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Bachelorarbeit Operation „Artemis“: Eine europäische Intervention in Afrika. 13.12.2009 06-108-914 Universität Bern Philippe Lionnet Historisches Institut Schermenweg 157 Abteilung für neueste Geschichte 3072 Ostermundigen Prof. Dr. Christian Gerlach [email protected] +41 79 202 88 89

Operation: Artemis

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Bachelorarbeit

Operation „Artemis“: Eine europäische Intervention in Afrika.

13.12.2009

06-108-914

Universität Bern Philippe Lionnet

Historisches Institut Schermenweg 157

Abteilung für neueste Geschichte 3072 Ostermundigen

Prof. Dr. Christian Gerlach [email protected]

+41 79 202 88 89

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ________________________________________________________________ 3

2. Fragestellung und Thesen ___________________________________________________ 5

3. Die Europäische Aussen- und Sicherheitspolitik ___________________________________ 6

3.1 Das Scharnierjahr 2003 ______________________________________________________ 10

3.2 Die Europäische Afrikapolitik bis 2003 __________________________________________ 12

3.2.1 Wirtschaftspolitik ________________________________________________________ 12

3.2.2 Sicherheitspolitik ________________________________________________________ 15

3.2.3 Die Rolle Frankreichs ____________________________________________________ 16

3.3 Die ESVP und die NATO ____________________________________________________ 20

4. Die Demokratische Republik Kongo ___________________________________________ 23

4.1 Kolonialzeit _________________________________________________________________ 26

4.2 Zaire unter Mobutu __________________________________________________________ 30

4.3 Der Zusammenbruch bestehender Ordnung _____________________________________ 31

4.4 „Der erste Weltkrieg Afrikas“ __________________________________________________ 32

4.5 Das Abkommen von Lusaka __________________________________________________ 35

5. Die Provinz Ituri __________________________________________________________ 36

6. MONUC ________________________________________________________________ 37

6.1 Das Abkommen von Luanda __________________________________________________ 38

6.2 Bunia _____________________________________________________________________ 39

7. Operation Artemis _________________________________________________________ 44

7.1 Die UNO-Resolution 1484 (2003) ______________________________________________ 44

7.2 „Hybrid Operations“ __________________________________________________________ 45

7.3 Der politische Prozess in der EU ______________________________________________ 47

7.4 Die Operation _______________________________________________________________ 49

8. Die Folgen und Konsequenzen _______________________________________________ 53

9. Fazit ___________________________________________________________________ 56

10. Bibliographie ____________________________________________________________ 60

11. Anhänge _______________________________________________________________ 68

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1. Einleitung

Die Europäische Union hat sich mit der ESVP (Europäische Sicherheits- und

Verteidigungspolitik) am 3./4. Juni 1999 die Mittel in die Hand gegeben, si-

cherheits- und verteidigungspolitische Massnahmen im Rahmen der zweiten

Säule der EU, der GASP (Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik) auto-

nom wahrzunehmen.1 Gemeint sind damit die sogenannten Petersberg-

Aufgaben, welche im Vertrag von Amsterdam 1997 analog zu den Bestimmun-

gen des Vertrages über die Westeuropäische Union (WEU) festgehalten wur-

den:

Artikel17/3

Abs. 2 Die Fragen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen wird,

schließen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenser-

haltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung

einschließlich friedensschaffender Maßnahmen ein.

Die ESVP stellt folglich die institutionelle Grundlage für militärische Einsätze

von EU-geführten Truppen dar – und damit eine qualitative Änderung in Bezug

auf die Handlungsfähigkeit der EU. Die Europäische Union selbst kommuniziert

die bisherigen Einsätze im Rahmen der EU zurückhaltend:2

„Die ersten Militärmissionen fanden auf dem Balkan statt. 2005 über-

nahm die EU von der Nato das Kommando über die Stability Force

(SFOR) in Bosnien und Herzegowina. Es folgten weitere, kürzere

Missionen in Afrika, Asien und dem Mittleren Osten.

Im Mai 2007 entsandte die EU eine Polizeimission für drei Jahre

nach Afghanistan. Anfang 2008 wurde eine militärische Einheit der

1 Gaedtke, Jens-Christian, Europäische Aussenpolitik, Paderborn 2009, S. 35 f. 2 Quelle: http://europa.eu/pol/cfsp/index_de.htm (Zugriff 10.12.2009).

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EU von mehr als 3 000 Personen im Grenzgebiet zwischen dem

Tschad und der Zentralafrikanischen Republik stationiert, um die

aufgrund der Kämpfe in der benachbarten sudanesischen Region

Darfur vertriebenen Flüchtlinge zu schützen.“

Mit den „ersten Militärmissionen ist die „Operation Concordia“ gemeint, eine

Schutzoperation für EU- und OSZE-Mitarbeiter in Mazedonien. Eine Operation,

welche an dieser Stelle nicht genannt wird, ist die „Operation Artemis“ im Som-

mer 2003 auf dem Gebiet der „Demokratischen Republik Kongo“. Sie ist die

erste Militäroperation der EU ausserhalb des europäischen Kontinents.

Die „Operation Artemis“ war eine auf Grundlage der UNO-Resolution 1484

(2003) ausgeführte Intervention, welche primär von französischen Truppen zwi-

schen dem 12. Juni und dem 1. September 2003 ausgeführt wurde.3 Die

Grundlage für die militärische Union wurde vom UNO-Sicherheitsrat in den

„Kämpfen und Gräueltaten in [der Provinz] Ituri und im Ernst der humanitären

Situation in der Stadt Bunia.“4 Ihr Ziel gemäss Resolutionstext war „die Stabili-

sierung der Sicherheitslage und die Verbesserung der humanitären Situation in

Bunia, die Sicherung des Flughafens und der Flüchtlingslager und sofern erfor-

derlich ein Beitrag zur Sicherheit der Zivilbevölkerung, des UNO-Personals und

der Mitarbeiter humanitärer Organisationen.“5

Nur wenige Tage nach der Verabschiedung der Resolution einigten sich die

Staats- und Regierungschefs der EU auf die Entsendung eines Truppenkontin-

gentes von 1400 Mann, um die uruguayischen Truppen der UNO-Schutztruppe

MONUC in Bunia zu entlasten. Von Seiten der EU war sowohl von einem „poli-

3 Quelle: http://consilium.europa.eu/showPage.aspx?id=605&lang=de (Zugriff 02.11.2009). 4 Originaltext: “Expressing its utmost concern at the fighting and atrocities in Ituri, as well as the gravity of the humanitarian situation in the town of Bunia,” 5 Originaltext:”.. to contribute to the stabilization of the security conditions and the im-provement of the humanitarian situation in Bunia, to ensure the protection of the airport, the internally displaced persons in the camps in Bunia and, if the situation requires it, to contribute to the safety of the civilian population, United Nations personnel and the hu-manitarian presence in the town.” Quelle: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/UNresolution1484.pdf (Zugriff 01.11.2009).

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tisch wichtigen Ereignis“ wie auch von „erheblichen Risiken“ die Rede.6 Die

Mission endete Planmässig mit dem Abzug der französischen Truppenkontin-

gente am 1. September 2003.7

2. Fragestellung und Thesen

Das Erkenntnisinteresse dient der Charakterisierung der Operation Artemis vor

dem Hintergrund des europäischen Integrationsprozesses. Der Arbeit liegt die

These zugrunde, dass es sich dabei um einen Testlauf einer „europäischen“ Mi-

litäraktion ausserhalb der EU handelte.

1. Was sollte Operation Artemis gerade in der Demokratischen Republik Kongo

demonstrieren?

2. Worin besteht die besondere Qualität der Operation, welche sie von anderen

Operationen im Rahmen der ESVP unterscheidet?

Der erste Fragekomplex wird eine ereignisgeschichtliche Aufarbeitung der Ope-

ration von Anfang Juni bis September und deren Vorgeschichte erfordern, er

soll aufgrund der eingesetzten militärischen Mittel, der Form des Einsatzes und

anhand der formulierten und erreichten Ziele geprüft werden..

Grundsätzlich will ich die Frage klären, was die Operation Artemis in Bezug auf

die Positionierung der EU in politischer und militärischer Hinsicht als – wenn

man so will – „globaler Akteur“ bedeutet.

6http://www.nytimes.com/2003/06/05/international/africa/05CONG.html?scp=5&sq=european%20union%20congo&st=cse (Zugriff 02.11.2009). 7 http://www.europa-eu-un.org/articles/en/article_2675_en.htm

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3. Die Europäische Aussen- und Sicherheitspolitik

Am 10. Dezember 1992 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Eu-

ropäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG in Maastricht auf den Text des Ver-

trages „über die europäische Union“. Als wesentliche Erneuerung gegenüber

der Wirtschaftsgemeinschaft sah dieser die Einführung einer gemeinsamen

Währung bis zum 1. Januar 1999, die Übertragung zusätzlicher Kompetenzen

an die Gemeinschaft, die Stärkung der demokratischen Legitimation durch eine

erweiterte Rolle des europäischen Parlamentes und die Schaffung einer ge-

meinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik vor. Damit begründete er die soge-

nannte Drei-Säulen-Struktur der europäischen Union.8

9

Neben der wirtschaftlichen Struktur im Rahmen der Europäischen Gemein-

schaften (EWG, EGKS, EZU) sollte die Zusammenarbeit in Bezug auf das Jus-

8 Vgl. Clemens et al., S.227 ff. 9 Quelle : http://www.css.ethz.ch/publications/publications/container_maps/files/eu_saeulen_en.jpg (Zugriff 13.12.2009).

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tiz- und Polizeiwesen und die Aussen- und Sicherheitspolitik ebenfalls auf politi-

scher Ebene koordiniert werden. Es handelte sich dabei nicht um eine Neu-

gründung, sondern um eine Änderung und Ergänzung der bereits existierenden

Verträge – so ging die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP)

beispielsweise aus der Europäischen politischen Zusammenarbeit (EPZ) her-

vor.10 Durch das analog zu den Gemeinschaften geltende Einstimmigkeitsprin-

zip kam der GASP eine Koordinationsfunktion der Politiken der Mitgliedstaaten

zu.11 Lediglich die Regelungen im der PJZS waren an sich neu.

In der GASP war die Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheitspolitik im EU-

Vertrag als erklärtes Ziel angelegt, allerdings waren zu diesem Zeitpunkt keine

konkreten Massnahmen zur Gründung entsprechender Institutionen im Ver-

tragstext vorgesehen.12 Der operative Charakter der GASP im Vergleich zur

primär deklaratorischen EPZ sollte durch „gemeinsame Aktionen“ unter Beweis

gestellt werden, deren Zahl rasch zunahm (folgend eine Aufstellung der Anzahl

„gemeinsamer Aktionen“ nach Jahr)13:

1993 5

1994 14

1995 19

1996 18

1997 21

1998 20

1999 53

10 Vgl. Dazu Brunn, S. 275 ff. 11 Vgl. Gaedtke, Jens-Christian, Europäische Aussenpolitik, Paderborn 2009, S.33 ff. 12 „Im Rahmen der GASP sollte die Politische Union eine gemeinsame Sicherheitspolitik entwickeln mit dem Ziel, schließlich eine gemeinsame europäische Verteidigung zu ver-wirklichen, ohne die die Schaffung der Europäischen Union unvollständig bliebe.“ Quelle: Auswärtiges Amt Hrsg. Deutsche Aussenpolitik 1990/91: auf dem Weg zu einer europäi-schen Friedensordnung: Eine Dokumentation. Stuttgart: Bonn Aktuell, 1991, S. 338-341. 13 Die ausnehmend hohe Zahl der Aktionen 1999 ist auf die restriktiven Massnahmen „gegen die Bundesrepublik Jugoslawien“ zurückzuführen. Quelle : http://eur-lex.europa.eu/ (Zugriff 12.12.2009).

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Eine „gemeinsame Aktion“ wird in Art. 12 in Verbindung mit Artikel 14 des EUV

2002 definiert:

„Gemeinsame Aktionen betreffen spezifische Situationen, in denen

eine operative Aktion der Union für notwendig erachtet wird. In den

gemeinsamen Aktionen sind ihre Ziele, ihr Umfang, die der Union zur

Verfügung zu stellenden Mittel sowie die Bedingungen und erforder-

lichenfalls der Zeitraum für ihre Durchführung festgelegt.“

Ein momentan aktuelles, prominentes Beispiel für eine „gemeinsame Aktion“ ist

diejenige „über die Militäroperation der Europäischen Union als Beitrag zur Ab-

schreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und

bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias“ – diese sogenannte „Ope-

ration Atalanta“ ist gleichzeitig die erste maritime Militäraktion der EU.14 Die Ak-

tionen werden in Dossiers abgelegt und sind in der amtlichen Sammlung der

europäischen Union mit dem Index „(Jahr)/(Indexnummer)/GASP“ abrufbar.

Die GASP wird seit dem Vertrag von Amsterdam 1997 personell durch den

„Hohen Vertreter für die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik“ repräsen-

tiert. Diese Funktion nimmt der spanische Politiker und frühere NATO-

Generalsekretär Javier Solana seit 1999 ununterbrochen wahr. In vielerlei Hin-

sicht erscheint Solana als die ideale Besetzung für diesen Posten: Seine diplo-

matische und militärische Erfahrung insbesondere in der Zusammenarbeit zwi-

schen den NATO-Vertragsstaaten und ebenso in Bezug auf eine exponierte Tä-

tigkeit in einer internationalen Organisation, in deren Ausübung mit vergleichs-

weise wenig legaler Autorität gehandelt werden muss.15 Auf Grundlage des Ver-

trages besteht nun auch die Möglichkeit, Strategien im Rahmen der GASP zu

formulieren. Gemeinsame Aktionen, die auf der Grundlage einer solchen Stra-

14 Amtsblatt der Europäischen Union, ABl. L 253 vom 25.9.2009, S. 19–19. 15 Vgl. Hendrickson, Ryan C., Strand, Jonathan R., Raney, Kyle L., Operation Artemis and Javier Solana: EU prospects for a stronger common foreign and security policy, Ca-nadian military journal, Frühling 2007, S.35 ff.

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tegie verabschiedet werden, bedürfen nur mehr eines Mehrheitsbeschlusses16 -

mit der Einschränkung, dass Folgebeschlüsse einstimmig erfolgen müssen. So

oder so bedeutet dies eine teilweise Veränderung der intergouvernemental

ausgerichteten GASP in eine supranationale Richtung.

Inhaltlich gesehen stellte die GASP ein beschränktes Instrumentarium zur Ver-

fügung. Massgeblich war bis 1999 die militärische Zusammenarbeit im Rahmen

der WEU und der NATO. Eine konkrete politische Forderung nach europäi-

schen Verteidigungsstrukturen wurde in einer britisch-französischen Regie-

rungserklärung „über die europäische Verteidigung“ 1998 eingebracht.17 Auf ei-

nem bilateralen Gipfeltreffen in Saint-Malo am 4. Dezember 1998 wurde so vor

dem Hintergrund des Versagens der EU, angesichts der Krise in Jugoslawien

ohne Hilfe der NATO militärischen und – damit untrennbar verbunden - militäri-

schen Druck auf die Konfliktparteien ausüben zu können, die Notwendigkeit ei-

ner autonomen militärischen Handlungsfähigkeit der EU vom französischen

Staatspräsidenten Jacques Chirac und dem britischen Premier Tony Blair pos-

tuliert. Das Projekt wurde auf den EU-Gipfeltreffen in Köln (Juni 1999) und Hel-

sinki (Dezember 1999) vorangetrieben – mit dem Planziel gemeinsamen „Inter-

ventionskapazität“ und entsprechender Gremien und Institutionen.18 Der ein-

gangs erwähnte Beschluss des Europäischen Rats vom 3./4. Juni 1999 hob

schliesslich den Begriff der „Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“

(ESVP) aus der Taufe.

Der Vertrag von Nizza, der am 1. Februar 2003 in Kraft trat, verankerte

schliesslich die ESVP19 als Teil der GASP durch eine Änderung des EU-

Vertrages in Art. 17 in Verbindung mit Artikel 25 und 27 des EU-Vertrages und

integrierte die Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten an Tagungen des Eu-

ropäischen Rates. Damit war die konzeptionelle Aufbauphase der ESVP been-

det.

16 Vgl. Gaedtke, S. 34. 17 Quelle:Französisches Außenministerium, http://www.diplomatie.fr/actual/evenements/stmal (Zugriff 10.12.2009). 18 Vgl. Clemens et al. S.246 ff. 19 Anmerkung: Mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon wurde die ESVP unter dem Namen Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) institutionell un-abhängig und neu strukturiert.

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3.1 Das Scharnierjahr 2003

In Hinblick auf die Europäische Verteidigungspolitik ist das Jahr 2003 in ver-

schiedener Hinsicht von besonderer Bedeutung. Als die juristische Grundlage

für militärische und zivile Operationen mit dem Vertrag von Nizza im Februar

2003 ratifiziert wurde, fand die erste Operation bereits statt: Die Polizeimission

EUPM in Bosnien und Herzegowina. Sie war die erste ESVP-Mission über-

haupt, das ursprünglich dreijährige Mandat wurde auf Ersuchen der Regierun-

gen Bosniens und Herzegowinas inzwischen zweimal um zwei Jahre verlängert.

Das aktuelle Mandat läuft im Dezember 2009 aus.

Dieser folgte im März die Militäroperation Concordia EJR in Mazedonien, an die

im Dezember 2003 eine weitere zivile Operation anschloss – die Polizeioperati-

on EUPOL PROXIMA. Das Ziel der Aktionen war die Überwachung der Einhal-

tung des Rahmenabkommens von Ohrid, welches durch das vertraglich festge-

haltene Prinzip der Nichtdiskriminierung ethnischer Minderheiten und der territo-

rialen Integrität Mazedoniens zur Lösung der Spannungen zwischen den Par-

teien beitragen sollte. Die Mission, welche die NATO-Operation „Allied Harmo-

ny“ ablöste, wurde mit EUPOL PROXIMA mit zivilen Mitteln fortgesetzt. Das

Zusammenspiel zwischen militärischer und ziviler Ausprägung der ESVP wurde

hier bereits demonstriert, allerdings fand dies auf subsidiärer Basis gegenüber

einer Operation der NATO statt, war also keine vollständig eigenständige EU-

Operation.20 Militärisch, logistisch und politisch gesehen war und ist die NATO-

Mission KFOR für das Gebiet des Kosovo und der umliegenden Staaten ver-

antwortlich, das trifft ebenfalls bei der offiziell am 15. Februar 2008 initiierten

jüngsten zivilen EU-Mission EULEX in der Region zu.21 Massive Verzögerungen

durch logistische und Organisatorische Probleme haben allerdings bisher jeden

tatsächlichen Nutzen der Operation verhindert – wodurch eine Möglichkeit zur

Demonstration des Zusatznutzens der ESVP gerade im Vergleich zu einer NA-

TO-Mission ungenutzt blieb.22

20 Gaedtke, S.92 ff. 21 Vgl. McNamara, Sally, Shaping the NATO-EU Relationship: What the U.S. must do, in: The Heritage Foundation Backgrounder, Ausgabe 2195, Oktober 2008. 22 Ebenda, S.2.

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Die als „Polizeimissionen“ klassifizierten Operationen beinhalten die Schulung

von Polizeikräften vor Ort durch Experten aus Mitgliedstaaten der EU und den

Aufbau exekutiver Strukturen. Als Bestandteil der „zivilen“ ESVP basieren sie

auf den Ratsbeschlüssen von Helsinki 1999 und Feira 2000 – der erstere for-

mulierte das Ziel eines Koordinationsmechanismus‘ für nichtmilitärische Krisen-

bewältigung, der letztere vier konkrete Hauptfelder des zivilen Krisenmanage-

ments: Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen, Stärkung der Zivilverwaltung, Poli-

zeiaufbau und Schutz der Bevölkerung.23 Dazu kommen zivile Beobachtermis-

sionen in Krisengebieten.

Im Dezember 2003 publizierte der Europäische Rat eine „Europäische Sicher-

heitsstrategie unter dem Titel „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“. Sie

wurde von Javier Solana im Auftrag des Rats als Reaktion auf die tiefe politi-

sche Spaltung der EU-Mitgliedsstaaten während des dritten Irak-Krieges aus-

gearbeitet und sollte einen Konsens innerhalb der EU über die grundlegenden

sicherheitspolitischen Herausforderungen festhalten.24 Genannt werden darin

der Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale

Konflikte, das „Scheitern von Staaten“ und die organisierte Kriminalität. Die stra-

tegischen Ziele der EU bestehen gemäss dem Dokument in der Abwehr ge-

nannter Bedrohungen, einer Weltordnung auf „multilateraler“ Grundlage und der

Stärkung der Sicherheit in Staaten der „Peripherie“.25 Die EU hat in ihrem Stra-

tegiepapier „Europäische Sicherheitsstrategie“ den erweiterten Sicherheitsbeg-

riff des UNO-Reformpapiers „A more secure world – our shared reponsibility“

übernommen – dieser beinhaltet die Gefährdung „menschlicher Sicherheit“

durch sogenannte „gescheiterte Staaten“ und postuliert eine Verantwortung

zum Schutz von Individuen als Legitimationsgrundlage für Interventionen auch

militärischer Art.26 Darauf komme ich in Hinblick auf die sogenannten „Hybrid

Operations“ zurück.

23 Gaedtke, S.86. 24 Vgl Herz/Jetzlsberger, S.113. 25 Ein sicheres Europa in einer besseren Welt, europäische Sicherheitsstrategie in einer besseren Welt, Quelle: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/031208ESSIIDE.pdf (Zugriff 01.10.2009). 26 A more secure world: our shared responsibility, report of the High-Level Panel on Threats, Challenges and Change, United Nations, New York 2004.

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3.2 Die Europäische Afrikapolitik bis 2003

3.2.1 Wirtschaftspolitik

Die EG schuf 1975 als Reaktion auf die bedeutende zahlenmässige Erweite-

rung der verbundenen ehemaligen Kolonien durch den Beitritt Grossbritanniens

mit der sogenannten „Lomépartnerschaft“ ein aussenpolitisches Konzept. Dabei

handelte es sich offiziell um ein Entwicklungshilfeprogramm für die AKP-

Staaten27 („Afrika, Karibik, Pazifik“, eine internationale Organisation von zurzeit

79 Staaten mit dem Ziel der vertieften wirtschaftlichen Zusammenarbeit) – es

diente der Regelung des Verhältnisses der EG zu den ehemaligen Kolonien der

Mitgliedsstaaten und gewährte diesen beispielsweise bevorzugten Zugang zum

Europäischen Wirtschaftsraum mit ihren Exportprodukten durch günstige Zoll-

konditionen und sorgte für einen Ausgleich durch Transferzahlungen bei Verlus-

ten durch unvorteilhafte Weltmarktpreise.28 Dadurch wurde auch der Zugang

der EWG zu billigen Rohstoffen gesichert, welche innerhalb der Gemein-

schaftsgrenzen mit hoher Wertschöpfung weiterverarbeitet werden konnten.

Nach drei Neuauflagen (Lomé II, III und IV) wurde es schliesslich durch das Co-

tonou-Abkommen ersetzt. An die Abkommen wurden ab „Lomé III“ Auflagen

bezüglich der Beachtung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze ge-

koppelt.

In Reaktion auf den Kongokrieg wurde diese konditionale Ausprägung der wirt-

schaftlichen Verhältnisse zu den AKP-Staaten gerade in für afrikanische Staa-

ten verdeutlicht. Neben „konsequenten Sanktionen“ gegen Staaten, welche ge-

gen Prinzipien der „Demokratie und der Menschenrechte“ verstossen sollte eine

koordinierte Afrikapolitik der EU unter Einsatz des „gesamten Spektrums des

verfügbaren Instrumentariums der Entwicklungspolitik und der Aussen- und Si-

cherheitspolitik im Rahmen kohärenter Einzelfallstrategien“29 das Verhältnis der

EU zu Afrika bestimmen – dazu wurde 1995 der sogenannte „Barcelona-

Prozess“ initiiert, der die Staaten des nördlichen Afrika und des nahen Ostens

27 Anmerkung : Die Demokratische Republik Kongo ist ebenfalls Mitglied der AKP. 28 Vgl. Gaedtke, S.206 ff. 29 Krause, Alexandra, die EU als internationaler Akteur in Afrika, in: Politik und Zeitge-schichte, Band 13, 2002.

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zunehmen an die EU binden soll. Das Afrika südlich der Sahara schien zu die-

sem Zeitpunkt für die EU nicht interessant zu sein.30 Dieses Vorgehen wurde

besonders von der EU-Kommission befürwortet, in Opposition dazu standen die

französische und die britische Regierung, die ihr Sonderverhältnis zu ehemali-

gen Kolonien – sprich, ihre bilateralen Beziehungen - nicht zugunsten einer eu-

ropäischen Afrikapolitik aufgeben wollten.31

Die Konditionalisierung der Wirtschafts- und Entwicklungshilfeleistungen der EU

wurde bereits in den neunziger Jahren in Anlehnung an die Entwicklungspolitik

der Weltbank und des IWF schrittweise vorgenommen.32 Das Coutonou-

Abkommen institutionalisierte dies wie erwähnt in Form eines Staatsvertrages.

Der Vertrag, am 23. Juni 2000 in Benin unterzeichnet, erweiterte das handels-

politische Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten und der EU: Anstelle der

Unilateralen Zugeständnisse verlangte nun die EU ihrerseits erleichterten Zu-

gang zu den Märkten der AKP-Staaten. Diese reziproken Handelspräferenzen,

welche seit den frühen neunziger Jahren die unilateralen Transferleistungen er-

setzten33, wurden ebenfalls durch die Europäische Investitionsbank und den

Europäischen Entwicklungsfonds EEF finanziert.

Generell lässt sich eine Tendenz erkennen, dass das Interesse am Import von

Rohstoffen zunehmend dem Handel mit Industriestaaten insbesondere im Os-

ten der EU weicht. Zudem wurden Gelder umgelenkt: inzwischen nehmen

Transferleistungen gegenüber Staaten des ehemaligen Ostblocks ein grösseres

Volumen ein, als die Mittel an die AKP-Staaten.34

Der EEF wurde als Ergebnis einer Kompromisslösung zwischen der französi-

schen und der deutschen Regierung gegründet und diente dem finanziellen

Lastenausgleich für eine gezielte Investitions- und Wirtschaftsförderungspolitik

30 Vgl.Krause, S.26. 31 Ebenda. 32 Vgl. Holzinger/Knill, S.235. 33 Vgl. McQueen, Matthew, The EU’s free-trade agreements with developing countries: A case of wishful thinking, in: The world Economy, Ausgabe 25, 2002, S.1369-1385. 34 Vgl. Holzinger/Knill, S.238.

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in den ehemaligen Kolonien.35 Die Mittel für die Entwicklungshilfe sind trotz

Bemühungen des Europäischen Parlamentes nicht in den EU-Haushalt als fes-

ter Posten integriert (wie etwa die Kohäsionszahlungen), sondern müssen von

den Mitgliedstaaten durch ihre nationalen Entwicklungshilfebudgets zur Verfü-

gung gestellt werden.36 Dies führt zwar durchaus zu beachtlichen Ausschüttun-

gen: Der nigerianische Demokratisierungsprozess wurde beispielsweise 1998

nicht nur mit der Aussetzung von Sanktionen, sondern auch mit der Bereitstel-

lung von 810‘000 ECU für die Finanzierung von Wahlbeobachtern vergütet. An

diesem Beispiel lässt sich allerdings auch die Interessendivergenz innerhalb der

EU exemplarisch aufzeigen – als Reaktion auf die Ermordung des Umweltakti-

visten Wiwa 1995 wurde ein Waffenembargo und eine Visapflicht für einreisen-

de Regierungsmitglieder als Sanktionen eingeführt. Das Verhängen eines Öl-

embargos scheiterte hingegen am Widerstand Italiens, Frankreichs, Grossbri-

tanniens und der Niederlande. Die letzteren beiden Regierungen sind wichtige

Shareholder des Shell-Konzerns.37

2003 war die EU der viertgrösste Geber von Entwicklungshilfe.38 Der grösste

Teil wird von den Mitgliedsstaaten direkt ausgerichtet, allerdings übernimmt die

EU zunehmend einen Teil der Abwicklung. Ansonsten koordiniert und ergänzt

die EU Projekte in der Form gemeinsamer Aktionen und durch die 2001 einge-

richtete Agentur „Europeaid“. In dem Abkommen von Cotonou wurde ebenfalls

die Konditionalisierung gegen den Widerstand der AKP-Staaten verankert. Sie

äussern sich in Standards der „Good Governance“, der Armutsbekämpfung und

der Menschenrechtssituation als Vergabekriterium.39 Diese „wesentlichen Ele-

mente“ des Vertrages können gemäss der Wiener Konvention bei Missachtung

zu einer Suspendierung des gesamten Vertragswerkes führen, die Liste der po-

litischen Klauseln wurde in einer Revision 2005 durch die EU mit einem Nicht-

verbreitungsgebot für Massenvernichtungswaffen und einem Kooperationsge-

bot bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus erweitert.40

35 Chiari, Bernhard, Kollmer, Dieter, Demokratische Republik Kongo, Paderborn 2006, S. 89 f. 36 Vgl. Holzinger/Knill, S. 235 f. 37 Krause, S.27. 38 Holzinger/Knill, Die Europäische Union, Paderborn 2005, S.233 ff. 39 Ebenda, 40 Gaedtke, S.209 f.

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3.2.2 Sicherheitspolitik

Während eine Vielzahl der EU-Mitgliedsstaaten kaum nationale Interessen auf

afrikanischen Territorien wahrnehmen, unterhalten die europäischen Staaten

mit kolonialer Vergangenheit auch sicherheitspolitisch eine Sonderbeziehung

zum afrikanischen Kontinent. Dennoch begann sich nach massiver Kritik an der

Untätigkeit auch europäischer Staaten im Angesicht des Massenmordes in Ru-

anda 1994 eine Entwicklung auf EU-Ebene anzubahnen: Eine erste konzeptio-

nelle Initiative der EU 1996 an den „Rat zur Konfliktbearbeitung“ beinhaltete ei-

ne Beschreibung einer präventiven, interventionistischen Strategie zur Bekämp-

fung von gewaltsamen Konflikten durch die internationale Gemeinschaft. Die

Initiative Beschrieb als Grundprinzip die „effective ownership“, welche die För-

derung der afrikanischen Staaten in Form von finanzieller und technischer Hilfe

postuliert, um sie dadurch letztendlich zur autonomen Bewältigung der Konflikte

zu befähigen.41

Dieses Prinzip kann nicht zuletzt als direkte Konsequenz aus dem blutigen

Scheitern der US-geführten UNO-Mission „Restore hope“ in Somalia gesehen

werden, die 28 pakistanische und 18 US-amerikanische Soldaten das Leben

kostete und bei der US-amerikanischen Regierung die Bereitschaft zu weiteren

sicherheitspolitischen Engagements in Afrika starkem innenpolitischem Druck

aussetzte.42 Die EU stellte die Strategie primär auf einen andauernden Dialog

mit der Organisation für Afrikanische Einheit (OAE, Vorläufer der Afrikanischen

Union AU) ab. Dieser Umstand hatte eine entscheidende Konsequenz für die

Form des Sicherheitspolitischen Vorgehens der EU: Die Formulierung gemein-

samer Strategien im Rahmen der GASP erforderte eine enge Kooperation zwi-

schen dem Rat und der EU-Kommission und sollte als gemeinsamer Bezugs-

rahmen die Afrikapolitik auf die Agenda aller Mitgliedsstaaten setzen.43

41 The European Union and the Issue of Conflicts in Africa: peacebuilding, prevention and beyond (Mitteilung der EU-Kommission an den Rat), SEC 3, 1996. 42 Vgl. Krause, S.24ff. 43 Ebenda, S. 25.

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3.2.3 Die Rolle Frankreichs

„Es sind die üblichen Faktoren im Spiel. Die Elfenbeinküste ist ein

Flickenteppich aus Ethnien und Religionen, mit einer deutlichen Ri-

valität zwischen dem Norden und dem Süden. Seit dem Tod von

Houphouët-Boigny [Anmerkung: Felix Houphouët-Boigny war von

1960 bis 1993 Präsident des Staates Elfenbeinküste], herrscht Auf-

ruhr.“

Mit diesen knappen Worten beschrieb der damalige französische Aussenminis-

ter Dominique de Villepin die Krise an der Elfenbeinküste im September 2002

gegenüber der französischen Nationalversammlung, als Teile der Armee gegen

die von Frankreich gestützte Regierung rebellierten.44 Im selben Monat interve-

nierte die französische Armee im Rahmen der „Operation Licorne“ mit einem

robusten UNO-Mandat vor Ort. Die Aussage de Villepins zeigt eine stark ver-

kürzte, holzschnittartige Sichtweise auf den Konflikt in der ehemaligen französi-

schen Kolonie – in der französische Unternehmen einen Drittel der Auslandsin-

vestitionen tätigen und über 75 Prozent der Produktionskapazitäten des Landes

kontrollieren45 – und illustriert die Sichtweise einer ehemaligen Kolonialmacht

auf ihre ehemaligen Besitzungen.

Um die politische Bedeutung der Operation Artemis zu verstehen, ist es meiner

Ansicht nach notwendig, der Kolonialpolitik Frankreichs besondere Aufmerk-

samkeit zu schenken. Der französische Staat hat nicht nur den konkreten Ein-

satz zum grössten Teil personell und militärisch bestritten, sondern auch die Ini-

tiative innerhalb der UNO und der EU eingebracht und vorangetrieben, wie ich

im Folgenden aufzeigen werde. Formal endete die Kolonialherrschaft der Fran-

zosen in den sechziger Jahren in den meisten Gebieten, ausgenommen die

Departements der karibischen Inseln Guadeloupe und Martinique, Réunion im

indischen Ozean sowie Französisch-Guayana in Lateinamerika; den Übersee-

gebieten Polynesien, Neu-Kaledonien sowie zwei territorialkollektiven, Mayotte

44 Vgl. Diop, Boubacar Boris, Postkoloniale Entkolonialisierung in: Le Monde diplomati-que, Afrika. Stolz & Vorurteile, Ausgabe 5 2009, S.45 ff. 45 Ahua, Bernard, La France se taille la part du lion dans l’économie ivoirienne, Manière de voir, Ausgabe 79, Januar 2005.

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im indischen Ozean und St.Pierre et Miquelon bei Neufundland.46 Politisch,

ökonomisch und militärisch blieb die „Grande Nation“ allerdings bis heute prä-

sent. Wirtschaftskurs und Währungspolitik der Klientelstaaten werden von Paris

aus durch bilaterale Abkommen bis heute mitbestimmt – dazu kommen zwei

Dutzend bewaffnete Interventionen auf dem afrikanischen Kontinent bis heute

sowie drei ständige Militärstützpunkte in Dakar (Senegal), Libreville (Gabun)

und Tschibuti (Eritrea).47 Frankreich ist war zum Zeitpunkt der Operation Arte-

mis ein erfahrener militärischer Akteur auf dem afrikanischen Kontinent.

Die französische Regierung hat nationalstaatliche wirtschaftliche und politische

Interessen in der Vergangenheit in diversen Fällen über den Willen der EU ge-

stellt – gerade in aussenpolitischen Belangen. Der Wahlbetrug in Togo durch

den Diktator Eyadema wurde von der Mehrzahl der Mitgliedstaaten sanktioniert,

während Frankreich die Unterstützung des Regimes fortsetzte. Ein ähnlicher

Fall lag in Kongo-Brazzaville 1997 vor, wo die illegitime Machtübernahme des

Rebellenführers Sassou-Nguessos durch die EU lediglich verbal verurteilt wer-

den konnte – die französische Regierung hatte sich gegen weiterführende

Massnahmen in der Kommission gesperrt. Der französische Ölkonzern Elf Aqui-

taine soll Sassou-Nguessos sogar über längere Zeit finanziell unterstützt ha-

ben.48

Auffallend in der Entwicklung der ehemaligen Kolonialgebiete ist der relativ ge-

ringe ökonomische und soziale Entwicklungsstand, den diese gegenüber Ang-

lophonen ehemaligen Kolonien aufweisen. Die Mitgliederliste der Organisation

internationale de la Francophonie (OIF) beinhaltet zum grössten Teil Staaten,

die auf unteren Rängen der Erhebungen des World Economic Forum (WEF)

und des Human Development Index der UNO rangieren.49 Für die Region der

grossen Seen ist der Umstand für mich von besonderem Interesse, dass ver-

schiedene Veränderungen in den lingualen Präferenzen lokaler Regierungen 46 Vgl. Reisman, Arnold and Saha, P.K., Francophone Non-European countries: Common Attributes and National Development May 31, 2005. SSRN: http://ssrn.com/abstract=732924 (Zugriff 09.09.2009). 47 Hansen, Andrew, The French military in Africa, Council on Foreign relations, 2008, Quelle: http://www.cfr.org/publication/12578/ (Zugriff 12.10.2009). 48 Schmidt, Sigmar, Die Afrikapolitik der EU, in: Jahrbuch der europäischen Integration, Bonn 1998, S. 272. 49 Reisman et al., S.15f.

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durch konfliktbedingten Strukturwandel stattgefunden haben: Das frankophone

Hutu-Regime wurde nach dem Massenmord in Ruanda 1994 von anglophonen

Tutsi-Rebellen verjagt, welche fortan die Regierungsgewalt innehatten. Das

frankophone Zaire erhielt nach dem Ende des Mobutu-Regimes Englisch als

zweite Amtssprache, die DRK wiederum trat 1997 beim Gipfel von Hanoi aus

der frankophonen Sprachgemeinschaft aus.50 US-Amerikanische und britische

Unternehmen profitieren vom Machtwechsel, da sie durch den Erwerb von Kon-

zessionen im Kobalt- und Kupferabbau von der Regierung Kabila die Vorherr-

schaft französischer Nutzniesser durchbrechen können. Dies ist nicht zuletzt ei-

ne Gegenleistung: die Truppen Kabilas wurden nach Recherchen der ZEIT

während des ersten Kongokrieges durch Informationen der US-Geheimdienste

unterstützt.51 Es lässt sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein generell erhöh-

tes Interesse von US-Amerikanischer Seite gegenüber Afrika feststellen. Im

Rahmen der Doktrin „internationaler Terrorismusbekämpfung“ fanden 2002 und

2003 Staatsbesuche des damaligen US-Aussenministers Colin Powell respekti-

ve des US-Präsidenten George Bush in afrikanischen Staaten statt. Auf diese

folgte eine indirekte Beteiligung an koordinierten militärischen Aktionen in der

Sahelzone durch Mali, Tschad , Algerien und Niger durch die „Pan-Sahel-

Initiative unter US-Ägide. Allein 2003 und 2004 überstieg das Volumen militäri-

schen Engagements der USA dasjenige während der gesamten Zeit des Kalten

Krieges.52

Innerhalb Europas fällt die bilaterale Beziehung zwischen Frankreich und

Grossbritannien gerade in Bezug auf die Aussen- und Sicherheitspolitik auf. Als

die eher europa-skeptische konservative britische Regierung 1997 durch die

pro-europäisch ausgerichtete Labour-Regierung Tony Blairs abgelöst wurde,

endete gleichzeitig auch die bis zu diesem Zeitpunkt dominierende britische Po-

litik der Enthaltung innerhalb der EU. Zusammen mit der deutschen und der

französischen Regierung wurde Grossbritannien zu einer Agenda-definierenden

50 Grill, Bartholomäus, Die Gier der weissen Brüder, in: Die Zeit, Fischer Weltalmanach Afrika, S.74 ff. 51 Ebenda, S.77. 52 Vgl. Abramovici, Pierre, Die Wiederentdeckung Afrikas durch die USA, in: Afrika, Stolz & Vorurteile, Edition le Monde diplomatique, Ausgabe 5 2009, S.50 ff.

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Kraft innerhalb der EU.53 Die Initiative von St. Malo wurde bereits erwähnt - zu

diesem Anlass 1998 betonten die beiden Staaten ihre Ambitionen „europäische

Werte in Afrika zu fördern.“54 Während dem britisch-französischen Gipfeltreffen

in Cahors im Februar 2001 verkündete der britische Premierminister Tony Blair

nicht nur, er sei „stolz darauf, Europäer zu sein“, auch wurden die bis anhin üb-

lichen deutsch-französischen Positionskoordinationen für anstehende EU-Gipfel

durch britisch-französische ersetzt. Ebenfalls vereinbarten die Regierungen ei-

ne „neue gemeinsame Afrikapolitik“, welche durch Zusammenarbeit auf den

Gebieten der Krisenbewältigung und Diplomatie der „tiefen historischen Verbin-

dung zu Afrika“ gerecht werden sollte.55 Die Kooperation der beiden ehemaligen

Kolonialmächte setzte sich auch direkt in der DRK fort, als sich die Regierungen

auf dem Gipfel von Toucquet im Februar 2003 auf eine „starke Kooperation“ im

„notwendigen“ Aufbau einer nationalen kongolesischen Armee einigten.56 Im

Februar 2003 trat auch der Vertrag von Nizza in Kraft, der den institutionellen

Unterbau für die Umsetzung der ESVP lieferte: das Sicherheitspolitische Komi-

tee (PSK), welches die Tagungen des Europäischen Rats in Fragen zu Themen

der GASP/ESVP vorbereitet und die Beschlüsse umsetzt, der EU-

Militärausschuss (EUMC) der das PSK in militärischen Fragen berät sowie der

für die Planung der konkreten Operationen zuständige EU-Militärstab (EUMS).57

53 Vgl. Guyomarch et al., France in the European union, New York 1998, S.105 ff. 54 Gegout, Catherine, Causes and consequences of the EU’s military intervention in the Democratic Republic of Congo: A realist explanation, European Foreign Affairs review 10, 2005, S.428 ff. 55 Berliner Zeitung vom 9. Februar 2001, Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2001/0210/politik/0027/index.html 56 Hoebeke, Hans, Carette, Stéphanie, Vlassenroot, Koen, EU support to the Democratic Republic of Congo, Centre d’analyse stratégique, Brüssel 2007, S.13. 57 Varwick, Johannes, Die NATO, Vom Verteidigungsbündnis zur Weltpolizei, München 2008, S.126.

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3.3 Die ESVP und die NATO

Bis zum Ende des Kalten Krieges und darüber hinaus war das transatlantische

Verteidigungsbündnis NATO der massgebliche Sicherheitsgarant für die Mit-

gliedsstaaten der EG und später der EU. Selbst der frühere Versuch einer „eu-

ropäischen“ Verteidigungspolitik im Rahmen der EVP wäre – angenommen er

hätte ratifiziert und umgesetzt werden können - in seinem Grundsatz in die

Strukturen der NATO integriert gewesen. Das Ende der unmittelbaren Bedro-

hungslage als bestimmendes Element jeglicher Sicherheitspolitik machte nun

eine Neudefinition insbesondere des Verhältnisses der eigentlichen Schutz-

macht USA und der Staaten der EG nötig. Insbesondere sollten im Rahmen der

Westeuropäischen Union (WEU) und seit den späten neunziger Jahren auch

der EU Aufgaben, welche früher durch die NATO wahrgenommen wurden

übergeben werden.58 Neill Nugent beschreibt einen Wandel des sicherheitspoli-

tischen Fokus‘ von militärischer und insbesondere nuklearer Kapazität hin zu

geographischer Lage und ökonomischer Stärke als massgebliche Faktoren

nach 1989, der als Paradigma für die Betrachtung dieses Überganges meiner

Meinung nach tauglich ist. Diese Neuordnung verläuft nicht ohne politische

Konflikte: Der Wunsch der EU-Staaten, eine Neuorientierung in dieser Situation

mit eigenen Massnahmen und Mitteln vorzunehmen, wird US-amerikanischen

Regierungen zwar vordergründig unterstützt – allerdings nur in einem Rahmen,

der zwar Entlastung, nicht aber Entmachtung oder Einflussverlust zur Folge

hat.59

Da die Interessen der einflussreichsten Mitgliedsstaaten Deutschland, Frank-

reich und Grossbritannien für die Politik der EU prägend sind, führt eine zu-

nehmende Eigenständigkeit der EU-Aussen- und Sicherheitspolitik auch zu ei-

nem Kontrollverlust der USA gegenüber den wichtigsten „traditionellen“ europä-

ischen Verbündeten. Innerhalb der NATO bedeutet ein geschlossenes Auftreten

der EU-Mitgliedstaaten durch eine vorgängige Einigung im Rahmen der GASP

bzw. heute GSVP gleichzeitig auch, dass der auf Konsens ausgerichtete Ent-

scheidungsprozess Ad-Hoc-Koalitionen der USA mit diesen Staaten erschwert. 58 Vgl. Ebenda, S.119 f. 59 Vgl. auch hierzu Nugent, Neill, The gouvernment and politics of the European Union, New York 2006, S.493 ff. sowie Varwick, S.120. ff.

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Dies schränkt den Spielraum der USA in der NATO empfindlich ein.60 Das „Ber-

lin plus“-Abkommen vom 13. März 2003 vertiefte die im „Berliner Abkommen“

definierte Aufgabenteilung der EU und der NATO in Sicherheitspolitischen Be-

langen und hielt unter anderem folgende Grundsätze fest:61

- „Die EU agiert nur dann autonom, wenn die NATO Aktionen unterlässt.“

- „Die ESVP ist ein Bestandteil der NATO.“

- „Der Fokus der ESVP ist auf die Petersberg-Aufgaben gelegt, diese be-

schränken das militärische Handeln der EU.62“

Die ESVP sollte also das europäische Kommando der NATO (EURCOM) nicht

ersetzen, sondern ergänzen – und dies in Aufgabenbereichen, die entweder zi-

viler Natur sind oder subsidiär zur NATO wahrgenommen werden. Damit sollte

die Doktrin der „drei Ds“ im Verhältnis zwischen der EU und der NATO auf-

rechterhalten werden: Keine Ablösung von der NATO („decoupling“), keine

Doppelung von NATO-Ressourcen („duplication“) und keine politische oder mili-

tärische Diskriminierung („discrimination“) von NATO-Mitgliedern, die kein Be-

standteil der EU sind.63 Dies waren die Voraussetzungen, welche die damalige

Aussenministerin der Clinton-Regierung 1998 definierte, unter denen die NATO

und insbesondere die USA eine eigenständige Sicherheitspolitik der EU akzep-

tieren würden.64 Diese Sichtweise wurde offensichtlich gerade von der französi-

schen Regierung nicht akzeptiert: Ein Untersuchungsbericht des US-

amerikanischen Kongresses hielt im Januar 2005 fest, dass französische Re-

gierungsvertreter sich „seit langem dafür ausgesprochen haben, dass die EU

60 McNamara, Sally, Shaping the NATO-EU Relationship: What the U.S. must do, in: The Heritage Foundation, Ausgabe 2195, Oktober 2008, S.7. 61 Nugent, S.496 ff. 62 Vgl. hierzu die Einleitung dieser Arbeit. 63 Vgl. hierzu McNamara, S.2 sowie Varwick, S.130 ff. 64 Varwick, S.133.

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ein Gegengewicht zu den USA darstellen solle und dass die ESVP ein Instru-

ment sei, um das politische Gewicht der EU zu erhöhen“.65

Ich werde nun die Situation in der Demokratischen Republik Kongo schildern.

Damit will ich den historischen und politischen Hintergrund der Operation Arte-

mis aufzeigen, um sie anschliessend in den beschriebenen verteidigungspoliti-

schen Kontext einzuordnen.

65 „French officials have long argued that the EU should seek to counterbalance the Unit-ed States on the international stage and view ESDP as a vehicle for enhancing the EU’s political credibility“, Archick, Kristin, Gallis, Paul, NATO and the European Union, Con-gressional Research Service Report for Congress, 4. Januar 2005, Quelle: http://www.fas.org/man/crs/RL32342.pdf (Zugriff 03.12.2009).

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4. Die Demokratische Republik Kongo

66

Daten:67

Fläche: 2344885 qkm, damit ist die DRK der zwölftgrösste Staat des Planeten.

66 Quelle: http://images.nationmaster.com/images/motw/africa/congo_demrep_pol98.jpg (Zugriff 09.12.2009). 67 Vgl. Der Fischer Weltalmanach 2009, S.282 ff.

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Einwohner: 60 644 000 (2006), das entspricht 26 Einwohner je qkm, dies ent-

spricht einer Schätzung auf Grundlage der letzten ordentlichen Volkszählung

1984.

Politische Hauptstadt: Kinshasa

Amtssprache: Französisch, seit 1995 auch Englisch

BIP/Einwohner: 130 US-Dollar

Erwerbstätigkeit: Zu 61% im primären Sektor (2004)

Inflation: Durchschnittlich 21.3 % (2005)

Importvolumen: 2.78 Mrd US-Dollar, hauptsächlich aus Südafrika, Belgien und

Frankreich.

Exportvolumen: 2.35 Mrd US-Dollar, primär Kupfer, Industriediamanten, Kobalt,

Gold (insbesondere aus der Provinz Ituri), Erdöl, Kaffee, Palmöl, pharmazeu-

tisch nutzbare Pflanzen, Holz.

Ökonomische Verhältnisse: Die heutige DR Kongo gehört, gemessen am Brut-

toinlandprodukt, zu den ärmsten Ländern der Welt. Dies ist insbesondere in

Hinblick auf die Tatsache bemerkenswert, dass die reichen Rohstoffvorkommen

und Wasservorräte ein wirtschaftliches Potential darstellen, welches auf dem af-

rikanischen Kontinent weit überdurchschnittlich ist.68 Damit verbunden ist aller-

dings auch ein schwerwiegendes Dilemma: Die illegale Ausbeutung der Roh-

stoffvorräte in der DRK und die damit zusammenhängende persönliche Berei-

cherung von Politikern und Anführern bewaffneter Gruppen (insbesondere in

Berichten des US-Militärs analog zu anderen Regionen auch als „Warlords“ be-

zeichnet) wurde gemäss eines auf einer dreijährigen Untersuchung basieren-

den UNO-Berichtes als eigentliches Ziel und eigentliche Ursache des andau-

ernden Bürgerkrieges bezeichnet.69 Im November 2003 verurteilte der UNO-

68 Final Report of the Panel of Experts on the illegal exploitation of Natural Resources and other forms of wealth in the DR Congo, UNO-Dokument S/2003/1027. 69 Final Report of the Panel of Experts on the illegal exploitation of Natural Resources and other forms of wealth in the DR Congo, UNO-Dokument S/2003/1027.

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Sicherheitsrat in einem Communiqué offiziell auch die Tätigkeit internationaler

Unternehmen in der DRK, welche gegen OECD-Richtlinien verstosse:

“Illegal exploitation remains one of the main sources of funding for

groups involved in perpetuating the conflict. Over the past year, such

exploitation has been characterized by intense competition among

the various political and military actors as they have sought to main-

tain, and in some cases expand, their control over territory. Overall,

however, the transition of control from foreign forces to the armed

groups has led to a temporary reduction in the volume of illegally ex-

ploited resources.”70

Bei den 114 transnationalen Konzernen, die als Minenunternehmen, Spediteu-

re, Rohstoffhändler, Fluglinien, Banken, Versicherungen usw. an der Ausbeu-

tung von natürlichen Ressourcen beteiligt sind, handelt es sich bei mehr als der

Hälfte um Unternehmen mit Hauptsitz innerhalb der EU.71

Um die Problemstellung verstehen zu können, die zu diesem Missverhältnis

zwischen ökonomischem Potential und effektiver volkswirtschaftlicher Leistung

führen konnte, werde ich nun einen Überblick über die Kolonialgeschichte der

Demokratischen Republik Kongo und der anschliessenden Phase der Dekolo-

nisation anbringen. In Hinblick auf die Operation Artemis ist dies insofern rele-

vant, als dass die DRK nicht nur ein oft zitiertes Beispiel eines „gescheiterten

Staates“ als Einsatzraum einer „humanitären intervention“ darstellt72, sondern

auch um die Verbindungen zwischen europäischen Staaten und Afrika exemp-

larisch aufzuzeigen.

70 Security Council condemns continuing exploitation of natural resources in democratic republic of Congo, UNO Pressedokument SC/7925, Quelle: http://www.un.org/News/Press/docs/2003/sc7925.doc.htm (Zugriff 02.09.2009). 71 Marischka, Christoph, Artemis am Congo, IMI-Studie 2005/04, ISSN 1611-25, S.18. 72 Anmerkung: Auf diese Begriffe gehe ich in Kapitel 7 näher ein.

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4.1 Kolonialzeit

Das Königreich Kongo, das seit der Machtübernahme durch einen katholischen

Konvertiten 1506 formal eine christliche Herrschaft war, zerfiel durch die wirt-

schaftliche Aushöhlung durch portugiesische Handelsgesellschaften Ende des

17. Jahrhunderts in kleinere Herrschaftseinheiten, welche durch die stabilisie-

rende Wirkung des Handelsimperiums der Lunda bis um 1870 Bestand hatten.

Die „Westafrikakonferenz“ in Berlin 1884 schliesslich erklärte das Gebiet zu ei-

nem Freistaat im völkerrechtlichen Sinn.73 Die Souveränitätsrechte lagen bei ei-

ner Gesellschaft in Brüssel, der „Association internationale du Congo“. Der bel-

gische König Leopold II. berief sich – unter dem Vorwand humanitäre und wis-

senschaftliche Interessen zu verfolgen – auf den Freistaat, um ihn für seine

wirtschaftlichen Interessen zu nutzen. Faktisch überführten die AIC und das

1878 gegründete Comité d’Études du Haut-Congo den Belgisch-Kongo in das

Privateigentum Leopolds.74

Um das Gebiet zu erschliessen, ersuchte Leopold einen populären Vertreter der

„Afrika-Forschung“: den US-amerikanischen Journalisten Henry Morton Stanley.

Dieser hatte Berühmtheit erlangt, als es ihm gelang, den verschollen geglaub-

ten Missionar und Afrika-Forscher David Livingstone am Tanganjikasee wieder-

zufinden und anschliessend den afrikanischen Kontinent zu überqueren. Am

10. Dezember 1878 unterzeichnete Stanley einen Vertrag mit dem CEC, der ihn

für zehn Jahre in der Sache der Erschliessung des Oberen Kongo verpflichtete.

„Es geht darum, einen neuen Staat zu gründen, so gross wie mög-

lich, und ihn zu verwalten (…) Es versteht sich, dass es nicht vorge-

sehen ist, den Schwarzen auch nur die geringste politische Autorität

zuzugestehen. Das wäre absurd. Die Weissen, die den Stationen

vorstehen, werden die Staatsgewalt innehaben.“75

Die Gründung von fünf Stationen am Lauf des Oberen Kongo und der Ab-

schluss von Verträgen mit Einheimischen setzten den Grundstein für die belgi- 73 Vgl. Afigbo et al, The making of modern Africa, Volume I, 8. Auflage, Essex 1993, S.331 ff. 74 Kineth, Ruth, Der weisse Mann und sein Erbe, Das Unternehmen Kongo, in: Fischer Weltalmanach Afrika, Frankfurt 2006, S. 15. 75 Hochschild, Adam, King Leopold’s Ghost, New York 1998, S.67.

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schen Besitzungen im Kongo. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde die AIC aus-

schliesslich von Leopold durch private Mittel finanziert. Das Vorgehen im Kongo

kam Raubwirtschaft und materieller Enteignung der Bewohner gleich: Die

Grundpfeiler waren die Vergabe von Monopolrechten an Konzessionsgesell-

schaft, die Zwangsarbeit der Bevölkerung und die Aneignung des unkultivierten

Landes. Dies verhinderte jede theoretisch mögliche autonome wirtschaftliche

Entwicklung der Menschen auf dem Gebiet des Kongofreistaates.76

Zu Beginn warf der Kongo keineswegs Gewinne ab. Leopold ersuchte gar 1886

die belgische Nationalbank um einen Zusatzkredit, der ihm jedoch bis 1890

verweigert wurde. Wirtschaftlich gewinnversprechend wurden die Gebiete am

Kongo-Fluss mit dem rasanten Anstieg der Kautschukpreise auf dem Weltmarkt

– Leopold erklärte kurzerhand das Gebiet um den Lac Léopold II zur Krondo-

mäne und schrieb andere Gebiete entgegen den Vereinbarungen der Berliner

Afrikakonferenz Monopolisten zu.77 Um im Zug des Kautschukbooms Plantagen

in Südamerika und Asien zuvorzukommen, konzentrierte sich die Ausbeutung

auf die Bestände wilder Gummibäume, welche unter enormen Anstrengungen

von Kongolesen in Zwangsarbeit erschlossen und abgebaut werden mussten –

Konzessionsgesellschaften und das belgische Militär gingen (auch mit der tat-

kräftigen Unterstützung angeheuerter Afrikaner) dabei mit enormer Brutalität

vor.78 Das forcierte Vorgehen lohnt sich: Zwischen 1890 und 1904 erhöhten

sich die Gewinne aus der Kautschukernte im Freistaat Kongo um das Sechs-

undneunzigfache, das Gebiet war die profitabelste Kolonie Afrikas.79

Der Einsatz militärischer Zwangsmittel, die Ausrichtung von Erfolgshonoraren

an die Agenten und die epidemische Ausbreitung tödlicher Krankheiten führten

zu einer demographischen Katastrophe. Der britische Konsul Robert Casement

beschrieb die Zustände im Belgischen Kongo in einem Bericht an das britische

Aussenministerium, welches das Papier dankbar aufnahm und als Mittel zur

Demonstration der (moralischen) Überlegenheit des eigenen Commonwealth

nutzte. Dieses als „Casement-Report“ bekannte Dokument gab Aufschluss über

76 Vgl. Wirz, S.428. 77 Kineth, S.17. 78 Vgl. Speitkamp, S.267 f. 79 Hochschild, S.160 f.

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die brutale Dezimierung der Bevölkerung des Kongo durch blutige Razzien des

belgischen Militärs und zeigte den selbsternannten Philanthropen Leopold als

rücksichtslosen, rassistischen Despoten.80 Die sogenannten „Kongo-Gräuel“

fanden Wiederhall in der belgischen und insbesondere britischen und US-

amerikanischen Öffentlichkeit: Internationale Gesellschaften wie die „Congo Re-

form Association“ berichteten darüber, der polnisch-britische Schriftsteller Jo-

seph Conrad verarbeitete sie in seinem populären Erlebnisbericht „Das Herz

der Finsternis“.81 Als Reaktion auf diplomatischen Druck der Regierungen der

USA und Grossbritanniens übernahm der belgische Staat 1908 den Kongo von

der Freistaatverwaltung. Das Gebiet wurde in „Belgisch-Kongo“ umbenannt. Für

die Bevölkerung des Kongo hatte diese Machtübergabe allerdings keine positi-

ven Auswirkungen.

Die belgische Kolonialherrschaft unterscheidet sich durch verschiedene Fakto-

ren von anderen Kolonien. Erstens die wirtschaftliche Dimension: Kaum in ei-

nem Kolonialstaat war die Verflechtung von Staatsgewalt und Finanzkapital

derart ausgeprägt wie im Belgisch-Kongo. Die Bevölkerung wurde als Arbeits-

kraft gesehen und behandelt, die Kolonialwirtschaft sollte bei gleichzeitiger Er-

haltung der „afrikanischen“ Gesellschaftsformationen in den Weltmarkt integriert

werden, was auch den Widerspruch zwischen einem stetig expandierenden ka-

pitalistischen Wirtschaftssektor und einer weitestgehend in stagnierender Sub-

sistenzwirtschaft lebenden Bevölkerung erklärt.82 Die belgische Kolonialverwal-

tung griff auf ein Instrumentarium brutaler Herrschaftsmethoden zurück, wel-

ches aus Sklaverei und Zwangsarbeit auf der Basis militärischer und ziviler

Gewalt beruhte. Die allgegenwärtige Präsenz von Gewalt im Alltag der Einwoh-

ner des Belgisch-Kongo mit all ihrem Einfluss auf ethische Normen und Erfah-

rungshorizonte hatte eine prägende Wirkung auf die Gesellschaftsform, welche

zusehends brutalisiert und zerrüttet wurde – Gewalt als Mittel zur Bewältigung

von gesellschaftlichen Herausforderungen wurde durch die Kolonialherrschaft

faktisch zur Norm gemacht.83 Der US-amerikanische Journalist Adam Hoch-

schild argumentiert in seinem Werk „King Leopold’s Ghost“, im Freistaat sowie 80 Kineth, S.15 ff. 81 Speitkamp, S.264 ff. 82 Vgl. Dazu auch Wirz, Albert, Krieg in Afrika, Wiesbaden 1982, S.427. 83 Vgl. dazu Nkula, Mulenga, The failure of the postcolonial State and the generation of ethnic conflict in Africa: The case of the democratic Republic of Congo, S.64.

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im Belgisch-Kongo seien zwischen 1880 und 1920 über zehn Millionen Men-

schen Opfer organisierter Gewalt durch die Kolonialverwaltung und private Ge-

sellschaften geworden – und spricht dabei von einem „Genozid“. Auch wenn

diese Zahlen hypothetisch sind, kann dennoch eine enorme Brutalität der belgi-

schen Regierung und beteiligter europäischer Gruppen während dieser Zeit

kaum abgestritten werden. Der Begriff des „Genozids“ ist hier allerdings meiner

Meinung nach nicht angebracht.84

Das andere prägende Element insbesondere in der Region der grossen Seen

war die Schaffung einer eigentlichen Doppelidentität: Einer Dichotomie zwi-

schen ethnischer und ziviler politischer Identität.85 „Lokale Autoritäten“ wurden

zur Verwaltung des Kolonialstaates auf der Grundlage indirekter Herrschaft ein-

gesetzt. Diese sozialen Formationen hatten in den wenigsten Fällen tatsächli-

che Herrschaftslegitimation oder Autorität, diese wurde von der Kolonialmacht

verliehen – wo keine bestehenden Herrschaftsstrukturen beeinflusst werden

konnten, schuf die belgische Kolonialmacht neue. Politische und Ökonomische

Ausgrenzung auf der Grundlage ethnischer Identitäten als parallele Gesell-

schaftsstruktur ist nicht nur die Ursache vieler Konflikte in der Region, sondern

auch gleichzeitig ein grundlegendes Hindernis für die Übertragung europäisch

geprägter Vorstellungen von Staatlichkeit und Verwaltung auf die ehemaligen

Kolonialstaaten in der Region der grossen Seen.86

Am 30. Juni 1960 erlangte der Kongo seine Unabhängigkeit, als die belgische

Kolonialverwaltung abzog. Damit endete auch deren autoritäres Regime, wel-

ches sowohl den Handels- als auch den Produktionssektor beherrschte. Die

erste Regierung ging aus einem Machtkampf zwischen der „Bakongo Alliance

Party“ (BAP) und den sogenannten Lumumbisten hervor. Der Anführer der

BAP, Joseph Kasavubu, wurde durch eine Kompromisslösung Präsident, wäh-

rend Lumumba das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Die Belgische Re-

gierung behinderte den Stabilisierungsprozess zusätzlich durch die Unterstüt-

zung oppositioneller Gruppen, insbesondere der Conakat-Partei aus der Pro-

84 Auch wenn verschiedene Autoren andere Auffassungen vertreten, unterscheidet sich das Vorgehen der Belgier in der Intention von eliminatorischen Akten, vergleiche hierzu auch Barth, S.29 ff. 85 NKula, S. 66 ff. 86 Vgl. Ebenda, S.68 ff.

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vinz Katanga.87 In diesem instabilen politischen Klima konnte das Oberhaupt

der Armee, Oberst Joseph Désirée Mobutu durch einen Staatsstreich die Macht

ergreifen. Obwohl sich dieser während seiner Laufbahn wiederholt auf das „poli-

tische Erbe“ Lumumbas berief, hatte er – wie auch die belgische Regierung –

dessen Ermordung durch die sezessionistischen Rebellen der Conakat unter

Moise Tshombé am 17. Januar 1961 unter vollem Mitwissen geduldet. Befreit

vom mächtigsten politischen Konkurrenten konnte er sich durch einen zweiten

Staatsstreich 1965 zum Präsidenten ernennen. Er errichtete einen autoritären

Einparteienstaat, der unter dem Namen Zaire für mehr als drei Dekaden Be-

stand haben sollte.

4.2 Zaire unter Mobutu

Als General Mobutu am 24. November 1965 zum zweiten Mal in einem unbluti-

gen Staatsstreich die Macht übernahm, war der Kongo zersplittert. Legitimiert

durch die Macht der Armee verringerte er die Zahl der Provinzen, beschnitt de-

ren Autonomierechte und setzte je einen ihm persönlich verantwortlichen Gou-

verneur an die Spitze – diese Logik eines auf persönlicher Rechenschaft ge-

genüber dem Diktator fussende System der Patronage und der Klientelen wur-

de zum konstituierenden Prinzip unter Mobutu.88 Zudem beendete er das politi-

sche Gerangel, indem er 1967 eine Einheitspartei schuf, das „Mouvement po-

pulaire de la Révolution“ – eine eigentliche politische Depluralisierung.

Dazu setzte Mobutu intensive Nationalisierungskampagnen um. Die Bewegung

der Authenticité sollte eine „Zairianisierung“ der Gesellschaft, der Werte und der

Identitäten bewirken. So legte er selber seinen europäischen Namen ab und

nannte sich „Mobutu Se Se Seko“. Die präsidiale Autokratie legitmierte sich

ideell durch Berufung auf „lumumbistische Ideale“, wobei strukturell eher der ko-

loniale Zustand wiederhergestellt wurde.89

87 Afigbo et al., The making of modern Africa, The twentieth century, Band 2, Essex 1986, S.348. 88 Speitkamp, S.406 ff. 89 Vgl. Wirz, S. 559 f. An dieser Stelle wird insbesondere die erneute Entmündigung der Bevölkerung des Kongo durch ein autoritäres Regime und eine neuerliche Depluralisie-

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Ein besonders wichtiger Teil der Politik Mobutus ist in diesem Zusammenhang

die Landreform. Die Landverwaltung durch von der belgischen Kolonialverwal-

tung anerkannte „Chiefs“ wurde durch eine weitestgehende Verstaatlichung des

Grundeigentums ersetzt. Damit endete auch die europäische Plantagenwirt-

schaft in den Kivu-Provinzen.90 Die für die Überführung von Grundeigentum an

Privatpersonen notwendigen Grundbucheinträge wurden lediglich an „zairische“

Bürger vergeben – die Frage des Bürgerrechts bekam damit eine unmittelbare

wirtschaftliche Bedeutung. Verschiedene Gesetze wurden erlassen, welche die

Erteilung von Bürgerrechten an Zugewanderte 1971, 1972 und 1981 mit ver-

schiedenen Massstäben regelten. Letztere Regelung machte die Erteilung des

zairischen Bürgerrechtes von der Zugehörigkeit der Einwohner zu einem der

„Stämme“ abhängig, welche 1885 – im Zuge der Berliner Afrikakonferenz - von

der belgischen Kolonialmacht anerkannt wurden. Damit galten sämtliche seit

1959 aus Ruanda eingereisten Flüchtlinge automatisch als Ausländer – zum

überwiegenden Teil galten sie als „Tutsi“. Das Mobutu-Regime nutzte die da-

durch entstehende Zwietracht zwischen politischen/ethnischen Gruppen zur Un-

terdrückung organisierter Opposition.91

4.3 Der Zusammenbruch bestehender Ordnung

Bereits in den achtziger Jahren wurde der Zerfall der Zentralmacht in Zaire

sichtbar und führte im Vorfeld der Konflikte in Ruanda und Burundi zu einer De-

stabilisierung der Region. Die fortwährenden Machtkämpfe und die resultieren-

de politische Unsicherheit hielten den Staat in einem Schwebezustand – die

Legalität der Regierung Mobutus war nun offensichtlich umstritten, Opposition

wurde aber konsequent unterdrückt.92 Hinzu kam der Bedeutungsverlust Zaires

als Bollwerk des „Westens“ durch das Ende des Kalten Krieges, wodurch das

rung und künstlichen Nationalisierung auch mit Gewalt betont – also eine Fortsetzung dieses prägenden Aspektes der Geschichte des Kongo. 90 Vgl. Johnson, S.66. 91 Johnson, S.67 ff. 92 Vgl. Johnson, S.49 ff.

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Regime nicht mehr auf ein unmittelbares Interesse der US-Regierung an seiner

Erhaltung als standhafter Anti-Kommunist bauen konnte.93

Die Korruption hatte während des Mobutu-Regimes eine bedeutende Rolle ge-

spielt. Die Entourage des Diktators, die „Famille Présidentiell“ wurde wie auch

die politische Elite des Landes mit Staatseinnahmen wohlwollend gestimmt. Der

Lebensstil dieser Gruppen wurde immer exzessiver: nach Angaben der zairi-

schen Zentralbank stieg der Anteil des Präsidentenetats an den Staatsausga-

ben zwischen 1972 und 1992 von 28 auf 95 Prozent.94 Dies befeuerte oppositi-

onelle Bewegungen, auf die das Regime zunehmend mit offener Gewalt rea-

gierte. Die Verhaftung des Oppositionsführers Étienne Tshisekedi, hatte zwar

eine Aufkündigung der finanziellen Unterstützung durch die USA an Zaire und

Forderungen nach „Demokratisierungsmassnahmen“ im Sinne von strikten Be-

dingungen für die Weitervergabe von Geldern zur Folge – dennoch hielten die

Kämpfe zwischen Mobutu-Anhängern und Oppositionellen an. Nicht zuletzt ging

es bei bewaffneten Konflikten in Zaire zu Beginn der neunziger Jahre um Posi-

tionsgewinne in der anstehenden Neuordnung.95

4.4 „Der erste Weltkrieg Afrikas“

Die in Publikationen oftmals mit Begriffen wie „Flächenbrand“ oder „Urkatastro-

phe“ betitelte Ursache für die anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen

in der DR Kongo ist jenseits der Ostgrenze des Landes zu finden. In Ruanda.

Ich werde auf diesen Konflikt nur soweit eingehen können, wie dies im Zusam-

menhang mit der Situation in Bunia und der Operation Artemis notwendig ist.

Bartholomäus Grill, Journalist bei „Die Zeit“ umschreibt die Komplexität der Um-

stände in der DRK so:

93 Vgl. Afigbo et al., Band 2, S.358 f. 94 Johnson, S.47. 95 Speitkamp, S.455.

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„Denn in diesem Krieg sind alle Konflikte und Tragödien, die Zentral-

afrika in den letzten zehn Jahren heimsuchten, auf fatale Weise mit-

einander verzahnt: Der Völkermord in Ruanda, der Bürgerkrieg zwi-

schen Tutsi und Hutu in Burundi sowie der kongolesische Erbfolge-

streit nach dem Sturz des Kleptokraten Mobutu.“96

Natürlich ist dieser Ausspruch eine enorme Vereinfachung der Situation. Die

Fülle an verschiedenen direkt oder indirekt beteiligten Gruppierungen und Re-

gierungen ist dermassen unüberblickbar und dynamisch, dass ich mich auf

Schlüsselereignisse konzentrieren muss. Ich verweise hierbei auf die Arbeit von

Dominic Johnson, der eine detaillierte und von Erfahrungen vor Ort geprägte

Darstellung der Situation in der DRK verfasst hat.97

Die verheerendste Entwicklung für das damalige Zaire war die Ansiedlung eines

eigentlichen Hutu-Exilstaates in der Provinz Kivu. Nach dem Massenmord an

den ruandischen Tutsi im April 1994 war die Hutu-Regierung vor der vorrücken-

den RPF-Armee mit einem gigantischen Flüchtlingsstrom über die Grenze nach

Zaire geflohen, wo sie in Flüchtlingslager in Bukavu und Goma gelangten. Im

August 1994 befanden sich gemäss einer Zählung des UNO-

Flüchtlingshilfswerkes UNHCR bereits rund 1.25 Millionen Ruander in der Pro-

vinz, deren Einwohnerzahl vorher rund 6.3 Millionen betragen hatte.98 Da die

Waffen der Milizionäre ebenfalls Ihren Weg über die Grenze fanden, war der

ruandische Exilstaat faktisch die stärkste Militärmacht in der Region – die um-

gehend damit begann, lokale Tutsi und RPF-Anhänger über die Grenze zurück

nach Ruanda zu jagen. Ab April 1996 lebte ein Grossteil aller Tutsi Nord-Kivus

in Goma oder Ruanda als Vertriebene. Bündnisse mit zairischen Hutu festigten

die Überzeugung, dass in Kivu ein „Exilruanda“, ein eigentliches „Hutu-Land“

entstehen könnte.99 Die Regierung Mobutu in Kinshasa wollte die destabilisie-

rende Wirkung der Hutu-Präsenz in Kivu durch eine mit der ruandischen Regie- 96 Grill, Bartholomäus, Die Hölle im Paradies, in: Die Zeit, Der Fischer Weltalmanach Afri-ka, S. 70 ff. 97 Johnson, Dominic, Kongo, Kriege, Korruption und die Kunst des Überlebens, Frankfurt am Main 2008. 98 Johnson, S.71. 99 Vgl. Barth, Boris, Genozid, Völkermord im 20. Jahrhundert, München 2006, S.123 ff.

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rung am 22. August 1996 vereinbarte, „massive, organisierte und bedingungs-

lose“ Rückführung der Flüchtlinge nach Ruanda eindämmen. Dies umfasste

insbesondere eine endgültige Schliessung der zu Städten mit einer bedeuten-

den Schattenwirtschaft gewachsenen Flüchtlingslager. Das UNHCR lehnte dies

ab – allerdings berücksichtigte es den Umstand nicht, dass viele Menschen von

Milizen in den Lagern daran gehindert wurden, diese aus freien Stücken zu ver-

lassen.100

In Süd-Kivu hingegen war es den lokalen Tutsi mit Unterstützung der RPF ge-

lungen, sich der Vertreibung durch die Hutu militärisch zu erwehren. Neben den

ruandischen Hutu in den Flüchtlingslagern lebten hier auch Hutu-Flüchtlinge

aus dem benachbarten Burundi, wo seit der Ermordung des gewählten Hutu-

Präsidenten 1993 Bürgerkrieg herrschte. Im August 1996 rückte zur Unterstüt-

zung der lokalen Tutsi erstmals eine RPF-Gruppe nach Süd-Kivu vor. Ein Feu-

ergefecht mit der zairischen Armee am 30. August gilt als der Beginn des ersten

Kongokrieges. Die Tutsi-Truppen bezeichneten sich nach der Eroberung der

Stadt Uvira an der zairisch-burundischen Grenze als Alliance des Forces

Démocratiques pour la Libération du Congo (AFDL) und erklärten den Sturz des

Mobutu-Regimes zu ihrem Hauptziel. Mit Unterstützung durch ruandische und

ugandische Truppen gelang der AFDL die Zerstörung der zairischen Flücht-

lingslager und die Eroberung der Hauptstadt Kinshasa. Mobutu floh, der Oppo-

sitionsführer und AFDL-Kommandeur Laurent-Désiré Kabila verlieh sich selbst

das Amt des Staatspräsidenten.

Bereits im Oktober 1998 intervenierten Zimbabwe, Angola und Namibia am

Kongo zur Unterstützung der Regierung Kabila gegen die Rebellen, welche of-

fen von Uganda und Ruanda unterstützt wurden.101 Damit brach der sogenann-

te „zweite Kongokrieg“ aus. Die UN berichtete, dass sich der Konflikt primär „um

den Zugang, die Kontrolle und den Handel mit fünf wichtigen Rohstoffen: Col-

tan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Silber“ drehe.102 Laurent-Désiré Kabila setz-

te auf eine Mobilisierung der Massen – der staatliche Rundfunk rief die Bevölke-

rung auf, sich „mit allen Waffen“ gegen den „Feind“ zu wehren. Tutsigruppen

100 Vgl. Johnson, S.71 ff, ganzes Kapitel. 101 Ansprenger, Franz, Geschichte Afrikas. 2. Auflage, München 2004, S.113. 102 http://www.un.org/news/dh/latest/drcongo.htm (Zugriff 03.11.2009).

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wie die Banyamulenge, welche seit Generationen im Kongo gelebt hatten, wur-

den als „Ruander“ interniert, verfolgt und auch umgebracht.103

4.5 Das Abkommen von Lusaka

Am 7. Juli 1999 unterzeichneten die Führer der meisten bewaffneten Gruppen

und die Aussen- und Verteidigungsminister der beteiligten Staaten nach 13

Verhandlungstagen ein Waffenstillstandsabkommen, das Abkommen von Lusa-

ka.104 In diesem Zusammenhang genehmigte der UNO-Sicherheitsrat den ers-

ten Einsatz von 90 Blauhelmen zur Überwachung – explizit nicht Durchsetzung

- des Abkommens. Dazu sollten die Blauhelme ausdrücklich die Bedingungen

für eventuelle UNO-Einsätze vor Ort analysieren105 Die Gewalt setzte sich aller-

dings in der Folge fort, weshalb ab Februar 2000 die UNO-Mission MONUC be-

gann. Die erste Stationierung von UNO-Truppen war für Ende Juli 2000 vorge-

sehen, wurde allerdings wegen der Weigerung Laurent-Désiré Kabilas, eine

Zusammenarbeitsgarantie abzugeben abgesagt. Nachdem Rebellen bei Ma-

wiya über 800 Regierungssoldaten töteten, setzte die Regierung der DRK das

Abkommen von Lusaka am 23. August ausser Kraft.106

103 Johnson, S.87. 104 Ebenda, S.94 f. 105 “..in order to allow it to assess conditions and to prepare for subsequent United Na-tions deployments in the country”, Vgl. SECURITY COUNCIL EXTENDS MANDATE OF MILITARY LIAISON PERSONNEL DEPLOYED TO ASSIST PEACE PROCESS IN DEMOCRATIC REPUBLIC OF CONGO, UN press release SC 6748, Quelle: http://www.un.org/News/Press/docs/1999/19991105.sc6748.doc.html (Zugriff 03.12.2009). 106 Johnson, S.97.

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5. Die Provinz Ituri

Die Provinz Ituri im Nordosten der DR Kongo, grenzt an Uganda und die kon-

fliktreiche Provinz Nordkivu. Die Hauptstadt Bunia ist gleichzeitig auch Sitz des

lokalen Hauptquartiers der UNO-Schutztruppe MONUC. Während die Gebiete

in Nord- und Südkivu von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen seit

1994 aus Ruanda geflohenen, hochgerüsteten Hutu-Armee und lokaler Hutu-

Milizen auf der einen, der Rwandan patriotic front (RPF) auf der anderen Seite

geprägt sind, beherrscht hier auf den ersten Blick ein anderer Konflikt die Ta-

gesordnung.

Vereinfacht wird die Konstellation in verschiedenen Publikationen als Gegen-

satz zwischen den Volksgruppen der „Hema“ und der „Lendu“ wiedergegeben,

dieser Beschreibung folgen auch die Dokumente der UNO zu der Region wei-

testgehend. Tatsache ist, dass sich die militärischen Auseinandersetzungen in

der Provinz zu einem „eigenständigen“ Krieg entwickelt haben, dessen Konflikt-

parteien aus Goma und Kinshasa sowie über die Grenzen hinweg von Ruanda

und Uganda unterstützt werden und der zwischen 1999 und dem Frühjahr 2003

schätzungsweise über 50‘000 Todesopfer und mehr als das Zehnfache an

Flüchtlingen107 zur Folge hatte.108 Bis Mai 2003 waren ugandische Truppenver-

bände vor Ort, die ihre Verbündeten in der Organisation Front de Libération du

Congo zu vereinigen versuchten – dies scheiterte gründlich, da viele der Grup-

pen nicht untereinander kooperieren wollten und wiederum Splittergruppen bil-

deten.109 Obwohl die Konflikte in Ituri im April 1999 begannen, war die Präsenz

der UNO-Mission MONUC in der Region bis zum Abzug der ugandischen Trup-

pen geringfügig.

107 Generell muss zu derartigen Zahlen gesagt werden, dass die erstens auf groben Schätzungen durch (meistens) UNO-Personal vor Ort basieren und dass zweitens auch die Todesursache keineswegs körperliche Gewalt sein muss. So wies das Internationale Rote Kreuz bezogen auf die Situation im Ostkongo wiederholt darauf hin, dass lediglich rund 10% der durch Umfragen und Hochrechnungen erzielten Zahl effektiv Gewaltopfer seien – Krisen begünstigten die Ausbreitung von Malaria und Lungenkrankheiten. Vgl. dazu auch Johnson, S.109. 108 Vgl. Horman, Kees, Operation Artemis in the Democratic Republic of Congo, in: Euro-pean Commission, Faster and more united? The debate about Europe’s crisis response capacity, Mai 2007, S.151-155. 109 Vgl. Johnson, S.121 f.

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6. MONUC

Mit der Resolution 1291 (2000) vom 24. Februar 2000 legitimierte der UNO-

Sicherheitsrat den Einsatz derjenigen Blauhelmtruppe, die in den darauf folgen-

den Jahren zu der grössten überhaupt werden sollte. Heute verfügt MONUC

über eine Truppenstärke von über 20‘000 Angehörigen, das Budget für

2008/2009 beträgt 1.243 Mrd. US-Dollar.110 2003 war MONUC eine vergleichs-

weise kleine UN-Mission. Die Hauptaufgaben waren zu diesem Zeitpunkt:111

- Die Überwachung des Waffenstillstandsabkommens von Lusaka.

- Die Aufrechterhaltung der Verbindungen zu anderen militärischen

Gruppen in der Region.

- Die Überwachung des ordentlichen Rückzuges ausländischer Trup-

pen aus der DR Kongo.

- Die Unterstützung humanitärer Organisationen vor Ort.

- Unterstützung der Friedensverhandlungen durch Kooperation mit

Vermittlern.

- Unterstützung der Entfernung von Sprengkörpern (Minen) durch den

Einsatz von Experten.

- Die Überwachung der Demobilisierung und Entwaffnung vor Ort mit

zur Verfügung stehenden Mitteln.

- Die Unterstützung der Überführung von Kriegsgefangenen durch

humanitäre Organisationen.

Diese Aufgaben sollten mit einer Truppenstärke von 5537 Soldaten inklusive

500 Militärbeobachtern ausgeführt werden. Bei diesen handelt es sich gemäss

Definition der UNO um unbewaffnete Angehörige der Schutztruppe, deren Auf-

gabenbereich die Nachrichtenbeschaffung über den Stand der im jeweiligen

Mandat festgelegten Aufgabenbereiche und die Unterstützung bei zivilen Auf-

110 Le Monde diplomatique, Atlas der Globalisierung 2009, S.148. 111 http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/monuc/mandate.html (Zugriff 09.09.2009).

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gaben wie der Minenräumung oder der humanitären Hilfe gehört – Sie werden

auch als die „Augen und Ohren des Sicherheitsrates“ bezeichnet.112

Der Waffeneinsatz wurde zu diesem Zeitpunkt im Rahmen der Rules of Enga-

gement (ROE) auf den Schutz der internationalen Einrichtungen und des Per-

sonals sowie der Zivilbevölkerung bei „unmittelbarer schwerer Gefährdung

durch körperliche Gewalt“113 beschränkt.

Bei Abschluss der Abkommen von Luanda wurde der Aufgabenbereich durch

das Department of Peacekeeping Operations (DPO) der UNO neu umrissen.

Das Hauptaugenmerk der Operationen solle nun auf der direkten Unterstützung

der Übergangsregierung mit dem Ziel der Durchführung von Wahlen liegen.

Dazu solle einerseits durch die Präsenz von UNO-Soldaten die Sicherheitslage

in der Provinz, andererseits das Vertrauen der Regierungen der Nachbarstaa-

ten stabilisiert und verbessert werden. MONUC solle als „beschleunigender

Faktor in der Koordination internationaler politischer und finanzieller Efforts be-

züglich der Kernanliegen der Übergangsregierung“ dienen.114

6.1 Das Abkommen von Luanda

Der Kriegszustand in der DR Kongo wurde offiziell mit dem „Accord Global et

inclusif“ vom 16. Dezember 2002 beendet. Die verschiedenen Kriegsparteien

sollten fortan gemeinsam regieren.115 Der Vertrag von Luanda zwischen der

Regierung der DRK und Uganda beinhaltete einen klaren Zeitplan für den

Rückzug ugandischer Truppen und sollte einen Friedensprozess zwischen den

relevanten Gruppen in der Provinz Ituri begründen.116 Es beinhaltete die Grün-

dung einer Befriedungskommission am 1. April 2003, nachdem ugandische

112 Vgl. United Nations Military Observers (UNMOS), Quelle: http://unmee.unmissions.org/Default.aspx?tabid=88 (Zugriff 09.09.2009). 113 „…and protect civilians under imminent threat of physical violence.”, Kapitel VII UNO-Charta. 114 Vgl. Second Special report of the secretary-general on the united Nations Organiza-tion mission in the Democratic Republic of the Congo, United Nations Document S/2003/566, S.9. 115 Johnson, S.133. 116 Vgl. Sow, Alpha, Achievements of the interim emergency multinational force and fu-ture scenarios, in: challenges of peace implementation, S.209 ff.

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Truppen am 6. März die von der UPC Kontrollierte Provinzhauptstadt Bunia er-

obert hatten.117 Das Mandat der MONUC bezog sich zu diesem Zeitpunkt ledig-

lich auf die Überwachung des Waffenstillstandsabkommens von Lusaka, wes-

halb eine Debatte um eine relevante Vergrösserung der MONUC-Kapazitäten

zur Sicherung des Abzuges der ugandischen Truppen und der Situation nach

deren Abzug entstand.

Die Ituri pacification commission (IPC) tagte vom 1. bis zum 14. April 2003 unter

Teilnahme der Regierung der DRK, der Vertreter der Milizen in Ituri und der

ugandischen Regierung. Als Hauptergebnis der Beratungen wurde eine Über-

gangsregierung (Ituri Interim Administration IIA) eingesetzt um bis zu einer

Übernahme durch die Regierung der DRK die Verwaltung des Distrikts wahrzu-

nehmen. Die schwere Krise, welche auf den beginnenden Rückzug der ugandi-

schen Truppen im Mai 2003 folgte, machte eine effiziente Verwaltung jedoch

faktisch unmöglich.118

6.2 Bunia

Die Resolution 1445 (2002) autorisierte eine phasenweise Erweiterung der

MONUC-Kapazitäten auf 8700 Soldaten. Obwohl Beobachter klare Warnungen

über eine massive Verschärfung der Sicherheitslage in der Provinz Ituri geäus-

sert hatten, wurde das Mandat dennoch nicht revidiert, es blieb grundsätzlich

unverändert. Der UNO-Generalsekretär Kofi Annan empfahl zu diesem Zeit-

punkt den Einsatz zweier Eingreiftruppen mit robustem Mandat sowie eines Re-

servebataillons, um die Entwaffnung, Demobilisierung und Rückführung be-

waffneter Ausländischer Truppen an der Ostgrenze der DR Kongo zu unterstüt-

zen.119

117 Vgl. Second Special report of the secretary-general on the united Nations Organiza-tion mission in the Democratic Republic of the Congo, United Nations Document S/2003/566, S.3. 118 Sow, S.209. 119 Vgl. Second Special report of the secretary-general on the united Nations Organization mis-sion in the Democratic Republic of the Congo, United Nations Document S/2003/566.

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Die einzige bewaffnete Organisation, welche das Abkommen von Luanda nicht

unterzeichnet hatte, war die Hema-Miliz UPC – die Konfrontationslinie verlief

nun zwischen der Miliz und den anderen, unter dem Dach des Abkommens

formal vereinigten Konfliktparteien.120 In der Folge wurden Angehörige der He-

ma – oder Menschen die dafür betrachtet wurden – Opfer von Gewalttaten.121

In einem Bericht an den Sicherheitsrat vom 27. Mai 2003 beschreibt der Gene-

ralsekretär die andauernden Auseinandersetzungen zwischen Hema- und Len-

dumilizen in der Provinz Ituri als alarmierend. Das Dokument zitiert aus Aufklä-

rungsberichten der MONUC, gemäss denen ab Februar 2003 Massaker auf

beiden Seiten stattfanden: die Zahl der Toten seit den ersten Ausbrüchen orga-

nisierter Gewalt in der Provinz wird auf 60‘000, die Zahl der Binnenflüchtlinge

auf „zwischen 500‘000 und 600‘000 Personen geschätzt.122 Der Abschlussbe-

richt der UNO erwähnt später, dass der Rückzug ruandischer Truppen aus der

Provinz Kivu „entgegen aller Erwartungen“ nicht zu einem „Blutbad“ geführt ha-

be, weshalb die Gefahr auch in Ituri nicht als unmittelbar betrachtet wurde.123

Mit dem fortschreitenden Abzug der ugandischen Truppen wurde jedoch zu-

nehmend augenscheinlich, dass der politische Dialog zu diesem Zeitpunkt äus-

serst fragil war und dass die Ituri Pacification Commission ohne militärisch be-

gründete Stabilisierung der Region auf unsicheren Beinen stand.

Der Rückzug der ugandischen Truppen aus Bunia begann am 25. Mai 2003

zwar gemäss Zeitplan, gleichzeitig aber chaotisch und übereilt. Als Reaktion auf

die destabilisierenden Auswirkungen beschloss MONUC Mitte April, das urugu-

ayanische Battalion nach Bunia zu verlegen. Zu diesem Zeitpunkt befanden

sich erst um 4700 UNO-Soldaten in der DRK, davon lediglich acht Militärbeob-

achter in Bunia, weshalb diese Entscheidung eine bedeutende Umverteilung

der militärischen Kapazitäten bedeutete. Eine Eingreiftruppe aus Südafrika,

welche die Aufgabe der Sicherung in Bunia hätte übernehmen können, war

120 Vgl. Johnson, S.135 sowie Second Special report of the secretary-general on the unit-ed Nations Organization mission in the Democratic Republic of the Congo, United Na-tions Document S/2003/566, S.4. 121 Johnson, S.134 ff. 122 Vgl. Second Special report of the secretary-general on the united Nations Organiza-tion mission in the Democratic Republic of the Congo, United Nations Document S/2003/566. 123 United Nations Peacekeeping: Operation Artemis, the lessons of the interim emergencymul-tinational force, in: Peacekeeping best practices unit, military division, Oktober 2004.

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gemäss UNO-Bericht aus logistischen Gründen verzögert.124 Die Regierung der

DRK ihrerseits schickte eine Polizeieinheit nach Bunia, deren 700 Mitglieder

aber weder die Erfahrung noch die Ausbildung zur Eindämmung bewaffneter

Auseinandersetzungen besassen und sich nach UNO-Berichten zu Beginn be-

waffneter Auseinandersetzungen in Sicherheit brachten.125

Am 23. April, zwei Tage vor dem vereinbarten Beginn des Abzuges der ugandi-

schen Truppen, landete das URUBATT mit einer Stärke von 411 Soldaten in

Bunia. Ungeachtet dessen verschärfte sich die Lage – am 8.Mai 2003 zogen

bewaffnete Lendu-Milizen durch Bunia und töteten mindestens 430 Angehörige

der Hema.126 Menschen flohen auf das Gelände der UNO-Zentrale in Bunia und

des geschützten Flughafens. MONUC erklärte, das Mandat gemäss Resolution

1291 (2000) erlaube kein militärisches Eingreifen – auch könne keine Entwaff-

nung durchgeführt werden, die sich lediglich auf eine bewaffnete Gruppe, näm-

lich die UPC beziehe.127 Tatsächlich wurden die ROE für das URUBATT im

Vorfeld verglichen mit der Resolution leicht geändert und auf den Schutz des

Flughafens als Transportknotenpunkt und des Hauptquartiers beschränkt. Auf

den Schutz der Zivilbevölkerung wurde in den Einsatzregelungen nicht einge-

gangen, obwohl das Mandat dies geboten hätte.128 Der Abzug der UPDF aus

Bunia endete offiziell am 6. Mai – der vollständige Rückzug aus der gesamten

Provinz war am 19. Mai vollzogen.129

Am 12. Mai eroberte die UPC Bunia teilweise zurück. Die Strassen der Stadt

befanden sich zu diesem Zeitpunkt in den Händen rivalisierender Milizen, was

humanitäre Aufgaben oder gar eine Evakuierung der Zivilbevölkerung mit den

vorhandenen Mitteln gemäss UNO-Bericht verunmöglichte.130 Beispielsweise

betrieb die Organisation Médecins sans frontières (MSF) zu diesem Zeitpunkt

ein Spital in Bunia, das sogenannte „Bon Marché“, um Opfer militärischer Ge-

124 Ebenda, S.6. 125 Ebenda. 126 Terror Persists as Congolese Await U.N. Force, in: NY times vom 4. Juni 2003, Ab-schnitt A, Seite 3. Anmerkung: Die UNO spricht von 420 Toten. 127 ''It's impossible to ask just one faction to disarm,'', Ebenda. 128 United Nations peacekeeping, S.21. 129 Vgl. Second Special report of the secretary-general on the united Nations Organiza-tion mission in the Democratic Republic of the Congo, United Nations Document S/2003/566, S.4. 130 United Nations Peacekeeping, S.7.

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walt medizinisch zu versorgen – dieses konnte seine Aufgaben zu diesem Zeit-

punkt nicht wahrnehmen. 131

Die Handlungsmöglichkeiten des URUBATT allerdings seien beschränkt gewe-

sen und gingen zu keinem Zeitpunkt über die Abgabe von Warnschüssen hin-

aus. Auf Grundlage der bestehenden Mandate 1291/1445 sowie mit der zu die-

sem Zeitpunkt verfügbaren Truppenstärke sei die Sicherheit in Bunia nicht zu

garantieren, wie der Kommandeur des URUBATT in einem Fernsehinterview

vor Ort insistierte:

"Does the world care what happens to Congo? No. We've been

sending messages every day to [the UN headquarters in] New York

[saying] this was going to happen, that we need more troops. Nothing

was done."132

“The forces? No, not enough forces (…) we have to change the

mandate. We can’t do control of the city with thousands of people on

each side with 500 warriors inside (..) just to observe. We have to

fight. We can’t just remain like that, just to observe.”133

Allerdings blieb Resolution 1291 (2000) gültig, ebenso wie die ROE der MO-

NUC. Beide beinhalteten den Einsatz von militärischer Gewalt als Option über

die Selbstverteidigung hinaus zur Erhaltung der Sicherheit und der Bewegungs-

freiheit des MONUC-Personals und der Verteidigung von Zivilisten im Falle un-

mittelbarer Gefährdung durch Gewalt. URUBATT machte von dieser Option

keinen Gebrauch - der Grund für die Zurückhaltung ist wohl tatsächlich in den

fehlenden Kapazitäten und nicht im Mandat zu sehen.134. Es gelang dennoch,

131 http://www.msf.ch/index.php?id=1156 (Zugriff 12.10.2009). 132 UN troops wait behind razor wire as Congo's streets run with blood, The Guardian, Friday 23 May 2003, Quelle: http://www.guardian.co.uk/world/2003/may/23/congo.jamesastill (Zugriff 02.12.2009). 133 Transkription aus einem Interview mit dem Guardian, Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=yE8iwNnob4I (Zugriff 15.11.2009). 134 United Nations peacekeeping, S. 9.

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die MONUC-Einrichtungen in Bunia mit dem angrenzenden Marktplatz und den

Flughafen zu sichern. Dadurch wurden 5000 bis 8000 Zivilisten geschützt, die

sich zu diesen Einrichtungen flüchten konnten.135

Die Revision des Mandates erfolgte am 1. Oktober 2004 durch die Resolution

1565 (2004), welches ein sogenanntes „Robustes Mandat“ darstellte – es legi-

timierte zum Einsatz „sämtlicher Mittel, die zur Erfüllung der Aufgaben notwen-

dig sind“.

135 Horman, Kees, Operation Artemis in the Democratic Republic of Congo, in: European Commission: faster and more united?, May 2007, S.151-155.

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7. Operation Artemis

7.1 Die UNO-Resolution 1484 (2003)

Der Bericht S/2003/566 des UNO-Generalsekretärs an den Sicherheitsrat be-

schrieb entsprechend den tatsächlichen Verhältnissen in Bunia eine „immense“

Lücke zwischen den Anforderungen an die verfügbaren uruguayanischen Trup-

pen, die im Rahmen der Kooperation mit der Interimsregierung und der Unter-

stützung des Transitionsprozesses definiert worden waren und deren effektiv

existierenden Handlungsmöglichkeiten. Zum einen verlangte er eine Erweite-

rung der MONUC um eine zusätzliche Einheit in der Grössenordnung einer Bri-

gade („Ituri brigade Force“), zum anderen die schnelle Autorisierung und den

schnellen Einsatz einer Eingreiftruppe:

“I therefore call on the Security Council to urgently consider the rapid

deployment to Bunia of a highly trained and equipped force, under

the lead of a Member State, to provide security at the airport as well

as other vital installations in that town and protect the civilian popula-

tion, as a temporary bridging arrangement before the possible dep-

loyment of a reinforced united Nations presence.”136

Als Reaktion auf den Antrag des Präsidenten der DRK am 16. Mai 2003137 und

dem Antrag des UNO-Generalsekretärs am 15. Mai 2003 beschloss der UNO-

Sicherheitsrat am 30. Mai 2003 in der Resolution 1484 (2003) die Autorisierung

einer solchen „Internationalen Eingreiftruppe“ (Interim Emergency Multinational

Force IEMF) für einen militärischen Einsatz in Bunia. Mit dem erklärten Haupt-

ziel der schnellen Installation einer stabilen Übergangsregierung in der DRK

136 Vgl. Second Special report of the secretary-general on the united Nations Organiza-tion mission in the Democratic Repuublic of the Congo, United Nations Document S/2003/566, S.26. 137 S/PRST/2003/6

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sollte durch ein Eingreifen in der instabilen Region die Funktionsfähigkeit der

Institutionen der Übergangsregierung und eine Fortsetzung des Friedenspro-

zesses erreicht werden.

Bis zum 1. September 2003 sollte die IEMF autorisiert sein, alle notwendigen

Mittel zur Erfüllung der definierten Ziele einzusetzen.138

- „Leisten eines Beitrages an die Verbesserung der humanitären Si-

tuation in Bunia.“

- „Sichern des Flughafens, des MONUC-Hauptquartiers und der

Flüchtlingslager.“

- „Leisten eines Beitrages an die Sicherheit der Zivilisten, des UNO-

Personals und der humanitären Organisationen vor Ort.“

Die Resolution stellte einen Aufruf an die Mitgliedsstaaten dar, für eine solche

Eingreiftruppe Material, Personal und Waffen zur Verfügung zu stellen oder die

Mission als „Framework Nation“ zu übernehmen.

7.2 „Hybrid Operations“

Das Konzept der „Hybrid Operations“ beschreibt eine Praxis in Bezug auf Multi-

national durchgeführte Militäreinsätze, die sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts

in Darfur, Eritrea und Burundi manifestierte. Grundsätzlich umschreibt sie den

Einsatz von Mitteln verschiedener Organisationen oder Staaten, welche in ei-

nem spezifischen Bereich operationaler Verantwortung einen Beitrag an eine

multinationale Operation leisten. Jede der eingesetzten Parteien folgt dabei ei-

nem eigenen Mandat, welches den Aufgabenbereich und die Ziele des Einsat-

zes umschreibt – und auch jeweils unterschiedliche Einsatzregeln festhält. Jede 138 Vgl. UNO-Resolution 1484 (2003) im Anhang.

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eingesetzte Einheit bleibt dabei auch bei enger Zusammenarbeit ein Teil der

Organisation, der sie angehört. Die institutionelle Identität wird nicht zugunsten

einer Dachorganisation (wie dies bei den UNO-Blauhelmen der Fall ist) aufge-

geben, sondern eher hervorgehoben.139

Dazu ist es wichtig festzuhalten, dass humanitäre Interventionen in der UNO-

Charta an keiner Stelle ausdrücklich vorgesehen sind. Es gilt hier der völker-

rechtliche Grundsatz der Nichtintervention. In dieser Frage lässt sich allerdings

ein Normenwandel beobachten, der in einem Bericht der Internationalen Kom-

mission zu Intervention und Staatssouveränität (ICISS) gerade für die UNO und

ihre Institutionen konkretisiert wird. Der „Die Verantwortung zum Schutz“ ge-

nannte Bericht fasst die Positionen von Aussenministern, Völkerrechtsexperten

und UNO-Vertretern zusammen, die für eine stärker auf Intervention ausgeleg-

tes Instrumentarium der „Völkergemeinschaft“ eintreten.140 Die Verpflichtung

der „internationalen Gemeinschaft“ im Falle „schwerwiegender Gefährdung für

die Bevölkerung bei Unwillen oder fehlenden Möglichkeiten eines Staates, Ab-

hilfe zu schaffen“ Schutz zu gewähren, sei über dem „Gebot der Nichteinmi-

schung“ und der Staatensouveränität anzusiedeln. Sollte dich diese Auffassung

der bedingten Interventionspflicht durchsetzen, würde dies die völkerrechtlichen

Grundlagen der zwischenstaatlichen militärischen Kooperation radikal verän-

dern – es hiesse, einen eigentlichen Freibrief zur Verletzung von Souveränitäts-

rechten auszustellen.

In Bezug auf „Hybrid Operations“ gestaltet sich die Situation momentan – wie

zum Zeitpunkt der „Operation Artemis“ auch – so, dass die Legitimation einer

„humanitären Intervention“ im Ausnahmefall einer „humanitären Katastrophe“

alleine im Ermessen des Sicherheitsrates liegt. Der Begriff der „humanitären

Notlage“ wird vom Rat der Europäischen Union nicht einheitlich definiert, son-

139 Vgl. Aboagye, Festus, The hybrid operation for Darfur, Institut d’études de sécurité, Paper 149, August 2007, S.2. 140 Anmerkung: Die Kommission wurde auf Initiative des kanadischen Aussenministers Lloyd Axworthy ins Leben gerufen, Co-Vorsitzende waren der australische Aussenminis-ter Gareth Evans sowie der Sonderbeauftragte des UNO-Generalsekretärs, Mohamed Sahnoun. Vgl. dazu auch Münkler, Herfried, Malowitz, Karsten, Humanitäre Intervention, ein Instrument aussenpolitischer Konfliktbearbeitung, Wiesbaden 2008.

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dern einzelfallbezogen und nach Ermessen angewandt.141 Ein grundsätzlicher

Bestandteil ist das Vorliegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gemäss

UNO-Pakt I und II. Die Entscheidungsfreiheit von UNO-Mitgliedsstaaten, Mittel

für eine solche Mission zur Verfügung zu stellen oder das Mandat als Ganzes

zu übernehmen, macht „Hybrid Operations“ nur bei Vorliegen eines expliziten

oder impliziten politischen Interesses wahrscheinlich.142 Fakt ist, dass von ei-

nem verlässlichen, systematischen umfassenden Schutzmechanismus für von

schweren Menschenrechtsverletzungen betroffene Zivilbevölkerungen nicht die

Rede sein kann – er existiert nicht. Allerdings bieten „humanitäre Interventio-

nen“ gerade wenn sie unter dem realistischen Paradigma143 betrachtet werden

eine Möglichkeit für eine Militärmacht, Durchsetzungsvermögen und Hand-

lungsfähigkeit zu demonstrieren.144

7.3 Der politische Prozess in der EU

Am 8. Mai 2003 hatte der Rat die Position der EU in Bezug auf das Waffenstill-

standsabkommen von Lusaka und dessen Unterstützung verabschiedet. Das

Dokument regelte die Richtlinien der Position der EU und hielt unter anderem

die Unterstützung der Übergangsregierung, die Verurteilung der Gewalt insbe-

sondere in der Provinz Ituri und das Ziel der schnellen Einrichtung der im Ab-

kommen von Lusaka erwähnten Befriedungskommission fest. Hinzu kam eine

allgemeine Verurteilung der Ausbeutung von Rohstoffen der DRK und ein Pos-

tulat, dass die volle Kooperation mit dem Kriegsverbrechertribunal in Ruanda

zusicherte.145 Bereits am Wochenende des 10 und 11 Mai146 signalisierte der

französische Präsident Jacques Chirac Interesse daran, Soldaten nach Bunia

141Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Leutert, Monika Knoche, Paul Schäfer (Köln) und der Fraktion DIE LINKE, Deutscher Bundestag, Drucksache 16/1901. 142 Vgl. hierzu auch Varwick, S.85ff., Goldhagen S.32 ff., Schieder/Spindler S.74 ff. 143 Vgl. Jacobs, Andreas, Realismus, in: Schieder/Spindler (Hrsg.), Theorien der interna-tionalen Beziehungen, 2.Auflage, Opladen & Farmington Hills 2006, S.39ff. 144 In Bezug auf Operationen der EU vgl. Jahier, Adrien, ESDP Operations in the Democ-ratic Republic of the Congo: A Realist Explanation, Quelle: www.e-ir.info/?p=2518&article2pdf=1 (Zugriff 12.11.2009). 145 2003/319/CSFP, Quelle: http://www.legaltext.ee/text/en/T80065.htm (Zugriff 09.09.2009). 146 Horman, S.2.

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zu schicken.147 Am 19. Mai folgte schliesslich ein Antrag des Rats an den Ho-

hen Vertreter der GASP, eine Machbarkeitsstudie über eine EU-Militärmission

am Kongo durchzuführen – also vier Tage nach dem Bericht S/2003/566 des

Generalsekretärs an den Sicherheitsrat.148

Bereits am 20. Mai verlegte die französische Armee zwecks Nachrichtenbe-

schaffung ein Vorkommando in die Provinz Ituri – also bereits zehn Tage bevor

eine Resolution als Legitimationsgrundlage existierte.149 Die französische Re-

gierung erklärte am 28. Mai die Bereitschaft, die Eingreiftruppe als Rahmenna-

tion im Sinne der ESVP zu übernehmen sofern: ein Mandat nach Kapitel VII er-

teilt würde, die involvierten Staaten DRK, Uganda und Ruanda zustimmten und

die Operation „zeitlich und im Aufgabenbereich“ limitiert bliebe.150 Die Pläne für

die „Operation Mamba“, wie sie von französischen Militärs in dieser ersten Pha-

se genannt wurde, existierten bereits bevor sie in den Kontext der ESVP ge-

stellt wurden.151

Die Möglichkeit, durch eine „europäische“ Operation Geschlossenheit zu de-

monstrieren erschien gerade vor dem Hintergrund der Zerwürfnisse zwischen

den Mitgliedstaaten während des Irak-Krieges als politisch vielversprechend.

Die EU verlautbarte am 2. Juni in einem Communiqué, dass momentan „die

Möglichkeit der Unterstützung oder Führung einer Operation in Bunia unter der

Ägide der ESVP“ in der sicherheitspolitischen Kommission erwogen würde. Die

französische Regierung setzte sich stark für die Operation ein, mit der Zusiche-

rung die personelle und organisatorische Hauptlast zu tragen.152

Am 4. Juni bemerkte Javier Solana in einem Pressecommuniqué, dass er sich –

nach Anfrage durch den Ministerrat - mit den Botschaftern des Sicherheitsko-

mitees der EU auf die Annahme der in Resolution 1484 erbetenen Aufgaben

geeinigt habe. Er „erwarte“ nun die Annahme des militärischen Operationspla-

147 Operation Artemis: The lessons oft he interim emergency multinational force, S.3. 148 2003/423/CFSP, Quelle: http://www.legaltext.ee/text/en/T80047.htm (Zugriff 08.12.2009). 149 Dempsey, July, Williamson, Hugh, Congo Peace force ports EU defence policy to the test, Financial Times, 7. Juni 2003, S.22. 150 Vgl. Horman. 151 Horman, S.2. 152 Ulriksen et al, Operation Artemis, S.511 ff.

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nes und einen formellen Entscheid durch den Rat am 5. Juni.153 Der Haupt-

grund für die schnelle Reaktion der EU liege in einer Besorgnis über die Gräuel-

taten in Ituri und deren Auswirkungen auf die Sicherheitslage in der Region der

grossen Seen. Die EU-Militärmission solle ein „überbrückendes Element“ bis

zur Verstärkung der MONUC darstellen, weshalb es sich um eine streng zeitlich

begrenzte Operation handle. Der Sonderbeauftragte der EU in der Region, Aldo

Ajello, sei bereits vor Ort und treffe sich mit „allen (Staats-)führern, um die

Rahmenbedingungen des Einsatzes zu klären.154

Die abschliessende strategische Planung sowie die notwendigen Abstimmun-

gen im Europarat waren sechs Tage nach Annahme des Mandates am 30. Mai

beendet, die operationelle Planung konnte am 11. Juni durch den Europarat

bestätigt werden. Die OPERATION ARTEMIS begann offiziell am 12. Juni. Die

Aufgaben der IEMF, wie sie in der Resolution 1484 (2003) definiert wurden,

fanden sich im Beschluss des Rates in leicht veränderter Form wieder. Der drit-

te Punkt „Leisten eines Beitrages an die Sicherheit der Zivilisten, des UNO-

Personals und der humanitären Organisationen vor Ort“ wurde hier mit der

Klausel „falls es die Situation erfordert“ versehen.155

7.4 Die Operation

Am 6. Juni landeten die offiziellen Vorkommandos in Bunia, gefolgt von Pionie-

ren und Ingenieuren, deren Aufgabe die Sicherung der Einsatzbereitschaft des

Flughafens für Truppen- und Materialtransporte war. Die MONUC stellte zu die-

sem Zeitpunkt die minimale Funktionalität des Flughafens sicher, zum Zeitpunkt

der ersten IEMF-Landung konnten in Bunia täglich lediglich zwei bis drei An-

oder Abflüge stattfinden.156 Um die bewaffneten Milizen in Bunia ruhigzustellen,

erklärten die französischen Truppen als eine der ersten Massnahmen das Ge-

biet in einem Umkreis von zehn Kilometern um den Ortskern zur „weapons-

153 Remarks by Javier Solana(…) to the press on the preparations to deploy a EU military mis-sion on the Democratic Republic of Congo (DRC), S0123/03. 154 Ebenda. 155 EU launches the „Artemis“ military operation in the Democratic Republic of Con-go(DRC), S0131/03, S.2. 156 Ebenda,S.12.

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invisible“-Zone.157 Organisatorisch wie auch militärisch war die Operation primär

eine französische: Als Leitnation stellte die französische Armee nicht nur das

Hauptquartier in Paris, den Oberkommandierenden der Operation sondern auch

rund 1000 der letztendlich über 1400 eingesetzten Soldaten und den grössten

Teil der Luftwaffe.158 Diese konnte ausgehend von der rund 300 Kilometer vom

Einsatzgebiet entfernten Stützpunkte Entebbe und Ndjamena in Uganda Luftun-

terstützung, Aufklärung und Überwachung beitragen – der UNO-Sicherheitsrat

sieht in der Wirkung der EU-Diplomatie in Bezug auf diese Kooperationsbereit-

schaft der Nachbarstaaten den primären Vorteil der „europäischen Dimension“

der Mission: Das Einverständnis der Regierungen von Ruanda und Uganda zur

Operation Artemis sei hauptsächlicher Verdienst der EU.159

Schweden schickte rund 80 Angehörige einer Spezialeinheit, die auch tatsäch-

lich zu Beginn der Operation in Kampfhandlungen verwickelt wurden. Ihr kom-

mandierender Offizier Hakan Syrén ordnete die Operation Artemis in einem In-

terview mit dem schwedischen Fernsehsender SVT als „eine von vielen inter-

nationalen Operationen“ ein, „die zusammengenommen dazu beigetragen ha-

ben, dass wir inzwischen eine einsatzfähige und glaubwürdige Einheit sind, die

in verschiedensten Umgebungen funktionieren kann.“160 Belgien und Grossbri-

tannien schickten hauptsächlich medizinisches und technisches Personal, wel-

ches zum Teil in Bunia, zum Teil in den Stützpunkten in Uganda eingesetzt

wurde. Die rund 350 deutschen Soldaten blieben ebenfalls während der

Einsatzdauer in Uganda stationiert, wo sie logistische und medizinische Funkti-

onen ausübten. Im Hauptquartier in Paris waren zusätzlich Stabsoffiziere in

kleiner Zahl aus Grossbritannien, Österreich, Griechenland, Ungarn Irland, Ita-

lien, der Niederlande, Portugal und Spanien im Einsatz.161

Am 14. Juni fanden die ersten Begegnungsgefechte zwischen Lendu-Milizen

und Artemis-Truppen statt, welchen anfangs Juli schwerere Gefechte mit der

157 Horman, S.3. 158 Vgl. Operation Artemis and Javier Solana: EU prospects for a stronger common for-eign and security policy, Canadian military journal, Frühling 2007, S.35 ff. 159 Operation Artemis: The lessons of the interim emergency multinational force, S.12. 160 Transcript zur Fernsehdokumentation “Joseph’s Fate”, SVT, Sendung vom MIttwoch, dem 2. April 2008 um 20:00 Uhr, Quelle: http://svt.se (Zugriff 09.09.2009). 161 Vgl. Operation Artemis and Javier Solana: EU prospects for a stronger common for-eign and security policy, Canadian military journal, Frühling 2007, S.39.

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UPC folgten, von der mindestens 20 Kämpfer dabei das Leben verloren. Die er-

fahrenen französischen Soldaten der IEMF zeigten, dass sie ohne zu zögern

bewaffnete Gewalt einzusetzen bereit war.162

Am 18. Juni bestätigte der Hohe Vertreter der GASP, Javier Solana vor dem

EU-Parlament die erfolgreiche Ankunft von 400 vollständig ausgerüsteten Sol-

daten in Bunia sowie 500 in den Logistikbasen in Uganda. Die Situation sei

„angespannt und instabil, aber unter Kontrolle“, er selber gedenke im Juli in die

Region zu reisen. Die Entscheidung zum Einsatz sei „an sich“ ein Erfolg für die

EU – der Wert der EU in einer solchen Mission habe sich in einer „besseren

Mobilisierung“ der Anstrengungen sowie einer „grösseren Überzeugungskraft“

der Mitgliedstaaten als Kollektiv gezeigt. „Wenn der politische Wille existiert,

können wir schnell handeln“.163 So bestätigte auch der Kommandierende der

MONUC-Administration:

„The IEMF has provided a stopgap to the UN, limited in time and

space, which has allowed it to better prepare the transition from

peace-keeping to peace enforcing, in a situation where there was not

much peace to keep.“164

Gemessen an den beschränkten Zielvorgaben der Resolution 1484 war die

Operation Artemis ein Erfolg. Mit der Ankunft der französischen und schwedi-

schen Truppen wurde die Stadt Bunia für den Augenblick stabilisiert. Mit der

Kontrolle des Flughafens konnte der weitere Einflug militärischen Materials an

die Konfliktparteien unterbunden werden. Als eine der ersten Massnahmen

wurden offen getragene Waffen in der Stadt Bunia verboten – eine umfassende

Entwaffnung hätte mehr Zeit und „aggressivere Methoden“ erfordert, wie ein

MONUC-Bericht festhält.165 Diese Massnahme erlaubte den Konfliktparteien, in

Bunia Räume für eine politische Vertretung zu nutzen und so zu Verhandlungen

beizutragen. Ausserhalb der Stadt konnte allerdings keine Verbesserung der 162 Horman, S.3. 163 Extrait du texte résumant l’intervention de M Javier SOLANA, Haut Représentant de l’Union européenne pour la politique étrangère et de sécurité commune (PESC) au par-lement européen (18.Juin 2003). Quelle : http://ue.eu.int/ueDocs/coms_Data/docs/pressdata/EN/discours/76240.pdf (Zugriff 13.10.2009). 164 Sow, S.210. 165 Ebenda.

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Lage erzielt werden – die MONUC nennt andere Ortschaften wie Drodro, Largo,

Nizi und Fataki, in denen weiterhin Gewalt gegen Nichtkombattanten ausgeübt

wurde.166 In Bezug auf MONUC wird die Operation Artemis als eine Art Brücke

zwischen dem Prozess der „Friedenssicherung“ (Peace-keeping) und dem Pro-

zess der Friedensförderung (Peace-enforcing) gesehen – der Übergang wird

durch das robuste Mandat der MONUC nach der Operation Artemis juristisch

deutlich, welches auch in einer ersten Phase eine Verdoppelung der vor Ort

präsenten UNO-Truppen vorsah.167 Anfang Oktober begann die Dislozierung

frisch eingetroffener MONUC-Verbände in Orte ausserhalb Bunias.

166 Sow, S.211. 167 Vgl. Antwort der deutschen Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 10.11.2003, Drucksache 15/1766, S.3.

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8. Die Folgen und Konsequenzen

Die Beurteilung der Operation Artemis durch die Europäische Union war letzten

Endes zwiespältig. Zwar wurden die Ziele der Resolution 1484 erreicht und –

was besonders hervorgehoben wurde – die Operation ohne eigene Verluste

abgeschlossen. Allerdings wurden auch verschiedene Schwächen sichtbar.

Insbesondere der Mangel an Transportkapazitäten über weite Strecken, was

mit der Miete eines ukrainischen Transportflugzeuges gelöst wurde.168 Dazu

kam die örtliche Beschränkung der Mission: Die Gewalt wurde keineswegs un-

terbunden, sondern vielmehr aus der Stadt Bunia in die unmittelbare Umgebung

verdrängt, wo weiterhin Massaker stattfanden.169 Der tatsächliche Effekt der

Operation Artemis als Übergangslösung für einen robusten UNO-Militäreinsatz

bestand offensichtlich vielmehr in der Sicherung des logistisch wichtigen Flug-

hafens. Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hielt

gegenüber der „Zeit“ in einem Interview fest:

„Der Einsatz im Kongo war ein Signal, er hat Leben gerettet. Aber

natürlich können wir nicht flächendeckend Friedenskräfte stationie-

ren, auch wenn es noch so notwendig wäre.“170

Die neu angelegte Ituri-Brigade, welche am 1. September offiziell unter einem

neuen Mandat nach UNO-Resolution 1493 die Artemis-Truppen ablöste, be-

sass mit 4800 Soldaten zwar bei weitem nicht über die für eine solche „flächen-

deckende“ Stationierung notwendigen Kapazitäten, wohl aber über eine Legiti-

mationsgrundlage für den Einsatz militärischer Gewalt.171 Der Übergang zu

„Friedensförderung“ zeigte sich bereits Mitte September, als UNO-Truppen das

UPC-Hauptquartier stürmten, Offiziere festnahmen und Kampfhubschrauber auf

wütende Demonstranten feuern liessen.172

168 Horman, S.3. 169 Horman, S.4. sowie Johnson, S.138. 170 Zitiert aus: Die Zeit, Der Fischer Weltalmanach Afrika, S. 97. 171 [The security council] authorizes MONUC to use all necessary means to fulfil its mandate in the Ituri district and, as it deems it within its capabilities, in North and South Kivu.UNO-Resolution 1493 (2003), Absatz 26. 172 Johnson, S.138.

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2004 wurde mit dem Aufbau von 13 EU-Gefechtsverbänden, sogenannten

„Battlegroups“ begonnen. Diese sollten mit kurzer Vorlaufzeit in Krisensituatio-

nen auch ausserhalb der EU eingesetzt werden können und haben im Januar

2007 nach Angaben der EU die Einsatzbereitschaft erreicht. Sie umfassen je

1500 Soldaten und entsprechende logistische und organisatorische Kapazitä-

ten. Dies entspricht der Grösse der während der Operation Artemis eingesetz-

ten Verbände.173 Das direkte Vorbild existierte allerdings bereits innerhalb der

NATO, wo die durch den US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld 2002 als

„innovativer Mechanismus“ für den schnellen Einsatz hochgerüsteter Truppen

überall auf der Welt konzipierten NATO Response Forces (NRF) dieselbe mili-

tärische Handlungsfähigkeit repräsentieren.174

Allerdings muss auch festgehalten werden, dass sich der Operation Artemis

durchaus weitere gemeinsame Aktionen in der DRK anschlossen: Die EUSEC

DR CONGO ist seit dem 8. Juni 2005 tätig und soll mit 60 Militärberatern die

„Integration, Restrukturierung und Rekonstruktion“ der Streitkräfte der Regie-

rung der DRK vorantreiben und ist primär mit infrastrukturellen und organisato-

rischen Projekten vertraut.175 Die seit Juli 2007 parallel laufende EUPOL RD

CONGO nimmt ähnliche Aufgaben für den zivilen Sicherheitsapparat der Regie-

rung wahr.176 Eine weiterer Militäreinsatz, die EUFOR RD CONGO, diente ge-

mäss UNO-Resolution 1671 (2006) der Überwachung von Wahlen und des all-

gemeinen „Demokratisierungsprozesses“ im Umfeld der Präsidentschaftswah-

len und dauerte von April bis November 2006.177 Bereits am 7. Juni 2006 beton-

te der Hohe Vertreter der GASP Javier Solana an einer Pressekonferenz, EU-

FOR RD CONGO sei ein „grosser Erfolg“ für „die Kongolesen genauso wie für

Europa.“ Die Mission, welche unter Teilnahme von 19 EU-Staaten – primär

173 Vgl. Varwick, S.127. 174 McNamara, S.8. 175 Vgl. Factsheet EUSEC DR CONGO, Quelle: http://consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/missionPress/files/090702%20Factsheet%20EUSEC%20RD%20Congo%20-%20version%206_EN.pdf (Zugriff 12.10.2009). 176 Vgl. Factsheet EUPOL DR CONGO, Quelle: http://consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/missionPress/files/090923%20Factsheet%20EUPOL%20RD%20Congo%20-%20version%206_EN11.pdf (Zugriff 12.10.2009). 177 Vgl. Factsheet EUFOR DR CONGO, Quelle : http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/esdp/90508.pdf (Zugriff 03.12.2009).

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Deutschland und Frankreich - stattgefunden habe, sei „ein Beispiel für weitere

Missionen“, die „in Zukunft häufiger durchgeführt werden“.178

178 EU Media Monitoring – Newswire, Pressemitteilung vom 07.06.2006, La mission eu-ropéenne en RD Congo, un exemple pour le futur, Quelle : http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/060607_AFP_Congo.pdf (Zugriff 03.12.2009).

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9. Fazit

Die Operation Artemis hatte meiner Ansicht nach zwei grundsätzliche Bedeu-

tungen, wobei ich eine davon bereits im Vorfeld meiner Arbeit als These formu-

liert habe:

1. Als Prototyp der unmittelbar nach der Operation konzipierten und ab 2007

einsatzbereiten „EU-Battlegroups“ stellte sie wenige Monate nach Inkrafttreten

des Vertrages von Nizza (Februar 2003) einen Testlauf für eine europäische In-

tervention unter (ungleich verteilter) Beteiligung verschiedener EU-

Mitgliedsstaaten dar. Dies zeigt unter anderem das Drängen auf einem zeitlich

und örtlich streng beschränkten Umfang der Operation und die Art der Aufarbei-

tung in EU-Berichten („lessons learned“).

2. Die Operation Artemis hatte eine dezidiert französisch-nationalstaatliche

Komponente: In einem Umfeld der veränderten Einflussgebiete auf dem afrika-

nischen Kontinent konnte Frankreich sein nationales Interessen an einer Auf-

rechterhaltung der unilateralen Sonderbeziehungen zum frankophonen West-

und Zentralafrika sowie an Emanzipationsbestrebungen gegenüber dem trans-

atlantischen Verteidigungsbündnis mit einer Intervention analog zu früheren Ak-

tionen wie der Operation „Tourquoise“ in Ruanda mit europäischem Etikett

wahrnehmen.

Artemis hatte ebenfalls eine Signalwirkung im europäischen Integrationspro-

zess: sicherheitspolitische Einigkeit und Unabhängigkeit gerade vor dem Hin-

tergrund der Zerwürfnisse innerhalb der EU anlässlich des dritten Irak-Krieges

und der Machtlosigkeit im Bosnien- sowie im Kosovokrieg wurde anhand dieser

ersten von der NATO unabhängigen Militäraktion demonstriert.179 Das räumlich

und zeitlich enorm beschränkte Mandat stellte eine günstige Gelegenheit dar,

eine militärische Intervention ausserhalb Europas ohne weitergehende Verwick-

lungen durchzuführen. Bezeichnend ist hierbei, dass die an Artemis beteiligten

Mitgliedstaaten der EU keinerlei Interesse an einer umfassenden Beteiligung an

MONUC hatten. Dieser Umstand erscheint gerade in Bezug auf die militäri- 179 Vgl. Fuller, Thomas, European Peacekeepers to go to Congo on Non-NATO mission, in: New York Times, Donnerstag, 5. Juni 2003. Quelle: http://www.nytimes.com/2003/06/05/world (Zugriff 13.11.2009).

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schen Kapazitäten ironisch: MONUC fehlten in der Folge genau diejenigen Mit-

tel, die für das Gelingen der Operation Artemis entscheidend waren: Son-

dereinsatzkräfte, effiziente Nachrichtendienste und Luftaufklärung.180 Dazu kam

ein Mangel an Hubschraubern auch für humanitäre Zwecke, der von den gros-

sen EU-Mitgliedstaaten bei entsprechendem politischem Willen unmittelbar hät-

te behoben werden können.181

Die Operation Artemis zeigte tatsächlich Handlungsfähigkeit mit Einschränkun-

gen im Sinne der Petersberg-Aufgaben. Allerdings muss betont werden, dass

die dezidiert „europäische“ Komponente des Einsatzes einmal mehr in der „Soft

Power“ lag, in den Verhandlungen mit umliegenden Staaten über Einverständ-

nis, Infrastruktur und Überflugsrechte. Der „harte“ Teil, der eigentliche

Kampfeinsatz, wurde von zwei Akteuren durchgeführt: Frankreich, das durch

andere, zahlreiche Militäreinsätze auf dem Kontinent Felderfahrung besass und

Schweden, dass seiner Sondereinsatzgruppe diese Erfahrung durch einen zeit-

lich und räumlich begrenzten Einsatz verschaffen wollte. Die auszeichnende

Komponente der Operation Artemis gerade im Vergleich zu ESVP-Missionen

auf dem Balkan sehe ich im Verhältnis zur NATO und darin implizit zu den USA:

Die Bemühungen insbesondere der französischen Regierung, die EU als Si-

cherheitspolitisches Gegengewicht (also auch im Sinne einer „Hard Power“)

zum Nordatlantikpakt zu etablieren, sollten sich in Artemis zum ersten Mal in ei-

ner konkreten Operation manifestieren. Dies zeigt nicht nur die plötzliche Über-

tragung der französischen Einsatzpläne („Mamba“) auf Artemis, sondern auch

die blaupausenartige Übertragung der bei Artemis eingesetzten Truppenstruktur

auf die „EU-Battlegroups“. Die Tiefe der Kooperation oder gar „Supranationali-

tät“ zwischen den teilnehmenden Staaten war indes verschwindend gering: der

Einsatz von Nachrichtenoffizieren im Hauptquartier – nota bene in Paris - sowie

die logistische Unterstützung setzte die ESVP in ein subsidiäres Verhältnis zu

einer Operation, welche die französische Regierung wohl ohnehin auch eigen-

ständig durchgeführt hätte und letzten Endes faktisch auch hat.

180 Horman, S.4. 181 Ehrhardt, Hans-Georg, In schwieriger Mission: Der EU-Militäreinsatz im Kongo, in: Hamburger Informationen zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Ausgabe 38, 2006, S.7.

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Der Einsatzort in Afrika hatte zwei grundlegende politische Vorteile: Erstens

stellte die UNO-Resolution 1483 (2003) eine völkerrechtliche Legitimations-

grundlage im Sinne einer „Hybrid Mission“ zwecks „humanitärer Intervention“

dar, wie sie ansonsten im herrschenden weltpolitischen Umfeld nicht existierte

und auch heute nicht existiert. Die schrecklichen Gewaltakte im Kongo und die

entsprechende mediale Berichterstattung lieferten einen moralischen Unterbau,

der auch zum Selbstverständnis der EU als „Hüterin der Menschenrechte“

passte. Zweitens wurde durch das Desinteresse der USA und somit auch der

NATO an einer Intervention im Kongo die Gefahr umgangen, das „Berlin plus“-

Abkommen zu verletzen und die Aussenbeziehungen insbesondere beteiligter

Staaten die gleichzeitig NATO- und EU-Mitglied sind zu gefährden.

Angesichts der bestehenden Konkurrenz durch Indien und insbesondere China

um die Erteilung von Konzessionen für den Rohstoffabbau im West- und Zent-

ralafrikanischen Raum muss auch dieser realwirtschaftliche Aspekt gewichtet

werden. Nur stabile politische Rahmenbedingungen erlauben einen geordneten,

gewinnbringenden Zugriff auf die reichen Metall- und auch beschränkt auf Koh-

le-, Uran- und Erdölvorkommen.182 Der Zugang zu Goldvorkommen begründet

wiederum andauernde ugandischen Waffenlieferungen in die Provinz Ituri.183

Gerade die Entwicklung der chinesischen Bemühungen in der Region ist indes

gewaltig: im sogenannten „chinesischen Korridor“ an der Ostgrenze der DRK

und im Süden des Landes bauen die chinesischen Staatsgesellschaften China

Railway Engineering Corporation und Sinohydro auf Grundlage eines Vertrages

mit der kongolesischen staatlichen Bergbaugesellschaft Gécamines Verkehrs-

wege (Strassen und Eisenbahnen) im Austausch gegen Kupfer und Kobalt –

was einem politischen Schwerpunkt der Regierung Kabila entspricht.184 Diese

entschied sich zu dem Abkommen nachdem sich die Auszahlung zugesproche-

ner Geldmittel aus dem EEF nach den Wahlen verzögerte – zwei Jahre später

ist erst ein Viertel der Summe ausbezahlt. Der IWF andererseits zögert, die an

182 Vgl. Das Afrika der grossen Seen : nach dem Genozid, in: Atlas der Globalisierung, Le mon-de diplomatique, Berlin 2006, S.146. sowie Observatiore de l’Afrique centrale, http://www.obsac.com (Zugriff 13.12.2009). 183 Ebenda. 184 Vgl. Demokratische Anfänge im Kongo, in : Atlas der Globalisierung, Le monde diplomati-que, Berlin 2009, S.152 f.

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einen versprochenen Schuldenerlass geknüpften Konditionalitäten als erfüllt zu

betrachten.185

Die chinesische Volkswirtschaft bezog 2001 nach Schätzungen der Weltbank

Rohstoffe im Wert von 3 Milliarden US-Dollar aus Afrika – 2006 waren es 22

Milliarden.186 Insgesamt 35 afrikanische Staaten erhielten 2006 chinesische In-

vestitionsmittel, die nicht an politische Konditionalitäten gebunden sind: auch

die DRK ist also nur ein Nebenschauplatz chinesischer Wirtschaftsinteressen in

Afrika.187 Währenddessen dauern die Kämpfe in den Provinzen Kivu und Ituri

an, ein Ende der Mission MONUC ist nicht absehbar.

185 Ebenda. 186 Vgl. Liebert, Nicola, Zhing-zhong für Afrika, China investiert in Afrika – und stellt keine Fra-gen, in : Afrika. Stolz & Vorurteile, Édition le monde diplomatique, Ausgabe 5, 2009, S.54 ff. 187 Vgl. Liebert.

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