die wunderbare Verwand-lung des brach liegendenOberwiesenfeldes in eine blühendeSportpark- und Wohnlandschaftmiterlebt. Dann hat uns der Schutt-berg von Schwabing-West aus zuSpaziergängen oder nächtlichenSchlittenfahrten angezogen, und wirhaben auf das Ziel unserer Träumegeschaut: Eine Wohnung im Olym-piadorf. 1985 war es so weit, seit-dem wohnen wir in der Straß-bergerstraße, zuerst im Flachbereich,jetzt im 5. Stock; seit neuestem lebteine Verwandte im Hochhaus amHelene-Mayer-Ring. So überblickenwir aus eigener Erfahrung oder näch-ster Nähe drei Wohnformen. Alledrei haben uns in unserer Einschät-zung bestärkt: Vielleicht ist „Him-mel“ zu hoch gegriffen - denn imHimmel regnet es nicht durch undder Beton wird dort nicht brüchig - ,

aber zu wohnen ohne Autolärm und-gestank, ohne Gefahr für spielendeKinder, mit schönen Parkwegenohne Straßenüberquerung, das istein Stück Stadtparadies. Im Flachbereich waren wir privile-giert, mit großzügiger Wohnfläche,getrennten Bereichen für Eltern undKinder, mit einem Atrium ohneAußeneinblicke. Das war wie inSchöner Wohnen. Dazu die absoluteRuhe, keine Stadtgeräusche, von denNachbarn nichts zu hören. Ge-legentliche Schritte von Fußgängernwirkten doppelt beruhigend: Wirsind im Dorf und nicht allein. Im 5. Stock ist die Wohnung zwarkleiner, aber das bedeutet keinenRückschritt, im Gegenteil: die Garageunter dem gleichen Dach, das warmeWasser sofort verfügbar, keine Amei-sen, Spinnen oder Schnecken als„Haustiere“. Hereinschauen kannhier auch keiner, die Nachbarn sindebenfalls (fast) unhörbar. Und, wasdas Schönste ist, der Himmel ist zumGreifen nah, er lebt und inszeniertsich von früh bis spät in herrlichenFarben und Stimmungen, mit gele-gentlicher Fernsicht bis zum Gund-remminger Rauchpilz und ge-

heimnisvoller Kulisse der Pressestadt,wenn sie im Nebel fast versinkt. Schließlich sehen wir das Olym-piadorf aus dem Blickwinkel einerBehinderten: Die Verwandte im He-lene-Mayer-Ring ist auf den Rolliangewiesen. Sie weiß ein Lied vonden Klippen und Hindernissen zu singen, die einen Stadtbesuch zurQual werden lassen. Auch im Olympiadorf ist die Rampe von derU-Bahn herauf nur schwer zu schaf-fen. Aber es finden sich immer Hilfs-bereite. Das Dorf ist ansonsten aus-gesprochen behindertenfreundlich:Lifte in den Hochhäusern, kaumSchwellen, Gesundheitseinrich-tungen vor der Türe, zuvorkommen-de Bedienungen in den Geschäftenund eine starke Solidarität aller Dorf-bewohner untereinander. Die Rolli-Fahrer gehören einfach dazu, ohnesie wäre des Dorfs Getümmel nichtvollständig.Wohnen die Menschen also gernehier? Wir können nur für uns ant-worten und dabei noch einmalGoethe zitieren. Ja, wir wohnen sehrgerne hier, denn: „Hier bin ichMensch, hier darf ich’s sein“.

Gunhild und Martin Bogdahn, S 20/V

Praxis für Entspannungs- und Atemtherapie

Birgit Obenaus – Atemtherapeutin (AFA-Diplom)Nadistr.135 – Tel.: 351 78 51

Gruppen- und Einzelbehandlung

„Der Himmel lebt und inszeniert sich von früh bis spät ...“

Foto

:priv

atOhne Wenn und Aber

Hier bin ich Mensch

„Ich höre schon des Dorfs Getümmel,

Hier ist des Volkes wahrer Himmel,

Zufrieden jauchzet groß und klein:

Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“

Page 34: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 34 Nr. 74

224 mal verdunkelte sich wäh-rend der Olympischen Spiele1972 der Saal des Kinos an derNadistrasse 3, um insgesamt 43000 Besuchern Unterhaltung, Abwechslung, Spaß oder Zer-streuung zu bieten. Statistischwar jeder damalige Olympiadorf-bewohner 4 x in diesem Kino.

Doch nach dem großen Sportfestsah alles ganz anders aus: Die bereitsbei der Planung vorgeseheneUmwandlung der Sportler-unterkünfte in Wohneigentum liefnur sehr schleppend an, die Pressetitelte mit dem Schlagwort Geister-stadt, und auch über das ehemaligeSportlerkino legte sich mithin einDornröschenschlaf, aus dem es erstwieder erwachte, als im Mai 1979eine Gruppe 45 engagierterStadtteilbewohner den KulturvereinOlympiadorf gründete. Der einstigeNur-Kinosaal im Untergeschoss derjetzigen Nadischule wurde - von Ver-

einsmitgliedern geplant und vomKulturreferat der Stadt Münchenfinanziert - zum Mehrzwecksaal um-gebaut. Der Intention gemäß, einenOrt der bürgernahen Vermittlungvon Kunst und Kultur zu schaffen,nannte man die neue Einrichtung„forum 2“ - denn der dafür treffen-de Name forum war bereits an eineöffentliche Verkehrsfläche im Olym-piadorf vergeben. Im September1980 konnten die DebütgruppenFreizeitkunst, Kinderkino Olympia-dorf und Kino forum 2 den lange er-sehnten Einzug in die neuen Räumehalten. Es schien so, als sollte sichdas Anliegen des Olympia-Bürgermeisters WaltherTröger an das einstigeKinomanagement „Bittespielen Sie weiter ...“ nunin modifizierter Bedeutungerfüllen: Allein das KinderkinoOlympiadorf, eines der erstenKinderkinos in München, zeigte bis

heute mit seinem regelmäßigen Pro-gramm und vielen Sonderveran-staltungen etwa 110 000 jungen Be-suchern insgesamt etwa 480 Filme.Einen besonderen pädagogischenWert hat die Konzeption als Kinder-Mitmach-Kino, d.h. Kinder könnenan Programmgestaltung und Organi-sation teilnehmen.Das Kino forum 2 - von Anfang anals eine nichtgewerbliche, aber den-noch mit professioneller Vorführ-technik ausgestattete Spielstelle vorgesehen - war Gründungs-mitglied der Filmstadt München e.V.,

einem vom Kulturreferat derLandeshauptstadt unterstütz-

ten Zusammenschlussengagierter Film- undKinoinitiativen. Von denrasanten Veränderungen

in der Medienlandschaftnicht verschont, entwickelte

sich das Kino forum 2 nachmehreren Umstrukturierungen zueiner Art Filmclub: „Filme sehen unddarüber reden“ (Filmgespräch mitFachreferat und Diskussion zu eineminternational preisgekrönten Film)sowie „Film am Nachmittag“ mitausgewählten Filmklassikern. Die Gruppe Freizeitkunst, wenigeran Besucherzahlen als mehr an derIndividualität ihres Wirkens mess-bar, fördert das künstlerische undkunsthandwerkliche Schaffen derBürger im Stadtteil (Zeichnen, Ma-len, Fotografieren, Papier- Glas-und Textilgestaltung, Umgang mitkeramischen und anderen Werk-stoffen). Aktuell gliedert sich dieseAbteilung in die Creativgruppe undMontagsmaler. Die Creativgruppebesteht aus ambitionierten Vereins-mitgliedern mit unterschiedlichenFertigkeiten. Zentraler Programm-punkt ist ihre bereits traditionellejährliche Ausstellung gegen Jahres-ende. Die Montagsmaler treffensich wöchentlich im forum 2 zumAkt- und Modellmalen. Auf ihrerebenfalls jährlichen Ausstellung imforum 2 zeigen sie ein breitesAuf dem Weg zum forum 2: Der „Wasservorhang“ von Hans Hollein

Foto

:Ber

nhar

d G

ötz

Kulturverein

Vom Sportlerkino zum Kulturtreff

Page 35: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Schattenseiten ... ?

... gibt es im Olydorf!Denn wo Licht ist, ist auch Schatten.Aber: Sieht man nicht schonLicht im Schatten?Ein nächtlicher Spaziergang:

Seite 35Nr. 74 Seite 35

Angebot vom Akt- über Blumen-und Landschaftsbilder bis hin zumStilleben. Weitere Veranstaltungen sind Kon-zerte aus allen Bereichen der Musik,Theater- Kabarett- und Diskussions-abende sowie auch stadtteilbezoge-ne und der Förderung des Gemein-schaftslebens dienende Veranstal-tungen, wie z.B. „Fisch und Kultur“nach Faschingsende oder das jähr-liche Sommerfest im Olympiadorf.Als Erkennungsmerkmal offener undlebendiger Vereinsaktivität darfgesehen werden, dass sich im Laufder Jahre auch neue Programm-gruppen konstituierten. Vor 10 Jah-ren begann der Aufbau einer eige-nen Bigband. Sie debütierte als„forum 2 bigband“ beim Jubiläums-sommerfest 1992 und befindet sichheute nach dem Urteil einer Jury desBayerischen Jazzinstituts in Regens-burg „auf einem Mittelplatz“ unterden 25 dort als Auftrittsbewerberbekannten Amateurbigbands in Bay-ern. Kurze Zeit später konstituiertesich ein eigener gemischter Chor,das „chorum 2“ (Folklore bis Jazz).Er gestaltete vor kurzem gemeinsammit dem Ökumenischen Chor, mitdem eine enge und gedeihliche Zu-sammenarbeit entstanden ist, so-wohl in der evangelischen wie auchin der katholischen Kirche des Olym-piadorfes eindrucksvoll eine Messevon Orlando di Lasso einschließlichder entsprechenden Gregorianik.Neu entstanden ist vor wenigen Mo-naten das Jugendkino. Es befindetsich noch auf der Suche nach einemgriffigen Namen für einen Oberbe-griff, der auch für eine weitere inGründungsabsicht stehende zu-sätzliche Jugendfilmgruppe passt.Im Herbst des Jahres wird das bereitsim „Anlaufbetrieb“ stehende Thea-terforum für Kinder und Jugendlicheseine regelmäßige Arbeit aufneh-men.Das momentan brennendste Pro-blem des Kulturvereins ist, dass seinvom Kulturreferat der Stadt Mün-chen zur Verfügung stehender Etatnicht im gleichen Maß expandiertwie seine Aktivitäten.

Günter Fitzke

In zwanzig Minuten entstand diese olym-pische Abendfrisur.

Village News - 2.9.1972

Kino gestürmt

Regelrecht gestürmt wurde vor ein paarTagen die Abendvorstellung im Dorfkino.Beim Einlaß zum Film „Vier Fäuste für einHalleluja“ drängten sich unvernünftigeKinobesucher so undiszipliniert durch dieEingangstür, daß diese aus den Angeln geris-sen wurde. „Wie durch ein Wunder wurdedabei niemand verletzt“, berichtete dieKinoleitung. Sie bittet die Gäste, künftig dasKino gesittet zu betreten. Es werden zudemdie in der Regel schwächer besuchten Vor-stellungen am Vormittag empfohlen...

Village News - 26.8.1972

Film-Finale

Stets gab es intensive Gespräche. Sei esbeim Besuch von Roman Polanski oder beiJames Loell, dem Kommandanten von„Apollo 13“, wie auch bei der Visite vonKirk Douglas....Das Film-Finale vom 12.9.-16.9.1972 im Cinema-Olympiadorf:Moderne Zeiten • Asterix und Cleopatra •French-Cancan • Vier genügen - Liebling• Lichter der Großstadt • Matinee-Vorstellung „Faust“

Village News - 12.9.1972

Dunja Rajter

Jeden Nachmittag treffen sich prominenteGäste aus dem Showbusiness im Bavaria-Club. Gestern kam Dunja Rajter, die rassigeJugoslawin, die mit ihren Liedern seit lan-gem in den Hitparaden gut placiert ist.

Village News - 31.8.1972

Fotos: Eva Knevels

Page 36: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 36 Nr. 74

DB: Herr Prof. Jonas, die wissenschaftlicheund literarische Welt schätzt Sie seit Jahr-zehnten vor allem als d e n Thomas Mann-Fachmann, ausgewiesen durch fünf BändeThomas Mann-Bibliographie, ein gewaltigesWerk-Verzeichnis, das 100 Jahre ThomasMann-Forschung zusammenfasst. Zu Ihrem80. Geburtstag ehrte man Sie mit einer Fest-schrift, „laudationes et salutationes“ (mitden gesammelten Äußerungen Th.Mannsüber Sie), während Sie selbst eine Art Ar-beitsbericht mit dem Titel „Fünfzig JahreThomas Mann-Bibliograph“ herausbrachten.Welcher Weg führte dorthin?

K.W.J.: Meine erste intensive Bekanntschaft miteinem Werk Thomas Manns machte ich imSommer 1945: Ich hatte in Greifswald, Berlinund Würzburg Sprachwissenschaften studiert ...Durch die Kriegswirren und den Vormarsch derrussischen Truppen hatte ich meine pommer-sche Heimat und allen Familienbesitz verloren,das letzte Hab und Gut raubte der Bombenan-griff auf Würzburg ... Im nahen Veitshöchheimgelangte der Roman „Der Zauberberg“ in mei-ne Hände ... Meine Frau und ich lasen ihn unsgegenseitig vor ... Seine abgehobene Vorkrieg-satmosphäre wirkte zugleich beruhigend undbeglückend auf uns. Der ‘Zauberer’ ThomasMann hatte uns in seinen Bann geschlagen.

Spontan beschlossen wir, jede Zeile diesesAutors zu lesen, jeden seiner Texte zu beschaf-fen. Aber gerade das war im damaligenDeutschland so gut wie unmöglich.

DB: Frau Prof. Jonas, waren Sie und ihrMann Studienkollegen?

I.J.: Nein, ich hatte in Heidelberg und MünchenRomanistik studiert. Aber wir stammen ja beideaus Stettin und kannten uns schon seit unsererTanzstundenzeit. Dieser erste Nachkriegssom-mer bleibt auch mir unvergesslich: frisch verhei-ratet, aber arm wie die Kirchenmäuse ... Wirmussten uns durchschlagen als Dolmetscher fürdie Amerikaner, Übersetzer, Sprachlehrer usw.Als mein Mann 1946 in Heidelberg an der Unials Student zugelassen wurde, durfte ich michdort sogar nur illegal aufhalten, die Stadt warmilitärisches Sperrgebiet.

K.W.J.: Schließlich bekam ich im März 1947eine Einladung zum Studium in Genf. Darüberberichtete ein Artikel in der „Neuen Zeitung“unter der reißerischen Überschrift: „Der ersteHeidelberger Student, der von der UniversitätGenf zum Studium eingeladen wurde.“ Immer-hin benötigte ich dazu eine offizielle Erlaubnisder Alliierten Kontrollkommission in Berlin, einDokument versehen mit den Stempeln allervier Besatzungsmächte! Die Einladung ausGenf hatte ich schon einmal 1938 erhalten,aber damals war mir von der deutschen Polizeider Pass verweigert worden ... Dem Semester inGenf schlossen sich noch zwei als Stipendiat inZürich an ...

DB: Und dann schafften Sie den ge-meinsamen Sprung in die Neue Welt?

K.W.J.: Ja. Und zwar mit einem Stipendium fürdie Columbia University New York – wegenmeiner Dissertation über W. Somerset Maug-ham. Das Zusammentreffen mit ihm persönlichim Januar 1949, seine Fürsprache und einigeglückliche Umstände lenkten meine Karriere indie richtigen Bahnen ...– und führten schließ-lich zu einem Aufenthalt von insgesamt 42 Jah-ren in den USA: Nach fünf Jahren in New Jer-sey folgten zwei Jahre in Connectitut, undschließlich von 1957 bis 1990, also 33 Jahrelang, als College-Professor in Pittsburgh,Pennsylvania.

DB: Frau Prof. Jonas, gelang Ihnen ein ähn-lich glücklicher Start?

I.J.: Nun, zunächst wechselte ich meinen Fach-bereich und studierte in New Jersey noch Ger-manistik. An der Universität in Pittsburgh pro-movierte ich dann mit einer Arbeit über „Tho-mas Mann und Italien“.

DB: Und Thomas Mann stand ja nun, nebenIhrer beider Lehrverpflichtungen an den Uni-versitäten, im Zentrum Ihrer wissenschaftli-chen Arbeit.

K.W.J.: Schon in der Schweiz, wo ja ThomasMann die ersten fünf Jahre seines Exils zuge-bracht hatte, war mir bei meinen ersten Tho-mas Mann-Recherchen klar geworden, wiedringend notwendig ein zuverlässiger Wegwei-ser nicht nur durch Thomas Manns eigenesWerk, sondern auch durch die weltweite, schondamals kaum noch überschaubare Sekundärli-teratur war. Zu welcher Kärrnerarbeit dieses insUferlose führende Sammeln und Systematisie-ren aber schließlich führen würde, zeigte sichnatürlich erst im Laufe der jahrzehntelangenArbeit an der Thomas Mann-Bibliographie...

DB.: ...eine wahre Sisyphos-Arbeit, wie DirkHeißerer jüngst in seinem Artikel „Der Sisy-phos des Bücherbergs“ in der FrankfurterAllgemeinen Sonntagszeitung bewunderndschrieb!

K.W.J.: Nun, praktisch jeden Sommer verzichte-te ich auf mein Gehalt, um - meist unterstütztdurch Stipendien - die notwendigenForschungsreisen durchzuführen, um vor OrtHinweisen nachzuspüren, Kontakte zu knüpfenund Material zu sichten...Während wirakribisch alles diesen Schriftsteller und Dichterbetreffende Material sammelten, kam nochhinzu, dass wir dabei auch andere Vertreter derklassisch-modernen deutschen Literatur des 20.Jahrhunderts in die Sammlung mit einbezogen- von H. Broch, G. Hauptmann, H. Hesse und R.M. Rilke, bis zu Ernst Jünger und Klaus undGolo Mann, über den ein Band „Leben undWerk“ in Kürze erscheint.

DB: Der erste Bibliographie-Band, versehenmit einem Vorwort von Thomas Mannselbst, erschien 1955, noch vor seinem Tod?

Personalia: Univ.Professoren em.Jahrgang 1920; verh.Dorfbewohner seit 1980

Hobbies: Reisen, Schwimmen,Reiten, Opernbesuche

Lektüre: Th. Mann, GoetheMusik: Händel, MozartMalerei: Impressionisten

Page 37: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 37Nr. 74

K.W.J.: Ja, er wurde ihm noch auf dem Kran-kenbett vorgelegt. Thomas Mann hatte jaschon seit 1948 persönlich an unserer ArbeitAnteil genommen. Und mit den Jahren hattensich zwischen uns und der Familie Mann sogarenge freundschaftlich-familiäre Beziehungenentwickelt, die wiederum auch deren zahlrei-che Freunde, Verleger, Verehrer, Förderer undHelfer in Europa und Amerika einbezogen. So entstand ein Netzwerk von Verbindungendurch Korrespondenzen, Empfehlungen, per-sönliche Besuche, Vorträge... und Schenkungen,z.B. von wertvollen Autographen.

DB: Und Sie werden als „die Seele“ diesergroßen internationalen Th. Mann-Gemeinde angesehen, wie es Ihr LaudatorHans R. Vaget einst ausdrückte!

K.W.J.: Mir ging es dabei nicht zuletzt auch umdie Förderung wissenschaftlicher Kontakte, diebeide Kontinente, Amerika und Europa, über-spannte. So führte z.B. das erste Zusammen-treffen mit Helmut Koopmann von der UniAugsburg, dem Präsidenten der HeinrichMann-Gesellschaft, 1980 dazu, dass wir 1984eine Partnerschaft zwischen den UniversitätenAugsburg und Pittsburgh eingingen, mit regel-mäßigem Austausch von Lehrern und Studen-ten. Aus Anlaß meines 70. Geburtstages fandim Mai 1990 in Augsburg in Gegenwart meinerdeutschen und amerikanischen Kollegen diefeierliche Überreichung einer von HelmutKoopmann und Clark Muenzer herausgegebe-nen Festschrift „Wegbereiter der Moderne“statt, einer Sammlung von Vorträgen, die zumeiner Emeritierung in Pittsburgh gehaltenworden waren.

DB: Diese enge Zusammenarbeit mit H.Koopmann förderte wohl auch denEntschluß, Ihre gesamte seit 1950 zusam-mengetragene Thomas Mann-Sammlungnach und nach der Universität Augsburg zuübergeben.

K.W.J.: Nur mit den finanziellen undtechnischen Mitteln und den wissenschaftlichenHilfskräften einer Universität ist dieWeiterführung unserer Arbeit überhaupt mög-lich und gesichert.

DB: Stand ihre Entscheidung für die Univer-

sität Augsburg auch in Beziehung zu IhremEntschluss, nach der Emeritierung 1988nach Deutschland zurückzukehren? Undwarum wählten Sie München, und warumdas Olympiadorf als Wohnsitz?

I.J.: München stand außer Frage. Ich mochtediese Stadt schon seit meiner Studienzeit hier.Und mein Mann hatte seine geliebte „Klause“schon seit 1980 hier im 14. Stock am HeleneMayer-Ring...

K.W.J.: ...deren Ausblicke mich noch heuteimmer wieder begeistern: nach der einen Seitekann der Blick in die Ferne zu den Bergenschweifen und auf der anderen erfreue ichmich am Gewusel der Kinder unten. Außerdemgefällt uns beiden am Olympiadorf seine zen-trale Lage, die günstigen Einkaufsmöglich-keiten, und nicht zuletzt die Internationalitätseiner Bewohner!I.J.: Als wir damals auf der Suche nach einerWohnung waren, half wieder einmal - wieschon so oft in unserem Leben - ein glücklicherZufall und die Bekanntschaft mit Frau Dr. Lan-ge. Sie wusste von einer schönen Wohnung, dieder stellvertretende türkische Generalkonsulbewohnte, aber in Kürze freimachen würde.Der Kontakt war rasch hergestellt, die Woh-nung gefiel uns, die Entscheidung war gefal-len.

K.W.J.: Ein gutes Omen schien uns zudem, dassich im Gespräch erwähnte, eine türkische Stu-dentin aus Istanbul, die dort die deutsche Schu-le besucht hatte, sei meine talentierteste

Schülerin, die Beste unter 20 Amerikane-rinnen.... Und: der türkische Konsul kannte sie!

DB: Dieser schöne Zufall läßt mich an einenanderen Ihrer Studenten in Amerika denken,der sich Ihrer mit besonderer Dankbarkeiterinnerte...

K.W.J.: Ja, er machte 20 Jahre nach seiner Gra-duierung, im Jahr 2000, meiner Wirkungsstätte,also der University of Pittsburgh, eine Stiftungfür einen Lehrstuhl, mit der einzigenBedingung, dass dieser nach mir benannt wer-den müsse... Also gibt es nun dort an der Uni-versität den „KWJ Chair of German Studies“.

DB: Aus Anlass der Beendigung Ihrer Le-bensarbeit über Thomas Mann mit demErscheinen des 5. Bandes der großen Bi-bliographie bereitete Ihnen, Herr Prof. Jonas,die Deutsche Thomas Mann-Gesellschaft1997 mit einem Festakt im LübeckerRathaus eine große Ehrung durch die Verlei-hung der Thomas Mann-Medaille. Und inIhrer Festansprache bezogen Sie expressisverbis Ihre Frau zu Recht als„mitausgezeichnet“ ein, wie dies Frau IngeJens in ihrem Glückwunschbrief vorgeschla-gen hatte. Wir dürfen Ihnen beiden unsereGratulation an dieser Stelle noch nachrei-chen, verbunden mit dem Dank für diesesGespräch und mit den besten Wünschen fürnoch viele glückliche Jahre in unseremOlympiadorf!

Dr. Renate Weber

INTERVIEW MIT FRAU ILSEDORE UND HERRN KLAUS W. JONAS

Klaus W. Jonas in seiner „Klause“ hoch über dem Olympiadorf

Foto

:Jan

Roe

der

Page 38: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 38 Nr. 74

Überprüft man das dreißig Jahre jungeOlympiadorf auf die Bedürfnisse undDiskussionen zum aktuellen Ge-schehen im Wohnungsbau, so kannman relativ schnell feststellen, dasssich verdichtetes städtisches Wohnenim „Dorf“ aktueller und flexibler dar-stellt, als viele neue Versuche heutiger„Stadtwohnformen“. Bereits bei derPlanung des olympischen Dorfes wur-den mit Weitblick und wissenschaftli-chen Analysen die „nacholympi-schen“ Nutzungen strukturell sorgsam

vorbereitet. Das Experiment Olympia-dorf begann auf Grund seiner „unge-wöhnlich neuen Wohnungsformen“zwar äußerst zögerlich, wurde aberschon sehr bald zum städtebaulichenKlassiker ohne vergleichbare Nach-folger. Die laufenden notwendigenSanierungen werden diese Qualitätennicht schmälern, eher noch steigern.Übertragen auf unsere nunmehrschon 20-jährige Dorf- und Familien-geschichte war und ist Flexibilität derWohnungstypologien und Grundrissestets Thema. Hier ein Kurzabriss die-ser kleinen „Dorfgeschichte“:April 1982 – 2 junge Studenten und1 kleiner „Rassehund“ bekommenvom Studentenwerk die lang ersehn-ten Bungalows im olympischen Stu-dentendorf zugewiesen. Endlich eineigenes Haus, billig und in einer phan-tastischen innerstädtischen Lage. EinTraum geht in Erfüllung. Die beidenBungalows werden zweckdienlich zueinem „Wohn- und Arbeitshaus“

umgebaut. Schon hier auf kleinstemRaum ist Flexibilität oberstes Gebot.Erste intensive Beziehungen zum„Oberdorf“ stellt unser kontaktfreudi-ger Rüde her, welcher zwecks weibli-cher Bekanntschaften tief ins olym-pische Dorf vordringt.Sommer 1985 – Das Studentenlebenneigt sich dem Ende zu, die Liebezum Dorf bleibt. Examen und Diplom,aber wenig Geld für das teureWohnungspflaster München. Kurz-fristig wird ein Jahr „flexibel-schwarz“ im sog. Eheappartementdes Studentendorfs gewohnt, quasials „Vorbereitungskurs“ auf das anvi-sierte Familienabenteuer.

Juni 1986 – Wir wollen auf alle Fällein München und nach Möglichkeitauch im Olympiadorf bleiben. DieserEntschluss intensiviert die Suche nacheiner Mehrzimmerwohnung. Ge-regeltes Einkommen und ein wenigGlück verhelfen zu einer 72 qm„Toplage“ an oberster westlichsterStelle in der Connollystraße. Zwei Ter-rassen in luftiger Höhe, stets Lichtund Sonne und quasi keine direktenNachbarn, lediglich die phantastischeZeltlandschaft der OlympiabautenBehnischs, eine „echte“ Adresse füruns. Auch der Hund genießt die neue„Aufsicht“ auf Zwei- und Vierbeiner.Nach der Geburt unseres ersten Soh-nes kann auch noch diese Wohnungräumlich flexibel angepasst werden.Eine Tochter gesellt sich zur Familie,jetzt wird es eng. Erste Überlegungenfür mehr Mietwohnraum scheiternmeist an den teuren Mieten in Mün-chen, auch im Olympiadorf. Somitreifen Pläne zum „Einkauf“ ins Dorf.

Nach langem Hin und Her und mitdem Druck der wachsenden Familie,erkaufen wir uns schließlich ein„Stück Olympiadorf“.September 1990 – Von ganz oben zie-hen wir der Kinder wegen nach ganzunten. Eine Maisonettewohnung mitGartenanteil in der Straßbergerstraßeerhält unseren Zuschlag. Hier schienuns auch noch Platz für Familienzu-wachs. Ein Junior bestätigte 1993 dieseweise Voraussicht. Die Wohnung wur-de komplett entkernt und mit planeri-schen Kniffs in eine 5-Zi-Wohnungumstrukturiert. Dieser Prozess desUmbauens hält bis heute an, es gibtkeine absehbare Endstufe, lediglich

Zwischenstände - und das ist gut so.Einzig die schnell wachsenden Kinderzeigen nunmehr räumliche Grenzenauf, die man aber bis dato noch gutzusammen „ertragen“ kann. Versuche, hieraus evtl. sogar mit ei-nem Ortswechsel auszubrechen, wur-den vor allem von den Kindern stetsvehement bekämpft. „Wenn über-haupt umziehen, dann nur innerhalbdes Dorfes“ ist ihre einhellige Devise. Momentan konzentrieren wir uns aufeine „individuell abgestimmte Nach-verdichtung“. Absichten, nach den„Olympiadorfsternen - Atriumbunga-lows“ zu greifen, scheitern vorerst anden hohen Liebhaberpreisen und derAussicht, dass in einigen Jahren viel-leicht schon der erste Spross das Wei-te sucht, wer weiß, vielleicht nurinnerhalb des Dorfes.Wie sich unser „Dorfleben“ weiter-entwickelt, erwarten wir mit Span-nung, Möglichkeiten gibt es viele.Ludwig, Stefanie, Moritz, Celina, Nicolas Wappner

Nomaden im Olympiadorf

20 Jahre flexibel wohnen

Page 39: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 39Nr. 74

Vor 8 Jahren sind wir nach meh-reren Münchner Wohnerleb-nissen in Steinhausen, Bogen-hausen und in der Maxvorstadtins Olympische Dorf gezogen –sozusagen im Selbstversuch.

Als Architekten und Stadtplaner undals Eltern von damals noch kleinenKindern haben wir uns immer wiederdie Köpfe heiß geredet, wo und wiedie, die wir beplanen, und auch wirselber glücklich wohnen könnten:Unser Wunsch war, die Kinder obenrein- und unten raus- und frei zuihren Freunden laufen lassen zu kön-nen, im Grünen zu sein und dieVögel singen zu hören, dabei abereine vielfältige, städtische Nachbar-schaft zu haben, vom Pkw unabhän-gig und in erträglicher Zeit mit demFahrrad in der Stadtmitte zu sein.Seit 8 Jahren sind wir nun glücklicheDorfbewohner. Die Kinder, die ihraltes Gründerzeit-Revier geliebt hat-ten, haben sich innerhalb einer Stun-de umgestellt und das Labyrin-thische des Dorfes als idealen Ent-wicklungsboden für sich entdeckt.Freundschaften fanden sie so schnellwie wir früher auf dem Land. DieNachbarschaften sind, ob durchräumliche Nähe gegeben oder durch

Wahlverwandtschaftenentstanden, herzlich undanregend. Und die Ver-einbarkeit von Familieund Beruf wird durch die-se Lebensumstände we-sentlich erleichtert. DasBedürfnis, wegzufahren,diese stete innere Unruheder Stadtmenschen, iststark reduziert, weil dieMöglichkeiten, zu Hausezu entspannen, vielfältigsind. Dafür ist die Freudebeim Heimkommen um-so größer.

Woran liegt es?

Im Wesentlichen wohlschon daran, dass sichdie Planer und Archi-tekten viele sinnvolleGedanken gemacht ha-ben, dass man sehr ganz-heitlich gedacht hat, unddass das Konzept, das ineinigen Punkten radikalund unkonventionell war,nicht verwässert, son-dern rasch umgesetzt wurde. DieMenschen finden sich darin undentwickeln das Vorgegebene kreativauf ihre sich wandelnden Bedürfnis-se hin weiter. Strittig ist wohl die„Betonarchitektur“, vor allem beiAuswärtigen, die erstmal die Stirnrunzeln: „M ü s s t Ihr hier leben?“

Aber ich kenne niemanden, dernicht gerne und mit Überzeugungim Olympischen Dorf wohnen wür-de und ob der Vorteile auch dieNachteile in Kauf nimmt: das Dorfhat sich seine Bewohner ausge-sucht.

Maya Reiner, Jörg Weber, Felix + Sophie

Es war einmal ... der Mittwochsmarkt auf dem ur-sprünglich als „Markt“ bezeichneten Kirchenvorplatz

Foto

:Ger

linde

Eic

hler

Eine kritische Beobachtung der Preise imDorf hat ergeben: Beim Friseur und in derParfümerie gibt es keinen Nepp, stattdes-sen bis zu 50 % Ermäßigung im Vergleichzur Innenstadt Münchens!Damensalon: Waschen und Legen DM 7,50... Herrensalon: Haarschnitt DM 4,-, Spe-zialmesserschnitt DM 7,50 ...Für kosmetische Fragen stehen Fachkräftezur Verfügung, die russisch, persisch,hebräisch, tschechisch, polnisch, spanisch,türkisch, italienisch, rumänisch, jugosla-wisch und alle skandinavischen Sprachensprechen.

Village News - 29.8.1972

Ein Dorf aus der Retorte

Geglückter Selbstversuch

OLYMPIA-FRUCHTHAUSObst, Gemüse ... Brot, Wein ... Delikatessen ... Bio-Produkte

am Forum – Mo-Fr 8-20 Uhr Sa 8-16 Uhr – Tel. 35 73 17 20

OLYMPIA-PIZZA-HAUStäglich warme Küche ... türkisch und italienisch

am Kirchenvorplatz - Mo-So 11-22 Uhr Sa 9-16 Uhr - Tel. 354 16 56

&&

Sa und So geöffnet- Lieferservice im Olympiadorf

Page 40: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 40 Nr. 74

Entstehungsgeschichte: Da die Ju-gendlichen in der Planung des ODvergessen wurden, gründeten enga-gierte Bewohner den Arbeitskreis„Jugend im Olympischen Dorf“. DieSuche nach geeigneten Räumlich-keiten für die Jugendlichen gestalte-te sich allerdings äußerst schwierig.Doch Rettung kam in Person des da-maligen evangelischen Pfarrers Koch.Er räumte ein Lager, das zur Auf-bewahrung von Stühlen diente, undschuf damit den vagabundierendenJugendlichen in der evangelischenOlympiakirche eine Heimat. 1980wurde dann über eine Arbeits-beschaffungsmaßnahme eine Sozial-pädagogin eingestellt. 1982 gelanges, diese Sozialpädagogin als festeStelle zu übernehmen. Die Teestubewar geboren. Die Trägerschaft über-nahm der Verein für Soziale Auf-gaben, der an die Diakonie als Dach-

verband angebunden ist; Zuschuss-träger ist seitdem das Stadtjugend-amt München. Schwierige Zeiten hatte der Kinder-treff dann in den 90er Jahren zuüberstehen. Zweimal sollte er aus derRegelförderung genommen werden,doch durch den unermüdlichen Ein-satz vieler Beteiligter, von der Leitungbis hin zu politischen Gremien, über-stand diese wichtige Einrichtung imOlympischen Dorf diesen Sturm. 1990 wurde die Angebotspalettedurch einen mobilen Wagen, densog. Spielwagen erweitert. 1995 ka-men dann Mädchen – als auch Jun-genarbeit und mobile aufsuchendeElemente hinzu, weit bevor diese An-gebote allmählich zum Standardwurden. Damit bewies der Kin-dertreff seine Innovationskraft. Mit Abschluss der neuen Konzeption

wurde 2001 aus der Teestube derKindertreff Oly. Wir sind stolz auf 20Jahre innovative Arbeit mit Kindernund Jugendlichen im OD.

Kindertreff Oly, HMR 25

(Nordseite evang. Kirche)

Tel + Fax 351 09 11

Foto

:Kin

dert

reff

Oly

20 Jahre Kindertreff Oly – ein Grund zu feiern

Michael Glaw,Kunsttherapeut

Eva Polak,Sozialpädagogin

Foto

s:pr

ivat

Die festen Mitarbeiter im Kindertreff

Ehemalige „Teestube“

20 Jahre Kindertreff Oly

Sportler zu GastSportler, die Lust haben einen Tag miteiner Münchner Familie zu verbringen,bitte melden:Gebäude G1, 3.Stock, Zi.311

Village News 31.8.1972

Page 41: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 41Nr. 74

A) Jung, dynamisch, am Anfang derberuflichen Karriere, zwei kleine Kin-der, Jeans, Bausparvertrag ... so sindwir und die meisten unserer Freundeund Nachbarn damals ins Olympia-dorf gezogen. Mutig waren wir – wenn man die ausheutiger Sicht trostlosen Bilder an-schaut, die wir damals der Bank alsBelegfotos von unseren nacktenSchachteln vorlegen mussten. VielVertrauen hatten wir darin, dass dasWohnexperiment, auf das wir unsmit Pioniergeist eingelassen hatten,auf Dauer gut gehen würde: So nahzusammen wohnen, mit so vielenMenschen in einer Großsiedlung ausder Retorte?Aber wir sahen die Vorteile desStädtebaus am Stadtrand mit U-Bahn-Anschluss, die einzigartige undkomplette Infrastruktur, den auto-freien Auslauf für unsere Kinder: Wogibt’s das sonst? Und die kahlenWände, das mickrige Grün – daswürde schon wachsen. Würden wirhier alt werden wollen? Alle womög-lich gleich alt, mit Stock und Hut undgleichen Zipperlein ... ?B) Alt, ein wenig jung geblieben, amEnde der beruflichen Karriere, die Kin-der erwachsen und „aus dem Haus“,die Jeans etwas veredelt, die Bauspar-verträge abbezahlt – das sind wir heu-te und viele unserer alten und neuen

Freunde und Nachbarn im OD. DerMut des Durchhaltens hat sich gelohnt,wenn man sich heute in unseren„blühenden Landschaften“ umschaut. Die robuste Großstruktur aus derRetorte hat sich bewährt. Sie ist trotzvieler, nicht immer gelungener Ver-änderungen im Kleinen erhalten, ein-gehüllt inzwischen vom üppigenBewuchs auf den Balkonen und anFußwegen, eingebettet in eine aus-gewachsene Parklandschaft – der ge-fahrlose Auslauf für unsere Enkel-kinder!Nur unsere Befürchtung, dass mal allegleich alt und gebrechlich sind, dasDorf ein Altenheim – das hat sichnicht bestätigt: Einige Nachbarn, eini-ge Freunde sind weggezogen, aberneue mit Kindern sind gekommen,oder ihre Kinder wohnen jetzt hier –die Monostruktur hat sich durch-mischt, die Alterszusammensetzungist wie in anderen gewachsenenStadtteilen auch. Man kann sagen,das Wohnexperiment ist geglückt.Das Dorf ist allen Unkenrufen zumTrotz ein beliebtes Wohngebiet. Auchohne Pioniergeist wohnt man gernehier, eng beieinander, aber auchzusammengewachsen zu Gemein-schaften: ein Dorf im Großen, dochmit der Möglichkeit der Anonymität,der privaten Ungestörtheit einesGroßstadtlebens – vorgegeben vonder Architektur mit einer Vielfaltunterschiedlichster Wohnformen.Wenn früher mehr die Jungen – unddas waren ja fast alle – aus Begeiste-

rung fürs Dorf Vereine gründetenund ehrenamtliche Verpflichtungenübernahmen, die Versammlungenbesuchten, so sind es heute ... immernoch vor allem die ‚Jungen vondamals’, die öffentliche Dinge tragen.Die Neuzugezogenen kamen undkommen in die ‚blühenden Land-schaften’ und die ausgewachseneBürgergesellschaft und sehen nichtso sehr das nach wie vor notwendigeEngagement im Dorf für das Fortle-ben der Gemeinschaft. Das erklärtdas geringere Interesse an dörflichenAktivitäten und „Aufgaben“. Aller-dings: Wenn dem Dorf und damitauch dem Einzelnen ein Unheil droht,dann gehen hier im Nu alle gemein-sam auf die Barrikaden - so wurdeschließlich Bärlocher abgesiedelt unddas Monsterstadion verhindert. Wir leben gerne hier, wohl wissend,dass all die Vorzüge auch erhaltenwerden müssen und nicht zuletztdurch persönlichen Einsatz.

L.K.

Liebe Mitbürger,das Olympische Dorf gehört Ihnen. Dasbedeutet, daß Sie sich in ihm so wohlfühlen und so frei bewegen sollen, wie esnur irgendmöglich ist. Wenn wir dennochein paar Wünsche und Anregungen gebenmüssen, so haben Sie sicher dafür Ver-ständnis, denn das Zusammenwohnen sovieler Gäste in einer Gemeinschaft bringtnun einmal einige geringfügige Einschrän-kungen mit sich ...

Walther Tröger (Dorfbürgermeister) in

Village News - 31.8.1972

Pionier und immer noch hier...

Mit 60 im 30ten

K R A N K E N G Y M N A S T I KLYMPHDRAINAGE • MASSAGE •FUßREFLEXZONENMASSAGE

Seit 18 Jahren ein fester Bestandteil im Olympiadorf:

Echtler-LeimbeckHelene-Mayer-Ring 9

Telefon 351 60 16 • Fax 354 27 94

Leimbeck-EchtlerHelene-Mayer-Ring 14

Telefon 351 70 70

• Manuelle Therapie• Sportphysio• Naturmoor• Maitland• Osteopathie

• Elektro/Eis• Cyriax• Bobath• Lymphdrainage• McKenzie

• Vojta• Massage• Brügger• Fußreflexzonen-

massage

Page 42: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 42 Nr. 74

Mit 150 Reformern aus aller Welt warich zu Gast bei der Bertelsmann Stif-tung, der größten unabhängigenDenk-Fabrik im Lande. Zum 25-jähri-gen Jubiläum hatten die Stifter zueinem Symposium eingeladen, dasder Frage nachging, wie sich demo-kratisches Handeln tiefer verwurzelnlasse. Die Antwort der Experten ausWissenschaft und Politik: Demokratievon unten fördern, die Mitbestim-mung der Bürger in lokalen An-gelegenheiten ausbauen und „partizi-patorische zivilgesellschaftliche Struk-turen verwirklichen“, wie dieehemalige Präsidentin des DeutschenBundestags, Rita Süssmuth, verlangte. Da war es aufgeblitzt, das Zauberwort„Zivilgesellschaft“ (gleichbedeutendmit „Bürgergesellschaft“), das wie einroter Faden die Rede- und Diskussi-onsbeiträge von Fachleuten aus allerWelt durchzog: Hoffnungsträger füreine gerechtere und friedlichere Welt-gesellschaft. Bürgerschaftliches Enga-gement, Sich-Einmischen und Mitre-den auf kommunaler Ebene ist nichtallein eine Rezeptur, deren nur auto-ritäre Länder in Afrika, Asien und La-teinamerika bedürfen - wir in Europaund besonders in Deutschland müs-sen sie uns verschreiben, wenn wir diesozio-ökonomischen Verwerfungendes 21. Jahrhunderts meistern wollen. Diese Bürgergesellschaft, ließ ich inder Diskussion wissen, haben wir imMünchner Olympiadorf aufgrundunserer Insellage und Selbstverwal-tungsstruktur Stück für Stück in dieTat umgesetzt. Rückgrat des Ganzenim Dorf sind die 17 Eigentümerge-meinschaften. Sie wählen jährlicheinen Verwaltungsbeirat, der demVerwalter ihrer Wohnanlage zurHand geht. Das schafft zum einenein breit gefächertes Verantwor-tungsbewusstsein für das Gemein-wohl, zum anderen entwickelt sichdaraus eine starke Identifizierung mitder Nachbarschaft.Als weiteres stärkendes Bindegliedkommt die enge Vernetzung durchdie gemeinsame Verwaltungsge-

sellschaft in Gestalt der Olympiadorf-Betriebsgesellschaft (ODBG) hinzu.Jede Eigentümergemeinschaft wähltauf ihrer Jahresversammlung zusätz-lich zum Verwaltungsbeirat einenTreuhänder, der in der Gesell-schafterversammlung der ODBG dieInteressen seiner Gemeinschaft ver-tritt, „aber gleichzeitig das Interesseder Gesamtheit der Eigentümer imDorf berücksichtigen muss“, soTreuhänder Siegfried Klaus - ein oftschmerzhafter Spagat. Eine nochhöhere Verzahnung wird erreicht,indem die Straßen, Kirchen, das Stu-dentenwerk, Büro- und Appart-menthäuser Delegierte entsenden,

die die Geschäftsführung der ODBGberaten und überwachen.Im Rückblick auf 30 Jahre Olym-piadorf-Geschichte steht fest: DiesesOrganisationswerk ist gewiss nichtganz einfach, doch für die 12000 Be-wohnerinnen und Bewohner ist eseine Schule der Demokratie, in derlebensnah die grundlegenden Fähig-keiten erworben werden, die ein Ge-meinwesen vital machen: Verant-wortung für sein Wohnquartier über-nehmen, wichtige Entscheidungentreffen helfen, Transparenz darüberherstellen, im kleineren und grö-ßeren Kreis immer wieder Konsensfinden und der Gesamtheit gegenü-ber rechenschaftspflichtig sein.Diese wichtigen Eigenschaften, inSchul, Ausbildung und Universitätleider viel zu wenig trainiert, sind derHumus der Demokratie - nicht weni-ger wichtig als der Gang zur Wahl-urne. Denn: Die repräsentative De-mokratie, in der wir die Verantwor-tung an politische Vertreter undParteien abtreten, kann nur funktio-nieren, wenn der Wähler sich immerwieder selber einbringt und seine

Interessen bei den professionellen In-teressensvertretern zu Gehör bringt,sodass sich beide ergänzen.Ein Glück für das Olympiadorf warauch, dass seine Bewohner sichbereits 1973 zur Einwohner-Interes-sen-Gemeinschaft (EIG) zusammen-schlossen, die sich nicht nur der Ver-schönerung des Dorfes widmete,sondern auch als sein bemerkenswertstarker politischer Arm in Krisensitua-tionen agierte. Die letzte haben wiralle noch in allzu guter Erinnerung:die Abwehr des „Monsterstadions“,das der FC Bayern auf dem Geländeder Zentralen Hochschul-Sportanlagein unmittelbarer Wohnnähe, quasi inunserem Hof, errichten wollte undzur Durchsetzung eine politische Phalanx schmiedete, in der der SPD-Oberbürgermeister und der CSU-Lan-desvater in einträchtigem Schulter-schluss das Projekt zum Schicksals-thema der Landeshauptstadt und desFreistaats erhoben. Die Folge warschließlich, dass man sich eiligst inder Standortfrage auf Fröttmaning,ein freies Gelände im Münchner Nor-den, einigte. Das Dorf hatte sich in seiner Abwehrerlebt wie David gegen Goliath -oder Asterix und Obelix gegen dierömischen Kolonisatoren, auf demDorfsommerfest 2001 imposant in-szeniert mit authentischen Kos-tümen, Hinkelstein und obligatemWildschweinbraten. Witz und Hu-mor rundeten das „Waffenarsenal“der EIG nur ab - ihre Kernwaffe: DieDorfbewohner in kürzester Zeit aufTrab zu bringen, wie zur Demon-stration gegen den Stadiongipfel nurwenige Tage vor Weihnachten 2000,als vor das Sheraton bei strömen-dem Regen mehrere hundert Dorf-bewohner zogen, ein Fest für diePresse; über tausend kamen zur„Hexenkessel-Vertreibung“ amAbend der Walpurgisnacht 2001 undließen die Parteienvertreter glasklarwissen: Wir werden alle Mittel desRechts und des zivilen Ungehorsamsausschöpfen, um eine rechtzeitige

Architektonisches Glanzstück und Wiege eines zukunftsfähigen Gemeinsinns

Das Münchner Olympiadorf - Modell einer demokratischen Bürgergesellschaft

Page 43: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 43Nr. 74

Fertigstellung des „Beckenbauer-Kolosseums“ zu verhindern. Das Olympische Dorf schöpft seineVitalität aus den vielfältigen Be-ziehungen seiner Bewohner, die sichnicht nur in seiner Selbstverwaltungniederschlagen, sondern auch inzahlreichen anderen Aktivitäten. Einesoziale Schlüsselfunktion kommt denKirchen zu, die auch ein reichhaltigesFreizeit- und Kulturprogramm fürJung und Alt bereithalten (z.B.„Ökumene zwischen Sauerkraut undRiesling“); hinzu kommen die vielfäl-tigen Aktivitäten der Senioren, desKultur- und Sportvereins, auch derFlohmarkt ist eine wichtige Be-gegnungsstätte.Das Dorf ist auf kleinem, überschau-barem Raum ein Schmelztiegel ver-schiedenster Organisationen, Betäti-gungen und Kulturgruppen, die indrei Jahrzehnten zu einem Mikro-kosmos der Bürgergesellschaft ver-backen sind, der den BewohnernWurzeln, Geborgenheit und Identitätgibt. Das spornt zum bürgerschaftli-chen Engagement an und motiviertdazu, Ehrenämter und Führungs-aufgaben zu übernehmen. So wirddas soziale Kapital produziert, wel-ches Münchens Olympiadorf alsLebenszelle so erfolgreich macht -ein fruchtbarer Boden dafür ist deraußergewöhnliche Baustil.Seine futuristische Architektur brach-te dem Wohnviertel in Rekordzeitnach nur 27 Jahren den Denkmal-/Ensembleschutz ein, was in einemBeitrag der Architektin Carine Kreissund mir zum 25. Jubiläum noch eineweit entfernte Vision schien. „DieseKühnheit ist einzigartig auf derWelt“, begründete Giulio Maranovom Bayerischen Landesamt fürDenkmalpflege die ungewöhnlicheEntscheidung. „Eine gebaute Utopiemit beispielhafter Offenheit undTransparenz“, schwärmt der Münch-ner Architekt Muck Petzet. Die Trennung von Autos und Fuß-gängern in eine unter- und oberirdi-sche Verkehrsebene hat das Olympiadorf zu einem menschen-freundlichen Ort gemacht, dessen aus-gedehnte Fußwege und GrünflächenBegegnungsstätten und Knoten-

punkte der Kommunikation sind. Mankennt sich im Dorf, das starke Wir-Gefühl ist Ergebnis der Architektur, mitder der Erbauer Erwin Heinle absicht-lich einen Kontrapunkt setzte zur „Un-wirtlichkeit der Städte“, wie AlexanderMitscherlich die Bausünden der 60erJahre umschrieb.Dieser Dorf-Charakter drückt sich ambesten im Forum 1 zwischen dem„Ristorante Carissima“ und derLadenstraße aus. Die Wiege derDemokratie und der öffentlichenStreitkultur ist ja der antike Markt-platz, auf dem der Bürger sich in dasöffentliche Gespräch um das Ge-meinwohl einmischt. Das sind die2500 Jahre alten Graswurzeln derDemokratie, die das Forum 1 be-zeugt und die im Olympiadorf leben-dig sind. Dazu passt als Abrundungdas Zeltdach des Olympiastadions,dessen scheinbare Schwerelosigkeit1972 der Welt den freiheitlichenGeist des demokratischen Deutsch-lands demonstrierte.Und trotzdem, auf einer Insel der Seli-gen leben wir im Olympiadorf nicht.Zu einem guten Teil entspringt derausgeprägte Bürgersinn einemGeburtsfehler. Die von den unterirdi-schen Straßen abgetrennten Fußwegebefinden sich auf einer zwei Kilometerlangen Betonbrücke, dem längstenBrückenbauwerk Deutschlands, unddiese spektakuläre Konstruktion gingnach den olympischen Spielen auf-

grund von Schlampereien der Juristennicht in städtisches Eigentum über -was uns zum einzigen Wohngebiet inganz Deutschland macht, dessen Fuß-wege zwar öffentlich genutzt wer-den, aber von den Anliegern ausPrivatmitteln unterhalten werden. Esist diese Ungerechtigkeit, die unsunter Dampf hält, uns zwingt anderszu sein, kreativ und kämpferisch - wiejenes gallische Dorf, das im Dauer-Clinch mit den Römern lag. Eine weitere Herausforderung ist zumeistern: die gemeinschaftliche Sa-nierung der Fußwege weiter voran-zubringen und mit gemeinsamerÜberzeugungsarbeit die Zweifler indas Projekt einzubinden. Erst wennnach Abschluss der Sanierung dieLandeshauptstadt München denUnterhalt übernimmt, ist das Themavom Tisch und unser aller Zukunftgesichert.Intellektuelle haben sich wiederholtdarüber mockiert, dass das Geredeüber die Bürgergesellschaft völlig dif-fus ist und dem Versuch gleicht,„einen Pudding an die Wand zu na-geln“ - wir im Dorf machen Nägelmit Köpfen, oder: Unser Puddingbleibt hängen und gewinnt immermehr Substanz.

Wolfgang C. Goede

Fragen & Rückmeldungen an:

[email protected]

http://www.casa-luz.de/co

Forum 1 mit Olympia-Gedenkstein: In der Antike war das Forum Begegnungs-stätte von Bürgern und Wiege der Demokratie - im Olympiadorf ist der PlatzSinnbild für eine hoch entwickelte Bürgergesellschaft mit Vorzeigecharakter

Page 44: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 44 Nr. 74

Kommt man im Dorf an einemSpielplatz vorbei, so stellt manfest, dass es oft nicht nur dieMütter (oder Väter) sind, die ihreKinder begleiten, sondern häufigauch die Großeltern. Diese schei-nen jedoch hier heimisch undnicht nur zu Besuch zu sein. Dashat mich sehr neugieriggemacht: Wie kommt es, dass imOlympiadorf drei Generationenzusammenfinden?

Bei insgesamt 16 befragten Familienergaben sich zwei Gruppen: 1. Viele der jungen Eltern, die hiermit ihren Kindern leben, haben sel-ber im Dorf als Kinder bzw. Jugend-liche gewohnt. 2. Bei einigen Familien sind die Groß-eltern den Jüngeren nachgezogen Bei der 1. Gruppe ist die Generationder jetzigen Großeltern bereits inden 70ern hierher gezogen. DerWunsch war eine größere und den-noch bezahlbare Wohnung. Vielewaren auch vom neuen Wohnkon-zept mit Trennung der Geh- undAutowege angetan. Gute Verkehrs-anbindung und nicht einsehbare,große Terrassen waren weitereBonuspunkte für die damals nochmisstrauisch beäugte Wohnanlage.Der Anschluss war überwiegend pro-blemlos, viele sprechen von Pionier-geist und großem Zusammenhaltunter den (anfangs noch wenigen)Bewohnern. Zitat: „In den Frühzeitendes Olympischen Dorfes war ein star-kes Gemeinschaftsgefühl spürbar,denn die überkommenen Problememit den Bauträgern förderten dieBündelung der Interessen der Woh-nungseigentümer, was zur Grün-dung der EIG führte. Leider hat diedamalige Aufbruchstimmung etwasgelitten: Partikularinteressen habenzunehmend den positiven Ansatzüberwuchert.“ Auch andere Frühbe-wohner bedauern, dass der Pionier-geist verschwunden ist und dass „...manche Spießbürger ins Dorf gezo-gen [sind], die den Pioniergeist nicht

nachvollziehen können.“ Allgemeinist jedoch festzustellen, dass dasOlympiadorf nichts an Attraktivitätverloren hat.Die befragte jetzige Elterngenera-tion war zwischen 7 und 19 Jahre, alssie seinerzeit ins Olydorf zog. Für die-jenigen, die bereits eine weiterführen-de Schule besuchten, war der Kontaktim Dorf nicht wichtig und deshalbkaum vorhanden. Die Jüngeren hat-ten durch spielende Kinder auf derFußgängerebene und am Spielplatzschnell Anschluss. Zitat: „Am Einzugs-tag hatten die Nachbarskinder Ge-burtstag. Wir wurden sofort eingela-den“. So was macht die Eingewöh-nung am neuen Wohnort für alleBeteiligten natürlich leichter. Mit derOrientierung gab es manchmalSchwierigkeiten, da alles noch rechteinheitlich und kahl aussah. Einigengefiel es so gut hier, dass sie nur kurz-zeitig woanders wohnten. Spätestensmit den Kindern kam bei allen dieIdee, wieder ins Olympiadorf zu zie-hen, zumal die Wohnungen - wie zuAnfangszeiten - im Stadtvergleichgünstiger sind. Zitat: „ Das Dorf istideal für Familien mit (kleinen) Kin-dern. Jeder der will, bekommt schnellAnschluss. Das liebe ich am Olydorfbesonders: eine freundliche, hilfsbe-reite Nachbarschaft und doch kannjeder für sich sein.“ Das Olympiadorfbietet auch Eltern, die beide berufs-tätig sind, die Möglichkeit, den Alltagohne allzu große Hektik zu gestalten.Einkaufsmöglichkeiten, Sport- undFreizeitangebote sind schnell und pro-blemlos auch ohne Auto zu erreichen.Für einige war auch die Nähe zu denGroßeltern willkommen. „... mit Kin-dern ist es hier optimal. Vor allem mitKindergarten und Schule um die Eckeund einem recht hohen „social level“.Erwartungsgemäß bestätigte die Be-

fragung der Kinder das, was bereitsdie Großeltern und dann die Elternals Qualität des Dorfes erkannthaben. Sehr hoch rangiert die Nähezu Kindergarten, Schule und Sport(Fußballverein, Olympiaschwimm-bad, Schlittenhügel). Positiv bewertetwird außerdem das auto- und somitangstfreie Spielen. Aufgrund desDorfcharakters lernen sich die Kinderhier sehr gut kennen, da sie teilweiseschon im Kindergarten zusammen-kommen und sich später dann in derNadischule wiedertreffen. Bemängeltwerden „Hundekacke auf den Wie-sen, die nie weggeräumt wird“,„dass in der roten Stadt so vieleScherben liegen“, aber auch fehlen-de Angebote für Teenager.Das Olympiadorf ist „das Dorf in derStadt ..., mit allen Vorteilen derStadt und eines Dorfes“. Dass es sogeworden ist - trotz aller anfängli-chen Ablehnung - verdanken wirdem Idealismus und Engagementder ersten Bewohner. Die zweiteGeneration sollte darum bemühtsein, das, was in 30 Jahren Aufbau-arbeit geschaffen wurde, zu erhal-ten. Denn dann ist zu erwarten, dassauch die dritte Generation einesTages mit ihrem Nachwuchs ins Dorfzurückfinden wird.

Carine Kreiß

3 Generationen: Vater - Tochter - Enkel

Foto

:priv

atFamilienbande

Drei Generationen im OD

Willy Brandt im Dorf ...Einmal speisen wie Athleten wollte derBundeskanzler der Bundesrepublik, WillyBrandt, und begann seinen Besuch imolympischen Dorf mit einem Mittagessenin der Mensa. So gestärkt ließ er sich dieverschiedenen Einrichtungen des Dorfeszeigen, besuchte die deutsche Mannschaftund fand alles recht schön!

Village News - 30.8.1972

v.l.: Walther Tröger, Hans-Jochen Vogel,und Bundeskanzler Willy Brandt

Page 45: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 45Nr. 74

Ich war noch klein, als ich mich aufdem Weg zum Olympiastadion ver-lief. Eigentlich wollte ich zum Bun-desliga-Derby, aber ich bog wohleinen Weg zu früh ab, denn auf ein-mal fand ich mich nicht mehr imStrom der Fußballfans wieder, son-dern in einem kleinen Dörfchen mitgedrungenen, bunt bemalten Häu-sern. Ich stapfte zwischen den engenvon Weinranken umkleideten Gas-sen umher und fragte mich, was fürein kleines Volk hier wohl leben wür-de. Das laute, gehetzte Münchenschien mir plötzlich sehr fern. Statt-dessen wirkte alles so beschaulichund idyllisch; viele junge Menschensaßen draußen, unterhielten undamüsierten sich. Ihre Gemeinschafterinnerte mich ein wenig an dasmalerische, abgeschiedene Dorf derSchlümpfe. Ich mochte die Schlüm-

pfe und wollte ab dem Zeitpunktdazugehören.Heute bin ich groß und habe es ge-schafft, neben knapp 2000 Stu-denten selbst im Olydorf zu wohnen.Und das äußerst preiswert: Rund 200E zahle ich für mein kleines Häus-chen am Rand des Olympiaparks.Dafür erhalte ich ein 24 qm großes -bereits eingerichtetes - Doppelge-schoß mit Küchenzeile, kleinem Bad,begehbarem Schrank, Hochbett undBalkon. Für Münchner Mietverhält-nisse nahezu unverschämt billig.Dazu die beeindruckende Lage: Ein-gebettet in die olympische Land-schaft sind es nur Minuten zumOlympiapark, zum Lerche-nauer See, zum Fasane-riesee oder zu denAnlagen des Zent-ralen Hochschul-sports.Einmalig wohlauch unter Studen-tenwohnheimen istdas Freizeitangebot.Ausschlaggebend dabei:Das Dorf verwaltet sich selbst durchden Verein der Studenten im Olympia-zentrum e.V.. Betriebe wie die Bier-stube, Café Oly oder Diskothek wer-den von den Bewohnern geleitet; wei-tere Angebote sind einTöpferausschuss, Fotoclub, dorfeigeneZeitung, Umweltausschuss, Com-puterclub ... Tutoren sorgen für densozialen Kontakt unter den Studenten:Videoschauen im bequemen Sessel,Schafkopfrunden, Fußballspiele aufGroßleinwand, Sprachkurse, Ski-Tou-ren etc.. Ein Manko allerdings: Die Dis-ko steht meist gähnend leer, im Kinoist zu viel Platz und Sprachkurse müs-sen mangels Interesse abgesagt wer-den. Am Wochenende gleicht dasDorf - viele Studenten fahren nachHause - bisweilen einer Geisterstadt.Auch viele ausländische Studenten be-klagen das Desinteresse, das ihnen ausder Nachbarschaft entgegengebrachtwird. So sitze ich bisweilen melancholischauf meinem Balkon und blicke aufdie Silhouette des Hochhauses, diesich von der Abendsonne in rot-oran-gen Farbtönen bestrahlen lässt und

sinniere, warum derStudent von heute sich

nicht mehr am sozialenLeben beteiligt. Muss er so

viel lernen? Bevorzugt er seinealten Freunde? Sitzt er nur noch amComputer und chattet in virtuellenWelten, ohne jemals Kontakt zu sei-nem Nachbarn gesucht zu haben?Vereinsamen unsere Studenten inden Wohnsiedlungen?Und wie die Sonne langsam unter-geht, erhasche ich auf einmal eineWolke von entzündeter Grillkohle.Kurz später folgen duftende Steak-und Kotelettschwaden. Es ist wiederGrillsaison, und ich höre lachendeStimmen aus allen Richtungen. Er-muntert streife ich durch die Gassenund tatsächlich: Ein Grill grillt nebendem anderen. Das Dorf verwandelt sich in ein riesigesFest, überall sitzen Studenten auf denBierbänken, lachen und freuen sich.Von wegen einsam! Von wegen Ler-nen! Da ist sie wieder: Die Idylle unddie Zusammengehörigkeit des Dorfes,die ich als kleiner Junge schon bewun-derte. Rasch setze ich mich zu einerGruppe, ordere ein Bier und grille mirein Steak. Schon genieße ich es wie-der, hier zu wohnen: In der schönstenStudentensiedlung der Stadt.

Frank Ambos, C 0708

Kein Hasch und keine Partys„Bürgermeister“ Tröger zufriedenDas z.Zt. zweifellos meistbeschäftigte„Stadtoberhaupt“ Deutschlands, der 43j.Bürgermeister des olympischen Dorfes,W.Tröger, scheint mit seinen Dorfbewoh-nern aus 122 Ländern keine größeren Pro-bleme zu haben ... Zur Frage, ob im Dorfauch gehascht wird, sagt er, daß bisherkein Haschisch gefunden wurde. Es wäreaber „irreal“ zu glauben, daß kein „Stoff“vorhanden sei ... Im Dorf fänden auch kei-ne „wilden Partys“ statt, weil die Sportlerviel zu sehr damit beschäftigt seien, sichauf die Wettkämpfe vorzubereiten ...Sehr viel Arbeit hat Tröger, wie er sagte,mit den verschiedensten Wünschen dereinzelnen Mannschaften. Sie wollen mehrKühlschränke, mehr Fernsehapparate undmehr Gäste ins Dorf bringen, aber dieGäste anderer Mannschaften nicht tolerie-ren. Absolut keinen Ärger hat der täglich17 Stunden arbeitende Tröger mit derDDR-Mannschaft, die bisher weder mitWünschen noch mit Klagen zu ihm kam.

Village News - 30.8.1972

Über das Wohnen im Unterdorf

Wenn Schlümpfe grillen

Page 46: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 46 Nr. 74

Damals waren es dieOlympischen Spiele, die ihn fastvertrieben hätten; dann rückteihm das Tollwood-Festival mitseinen vielen Zelten auf denLeib. Und doch, gottlob, konntenichts seine Idylle imOlympiapark zerstören.

Laut Urkunde 1894 in einem Dorfam Don in Russland geboren, ver-schlug es Timofej mit seiner Le-bensgefährtin Natascha Anfang der50er Jahre nach München. Das leereOberwiesenfeld schien ihm geeignetfür eine dauerhafte Bleibe, und derbenachbarte Schuttberg mit den Trümmern des 2. Weltkriegs lieferte

das nötige Material für zwei Holz-häuschen, eine Kapelle und ein zwie-beltürmiges Kirchlein, eigenhändigaus Brettern gezimmert. Väterchen Timofej feierte hier nunschon seinen 107.Geburtstag. Dereinst wohlbestellte Gemüse-, Obst-und Blumengarten wirkt jetzt eherverwunschen. Das Grab Nataschasmittendrin ist stets blumenge-

Timofej in seiner selbstgestalteten Kirche

Post

kart

e:C

amill

a Kr

aus

schmückt, ihr Häuschen inzwischenals Museum zu besichtigen. DasKirchlein mit seinem anrührendenDekor aus viel Silberfolie, Gottes-mutterikonen und Heiligenbildchenvermittelt noch immer dem Ein-tretenden etwas von himmlischerAura.Die Tür steht jedem offen, auch diekleine Gartenpforte.

R.W./Ch.E.

Unser Nachbar

Väterchen Timofej –Eremit von München

Kennen Sie Timofej?

Woher sollten Sie auch! Schließlich ahntenselbst die Münchner jahrelang nichts von derExistenz des russischen Mönches Timofej undseiner Gefährtin Natascha. Vor 20 Jahren waren die beiden russischen Emi-granten nach München gekommen und hattensich - unbemerkt von den Behörden - auf demOberwiesenfeld eine russische Enklavegeschaffen, in der inmitten eines wunderschö-nen Blumengartens die selbstgebastelte zwie-beltürmige Kirche dominiert.Das freilich sollte sich ändern, als München zuolympischen Ehren kam und man bei derErschließung des olympischen Geländes aufdieses Idyll stieß. Auf Väterchen Timofejs erses-senem Besitz sollten planmäßig die Reiterkämpfen. Die Rechnung war jedoch ohne denWirt und ohne die Münchner gemacht worden,

denn kaum war die bedrohte Existenz Timofejspublik geworden, da schrie der Protest ausallen Münchner Zeitungen. Timofej und Natascha blieben in ihrem blumi-gen Paradies und erlebten in beschaulicherUmgebung den Ausbau der Wettkampfstätten.Nur die Entwicklung des Olympischen Dorfeswar ihnen verborgen geblieben. Jetzt wurde die Lücke geschlossen. Timofej undNatascha kamen auf Einladung des Bürgermei-sters ins Olympische Dorf und wurden wahrlichfürstlich empfangen. Zufällig gab eine russi-sche Folklore-Tanzgruppe eine kurze Einlage -Natascha tanzte und weinte ein bißchen,während Timofej weltmännisch die Situationmeisterte.Im Sturmschritt eilte der 83jährige Mönchdurch das Dorf und hätte beinahe die Kircheverpaßt, in der er später begeistert Marien-lieder singen sollte.

Zwischendurch flirtete Timofej ganz und gar„unmönchlich“ mit den bildhübschen In-derinnen und versicherte zum Abschied: „Es istalles sährr scheen!“

Village News 23.8.1972

Timofej und Natascha im Gesprächmit Dorfbewohnern

Page 47: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 47Nr. 74

Wir, „die Dorfsenioren e.V.“, tref-fen uns regelmäßig freitags, 2x imMonat. Anlässlich einer unsererZusammenkünfte haben wir unsGedanken über die Wohnsituationälterer Menschen im OD gemacht:

Wie lange wohnen Sie schon hierim Olympischen Dorf?Die ersten zogen bereits 1972 hierein, die letzten von uns 1986. Einigeleben mit Kindern, die im Dorf großgeworden sind, und Enkeln hier;andere zogen später hierher, um inder Nähe ihrer Kinder zu leben.Warum wohnen Sie gerne im Dorfund was sind die Vorzüge des Dorfes? Im Anfang war es hier wenigerschön. Das Olydorf war, ähnlich einerGeisterstadt, leer und kahl. VieleWohnungen waren noch unbewohntund die Fassaden nicht begrünt. Diesänderte sich aber im Lauf der Jahre.Die Bepflanzung der Fassaden wurdedurch Wettbewerbe der Stadt sehrgefördert: Wer hat die schönste Ter-rasse? Auch die Außenanlagengestalteten sich, dank guter Pflege,immer üppiger. Frau Dr. Lange (EIG)hat seinerzeit durch ihre Initiativenzur Gestaltung des Dorfes sehr bei-getragen. Jetzt gibt es überall vielGrün und man hat teilweise sehrschöne Aussichten und herrlich bun-te Ecken - je nach Jahreszeit; als Bei-spiel, das Biotop im Bereich derStraßbergerstraße. So ist das OD undseine Umgebung ideal für ältereMenschen zum Spazierengehen. Esgibt viele Bänke, die immer wiedererneuert werden. Man kann den Kin-dern auf den Spielplätzen zusehenoder im Sommer an dem fröhlichenLeben am Nadisee teilnehmen, oderdirekt durch den herrlichen Olympia-park, fast bis nach Nymphenburgradeln. Man wohnt hier sehr ruhig,weil der Verkehr nicht unmittelbarvor den Häusern vorbei fließt - so istdas morgendliche Vogelkonzertwunderschön zu hören. Die Infra-struktur ist sehr gut. Alles ist in

unmittelbarer Nähe: Läden, Banken,Ärzte, Massagepraxen, U-Bahn undBusbahnhof direkt vor der Tür.Das Olydorf bildet eine geschlosseneGemeinschaft mit Dorfcharakter, indem viele kulturelle Veranstaltungengeboten werden, u.a. in den KirchenMusikveranstaltungen und Ausstel-lungen. Die Ökumene spielt einegroße Rolle, wobei der ökumenischeChor zu nennen ist, neben einemGospelchor und einem Chor imforum 2. Der Fernsehempfang istsehr gut, und es gibt über den Haus-kanal allgemeine Informationen überdas aktuelle Geschehen im Dorf.Was gefällt Ihnen nicht so? Durch die nunmehr anfallendenRenovierungen der Fassaden undFußgängerstraßen gibt es dauerndBaustellen, viel Schmutz und Lärm.Auch der Bau der neuen U-Bahnliniezum Olympiaeinkaufszentrum verur-sacht Krach und dreckige Fenster.Darüber hinaus kommen durch dieBaumaßnahmen zu den laufend stei-genden Wohngeldern saftige Son-derumlagen hinzu. Durch die Müll-trennung sind im Bereich der Fahr-ebene teilweise sehr hässliche Plätzeentstanden, da die Leute den Abfallnicht ordentlich in die dazu bestimm-ten Tonnen schmeißen und zusätz-lich noch größere Gegenstände wieStühle, Regale etc. dort abstellen,anstatt sie zum Sammelplatz derODBG zu bringen. Es gibt keineöffentlichen Toiletten im Dorf.Als Fazit wurde festgestellt:Im Alter kann ich mir keine schönereWohngegend als das OlympischeDorf vorstellen.

P.S. Möchten Sie Mitglied bei uns werden?

Wir würden uns sehr freuen:

Dorfsenioren e.V., Erika Steidle, S 24, T. 351 99 51

30 Jahre Dorf -ein Altenheim?„... und da wohnen die Alten“,erklärte die junge Mutter amSpielplatz ihrer Freundin undzeigt, weit ausholend, auf dieReihe der niedrigen Häuser amPark, wo ich mit meiner Frauwohne. Schock! „Bist du auchalt?“ fragte mein 5-jährigerEnkel. „Naja“, bekannte ich, „12 mal so alt wie du ...“

Das regte mich zum Abzählen an: Inden 14 kleinen Reihenhäusern und 9Bungalows waren einmal 37 Kinderunter 14 Jahren und ein paar Ju-gendliche zu Hause. Heute gibt esnoch 2 Einzelkinder, 5 Single-Haus-halte, und in den restlichen Häusernwohnen die alten Paare. Wie wir -glücklich über den gewonnenenPlatz, nachdem die Kinder flüggegeworden sind. Und die und derenKinder holen wir uns zu Festen undFeiern in unsere Häuser und in unse-re gepflegte Parklandschaft ...Ich nehme an, die Leute in den Gar-ten-Häusern kleben mehr an ihrerScholle als die in höheren Häusernmit ihrem ideellen Grund und Boden.Das zeigt der deutlich häufigereWohnungswechsel bei Eigentümernwie bei Mietern. Denn dort hat sicheine fast normal-gemischte Be-wohnerschaft entwickelt mit Alten,Jungen und Kindern. So kann man sagen, dass das Dorf,den Wohnformen folgend, sich inder sozialen Zusammensetzungdurchmischt hat - ohne insgesamt zuüberaltern.

L.K./Ch.E.

Foto

:Eva

Bei

sler

Seniorencafé

Foto

:priv

at

Hallo, wir sind die Dorfsenioren!

Page 48: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Modern · Einkaufen · Zentral · Parken · Bummeln · 110 x Auswahl · Schlemmen

Immer einen Besuch wert

Seit 30 Jahren Ihr Treffpunkt

Täglich bis 20 Uhr geöffnet,samstags bis 16 Uhr3000 kostenlose Parkplätze110 Fachgeschäfte, Restaurants und Cafés3 WarenhäuserBusverbindung: 36, 83, 136 und 143

Page 49: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 49Nr. 74

Nach den Olympischen Sommer-spielen im Jahr 1972 füllten sich dasOlympische Dorf und die Olympia-Pressestadt mit neuem Leben. Famili-en mit ihren Kindern fanden hier einZuhause. Seitdem sind 30 Jahre ver-gangen und zurückblickend kannman sagen, dass die beiden Wohn-siedlungen am Rande des Olympia-parks eine Heimat für die Bewohnergeworden sind. Der Olympiapark –ein beliebtes Naherholungsgebiet,wo die Sportstätten und Anlagen derOlympischen Spiele noch immergenützt werden wie keine andereOlympische Stätte. Aus dem Olympi-schen Dorf ist fast eine kleine Stadtgeworden mit Kirche, Schule,Kindergarten, Ärzteversorgung, Ein-kaufsstraße, Bus- und U-Bahnhofund einem umfangreichen kulturel-len Angebot.Nichtsdestotrotz müssen sich die Be-wohner mitunter gegen äußere Ein-flüsse wehren. Zu diesem Zweckwurde die Einwohner-Interessen-Ge-meinschaft Olympisches Dorf e.V.(EIG) gegründet. Sie kann sich alsGemeinschaft stärker als jeder Einzel-

ne allein für die Belange der Be-wohner einsetzen. Als jüngstes Bei-spiel kann ich hier die erfolgreicheAblehnung zusammen mit der Mie-ter- und EigentümergemeinschaftOlympia-Pressestadt e.V. (MOP) desgeplanten Fußball-Stadions auf demZHS-Gelände anführen. Derzeit un-terstützt die EIG den MOP bei dessenKampf gegen die Transrapid-West-

trasse auf der ehemaligen S-Bahn-Strecke. Zum 30jährigen Jubiläum des Olym-pischen Dorfes übersende ich allenBewohnerInnen und der EIG die bes-ten Grüße und wünsche ein gutesGelingen des Sommerfestes vom12.-14.Juli 2002.

Wolfgang Linden

für den Vorstand der MOP

Foto

:Hen

ning

er+

Lipp

Blick vom Olympiapark (Riesenrad) zur Pressestadt

Unsere Nachbarn

Grußwort der Pressestadt

Eine Stadt für die Presse

Am Westrand des Olympia-Geländes entstehtdie Pressestadt. 4.000 internationale Journali-sten und 2.500 Techniker von Funk und Fernse-hen werden 1972 hier wohnen und arbeiten.13 große Häuserblocks müssen für sie errichtetwerden, denn jeder Journalist wird ein Einzel-zimmer erhalten.18.000 qm wird das Pressezentrum umfassen,das unmittelbar bei dieser Journalistenstadtliegt. In einem Gebäude, das nach den Spielenals Schule Verwendung finden wird, können dieBereiche für Akkreditierung, Information, Agen-turen, das zentrale Fotolabor für Farbe undSchwarzweiß, Schreibräume, Interviewräume,Telefonzellen, Fernschreiber und Bildfunk sowiedie Presserestaurants untergebracht werden.

Olympia-Pressestelle 1972

Kaufhof im Olympia-Einkaufs-zentrum bietet jedem etwas

Für jeden, der oft oder zu oft auf Reisen ist,ergibt sich immer wieder das Problem, „wasbringe ich mit“. Es ist bei den OlympischenSpielen, wo Tausende von Athleten und Jour-nalisten in ein für sie fremdes Land gekommensind, nicht anders. „An dieser Stelle beginnt unser Service“,erklärt Kaufhof-Geschäftsführer Josef Uhle.Der frühere Sportler, der leidenschaftlichgerne ruderte, meinte, daß „sein“ Kaufhof(im OEZ) jedem etwas zu bieten hat. Auf dieFrage, ob er denn nicht befürchte, daß seine90 Verkaufsmitarbeiter gegenüber den aus-ländischen Gästen in sprachliche Schwierig-keiten geraten, entgegnet der „Zugroaste“optimistisch: „Meine Mitarbeiter beherr-

schen insgesamt 16 lebende Sprachen. Pro-bleme kennen wir also auch in dieser Hin-sicht nicht“.Die internationale Atmosphäre, die der Kauf-hof (im OEZ) ohnehin ausstrahlt, wird sich inden olympischen Tagen noch um einiges stei-gern.Das Weltstadtangebot, so J.U., genügt alleninternationalen Ansprüchen. In den vollklima-tisierten Etagen findet sicherlich jeder etwas,was sein Herz erfreut.... Und wenn alles klappt,wird der Kaufhof (im OEZ) sogar seinen eige-nen olympischen Ergebnisdienst haben. Jedersportlich interessierte Kunde wird dann binnenweniger Minuten die neuesten Resultate ausallen Stadien erfahren. Josef Uhle und seineMannen sind von Kopf bis Fuß auf Olympiaeingestellt.

Village News - 23.8.1972

Page 50: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Seite 50 Nr. 74

Herausgeber

Einwohner-Interessen-GemeinschaftOlympisches Dorf e.V.Connollystraße 12,80809 MünchenTel. 35 73 22 73Fax 35 73 22 72

Vorstand:

Christa Epe (Vorsitzende)Ludger KorintenbergDr. Renate WeberDr. Michael Scharmann

Redaktion

Christa Epe Ludger KorintenbergRenate Weber

Layout

WERK87, Sebastian EpeDominik AdelbergTel. 35 73 78 00

IMPRESSUMParkplatznot für Studenten

Aufgrund der Leichathletik-Europameisterschaften steht der Parkplatz des Studenten-wohnheimes den rund 400 Student/en/innen, die während der EM hier wohnen bleiben,im Zeitraum vom 30.6. bis 15.8.02 nicht zur Verfügung. Im Anschluss muss damit ge-rechnet werden, dass durch ein Umbauprojekt diese Parkplätze weiterhin gesperrt bleibenund dann für 1800 Bewohner nur unzureichend Ersatzkapazitäten bereit gestellt werden.Um ein Park-Chaos zu verhindern, wäre es hilfreich, Vermietungsangebote für Stellplätzein dieser Zeit vor allem dem Studentendorf zukommen zu lassen. Von überhöhten Preisenaufgrund der Knappheit bitten wir abzusehen. Als zentrale Vermittlung der Angebote emp-fehlen wir den:Verein der Studenten im Olympiazentrum e.V., Helene-Mayer-Ring 9, Telefon 354 34 76Für Ihre Hilfe bereits im Voraus vielen Dank!

Tobias Winkler, 1. Vorstand Studenten i. Olympiazentrum e.V.

Sponsoren des Jubiläums-Sommerfestesvom 12. bis 14. Juli 2002

In Sachen Transrapid

Nach den Plänen der Bayerischen Magnet-bahn-Vorbereitungsgesellschaft und derBayerischen Staatsregierung soll der Trans-rapid, finanziert durch Bundes- und Lan-desmittel, den Münchner Hauptbahnhof mitdem Flugplatz München II verbinden, wobeieine Westtrasse über den aufgelassenen Olym-pia S-Bahnhof und als Alternative eine Osttras-se über Riem geplant sind. Vor allem an derbevorzugten Westtrasse regt sich bei denBewohnern der Borstei, der Olympia-Presse-stadt und Feldmochings heftiger Widerstand,da in diesem Bereich der Transrapid überirdischmit etwa 250 km/h und in 4 bis 16m Höhe auf-gestelzt die Wohngebiete passieren soll.Natürlich wäre auch das Olympiadorf von demLärm der geplanten 192 Tag- und 32 Nacht-fahrten stark betroffen. Der Widerstand gegenden Transrapid in geplanter Form auf der West-trasse wird durch die EIG mitgetragen: Die

angelaufene Unterschriftenaktion wurdeunterstützt, zwei Anträge auf Einwohnerver-sammlungen (Milbertshofen, Moosach) wur-den gestellt und weiterführende Informationenund Musterbriefe zum Einspruch im Raumord-nungverfahren bereitgestellt.Im Februar 2002 hat sich nun im Rahmen desRaumordnungsverfahrens auch der MünchnerStadtrat „unter den gegebenen Bedingungender schwierigen Finanzierung“ (Cave!) gegenden Transrapid ausgesprochen. In derKoalitionsvereinbarung hat „Rot-Grün“ dieAblehnung nochmals bestätigt. Der Stadtrathat aber damit noch keine der beiden Trassenper se abgelehnt, die Ablehnung ist zunächstan die Finanzierung gekoppelt! Die Finanzierung wird nicht nur von den vonder Bundesregierung eingestellten Geldern,sondern auch von den politischen Machtver-hältnissen in Berlin abhängen. Die EIG wird dieEntwicklung weiter beobachten.

Dr. Michael Scharmann

Petuel-Tunnel geht ohne Abgas-filter in Betrieb

Noch keine Annäherung in der Kontroverseüber die Abgas-Entsorgung des Petuel-Tunnels:Auf einer Informationsveranstaltung Mitte Maiverteidigte das Baureferat den Kamin an derRiesenfeldstraße, der die Schadstoffe in dieLuft blasen wird. Viele der 200 Bürger pochtenin ihren Stellungnahmen auf saubere Luft imMünchner Norden und verlangten den Einbauvon Rußfiltern. „Zu teuer“, bedauerten dieTunnelbauer, ausserdem seien dafür Räum-lichkeiten nötig, die sich vor Freigabe des Tun-nels am 6. Juli nicht mehr fertigstellen ließen.Danach, so hieß es, werde die Stadt noch ein-mal über einen nachträglichen Filtereinbaunachdenken. Die Kamingegner, die dreiBezirksausschüsse auf ihrer Seite haben, batenden Freistaat und Bundestagsabgeordnete umUnterstützung.

Wolfgang Goede

Page 51: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

Wir haben da etwas Passendes. Die Antriebskonzepte von morgen.

Mehr zum Thema? Wir halten Sie gerneauf dem Laufenden:

BMW AG Abt. Information Postfach 50 02 4480972 Münchenwww.bmwgroup.com

Eine Welt ohne Automobil ist für uns unvorstellbar. Mitemissionsarmen Fahrzeugen die Auflagen desGesetzgebers zu unterschreiten, reicht langfristigallerdings nicht. Um unsere mobile Zukunft zu gestalten, müssen wir deshalb auch andereEnergieträger erforschen und neue, passendeAntriebskonzepte entwickeln: Der Wasserstoffantriebarbeitet emissionsfrei und ist für uns keine Vision mehr. Die technischen Fragen habenwir gelöst. Jetzt fehlt nur noch der politische Konsensund die

Page 52: Olympisches Dorf 1972 - 2002eig-olympiadorf.de/htmlneu/wp-content/uploads/2012/06/... · 2012-06-19 · 1972 - Olympische Spiele der kurzen Wege 1 Olympia - Stadion 2 Mehrzweckhalle

1972 - Acrylglas-Plastik von Ruth Kiener-Flamm2000 - Rekonstruktion aus Alu-Hohlprofilen