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Operative Dermatologie Rainer Rompel und Christoph R. Löser 1 Generelle Aspekte Die Dermatologie ist ein gleichermaßen konservatives und operatives Fach. Analog zu anderen Organfächern gehören operative Therapieverfahren an der Haut unverzichtbar zum Behandlungsspektrum des Dermatologen. Fundierte Kennt- nisse der Biologie und Funktion der Haut sowie der Patho- physiologie und der Histopathologie ermöglichen es dem Dermatologen, aus einer Vielzahl von Behandlungsmöglich- keiten für den individuellen Patienten eine optimale Therapie festzulegen, sei sie operativ, konservativ oder kombiniert. Das Ziel der dermatochirurgischen Behandlung ist eine Indi- kationsgerechte, prognoseorientierte und schonende Thera- pie unter ästhetischen Aspekten. 1.1 Präoperative Gesichtspunkte 1.1.1 Indikationsstellung Zur verantwortungsvollsten Aufgabe ärztlichen Handelns ge- hört die Indikationsstellung. Sie ist eine rein ärztliche Ent- scheidung und muss unter Einbeziehung aller verfügbaren Informationen und Einussfaktoren erfolgen. Eine klare und fundierte Indikation ist die Voraussetzung für alle therapeu- tischen Maßnahmen. Die eindeutige Diagnose eines Befundes ist die Voraus- setzung für die Festlegung der Therapie. Bei Unklarheiten oder Zweifeln an der klinischen Diagnose ist eine Biopsie oder eine Exzision mit histopathologischer Sicherung erfor- derlich. Art und Typ der Erkrankung entscheiden über Umfang und Invasivität der Therapie. Bei benignen Hautveränderun- gen steht die Verbesserung der Lebensqualität durch die Therapie im Vordergrund. Dies betrifft beispielsweise die Entfernung ästhetisch störender, mechanisch irritierender oder sozial stigmatisierender Fehlbildungen der Haut. Hinzu kommen funktionell beeinträchtigende und den Allgemein- zustand einschränkende Erkrankungen. Bei malignen Tumo- ren der Haut erfolgt die Indikationsstellung prognoseorien- tiert je nach Typ und Stadium des Tumors. Die primäre Intention der operativen Therapie maligner Tumoren ist kura- tiv. Eine palliative Indikation ergibt sich bei fortgeschrittener metastasierter Tumorerkrankung, bei der eine Minderung des Leidens, Reduktion lokaler Komplikationen oder eine parti- elle Prognoseverbesserung im Vordergrund stehen. Die patientenbezogenen Faktoren im Rahmen der Indika- tionsstellung sind im Wesentlichen der Allgemeinzustand, Ernährungszustand und mentale Verfassung des Patienten. Sie sind Grundlage der individuellen Risikoabschätzung in der Interaktion zwischen Belastbarkeit des Patienten und Umfang der Operation. Die Indikationsstellung kann eine oder mehrere Therapien der ersten Wahl ergeben sowie Therapiealternativen der zwei- ten und dritten Wahl anbieten. Die letztliche Auswahl der Therapie erfolgt gemeinsam mit dem Patienten im Rahmen des Aufklärungsgesprächs durch Darstellung der jeweiligen Vor- und Nachteile und eine individuelle Risikoabwägung. Im Falle spezieller Fragestellungen oder höherer Schwierig- keitsgrade sollten das Einholen einer Zweitmeinung respek- tive der Verweis an ein spezialisiertes Zentrum selbstver- ständlich sein. 1.1.2 Anamnese und präoperative Untersuchung Im Aufnahmegespräch werden medizinische Vorgeschichte und Grundkrankheiten dokumentiert. Dies umfasst vor allem kardiale Erkrankungen, Gefäßkrankheiten, ZNS-Erkran- kungen, Stoffwechselerkrankungen und Infektionskrankheiten. Besonderes Augenmerk gilt der Feststellung von Allergien und R. Rompel (*) Hautklinik, Klinikum Kassel GmbH, Kassel, Deutschland E-Mail: [email protected] C.R. Löser Hautklinik, Klinikum der Stadt Ludwigshafen Hautklinik, Ludwigshafen, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017 G. Plewig et al. (Hrsg.), Braun-Falco's Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Springer Reference Medizin, DOI 10.1007/978-3-662-49546-9_121-1 1

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Operative Dermatologie

Rainer Rompel und Christoph R. Löser

1 Generelle Aspekte

Die Dermatologie ist ein gleichermaßen konservatives undoperatives Fach. Analog zu anderen Organfächern gehörenoperative Therapieverfahren an der Haut unverzichtbar zumBehandlungsspektrum des Dermatologen. Fundierte Kennt-nisse der Biologie und Funktion der Haut sowie der Patho-physiologie und der Histopathologie ermöglichen es demDermatologen, aus einer Vielzahl von Behandlungsmöglich-keiten für den individuellen Patienten eine optimale Therapiefestzulegen, sei sie operativ, konservativ oder kombiniert.Das Ziel der dermatochirurgischen Behandlung ist eine Indi-kationsgerechte, prognoseorientierte und schonende Thera-pie unter ästhetischen Aspekten.

1.1 Präoperative Gesichtspunkte

1.1.1 IndikationsstellungZur verantwortungsvollsten Aufgabe ärztlichen Handelns ge-hört die Indikationsstellung. Sie ist eine rein ärztliche Ent-scheidung und muss unter Einbeziehung aller verfügbarenInformationen und Einflussfaktoren erfolgen. Eine klare undfundierte Indikation ist die Voraussetzung für alle therapeu-tischen Maßnahmen.

Die eindeutige Diagnose eines Befundes ist die Voraus-setzung für die Festlegung der Therapie. Bei Unklarheitenoder Zweifeln an der klinischen Diagnose ist eine Biopsieoder eine Exzision mit histopathologischer Sicherung erfor-derlich.

Art und Typ der Erkrankung entscheiden über Umfangund Invasivität der Therapie. Bei benignen Hautveränderun-gen steht die Verbesserung der Lebensqualität durch dieTherapie im Vordergrund. Dies betrifft beispielsweise dieEntfernung ästhetisch störender, mechanisch irritierenderoder sozial stigmatisierender Fehlbildungen der Haut. Hinzukommen funktionell beeinträchtigende und den Allgemein-zustand einschränkende Erkrankungen. Bei malignen Tumo-ren der Haut erfolgt die Indikationsstellung prognoseorien-tiert je nach Typ und Stadium des Tumors. Die primäreIntention der operativen Therapie maligner Tumoren ist kura-tiv. Eine palliative Indikation ergibt sich bei fortgeschrittenermetastasierter Tumorerkrankung, bei der eine Minderung desLeidens, Reduktion lokaler Komplikationen oder eine parti-elle Prognoseverbesserung im Vordergrund stehen.

Die patientenbezogenen Faktoren im Rahmen der Indika-tionsstellung sind im Wesentlichen der Allgemeinzustand,Ernährungszustand und mentale Verfassung des Patienten.Sie sind Grundlage der individuellen Risikoabschätzung inder Interaktion zwischen Belastbarkeit des Patienten undUmfang der Operation.

Die Indikationsstellung kann eine oder mehrere Therapiender erstenWahl ergeben sowie Therapiealternativen der zwei-ten und dritten Wahl anbieten. Die letztliche Auswahl derTherapie erfolgt gemeinsam mit dem Patienten im Rahmendes Aufklärungsgesprächs durch Darstellung der jeweiligenVor- und Nachteile und eine individuelle Risikoabwägung.Im Falle spezieller Fragestellungen oder höherer Schwierig-keitsgrade sollten das Einholen einer Zweitmeinung respek-tive der Verweis an ein spezialisiertes Zentrum selbstver-ständlich sein.

1.1.2 Anamnese und präoperative UntersuchungIm Aufnahmegespräch werden medizinische Vorgeschichteund Grundkrankheiten dokumentiert. Dies umfasst vor allemkardiale Erkrankungen, Gefäßkrankheiten, ZNS-Erkran-kungen, Stoffwechselerkrankungen und Infektionskrankheiten.Besonderes Augenmerk gilt der Feststellung von Allergien und

R. Rompel (*)Hautklinik, Klinikum Kassel GmbH, Kassel, DeutschlandE-Mail: [email protected]

C.R. LöserHautklinik, Klinikum der Stadt Ludwigshafen Hautklinik,Ludwigshafen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

# Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017G. Plewig et al. (Hrsg.), Braun-Falco's Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Springer Reference Medizin,DOI 10.1007/978-3-662-49546-9_121-1

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Unverträglichkeiten gegenüber Lokalanästhetika, Analgetika,Latex, Verbandsmaterial, Externa und möglichen anderen Stof-fen, die im Zusammenhang mit der operativen Behandlungverwendet werden könnten. Schließlich sollten Wundheilungs-störungen, hypertrophe Narben und Keloidneigung erfragtwerden. Eine komplette Medikamentenanamnese sollte Prä-parate zur Selbstmedikation einschließen. Die Einnahme vonBlutverdünnern, darunter fallen Thrombozytenaggregations-hemmer, herkömmliche und direkte Antikoagulanzien(DOAKs), muss gezielt erfragt werden. Jede Blutungsnei-gung bedarf einer erhöhten Aufmerksamkeit und gegebenen-falls weiterer Abklärung.

Die bei jeder stationären Behandlung obligate körperlicheUntersuchung umfasst die Inspektion der gesamten Haut mitschriftlicher Dokumentation auffälliger Hautveränderungen.Lokalisation, Größe, Begrenzung, Konfiguration, Verteilung,Umgebungsreaktion und mögliche andere Auffälligkeitendes präoperativen Befundes müssen dokumentiert werden.Eine prä- und postoperative Fotodokumentation ist insbeson-dere bei ästhetischen Eingriffen ratsam. Jede Bilddokumen-tation erfordert aus Gründen des Datenschutzes eine schrift-liche Einwilligung des Patienten. Vor größeren Operationengehört die Erhebung und Dokumentation des internistischenund neurologischen Status zur Aufnahmeuntersuchung,ebenso die entsprechende Labordiagnostik.

1.1.3 AufklärungsgesprächDas präoperative Gespräch zwischen Arzt und Patient dientder ausführlichen Aufklärung über den geplanten Eingriffund ist neben der juristischen Erfordernis von erheblicherBedeutung für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses.Dabei werden die zugrunde liegende Operationsindikationund das vorgeschlagene Therapieverfahren mit dem zuerwartenden Operationsergebnis allgemein verständlich er-klärt. Auch alternative Therapieoptionen und deren Vor-und Nachteile werden dem Patienten erläutert. Ausführlichwird dabei auf mögliche Komplikationen eingegangen, wieintra- oder postoperative Blutung, Wundinfektion, Wundde-hiszenz, Schädigung sensibler oder motorischer Nerven, stö-rende Narben (hypertrophe Narben, Keloide), Tumorrezidivund -progression. Risiken, Nebeneffekte und Konsequenzensowie gegebenenfalls intraoperativ notwendige Abweichun-gen vom geplanten Vorgehen einschließlich der Erweiterungdes Eingriffs gehören zum Aufklärungsgespräch. Lehnt derPatient einen Eingriff ab, muss er über die möglichen Kon-sequenzen seiner Ablehnung informiert werden. Auch dieAblehnung eines Eingriffs wird dokumentiert.

Die im Aufklärungsgespräch diskutierten Fakten müssenschriftlich dokumentiert und vom Patienten oder dessen gesetz-lichen Vertreter und dem aufklärenden Arzt gemeinsam unter-

zeichnet werden. Vorformulierte Einwilligungserklärungen,wie sie für zahlreiche Operationen vorliegen, können hilfreichsein, um möglichst alle relevanten Aspekte des Eingriffs zubesprechen. Individuelle Notizen zu den besprochenen Frage-stellungen, Komplikationen und Risiken sind juristisch vonhöherer Wertigkeit als vorgedruckte Texte. Vorteilhaft ist auchdie Stufenaufklärung durch vorab ausgehändigte Broschürenoder anderes schriftliches Informationsmaterial, welches imanschließenden Arztgespräch vertieft wird.

Der Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Aufklärung kannnicht generell festgelegt werden. Wie rechtzeitig ein Aufklä-rungsgespräch erfolgen sollte, ist von der Art des Eingriffs undder Tragweite der erforderlichen Einwilligung abhängig. DemPatienten muss nach dem Aufklärungsgespräch eine ausrei-chende Überlegungs- und Entscheidungsfreiheit verbleiben.

1.2 Perioperative Gesichtspunkte

1.2.1 AntisepsisAntisepsis bezeichnet alle Maßnahmen zur Abwendung einerWundinfektion. Das Operationsgebiet wird präoperativrasiert und gesäubert. Sterile Kautelen gelten prinzipiell füralle operativen Eingriffe, im Besonderen jedoch für alle mitt-leren und großen Eingriffe (Müller et al. 2017). Die intensiveDesinfektion zielt darauf, neben einer Elimination der transi-enten und pathogenen Flora auch die residente Flora weitge-hend zu reduzieren. Bei kleinen Eingriffen ist die Sprühdes-infektion mit alkoholischen Mischlösungen praktikabel, dienur eine kurze Einwirkzeit von 15 s haben. Bei mittleren undgroßen Eingriffen werden mit Desinfizienzien getränkte ste-rile Tupfer im Wischverfahren von zentral nach peripher inmehreren Durchgängen zur mechanisch-chemischen Reini-gung eingesetzt. Die Einwirkzeit ist in talgdrüsenreichenRegionen länger als in talgdrüsenarmen. Gängige Desinfizi-enzien sind phenolderivathaltige alkoholische und octenidin-oder povidonjodhaltige wässrige Lösungen. Die Umgebungdes Operationsgebiets wird mit sterilen Tüchern abgedeckt.Für den Operateur gelten die sterile Händedesinfektion unddas Tragen steriler Handschuhe sowie bei größerer Ausdeh-nung des Eingriffs sterile Operationskittel.

1.2.2 AntibiotikaprophylaxeBei sauberen Wundverhältnissen und sterilen operativenBedingungen hat eine Antibiotikaprophylaxe keinen nach-weisbaren Nutzen zur Vermeidung von Wundinfektionen.Kontaminierte Wunden profitieren von einem mechanischemDébridement und antiseptischen Maßnahmen. InfizierteWunden können eine therapeutische Antibiotikagabe erfor-dern. Hierbei sollte das initiale Antibiotikum auf den wahr-

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scheinlichsten Erreger abzielen und nach Erhalt des Antibio-gramms angepasst werden. Plastisch-rekonstruktive Eingriffesollten bis zur Beseitigung der Infektion verschoben werden.

Ein Sonderfall der Antibiotikaprophylaxe ist die Endo-karditisprophylaxe. Sie richtet sich nach der zugrunde lie-genden Herzerkrankung und dem Bakteriämierisiko desgeplanten operativen Eingriffs. In der Regel ist der Patientmit einem Endokarditispass ausgestattet, in dem die Vorer-krankung und die therapeutischen Empfehlungen festgehal-ten sind.

Die gegenwärtigen Empfehlungen gemäß den kardiologi-schen Leitlinien sehen eine Endokarditisprophylaxe mit Anti-biotika nur noch bei Hochrisikopatienten vor. Zur Hochrisi-kogruppe gehören Patienten mit Herzklappenersatz, vormalsdurchgemachter Endokarditis, komplexen kongenitalen zya-notischen Vitien, operativ induzierten systemisch-pulmo-nalen Shunts sowie alle Patienten im Zeitraum von 6Monatennach Eingriffen bei bestimmten Septumdefekten. Auch dieEingriffe, bei denen eine Indikation zur Prophylaxe gesehenwird, wurden in den aktuellen Leitlinien weiter einge-schränkt. Diese beziehen sich lediglich auf Eingriffe an derGingiva, der periapikalen Zahnregion, der oralen Mukosasowie bei der intraligamentären Anästhesie zur lokalenSchmerzausschaltung. Kurzgefasst bedeutet dies eine Be-schränkung der Antibiotikaprophylaxe auf Hochrisikopatien-ten und Hochrisikoprozeduren. Für alle Risikogruppen giltdie Beachtung eines streng aseptischen Vorgehens bei jegli-chen invasiven Prozeduren.

Die Empfehlungen beziehen sich nur auf Eingriffe annicht infiziertem Gewebe. Bei Eingriffen an infiziertemGewebe bei Risikopatienten wird die Endokarditisprophy-laxe mit Antibiotika in Abhängigkeit der vom Infektionsortorgantypischen potenziellen Erreger empfohlen (Tab. 1).

1.2.3 Thrombembolie-ProphylaxeEin thrombotischer Verschluss der tiefen Venen (Phlebo-thrombose) kann zur akuten Lungenembolie und zu chroni-schen Komplikationen im Rahmen des postthrombotischenSyndroms führen. Die differenzierte Prophylaxe richtet sichnach allgemeinen, internistischen und operativen Risiken.Die Leitlinien zur Thrombembolie-Prophylaxe beschreibenvier Risikokategorien. Kontrollierte Studien zum Thrombo-serisiko bei dermatologischen Operationen liegen nicht vor,sodass in Bezug auf den Operationsumfang die allgemeinenLeitlinien auf die operative Dermatologie zu übertragen sind.

Es ist sinnvoll, zwischen kleinen, mittleren und großenEingriffen zu differenzieren. Kleine und mittlere Eingriffesind bei mobilen Patienten und ohne Vorliegen internistischerRisikofaktoren in die niedrige Risikokategorie einzustufen.Zu den großen Operationen, sofern sie länger als 45 mindauern, sind Krossektomie und Varizenstripping, Lymphkno-tendissektionen, ausgedehnte Lappenplastiken und Trans-plantate sowie die operative Ulkustherapie zu zählen, diejeweils in die mittlere Risikokategorie einzustufen sind. Zu-sätzliche internistische Risikofaktoren führen zur Einstufungin die Hochrisikokategorie.

Physikalische Thromboseprophylaxe ist ausreichendbei niedrigem Risiko und stellt zusätzlich die Basis bei mitt-lerem und hohem Risiko dar. Hierzu gehören postoperativeSofort- oder Frühmobilisierung, Thromboseprophylaxe-Strümpfe, Kompressionsverbände sowie konsequente aktiveoder passive Sprunggelenkbewegung.

Zur medikamentösen Prophylaxe stehen unfraktionier-tes Heparin (Standardheparin) und niedermolekulare Hepa-rine zur Verfügung. Letztere werden in zwei Dosierungenangeboten, eine für die Routineprophylaxe und eine beibestehendem erhöhtem Thromboserisiko. Ein wesentlicherVorteil ist die geringere Neigung zu schweren Blutungenbei Operationen in der Hochrisikokategorie bei gleicher anti-thrombotischer Wirksamkeit gegenüber Low-dose-Standard-heparin. Die verschiedenen Präparate sind in ihrer Aktivitätnicht generell vergleichbar, sodass die Dosierung für diejeweilige Risikokategorie je nach Präparat vom Herstellervorgegeben wird. Die Thrombozyten sollten vor und untermedikamentöser Thromboseprophylaxe kontrolliert werden(Vorsicht: heparininduzierte Thrombozytopenie).

1.2.4 Antikoagulanzien-Umstellung (Cumarin-Umstellung)

Cumarinderivate besitzen strukturelle Ähnlichkeit mit Vit-amin K und führen zu einer kompetitiven Verdrängung anspezifischen Enzymsystemen. So entsteht unter Cumarin-Einnahme ein funktioneller Vitamin-K-Mangel. Dadurchwerden die Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X in ihrerhepatischen Synthese gehemmt. Indikationen für die Ein-nahme von Cumarinderivaten sind beispielsweise Zustandnach Phlebothrombose/Lungenembolie, Vorhofflimmern,

Tab. 1 Endokarditisprophylaxe in Abhängigkeit von der möglichenQuelle der Bakteriämie

Quelle derBakteriämie Endokarditisprophylaxe

Alternative beiPenicillin-Allergie

OropharynxEingriffe an derGingiva, derperiapikalenZahnregion, oralenMukosa sowieintraligamentäreAnästhesie

Amoxycillin 2 gp.o. oder i.v. 30–60 minvor OP

Clindamycin600 mg p.o. oderi.v. 30–60 minvor OPClarithromycin500 mgp.o. 30–60 minvor OP

HautEingriffe im Rahmeninfektiöser kutanerodermuskuloskelettalerProzesse

Flucloxacillin 2 gp.o. oder i.v. 30–60 minvor OP

Clindamycin600 mg p.o. oderi.v. 30–60 minvor OP

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Herzklappenfehler mit begleitendem Vorhofflimmern, Zu-stand nach Herzklappenersatz, dilatative Kardiomyopathie.Der therapeutische Bereich unter oraler Antikoagulation liegtfür die meisten Indikationen bei einem INR-Wert von2,0–3,0.

Während früher ein Ab- oder Umsetzen von Antikoagu-lanzien und Thrombozytenaggregationshemmern auch beiOperationen an der Haut häufig als Standard angesehenwurde, hat hier inzwischen ein Umdenken eingesetzt, dassauch in Leitlinienempfehlungen Eingang gefunden hat. Einemedizinisch indizierte Einnahme von Thrombozytenaggrega-tonshemmern wie ASS sollte demnach fortgesetzt werden.Bei dermatochirurgischen Eingriffen mit höherem Blutungs-risiko verbunden mit einer Blutungsanamnese sollten Ein-griffe nicht durchgeführt werden, wenn der INR außerhalbdes therapeutischen Bereichs liegt. Das Bridging, das heißtein Umsetzen der Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten,beispielsweise Marcumar, auf Heparin sollte bei Eingriffenan der Haut grundsätzlich nicht erfolgen. Insgesamt ist fest-zustellen, dass das thromboembolische Risiko bei einem Ab-oder Umsetzen von Blutverdünnern ein mögliches Blutungs-risiko bei Weitem übersteigt. Für die neueren, direkten oralenAntikoagulantien (DOAK) liegen keine gesicherten Empfeh-lungen vor. In der Regel werden diese 24 h vor einem Eingriffpausiert.

1.3 Operationsplanung

1.3.1 Exzisionsabstand und SchnittführungDie meisten benignen und prämalignen Hautveränderungenlassen sich mit geringem Sicherheitsabstand, unter maxima-ler Erhaltung gesunden Gewebes, kurativ entfernen. MaligneTumoren erfordern in Abhängigkeit vom Malignitätsgradweitere Sicherheitsabstände. Es empfiehlt sich, vor dem ers-ten Schnitt die Haut des Operationsgebiets nach allen Seitenzu spannen, um einerseits die exakten Abgrenzungen desTumors festzustellen und andererseits die Hautelastizitätund die Hautspannungslinien zu prüfen.

Nach Markierung der Exzisionsränder des Tumors solltebei einzeitiger Operation die Rekonstruktion sorgfältiggeplant werden. Hierbei spielen funktionelle und ästhetischeAspekte eine wesentliche Rolle. Die Hautspannungslinienoder relaxed skin tension lines, (Borges 1984) können bei derSchnittführung zur allgemeinen Orientierung dienen (Abb. 1).Allerdings verläuft die ideale Schnittführung beispielsweise anden Extremitäten im Sinne eines lazy-Smitunter eher entgegender Spannungslinien. Häufig sind zusätzlich präformierte,mimische und altersbedingte Falten von Bedeutung. Im Fallder Planung von Lappenplastiken sollten sich die wesentlichenSchnitte an den vorgenannten Linien und Falten orientieren.

An jeder Körperstelle lässt sich die Lage der Hautspan-nungslinien relativ einfach manuell mittels Daumen und Zei-

gefinger prüfen (Pinch-Test). Im Gesicht verlaufen die mimi-schen und altersbedingten Falten senkrecht zur mimischenMuskulatur. Die Planung der Schnittführung wird erleichtert,indem man den Patienten gezielt zur Mimik auffordert.

1.3.2 Ästhetische EinheitenBei Operationen im Gesicht sollten dessen ästhetische Ein-heiten in der Planung berücksichtigt werden (Übersicht).

Ästhetische Einheiten des GesichtsDiese umfassen analog der anatomischen Regionen:

1. Kopfhaut2. Stirn3. Schläfe4. Periorbitale Zonen5. Wangen6. Nase mit Untereinheiten7. Periorale Zonen8. Lippen9. Kinn

10. Ohren11. Hals

Innerhalb jeder einzelner dieser ästhetischen Einheitenentsprechen sich Oberflächenstruktur, Hauttextur, Pigmentie-rung, Porengröße, Behaarung sowie die vaskuläre Reaktionauf autonome Innervationsreize. Sie unterscheiden sich aberteilweise erheblich von denen der benachbarten ästhetischenEinheit. Große Schnittführungen und transponierte Lappen-plastiken führen generell zu günstigeren funktionellen undästhetischen Ergebnissen, wenn sie innerhalb einer Einheitorientiert bleiben oder allenfalls eine ähnliche ästhetischeEinheit einbeziehen.

1.3.3 OperationsinstrumentariumZu den häufig benötigten Instrumenten gehören Skalpelle(10er, 11er, 15er und 23er Klingen), Hautstanzen, scharfeLöffel oder Ringskalpelle, Nadelhalter, Pinzetten, Arterien-klemmen und Scheren. Für das in der operativen Dermato-logie in der Regel verwendete feine atraumatische Nahtma-terial mit kleinen Rundnadeln werden Nadelhalter mitmöglichst schmalen Branchen eingesetzt, um ein Verbiegender Nadeln und die Gefahr ihres Abbrechens im Gewebe zuvermeiden. Kleine, an der Spitze abgerundete, leicht gebo-gene Präparierscheren sind für eine schonende Lappen- undWundrandmobilisation unerlässlich. Essenziell sind fernerhandliche anatomische und chirurgische Pinzetten sowiezum Abklemmen von Blutungsquellen gerade und gebogeneMosquito-Klemmen.

Zur Darstellung tiefer Wundgebiete werden verschiedeneWundhaken zum Spreizen der Haut und Subkutis eingesetzt:

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Ein- oder Mehrzinkerhaken, flächige Wundhaken sowiediverse arretierbare Wundspreizer. Feine Hauthäkchen nachGillies eignen sich sehr gut zur Unterstützung einer atrauma-tischen Präparation. Zur Unterminierung oder zur Mobilisie-rung bei Lappenplastiken lässt sich das Gewebe mit Haut-häkchen atraumatisch anheben, verschieben und fixieren.

Neben den genannten Instrumenten gibt es zahlreicheSpezialinstrumente, die je nach Operationstechnik undIndikation eingesetzt werden. Die Auswahl der jeweiligenInstrumente unterliegt ferner den Vorlieben des jeweiligenOperateurs. Entscheidend ist letztlich, jegliche Traumatisie-rung des Gewebes, insbesondere der Wundränder, zu mini-mieren.

1.3.4 NahtmaterialEs wird zwischen resorbierbaren und nichtresorbierbarenMaterialien unterschieden. Bei resorbierbaren Fäden gibt

die Resorptionszeit die Dauer bis zum vollständigen Abbaudes Materials im Körper an. Der Abbau geschieht bei densynthetischen Materialien durch Hydrolyse. Die Reißkraftder resorbierbaren Materialien lässt aber schon vorher nach.Die Halbwertzeit gibt den Zeitpunkt an, zu dem der Faden imGewebe noch mindestens 50 % seiner Reißkraft besitzt(Tab. 2). Resorbierbares Nahtmaterial wird vorwiegend fürNähte und Ligaturen im Korium verwendet. Nichtresorbier-bares Nahtmaterial findet in erster Linie zur HautnahtAnwendung. In Einzelfällen wird es auch im Gewebe zurdauerhaften Ligatur von Gefäßabgängen eingesetzt.

Die Fäden können monofil oder polyfil verarbeitet sein.Bei monofilem Material besteht der Faden aus einem Mono-filament (Beispiele sind Prolene, Serapren, Premilene, PDS).Der Vorteil liegt in der glatten Gewebedurchgängigkeit unddamit geringerer Traumatisierung. Sie sind allerdings sperri-ger in der Handhabung und besitzen eine geringere Knoten-

Abb. 1 a–d Die Hautspannungslinien (relaxed skin tension lines) dienen der Orientierung. Sie sind ausdrücklich keine strikten Vorgaben für dieSchnittführung. Insbesondere an den Extremitäten verläuft die ideale Schnittführung nicht selten entgegen der Hautspannungslinien

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festigkeit, wobei diese Nachteile bei dünnen Fäden wenigerzum Tragen kommen. Polyfile Fäden sind geflochtene oder ineinander verdrehte Einzelfilamente. Ihre Oberfläche ist etwasrau. Sie entfalten dadurch eine gewisse Sägewirkung beimDurchtritt durch das Gewebe. Um dies zu minimieren, sinddie meisten geflochtenen Fäden beschichtet. PseudomonofileFäden sind innen geflochten und besitzen einen schlauch-artigen Überzug mit glatter Oberfläche. Geflochtenes Mate-rial lässt sich wesentlich besser handhaben und knüpfen. EinNachteil ist beim Einsatz für die Hautnaht allerdings dieMöglichkeit der Dochtwirkung, mit der Folge des Eindrin-gens von Keimen.

Die Fadenstärke ist international genormt und wird in USP(5–0, 4–0 etc.) nach der United States Pharmacopoe oder inmetric nach der europäischen Pharmacopoe angegeben.Obgleich die Angabe in metric mit der Fadendicke korreliert(1 metric = 1/10 mm Dicke), ist in Deutschlang dieUSP-Angabe üblicher.

In der Dermatochirurgie wird in der Regel atraumatischesNahtmaterial verwendet, bei dem der Faden bereits in dieNadel eingeschweißt ist. Dadurch wird die Traumatisierungder Ein- und Ausstichpunkte deutlich vermindert. Die Nadelnsollten für die Hautnaht scharf und schneidend sein. Für dieSubkutannaht können sie schneidend oder rund sein, währendan der Schleimhaut Rundnadeln gewebeschonender sind.

1.4 Postoperative Maßnahmen

Bei gesunden Patienten heilen operationsbedingte Wundenbei Beachtung grundlegender Prinzipien im Allgemeinenohne Komplikationen. Nach dem Ende der Operation wirddas OP-Feld mit einer in physiologischer Kochsalzlösunggetränkten Kompresse gereinigt. Abschließend kann die Nahtnochmals mit Hautdesinfektionslösung abgetupft werden,um die während der Operation aus den Adnexen mobilisier-ten Hautkeime zu beseitigen. Die meisten Hautnähte werdenmit einem sterilen, trockenen Wundverband aus Vlieskom-

presse und Klebeverband versorgt, der die Naht leicht ab-polstert und vor Verschmutzung schützt. Je nach Hautregionoder individuellem Infektionsrisiko (vorgeschädigte Haut,Begleiterkrankungen wie Diabetes oder pAVK) kann dieVerwendung von nichtadhäsiven Wundauflagen wie Fettga-zen ohne oder mit antiseptischen Wirksubstanzen sinnvollsein (Oleotüll, Jelonet, Betadine, Urgotüll). In der Regel wirdder Verband alle 1–2 Tage gewechselt.

Der Einsatz von topischen Hämostyptika ist bei korrekterHautnaht selten erforderlich, kann jedoch bei Sickerblutun-gen nach Probebiopsie, oberflächlichen Exzisionen und Kür-rettagen mittels Policresulen (Albothyl-Konzentrat) oderAluminiumchlorid-Lösung (Mallebrin-Konzentrat) hilfreichsein. Für flächenhafte Sickerblutungen und nach proktologi-schen Operationen eignet sich ein resorbierbares Zellulose-gewebe (Tabotamp, Clauden) in mehreren Strukturvarianten.

Nach operativer Entfernung von malignen Hauttumorenunter Anwendung der mikroskopisch kontrollierten Chir-urgie (MKC) wird der Defekt bis zum Vorliegen des histo-logischen Befundes temporär versorgt. Für die „gebremste“Konditionierung des Wundgrundes können spezielle Schaum-stoffkompressen (Syspurderm, Epigard) auf die Größe desDefekts passend zugeschnitten und mit sterilen Strips oderSituationsnähten fixiert werden. Im Rahmen des rekonstrukti-ven Eingriffs kann nach Infiltration der Lokalanästhesie diesetemporäre Wundabdeckung mit alloplastischem Materialschmerzfrei entfernt werden. Vorsicht ist geboten bei freilie-genden Sehnen, Knorpelflächen oder Periost im Wundgrund.Diese Strukturen würden unter Schaumstoffkompressen irre-versibel austrocknen. Hier werden Hydrogele, Fettgaze-Sal-benverbände, Hydrokolloide oder Folien verwendet.

Wesentliche Voraussetzung für das Einheilen freier auto-loger Hauttransplantate ist ein ausreichend vaskularisiertesWundbett. Dies lässt sich durch Wundgrundkonditionierungmittels Polyurethanschaumfolien erzielen. Bei 1- bis 2-tägi-gem Wechsel der Folien liegt nach 2–3 Wochen ein fester undgut vaskularisierter gleichmäßiger Granulationsrasen vor. DieWundkonditionierung ist insbesondere vor der Transplantation

Tab. 2 Resorbierbares Nahtmaterial

Material Handelsname Verarbeitung50 %Reißfestigkeit

0 %Reißfestigkeit

VollständigeResorption

Poliglecaprone25

Monocryl monofil 7 Tage 21–28 Tage 90–120 Tage

Polyglactin 910 Vicryl rapid geflochten,beschichtet

5 Tage 10–14 Tage 42 Tage

Polyglactin 910 Vicryl geflochten,beschichtet

21 Tage 35 Tg. 56–70 Tage

Polyglycolsäure Serafit, Safil (unbeschichtet) geflochten,beschichtet

18 Tage k. A. 60–90 Tage

Polyglycolsäure Serapid, Safil Quick(unbeschichtet)

geflochten,beschichtet

5–7 Tage k. A. 42 Tage

Polydioxanone PDS II, Serasynth, Mono Plus monofil 35 Tage 70 Tage 180–210 Tage

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bei sehr tiefen Defekten indiziert. Durch die temporär offeneWundbehandlung kommt es zur niveaugleichen Auffüllungdes tiefen Wundgebiets mit einem stabilen Granulations-gewebe. Eine Transplantation auf tiefe Defekte ohne vorhe-rige Wundkonditionierung führt häufiger zu funktionellenStörungen wie Dysästhesien, Bewegungseinschränkungenund kann in einem ästhetisch unbefriedigenden eingesunke-nen Defekt resultieren.

Die postoperative Schonung des Operationsgebiets undeine druckentlastende Lagerung sind bei größeren Exzisio-nen, Verschiebelappenplastiken und bei freien Hauttransplan-tationen besonders zu beachten. Um optimal im Wundbettder Empfängerstelle einzuheilen, benötigen Hauttransplan-tate eine gute Fixation. Der klassische überknüpfte Verbandaus einem mit Fettgaze ummantelten Wattekern hat sich beigroßflächigen Transplantaten bewährt. Zu den gängigen Vari-anten zählen dreilagige Überknüpfverbände aus zugeschnit-tener Gaze, Kompresse und eingenähtem, größenadaptiertenKugeltupfer. Bei kleineren Flächen kann das modellierendePolster mit einem Klebeverband sicher fixiert werden. DieseVerbände bleiben über 5 Tage unberührt. Auf angemesseneEntlastung ist zu achten. Insbesondere muss das Einwirkenvon Scherkräften vermieden werden.

2 Anästhesie

2.1 Lokale und regionale Anästhesie

In der operativen Dermatologie ermöglicht die Lokalanästhe-sie Eingriffe am wachen Patienten mit uneingeschränkterKommunikation. Dies ist bei Operationen in kritischenGebieten wie in der Umgebung von Gesichts- und Extremi-tätennerven hilfreich, da der ansprechbare Patient eine aktiveFunktionskontrolle sichern kann.

Ein hohes Lebensalter kann heutzutage keinesfalls mehrals eine Kontraindikation für eine Operation angesehen wer-den. Operationen in Lokalanästhesie sind selbst bei Patientenin reduziertem Allgemeinzustand, bei kardiovaskulären oderrespiratorischen Erkrankungen oder sonstigen begleitendenRisikofaktoren durchführbar, wenn bereits eine Allgemein-anästhesie als kontraindiziert gilt. Der Patient bleibt bei vol-lem Bewusstsein, spontaner Atmung und vollständig mobil,sodass operationsbedingte postoperative Risiken wie dieGefahr einer Thromboembolie oder Pneumonie minimiertsind. Problematisch ist die Anwendung von lokalen Anästhe-sieverfahren bei ängstlichen oder phobischen Patienten sowiebei unzureichender Kooperation.

Während des Eingriffs in Lokalanästhesie empfiehlt sicheine vertraute und beruhigende Atmosphäre sowie die ver-bale Kommunikation mit dem Patienten (talkaesthesia),

wodurch ein regelhafter Ablauf der Operation unterstütztwird.

2.2 Klassifikation der Lokalanästhetika

Die erstmalige Anwendung von Kokain im Jahre 1884 [Kol-ler] bei der Durchführung ophthalmologischer Operationenbegründete die Einführung einer neuen Wirkstoffklasse. Auf-grund dessen spezifischer Nachteile, wie leichte Zersetzlich-keit in Lösung beim Sterilisieren und seiner suchterzeugen-den Eigenschaft, begann die Entwicklung synthetischerLokalanästhetika ausgehend vom Kokainmolekül.

Lokalanästhetika sind tertiäre Amine, die in Lösung ineinem Dissoziationsgleichgewicht vorliegen. Der pK-Werteines jeweiligen Lokalanästhetikums gibt den pH-Wert an,bei dem ein Dissoziationsgleichgewicht von wasserlöslicherprotonierter Aminogruppe und lipidlöslicher freier Base inLösung vorliegen. Der pK-Wert der meisten Lokalanästheti-ka liegt zwischen 7,6 und 8,9. Bei einem pH-Wert imGewebe von 7,4 liegt daher nur ein geringer Anteil der nicht-ionisierten Form als freie lipidlösliche Base vor. Bei niedri-geren pH-Werten, wie sie zum Beispiel in entzündlich verän-derten Gewebe (pH-Wert <6) vorkommen, sinkt der Anteilder lipidlöslichen Form beträchtlich, sodass unter diesenUmständen keine ausreichende Anästhesie mehr zustandekommt.

Die lipidlösliche aktive Form des Lokalanästhetikumsbewerkstelligt die eigentliche Wirkung. Die Empfindungenwerden in folgender Reihenfolge ausgeschaltet: Schmerz !Temperatur ! Berührung ! Druck. Dies erklärt, warumPatienten häufig intraoperativ trotz vollkommener Schmerz-freiheit Druck- und Vibrationsempfindungen verspüren. DieWahl des Lokalanästhetikums wird in Abhängigkeit vonLokalisation, Dauer der Operation, Körpergewicht undZustand des Patienten getroffen (Tab. 3). Generell werdenaufgrund der Typen der kovalenten Bindung zwischen aro-matischem Ring und Zwischenkette ein Ester-Typ und einAmid-Typ unterschieden.

Bei Lokalanästhetika vom Ester-Typ kommt es häufigerzu allergischen Reaktionen. Die Vertreter dieses Typs, Pro-cain und Tetracain, werden daher heute in der operativenDermatologie nicht mehr verwendet. Allergische Reaktionenauf Lokalanästhetika vom Amid-Typ sind sehr selten. Sensi-bilisierungen sind auch gegenüber den in Durchstechflaschenenthaltenen Konservierungsmitteln (meist Parabene) odersonstigen Zusatzstoffen (Hyaluronidase, Sulfite) möglich.

Toxische Reaktionen auf Lokalanästhetika können durchversehentliche intravasale Injektion, eine schnelle Resorptionam Injektionsort oder durch Überdosierung hervorgerufenwerden. Daher muss bei der Injektion die intravenöse oder

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intraarterielle Applikation durch oberflächliche Infiltrationmit geringer Kanülenstärke vermieden werden. Die frühergeübte Aspiration wird dadurch verzichtbar. Bei der Injektionin hochvaskularisiertes Gewebe ist eine mögliche toxischeWirkung durch schnellere Resorption zu bedenken.

Frühzeichen einer toxischen Reaktion sind zunächst zen-tralnervöse Symptome wie periorales Taubheitsgefühl, metal-lischer Geschmack, Schwindel, Übelkeit, Unruhe und Mus-kelzittern. Bei weiter zunehmender Reaktion kommenBenommenheit, Krämpfe, Bewusstlosigkeit und Atemstill-stand hinzu. Die kardialen toxischen Reaktionen wirken sichauf das Reizleitungssystem des Herzens aus. Bei beginnen-den Zeichen der Intoxikation sind weitere Injektionen sofortzu unterlassen und die Vitalfunktionen zu sichern. Ein Not-fallinstrumentarium und Notfallmedikamente gehören zurgrundlegenden Ausstattung eines Operationsbereichs. EineBesonderheit im Nebenwirkungsspektrum besitzt das Prilo-cain, das auch in topischen Zubereitungen zum Einsatzgelangt (beispielsweise EMLA): Durch Anreicherung seinesMetaboliten ortho-Toluidin kommt es bei höheren Dosierun-gen zur Methämoglobinbildung. Besondere Vorsicht ist daherbei Kindern, bei Patienten mit einem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel und bei Einnahme anderer Methä-moglobin induzierender Medikamente sowie bei kardiopul-monalen Vorerkrankungen gegeben.

Durch den Zusatz vasokonstriktorischer Substanzen lässtsich die intraoperative Blutungsneigung verringern. Gleich-zeitig kommt es zu einer verzögerten Resorption, einembeschleunigten Wirkungseintritt und einer verlängerten Wir-kungsdauer. Die durch den Adrenalinzusatz bedingte Ver-schiebung des pH-Werts in den sauren Bereich kann Brennenverursachen, welches durch Pufferung mit Bikarbonat verrin-gert werden kann. Ein weiterer Nachteil ist, dass mit Abklin-gen der Vasokonstriktion die Gefahr postoperativer Nachblu-tungen erhöht ist. Vasokonstriktive Additiva bergen zudemdie Gefahr einer Minderperfusion im Bereich von End-arterien (Finger, Zehen, Penis, Nasenspitze) sowie generell

in Gebieten mit verminderter Durchblutung wie bei einerdiabetischen Mikroangiopathie. Bei der Leitungsanästhesieist als Folge einer versehentlichen intraneuralen Injektion dieMinderperfusion eines Nervs möglich. Adrenalinhaltige Lo-kalanästhetika sind kontraindiziert bei Patienten mit Eng-winkelglaukom und Tachyarrhythmien. Ferner sollte der Ad-renalinzusatz in der Schwangerschaft nur nach strengerIndikationsstellung verwendet werden.

2.3 Oberflächenanästhesie

DieKryoanästhesie eignet sich zur Durchführung minimalerEingriffe oder vor der eigentlichen Injektion eines Lokal-anästhetikums in schmerzhaften Arealen. Chloräthyl wirdals Spray unmittelbar vor dem Eingriff für wenige Sekundenangewandt, wobei es durch die Verdunstungskälte zum Ver-eisen der Hautoberfläche kommt. Die Kryoanästhesie hält für20–30 s an.

Die topische Anwendung von Lokalanästhetika in Creme-form bewirkt eine ausreichende Schmerzausschaltung zurDurchführung von oberflächlichen Gewebeabtragungen, La-sereingriffen, Wunddébridement. Kommerziell steht ein Prä-parat mit Lidocain und Prilocain zu jeweils 2,5 % als Cremeoder Fertigpflaster zur Verfügung (EMLA1). Bewährt ist derEinsatz vor allem bei Kindern zur Abtragung von Molluscacontagiosa sowie vor Blutentnahmen oder Anlegen von Ve-nenkanülen.

Die Creme wird aufgetragen und mit einem Okklusiv-verband für 1 h abgedeckt. Zur Wundreinigung beim Ulcuscruris beträgt die Einwirkdauer 30 min, bei Anwendung imSchleimhautbereich, beispielsweise vor der Entfernung vonCondylomata acuminata, genügt eine Einwirkdauer von5–10 min. Längerfristige Einwirkungsdauern sollten zurMinderung der systemischen Resorption vermieden werden.1,5 g Creme werden auf eine Fläche von 10 cm2 aufgetragen.Bei Kindern darf die jeweils maximale Dosierung und eine

Tab. 3 Pharmakologie gebräuchlicher Lokalanästhetika vom Amid-Typ

Wirkstoff(Präparatebeispiel)

Wirkungseintritt(min)

Wirkdauer(min)

Max. Dosisa

ohne AdrenalinMax. Dosisa

mit Adrenalin Max. Dosis Kinder ohne Adrenalin

Mepivacain(Meaverin)

1–3 30–120 300 mg 500 mg 5–6 mg/kg KG

Prilocain(Xylonest)

<3 30–120 400 mg 600 mg Keine allgemeinen Dosierungsempfehlungen,nicht bei Kindern <6 Monaten

Lidocain(Xylocain)

3–5 45–120 300 mg 500 mg Individuell nach Alter und Gewicht

Articain(Ultracain)

3–5 30–200 400 mg 600 mg Dosisanpassung

Ropivacain(Naropin)

3–5 120–500 225 mg – 2 mg/kg KG

aBezogen auf einen gesunden Erwachsenen (70 kg/KG); notwendige Dosisreduktion bei gesteigerter Resorption, Grunderkrankungen, wechsel-wirkenden Medikamenten ist zu beachten

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Gesamtfläche der Hautareale nicht überschritten werden, dainfolge der Resorption des Prilocains das oben erwähnteRisiko der Methämoglobinbildung besteht.

Aufgrund nur geringer anästhesierender Wirkung bei derGefahr allergischer Reaktionen ist die Indikation zur Ober-flächenanästhesie mit lidocain- oder procainhaltigen Gelsund Lösungen sowie tetracainhaltigen Sprays restriktiv zustellen.

2.4 Infiltrationsanästhesie

Die Infiltrationsanästhesie findet bei der Mehrzahl dermato-chirurgischer Eingriffe ihre Anwendung. In der Regel wirddas Lokalanästhetikum nicht direkt in den zu exzidierendenHerd injiziert, sondern je nach dessen Größe ausgehend vonzwei oder mehreren Einstichen fächerförmig um den Krank-heitsherd verteilt (Umgebungsanästhesie, Ringwallanästhe-sie). Eine Optimierung und möglichst schmerzarme Anwen-dung dieser Technik ergibt sich, wenn zunächst in derobersten Hautschicht eine Quaddel gesetzt wird, da hier einebesonders schnelle Blockade der oberflächlichen sensiblenNervenendigungen erzielt werden kann. Ausgehend von die-sen Quaddeln wird die Dermis und Subkutis durch langsamesVorbewegen der Nadel infiltriert. Weitere Einstiche solltenstets am Rande eines bereits infiltrierten Areals erfolgen undvon dort aus nach und nach fortgeführt werden, bis dergesamte Bezirk anästhesiert ist.

Die Auswahl des verwendeten Lokalanästhetikums hängtvon der erforderlichen Anästhesiedauer für den jeweiligenEingriff sowie von der Vertrautheit des Operateurs mit demPräparat ab. Auch große und ausgedehnte operative Eingriffeam Hautorgan sind innerhalb der maximal zulässigen Dosendurchführbar.

2.5 Tumeszenzlokalanästhesie

DefinitionEs handelt sich um eine Regionalanästhesie der Haut und dessubkutanen Gewebes durch direkte Infiltration großer Volu-mina eines verdünnten Lokalanästhetikums. Sie wurde 1987von Klein im Rahmen der Liposuktion beschrieben undfindet in den letzten Jahren zunehmend auch in anderenFällen mittlerer bis größerer Eingriffe im Rahmen der opera-tiven Dermatologie ihre Anwendung. Die Technik erlaubteine Anästhesie ausgedehnter Areale von Haut und Subkutis.

Das Prinzip besteht in der Anwendung hochverdünnterLokalanästhetika in Konzentrationen von 0,04–0,1 % in gro-ßen Volumina, wodurch es zum Anschwellen (lateinischtumescere) des Gewebes kommt. Die Injektion der Tumes-zenzlösung erfolgt manuell oder mittels spezieller Injektions-pumpen in das subkutane Fettgewebe bis zu einer weitrei-chenden Schwellung des Zielgebiets (Abb. 2). Diese führtzur Kompression der Blutgefäße. Die hydropische Gewebe-dehnung bewirkt zudem eine Hydrodissektion, die die Lipo-suktion sowie die Präparation bei anderen operativen Eingrif-fen erleichtert.

Das Lokalanästhetikum wird in physiologischer Koch-salzlösung unter Zusatz von Adrenalin, Natriumbikarbonatund Triamcinolon gelöst. Der Adrenalinanteil bewirkt durchVasokonstriktion eine verminderte intra- und postoperativeBlutung sowie eine verzögerte Resorption des Lokalanästhe-tikums, wodurch sich eine veränderte Pharmakokinetikergibt. Natriumbikarbonat erhöht den pH-Wert der Lösung,mit der Folge einer besseren Gewebepenetration und verrin-gerten Schmerzsensation. Der Triamcinolonanteil ist insbe-sondere bei der Liposuktion von Bedeutung, da hier dieabschwellende und antientzündliche Wirkung wichtig ist.Eine Variation der Tumeszenzlokalanästhesie durch Verdün-nung des Lokalanästhetikums in Ringer-Lösung ohne weitere

Abb. 2 Tumeszenzlokalanästhesie. a Infiltration der Tumeszenzlösung, typischer Blanche-Effekt. b Intraoperativ blutungsarme Situation

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Zusatzstoffe wird als subkutane Infiltrationsanästhesiebezeichnet. Zahlreiche Rezepturen der Tumeszenzlösungenwurden von verschiedenen Autoren beschrieben (Tab. 4).

Bei größeren Eingriffen an der Haut sollte es mit derTumeszenzlokalanästhesie gelingen, die zugelassene Maxi-maldosis des jeweiligen Anästhetikums nicht zu überschrei-ten. In der Anwendung zur Liposuktion werden weitausgrößere Mengen benötigt. Überschreitungen der zugelasse-nen Maximaldosen von Lidocain und Prilocain um das 4- bis5-Fache werden von erfahrenen Autoren als „sicher“ bezeich-net, da ein Großteil der Lösung abgesaugt wird und dieTumeszenzlösung aufgrund der besonderen Pharmakokinetiklangsamer resorbiert wird, sodass kritische Plasmaspiegelnicht überschritten werden. Eine arzneimittelrechtlicheZulassung der Substanzen zur Tumeszenzanästhesie ein-schließlich erhöhter Maximaldosis liegt jedoch nicht vor,sodass über die Anwendung als off-label-use aufgeklärt wer-den sollte.

IndikationenSie umfassen Liposuktion, Abdominoplastik, Phlebektomie,Dermabrasion, große Exzisionen, große Lappenplastiken,Transplantate, operative Ulkustherapie, laserchirurgischeEingriffe.

2.6 Leitungsanästhesie (Regionalanästhesie)

Die gezielte Injektion eines Lokalanästhetikums mit entspre-chender Wirkdauer als Depot in die unmittelbare Umgebungeines oder mehrerer versorgender sensibler Nerven erlaubtdie großflächige und lang andauernde Betäubung größererOperationsgebiete (Abb. 3). Die Anwendung bezieht sich aufspezielle anatomische Regionen mit eindeutig zugeordnetersensibler Innervation. Die Injektion erfolgt proximal desOperationsfeldes, sodass Gewebeturgor, Oberflächenbe-schaffenheit, Hautrelief und die eigentliche zu exzidierende

Struktur von der Injektion unbeeinflusst bleiben. Dieserleichtert in erheblichem Maße die Operationsplanung undDurchführung, da die Hautspannungslinien und Hautver-schieblichkeiten unbeeinflusst bleiben. Da der vasodilatato-rische Einfluss des Lokalanästhetikums nicht zur Geltungkommt, kann auf vasokonstriktorische Additiva verzichtetwerden.

Tab. 4 Beispiele für Tumeszenzanästhesielösungen

Autor Zusammensetzung Menge

Klein (1987) Lidocain 1 % 50 ml (500 mg)

Epinephrin 1:1000 1 ml

Natriumbikarbonat 8,4 % 12,5 ml

Triamcinolon 10 mg 1 ml

NaCl 0,9 % 1000 ml

Sattler et al. (1997) Prilocain 1 % 50 ml (500 mg)

Epinephrin 1:1000 1 ml

Natriumbikarbonat 8,4 % 6 ml

Triamcinolon 10 mg 1 ml

NaCl 0,9 % 1000 ml

Breuninger et al. (1998) Prilocain 1 % 50 ml (500 mg)

Epinephrin 1:1000 0,5 ml

Ringer-Lösung 450 ml

Abb. 3 Trigeminusblockade: Injektion an den Austrittspunkten desN. trigeminus

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Je nach Lokalisation der Nervenblockade genügen kleineDepots von 1–4 ml in die Umgebung des jeweils proximalzugänglichen Nervenverlaufs. Bei der Leitungsanästhesienach Oberst (Pernice 1890) wird an Zehen und Fingern dieInjektion medial und lateral vom Grundgelenk und anschlie-ßend dorsal davon platziert (Abb. 4). Dadurch erfolgt eineBlockade der Nn. digitalis dorsalis proprium et digitalispalmaris proprium oder plantaris. Das Vorgehen am Penisist analog: Die Injektion erfolgt beiderseits dorsal an derPeniswurzel in die Umgebung des N. dorsalis penis. Vonder Einstichstelle aus wird die Nadel extrafaszial unter derlockeren verschieblichen Haut vorgeschoben und das Anäs-thetikum über die gesamte Zirkumferenz verteilt. Die Blo-ckade der sensiblen Gesichtsnerven erfolgt durch Injektiondes Lokalanästhetikums direkt in die Umgebung der Nerven-austrittspunkte in Knochennähe. Durch Blockade der sensi-blen Äste des N. trigeminus lässt sich für weite Areale imGesicht eine ausreichende Anästhesie erzielen.

2.7 Allgemeinanästhesie

Dem Anästhesisten steht eine ganze Reihe unterschiedlicherVerfahren der Allgemeinanästhesie zur Verfügung. VomGrundprinzip werden Inhalationsanästhesie, intravenöse An-ästhesie und Neuroleptanalgesie unterschieden. ZahlreicheKombinationen und Überschneidungen (balancierte Anäs-thesie) dieser Verfahren kommen zur Anwendung.

Die assistierte oder kontrollierte Beatmung während einerInhalationsnarkose gewährleistet größte Sicherheit für denPatienten und schafft bei ausgedehnten und langdauerndenEingriffen optimale Operationsbedingungen. Die Inhala-tionsanästhesie kann durch Verwendung einer konventionel-len Maske, einer Larynxmaske oder eines Endotrachealtubuserfolgen. Bei Eingriffen im perioralen oder enoralen Bereichkann die Intubation auch nasotracheal erfolgen.

An Inhalationsanästhetika sind Isofluran, Desfluran,Sevofluran und Enfluran mittlerweile die häufigsten ange-wendeten Substanzen. Sie unterscheiden sich im Wesent-lichen hinsichtlich der An- und Abflutungsgeschwindigkeitund der hämodynamischen Stabilität.

Beispiele für intravenöse Narkotika sind Metohexital,Ketamin, Etomidate und Propofol. Sie unterscheiden sichdurch unterschiedlichen Wirkungseintritt, Wirkdauer, Vertei-lung und unterschiedliche analgetische Eigenschaften. Durchdie diffuse Verteilung im Blut und in den verschiedenenGeweben ist potenziell ein Überhang möglich, der eine aus-reichend lange postoperative Überwachung erforderlichmacht.

3 Grundlegende operative Techniken

3.1 Schnitt- und Nahttechnik

Eine korrekte Schnitttechnik ist Voraussetzung für das Errei-chen optimal adaptationsfähiger Wundränder. Traumatisierte,ausgefranste, sägezahnartige, schräge oder ungleiche Schnit-te müssen unbedingt vermieden werden. Ein nachträglichesAngleichen durch Nachschneiden ebenso wie ausgleichendeNahttechniken erreichen schwerlich so gleichmäßige Wund-ränder wie ein gezielter Schnitt, vom höheren Zeitaufwandabgesehen. Die korrekte Beachtung der Schnitttechnik istferner für die Sicherung der vollständigen Tumorexzisionvon Bedeutung. Im Gegensatz zu einer früher beschriebenen,keilförmig geneigten Schnittführung sollte die Haut stetssenkrecht inzidiert werden, um Ausläufer des Tumors in derTiefe vollständig zu erfassen.

Die exakte Platzierung der Inzision wird durch ein gleich-mäßiges Spannen der Haut erleichtert. Der Hautschnittbeginnt an jener Stelle, die die größte Präzision erfordert(Gehörgang, Tränenpünktchen). Der Schnitt wird grundsätz-lich im tiefer gelegenen Anteil der Exzision begonnen, um

Abb. 4 a, b Leitungsanästhesie nach Oberst: Injektionspunkte proximal an den Fingern und gegebenenfalls zusätzlich im distalen Metakarpalbe-reich

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eine Beeinträchtigung der Sicht durch mögliche Blutung zuvermeiden. Die Präparation und Exzision zur Tiefe gelingt inder Regel leichter mittels Präparierschere. Das zu exzidie-rende Gewebe sollte selbst möglichst wenig traumatisiertwerden, um ein ungeschädigtes histopathologisches Präparatzu erhalten (No-touch-Technik). Ebenso sollten die Wund-ränder sorgsam geschont werden, um spätere Wundrandne-krosen zu vermeiden.

Zur Blutstillung eignen sich verschiedene Maßnahmen inAbhängigkeit von der Stärke der Blutung und des Kalibersder betreffenden Gefäße. Die Blutungsquelle wird zunächstmittels Kompresse oder Tupfer komprimiert. Mehrere Blu-tungsquellen werden durch sukzessives Verschieben desKompressendrucks eindeutig lokalisiert. Sichtbare Gefäß-stümpfe können mit einer Arterienklemme angeklemmt wer-den. Der Verschluss erfolgt dann durch Ligatur unterhalb derKlemme. Durch gezielte Elektrokoagulation kann monopolaroder durch Verwendung der bipolaren Pinzette die schnelleBlutstillung zahlreicher kleinerer Gefäße bewerkstelligt wer-den. Eine Alternative für sehr große Operationen ist dieAnwendung einer bipolaren Schere, die während des Schnei-devorgangs gleichzeitig zur Elektrokoagulation führt. Auchelektrische Messer oder Hochfrequenz-Skalpelle (radio-SURG1) können eingesetzt werden.

Eine subtile und gewebeschonende Nahttechnik ist ent-scheidend für das spätere kosmetische Operationsergebnis.Der Wundverschluss sollte so exakt wie möglich durchge-führt werden und eine perfekte Adaptation der Wundränderbewerkstelligen. Einstich, Gewebedurchtritt und gegenüber-liegender Austritt der Nähte sollten dreidimensional korres-pondieren. Die Wundränder sollten möglichst breit über diegesamte Tiefe der Wunde aneinander gebracht werden. Diesgewährleistet die Ausbildung einer breiten und festen Brückenarbigen Ersatzgewebes. Infektionsbegünstigende Hohlräu-me sollten durch anschließenden Druck (moderat durch Ver-band) und gegebenenfalls Einlage einer Drainage verringertwerden. Das früher propagierte Verschließen tieferer Wund-schichten durch Nähte sollte insbesondere im Fettgewebesorgfältig abgewogen werden, um mögliche ebenfalls infek-tionsbegünstigende Nachteile durch Minderperfusion undvermehrte Fremdkörper in der Wunde zu vermeiden.

Generell lassen sich fortlaufende Nähte und Einzelknopf-nähte unterscheiden. Fortlaufende Nähte bewirken einendichten Wundverschluss unter gleichmäßiger Verteilung derKraftwirkung über die Strecke der gesamten Wunde. Sieeignen sich zum schnellen Wundverschluss und führen inder Regel zu sehr guten kosmetischen Ergebnissen. Einzel-knopfnähte bieten eine höhere Sicherheit sowie die Möglich-keit der partiellen Eröffnung der Naht.

3.1.1 Subkutannaht/dermale NahtTechnikGrundsätzlich empfiehlt es sich, selbst bei geringer Wund-spannung Subkutannähte zu platzieren. Sie sollten möglichstsparsam angebracht werden, wobei sich als Nahtmaterialinsbesondere Vicryl- oder PDS-Fäden anbieten. Die subku-tane Einzelknopfnaht sollte die Hauptlast der Wundspannungtragen. Dementsprechend wird für die Subkutannaht meistein ein bis zwei Fadenstärken dickeres Nahtmaterial verwen-det als bei der Hautnaht.

Die vertikale subkutane Einzelknopfnaht ist die klassischeund häufigste Form der Subkutannaht (Abb. 5). Die Durch-führung ist einfach und gelingt schnell. Der Einstich erfolgtam Übergang von Dermis und Subkutis oder tief dermal. DerBiegung der Nadel folgend liegt die Höhe des Ausstichsetwas seitlich versetzt hoch intradermal oder am ÜbergangDermis und Epidermis mit erneutem Einstich auf der Gegen-seite korrespondierend intradermal und dort in der Tiefewiederum korrespondierender Ausstich. Demnach müssteman korrekterweise von einer dermalen Naht (koriale Naht)sprechen. Der Begriff Subkutannaht ist jedoch traditionelleingeführt. Durch dieses Vorgehen werden die Knoten inder Tiefe platziert.

Bei optimalem Anliegen der Wundränder kann auf eineweitere Hautnaht verzichtet werden. Die Verwendung vonadhäsiven sterilen Strips und/oder eines Histoakrylklebersan der Hautoberfläche gewährleistet die besten kosmetischenResultate. Falls erforderlich kann eine Feinadaptation imAnschluss an die Subkutannaht durch unterschiedliche Vari-anten der Hautnaht mit feinen Fäden erfolgen.

Die Schmetterlingsnaht ist eine elegante Variante derSubkutannaht im Sinne einer intrakutanen Matratzennaht.Sie wird breit in der Dermis verankert. Der Einstich erfolgtan der unteren Grenze des Koriums, der horizontale Gewebe-durchtritt erfolgt nach lateral ansteigend, schließlich der Bie-gung der Nadel folgend horizontal versetzt der Austritt derNadel am unteren Ende der Dermis. Auf der Gegenseiteerfolgen Ein- und Ausstich korrespondierend. Durch daslaterale Ansteigen der beidseitigen Nadelführung entstehtdas Bild eines Schmetterlings mit leicht angehobenen Flü-geln. Eine Voraussetzung zur optimalen Adaptation derSchmetterlingsnaht ist der schräge Wundrand mit einemleichten lippenartigen Überstehen von oberer Dermis undEpidermis. In der Regel ist nach der subkutanen Schmetter-lingsnaht keine ergänzende Hautnaht erforderlich.

Zahlreiche weitere Modifikationen der Subkutannaht wur-den beschrieben, wie Flaschenzugnaht oder Achternaht. Inbestimmten Situationen unter größerer Zugwirkung erlaubensie eine bessere Adaptation. Sie erfordern jedoch Geschick-lichkeit und Erfahrung.

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Abb. 5 Häufige Nahttechniken. a Subkutannaht. b Subkutane Schmetterlingsnaht. c Einzelknopfnaht. d Vertikale Rückstichnaht. e U-Naht.f Fortlaufende Hautnaht. g Fortlaufende Intrakutannaht

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3.1.2 Hautnaht

EinzelknopfnahtDie Hautnaht sollte so fein wie möglich mit synthetischemmonofilen oder beschichtetem geflochtenen Nahtmaterial ge-knüpft werden. Auch chirurgische Seide und PDS-Fädenkönnen verwendet werden. Der Vorteil von Polyester liegtin seiner Reißfestigkeit und mühelosen Handhabung. Durcheine spezielle Beschichtung werden die Sägewirkung und dasDurchschneiden der Haut verringert.

An sichtbaren Körperstellen sollten Ein- und Ausstich ineinem Abstand von etwa 1–2 mm vom Wundrand erfolgen.Dabei ist es nicht notwendig, die Operationswunde durch dieNaht zusammenzuziehen, es genügt vielmehr, die Wundrän-der locker zu adaptieren, um so Stichkanalnekrosen und un-schöne Narben zu vermeiden (Strickleitereffekt).

Der Gefahr, dass sich ein Wundrand über den anderenschiebt und damit eine Stufe auftritt, wird durch eine senk-rechte Schnittführung begegnet sowie durch eine exakte,gleich tiefe Platzierung der Hautnaht in beiden Wundrändern.Optimal ist also eine dreidimensionale Korrelation von Ein-und Ausstich.

Horizontale Rückstichnaht (U-Naht)Sowohl Ein- als auch Ausstich werden wie bei der Einzel-knopfnaht durchgeführt. Anschließend erfolgt der Rückstichparallel zumWundrand auf gleicher Höhe des Ausstichs, undder Faden wird wieder neben dem primären Einstich heraus-geführt und geknotet (Abstand zwischen Ein- und Ausstichungefähr 2–3 mm). Dieses Verfahren eignet sich sehr gut alsHaltenaht, wobei das Fadenkaliber je nach Körperregion undWundrandspannung variiert. Große, unter Zug stehendeWunden lassen sich mittels U-Naht in wenigen Stichenschnell versorgen.

Vertikale RückstichnahtIm Unterschied zur U-Naht erfolgt bei der vertikalen Rück-stichnaht nach Donati der Rückstich zwischen Wundrandund primärem Ausstich, wobei der Faden zwischen demgegenüber liegenden Wundrand und dem primären Einstichherausgeführt und geknotet wird. Diese Technik erlaubt eineElevation der Wundränder und sichert bei guter Durch-führung deren exakte Adaptation.

Die Rückstichnaht nach Allgöwer ist eine Modifikationder Donati-Naht, wobei der Rückstich komplett innerhalb derDermis erfolgt. Der Faden wird an dem der Einstichstellegegenüber liegenden Wundrand nicht durch die Epidermis,sondern nur durch die Dermis wieder zurückgeleitet, sodassauf der kontralateralen Seite Ein- und Ausstich nicht zu sehensind. Der Ausstichpunkt ipsilateral entspricht dem derDonati-Naht. Die Technik ist nicht einfach und verlangtvom Operateur entsprechende Übung.

Fortlaufende HautnahtSowohl die fortlaufende überwendliche als auch die fortlau-fende U-Naht sind zwar weniger zeitaufwendig als die Ein-zelknopfnaht, besitzen aber den Nachteil einer ungünstigerenKosmetik, da ein Verziehen der Wundränder und damit Stu-fen in der späteren Narbe nicht selten vorkommen. Bei opti-maler Platzierung und guter vorheriger Adaptation durch dieSubkutannaht eignen sie sich jedoch zum schnellen undguten Hautverschluss.

Fortlaufende IntrakutannahtSie ist eine elegante Nahttechnik, die ein ästhetisch optimalesErgebnis bietet, da im Nahtverlauf keine Ein- und Aussticheerfolgen. Voraussetzung ist eine vorherige gute Adaptationder Wundränder durch Subkutannähte. Der Einstich erfolgtdurch die Epidermis in der Verlängerung eines Wundendes.Ein- und Ausstiche erfolgen durchweg intrakutan mäander-förmig über den gesamten Verlauf der Wunde. Nach ab-schließendem straffen Spannen des Fadens genügt es, dieFadenenden und die Wundränder mittels steriler Klebepflas-ter zu fixieren. Durch den Verzicht auf ein Verknoten derFadenenden werden die spätere Fadenentfernung erleichtertund Einschnürungen durch die Knoten vermieden. Die fort-laufende Intrakutannaht gelingt gegenüber den transkutangeknüpften Nähten schneller und verteilt die nahtbedingteSpannung auf die Wundränder gleichmäßiger.

Ein Problem dieser Technik besteht neben der Abflussein-schränkung im Falle einer Nachblutung darin, dass bei derFadenentfernung insbesondere aus größeren Wunden gele-gentlich Fadenabrisse auftreten. Belässt man den Restfadenim Gewebe, können Fremdkörpergranulome oder Keloidedie Folge sein. Diesem Problem wird durch die Verwendunglangsam resorbierbaren synthetischen Nahtmaterials begeg-net, beispielsweise des PDS-Fadens. Die erforderliche Fa-denstärke variiert wiederum je nach Hautdicke und Wund-randspannung (5-0 bis 3-0).

HautklammernIhre Verwendung kann den Wundverschluss beschleunigen.Entsprechende Sets, bei denen die Klammern in einen Tackereingebaut sind oder auch getrennt von diesem geliefert wer-den, sind erhältlich. Nachdem die Wundränder mittels Sub-kutannähten und mithilfe einer chirurgischen Pinzette exaktadaptiert worden sind, können die Klammern im Abstandvon etwa 0,5–1,0 cm transkutan platziert werden. Das kos-metische Ergebnis dieser Wundverschlusstechnik ist in denmeisten Fällen den konventionellen Nahtverfahren unterle-gen. Die spätere Entfernung der Klammern kann mitunterschmerzhaft sein.

HautkleberStatt Naht oder Klammern kann, nach vorheriger Wundadap-tation durch Subkutannaht, der Verschluss der Haut auch

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ohne Naht erfolgen. Zum einen ist dies durch die Verwen-dung fest klebender steriler Strips (zum Beispiel Steristrip)möglich. Eine andere Möglichkeit ist die Anwendung einesOctylcyanoacrylat-Klebers (zum Beispiel Dermabond1),wodurch eine noch genauere lineare Adaptation der Haut-oberfläche möglich ist. Voraussetzung zur Anwendung isteine spannungsfreie Wunde, die durch die Subkutannahtstabilisiert ist. Ferner sollten die Wunden glattrandig, reizlos,trocken und sauber sein. Über einen Applikator mit Brech-ampulle wird der Kleber auf die Haut aufgetragen, währendgleichzeitig durch Längszug der Wunde eine optimaleAdaptation bewerkstelligt wird. Der Kleber erreicht inner-halb von 60 s seine Festigkeit. Eine zusätzliche Stabilisierungmittels steriler Strips ist sinnvoll.

3.1.3 Entfernung des NahtmaterialsPrinzipiell sollten Materialien, die zum Wundverschlusstranskutan verwendet wurden, seien es Fäden oder Klam-mern, so frühzeitig wie möglich entfernt werden, um dasRisiko des Einschneidens und eines narbigen Stichkanals zuminimieren.

Bei geknoteten transkutanen Hautnähten wird der Fadenunterhalb des Knotens, unmittelbar an der Hautoberfläche,mittels spitzer feiner Schere oder Skalpell durchtrennt, umein Durchziehen kontaminierter Fadenanteile durch dasGewebe zu vermeiden und so einer Stichkanalinfektion vor-zubeugen. Der Zeitpunkt der Fadenentfernung ist zum einenlokalisationsabhängig und wird zum anderen von der primä-ren Wundrandspannung mitbestimmt. Im Gesicht und amHals verbleiben die Fäden meist 7–10 Tage, am Kapillitiumund Rumpf 10–14 Tage, an den Extremitäten 12–16 Tage undgenitoinguinal 7–10 Tage. Müssen die Fäden aufgrund ana-tomischer Gegebenheiten länger belassen werden, können siesukzessive an mehreren aufeinander folgenden Tagen gezo-gen werden.

3.2 Diagnostische Gewebeentnahme

3.2.1 HautbiopsieIn der Dermatologie kommt der diagnostischen Gewebeent-nahme eine besondere Bedeutung zu. Bei unklaren Ver-dachtsdiagnosen trägt sie zur Diagnosefindung und Diagno-sebestätigung bei. In der onkologischen Dermatologie ist sieindiziert vor der nachfolgenden prognoseorientierten Thera-pie. Malignitätsverdächtige melanozytäre Tumoren solltendurch eine Exzisionsbiopsie in toto entfernt werden.

Entscheidend ist die Auswahl einer repräsentativen Stelle,an der die diagnostische Gewebeentnahme erfolgen soll. Essollte sich um eine klinisch typische Ausprägung der Haut-veränderung handeln, deren Untersuchung von diagnosti-scher Relevanz ist. Bei subakuten und chronischen Verände-rungen sollte die Biopsie möglichst aus einer frischen Läsion

erfolgen. Im Falle disseminierter oder generalisierter Haut-veränderungen kann die Biopsiestelle so gewählt werden,dass die Narbe später nicht augenfällig ist. Je nach Indikationsind Gewebeentnahmen aus dem Zentrum und/oder demRand der Läsion zu entnehmen. Randständige Biopsien unterEinbeziehung der periläsionalen gesunden Haut sind insbe-sondere bei chronisch entzündlichen und blasenbildendenHauterkrankungen indiziert.

Die Größe und Tiefe der Hautbiopsie richtet sich ebensonach der zugrunde liegenden Indikation. Bei klinisch eindeuti-gen und histopathologisch einfach und sicher zu bestätigendenBefunden ist die Stanzbiopsie zur klaren Diagnosebestätigungausreichend. Größere und tiefere Gewebeentnahmen sind zurDiagnosefindung bei tiefen korialen und subkutanen Hautver-änderungen angezeigt (Pannikulitis, Lupus erythematodes,Vaskulitis).

Die Probenbehandlung sollte möglichst sorgsam undatraumatisch erfolgen. Quetschen oder Zerreißen des ent-nommenen Gewebestücks müssen unbedingt vermieden wer-den. Bei blasenbildenden Hauterkrankungen sollte das Bla-sendach möglichst vollständig erhalten bleiben, so dass sichin diesen Fällen am besten die komplette Exzisionsbiopsieeiner kleinen frischen Blase empfiehlt.

Es gibt drei Techniken zur diagnostischen Biopsie:Bei der Stanzbiopsie werden scharfe zylinderförmige

Einwegstanzen mit Durchmessern von 2–8 mm und einerGewebetiefe von etwa 8 mm verwendet (Abb. 6). Die Stanzewird gezielt aufgesetzt und unter rotierender Bewegung insGewebe getrieben. Der frei werdende Gewebezylinder solltezur Schonung des Gewebes für die histologische Untersu-chung nicht mit der Pinzette entnommen, sondern mit einerKompresse ausgewischt werden. Wird die Stanze tief genugins Gewebe eingebracht, gleitet bei leicht gekipptem Zurück-führen der Stanze der Gewebszylinder der Schwerkraft fol-gend auf die Hautoberfläche und kann dort mit einem Tupferbehutsam aufgenommen werden. Aus ästhetischen Gründenist es sinnvoll, vor dem Aufsetzen der Stanze die Haut senk-recht zu den Hautspannungslinien zu spannen, sodass einovaler Defekt resultiert. Dieser kann mit einer Einzelknopf-naht mühelos verschlossen werden.

Die spindelförmige oder elliptische Exzision von Hautund Subkutis erfolgt mit dem Skalpell unter anschließendemWundverschluss durch mehrere Hautnähte. Das entnommenePräparat ist größer und erleichtert die diagnostische Beurtei-lung tiefer liegender Veränderungen.

Bei der tangentialen Biopsie wird ein Schnitt mit demSkalpell horizontal zur Oberfläche der Läsion geführt undunter Spannung der Umgebung ein flaches Gewebestückentnommen. Der Defekt heilt in der Regel problemlos persecundam. Selten kommt es zu wulstigen Narben. Die tan-gentiale Biopsie ist nicht in allen Fällen Erfolg versprechend,da unter Umständen zu wenig betroffenes Gewebe entnom-men wird.

Operative Dermatologie 15

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3.2.2 LymphknotenentfernungDie diagnostische Exstirpation eines vergrößerten Lymph-knotens ist von besonderer Bedeutung bei der Mycosis fun-goides oder anderen kutanen Lymphomen, beim Melanom,anderen metastasierenden kutanen Tumoren sowie sonstigenTumorerkrankungen. Sofern technisch möglich, ist die kom-plette Exzision des betroffenen Lymphknotens gegenüber derweniger aussagekräftigen Feinnadel- oder Feinzylinderbiop-sie vorzuziehen. Der Lymphknoten wird nach Tastbefund,gegebenenfalls auch mittels Sonografie lokalisiert und mar-kiert. Die Haut wird in Spaltlinienrichtung etwa 3–4 cminzidiert und mittels Haken gespreizt. Durch stumpfe Präpa-ration wird der Lymphknoten dargestellt und unter Ligaturder umgebenden Gefäße isoliert. Er sollte möglichst atrau-matisch und unter Schonung der umgebenden Strukturenentfernt werden.

SentinelbiopsieSynonymeSentinellymphonodektomie, Sentinellymphknotenentfernung,Sentinellymphknotenbiopsie, Wächterlymphknotenentfernung

PrinzipDer Ausdruck Biopsie ist hier nicht korrekt, da nicht ein Teil,sondern der ganze Lymphknoten entfernt wird. Der Terminusist jedoch üblich geworden. Die Sentinelbiopsie gilt heute alsStandardverfahren im Rahmen der Primärdiagnostik und pri-mären Behandlung des Melanoms. Sie dient als Stagingver-fahren zur Detektion möglicher okkulter Metastasen im erstenSammellymphknoten des regionären Lymphabstromgebiets.Sie besitzt eine hohe Sensitivität und Spezifität. Beim Mela-nom ohne Hinweis auf lokoregionale oder Fernmetastasierungist die Indikation zur Sentinelbiopsie ab einer Tumordicke von1,0 mm oder bereits ab 0,75 mm bei Vorliegen von Ulzeration,erhöhter Mitoserate oder Alter unter 40 Jahren gegeben. Sie

wird zunehmend auch bei anderen malignen Tumoren derHaut angewandt, beispielsweise Merkelzellkarzinom.

Die Methode wurde von Morton et al. im Jahr 1992erstmals beschrieben. Der Sentinellymphknoten ist definiertals der erste über afferente Lymphgefäße drainierendeLymphknoten des regionären Abstromgebiets. Der Verlaufder Lymphgefäße und die Lage der Sentinellymphknotensind abhängig von der Lokalisation des Primärtumors undunterliegen einer breiten individuellen Variabilität. In einerRegion können ein oder mehrere Lymphknoten als Senti-nellymphknoten identifiziert werden. Gleichzeitig könnenmehrere Lymphabstromgebiete befallen sein (beidseitig axil-lär, beidseitig inguinal, axillär-inguinal).

TechnikDie Lymphabstromszintigrafie erfolgt durch Injektion von99mTechnetium-Nanocoll am Ort des Primärtumors strengintradermal. Häufig wird sie am Vortag der Operation durch-geführt. Als empfohlene Dosis des Nuklids werden 80 MBqgenannt. Sofern Lymphabstromszintigrafie und Sentinellym-phonodektomie am gleichen Tag erfolgen, wird eine Dosisvon 40 MBq als ausreichend erachtet. Mittels einer Gamma-kamera wird der Lymphabfluss nach 1 h und nach 4 h in zweiEbenen dargestellt. Bereits hierbei kann die etwaige Lokali-sation des Sentinellymphknotens durch Markierung an derHaut festgehalten werden. Am Operationstag kann unmittel-bar präoperativ zusätzlich mit Farbstoff markiert werden.Dabei wird am Ort des Primärtumors etwa 0,5–1 ml eineslymphgängigen Vitalfarbstoffs (Patentblau V, Isosulfanblau)in 3–5 mm Abstand am Ort des Primärtumors in Form meh-rerer Quaddeln streng intradermal injiziert (Abb. 7). Diezusätzliche Farbemarkierung kann das Auffinden des Senti-nellymphknotens intraoperativ erleichtern. Der Nachteil derSchmerzhaftigkeit bei der Injektion sowie das Risiko derpermanenten Tätowierung und einer möglichen Anaphylaxiemüssen bedacht werden. In vielen Zentren wird daher inzwi-

Abb. 6 Stanzbiopsie. a Spannen der Haut senkrecht zu den Hautspannungslinien. b Ovaler Defekt nach Entnahme des Gewebezylinders

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schen auf die zusätzliche Farbmarkierung verzichtet. Alter-nativ wird Indocyaningrün in Kombination mit einemFluoreszenz-Imaging-System angeboten, um blauen Farb-stoff zu vermeiden.

Die Sentinellymphonodektomie kann in Lokalanästhesieoder Tumeszenzanästhesie erfolgen. Bei tiefer axillärer Lagedes Lymphknotens kann die Durchführung in Allgemeinan-ästhesie sinnvoll sein. In der regionären Lymphknotenstationerfolgt direkt über dem Punctum maximum der Radioaktivi-tät eine 3–5 cm große Inzision. Durch intraoperative Anwen-dung der Gammasonde gelingt es je nach Lokalisation mehroder minder schnell, den Sentinellymphknoten zu finden. ImFalle einer Farbmarkierung werden blau angefärbte Lymph-knoten sowie die zuführenden blau tingierten Lymphgefäßesichtbar und erleichtern zusätzlich zur Radioaktivität dieIdentifikation des Lymphknotens (Abb. 8). Prinzipiell kanndie Farbmarkierung bei ausreichender Erfahrung auch entfal-len, da die intraoperative Anwendung der Gammasonde diemaximale Sensitivität und Spezifität gewährleistet. Währendin der Leiste häufiger nachgeschaltete Lymphknoten eben-falls markiert sind und belassen werden können, sollten axilläroder zervikal gegebenenfalls mehrere radioaktive/farbmarkier-

te Lymphknoten exstirpiert werden. Nach Exstirpation des/derSentinellymphknoten erfolgt die abschließende Kontrolle derWunde mit der Gamma-Sonde. Im Lymphabstromgebiet solltedabei keine nennenswerte Radioaktivität mehr nachweisbarsein.

IndikationenSie sind in der Dermatologie gegeben bei Melanom, Merkel-zellkarzinom, teilweise bei malignen epithelialen und Ad-nextumoren sowie Sarkomen.

3.3 Oberflächliche Gewebeabtragung

3.3.1 KürettageSynonymExkochleation

Sie beinhaltet die horizontale Entfernung von oberfläch-lichen Hautveränderungen mithilfe einer scharfen Kürette,eines Ringskalpells oder eines scharfen Löffels (Abb. 9).Indikationen zur Kürettage sind häufig verruköse epidermaleHautveränderungen wie seborrhoische Keratosen, vulgäre

Abb. 7 Technik zum Aufsuchen des Sentinellymphknotens. a Injektion von 99mTc-Kolloid. b Lymphabflussszintigrafie. c Eventuell ergänzt durchInjektion von Patentblau unmittelbar präoperativ

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und plane Warzen, Mollusca contagiosa, Condylomata acu-minata, hypertrophe aktinische Keratosen und epidermaleNävi. Auch hier ist die histologische Diagnosebestätigungzu fordern. Sofern mit dieser Technik nur epidermale Struk-turen oder obere Dermisanteile abgetragen werden, ist dieWundheilung in der Regel praktisch narbenfrei. Eine Blut-stillung ist meist nicht erforderlich. Intraoperativ wird die

Haut straff gespannt, wodurch gewährleistet wird, dass dieKürettage möglichst plan und in der richtigen Schicht erfolgt.Die gewonnenen Gewebepartikel sind in der Regel für einehistologische Untersuchung geeignet. Ist dieses aufgrund desklinischen Bildes zweifelhaft, sollte der Kürettage eine Stanz-biopsie vorausgehen.

Abb.8 Sentinellymphonodektomie.a Intraoperative Darstellung desSentinellymphknotens.b PräparierterSentinellymphknoteneinschließlich afferenterLymphgefäße, benachbarter nichtmarkierter Lymphknoten

Abb. 9 Kürettage. a Entfernungeiner seborrhoischen Keratose mitdem scharfen Löffel. b Erosionnach Kürettage

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3.3.2 Tangentiale ExzisionSynonymeFlachschnitt, Horizontalschnitt, Shave-Exzision

Hierunter versteht man die horizontale Abtragung exophy-tischer epidermaler Hautveränderungen oder papillomatöserNävi mit dem Skalpell parallel zur Hautoberfläche (Abb. 10).Die Umgebung der Veränderung wird mittels Daumen undZeigefinger angehoben, wodurch die korrekte tangentialePlatzierung des Skalpells erleichtert wird. Alternativ bietetes sich an, die Läsion mit einer Injektionsnadel leicht anzu-heben. Die Defekte werden wie bei der Kürettage der Sekun-därheilung überlassen und heilen unter minimaler, manchmalauch ohne Vernarbung ab. Außer dem Skalpell ist dieAnwendung steriler Einmalrasierer möglich, wenngleich dieTechnik weniger elegant erscheint. Weitere Instrumente zurtangentialen Exzision sind Dermatom und Thiersch-Mes-ser. Größere Areale können hiermit gleichmäßig unter defi-nierter Einstellung der gewünschten Gewebedicke abgetra-gen werden. Sie werden insbesondere in der operativenUlkustherapie zur Abtragung des fibrotischen Ulkusgrundesangewandt.

3.3.3 Exzision durch ScherenschlagBei der oberflächlichen Abtragung mittels Scherenschlagwird die Hautveränderung mit der Pinzette angehoben undan ihrer Basis in Hautniveau mit der Schere durchtrennt. Dergeringfügige Defekt kann genäht oder der Sekundärheilungüberlassen werden. Die häufigsten Indikationen stellen gesti-

elte Fibrome dar, seltener auch papillomatöse melanozytäreNävi. Mit dieser Methode lassen sich einfach und schnellzahlreiche derartiger schmalbasig gestielter Hautveränderun-gen entfernen.

3.3.4 DermabrasionDefinitionDie Dermabrasion ist definiert als eine kontinuierliche gleich-mäßige Abtragung oberflächlicher Hautschichten durchAnwendung hochtouriger rotierender Fräsen. Die dadurchgesetzten Erosionswunden heilen in der Regel narbenlosab. Das Prinzip geht auf erste Anwendungen von Kromayer1905 bei kosmetisch störenden Krankheitsbildern zurück. Inden 1950er-Jahren wurde die Methode von Schreus 1950 undvon Kurtin 1953 weiterentwickelt und etabliert. Das Verfah-ren besitzt ein breites Indikationsspektrum.

TechnikZur technischen Ausrüstung gehört ein Handstück, auf wel-ches unterschiedliche Schleifköpfe aufgesetzt werden. Meisthat der Schleifkopf eine Oberfläche aus Industriediamant.Diese Diamantfräsen unterscheiden sich in Größe, Formund oberflächlicher Körnung. Das Handstück kann mit oderohne Metallschutz vor dem Schleifkopf verwendet werden.Zusätzlich kann über eine spezielle Vorrichtung am Hand-stück Kühlflüssigkeit während des Eingriffs zugeführt wer-den (Abb. 11). Das Handstück ist über eine mechanischeAntriebswelle mit einem Motor verbunden, dessen Umdre-

Abb. 10 Tangentiale Exzision.a Entfernung eines dermalenNävus an der Nasenspitze mittels15er Skalpell. b OberflächlicherDefekt in Hautniveau

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hungsgeschwindigkeit per Fußschalter stufenlos von sehrniedertourig bis maximal etwa 20.000 Umdrehungen/mingesteuert werden kann.

Die Hautoberfläche wird durch den Operateur und denAssistenten straff in alle Richtungen gespannt. Dadurch wirddie zu behandelnde Läsion optimal exponiert, was die Steu-erung der Dermabrasionstiefe erleichtert. Eine zu geringeSpannung kann schnell zu Verletzungen und punktuell zutieferreichenden Abtragungen führen. Die Hautoberflächewird kontinuierlich während des Eingriffs mit physiologi-scher Kochsalzlösung gekühlt, um eine thermische Schädi-gung durch die entstehende Reibungswärme zu vermeiden.

Die Drehrichtung des Schleifkopfs muss so orientiert werden,dass ein Einrollen beweglicher Weichteile wie Unterlippeoder Augenlider verhindert wird.

Die erforderliche Tiefe der Gewebeabtragung hängt vonder zugrunde liegenden Indikation ab. Sie reicht von sehroberflächlich bei epidermalen Hautveränderungen oder flä-chenhaften Lentigines bis hin zur tieferen Abtragung beigroßen kongenitalen melanozytären Nävi (Abb. 12). EineAbtragung, die nicht über das Stratum papillare des Koriumshinausgeht, ist in der Regel mit einer weitgehend narben-freien Abheilung verbunden. Ein zu aggressives Schleifensollte insbesondere bei ästhetisch-korrektiver Indikation ver-mieden werden. Die Reepithelisierung ausgehend von ver-bliebenen Reteleisten der Epidermis oder dem Epithel derHaarfollikel ist in der Regel nach 6–10 Tagen abgeschlossen.

Die präoperative Aufklärung des Patienten und die post-operative Nachsorge sind bei Dermabrasionen von besonde-rer Bedeutung. Postoperativ unerwünschte Effekte sindMilien, persistierende Erytheme, Hyper- oder Hypopigmen-tierungen, Narben, Exazerbation viraler oder bakteriellerHautinfektionen. Um das Risiko von Dyspigmentierungen(Hypo- ebenso wie Hyperpigmentierungen) nach hochtou-riger Dermabrasion der Haut zu vermindern, empfiehlt essich, die Eingriffe vorzugsweise in den Herbst- und Winter-monaten durchzuführen. Postoperativ ist auf intensiven Son-nenschutz für die Dauer von 3–6 Monaten zu achten.

Als alternatives thermisches Verfahren zur Abtragung ober-flächlicher Gewebsschichten ist neben dem ablativen Laserauch die Argon-Plasma-Koagulation (APC) zu erwähnen.

Abb. 11 Dermabrasion: Die Haut wird während des Eingriffs gespanntund mit physiologischer Kochsalzlösung gekühlt

Abb. 12 Kongenitalermelanozytärer Riesennävus.a Ausgangsbefund. b Befundmehrere Jahre nach Dermabrasion

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IndikationenHierzu zählen Aknenarben, Rhinophym, große kongenitalemelanozytäre Nävi, Riesennävi, epidermale Nävi, Adenomasebaceum, Syringome, Lentigines simplices, seborrhoischeKeratosen sowie Narben.

3.3.5 Ausbürsten oberflächlicherFremdkörpereinsprengungen

Die oberflächliche Gewebeabtragung durch Anwendung vonBürsten (Dermabrush) dient der Entfernung von einge-sprengten Fremdkörperpartikeln. Pulver-, Schmutz- und Ex-plosionspartikel (Schmauchtätowierungen) lassen sich inner-halb der ersten 48 h nach dem Ereignis durch kräftigesAusbürsten mittels konventioneller Bürsten weitgehend ent-fernen. Es werden sterilisierte Hand- und Zahnbürsten unter-schiedlicher Größe und Form eingesetzt. Die Borsten solltenaus Kunststoff (Nylon) bestehen und kein Naturprodukt sein.Die Palette der zur Verfügung stehenden Bürsten sollte wei-che, mittlere und harte Festigkeitsgrade umfassen.

Die Operation erfolgt so frühzeitig wie möglich (nichtselten Notfalleinsätze in der Silvesternacht), um eine opti-male Entfernung der noch frischen Einsprengungen zu errei-chen. Es empfiehlt sich, bis zum Beginn des Eingriffs dieHaut durch das Auflegen mit physiologischer Kochsalzlö-sung getränkter Kompressen über Steroidsalbe vorzuberei-ten. Der Eingriff kann nach Vorbehandlung mit topischerLokalanästhesie gegebenenfalls in Lokalanästhesie durchge-führt werden. Sind große Areale betroffen, kann eine Allge-meinanästhesie erforderlich werden, ebenso bei kooperativerVersorgung zusammen mit den Ophthalmologen im Falleeiner Augenbeteiligung. Die Haut wird straff gespannt undmit zunehmend kräftiger werdendem Einsatz der Bürstenausgebürstet. Man beginnt zunächst mit weichen und gehtje nach Erfordernis auf festere Bürsten über, bis möglichstviel des eingesprengten Pigments eliminiert ist. TiefliegendeEinsprengungen können mit einer Splitterpinzette extrahiertoder durch Stanzexzision entfernt werden. Das Operationsa-real muss während des Eingriffs reichlich mit physiologi-scher Kochsalzlösung gespült werden. Bei Gesichtsverletztensollte eine vorhergehende ophthalmologische Untersuchungerfolgen, um Hornhautverletzungen auszuschließen oder ingemeinsamer Operation zu behandeln. Auf ausreichendeTetanusprophylaxe ist zu achten.

4 Mikrografische Chirurgie

Grundlegendes Prinzip der verschiedenen Modalitäten undModifikationen der mikrografischen Chirurgie ist die dreidi-mensionale histologische Aufarbeitung und Untersuchungder Schnittränder des markierten Operationspräparats, wo-

durch die Möglichkeit besteht, in situ verbliebene Tumoraus-läufer exakt zu lokalisieren und in einer weiteren Sitzung zuexzidieren. Die mikrografische Chirurgie gewährleistet einekomplette Tumorelimination bei bestmöglicher Schonungder umgebenden gesunden Strukturen. Durch ihre Anwen-dung entsteht für den Patienten keine höhere Belastung durchdie Operation selbst. Es werden lediglich mehrere Sitzungenbis zur kompletten Tumorentfernung und letztlich zurDefektdeckung erforderlich.

IndikationenBasalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom der Haut und derÜbergangsschleimhäute, Morbus Bowen, ErythroplasieQueyrat, Dermatofibrosarcoma protuberans, Adnexkarzi-nome und extramammärer Morbus Paget sind zu nennen.

4.1 Mohs-Chemochirurgie

Die klassische Chemochirurgie, die auch als Mohs fixedtissue technique oder klassische Mohs Surgery bezeichnetwird, wie sie von Mohs und Guyer 1941 veröffentlichtwurde, wird heute nur noch selten angewandt. Sie beinhalteteine Gewebefixierung in situ, wobei in Lokalanästhesie nachKürettage oder Exzision des exophytisch wachsendenTumors konzentrierte Dichloressigsäure oder 50 %ige Trich-loressigsäure zur Permeabilitätssteigerung und anschließendZinkchloridpaste als Fixativ in das Tumorbett aufgetragenwerden. Nach 24 h kann das so fixierte Gewebe tangentialexzidiert werden und steht nach exakter Markierung für diedreidimensionale histologische Beurteilung zur Verfügung.Sofern noch Turmorrestgewebe in den Absetzungsrändernnachweisbar ist, wird das durch die In-situ-Fixation sehrschmerzhafte Verfahren so lange wiederholt, bis die In-toto-Exzision auch feingeweblich bestätigt ist.

4.2 Mohs-Chirurgie: Frischgewebetechnik

Im angloamerikanischen Sprachraum wird die Methode derMohs-Chirurgie heute fast ausschließlich als Frischgewebe-technik angewendet (Tromovitch und Stegman 1978). DerTumor wird hierbei ohne chemische In-situ-Fixierung inLokalanästhesie exzidiert. Der Operateur erfüllt dabei gleich-zeitig die Funktion des Histopathologen und beurteilt direktim Anschluss die histologischen Schnitte.

In der Regel wird vor Anwendung der Mohs-Chirurgie derexophytische oder nekrotische Tumoranteil durch Kürettageoder tangentiale Exzision entfernt (Debulking). Das beson-dere Kennzeichen der Methode nach Mohs ist die anschlie-ßende scheibenförmige Exzision des Tumorgewebes

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(Abb. 13). Das Skalpell wird für die Exzision in einem Win-kel von etwa 45� zur Hautoberfläche angesetzt. Die exzidier-ten „Scheiben“ werden sorgfältig markiert und in einzelneSegmente unterteilt. Bei der Einbettung der Segmente wer-den basale und laterale Areale in eine Ebene gebracht, um diegesamte Fläche in einem einzigen Schnitt beurteilen zu kön-nen. Die histologische Beurteilung erfolgt unmittelbar amKryostatschnitt oder nach Fixierung am Paraffinschnitt. Bei

positivem Tumornachweis in der Schnittebene wird entspre-chend der vorherigen Markierung eine weitere scheibenför-mige Exzision im betreffenden Areal durchgeführt. Das Ver-fahren wird auf diese Weise bis zur endgültigen Bestätigungder tumorfreien Schnittebenen wiederholt.

Abb. 13 Prinzip der Mohs-Chirurgie. a Exzision des Tumors.b Unterteilung und Farbmarkierung des Exzidats. c Unterseite nachoben. d Fixierung auf dem Kryostat. e Anfertigung der Schnitte mit

dem Mikrotom. f Histopathologische Befundung. g Positive Schnitt-ränder gemäß Skizze. h Selektive Nachexzision

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4.3 Mikroskopisch kontrollierte Chirurgie

SynonymeMKC, mikrografisch kontrollierte Chirurgie, histografischkontrollierte Chirurgie, histologisch kontrollierte Chirurgie

Im Gegensatz zur Mohs-Chirurgie wird in den europä-ischen Ländern vornehmlich die mikroskopisch kontrollierteChirurgie angewendet. Sie ist eine Modifikation der Mohs-Technik und entspricht dieser in ihren Zielen und Prinzipien.

Im Gegensatz zur Mohs-Technik wird der Tumor ohnevorherige Kürettage als Ganzes exzidiert, und zwar senkrechtzur Hautoberfläche (Abb. 14). Bereits intraoperativ wird eineFaden- oder Farbmarkierung zur topografischen Orientierungvorgenommen. Das Tumorpräparat kann direkt separiert undim Kryostatschnitt beurteilt werden. Häufiger wird die For-malinfixierung und nachfolgende histopathologische Unter-suchung am Paraffinschnitt angewendet, womit sich durcheine Vermeidung von Kältefixationsartefakten eine bessereBeurteilbarkeit des Präparats ergibt, sodass auch feinste Tu-morausläufer erkannt werden können.

Der Exzisionsdefekt wird bis zum Vorliegen des histolo-gischen Ergebnisses passager abgedeckt. Nachgewiesene Tu-morausläufer in den topografisch zugeordneten Randschnit-ten erlauben eine genaue Nachexzision in einer weiterenSitzung (3D-Histologie). Die einzelnen Schritte werden solange wiederholt, bis die vollständige Tumorfreiheit bestätigt

ist. Ebenso wie die Mohs-Technik erlaubt dieses Verfahrenes, die Tumorausdehnung genau zu erkennen und damit dieNeubildung bei größtmöglicher Schonung des umgebendengesunden Gewebes vollständig zu entfernen.

5 Einfache Exzisions- undRekonstruktionstechniken

5.1 Exzision und Heilung per secundam

Kleinere Exzisionsdefekte können in bestimmten Lokalisa-tionen der Sekundärheilung überlassen werden. Dies trifftbeispielsweise für Augeninnenwinkel, Nasenflügel oder Fin-ger zu und gilt insbesondere dann als vorteilhaft, wenn durchdie natürliche Wundkontraktion keine funktionellen Ein-schränkungen entstehen. Ferner kann es sein, dass die Rekon-struktion eine größere Traumatisierung beinhalten würde alsdie Heilung per secundam. Größere Defekte beispielsweise anden Wangen der Sekundärheilung zu überlassen, würde dage-gen zu Kontrakturen mit Zugwirkung auf die umgebendenWeichteile führen und letztlich die Phase der Wundheilungerheblich verlängern. Im Einzelfall ist daher unter funktionel-len und ästhetischen Gesichtspunkten zu entscheiden, ob undmit welcher Methode eine Rekonstruktion sinnvoll ist.

Abb. 14 Mikroskopischkontrollierte Chirurgie.a Markierung derExzisionsgrenzen (undgegebenenfallsTumorbegrenzung).b Fadenmarkiertes Präparat

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5.2 Spindelförmige Exzision mitprimärer Naht

In der Regel werden kleine Nävi spindelförmig (elliptisch)exzidiert. Der primäreWundverschluss kann durch Adaptationder Wundränder mittels Einzelknopf- oder fortlaufender Nahterfolgen. Bei tief subkutan reichenden Inzisionen kann es zurbesseren Wundrandadaptation erforderlich sein, einige Sub-kutannähte zu platzieren. Bei günstiger Lokalisation undoptimaler Adaptation durch versenkte Subkutannähte kannauf die Hautnaht verzichtet und die Feinadaptierung derWundränder durch sterile Klebestrips vorgenommen werden.

5.3 Spindelförmige Exzision mitDehnungsplastik

Die umliegenden Hautpartien werden mit der Präparierscheresubkutan unterminiert (Abb. 15). Um Gefäß- und Nerven-läsionen zu vermeiden, muss dies stets sorgfältig und durchstumpfe atraumatische Präparation erfolgen. Durch diesesVorgehen ist es möglich, die Haut aus ihrer subkutanenVerankerung zu lösen und zu mobilisieren, sodass der vorherunmögliche Wundverschluss bewerkstelligt werden kann.Entscheidend ist die Ebene der Wundunterminierung: ImGesicht liegt sie in der Subkutis oberhalb der mimischenMuskulatur, an Rumpf und Extremitäten auf Ebene der Fas-zie und am Kopf unterhalb der Galea aponeurotica. Auf eineoptimale dreidimensionale Wundrandadaptation durch Sub-kutannähte muss geachtet werden, um die Wunde niveau-gleich zu verschließen. Die Haut kann je nach Spannung mitPflasterstreifen geklebt oder mit individuell zu wählenderHautnaht versorgt werden.

Durch eine Dehnungsplastik können ästhetisch guteErgebnisse erzielt werden, wenn die Operationsplanung rich-tig erfolgt ist, also die Ellipse ausreichend lang und entlangder Hautspannungslinien geplant wurde und eine ausrei-chende Unterminierung der Wundränder erfolgt ist. Bei opti-maler Ausnutzung und Beherrschung dieser einfachen Tech-nik können relativ große Defekte spannungsarm verschlossenwerden.

5.4 Modifikationen der spindelförmigenExzision

Bei annähernd dreieckigen Arealen wird man versuchen, ander Basis gesundes Gewebe zu sparen und den Schnitt nichtallzu lang erscheinen zu lassen. Dazu bietet sich die V-förm-ige Exzision an, die nach lateraler Wundrandmobilisation inForm eines Y zu verschließen ist, was als VY-Plastikbezeichnet wird. Das Pendant an Lippe oder Ohr ist dieWY-Plastik, wobei der Tumor W-förmig exzidiert wird undein Y-förmiger Wundverschluss erfolgt. Auch hier wird imGegensatz zur keilförmigen Exzision an diesen Lokalisatio-nen gesundes Gewebe belassen, sodass die Naht kürzererscheint. Die doppelte WY-Plastik stellt die beidseitigeAnwendung des Prinzips der WY-Plastik dar. Dabei ergebensich an beiden Enden der Exzision W-Formen, die Y-förmigverschlossen werden. Diese Technik eignet sich zum primä-ren Verschluss größerer Defekte vor allem an Rumpf, Halsund Nacken.

5.5 Serienexzision

Gutartige Hautveränderungen, bei denen aufgrund ihrerGröße eine vollständige Entfernung durch Exzision in einereinzelnen Sitzung nicht möglich ist, können bei entsprechen-der Indikation seriell exzidiert werden. Dabei wird zunächstein zentraler Anteil der Veränderung entfernt und der Defekt-verschluss nach Wundrandunterminierung durch Dehnungs-plastik oder einfache VY-Plastik vorgenommen. In Interval-len von 6–9 Monaten, in denen sich die Haut dehnt und neueElastizität gewinnt, wird die Teilexzision mehrfach wieder-holt, bis schließlich der letzte Anteil der Läsion komplettexzidiert ist (Abb. 16). Bei jedem einzelnen Eingriff wird dievorhergehende Narbe entfernt. Das Verfahren wird am häu-figsten bei kongenitalen melanozytären Nävi angewendet.

5.6 Dog-ear-repair

Gelegentlich verbleiben nach Platzierung der SubkutannähteAufwerfungen oder Falten an den Seiten oder Enden derOperationswunde (Dog ears). Diese können ihre Ursache

Abb. 15 Wundrandunterminierung bei der Dehnungsplastik

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darin haben, dass die Wundbreite im Verhältnis zur Wund-länge zu groß ist, oder darin, dass die Längen der beidenWundränder nicht übereinstimmen. Eine Korrektur ist mög-lich, indem nach Anheben der Aufwerfung mit einem Ein-zinkerhäkchen durch eine kleine elliptische Exzision desDog-ears die Wunde verlängert wird – longitudinales Dog-ear-repair. Ebenso können an einer oder beiden Seiten derNaht kleine Ausgleichsdreiecke (Burow-Dreiecke) exzidiertwerden – laterales Dog-ear-repair. Ist eine Naht über einerkonvexen Körperstelle, wie an den Extremitäten, lokalisiert,kann es selbst bei optimaler elliptischer Exzisionsplanung zuAufwerfungen der Nahtenden kommen. Diese sind durchbogen- oder S-förmige Konfiguration (lazy S) der Hautnahtzu vermeiden.

5.7 Exstirpation von Zysten

Durch oberflächliches Schlitzen der Hautoberfläche miteinem spitzen Skalpell und Exprimieren können Milien pro-blemlos entfernt werden. Eine Wundnaht erübrigt sich in derRegel. Bei größeren subkutanen Epidermal- und Trichilem-malzysten wird nach Möglichkeit der meist zentral über derZyste liegende Porus elliptisch umschnitten. Das Koriummuss ohne Eröffnung der Zyste durchtrennt werden. Diesewird mit einer gebogenen Schere stumpf freipräpariert undextrahiert.

Kleinere, nicht entzündliche Retentionszysten könnenauch mittels Einmalstanze (Durchmesser 3–5 mm) entferntwerden. Diese wird über dem Porus platziert und die Zyste

unter kompletter Entfernung des Zystensacks exprimiert.Nach einer Entzündung kann die Zyste auch narbig mit derUmgebung verbacken sein, sodass zur vollständigen Entfer-nung die scharfe Präparation über einen größeren Schnitterforderlich wird.

Werden Zysten, gleich welcher Natur, lediglich inzidiertund exprimiert, verbleibt ein Anteil des Zystensacks, aus demzwangsläufig ein Rezidiv resultiert, dessen Entfernung auf-grund der Vernarbung häufig eine größere Exzision erfordert.

5.8 Exstirpation von Lipomen

Die operative Entfernung subkutan gelegener Lipome istrelativ einfach möglich. In Lokalanästhesie wird der Tumorseitlich fest komprimiert und in dessen Zentrum die Hautdurch einen kleinen Schnitt eröffnet. Anschließend kanndas Lipom mit festem Druck exprimiert werden, falls erfor-derlich, nach vorheriger stumpfer Lösung mit der Präparier-schere. Das Vorgehen bei tiefer liegenden und großen Fett-gewebegeschwülsten ist analog, lediglich die Größe derInzisionswunde muss den jeweiligen Gegebenheiten ange-passt werden.

Lipome können in seltenen Fällen auch subfaszial oderintramuskulär gelegen sein. Häufige Lokalisationen mit sub-faszialer Lage sind Stirn, Nacken oder Skapularegion. Kli-nisch sind subfasziale Lipome durch ihre prallelastischeKonsistenz und den fehlenden orangenhautartigen Effektbei seitlichem Druck gekennzeichnet. Nach Hautinzisionwird stumpf bis zur Muskelfaszie präpariert. Nach deren Er-

Abb. 16 Serienexzision. a Kongenitaler melanozytärer Nävus, mit OP-Planung b Erste Teilexzision c Befund im Verlauf nach Restexzision

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öffnung in Verlaufsrichtung der Muskelfasern werden diesemöglichst durch stumpfe Präparation in Richtung ihres Ver-laufs gespreizt, bis das Lipom zum Vorschein kommt. Dieseswird freipräpariert und komplett entfernt. Muskulatur undFaszie müssen schichtweise mit resorbierbarem Nahtmaterialverschlossen werden, um Muskelhernien zu vermeiden.

6 Plastisch-rekonstruktiveOperationsverfahren

6.1 Lokale und regionäre Lappenplastiken

DefinitionIst ein Defektverschluss durch primäre Naht oder Dehnungs-plastik nicht möglich, müssen weitergehende plastische Ope-rationsmethoden ihre Anwendung finden. Dabei wirdGewebe aus der Umgebung auf unterschiedliche Art in denDefekt verlagert. Lokale Lappenplastiken werden entspre-chend ihrer Gefäßversorgung differenziert als:

• Randomisierte Lappen, deren vaskuläre Versorgung dif-fus über den dermal-subdermalen Gefäßplexus erfolgt.

• Axiale Lappen mit zentralem Gefäß entlang der Haupt-achse des Lappens, über das im Wesentlichen die Versor-gung erfolgt.

Zum anderen lassen sich die meisten lokalen Lappenplas-tiken aufgrund ihrer wesentlichen Verlagerungstechnik cha-rakterisieren, wobei im Grunde drei verschiedene Prinzipienvorliegen:

• Verschiebung• Rotation• Transposition

Viele individuelle Techniken stellen Modifikationen oderKombinationen dieser grundlegenden Verfahren dar.

6.1.1 VerschiebeplastikDas Prinzip der Verschiebeplastik wurde vor 1855 durch vonBurow beschrieben. Ausgehend von einem Gewebedefekterfolgt eine Schnitterweiterung seitlich in Richtung des Do-norareals, welches durch höhere Hautelastizität ein gewissesGewebereservoir bietet. Am Ende dieser Schnittführung wirdein kleineres Ausgleichsdreieck (Burow-Dreieck) exzidiert(Abb. 17). Das Hautareal zwischen primärem Operationsde-fekt und Burow-Dreieck wird großzügig unterminiert, sodassdie mobilisierte Haut in den Operationsdefekt verschobenwerden kann. Die Spannung verteilt sich letztlich gleichmä-ßig über die gesamte Schnittführung der Lappenplastik.

Erweiterungen der Verschiebeplastik beinhalten Verlänge-rungen der Schnittführung in mehrere gleichsinnige oder ge-

genläufige Richtungen. Derartige Modifikationen werden jenach Ausrichtung als U-Plastik, A-T-Plastik oder O-Z-Plastik bezeichnet. Diese Lappenformen werden besondersim Kopf-Hals-Bereich und am Stamm angewendet, wenn dieSchnitte in den Spannungs- oder Faltenlinien oder entlangder natürlichen anatomischen Grenzen der einzelnen Regio-nen gelegt werden können.

6.1.2 RotationsplastikDie Rotationsplastik geht auf die Erstbeschreibung durchImre 1928 zurück. Sie stellt im Prinzip eine Erweiterungder Verschiebeplastik dar. Die Schnittverlängerung in Rich-tung der Donorregion erfolgt nicht geradlinig, sondern bo-genförmig. Dadurch wird im Gegensatz zur eindimensiona-len Verschiebeplastik eine zweite Dimension einbezogen, ausder sich eine rotierende Verlagerung des mobilisierten Lap-pens ergibt. Auch hier werden auf der kontralateralen Seitedieses Schnitts ein oder mehrere Burow-Dreiecke exzidiert.Der gesamte Lappen und die Umgebung sollten ausreichendmobilisiert werden, sodass der Lappen ohne Mühen in denDefekt verlagert werden kann und sich die Spannung über diegesamte Schnittführung verteilt. Günstige Anwendungsbe-reiche sind behaarter Kopf, Wangen, laterale Halspartienund Stamm. Bei größeren Defekten kann es erforderlich sein,auf der gegenüber liegenden Seite ebenfalls einen Rotations-lappen zu präparieren. Doppelte Rotationsplastiken könnengegensinnig (kontralaterale Rotation) oder gleichsinnigausgerichtet sein (bilaterale Rotation, V- zu T-Plastik).

6.1.3 Verschiebeplastik oder Rotationsplastikmit rückläufigem Ausgleichsschnitt (back-cut)

SynonymeAxtlappen, J-Rotationslappen, hatched flap

Durch eine hakenförmige Rückführung am Ende desSchnitts einer Verschiebe- oder Rotationsplastik kann aufdie Exzision eines Burow-Dreiecks verzichtet werden.Dadurch ergibt sich einerseits eine nicht unwesentliche Ge-webeeinsparung, andererseits ist der Lappen wesentlichmobiler, da der rückläufige Schnitt in Richtung von dessenDrehpunkt ausgerichtet ist. Der Defektverschluss des haken-förmigen Spannungsausgleichs erfolgt im Sinne eines VY-Verschlusses. Bei der Planung dieser Lappenplastik mussdarauf geachtet werden, dass durch den rückläufigen Schnittdie gefäßversorgende Basis des Lappens nicht zu schmalwird.

6.1.4 SchwenklappenplastikSynonymTranspositionslappenplastik

Das Prinzip des Schwenklappens besteht darin, dass nachExzision eines Krankheitsherdes aus der Umgebung eingestielter Lappen über eine dazwischen liegende Zone von

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normaler Haut in den Operationsdefekt eingeschwenkt undeingepasst wird. Das Prinzip beinhaltet die Rotation einesLappens, wobei durch die Mobilisierung und Verlagerungüber eine Gewebebrücke hinweg die dritte Dimension einbe-zogen wird. Die Lappenentnahmestelle kann nach Wundun-terminierung primär verschlossen werden. Wenngleich derSchwenklappen naturgemäß schmalbasig ist, liegt dennochin der Mehrzahl der Fälle in den klassischen Anwendungs-gebieten nur eine randomisierte und keine axiale Gefäßver-sorgung vor. Als Faustregel sollte daher gelten, dass dasVerhältnis der Lappenlänge zur Breite der Lappenbasis denQuotienten 4:1 nicht überschreiten sollte. Diese Technikermöglicht günstige Ergebnisse zentrofazial, am Ohr sowiean Hals und Stamm. Bei der häufigsten Anwendung amNasenflügel ist es erforderlich, den Schwenklappen auszu-dünnen, das heißt das subkutane Fett zu entfernen. Dies istnotwendig, um einem Trap-door-Effekt, das heißt ästhetischungünstigen Wülsten des Lappens, vorzubeugen.

Bei der doppelten Schwenklappenplastik (bi-lobedflap, doppelte Transpositionslappenplastik) wird ein trop-fenförmiger Defekt durch Transposition eines Lappens aus

der unmittelbaren Umgebung versorgt, dessen Entnahme-stelle wiederum durch einen zweiten Schwenklappen ausder weiteren Umgebung gedeckt wird. Beide Lappen besit-zen einen gemeinsamen versorgenden Lappenstiel.

Die modifizierten Transpositionslappenplastiken nachLimberg (1946) und nach Dufourmentel (1962) werden auchals Rhomboidplastik bezeichnet (Abb. 18), da die Schnitt-führung der Lappen rautenartig nach vorgegebenen Winkelnausgerichtet ist.

6.1.5 Subkutan gestielte LappenplastikSynonymGleitlappenplastik, Insellappen

Bei ihr handelt es sich prinzipiell um einen Verschiebel-appen, der von der umgebenden Kutis vollständig abgetrenntund lediglich an seinem subkutanen Lappenstiel verankert ist(Abb. 19). Die Versorgung des Lappens erfolgt ausschließ-lich über das intakt erhaltene subkutane Gewebe. Die Präpa-ration des subkutanen Gefäßstiels ist eine Gratwanderung, dabei zu geringer Präparation keine ausreichende Verschieb-lichkeit resultiert, andererseits bei zu forscher Mobilisierung

Abb. 17 Grundlegende lokale Lappenplastiken. a Verschiebeplastik. b Rotationsplastik. c Schwenklappenplastik

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der Gefäßstiel zu klein wird und die Gefahr einer vaskulärenMinderversorgung droht. Eine notwendige Voraussetzungzur Durchführung dieser Lappenplastik ist ein ausreichendessubkutanes Polster. Der Lappen kann in individuell notwendi-ger Größe angelegt werden und führt zu sehr guten ästhetischenErgebnissen insbesondere nasolabial und an den Wangen.

6.1.6 Temporär gefäßgestielte LappenplastikSynonymBrückenlappenplastik

Bei den temporär gestielten Lappenplastiken handelt essich um Transpositionslappenplastiken. Die Besonderheitliegt darin, dass der Lappenstiel nur für die Zeitdauer derEinheilung der Lappenspitze belassen wird. Somit sindimmer zwei Operationsschritte erforderlich. Im ersten Schrittwird der Lappen in den Defekt verlagert und der versorgendeGefäßstiel über eine mehr oder minder große Strecke zwi-schen Donor- und Empfängerregion über der gesunden Haut

belassen. In der Regel genügt ein Zeitraum von 4 Wochen,um eine ausreichende Blutversorgung der Lappenspitze zuerzielen, sodass in einer zweiten Operation der Lappenstielentfernt oder rückverlagert werden kann. In dieser zweitenSitzung wird auch die Lappenspitze definitiv eingepasst.

Der temporär gefäßgestielten Stirnlappen gilt als klassi-scher Vertreter dieser Technik. Er dient der Deckung großerund tiefer zentrofazialer Defekte. Er kann median bis medi-olateral mit Basis an der Glabella angelegt werden. Da es sichhierbei um eine axiale Gefäßversorgung über die Vasa supra-orbitales handelt, empfiehlt sich die präoperative dopplerso-nografische Darstellung und Einzeichnung der Gefäßversor-gung. Das gleiche Prinzip wird auch mit lateraler Basis alsTemporallappen (Visierlappen) angewandt, wobei Äste derTemporalarterie zur axialen Gefäßversorgung dienen. Der ge-fäßgestielte Stirnlappen kann um bis zu 180� gedreht werden.

Temporär gestielte Transpositionslappenplastiken eignensich auch sehr gut zur Rekonstruktion bei penetrierenden

Abb. 18 Rhomboidlappen nach Limberg. a Operationszeichnung. b Transposition des Lappens. c Abschluss der Operation

Abb. 19 Subkutan gestielte Lappenplastik (Gleitlappen)

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Defekten an der Nase. Typischerweise dient dazu die Naso-labialfalte als Donorregion. Die Lappenspitze kann vielfältigmodelliert werden, um eine optimale Rekonstruktion zuerzielen (Abb. 20).

Eine weitere typische Lokalisation für die Anwendung vontemporär gestielten Lappenplastiken ist die Ohrmuschel.Grundsätzlich ergibt sich aufgrund der individuellen Anpas-sung der Lappen eine breite Variabilität der Einsatzmöglichkei-ten für Defekte unterschiedlicher Größe und Lokalisationen.

6.2 Hautexpander

DefinitionMithilfe eines Hautexpanders wird durch temporäre Im-plantation eines auffüllbaren Silikonkissens ein artifiziellesDonorareal geschaffen, das schließlich zur Deckung weitrei-chender Hautdefekte herangezogen wird.

TechnikDer Hautexpander ist ein aus gewebeverträglichem Silikonbestehender Beutel, der über ein Ventil mit physiologischerKochsalzlösung aufgefüllt wird. Im ersten Schritt wird er inder Umgebung einer zu exzidierenden Hautveränderung epi-faszial implantiert. Über ein Einwegventil wird der Expanderinitial mit physiologischer Kochsalzlösung bis zur beginnen-den Spannung der darüber liegenden Hautpartie gefüllt. Post-operativ erfolgen im Verlauf von 2–3 Monaten, in mehrtägi-gen Abständen, wiederholte Instillationen transkutan überdas Ventil, wodurch sich der Beutel zunehmend vergrößertund die darüber liegende Haut allmählich gedehnt wird.Alternativ können auch selbstquellende, sogenannte osmoti-

sche Expander zur Anwendung kommen. Durch die Expan-dertechnik wird artifiziell ein mehr oder minder großflächigesDonorareal gewonnen, welches im Zuge der operativen Ent-fernung einer pathologischen Hautveränderung zur primärenDefektdeckung mittels lokaler Lappenplastik herangezogenwird (Abb. 21).

Ein hohes Maß an Compliance seitens des Patienten istschon allein aufgrund des langen Behandlungszeitraumserforderlich. Bei der Anwendung an unbedeckten Körper-stellen kommt es während der Auffüllungsphase zum Teilzu grotesken Entstellungen durch den sich zunehmend aus-dehnenden Ballon. Problematisch ist die Anwendung imKleinkindes- und Kindesalter, da die Gefahr der Impressionknöcherner Skelettanteile besteht.

IndikationenHautexpander kommen infrage bei großen kongenitalen me-lanozytären Nävi, großflächigen Narbenfeldern, chronischerRadiodermatitis, kutanen Fehlbildungen und vernarbendenAlopezien.

6.3 Freie Hauttransplantation

DefinitionHierunter versteht man die Entnahme von Hautarealen auseiner Donorregion und Übertragung in eine davon unabhängi-ge Empfängerstelle. Das freie Transplantat beinhaltet keinenversorgenden Gefäßstiel. Sein Einheilen ist von Diffusion undNeovaskularisation in der Empfängerregion abhängig.

Abb. 20 Temporär gestielte Lappenplastik. a Penetrierender Defekt am Nasenflügel. b Rekonstruktion des Nasenflügels unter Belassung destemporären Lappenstiels. c Endgültiges Ergebnis nach Lappenstieldurchtrennung und Feinadaptation der Lappenspitze

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PrinzipDie freien Hauttransplantate sind indiziert, wenn aufgrund derGröße eines Operationsdefekts ein primärer Wundverschlussoder eine lokale oder regionale Lappenplastik nicht möglichsind. Aus einem Donorareal werden Hauttransplantate sorg-fältig und atraumatisch präpariert und nach der Entnahme ohnezeitliche Verzögerung in die Rezeptorstelle übertragen.Wesentliche Voraussetzung für das Einheilen freier autologerHauttransplantate ist ein ausreichend vaskularisierter und sau-berer Wundgrund der Empfängerstelle. Eine höhere Annahme-rate lässt sich durch vorausgehende Wundkonditionierungerzielen. Eine gute postoperative Verbandstechnik sollte einensanften und gleichmäßigen Druck auf das Transplantat aus-üben und somit den unmittelbaren Kontakt zwischen Trans-plantat und dessen ernährendemWundgrund sicherstellen. DerVerband sollte zudem mögliche Scherkräfte vom Transplantatfernhalten, die häufig für das Nichtangehen der Transplantateverantwortlich sind.

6.3.1 SpalthauttransplantatSpalthauttransplantate bestehen aus Epidermis und den ober-flächlichen Anteilen der Dermis und enthalten somit keineHautanhangsgebilde (Abb. 22). Sie werden unterteilt in dün-ne (0,2–0,3 mm), mitteldicke (ungefähr 0,4 mm) und dicke(ungefähr 0,5–0,6 mm) Transplantate. Bei alten Menschenmit atropher Haut im Donorareal sollten möglichst dünneSpalthauttransplantate entnommen werden, um Wundhei-lungsstörungen der Entnahmestellen zu verhindern.

Zur Entnahme der Haut stehen wellengetriebene Derma-tome und Akku-Dermatome zur Verfügung. Bei den gängi-

gen Dermatomen ist die Dicke der Entnahme mit 1/20 mmGenauigkeit fest einstellbar, ebenso die Breite variabel bis8 cm. Optimale Entnahmestellen für Spalthauttransplantatesind Oberschenkel und Gesäß. Zunehmend setzt sich auchdie Entnahme am behaarten Kopf durch, da entsprechend derHaardichte ein schnelles Abheilen erzielt wird und die ober-flächliche Narbe im Donorareal durch die nachwachsendenHaare bedeckt ist.

Das Transplantat wird entsprechend der Form des Emp-fängerbetts zugeschnitten und unter leichter Spannung in derWunde mittels Einzelknopf-, fortlaufender Naht oder Haut-klammern eingepasst. Zentrale Entlastungsschnitte dienender Ableitung möglicher Blutungen oder Wundsekretionen.

Der große Vorteil von Spalthauttransplantaten bestehtdarin, dass sie im Vergleich zu Vollhauttransplantaten deut-lich weniger Nekrose-gefährdet sind. Als Nachteile sind diehöhere Schrumpfungsneigung sowie ein nicht selten ästhe-tisch unbefriedigendes Ergebnis an sichtbarer Haut zu nen-nen. Dies ist dadurch bedingt, dass Spalthauttransplantateaufgrund der unterschiedlichen ästhetischen Regionen vonEntnahme- und Empfängerstelle hinsichtlich Oberflächen-struktur und Pigmentierung gegenüber der Umgebung zumTeil deutlich differieren. Deshalb sollten sie möglichst nichtbei Gesichtsdefekten angewendet werden. Sie eignen sichhingegen hervorragend zur Deckung von Ulcera crurumund von großen Defekten an Rumpf und Extremitäten.

6.3.2 Gittertransplantat (Mesh graft)Es wird durch artifizielle gleichmäßige Schlitzung von Spal-thauttransplantaten gewonnen, wobei ein maschenähnliches

Abb. 21 Hautexpander.a Implantierter Hautexpanderneben dem später zuexzidierenden Nävus (unten in derProfilansicht: Lage auf Höhe derMuskelfaszie). b NachExplantation des Hautexpandersstellt sich das gedehnte Gewebedar. Exzision des Nävus.c Abschluss der Operation

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Gitter erzeugt wird. Mithilfe dieses Verfahrens können aus-gedehnte Hautdefekte erfolgreich gedeckt werden. Die Epit-helisierung zwischen den Maschen erfolgt oberflächlich, aus-gehend von transplantierten Gitteranteilen. Zur Herstellungder Gittertransplantate wird das Spalthauttransplantat mitdem Dermatom entnommen, anschließend auf einer hartenPlastikfolie mit einem Gitterschnittmuster ausgebreitet unddurch eine Schneidewalze gedreht. Das entsprechend ge-schlitzte Spalthauttransplantat kann nun gedehnt werdenund steht zur Deckung größerer Defekte zur Verfügung.Mesh-Folien sind mit verschieden breiten Rastern erhältlich,sodass die definitive Größe des Mesh-Transplantats (1:1,5,1:3, 1:6) individuell gewählt werden kann. Je größer dasVerhältnis gewählt wird, umso größere Flächen können mitder gleichen Entnahmefläche gedeckt werden.

6.3.3 Läppchenplastik nach ReverdinBei der Läppchenplastik nach Reverdin (1869, 1870) werdenzahlreiche, bis zu 1 cm große Spalthautläppchen transplan-tiert. Nach Anheben der Haut mit einer Nadel wird sie tan-gential mit dem Skalpell exzidiert. Die Läppchen werdengleichmäßig inselartig über die Fläche des Defekts verteiltund mit einem Druckverband fixiert. Die Entnahmestellenwerden der Spontanheilung überlassen. Aufgrund des unbe-friedigenden kosmetischen Ergebnisses ist diese Technik nurnoch bei der Deckung von Ulcera crurum vertretbar. Rever-din-Läppchen sind jedoch sehr schnell und einfach durch-führbar und für den Patienten nur wenig belastend.

Eine Weiterentwicklung der Methode nach Reverdin stelltdie automatisierte Entnahme von winzigen Epidermistran-splantaten mit Vakuumtechnik dar (CellutomeTM). Dabeiwerden zahlreiche winzige Transplantate mittels Folie aufein konditioniertes Empfängerareal übertragen. Die Entnah-mestellen sind nahezu unsichtbar.

6.3.4 VollhauttransplantatDas Vollhauttransplantat umfasst die gesamte Dicke der Der-mis, einschließlich der darin enthaltenen Hautanhangsge-bilde. Die Entnahmestelle wird in der Regel durch primärenWundverschluss versorgt. Aufgrund ihrer Dicke weisen Voll-hauttransplantate eine geringere Schrumpfungsneigung undeine höhere mechanische Belastbarkeit gegenüber Spalthaut-transplantaten auf.

Der Einsatz von Vollhauttransplantaten erfordert eine sehrsorgfältige Operationstechnik. Die Empfängerstelle muss gutvaskularisiert, die Blutstillung vollständig sein. Die Ent-nahme der Vollhauttransplantate wird am günstigsten maß-gerecht mit dem Skalpell vorgenommen. Das Transplantatsollte möglichst von gleichmäßiger Dicke sein und anhän-gendes Fettgewebe vollständig entfernt werden, da es dieDiffusion und Neovaskularisation im Empfängergebiet be-einträchtigt. Je nach erforderlicher Größe bieten sich fürTransplantationen im Kopf-Hals-Bereich prä- und retroauriku-läre Region, Hals und supraklavikuläre Region als Donorarealean (Abb. 23). Zur Versorgung kleinerer Liddefekte können auchVollhauttransplantate vom ipsi- oder kontralateralen Oberlid

Abb.22 Spalthauttransplantation.a Befund nach Abschluss derOperation. b Verlaufsbefund nachkomplettem Einheilen

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entnommen werden. Bei Rumpf- oder Extremitätendefektenkommen Oberarminnenseite oder Leiste als Donorstelleinfrage. Das Transplantat selbst wird mit leichter Spannungin den Defekt fixiert. Da der Haftung des Transplantats aufdem Empfängerbett die entscheidende Bedeutung zukommt,kann es sinnvoll sein, eine oder mehrere Fixationsnähte imZentrum des Transplantats zu platzieren.

6.3.5 Tangentiales TransplantatEine Variante zwischen Vollhauttransplantat und Spalthaut-transplantat ist das tangentiale Transplantat. Es bietet sich alsschnelle und effektive Methode zur Defektdeckung von klei-neren Defekten im Kopf-Hals-Bereich an und ist insbeson-dere bei älteren Menschen eine günstige Alternative zur Voll-hauttransplantation. Die Entnahme der Haut geschieht inForm einer tangentialen Exzision beispielsweise aus der sup-raklavikulären Region, von der Schulter oder vom Oberarm.Bei der Auswahl der Entnahmestelle sollte darauf geachtetwerden, dass sich Donor- und Empfängerstelle in Kolorit undStruktur entsprechen. Lichtgeschädigte oder atrophe Hautre-gionen eignen sich nicht. Durch die tangentiale Exzision isteine Naht der Entnahmestelle nicht erforderlich, sodass einerheblicher Zeitgewinn erzielt wird. Ferner können Form undGröße des zu gewinnenden Transplantats bereits bei derEntnahme exakt an die Empfängerstelle angepasst werden.Ein Zuschneiden ist dann häufig nicht mehr erforderlich, unddas Transplantat kann mit wenigen Nähten in der Empfänger-stelle fixiert werden.

Das tangentiale Transplantat ist etwas dicker als ein Spalt-hauttransplantat, aber dünner als ein Vollhauttransplantat. Esist relativ anspruchslos bezüglich der Vaskularisation im

Empfängerbett. Bei korrekter Durchführung zeigen sich hoheEinheilungsraten und befriedigende ästhetische Ergebnisse.

6.3.6 SegmenttransplantatSynonymComposite-graft

Das Composite-Graft setzt sich aus mehreren Gewebe-schichten zusammen. In der Dermatologie bedeutet dies inder Regel Haut und Knorpel. Es wird zur Rekonstruktion vonNasenflügel- oder Nasenspitzendefekten, Ohrmuscheldefek-ten sowie zum Neuaufbau bei teilweisem Lidverlust einge-setzt. Mögliche Entnahmestellen sind die Ohrmuschel beiDefekten der Nase, die kontralaterale Ohrmuschel bei Ohr-defekten sowie das gesunde Lid zu Deckung von Liddefek-ten. Meist werden die Composite grafts keilförmig entnom-men, sodass die Entnahmestellen in der Regel primärverschlossen werden können, ohne dass eine Deformität zu-rückbleibt. Segmenttransplantate dürfen sowohl bei der Ent-nahme als auch bei der Implantation nur minimal traumati-siert werden. Da ihre Versorgung bis zum Einsprossen vonKapillaren aus dem Empfängerbett nur durch Diffusionerfolgt, können bereits minimale Sickerblutungen dieseunterbrechen und damit einen partiellen bis komplettenTransplantatuntergang bewirken.

6.3.7 Freie FettgewebetransplantationSynonymLipotransfer

Sie ist eine Methode zum Ausgleich von Volumendefizi-ten des Weichteilgewebes. Diese können bei Systemerkran-kungen wie Progerie oder Hemiatrophia faciei vorhandensein. Häufig treten sie auch bei Zustand nach Traumen,

Abb. 23 Vollhauttransplantat.a Entnahme vom Hals zurDeckung des Defekts an der Nase.b Zustand 6 Monate postoperativ

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Operationen oder nach Gabe antiretroviraler Medikamenteauf, wobei es infolge der Fettgewebeatrophie zur äußerlichsichtbaren Einsenkung kommt. Dies kann für den Patientenästhetisch sehr störend, nicht selten aber auch mit Dysästhe-sien verbunden sein. Eine rein ästhetische Indikation ist beider Fettgewebetransplantation zur Augmentation bei alters-bedingter Atrophie oder Falten gegeben.

Die Gewinnung freien Fettgewebes empfiehlt sich in Tu-meszenzanästhesie, da es hierbei zu einem gewissen Auf-quellen des Fettgewebes kommt, welches die Entnahmeerleichtert. Mittels Liposuktionskanülen wird das Fettgewebemanuell unter fächerförmigen Bewegungen vom Unterbauchoder anderen reichhaltigen Donorarealen entnommen. Vorder Implantation sollte die abgesaugte Flüssigkeit abstehen,damit sich Fettgewebe und Tumeszenzflüssigkeit separieren.

7 Elektrochirurgie

DefinitionDie früher verbreitete Galvanokaustik mittels Gleichstromist weitgehend durch die modernen Methoden der chirurgi-schen Diathermie (Anwendung von Wechselstrom) in Formder Elektrotomie, Elektrokoagulation und Elektrodesik-kation verdrängt worden. Die chirurgische Diathermie wirdauch als Elektrochirurgie im engeren Sinn bezeichnet. DasGrundprinzip besteht in einer Gewebeentfernung oder Ge-webezerstörung, indem elektrische Energie in Wärme umge-wandelt wird. Diese thermische Reaktion führt, in Abhängig-keit von der Stromdichte und Einwirkdauer, zum langsamenVerkochen oder zur Verdampfung der Zellflüssigkeit mitunterschiedlichen Graden der klinischen Gewebezerstörung.

7.1 Galvanokaustik

SynonymeGlühkaustik, electrocautery

Die Galvanokaustik wurde vor über 150 Jahren zur Gewe-beabtragung und Blutstillung in der Chirurgie eingeführt.Heutige Anwendungen beschränken sich zumeist auf zahn-ärztliche oder oralchirurgische Eingriffe. Durch die Verwen-dung von Gleichstrom wird eine Drahtschlinge oder alterna-tiv eine messer-, schlingen-, kugel- oder lanzettförmigeSpitze zum Glühen gebracht. Die thermische Wirkungbewirkt eine Gewebezerstörung, Gewebeabtragung oderBlutstillung. Die Tiefenwirkung des Kauters ist begrenzt,aber sehr gut steuerbar. Der Patient ist bei der Galvanokaustiknicht in den Stromkreis eingeschlossen, sodass die Anwen-dung bei Schrittmacherpatienten möglich ist. HandlicheGeräte in Stiftform ermöglichen heute beispielsweise zurBlutstillung den Einsatz in OP-fernen Situationen.

7.2 Chirurgische Diathermie

Das Grundprinzip der chirurgischen Diathermie (Hochfre-quenzchirurgie) besteht darin, dass ein hochfrequenterWechselstrom durch das Körpergewebe geleitet wird, umgezielt eine Koagulation oder Schneidewirkung zu erreichen.Durch eine punktuell sehr hohe Stromdichte kommt esinfolge der thermischen Einwirkung zu einer Gewebezerstö-rung. Der Grad der Gewebezerstörung hängt von der Oszil-lation und der Stromstärke ab. Hochfrequenzströme mit Fre-quenzen von 500–2000 kHz sind erforderlich, um nicht durchden Stromfluss eine Faraday-Reizung von Nerven und Mus-kulatur zu verursachen. Nach Art des Stromflusses unter-scheidet man zwischen monopolarer und bipolarer Anwen-dungstechnik.

7.2.1 Monopolare chirurgische DiathermieBei der monopolaren Anwendung ist das chirurgische Inst-rument, an dem die Gewebezerstörung gezielt stattfindensoll, die Aktivelektrode. Den Gegenpol bildet die Neutral-elektrode, eine großflächige leitende Metallplatte, die an derHaut des Patienten in der Nähe des Operationsgebietes auf-geklebt wird. Der hochfrequente Wechselstrom fließt von dergroßflächigen Neutralelektrode über den Körper des Patien-ten auf dem Wege des geringsten Widerstandes zur klein-flächigen Aktivelektrode. Dabei wird an der Aktivelektrodeeine sehr hohe Stromdichte erreicht, die eine zur Koagulationoder zum Schneiden erforderliche Gewebeerwärmung verur-sacht. Die monopolare chirurgische Diathermie ist bei Pati-enten mit Herzschrittmachern kontraindiziert, da die Schritt-macher durch den Stromfluss im Körper außer Betrieb gesetztwerden können. Je nach eingesetztem Instrumentarium sindin der monopolaren Anwendung die Elektrotomie, Elektro-koagulation, Elektrodesikkation oder Elektrofulgurationmöglich.

ElektrotomieHierunter versteht man das elektrische Schneiden mittelsnadel-, lanzett- oder schlingenförmiger aktiver Elektrode, ander es zur intensiven thermischen Reaktion auf kleinstemRaum kommt. Bei hoher Spannung, hoher Stromstärke undgleichförmig sinusartiger Oszillation kommt es bei Tempera-turen von >100 �C zu kleinsten Wasserdampfexplosionenbei Funkenzahlen von 50.000–70.000/s. Man unterscheidetden Scharfschnitt vom Schorfschnitt, bei dem unter langsa-mer Schnittführung bei gedämpfter Oszillation eine erhöhteStromstärke appliziert wird, wodurch eine gleichzeitige Blut-stillung erzielt wird.

ElektrokoagulationDie Elektrokoagulation bezeichnet die operative Zerstörungumschriebener Gewebsbezirke mittels hoher Stromstärkeund geringer Spannung. Bei Temperaturen von 60–70 �C

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im Bereich der Aktivelektrode kommt es zum langsamenVerkochen der intrazellulären Flüssigkeit und somit zurGewebsaustrocknung und Eiweißkoagulation. Dies führtzur Verschorfung und Verschweißung des Gewebes, sodassBlutungen zum Stillstand gebracht werden können. Bei län-gerer Einwirkung kommt es zur Verkohlung des Gewebes. Jenach Bedarf kann die Blutstillung entweder direkt über dieAktivelektrode oder durch Kontakt der Aktivelektrode mitder chirurgischen Pinzette oder Klemme vermittelt werden.

Elektrodesikkation und ElektrofulgurationHierbei kommt es zu einer Zerstörung umschriebener oberfläch-licher Gewebsbezirke durch Anwendung hoher Spannung(2000–5000 V) und geringer Stromstärke (100–150 mA).Von der nadel- oder kugelförmigen Elektrode fließt, wenndiese ganz nahe an die Hautveränderung gebracht wird, einfeiner Funkenstrom über, durch den unterschiedliche Gradeder Koagulation zu erreichen sind. Da diese über eine rascheDehydration zustande kommt, spricht man von Desikkation.

Bei der Elektrofulguration wird die Fulgurationsnadeloder Fulgurationskugel sehr nahe an die Haut gehalten (beider Elektrodesikkation berührt die Elektrode das zu behan-delnde Gewebe). Dieses verfärbt sich schnell weißlich undder entstehende trockene Schorf demarkiert sich. Der Gradder Verschorfung oder Verkohlung ist bei der Elektrofulgu-ration höher.

7.2.2 Bipolare chirurgische DiathermieBei der bipolaren Technik wird der Hochfrequenzstrom nurzwischen den beiden Polen eines chirurgischen Instrumentswirksam. Das zwischen den beiden Polen gefasste Gewebeschließt den Stromkreis. Infolge des hohen Gewebewider-stands kommt es zu dem gewünschten thermischen Effekt –die bipolare Elektrokoagulation. Der klassische Einsatzerfolgt unter Verwendung von bipolaren Pinzetten unter-schiedlicher Größe und Form. Ferner werden bipolare Präpa-rierscheren angeboten, die gezielt den Wechsel zwischenSchneiden und gleichzeitiger Koagulation während der Prä-paration erlauben.

Beim bipolaren Arbeiten wird der Hochfrequenzstrom nurzwischen den beiden Polen des Instruments wirksam, sodasskeine Neutralelektrode erforderlich ist. Das umliegendeGewebe wird nicht geschädigt und Messgeräte am Patientennicht beeinträchtigt. Die bipolare Anwendung ist in der Regelbei Patienten mit Herzschrittmachern geeignet (s. Übersicht).Durch Anwendung der bipolaren Pinzette lässt sich sehr sau-ber und präzise die Blutstillung im Gewebe bewerkstelligen.

IndikationenSie bestehen zur intraoperativen Blutstillung, elektrokausti-schen Abtragung von Condylomata acuminata, Fibromatapendulantes, fibromatösen Nävi, senilen Angiomen, Verrucaevulgares und seborrhoischen Keratosen (nach Kürettage).

7.2.3 Argon-Plasma-KoagulationDas Prinzip der Argon-Plasma-Koagulation ist die kontakt-freie Übertragung von Energie durch ionisiertes Edelgas(Argon-Plasma) auf die Haut zu Abtragung von Gewebe beigleichzeitiger oberflächlicher Hämostase. Ähnlich der mono-polaren Elektrokoagulation ist das Anbringen einer Neutral-elektrode erforderlich. Die Eindringtiefe beträgt etwa1–3 mm. Abhängig von der Einstellung und der Anwen-dungsdauer kann eine Karbonisation des Gewebes mitRauchentwicklung auftreten, was eine kontinuierliche Ab-saugung erfordert.

IndikationenZur oberflächlichen Abtragung von beispielsweise Kondylo-men, Warzenbeeten und aktinischer Cheilitis.

Vorsichtsmaßnahmen bei Galvanokaustik undchirurgischer Diathermie• Beachtung der Anwendungsvorschriften des Her-

stellers• Beachtung der technischen Sicherheitsvorschriften

(TÜV, MedGV = medizinische Geräteverordnung)• Erdung des Geräts überprüfen• Ablegen von Schmuck oder sonstigen Metallteilen

durch den Patienten• Brüchige äußere Kabel oder defekte Anschlüsse

beseitigen• Vermeidung von Explosion durch Verwendung

nichtexplosiver Anästhetika• Vermeiden von Bränden durch Beseitigung aller

brennbaren Desinfektionsmittel an der Haut desPatienten und in Tupfern

• Vermeidung von Bränden durch Entflammen vonbrennbarem Gewebe (Tupfer, Abdecktücher, Klei-dung)

• Herzschrittmacherpatienten sind Risikopatientenund dürfen mit dieser Methode nur bedingt behan-delt werden. Schrittmacher können durch die Elekt-roanwendung außer Betrieb gesetzt werden.

8 Kryochirurgie

DefinitionUnter Kryochirurgie versteht man die gezielte Kälteanwen-dung mittels verschiedener Applikatoren zur lokalen Gewe-bezerstörung. Dieser auch als Kryodestruktion bezeichneteVorgang wird mit Temperaturen unter �25 �C im Gewebeerzielt. Am verbreitetsten ist die Anwendung von flüssigemStickstoff im Sprühverfahren oder Kontaktverfahren.

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8.1 Kryobiologische Grundlagen

Die Gewebezerstörung durch Kälte ist ein bis heute nochnicht gänzlich aufgeklärter multifaktorieller Vorgang, beidem Wasser eine zentrale Rolle spielt. Mit der Bildung vonEiskristallen ändern sich sowohl die Elektrolytkonzentratio-nen als auch die Struktur der Membranlipoproteine. Gefrier-und Auftaugeschwindigkeit sind entscheidende Einflussgrö-ßen der Zellzerstörung. Dabei kommt es in vitalem Gewebezur Phospholipiddenaturierung in der Zellmembran, zurmechanischen Schädigung der Zellmembran durch Bildungvon Eiskristallen, besonders durch Rekristallisation von int-razellulärem Wasser beim Auftauvorgang, und zu einerDehydratation mit der Entstehung toxischer Konzentrationenintrazellulärer Elektrolyte. Taut man nach schnellem Gefrie-ren langsam auf, werden Um- und Rekristallisationsvorgängesowie weitere Elektrolytverschiebungen mit einer massivenintrazellulären Wasseraufnahme induziert, die zum Zelltodführen. Nicht alle Zellen sterben nach einmaligem Gefrierenab, sodass die Wiederholung des Vereisungszyklus erforder-lich ist.

Daraus ergeben sich für die praktische Anwendung wich-tige Parameter:

• Schnelles Gefrieren mit einer Gefriergeschwindigkeit>100�Kelvin/min

• Temperaturminimum im Gewebe deutlich unter �25 �C,ab �50 �C besteht eine 100 %ige Nekroserate

• Langsames Auftauen von etwa 10�Kelvin/min• Mindestens zwei Vereisungszyklen

Das Stützgewebe wird dabei nicht geschädigt, da Fibro-blasten gegenüber Gefrieren widerstandsfähiger sind. Tumor-zellen gelten aufgrund des hohen Wassergehalts, bestehenderZellstoffwechselstörungen und einer veränderten Mikro-zirkulation als besonders kältesensibel. Dabei werden Tempe-raturen von �40 �C erforderlich. Hingegen werden Haarfolli-kel, Talgdrüsen und Melanozyten bereits zwischen �4 �Cund �20 �C, Keratinozyten bei �30 �C geschädigt.

8.2 Technik

Die früher angewandten Kältemittel Kohlensäureschnee(�78,9 �C) und flüssiges Stickoxydul (�89,7 �C) erfüllen nichtdie geforderte Gefriergeschwindigkeit von �100�Kelvin/min.Die Anwendung flüssiger Luft sowie flüssigen Sauerstoffs(�182,9 �C) verbietet sich aufgrund der bestehenden Explo-sionsgefahr. Flüssiger Stickstoff mit einer Temperatur von�195,8 �C ist das geeignete Kältemittel und wird weltweit inder Kryochirurgie am häufigsten eingesetzt (Abb. 24).

Gegenwärtig gibt es auf dem Markt eine Vielzahl vonKryogeräten mit teilweise aufwendigen und teuren elektroni-schen Zusatzeinrichtungen, die über die normale Anwendunghinaus keine wesentlichen Vorteile bieten. Bei den Modalitä-ten der Anwendung werden das offene Sprayverfahren unddas Kontaktverfahren mittels Kryosonde unterschieden.Beim offenen Sprayverfahren wird der flüssige Stickstoffdirekt auf die Läsion aufgesprüht. Beim Kontaktverfahrenwird ein im flüssigen Stickstoffbad vorgekühlter Metallstem-pel aufgesetzt oder eine von flüssigem Stickstoff durchström-te Sonde aufgebracht. Bei letztgenannter Variante des Kon-

Abb. 24 Kryotherapie imSprühverfahren mit flüssigemStickstoff. a Aktinische Keratoseam Nasenrücken. b Zustand nach1 Jahr

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taktverfahrens kann die Kälteapplikation entweder durch einAnfrieren der Sonde mit anschließendem langsamem Auf-tauen oder das Aufsetzen der unmittelbar vorgekühltenSonde ähnlich dem Stempelverfahren erfolgen. Beide Ver-fahren sind gleichwertig, um ein schnelles und tief wirkendesGefrieren zu erreichen. Da die meisten Tumoren keine glatteOberfläche aufweisen, ist das Kontaktverfahren häufig nichteinsetzbar. Andererseits ist es bei Anwendungen an derSchleimhaut günstiger.

Das Ausmaß der Kälteeinwirkung lässt sich von außennach innen in drei Zonen einteilen:

Die Destruktionszone besteht in einer �40 �C-Isotherme,es schließen sich eine Gefrierzone mit 2 �C-Isotherme undeine hypotherme Zone an.

Entscheidend für die erfolgreiche Gewebezerstörung istdie Destruktionszone, die das zu behandelnde Areal vollstän-dig erfassen sollte. Dabei wird mit dem Kontaktverfahreneine Tiefe von etwa 4 mm und mit dem Sprayverfahren eineTiefe von bis zu 12 mm erreicht. Das Sprayverfahren ermö-glicht ein schnelles und tiefwirkendes Gefrieren. GrößereFlächen lassen sich durch mäanderförmiges Bearbeiten leich-ter erfassen. Initial muss so lange kontinuierlich gesprühtwerden, bis ein homogener weißer, perliger Vereisungsbezirkentsteht. Intermittierendes Nachsprühen kann den initialenEffekt dann für die Dauer der Vereisungszeit aufrechterhal-ten. Dagegen führt das Kontaktverfahren mit einer großenAuswahl unterschiedlich geformter Sonden zu einer schonen-den Vereisung umschriebener Herde. Mit dem Kontaktver-fahren lässt sich außerdem gezielter Druck ausüben. Dies istinsbesondere bei komprimierbaren, vaskulären Strukturenwie den Säuglingshämangiomen vorteilhaft.

Subtumoral eingesetzte Temperaturfühler können eineHilfe bei der Steuerung der Tiefenwirkung sein, wobeijedoch die Platzierung der Messsonden nur schwer standar-disierbar ist. Die Thermosonden werden von der Seite her aufverschiedene Hautebenen aufgesetzt, wobei eine an derTumorbasis platziert wird. Während des Kryochirurgiepro-zesses können die Temperatur (Pyrometermethode) oder dieelektrische Resistenz (Resistenzmethode) im Gewebe gemes-sen werden.

Die Vereisungszeiten betragen bei Säuglingshämangio-men etwa 2-mal 5–10 s, bei aktinischen Keratosen etwa2-mal 15–20 s und bei Basalzellkarzinomen etwa 2-mal40–60 s. Sie sind jedoch nicht allgemein gültig, sondernmüssen in Abhängigkeit von Tumorgröße, Tumordicke undbesonders der biologischen Reaktion gestellt werden. Gege-benenfalls müssen weitere Vereisungszyklen angeschlossenwerden. Die Umgebung kann beim Sprayverfahren mit Mou-lagen oder Schablonen abgedeckt werden.

8.3 Gewebereaktion

Die jeweiligen Methoden ermöglichen eine mehr oder weni-ger genaue Dosierung der Kälteapplikation mit entsprechen-der Steuerung der Tiefenwirkung. Bei kurzer Einwirkungkommt es zu einer subepidermalen Blase. Damit könnenPräkanzerosen ausreichend beseitigt werden, unter weitge-hend narbenfreier Abheilung. Nekrose und Abstoßung vonTumorgewebe wird in der Kryochirurgie von Basalzellkarzi-nomen angestrebt. Eine Narbe ist hier die Regel. Zu derenMinimierung und zur Vermeidung der Schädigung tiefererStrukturen können mehrere kürzere Vereisungszyklen beitra-gen. Bei granulomatösen Hautkrankheiten, Pseudolympho-men oder Keloiden soll die Kryochirurgie Um- und Abbau-vorgänge ohne wesentliche Nekrotisierung induzieren. DerUmfang der Nekrosen und die davon betroffenen Gewebe-komponenten hängen von Intensität, Dauer und Wiederho-lung der Vereisungszyklen ab.

Nach dem kryochirurgischen Eingriff lassen sich klinischin der Regel fünf Phasen unterscheiden, mit individuellenSchwankungen in ihrer zeitlichen Abfolge: Rötung, Ödem,Blase/Exsudation, Verkrustung/Verschorfung, Narbe. DieKryoapplikation ist mit mäßigen bis mittelstarken Schmerzenverbunden, sodass sich der Eingriff in lokaler Anästhesieempfiehlt. Postoperativ fühlt sich der Patient am stärkstendurch die Exsudation beeinträchtigt. Die Kryonarbe ist inder Regel hypopigmentiert. Selten kann es auch zu fleckigenDyspigmentierungen kommen. Möglicher irreversibler Haar-verlust sollte insbesondere bei Behandlungen nahe derAugenbrauen und Wimpern bedacht werden.

8.4 Indikationen und Kontraindikationen

IndikationenDie Kryochirurgie wird bei aktinischen Keratosen, Verrucaevulgares, Keloiden, Granuloma anulare und Hämangiomenangewendet. Bei malignen Tumoren wie Morbus Bowen,Basalzellkarzinom, mikroinvasivem Plattenepithelkarzinom,Kaposi-Sarkom (initiale Herde), kutanen Melanommetasta-sen (palliativ) stellt die Kryotherapie eine alternative Behand-lungsmodalität dar, die nur in ausgewählten Fällen zurAnwendung kommt.

KontraindikationenDiese umfassen sklerodermiforme Basalzellkarzinome, Tumo-ren in Problemlokalisationen, ausgedehnte und tief reichendeTumoren, Raynaud-Syndrom, Bindegewebserkrankungen,Kälteurtikaria und Kryoglobulinämie.

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9 Komplikationen in derDermatochirurgie

Die Wahl des therapeutischen Verfahrens aus einem Spek-trum verschiedener Operationstechniken oder unter Einbezie-hung nicht operativer Alternativen, obliegt dem Arzt nachbestem Wissen und Gewissen, gegebenenfalls unter Hinzu-ziehung interdisziplinärer kollegialer Fachkompetenz. Dabeiist bei gleichwertigen Therapiemöglichkeiten dem Verfahrenmit dem geringsten Komplikationsrisiko der Vorzug zugeben.

Allgemeine Komplikationen Allgemeine Komplikationentreten postoperativ nicht selten in Form einer Beeinträchti-gung des Allgemeinzustandes oder der Aggravation von Vor-erkrankungen auf. Präoperativ bestehende Risikofaktoren,wie hohes Alter, Kachexie, kardiopulmonale und hepatore-nale Funktionsstörungen oder Stoffwechselkrankheiten, spie-len dabei eine Rolle. Intraoperativ kann es auch bei Gesundenzu unvorhergesehenen Kreislaufdysregulationen kommen.Speziell bei Eingriffen in Lokalanästhesie muss der Operateurdaher auf mögliche intraoperativ oder unmittelbar postoperativeintretende hypertensive Krisen, vagovasale Reaktionen,Hyperventilationssyndrom oder Volumenmangelsyndrom vor-bereitet sein. Gleiches gilt für toxische oder allergische Reak-tionen auf Lokalanästhetika.

Intraoperative Gewebeverletzung Bei einer Operationwird naturgemäß Gewebe durchtrennt, um Strukturen zuexzidieren, den Zugang zu bestimmten Strukturen imGewebe zu ermöglichen oder um eine Mobilisation undVerschieblichkeit zu bewerkstelligen. Die Verletzung kleine-rer arterieller oder venöser Gefäße ist zwangsläufig damitverbunden. Durch Koagulation oder Ligatur lässt sich meistschnell eine Blutstillung erreichen. Die Verletzung größererGefäßstämme sollte vermieden werden. Voraussetzung ist dieKenntnis der anatomischen Verläufe der Gefäße in der jewei-ligen Region. Problematisch kann die Situation bei aberrantenGefäßverläufen und bei Lokalisation der zu exzidierendenStrukturen in kritischer Gefäßnähe sein (Metastasenchirurgie).Je nach Lokalisation ist die spezielle topografische Anatomieder in der Subkutis verlaufenden sensorischen und motori-schen Nerven von Bedeutung. Im Gesicht können periphereÄste des N. facialis geschädigt werden, mit der Folge vonbleibenden motorischen Ausfällen. Vor allem an den Extremi-täten besteht die Gefahr der Verletzung sensibler Hautnerven.

Postoperatives Hämatom Auch bei sorgfältiger intraopera-tiver Blutstillung kann es postoperativ zu einem Hämatomkommen (Abb. 25). Gefäßfragilität, Gerinnungsstörungen,unzureichende Ruhigstellung oder postoperativ nachlassendeEffekte vasokonstriktorischer Additiva können die Ursachensein.

Wundinfektion Zur Vermeidung von Wundinfektionen istes unabdingbar, die Regeln der Antisepsis zu beachten. Diesgilt sowohl für die Durchführung der Operation unter sterilenKautelen als auch für die korrekte aseptische Verbandstech-nik in der postoperativen Phase. Unzureichend adaptierteWundränder, invertierende Wunden oder geflochtenes Naht-material bieten potenzielle Eintrittspforten für Keime. Einegewebetraumatisierende Operationstechnik und unpassendesOperationsinstrumentarium führen zu Gewebeschädigungen,die die Wundheilung beeinträchtigen können.

Wundrandnekrosen In der operativen Dermatologie müs-sen Gewebedefekte überbrückt werden. Dies bedeutet beson-dere Anforderungen an die Wundränder, die daher nichtunnötig traumatisiert werden dürfen. Ein scharfes Fassender Wundränder im Rahmen der Mobilisation oder für jedenEin- und Ausstich bei der Naht führt zur Mikrozirkulations-störung und nicht selten zu Wundrandnekrosen. Sofern dieWundspannung nicht ausreichend über die Subkutannahtgetragen wird, kommt es zur Einschnürung der Hautober-fläche durch die Hautnähte. Im Rahmen der Exzision undPräparation sollte ganz auf die Berührung der Wundrändermit chirurgischen Instrumenten verzichtet werden. FeineHäkchen können subkutan platziert werden, um die Präpara-tion zu erleichtern.

Nahtdehiszenz Eine Nahtdehiszenz kann durch Lösen oderZerreißen der Subkutan- und Hautnähte verursacht werden.Häufig tritt sie in Zusammenhang mit Wundinfektionen auf(Abb. 26). Starke Spannung auf die Wundränder kann durchunzureichende Mobilisation des Lappens oder ungenügendeUnterminierung bedingt sein. Dabei kann es trotz optimalplatzierter Naht durch die Zugwirkung im Gewebe zu einerNahtdehiszenz kommen. Auch zu viele eng aneinander plat-

Abb. 25 Postoperatives Hämatom

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zierte Hautnähte mit dünnen Fäden können zu Einrissen amWundrand führen (Briefmarkenphänomen).

Serom Die Gefahr einer Serombildung ist vor allem beigroßen und tiefen Wundhöhlen gegeben. Unnötig großeWundhöhlen entstehen durch fehlerhaften Zugang zur Ziel-struktur und durch unnötige Taschenbildungen während derPräparation. Hohlräume sind prädestiniert für die Ausbildungpostoperativer Serome. Sie sind daher stets durch schicht-weise adaptierte Nähte im tiefen Subkutangewebe zu ver-schließen. Die Anlage einer Saugdrainage reduziert zusätz-lich das Risiko eines Seroms. Chronifizierte Serome sinddurch eine Pseudokapsel gekennzeichnet, welche meist ope-rativ revidiert werden muss.

Störende Narben Dehiszente Narben können ihre Ursachein einer unzureichenden Wundadaptation oder Frühkompli-kationen wie Nahtdehiszenzen oder Wundrandnekrosenhaben. Sie treten ferner gehäuft bei Patienten mit schwachemBindegewebe, atropher Haut und chronischer Lichtschädi-gung auf. Hypertrophe Narben und Keloide sind schicksal-hafte Komplikationen auf der Basis einer individuellen gene-tischen Disposition. Die Keloidneigung ist im jugendlichenAlter und in der Adoleszenz höher. Typische Lokalisationenmit Keloidneigung sind Dekolleté, Schulter und Ohren.

Als Folge einer stark verzögerten Resorption von synthe-tischen resorbierbaren subkutanen Fäden kann es zu sterilenentzündlichen Abstoßungsreaktionen mit Granulombildungkommen. Je früher das Fadenmaterial über eine kleine Haut-inzision entfernt wird, desto weniger wird das spätere Nar-benbild beeinträchtigt.

Mismatch-Phänomene Gerade an der Haut sind Störungender Kontinuität der Haut in Bezug auf Oberflächenstrukturund Textur, Gewebeschrumpfung, Einsenkung oder Erhaben-heiten mit einer erheblichen ästhetischen Beeinträchtigungverbunden. Werden größere Transplantate unmittelbar nachExzision eines Tumors ohne eine zwischenzeitliche Wund-konditionierung aufgebracht, so kommt es zu einer Einsen-kung, die außer einer ästhetischen auch eine funktionelleBeeinträchtigung mit sich bringen kann (häufig Hypersensi-tivität). Der gegenteilige Effekt durch Erhabenheiten oderStufen findet sich häufig nach gestielten Lappenplastiken.Um diesen Trap-door-Effekt zu vermeiden, muss der Lappenausgedünnt und an die Gewebedicke der Empfängerregionangepasst werden. Ein Flickenphänomen ergibt sich insbe-sondere bei Transplantaten, bei denen die Donorregionwenige Gemeinsamkeiten mit der Hautstruktur der Empfän-gerstelle aufweist.

Lappennekrose Die Beachtung der Gefäßversorgung ist beider Planung von lokalen oder regionalen Lappenplastikenentscheidend. Wird die Basis des zu transponierenden Lap-pens zu schmal gewählt, sind Nekrosen der Lappenspitze dieFolge. Bei axialen Lappenplastiken kann eine Verletzungoder Unterbindung der zentralen Gefäßversorgung sogar zueiner kompletten Lappennekrose führen. Axiale Lappenplas-tiken erfordern daher eine atraumatische Gewebepräparation.Bei freien Hauttransplantaten ist ein optimales Einheilen aneinen festen und gut vaskularisierten Wundgrund gebunden.Ein partielles Nichtangehen von Transplantaten wird nichtselten durch die Einwirkung von Scherkräften infolge man-gelnder Ruhigstellung beobachtet.

Kontraktur Ausgedehnte Exzisionen, lokale Lappenplasti-ken und freie Hauttransplantate können in der Umgebungbeweglicher Weichteile infolge der natürlichen Wundkon-traktion zu nicht unerheblichen Zugkräften mit dem Ergebniseiner bleibenden Kontraktur führen (Abb. 27). Bei Operationenin besonders gefährdeten Regionen wie lidnahen Regionenund Perioralregion muss dies frühzeitig in der Operationspla-nung berücksichtigt werden. Bei eingetretenen Kontrakturenist die frühzeitige Korrektur indiziert, um funktionelleSekundärschäden zu vermeiden.

Abb. 26 Nahtdehiszenz

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