Operation «Casey Jones» - News Wissen: Geschichte - Tagesanzeiger.ch

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  • 7/23/2019 Operation Casey Jones - News Wissen: Geschichte - Tagesanzeiger.ch

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    Nach dem Krieg wurden solche Bomber zu Foto!ugzeugen umgebaut. Foto: Getty Images

    Von Walter Jggi

    Redaktor Wissen

    @tagesanzeiger

    Kartogra!e

    Einst Staatsgeheimnis, heute auf jedemSmartphone

    Fremde Mchte haben immer wieder dieSchweiz heimlich ins Visier der Ver-messungsgerte genommen. Die militrischenErfolge Napoleons beruhten nicht zuletzt aufden Landkarten, auf die der Feldherr grsstenWert legte. ber die Geogra"e der Schweiz

    wusste die Fhrung in Paris mehr als dieSchweizer Regierung. Franzsische Ingenieur-Geografen vermassen grosse Teile derSchweiz, der es dazu an Geld und Fachleutenfehlte, wie Martin Rickenbacher in einemumfangreichen Buch beschreibt. Im ZweitenWeltkrieg produzierte die deutsche WehrmachtKarten der Schweiz im Massstab 1:25'000, dieim Detail zeigten, wie ihre Armeen den Weg"nden knnten. Whrend des Kalten Kriegeserstellten die Sowjets Karten der Sc hweiz imMassstab 1:50'000. Sie liessen auch von einerbemannten Raumstation aus Fotos aufnehmen,allerdings mit mssigem Erfolg, die Amerikanergaben ein hnliches Projekt auf.

    In den 70er-Jahren begann das Zeitalter derErdbeobachtungssatelliten, zuerst alsSpionagewerkzeug, spter frwissenschaftliche und schliesslich frgeschftliche Zwecke. Heute liefern auchmehrere private Satelliten Daten, Googlebezieht sie fr ihre Satellitenkartenbeispielsweise bei Cnes/Spot, Digitalglobe oderLandsat. Noch auf der Ausgabe 1987 derLandeskarte der Schweiz fehlt in der WalliserGemeinde Mnster der damaligeMilitr!ugplatz, heute wird er o#en gezeigt.Als die Satellitenaufnahmen allgemeinzugnglich wurden, ging auch Swisstopo zumsogenannten Sichtbarkeitsprinzip ber,erklrt Martin Rickenbacher. Will heissen: Wasman in der Landschaft sieht, darf auch auf derKarte zu sehen sein.

    Inzwischen ist im Internet viel Bild- undKartenmaterial von Swisstopo allgemeinzugnglich. Auf der Websitemap.lubis.admin.ch"ndet man auch dieUS-Luftbilder von 1946. Der geheimeMilitr!ugplatz von Mnster VS, der auf denLandeskarten noch 1987 unterschlagen wurde,ist klar erkennbar (auf der Website unterZeitreisen, Luftbilder s/w, Uhrensymbol rechtsanklicken und Jahr 1946 whlen. Rote Punktebezeichnen US-Aufnahmen, dichte rotePunktwolken Schweizer Aufnahmen). (j)

    Martin Rickenbacher. Napoleons Karten der

    Schweiz. Hier und Jetzt. 2011.

    Operation Casey JonesDie Bilder zeigen eine verschwundene Schweiz: Die US-Luftwaffe machte 1946 von der Schweizmehr als 4000 Luftaufnahmen. Jetzt wurden sie neu aufbereitet.

    Die Anfrage der amerikanischen Gesandtschaft in Bern im Mrz 1946 betraf ein

    delikates diplomatisches Thema. Die Luftwaffe der USA wollte in einer grossenFlugkampagne das Gebiet der Schweiz fotografieren. Das Gesuch passierte denInstanzenweg durch die aussenpolitisch und militrisch hchsten Stellen innert

    weniger Wochen. Da die USA der Schweiz, die sich aus dem Krieg militrischherausgehalten hatte, wenig Sympathie entgegenbrachten, schien eine gewisseGrosszgigkeit angezeigt. Die Flugaufnahmen wurden bewilligt. Allerdings stellte dieSchweiz drei Bedingungen: Die Aufnahmen sollten der Erstellung einer auch zivilnutzbaren Luftfahrtkarte dienen, Schweizer Beobachter sollten Flge ihrer Wahl anBord begleiten drfen, und von allen Bildern sollten Kopien an die Schweizausgehndigt werden.

    1946 flogen in mehreren Etappen zu Fotoflugzeugen umgebaute Bomber BoeingB-17G quer ber die Schweiz. Die Operation mit dem Codenamen Casey Jones

    (nach einem US-Fliegerpionier) umfasste ein Gebiet von Island bis Nordafrika. 66Flugzeuge waren fr die Grossaktion Tausende von Stunden in der Luft. 1944, als der

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    Krieg noch in Gang war, hatte die Planung dafr begonnen, zunchst als topsecret, spter als vertraulich eingestuft. Die Schweiz wollte dieneutralittspolitisch heiklen Abmachungen mit den USA nicht an die grosse Glockehngen, sie wurden 1946 als geheim klassifiziert.

    Nicht so die Bilder, welche die USA der Schweiz schliesslich in Form vonNegativduplikaten und Papierabzgen lieferten. Von deren Existenz wusstenallerdings nur Insider. Whrend Jahrzehnten wurden die Aufnahmen bei der

    Landestopographie (heute Swisstopo) gehtet, aber kaum genutzt. Erst vor wenigenJahren begann man, die inzwischen akut vom Zerfall bedrohten Nitratfilme zukonservieren. Die Bilder wurden digitalisiert und mit Metadaten versehen, die die

    von den damaligen Flugrapporten stammen.

    berragende US-Technik

    Dann wurden die Negative neu verpackt und in einem klimatisierten Depot abgelegt,um den chemischen Abbauprozess zu verlangsamen. Die Rettung der Bilder, dieintern als Photo Atlas 1946 bezeichnet werden, gehrt zu den laufenden Arbeitenzur langfristigen Sicherung der historischen Bildsammlung von Swisstopo und sei

    wegen des Zustandes des Materials besonders dringlich gewesen, sagt MartinRickenbacher, Kartenhistoriker und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Swisstopo.

    Die Ausbeute der Fotoflge war gross. An 34 Tagen wurden von denUS-Kriegsflugzeugen ber der Schweiz 171 Linien beflogen. 4117 Fotos sind erhaltengeblieben, nur 84 gingen verloren. Am Spitzentag allein erfassten vier US-Flugzeugeeine mehr als dreimal so grosse Flche, wie sie damals der Flugdienst derEidgenssischen Landestopographie in einem ganzen Jahr schaffte. Die Amerikanerflogen viel hher als die Schweizer, die Kameras verwendeten Rollfilme mit einemgrsseren Format. Die Bildqualitt der amerikanischen Negative ist jedochberraschend gut. Die beiden Schweizer Beobachter, die einige der Flgemitmachten, berichteten nicht ohne leisen Neid von der Technik der Amerikaner.

    Die Landestopographie erhhte daraufhin die Ansprche an die beim SchweizerHersteller Wild bestellten Kameras. Es vergingen aber noch einige Jahre, bis die

    strungsanflligen, alten Kameras der Landestopographie, die noch mit Glasplattenbestckt waren, durch modernere Typen abgelst werden konnten. Auch bei derBeschaffung eines neuen Fotoflugzeugs waren die Erfahrungen derBeobachtermission ntzlich.

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    Kloten 1946: Links ber der Bildmitte entstand kurz nach der Aufnahme der

    Flughafen.

    Dass die Aufnahmen der Amerikaner jene der Schweizer ersetzen wrden, war schondamals undenkbar. Die neue Landeskarte der Schweiz im Massstab 1:25'000 wurde

    vorwiegend mit den Daten der Vermessung am Boden erstellt. Flugaufnahmendienten lediglich zur Ergnzung und Nachfhrung, sie decken seit 1968 in einem

    Sechsjahresrhythmus jeweils ein Sechstel der Schweiz ab. Die amerikanischenAufnahmen entstanden aber alle innert weniger Monate; sie zeigen den Zustand derSchweizer Landschaft 1946 in einer Gesamtheit, wie ihn die Schweizer Luftbilderniemals zeigen knnen.

    Einzigartige Momentaufnahme

    Die amerikanischen Bilder zeigen in einer einzigartigen Momentaufnahme die nochweitgehend landwirtschaftlich geprgte Schweiz, mit vielen ckern undObstbumen, erklrt Martin Rickenbacher. Die Autobahnen fehlen, vom Flughafenin Kloten ist noch keine Spur zu sehen, in Oerlikon dagegen dominieren noch dieGrossfabriken.

    Die digitalisierten Bilder sind nun gut zugnglich und stehen der breitenffentlichkeit und der Forschung zur Verfgung. Zum Beispiel fr die Beschreibungdes Siedlungs- und Landschaftsbildes unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg.Neben den effektiven Luftaufnahmen stehen auch bereits deren Orthofotos zur

    Verfgung. Dies sind entzerrte Luftaufnahmen, bei denen die Unebenheiten desGelndes und die Verzerrungen an den Bildrndern korrigiert sind, sodass sie einekorrekte Geometrie aufweisen und einer Landkarte berlagert werden knnen. Manspricht von einer sogenannten Orthorektifizierung.

    Dank dem digitalen Hhenmodell der Schweiz und moderner Software lassen sichsolche Orthofotos heute am Computer einfach erzeugen 1946 existierte ein

    Verfahren in Analogtechnik noch gar nicht, es wurde erst 1953/54 in den USAentwickelt. 2016 sollen die Orthofotos von 1946 auch als landesweites Mosaik

    nahtlos vorliegen. (Tages-Anzeiger)

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    (Erstellt: 20.08.2015, 23:54 Uhr)

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