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Heft 13 W. BEER~ANN: Operative Gliederung der Chromosomen 365 t965 (Jg. 52) Diese Auffassung der Musterentwicklung ist hier von den Analysen genetischer Mosaike abstrahiert worden. Sic wird gestiitzt yon der einfachen Tatsache, dab die Abk6mmlinge der Zellen junger Imaginalscheiben sp~iter von Scheibe zu Scheibe verschiedene Hypoder- misgebiete einnehmen. Trotz dieser weitgehend vari- ablen cell lineage ist das fertige Differenzierungsmuster auBerordentlich konstant. Das zeigt, dab die spezielle Differenzierung der Zellen relativ sp~it unter dem Ein- fluB eines invarianten Vormusters erfolgt. Die Erkenntnis von Vormustern, die in unseren Betrachtungen vonder auf ihnen beruhenden, end- giiltigen Musterbildung abgeleitet wurde, bedarf often- bar einer direkten biochemischen Charakterisierung. Partiell liegt eine solche bereits in vielen embryologi- schen und entwicklungsphysiologischen Studien vor. Es ist ferner bekannt, dab spezifische Differenzierungs- stadien dutch die Anwesenheit yon Oemengen spezi- fischer Enzyme in spezifischen Proportionen gekenn- zeichnet sind [6, 2]. Diese qualitativ und quantitativ definierten Enzymgemische sind als Enzymaktivit~its- muster bezeichnet worden, wobei das Wort ,,Muster" nicht topographisch, sondern vergleichend verwendet wird. Die Enzymmuster entsprechen vermutlich Mu- stern yon Oenaktivit~ten, wie sic in den Mustern der Puffbildungen in den Riesenchromosomen der Dipteren direkter Beobachtung zug&nglich werden. Die ver- schiedene Bedeutung des morphologischen und des genetisch-enzymatischen Musterbegriffs erlaubt die folgende Formulierung: Das Studium der r~iumlichen Musterbildung yon Genaktivit~tts- und Enzymmustern ist eine wichtige Aufgabe ktinftiger Differenzierungs- forschung. Literatur [1] BECKER, H. K.: Dros. Inform. Serv. 30, 101--102 (1956). -- [2] BROSE•ER, R.W., W. VOOELL U. TH. BirCHER: Bioehem. Z. 338, 354--910 (1963). -- [8] DRIESCrt, H. : Analytisehe Theorie der orga- nischen Entwicklung. Leipzig: W. Engelmann 1894. -- [4] DIJBI- NIN, N.P.: Biol. Zentr. 49, 328--339 (i929). -- [5] GOTTLIEB, F.J.: Genetics 49, 739--760 (t964). -- [6] GREENSTEIN, J. P., in: A. A. A. S. Research Conference on Cancer, July 31--August 4, t944, S. t92--215 (1945). -- [7~] HADORN, E.: WiIhehn Roux' Arch. Entwieklungsmeeh. Organ. i36, 400--489 (1937). -- [Tb] HADORX, E., G. ANDERS U. H. URSPRUNO: J. Exptl. ZooL 142, 159--175 (1959).- [8] HA~NAH-ALAVA, A. : Genetics 43, 878--905 (1958).- [9] KR6aER, H.: Wilhelm Roux' Arch. Entwicklungsmeih. Organ. 151, 301--322 (a959). -- [10] LEwls, E.B.: Am. Zool. 3, 33--56 (~963). -- [11] LOOSLI, R.: Develop. Biol. 1, 24--64 (1959). -- [72] MI~K~ERJEE, A . S . : Ph. D. Thesis. Univ. of Caiif. 1964. -- [13] N6THIGER, R. : Wilhelm Roux' Arch. Entwieklungsmech. Organ. 155,269--30t (1964).- [14] ROBERTS, P.: Genetics 49, 593--598 (t964).- [15] ROTMANN, E.: Verh. deut. zool. Ges. 1935, 76--83.- [16] SEREBROWSKY, A . S . : Wilhelm Roux' Arch. Entwicklungs- mech. Organ. 122, 88--104 (1930). -- [17] SPE~A~X'N, H.: Experi- mentelle Beitr~ige zu einer Theorie der Entwicklung. Berlin: Sprin- ger 1936.- [18] SP~MANN, H., u. O. SCHOTr~: Naturwissenschaften 20, 463--467 (1932).- [19] STERN, C.: a) Am. Scientist 42, 213-- 247 (1954) ; --b) Caryologia, Suppl. 6, 355--369 (1954); --c) Wilhelm Roux' Arch. Entwicklungsmech. Organ. 149, 1--25 (t956). -- [20] STERN, C., U. A. HANNAH: Portug. Aeta biol., Ser. A, R. B. GoId- schmidt Volume, 798--812 (t950). -- [21] STERN, C., U. A.S. MIJK- I~ERJEE: Prec. Natl. Aead. Sci. India, Sect. B 34 (1), 19--26 (1964).-- [22] TOKUNAOA, C.: a) Develop. Biol. 4, 489--516 (~962); -- b) Ge= netics 46, 157--176 (196t). -- [23] TOI{UNAOA, C., u. C. STERN: Develop. Biol. (im Druck). -- [24] URSPRUNC, H.: Am. Zool. 3, 71--86 (1963). -- ['25] WADDINGTON, C.H.: Organisers and Genes. Cambridge: Cambridge University Press t940. -- [96] WEISS, P.: Principles of Development. New York: Henry Holt 1939. Mit Untersttitzung der National Science Foundation, Washing- ton, U.S.A., Grant No. 18057. Departments o~ Zoology and Genetics, University o/ Cali/ornia, Berkeley, Cali/ornia, U.S.A. Eingegangen am 1f. November 1964 Operative Gliederung der Chromosomen*) Von W. B~ERMANN (Tiibingen) Die Fortschritte der modernen Genetik verdanken wir Untersuchungen an einfachsten Lebewesen, Bak- terien und Viren. Diese Untersuchungen haben uns Vererbung und Merkmalsbestimmung als informa- tionstheoretische Probleme und konkret als chemische Funktionen yon Nukleins~iuren verstehen gelehrt. Trotz der methodischen Vorteile, die einfache Modell- systeme bieten, wird sichauch die Molekularbiologie der tats~ichlichen Formenmannigfaltigkeit der Orga- nismen auf die Dauer nicht entziehen k6nnen. Der ganze Reichtum an ~iuBeren und inneren Differenzie- rungen hat sich zwar ausschlielglich in der Evolution der h6heren Organismen -- also auBerhalb der Bak- terien (und Blaualgen) -- entfaltet, aber gerade in der F&higkeit oder Unfiihigkeit zu h6heren Differenzie- rungsleistungen liegt das Problem. Ein Vergleich der biochemischen Leistungen yon Bakterien mit denen der h6heren Organismen macht es nicht wahrschein- lick, dab deren fast explosionsartiger phylogenetischer Aufstieg das Ergebnis yon groBen Fortschritten in der molekularen Ausstattung, also der bloB stofflichen Mannigfaltigkeit, gewesen ist. Die enzymatischen F~ihigkeiten der Bakterienzellen stehen denen h6herer *) Vortrag, gehalten auf der 103. Versammlung der Gesellsehaft Deutseher Naturforscber und Arzte am 9. Oktober ~964 in Weimar. Organismen im allgemeinen nicht nach, und Bakterien besitzen in ihrer DNS sicher genetische Information genug, um ebenso wie h6here Organismen viele Tau- sende yon Proteinen zu synthetisieren. Offensichtlich ist es in erster Linie ein Fortschritt in der inneren Organisation der Zelle, dem die h6heren Organismen ihre rasche Entfaltung in der Evolution zu danken haben, und man mug sick fragen, worin dieser ,, Sprung vorw~irts" in der Systemstruktur konkret besteht. Zellen h6herer Organismen enthalten mancherlei Organellen ~vie Mitochondrien, Plastiden, Golgi- Apparate, Basalk6rner usw., die man in Bakterien nicht findet; aber darin kann man wohl kaum mehr sehen als den Ausdruck einer den Einzelzellen gege- benen komplizierteren Differenzierungsf&higkeit, eine F~ihigkeit, die sich bei der Entwicklung vielzelliger Systeme erst voll manifestiert. Der Abstand in den phylogenetischen Entwicklungsm6glichkeiten, der die h6heren Organismen von den Bakterien trennt, muf3 tiefere Ursachen haben. Viele Beobachtungen machen es wahrscheinlich, dab diese Ursachen in erster Linie in der Organisation des genetischen Materials, d.h. im Aufbau und der funktionellen Differenzierung der Chromosomen zu suchen sind. Dabei sind zwei Aspekte zu beriicksichtigen, die beide ffir die Evolution

Operative Gliederung der Chromosomen

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Heft 13 W. BEER~ANN: O p e r a t i v e G l i e d e r u n g de r C h r o m o s o m e n 3 6 5 t965 (Jg. 52)

Diese Auffassung der Musterentwicklung ist hier von den Analysen genetischer Mosaike abstrahiert worden. Sic wird gestiitzt yon der einfachen Tatsache, dab die Abk6mmlinge der Zellen junger Imaginalscheiben sp~iter von Scheibe zu Scheibe verschiedene Hypoder- misgebiete einnehmen. Trotz dieser weitgehend vari- ablen cell lineage ist das fertige Differenzierungsmuster auBerordentlich konstant. Das zeigt, dab die spezielle Differenzierung der Zellen relativ sp~it unter dem Ein- fluB eines invarianten Vormusters erfolgt.

Die Erkenntnis von Vormustern, die in unseren Betrachtungen v o n d e r auf ihnen beruhenden, end- giiltigen Musterbildung abgeleitet wurde, bedarf often- bar einer direkten biochemischen Charakterisierung. Partiell liegt eine solche bereits in vielen embryologi- schen und entwicklungsphysiologischen Studien vor. Es ist ferner bekannt, dab spezifische Differenzierungs- stadien dutch die Anwesenheit yon Oemengen spezi- fischer Enzyme in spezifischen Proportionen gekenn- zeichnet sind [6, 2]. Diese qualitativ und quantitativ definierten Enzymgemische sind als Enzymaktivit~its- muster bezeichnet worden, wobei das Wort ,,Muster" nicht topographisch, sondern vergleichend verwendet wird. Die Enzymmuster entsprechen vermutlich Mu- stern yon Oenaktivit~ten, wie sic in den Mustern der Puffbildungen in den Riesenchromosomen der Dipteren direkter Beobachtung zug&nglich werden. Die ver- schiedene Bedeutung des morphologischen und des genetisch-enzymatischen Musterbegriffs erlaubt die folgende Formulierung: Das Studium der r~iumlichen Musterbildung yon Genaktivit~tts- und Enzymmustern ist eine wichtige Aufgabe ktinftiger Differenzierungs- forschung.

Literatur [1] BECKER, H. K.: Dros. Inform. Serv. 30, 101--102 (1956). - -

[2] BROSE•ER, R.W., W. VOOELL U. TH. BirCHER: Bioehem. Z. 338, 354--910 (1963). - - [8] DRIESCrt, H. : Analy t i sehe Theorie der orga- nischen Entwick lung . Leipzig: W. E n g e l m a n n 1894. - - [4] DIJBI- NIN, N .P . : Biol. Zentr. 49, 328--339 (i929). - - [5] GOTTLIEB, F . J . : Genetics 49, 739--760 (t964). - - [6] GREENSTEIN, J. P., in: A. A. A. S. Research Conference on Cancer, J u l y 31 - -Augus t 4, t944, S. t 92 - -215 (1945). - - [7~] HADORN, E.: WiIhehn Roux ' Arch. En twiek lungsmeeh . Organ. i36, 400--489 (1937). - - [Tb] HADORX, E., G. ANDERS U. H. URSPRUNO: J. Expt l . ZooL 142, 159--175 ( 1 9 5 9 ) . - [8] HA~NAH-ALAVA, A. : Genetics 43, 878--905 ( 1 9 5 8 ) . - [9] KR6aER, H.: Wi lhe lm Roux ' Arch. E n t w i c k l u n g s m e i h . Organ. 151, 301--322 (a959). - - [10] LEwls, E .B . : Am. Zool. 3, 33- -56 (~963). - - [11] LOOSLI, R. : Develop. Biol. 1, 24- -64 (1959). - - [72] MI~K~ERJEE, A.S . : Ph. D. Thesis. Univ. of Caiif. 1964. - - [13] N6THIGER, R. : Wi lhe lm Roux ' Arch. En twiek lungsmech . Organ. 155 ,269 - -30 t ( 1 9 6 4 ) . - [14] ROBERTS, P.: Genetics 49, 593--598 ( t 9 6 4 ) . - [15] ROTMANN, E. : Verh. deut. zool. Ges. 1935, 7 6 - - 8 3 . - [16] SEREBROWSKY, A.S . : Wi lhe lm Roux ' Arch. En twick lungs - mech. Organ. 122, 88--104 (1930). - - [17] SPE~A~X'N, H. : Exper i - mente l le Beitr~ige zu einer Theorie der En twick lung . Berl in: Sprin- ger 1 9 3 6 . - [18] SP~MANN, H., u. O. SCHOTr~: Naturwissenschaf ten 20, 463--467 ( 1 9 3 2 ) . - [19] STERN, C.: a) Am. Scient is t 42, 2 1 3 - - 247 (1954) ; - - b ) Caryologia, Suppl. 6, 355--369 (1954); - - c ) Wi lhe lm Roux ' Arch. En twick lungsmech . Organ. 149, 1--25 (t956). - - [20] STERN, C., U. A. HANNAH: Portug. Ae ta biol., Ser. A, R. B. GoId- schmidt Volume, 798--812 (t950). - - [21] STERN, C., U. A.S. MIJK- I~ERJEE: Prec. Natl . Aead. Sci. India , Sect. B 34 (1), 19--26 (1964) . - - [22] TOKUNAOA, C.: a) Develop. Biol. 4, 489--516 (~962); - - b) Ge= net ics 46, 157--176 (196t). - - [23] TOI{UNAOA, C., u. C. STERN: Develop. Biol. (im Druck). - - [24] URSPRUNC, H. : Am. Zool. 3, 71--86 (1963). - - ['25] WADDINGTON, C.H. : Organisers and Genes. Cambridge: Cambridge Univers i ty Press t940. - - [96] WEISS, P.: Principles of Development . New York : Henry Hol t 1939.

Mit Unte r s t t i t zung der Na t iona l Science Foundat ion , Washing- ton, U.S.A., Grant No. 18057.

Departments o~ Zoology and Genetics, University o/ Cali/ornia, Berkeley, Cali/ornia, U.S.A.

Eingegangen am 1f. November 1964

Operative Gliederung der Chromosomen*) Von W. B~ERMANN (Tiibingen)

Die Fortschritte der modernen Genetik verdanken wir Untersuchungen an einfachsten Lebewesen, Bak- terien und Viren. Diese Untersuchungen haben uns Vererbung und Merkmalsbestimmung als informa- tionstheoretische Probleme und konkret als chemische Funktionen yon Nukleins~iuren verstehen gelehrt. Trotz der methodischen Vorteile, die einfache Modell- systeme bieten, wird sichauch die Molekularbiologie der tats~ichlichen Formenmannigfaltigkeit der Orga- nismen auf die Dauer nicht entziehen k6nnen. Der ganze Reichtum an ~iuBeren und inneren Differenzie- rungen hat sich zwar ausschlielglich in der Evolution der h6heren Organismen - - also auBerhalb der Bak- terien (und Blaualgen) - - entfaltet, aber gerade in der F&higkeit oder Unfiihigkeit zu h6heren Differenzie- rungsleistungen liegt das Problem. Ein Vergleich der biochemischen Leistungen yon Bakterien mit denen der h6heren Organismen macht es nicht wahrschein- lick, dab deren fast explosionsartiger phylogenetischer Aufstieg das Ergebnis yon groBen Fortschritten in der molekularen Ausstattung, also der bloB stofflichen Mannigfaltigkeit, gewesen ist. Die enzymatischen F~ihigkeiten der Bakterienzellen stehen denen h6herer

*) Vortrag, gehal ten auf der 103. Ve r sammlung der Gesellsehaft Deutseher Natur forscber und Arzte am 9. Oktober ~ 964 in Weimar .

Organismen im allgemeinen nicht nach, und Bakterien besitzen in ihrer DNS sicher genetische Information genug, um ebenso wie h6here Organismen viele Tau- sende yon Proteinen zu synthetisieren. Offensichtlich ist es in erster Linie ein Fortschritt in der inneren Organisation der Zelle, dem die h6heren Organismen ihre rasche Entfaltung in der Evolution zu danken haben, und man mug sick fragen, worin dieser ,, Sprung vorw~irts" in der Systemstruktur konkret besteht.

Zellen h6herer Organismen enthalten mancherlei Organellen ~vie Mitochondrien, Plastiden, Golgi- Apparate, Basalk6rner usw., die man in Bakterien nicht findet; aber darin kann man wohl kaum mehr sehen als den Ausdruck einer den Einzelzellen gege- benen komplizierteren Differenzierungsf&higkeit, eine F~ihigkeit, die sich bei der Entwicklung vielzelliger Systeme erst voll manifestiert. Der Abstand in den phylogenetischen Entwicklungsm6glichkeiten, der die h6heren Organismen von den Bakterien trennt, muf3 tiefere Ursachen haben. Viele Beobachtungen machen es wahrscheinlich, dab diese Ursachen in erster Linie in der Organisation des genetischen Materials, d.h. im Aufbau und der funktionellen Differenzierung der Chromosomen zu suchen sind. Dabei sind zwei Aspekte zu beriicksichtigen, die beide ffir die Evolution

366 W . BEI~RMANN : O p e r a t i v e G l i e d e r u n g d e r C h r o m o s o m e n Die Natur- wissenschaften

entscheidende Bedeutung gehabt haben miissen: die Kontrolle der Rekombination und die Kontrolle der Gen-Aktivit~iten.

Was die Rekombination betrifft, so kann zwar seit der Entdeckung yon Sexual- bzw. Rekombinations- vorg~ingen bei Bakterien yon einer rein klonalen Evo- lution dieser Organismen keine Rede mehr sein; aber die Mechanismen der genetischen Rekombination sind doeh vergleichsweise primitiv und nur ausnahmsweise effektiv genug, um Rekombinationsh~iufigkeiten fiber t0 -5 zu erm6glichen (Hfr-St~imme von E. coli). Erstens ist das genetische Material der Bakterien ge- w6hnlich nur in einem einzigen ,,Chromosom" unter- gebracht, das der h6heren Organismen dagegen (schon bei den primitivsten Formen) immer auf mehrere Chromosomen (mindestens 2, im Mittel 20) verteilt. Das erm6glicht ohne Zuhilfenahme von subtileren Rekombinationsmechanismen bereits ein NaB an genetischer Variation, wie es in Bakterienpopulationen wohl niemals erreicht wird, setzt allerdings auck die Existenz yon zuverl~issigen Verteilungs- nnd Segrega- tionsmechanismen ffir die Chromosomen voraus, wie sie nur die h6heren Organismen in der Mitose und der Neiose besitzen. Mit der Meiose steht den h6heren Organismen zudem ein Apparat zur Verfiigung, tier auch die Rekombination zwischen homologen Chromo- somen ihrer H~iufigkeit und ihrer Verteilung nach kontrolliert und der sie zeitlich mit bestimmten Re- produktionsphasen koordiniert. Im Besitz derartiger Mittel lassen sich bereits in einer Generation so zahl- reiche Gen-Kombinationen ,,dnrchspielen", wie man sie auf der Grundlage primitiver Rekombinations- mechanismen vielleicht erst in t 00 Generationen bzw. nur mit um mehrere Gr613enordnungen h6heren Indivi- duenzahlen austesten kann. Dieselben Mechanismen machen es aber aueh m6glich, bew~thrte Gen-Kombi- nationen yon der Rekombination ganz auszuschlieBen und auf diese Weise gfinstige Konstellationen voriiber- gehend zu fixieren.

Die Verteilung des Genoms auf mehrere Chromo- somen, die Kontrolle des crossing-over durch die Chromosomenpaarung in der Meiose und die gesetz- m~iBige Koppelung der Rekombination mit der Meiose fiberhaupt sind also sicher entscheidende Schritt- macher in der Evolution der h6heren Organismen ge- wesen [401. Es ist aber klar, dab durch eine Steigerung der Evolutionsgeschwindigkeit die systembedingten Entwicklungspotenzen der Organismen als solche nicht erweitert werden. Die Frage l~iBt sich jetzt des- halb dahin pr~izisieren, ob die Organisation der Bak- terienzelle an sich sehon ausreichen wfirde, vielzellige, differenzierte Organismen aufzubauen, und ob es nur infolge der primitiven genetischen Populationsstruktur der Bakterien zu einer Evolution nicht gekommen ist, oder ob der Bakterienzelle die M6glichkeiten der Differenzierung, die wir in den Zellen und Zetlverb~in- den h6herer Organismen verwirklicht finden, gar nicht gegeben sind. Damit kommen wir zu dem zweiten oben angesprochenen Aspekt, der Kontrolle tier Gen- Aktivit~tten oder, allgemeiner, der operativen Gliede- rung der Chromosomen.

Die Differenzierung verschiedenartiger Bereiche innerhalb der Zelle oder innerhalb yon Zeltverb/inden setzt die rigorose 6rtliche und zeitliche Kontrotle der Synthese yon Proteinen voraus. Viele andere Prozesse k6nnen dieser prim~tren Differenzierungsfunktion tiber-

lagert bzw. nachgeordnet sein (differentielle Enzym- aktivierung, differentielle molekulare Transportraten usw.), abet sie sollen hier nicht berficksichtigt werden, well nur die Proteinsynthese, soweit wit heute wissen, unmittelbar fiber das Genom kontrolliert werden kann. Dies gilt ffir die generelle Kontrolle der Proteinsynthese, dnrch die die Wachstumsrate der Zelle bestimmt wird, ebenso wie ffir die selektive Regulation der Synthege einzelner Proteine. Gibt es in der Struktur und im Verhalten der Chromosomen h6herer Organismen Be- sonderheiten, die man als entscheidende Verbesserun- g e n d e r Regulationsm6glichkeiten gegentiber der ,,operativen" Organisation des Bakterienchromosoms deuten kann ? Die Diskussion dieser Frage wird am besten mit einem Vergleich der wichtigsten Eigen- schaften des genetischen Apparats yon Bakterien und h6heren Organismen eingeleitet. Dabei bleiben die bereits erw~ihnten Fortschritte in den Rekombina- tionsm6gliehkeiten unberficksichtigt.

An erster Stelle muB hier auf eine Neuerwerbung hingewiesen werden, die ffir das gesamte Genom der h6heren Organismen und seine Regulation sicher yon groBer Bedeutung ist: die Kernmembran. Das Bak- terienchromosom liegt frei in der Zelle und hat damit unmittelbaren Kontakt zum proteinsynthetisierenden Apparat der Ribosomen. Dies mag die regulative Koppelung von Protein- und RN S- Synthese 1) (vgl. [9]) erleichtern, erschwert aber die getrennte Regelung beider Prozesse. Die Chromosomen der h6heren Orga- nismen schlieBen sich immer in einen membran- begrenzten Hohlraum ein, sobald sie physiologisch aktiv werden. Die Membran dieses Hohlraums, des ,,Kernes", verhindert die direkte Verbindung zwischen Chromosomen und Zytoplasma und wirkt fiberdies chemisch diskriminierend. Nachden Untersuchungen von SIEBERT [491 und anderen Autoren weichen die enzymatische Ausstattung des Kernes und seine Ionenzusammensetzung spezifisch yon denen des Zytoplasmas ab. Auch mehren sich die Befunde fiber kernspezifische Proteine noch unbekannter Funk- tion [12]. Die mit der Einbettung der Chromosomen in ein besonderes Funktionsmilieu nnd mit der Tren- nung yon chromosomalen und zytoplasmatisehen Syn- thesefunktionen geschaffenen neuen MSglichkeiten der Regulation sind wahrseheinlich besonders fiir die langfristige Einstellung der chromosomalen Aktivi- t~iten wesentlich, wie sie jede Zelldifferenzierung vor- aussetzt. So kann z.B. der Nukleolus, ffir den es bei Bakterien ja kein bekanntes Aquivalent gibt, als Glied eines Feedback-(Rfiekkoppelungs-)Mechanismus ver- standen werden, tier die Synthese von Ribosomen-RNS mit der Bereitstellung von Ribosomen-Protein (viel- leicht auch mit der Synthese yon Transfer-RNS) in eine feste Beziehung bringt und damit die gesamte Protein-Synthesekapazit~it der Zelle langfristig regu- liert. Was ffir die generelle Regulation der Protein- synthese gilt, wird mehr noch ffir die selektive Regu- lation zutreffen: Die Mechanismen der differentiellen Gen-Aktivierung, die wir bei h6heren Organismen aus- gebildet finden, setzen wahrscheinlich die Existenz des Zellkernes notwendig voraus.

Nun zu den Chromosomen selber: Das Bakterien- chromosom kann man chemisch als ein einziges Mote- kfil yon DNS beirachten. Histone oder andere Protei- ne sind mit der DNS in Bakterienchromosomen nicht

1) R N S = Ribonukle ins~iure ; D N S = D e s o x y r i b o n u M e i n s a u r e .

Heft 13 t965 (Jg. 52) W . B E E R M A N N : O p e r a t i v e G l i e d e r u n g d e r C h r o m o s o m e n 367

nachweisbar assoziiert. Das Fehlen dieser Proteine in Bakterienchromosomen gibt einen ersten Hinweis auf ihre einfachere operative Organisation, denn die Chromosomen hOherer Organismen enthalten immer (mit Ausnahme der Dinoflagellaten) Histone oder Protamine, in den physiologisch aktiven Stadien auch andere Proteine, die an die DNS salzartig oder viel- leicht zum Teil auch kovaIent gebunden sind. Die Chromosomen-Proteine scheinen eine Schlt~sselstellung in der Gen-Regulation der hSheren Organismen einzu- nehmen (s. unten). Aber auch wenn man von den Proteinen einmal absieht, so stSl3t die Homologisierung der Bakterienchromosomen mit den Chromosomen hSherer Organismen auf Schwierigkeiten. Das Chro- mosom yon Escherichia coli und anderen Bakterien repr/isentiert eine DNS-Menge yon etwa 10 -14 g; es ist ein Faden von fund I mm L~inge mit rund 106 bis 107 Nukleotidpaaren. Die DNS-Menge im haploiden Chromosomenbestand hSherer Organismen liegt schon bei sehr kleinchromosomigen Arten (Pilzen, Poriferen) um mindestens eine Zehnerpotenz hSher und betr~tgt bei den meisten Organismen t0 -1~ bis 10 -11 g, bei einigen sogar bis zu 10-1~ (manche Liliaceen und Amphibien). Entsprechend verhalten sich die Chro- mosomen-Gr613en. Das Problem dieses enormen l]ber- angebots yon genetischem Material bei hSheren Orga- nismen ist mit der Frage seiner operativen Gliederung eng verknfipft und wird im Zusammenhang damit noch besprochen werden; zun~tchst sei nur der struk- turelle Aspekt hervorgehoben.

W~thrend sich Bakterienchromosomen noch gut als einzelne Molekfile verstehen lassen, erscheint die An- wendung des Molekfilbegriffs auf Chromosomen mit 10 -1~ g oder mehr DNS nur in der Form sinnvoll, dab man von vorneherein mit einem multiplen Aufbau rechnet, also jedes Chromosom je nach der DNS- Menge als einen Komplex von Hunderten oder Tau- senden von DNS-Molekfilen auffal3t. Eine in der Chromosomenforschung bis in die jfingste Zeit vertre- tene Theorie mSchte den multiplen Aufbau einfach als ,,Polynemie" (inkorrekt: ,,Polyt~nie") ~) verstanden wissen [46]: Jedes Chromosom soll danach aus 2 n homologen und kabelartig vereinigten DNS-Histon- Ffiden bestehen, wobei n je nach der Spezies Werte bis tiber 10 erreichen wfirde. Theoretisch scheitert diese Lehre an dem Problem der Manifestation von Muta- tionen und an der Frage des Rekombinationsmecha- nismus. Bei t28 Str~tngen pro Chromosom mfiBten z.B. offensiehtlich mindestens 8 Verdoppelungs- und Teilungsschritte ablaufen, bevor eine in einem Strang induzierte rezessive Mutation bzw. ein Rekombina- tions-Ereignis sich manifestieren kSnnten. Die hier- archische Aufteilung der Str/inge, die hier voraus- gesetzt wird - - Tochterstr/inge sollen zun/ichst mit- einander in einem Tochterchromosom vereinigt blei- ben - - , steht aber in direktem Widerspruch zu dem tats~tchlichen Ablauf der chromosomalen DNS-Segre- gation bei der Verdoppelung. Nach den klassischen Markierungsexperimenten von TAYLOR [55a] verh~ilt sich das ganze Chromosom hierin wie ein DNS-Molekfil, d.h., die Segregation folgt insgesamt dem semi- konservativen Schema, und unmarkierte Chromoso- men spalten regelm~il3ig bereits in der zweiten Tei lung nach der DNS-Markierung heraus. Bei hierarchischer Segregation und 2n-Str~ngen kSnnten sie frfihestens

1) G r i e c h . ~o~6r = v ie l ; ~ z~v[~ = B a n d , B i n d e ; T6 v@~ = G e w e b e . Naturwissenschaften t965

im n - / 2 t e n Teilungsschritt herausspalten. TAYLOR [55a, b, c] und FREESE [20] haben deshalb die DNS- Molekfile in den von ihnen entworfenen Chromosomen- Modellen anders angeordnet. Man erreicht die koordi- nierte Segregation zahlreicher DNS-Tochtermolekfile entweder durch laterale Anheftung an eine Achsen- struktur (aus DNS oder Protein oder aus beiden Sub- stanzen) (,,Flaschenbfirsten"-Modell, [55a]) oder ein- facher, wenn man sie alle in Form einer Kette hinter- einanderreiht ([20, 55b]). Die Kettenglieder (DNS- Molekfile) k6nnten durch ,,Linkers" aus Protein oder Aminos/iuren verbnnden sein, es w~ire aber auch eine direkte Verknfipfung der Glieder denkbar, wobei dann der Molekfilcharakter jedes Gliedes nur in seiner ope- rativen Selbst~indigkeit (s. unten) zum Ausdruck k/ime. An Amphibien-Chromosomen, deren j edes bei Triturus eine DNS-Kette yon ungef~thr t m (!) L~nge (= t0-11g DNS) repr~tsentieren wfirde, hat GALL [21~ die Kinetik der enzymatischen Zersttickelung mit DNSase studiert und gefunden, dab das Chromosom fiber seine ganze L~tnge - - in den Interchromomeren wie in den Chromo- merenschleifen des Lampenbfirsten-Stadiums - - tat- s/ichlich nur aus einer einzigen Kette von linear hinter- einandergereihten DNS-Molekfilen (Doppelhelices) be- stehen kann. Damit ist das Problem der Chromosomen- Gr613e auf das Problem der Chromosomenl/inge und allgemein auf das seiner linearen Gliederung bzw. auf Anzahl, Gr6Be und Art der Glieder reduziert. Es stellt sich die Frage, ob z. B. ein einzelnes Molch-Chromosom fiber t000mal mehr Gene als das Chromosom yon E. coli entMlt oder ob die einem ,,Gen" entsprechen- den Untereinheiten beim Molch viel grSBer bzw. durch lange Abschnitte nicht informatorischer DNS vonein- ander getrennt sind, Die Antwort h/ingt zun~chst davon ab, was man unter ,,Gen" verstehen will.

Die experimentelle Genetik und die Cytologie bieten mehrere MOglichkeiten der Definition von ,,Genen", d.h. selbst/indigen chromosomalen Einhei- ten. Als ,,Muton" und als ,,Recon", d.h. als kteinste Einheiten der Mutation und der Rekombination, k6n- nen wohl bei allen Organismen die einzelnen Nukleo- tidpaare der DNS gelten. Ob es bei hSheren Orga- nismen auch gr6Bere Rekombinationseinheiten gibt, bleibt offen. Bei Pilzen (Aspergillus, vgl. [45]) lieB sieh keine Nahtstelle zwischen intra- und intergeni- scher Rekombination erkennen, jedoch deuten Experi- mente an Ascobolus [35] auf die Existenz von gr6Beren selbst/indigen Rekombinationseinheiten (,,Polarons") hin, die sich ihrer Ausdehnung nach mit bestimmten ,,Genen" decken und m6glicherweise mit Replika- tionseinheiten der DNS (s. unten) identisch sind. Es ist auch bemerkenswert, dab bestimmte Serien mutan- ter Allele bei Drosophila melanogaster (apricot-Serie und eosin-Serie des white-Locus, vgl. [24]) unter fiber t05 geprfiften Nachkommen bisher keine Rekombi- nanten geliefert haben. Ffir dieses negative Ergebnis gibt es allerdings auch andere DeutungsmSglichkeiten.

Der klassischen Vorstellung des,, Gens" kommt das moderne ,,Cistron" oder, allgemeiner, die informato- rische Einheit am n/ichsten. Zwei Mutanten a 1 und a 2 sollen dem gleichen Cistron angehSren, wenn sie sich in der ,,Trans"-Stellung, d.h. in der Kombination a l + / + a ~ nicht komplementieren, sondern den mu- tanten Ph~tnotyp ergeben. Der Cistron-Begriff ist ganz auf die ,,Ein Gen--ein Protein"-Beziehung, d.h. auf den Grundvorgang der Informationsfibertragung,

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368 W. BEERMAN~: Operative Gliederung der Chromosomen Die Natur- wissenschaften

gemiinzt und hat insofern ft~r alle Organismen theo- retische Giiltigkeit. Auf der Grundlage des Codie- rungsverh/iltnisses 3 Nukleotide/t Aminos~iure miissen alle Organismen ,,Cistren" 5hnlicher L~tnge besitzen. In der Praxis reicht aber der Cis-Trans-Test nicht aus, um die informatorischen Grenzen einzetner Poly- peptide auf der Ebene des Genoms eindeutig abzu- stecken. Komplementation kann auch zwischen echten Allelen stattfinden [67]; der multimere Aufbau vieler Proteine l~iBt es zu, dab Faltungsfehler verschiedener mutanter Protein-Monomere ein und desselben Ci- strons durch Wechselwirkung mit den homologen nichtmutanten Stellen auI der Ebene der Tertigr- struktur wechselseitig korrigiert werden [16]. Der umgekehrte Fall,. dab ein Cis-Trans-Effekt zwischen Mutationen beobachtet wird, die sicher nicht dem gleichen Cistron angeh6ren (,,Pseudoallelismus"), kornmt ebenfalls vor. Diese Situation mul3 als Aus- druck der regulatorischen Koordination mehrerer be- nachbarter informatorischer Einheiten aufgefal3t wer- den und bildet den experimentellen Ausgangspunkt fiir das Konzept tier operativen Einheit, des ,,Operon" ([81], s. unten).

Die Schwierigkeiten, insbesondere die zuletzt ge- nannte, zeigen, dal3 tier Cis-Trans-Test atlein nicht geeignet ist, die Frage zu kl~ren, ob und wieweit Chromosomen h6herer Organismen ihre gr613ere L~inge einer Steigerung der Gen-Anzahl im Sinne einer Ver- mehrung der Protein-Cistrons zu verdanken haben. Immerhin ist die t3bereinstimmung zwischen den ft~r h6here Organismen (Drosophila melanogaster) und fiir Bakterien gesch~itzten Gen-Anzahlen bemerkenswert: man kommt in beiden Ffillen auf t04. Bei Bakterien wird die Zahl direkt aus der L~inge des Chromosoms abgeleitet, bei Drosophila aus dem Verh~ltnis der pro Genom bzw. pro Chromosom anfallenden Mutationen zur Mutationsrate an einem bestimmten Locus [41, 1]. Der ,,Locus" ist dabei durch den Allelie-Test, d.h. durch den Trans-Effekt, definiert, und darin liegt die Unsicherheit. W~thrend im ersten Fall echte Cistrons gemeint sind, erfagt die zweite Methode operative Einheiten, was zwar nicht ausschlieBt, dab deren An- zahl gr6Benordnungsm~tBig derjenigen der Cistrons entspricht, doch ist dies nur eine der m6glichen Deu- tungen. Fiir gleiche ,,Gen"-Anzahlen trotz wechseln- der DN S-lVIenge, d. h. gegen die direkte Proportionalit~it yon DNS-Gehalt und Anzahl der Cistrons, sprechen auch Argumente allgemeinerer Natur: Die Organisa- tionsh6he ist in der Phylogenese durchaus nicht ein- deutig mit dem DNS-Gehalt des Genoms korreliert: S~uger und VSgel z.B. besitzen durchweg kleinere Chromosomen und weniger DNS pro Chromosomen- satz als die meisten Amphibien. Zudem gibt es in allen Organismengruppen eng verwandte Arten, deren DNS-Werte bzw. ChromosomengrSgen sich um mehr als den Faktor I0 unterscheiden, ohne erkennbaren Unterschied in der OrganisationshShe, z.B. Moleh und Frosch [39], Mesostoma Ehrenbergi und M. lingua (Turbellarien, nactl eigener Beobachtung), Cyclamen persicum und C. libanoticum (nach [28]) und andere.

DaB verwandte Arten in der Anzahl der im Genom codierten Proteine um mehr ais das 10fache divergie- ten, erscheint a priori absurd. Die Deutung tier Unter- schiede im Sinne einer identischen Vervielfachung der gesamten Information scheidet ebenfalls aus: Die Argumente gegen die ,,Polynemie"-Hypothese wurden

schon genannt, aber auch die lineare, tandemartige Vervielfachung s/imtlicher Cistrons st613t als Denk- m6glichkeit auf groBe Schwierigkeiten, denn sie wflrde die Manifestation yon Mutationen nach unseren heu- tigen Kenntnissen vollst~indig verhindern. Hier wird also zweierlei deutlich: Die DNS in Chromosomen h6herer Organismen kann nicht ausschliel31ich, und nicht einmal vorwiegend, aus Protein-Cistrons be- stehen. Zweitens muB es die molekulare Organisation dieser Chromosomen zulassen, dab die nicht protein- codierenden Teile der DNS unabMngig von den Pro- tein-Cistrons vermehrt werden. Beide Postulate leiten yon den Fragen der rein informatorischen zu jenen der operativen Gliederung der Chromosomen fiber, und je- denfalls liefert dieUnterteilung des genetischenMaterials nach den klassischen Kriterien der Mutation, Rekom- bination und , ,Funktion" (,,muton", ,,recon" und ,,cistron" [7]) keine direkten Anhaltspunkte fiir eine wesentlich kompliziertere Organisation der Chromo- somen h6herer Organismen.

DaB Chromosomen iiberhaupt operativ gegliedert und dab Gruppen yon Genen oft zu komplexen Funk- tionseinheiten zusammengeschlossen sind, batten be- reits die ,,Positions-Effekte" der klassischen Genetik wahrscheinlich gemacht (Referat bei LEWIS [84]). Nach unseren heutigen Kenntnissen sind die chemischen Funktionen des genetischen Materials im Prinzip syn- thetischer Art. Den eigentlichen Vererbungsvorgang kennen wir als Synthese yon DNS in Form der Replika- tion und die Ablesung der Information - - die ,,Tran- skription" - - als Synthese von RNS. Bei der i3berset- zung (Translation) der Nukleotidsequenzen der RNS- ,,Messenger" in Sequenzen yon Peptiden wirken zwei weitere Arten von RNS mit, die ribosomale RNS und die Transfer-RNS, die keine Information iibertragen, deren Synthese aber ebenfalls DNS-abh~ngig ist. Die Frage nach der operativen Gliederung der Chromo- somen ist also zun~ichst die Frage nach Einheiten der DNS- und RNS-Synthese, im weiteren auch die Frage nach dem informatorischen und regulatorischen Charakter dieser Einheiten, wie er sich bei der i)ber- setzung in ph~inotypische Eigenschaften ~iul3ert.

Ziemliche Klarheit herrscht heute in der Frage der Replikationseinheit der DNS, des ,,Replicons". Bei den bisher gepriiften Bakterien (E. coli, B. subtilis) bildet das ganze Chromosom die operative Einheit der DNS-Verdoppelung. Ausgehend yon einem bestimm- ten Startpunkt l~tuft die DNS-Synthese reigverschlul3- artig am Chromosom entlang. Bei exponentiellem Wachstum kann nach jedem Verdoppelungsschritt sofort ein neuer Zyklus eingeleitet werden. Fiir die RNS- und damit die Proteinsynthese ergibt sich dar- aus die Situation, dab die dem Startpunkt n~ther liegenden Gene gegeniiber den entfernteren w~ihrend eines Teils der Generationszeit in doppelter Dosis vor- ]iegen. Dies fSllt aber bei tier zeitlich sehr engen Kop- pelung yon Zell- und DNS-Verdoppelung wahrschein- lich nicht ins Gewicht und k6nnte sogar ein Weg sein, die beiden Vorginge auf sehr einfache Weise mit- einander zu koordinieren. Weitergehende Regula- tionsm6glichkeiten bietet dieses System, ,,ein Chro- mosom - - ein Replicon", nattirlich nicht. Demgeg~n- t~ber zeigen die Chromosomen tier h6heren Organismen mindestens zwei Verfeinerungen : In j edem Chromosom kann die DNS-Synthese an zahlreichen Orten und innerhalb eines Synthese-Zyklus zu verschiedenen

Heft ~3 W. BEERMANN: Opera t ive Gl iederung der C h r o m o s o m e n 3 6 9 1965 (Jg. 52)

Zeiten beginnen bzw. aufh6ren (z.B. Hsu [30]). AuBerdem kann die zeitliche Staffelung auch gr6fiere Chromosomenabschnitte en bloc oder ganze Chro- mosomen erfassen; nach den bisherigen Erfahrungen sind die heteropyknotischen (,,heterochromatischen") Anteile des Genoms in der DNS-Synthese stets ver- zSgert. Bei den oft en0rmen DNS-Mengen in den Chromosomen h6herer Organismen ist die Untertei- lung in kleinere Replicons eine verst~indliche Not- wendigkeit; es l~il3t sich z.B. leicht einsehen, dal3 nur so die Replikation des gesamten Drosophila-Genoms in 5 bis t0 min m6glich ist, wie es in der Furchung tatsgchlich geschieht [80J. Die Unterteilung bildet wahrscheinlich die Voraussetzung zur Evolution grol3er Chromosomen und schafft gleichzeitig die M6glichkeit, bestimmte Bereiche des Genoms durch Asynchonien in ihrer Aktivit~it zu beeinflussen. Ins- besondere TAYLOR [55C] h~lt es ftir m6glich, dab die Inaktivierung, d.h. Still-Legung, des einen der. beiden X-Chromosomen in der Entwicklung yon S~tuger- Weibchen prim~tr durch eine vom anderen X induzierte Verz6gerung der DNS-Replikation zustande kommt, die sich dann selbst~tndig perpetuiert, und dab die Inaktivierung yon einzelnen Genen in der Nachbar- schaft von ,,heterochromatischen" Chromosomen- abschnitten die gleiche Ursache hat.

Fiir unsere 13berlegungen ist zun~ichst die Frage nach der Gr613e und Natur der kleinsten Replikations- einheiten am interessantesten. In Riesenchromosomen stimmt die Gliederung in einzelne Replicons often- sichtlich mit der sog. Chromomeren-Gliederung, dem Querscheiben-Muster oder ,,banding pat tern", iiber- ein, d.h., jedes Chromomer scheint die DNS-Replika- tion im Rahmen der Synthese-Periode selbst~indig be- ginnen und beenden zu k6nnen [33, 44]. Die Chromo- meren-Gliederung ist eine Eigentiimlichkeit der Chro- mosomen h6herer Organismen, die sich nur bei mikro- skopischer Betrachtung der Chromosomen und letzten Endes nur auf Grund ihres enormen DNS-Gehalts ent- hiillt. Wenn man das Chromosom als eine Ket te yon Hunderten yon Gliedern aus DNS-Histon auffal3t, so ~tul3ert sich die Chromomeren-Gliederung darin, dab zwei Klassen yon (alternierend angeordneten) Ketten- gliedern auftreten, die sich in ihrem DNS-Gehalt und in der Regel in ihrem Kondensationsgrad nm minde- stens eine Gr613enordnung voneinander unterscheiden, die Chromomeren und die Interchromomeren. DaB die Interchromomeren tiberhaupt DNS enthalten, wird durch die Enzymversuche von CALLAN und MCGREGOR [14] an Lampenbiirsten-Chromosomen wahrscheinlich gemacht: Nur DNSase fragmentiert die Interchromomeren, w~ihrend s/imtliche Arten yon Proteasen oder RNSase versagen. Empfindliche Farbnachweise (AzurB-Feulgen nach SWIFT [84], Acridin-Orange nach WOLSTENHOI.ME unver6ff.) ftih- ren ffir den Fall der Riesenchromosomen zu dem gleichen Ergebnis. STEV~ENSEN [52] zweifelt das Vor- kommen vonDNS in Interchromomeren an: Der nega- tive Ausfall seiner Markierungsversuche mit Thymidin kann aber auch anders gedeutet werden.

Die Chromomeren-Gliederung der meiotischen und insbesondere der polyt~tnen (Riesen-)Chromosomen hat in der klassischen Zytogenetik immer als direktes Ab- bild der genetischen Gliederung gegolten, wobei ent- weder die Chromomeren oder die Interchromomeren oder auch beide paarweise vereinigt als Gene betrach-

tet wurden. DaB die sichtbaren Chromomeren nicht ,,Cistrons" gieichgesetzt werden kSnnen, ist selbst- verst~indlich, denn dazu sind sie viet zu groB (die fein- sten Chromomeren von Drosophila enthalten 104 bis 105 Nukleotidpaare DNS [48J). Ihrer L~inge nach k6nnten eher die Interchromomeren als groBe Ci- strons oder Gruppen yon Cistrons gelten, wenn man sie als maximal ausgestreckte DNS-Molekiile auffaBt. Was das oben zuerst genannte Postulat betrifft - - das Alternieren von proteincodierenden und nicht protein- codierenden DNS-Einheiten - - , so w~ire es nattirlich verlockend, die proteincodierenden Abschnitte mit den Interchromomeren und die nicht proteincodierenden mit den Chromomeren gleichzusetzen, aber ebensogut k6nnten die Protein-Cistrons auch in den Bereich der Chromomeren fallen und die Interchromomeren eine Art yon Verbindungsgliedern mit rein mechanischen Funktionen darstellen (s. unten). Nit unserem zweiten Postulat (der autonomen Vermehrungsffihigkeit von bestimmten Teiten der DNS) stimmt der durch die Autoradiographien begrtindete Verdacht, dab die Chromomeren (vielleicht unter EinschluB j e eines Interchromomers) operative Einheiten im Sinne yon Replicons sind, gut zusammen. Zudem gibt es kon- krete Hinweise darauf, dab einzelne Chromomeren ausnahmsweise iiberz~hlige Replikationszyklen durch- laufen, so dab Chromomeren mit dem 4-, 8- und t6fa- chen des ursprtinglichen DNS-Gehalts entstehen: KEYL [33] hat alle Stufen dieser Verdoppelungsreihe in bestimmten Chromomeren yon Chironomus-Spei- cheldrtisenchromosomen als nattirliche genetische Varianten gefunden (Feulgen-Spektrophotometrie). Die groBen Unterschiede im DNS-Gehalt verschiede- ner Chromomeren innerhalb eines Chromosomen- satzes (maximal etwa 1:t0) k6nnen ebenfalls fiir die autonome Evolution der DNS-Werte der Chromome- rerL ins Feld geftihrt werden, es sei denn, die Werte spiegetten direkt die relativen L~ngen ihrer ,,Mono- meren" wider. In Riesenchromosomen liegt die Dicke der Querscheiben (d.h. die L~ingsausdehnung der Chromomeren) zwischen ungef~ihr 0,05 und 0,5 ~. Querscheiben von 0,1 bis 0,2 V Dicke entsprechen nach RUDKIN etwa t05 Nukleotidpaaren DNS, d.h., die DNS-Werte liegen zwischen l04 und 106 Nukleotid- paaren bzw. Molekulargewichten von t 07 bis 109. Dies sind Werte, die der DNS ganzer Bakterienchromoso- men nahekommen (im Falle der Amphibien ist dies ganz sicher so, s. unten). Auch deshalb erscheint die Hypothese Chromomer = Replicon plausibel.

Die Deutung der von KEYL beobachteten Verdop- pelungsreihen der DNS-Werte Iordert einen Mechanis- mus der Doppelreplikation, der notwendig zu Repli- cons yon doppelter Gr61?e, d.h. doppelter L~inge ftihrt. Eine Denkm6glichkeit w~ire die, dab Anfangs- und Endpunkt des Replicons wie bei den Bakterien w~th- rend der Replikation in Kontakt sind (Schteifen- bzw. Ringbildung) und dab diese Konfiguration das ge- legentliche Uberspringen des Endpunktes mit einer nachfolgenden zweiten vollen Runde der Replikation begiinstigt. Voraussetzung ist nattirlich, dab Anfangs- und Endpunkt des Replicons durch besondere Struk- turen markiert sind, die nicht yon der Doppelreplika- tion mit erfal3t werden (analog zu den Replikatoren und Episomen der Bakterien) : Als solche Strukturen bieten sich die Interchromomeren an. DaB die Inter- chromomeren als Replicons in ihrer Gesamtheit m6g-

370 W. BEERMANN: Operative Gliederung der Chromosomen Die Natur- wissenschaften

licherweise ein Eigenleben ftihren, wird durch die manchmal zu beobachtende diffuse Thymidin-Markie- rung der Riesenchromosomen angedeutet [38, 44]. Im ganzen kann man sich den AbIauf der Chromosomen- Replikation so vorstellen, daB die Interchromomeren zuerst replizieren und dab danach erst die ztigehSrigen Chromomeren sie beginnen. Nach vollendeter Repli- kation beider Arten von Kettengliedern schlieBen sich Chromomeren und Interchromomeren zu den Tochter- ketten zusammen, und zwar gesetzm~tgig so, dab ins- gesamt das semikonservative Schema gewahrt bleibt. Wieweit diese Spekulationen tiber die Natur und die Evolution der Replicons in den Chromosomen hSherer Organismen richtig sind, bleibt abzuwarten.

Die Gliederung in Replicons - - Chromomeren und Interchromomeren - - macht verst~indlich, wie groBe, DNS-reiche Chromosomen entstehen und existieren k6nnen, fJber die physiologische Bedeutung dieses Zuwachses an Material rind Komplexit~it, den wir in den Chromosomen der h6heren Organismen beobach- ten, insbesondere tiber seine Beziehting zti den Ent- wicklungs- und Differenzierungsleistungen - - d.h. zur differentiellen Regulation der Proteinsynthese - - , ist damit nattirlich nichts ausgesagt. Es sind nicht die Vorg~inge der Replikation, sondern die tier Tran- skription und Translation, also an erster Stelle die DNS-abMngigen Synthesen von RNS, die uns in diesem Zusammenhang interessieren mtissen. Finden sich in der Organisation der Chromosomen hSherer Organismen die strukturellen Grundlagen fiir Regu- lations- und Koordinationsmechanismen hSherer Ord- nung, die speziell dazu dienen, die RNS-Synthesen zti kontrollieren ? Wie ist die operative Gliederung der Chromosomen beschaffen, wenn man sie tinter diesem Aspekt betrachtet ?

Die differentielle Regulation der Proteinsynthese erfolgt, wie schon erw~ihnt, entweder auf dem Niveau der Transkription (Ablesung der Information in Form der Synthese von Messenger-RNS) oder auf dem Niveau der Translation (lJbersetzung yon Nukleotid- in Peptidsequenzen, tinter Beteiligting yon Transfer- und ribosomaler RNS). Man hat also zun~ichst nach den Einheiten der Transkription und der Translation zu fragen und auBerdem nach Einheiten der Synthese von Transfer- und ribosomaler RNS. Mit rein geneti- schen Methoden ist die Unterscheidung von Tran- skription und Translation schwierig; sie erlauben es nur, operative Einheiten der Informations-!Dbertragung oder ,,Operons" zu definieren. Die Grtindlage bildet der Cis-Trans-Effekt zwischen nichtallelen, benach- barten Informationseinheiten (Cistrons): Ergibt die Kombination a + / - / b einen anderen Ph~inotypus als die Kombination ab/++, wobei a und b Mutationen in verschiedenen Cistrons repr/isentieren, so geh6ren a und b zu einer operativen Einheit. Hat a selbst keine andere pMnotypische Wirkung als die, die Manifesta- tion von b (oder weiteren Mutationen in anschliegen- den Cistrons) in der Trans- anders als in der Cis-Stel- lung zu beeinflussen, z.B. Dominanz an Stelle yon Rezessivit~t hervorzurufen, so heiBt das a-Gen ,,Operator" [31]. Der Operator koordiniert die Akti- vit~it der ihm untergeordneten Cistrons, aber nur so- welt sie strukturell direkt mit ihm gekoppelt sind, d.h. im gleichen Chromosom liegen, und er bestimmt auch ihre Reaktionsweise auf reprimierende oder aktivierende (dereprimierende) Faktoren. Die nega-

rive Operator-Mutation 0 ~ im ,,Lac"-Operon von E. coli wirkt sich z.B. Wie ein Verlust der anschliel3en- den Cistrons der fl-Galaktosidase, der Gataktosid- Permease und der Galaktosid-Transacetytase aus. Prinzipiell ist die Anwendting des ftir Bakterien er- arbeiteten Operon-Begriffs auf genetische Situationen in h6hereI10rganismen m6glich (z. B. Hefe, vgl. [26], oder Mais und Drosophila, vgl. [37, 33b]). So kann man z.B. die verschiedenen Pseudoallele der white- Serie (apricot- und eosin-Loci) bei Drosophila als An- gehSrige eines Operons betrachten, aber im einzelnen erscheint diese Deutung doch als zu einfach, wie be- sonders LEWIS [34b] gezeigt hat: Im Bereich des bithorax-Genkomplexes, der mindestens 5 durch crossing-over trennbare pseudoallele Loci umfaBt, sind n~imlich neben operator-typischen Effekten (,,Cis- Vection"), die sich auf Gene in Cis-Stellung beschr~tn- ken, auch operative Wechselwirktingen zwischen Ge- nen in der Trans-Konfiguration nachweisbar, und zwar atif dem Niveau des Chromosoms (,,Trans- Vection"). Aber auch bei so einem einfach gebauten, biochemisch-genetisch besonders gut analysierten hSheren Organismus, wie es die Here ist, stimmen die Befunde tiber Gen-Regtilation in den Einzelheiten nicht mit dem Operon-Konzept iiberein [26]: Ope- rator-Mutationen sind bisher tiberhaupt nicht aufge- treten, und die Mutationen regulatorischer Gene wir- ken sich anders aus als bei Bakterien. Worin die eventtiellen Fortschritte in den Regulationsmechanis- men und in der operativen Gliederung hSherer Chro- mosomen tats~ichlich bestehen k6nnten, das freilich kann man mit genetischen Experimenten nicht in Er- fahrung bringen. Wir kehren deshalb zur direkten Betrachtung der Chromosomenfunktionen znrtick.

JACOB und MONOD [31] haben das Operon zun~ichst als Einheit der Transkription, also der Synthese von (Messenger-)RNS aufgefaBt. Befunde, wonach die Aktivierung (Depression) des Galaktose-Operons bei E. coli die Synthese groBer Mengen einer RNS nach sich zieht, deren Homologie mit der DNS der Laktose- Region im molekularen Hybridisierungsversuch wahr- scheinlich gemacht wurde [1], sttitzen die ursprting- fiche Deutung. Doch mehren sich Hinweise darauf, dab das Operon in manchen Situationen eher als Ein- h e r der Translation aufzufassen ist bzw. dab die ope- rative Kontrolle erst im Stadium der Translation wirksam wird [53]. Das widerspricht aber nicht dem Gedanken, der den i)berlegtingen yon JACOB und MoNoD zugrunde liegt : In der RNS-Synthese der Bak- terien sollen im Gegensatz zu der DNS-Synthese nicht ganze Chromosomen die Syntheseeinheiten darstellen, sondern Teilstticke, die in ihrer Ausdehnting Operons entsprechen. DaB es zahlreiche, vielleicht Hunderte yon autonomen Startptinkten der RNS-Synthese in Bakterienchromosomen geben mug, daftir sprechen Hybridisierungsversuche yon MCCARTHY und BOL- TON [861; nach ihnen wtirden sich manche Bereiche des Bakterien-Genoms in ihrer RNS-Syntheseaktivit~it um mehr als das 200fache von anderen unterscheiden k6nnen. Trotz der geringen Gr613e tier Bakterien- chromosomen ist also in diesen Chromosomen wahr- scheinlich bereits eine Gliederung in Hunderten yon autonomen Transkriptions-Einheiten verwirklicht. Wie JACOB und MONOD ausgefiihrt haben, erkl~rt diese Art der operativen Gliederung nicht nur die

enzymat ische Adaptation der Bakterien, sondern ist

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geeignet, zumindest modellm~tBig auch die Differen- zierungsleistungen der Zellen h6herer Organismen zu interpretieren. Vorauszusetzen w~iren lediglich die relative Kurzlebigkeit der Messenger-Molekiile, wie sie bei Bakterien tats~tchlich gegeben zu sein scheint, und die gleiche Lebensdauer aller Messenger-Molekfile, so dab die Einstellung dynamischer Gleichgewichts- zust~tnde der Messenger-Konzentrationen (und damit der Proteinsyntheseraten) erm6glicht wird.

Wie ist nun die Situation in den Zellen h6herer Organismen iats~tchlich ? Wir haben in den letzten Jahren mit Untersuchungen an den hochdifferenzier- ten Riesenzellen yon Dipteren-Larven, deren Chromo- somen im Zellkern als Riesenchromosomen das Chro- momerenmuster klar erkennen lassen, derartige Fragen unmittelbar auf der Ebene der Chromosomen zu prti- fen versucht und sind dabei zun~ichst zu Ergebnissen gekommen, die die Vorstellungen von JAcoB und MONOD in tiberraschender Weise zu best~ttigen schei- nen oder sie doch zumindest veranschaulichen. Es war bereits den ersten Untersuchern der Riesenchromoso- men-Morphologie (Literatur bei BEERMANN [Se]) auf- gefallen, dab die KontnrenscMrfe der Chromomeren oder ,,Querscheiben" variiert. Manche erscheinen diffus konturiert und gleichzeitig schw~tcher gefitrbt,. manche verschwinden fast ganz im Bereich von diffu- sen, blaBgefiirbten Anschwellungen des Chromosoms. Die Erscheinung wird englisch anschaulich als ,,Puff- ing" bezeichnet, die ver~inderten Chromomeren bzw. Chromosomenorte als ,,Puffs". Wir haben zun~ichst festgestellt, dab die 6rtliche Verteilung und das zeit- liche Auftreten dieser Verfinderungen keineswegs zu- fgllig variieren, sondern eng mit dem Differenzierungs- zustand der Zellen korreliert sind [5a, b], eine Bezie- hung, die sich in zahlreichen weiteren Untersuchungen an verschiedenem Material best~itigt hat ([10, 88, 3, laa] u. a.). Bei Chironomus zeichnen sich verschiedene Organe und Zelltypen und verschiedene Entwick- lungszust~inde jeweils durch bestimmte andere Puff- Spektren in den Riesenchromosomen aus, so da~3 man yon einer morphologischen Differenzierung der Chro- rnosomen im Zusammenhang mit der Zelldifferenzie- rung und Entwicklung sprechen mug. Die Art dieser Differenzierung zeigt unmittelbar die Existenz yon selbst~ndig reaktionsf/ihigen Untereinheiten in den Chromosomen an, und ftir die Beurteilung der be- obachteten Ver~inderungen ist deshalb zun~chst die Frage entscheidend, mit welchen bereits bekannten chromosomalen Untereinheiten sich diese Einheiten des ,,Puffing" decken. Vergleichend-morphologische und zytogenetische Untersuchungen (insbesondere durch R6ntgenbestrahlung erzeugte Stfickverlagerun- gen mit Bruchstellen im interessierenden Bereich) machen es wahrscheinlich, dab selbst die gr6Bten ,,Puffs", die sog. ,,Balbiani-Ringe", nicht wesentlich mehr als den Bereich einzelner Chromomeren repr/isen- tieren: Die Einheit des Puffing ist also in der Regel das Chromomer (eventuell mit dem dazugeh6renden Interchromomer). Das Puffing kann als Entfaltung der DNS des Chromomers verstanden werden. Diese Interpretation wird dm-ch etektronenoptische Be- obachtungen gesttitzt [6] und stimmt mit dem oben diskutierten Kettenmodell der Chromomerengliede- rung tiberein: Selbst wenn man fiir das entfaltete Chromomer im gr613ten Balbiani-Ring yon Chironomus eine L~nge yon 10 ~z ansetzt, so bleibt dies welt untm

Naturwissenschiten 1965

dem theoretischen Maximalwert der L~nge, die ein DNS-Faden yon 105 his t0 G Nukleotidpaaren erreichen k6nnte. Chemisch ist das Puffing immer yon charak- teristischen Ver~tnderungen begleitet: W~hrend die Chromomeren normalerweise neben DNS und Histon keine anderen Stoffe in nachweisbaren Mengen ent- halten, lagern sich ihnen mit ihrer Entfaltung in zu- nehmendem Mal3e h6here Proteine an, deren fiirberi- sches Verhalten man zum Nachweis des Puffing be- nutzen kann [15a]. Zugleich findet man eine Anrei- cherung von RNS, w~hrend der Nachweis der DNS und des Histons auf Grund der enormen Auflockerung des Chromomers immer schwieriger wird.

Die operative Bedeutung der Chromomeren-Glie- derung hatten wir unter dem Aspekt der DNS-Syn- these bereits kennengelernt. Je tz t finden wir, dab die Chromomeren auch im Hinblick auf das Puffing ope- rative Einheiten darstellen. Das Puffing - - d.h. die Entfaltung der Chromomeren - - kann natiirlich kein Selbstzweck sein, es muf3 einen physiologischen Sinn haben, bzw. in ibm muB sich ein physiologischer Vor- gang sichtbar manifestieren, dessen Natur zu ermit- teln bleibt. Als fruchtbare Arbeitshypothese hat es sich erwiesen, das Puffing als ,,Aktivierung" des gene- tischen Materials im Sinne der Informationsfibertra- gung aufzufassen [5a, b, c] und die Existenz ver- schiedener Puff-Spektren in Zellen verschiedener Organe als ,,differentielle Gen-Aktivierung", d.h. all- gemein als Ausdruck der Beteiligung des Genoms an der Zelldifferenzierung, zu verstehen. Daraus wiirde folgen, dab Chromosomenorte, die in bestimmten Zellen regelm~iBig Puffs bilden, in anderen aber nie- mals, genetische Informationen enthalten miil3ten, die allein oder haupts~ichlich fiir die Funktion dieses einen Zelltyps von Interesse sin& Diese Voraussage haben wir Ifir den Fall eines bestimmten Balbiani-Ringes mit konventionellen cytogenetischen Methoden gepriift und ffir richtig befunden [5d].

Direkt mt~Bte sich die mit dem Puffing Ms Zustand korrelierte ,,Aktivierung" des genetischen Materials auch mit den Methoden der Zellchemie erkennen und charakterisieren lassen. Autoradiographische Unter- suchungen an Riesenchromosomen zeigen tats~ichlich, dab die Puffs Orte stark erh6hter chemischer Aktivit~t sind und dab es sich hierbei um eine Aktivierung der Synthese yon hochmolekularer RNS handelt [43a, bl. Die Synthese yon Proteinen ist dagegen in den Puffs nicht nennenswert erh6ht. Die Gabe eines 5-Minuten- ,,Pulses" von Tritium-markiertem Uridin als RNS- Vorstufe geniigt oft schon, um die grogen Balbiani- Ringe und die iibrigen Puffs in den Speicheldrtisen in den Autoradiogrammen als Orte einer intensiven Inkorporation hervortreten zu lassen; mit Ausnahme der Nukleolen und des Kernsaftes bleiben die iibrigen Teile der Zelle unmarkiert. Die relative HShe der Inkorporation (Anzahl der Silberk6rner)pro Chromo- somenort ist der Gr6Be des jeweiligen Puffs propor- tional. Chromomeren ohne Puffing zeigen auch keinen gegen den Hintergrund verst~trkten Einbau yon Uridin. Das Spektrum des Puffing entlang den Chro- mosomen ist also ein Spektrum der RNS-Synthese- Kapazit~ten, und die Einheiten des Puffing, die Chro- momeren, erweisen sich als Einheiten der RNS- Synthese, die autonom reguliert werden k6nnen. Diirfen wir sie damit kurzerhand Transkriptions-Ein- :miten gleichsetzen, so wie wir sie in den Operons des

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Die Natur- 372 W. BEERMANN: Operative Giiederung der Chromosomen wissenschaften

Bakterienchromosoms kennengelernt haben? Fine definitive Antwort auf diese Frage setzt Kenntnisse voraus, die wir heute noch nicht besitzen: Genetische Untersuchungen h~itten zun~ichst einmal zu kl~iren, wie viele Informationseinheiten beim Puffing eines Chromomers gleichzeitig mobilisiert wtirden, und wel- ter, ob die Koordination innerhalb einer Einheit des Puffing absolut ist oder aber die selbst~indige Fein- regulation kleinerer Untereinheiten zul~iBt. Chemische und physiologische Untersuchungen h~itten sich mit der Natur der produzierten RNS-Molektile und ihrem weiteren Schicksal zu besch~ftigen. Wir haben ver- sucht, wenigstens zu dieser zweiten Frage durch die Extraktion der RNS aus den Puffs etwas beizu- tragen.

Eine von EDSTR6M [I7] entwickelte Methode er- laubt es, kteinste RNS-Proben aus Zellbestandteilen mit Ribonuklease zu extrahieren, sie in der Mikro- pipette zu hydrolysieren und die Proben dann einer elektrophoretischen Trennung der Purin- und Pyrimi- din-Basen zu unterwerfen, und zwar in einem Kunst- seidenfaden von 25 ~ Durchmesser. Die F~iden werden im UV-Mikroskop photographiert, und die Aufnahmen werden im Densitorneter ausgemessen. Die Methode liefert die Basenzusammensetzung yon Proben bis hinab zu etwa 10 -4 ~g RNS, was der RNS von etwa 50 Balbiani-Ringen yon Chironomus-Speicheldrtisen entspricht. Die Untersuchung der Chromosomen, insbe- sondere der Balbiani-Ringe, sowie der Nukleolen und des Zytoplasrnas yon Chironomus-Speicheldrtisen hatte folgendes Ergebnis [18I: Die DNS von Chironomus besitzt etwa 70% Basenpaare des Typs AT (Adenin- Thymin). Keine der untersuchten RNS-Fraktionen hat einen entsprechend hohen Gehalt an A + U (Adenin + Uracil), der h6chste Wert liegt bei etwa

5 %. Dies k6nnte bedeuten, dal3 ein Tell der AT- Basenpaare in der DNS synthetisch nicht aktiv ist oder dab es kurzlebige RNS-Fraktionen mit viel A + U gibt, die bei der Extraktion nicht erfaBt wer- den. Interessanter ist far unsere Frage ein anderer Befund: W~ihrend die nukleol~ire und die zytoplasma- tische (iiberwiegend ribosomales) RNS, die in ihrer Zusammensetzung gut iibereinstirnmen (58 % A + U), die Basen A und U sowie G und C ieweils ungef~ihr im Verh~iltnis t : t enthalten, sind die aus den Balbiani- Ringen extrahierten RNS-Fraktionen in dieser Bezie- hung unsymrnetrisch, und zwar alle im gleichen Sinn: Das VerMltnis A/U erreicht Werte bis zu 2,1, das Ver- h~iltnis G/C liegt um 0,8 bis 0,9. Das kann bedeuten, dab die untersuchte PufI-RNS vorwiegend oder aus- schliel31ich eine Kopie nur eines der beiden DNS- Halbmolekiile ist, und zwar des Stranges, der mehr Thymin entMlt. Es kann im besonderen heigen, und daftir spricht die tibereinstimmende Tendenz in der Zusarnmensetzung der chromosornalen RNS-Fraktio- hen, dal3 der abgelesene DNS-Strang (vielleicht im Startbereich) durch eine lange Sequenz yon Poly-T markiert ist und dab er daran yon der Polymerase erkannt wird. Da die Asyrnmetrie ein Kennzeichen schnell markierter (,,Messenger"-)RNS auch bei anderen Organismen zu sein scheint [8], und da die Zusammensetzung der Puff-RNS yon der der anderen RNS-Fraktionen abweicht (t-RNS wurde allerdings nicht untersucht), ist hier doch ein kleiner Anhaltspunkt gegeben, die Puff-RNS als Messenger- RNS zu deklarieren und damit die RNS-Synthese in

den Puffs als Transkription aufzufassen, so wie es auch die genetischen Experimente fordern.

An dieser Stelle ist aber eine entscheidende Ein- schr/inkung zu machen: Selbst wenn man wiiBte, dal3 die ge.samte RNS, die in einern Chromomer im Zu- stande des Puffing synthetisiert wird, eine einheitliche Messenger-Fraktion und nichts als Messenger-RNS darstellt, so bliebe der Vergleich der Chromomeren mit OperollS doch nur eine formale Analogie, und zwar aus zwei Grtinden. Einmal tibertrifft die L~inge der Chromomeren (bzw. ihrer DNS-Achse), wie wir ge- sehen haben, die L/inge eines bakteriellen Operons urn das 10 bis 1000fache, und doch erweist sich im Vor- gang des Puffing das ganze Chrornomer als Regula- tionseinheit. Zum zweiten brauchen weder der For- rnalismus der Regulation (Repression oder direkte Aktivierung, einfache Riickkopplung oder komplexe Steuerung) noch auch der tats~ichliche Regulations- rnechanismus und die an ihm beteiligten Arten von Molektilen in Chromosomen .h6herer Organisrnen die gleichen zu sein wie in denen der Bakterien, Sie sind es sogar mit groBer Wahrscheinlichkeit nicht. Hier scheint mir vielmehr der wesentliche Unterschied in der Organisation der Chrornosornen h6herer und niede- rer Organismen zu liegen, und hier ist auch die biolo- gische Funktion der enormen DNS-Mengen zu suchen, durch die sich die h6heren Chromosomen auszeichnen.

Welche Art von operativer Einheit der RNS- Synthese haben wir nun in den Cbrornomeren (und Interchromorneren) wirklich vor uns ? Die klassische Genetik wie auch die Untersuchungen tiber das Puffing zeigen, dab diese Einheiten, soweit sie in euchrornati- schen Chromosomenbereichen liegen, auf j eden Fall Strukturinformation ftir Proteine, rn6glicherweise rnehrere Proteincistrons enthalten und insofern als Transkriptions-Einheiten gelten k6nnen. Da nun aber beirn Puffing nicht NoB ein kleiner Tell des Chromo- rners v o n d e r ,,Aktivierung" erfaBt wird, sondern offensichtlich die gesamte DNS des Chromorners ent- faltet wird, - - und deren L~inge liegt in der Gr613en- ordnung von t05 bis t06 Nukleotidpaaren ( ~ i02 bis i0 a rn6glichen Proteincistrons) - - , so fragt es sich, welche Funktion die Entfaltung desjenigen DNS- Anteils haben k6nnte, der vermutlich keine Protein- information enth~ilt. Wir kommen bier also auf die eingangs im Zusarnrnenhang rnit der Diskussion des DN S-Gehalts h6herer Chromosornen formulierte Frage zurtick. Als m6gliche Antworten bieten sich bei dem augenblicklichen Stand unserer Kenntnisse die fol- genden an: t. Die nicht proteincodierenden (,,NP"-) Abschnitte der DNS synthetisieren Vorstufen yon Transfer- oder yon ribosornaler RNS, und zwar wo- m6glieh solcher, die in ihrer Nukleotidsequenz par- tiell rnit den am gleichen Chromomer transkribierten Messenger-Molektilen homolog sind. Dies k6nnte (als ,,Modulation", vgl. [531) die spezifische Verst~ir- kung der Proteinsynthese aueh bei konstant bleibender Messenger-Konzentration ermSglichen. Gegen diese Hypothese spricht nicht unbedingt, dal3 die Basen- zusarnmensetzung der Puff-RNS und die der RNS, die aus den Schleifen von Lampenbtirsten-Chrornosornen isoliert wurde [19], yon der aller anderen untersuchten Fraktionen abweicht (die Transfer-RNS ist bei diesen Analysen ohnehin nicht berticksichtigt worden). 2. Die NP-Abschnitte der DNS sind selber nicht syn- thetisch aktiv, erh6hen aber die Verfiigbarkeit der zu-

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geh6rigen Messenger-RNS, entweder indem sie diese tempor~tr an sich binden, solange bis sie durch Koppe- lung an Protein in ihre Transportform (,,Informoso- men", vgl. [51]) iiberfiihrt ist, oder indem sie die Selbstvermehrung der zugeh6rigen Messenger-Mole- kiile erm6glichen. Von diesen M6glichkeiten erscheint die zuletzt genannte - - Autoreplikation der Messen- g e r - unter Mitwirkung der NP-DNS - - zu spekulativ, um hier diskutiert zu werden. Dagegen wird der Ge- danke einer tempor~iren Bindung der Messenger durch die NP-DNS dutch verschiedene Beobaehtungen, vor allem an Lampenbiirsten-Chromosomen, gestiitzt.

Lampenbiirsten-Chromosomen sind meiotisehe Pro- phase-Chromosomen (gew6hnlich im Diplotiin), die im Zusammenhaug mit Wachstumsphasen der Oozy- ten oder Spermatozyten die DNS ihrer Chromomeren lateral zu grogen Schteifen entfalten. Die DNS-Achse dieser Schleifen ist stets mit groBen Mengen yon Ri- bonukleoprotein besetzt. Die Schleifenbildung kann strukturell mit dem Puffing der Chromomeren in Riesenchromosomen gleichgesetzt werden. GALL und CALLaN [221 haben die Inkorporation von markiertem Uridin in die RNS der Schleifen der Oocyten-Chromo- somen yon Triturus verfolgt und eine merkwiirdige Entdeckung gemacht: Einige der besonders grol3en Schleifen (L~tnge bis zu t00 ~) zeigen deutlich einen sequentiellen Uridin-Einbau. Zu Beginn der Markie- rung (unabh~ngig vom Entwicklungsstadium der Oozyte) ist immer nur das eine Ende der Schleife (bet homologen Sehleifenpaaren jeweils das gleiche Ende) markiert. Von diesem Anfangspunkt aus schreitet die Markierung bet l~ngeren tnkubationszeiten allm~thlich t~ber die ganze Schleifent~inge voran. Offensichtlieh wird also nur in einem engen Bereich am Schleifen- anfang RNS synthetisiert. Nach unserer Vorstellung w~tre dieser Bereich mit den proteincodierenden Ci- strons am Anfang des Chromomers identisch; die mar- kierten Molekiile wiirden an die sich langsam abspu- lende Schleifenachse angeh~ingt, dort mit Protein ver- koppelt und schlieBlich bet der Ankunft am anderen Ende der Schleife, wo sich die Achse wieder aufspult, abgestreift werden. GaLL selbst geht in seiner Inter- pretation davon aus, dab die gesamte DNS synthetisch aktiv wird; er mul3 deshalb postulieren, dab die DNS-Achse am Schleifenanfang einen station~tren Syntheseapparat (RNS-Polymerase) durchwandert und dab die fertigen Messenger am Orte ihrer Syn- these an ihrer DNS-Matrize Mngenbleiben.

Die Vorstellung, dab nicht alle Teile der DNS des Chromomers synthetisch ~tquivalent sind und dab allein dem Anfangssttick die Transkription zukommt, wird dutch die Beobachtung yon Lampenbiirsten- Schleifen mit genetisch abgewandelter Feinstruktur welter bekriiftigt. Die licht- und elektronenoptisch erkennbare Struktur des den Schleifen anhaftenden Ribonukleoproteins ist far vMe Schleifen unverwech- selbar eharakteristisch: sie ist z.B. in dem ,,giant granular loop" stets granul~ir, der ,,fused loop" sieht wie ein dicker Tropfen aus, andere Schleifen erscheinen fibrill~tr wie Flaschenbtirsten. CALLaN und LLOYD [131 haben bet Triturus nattirliche Strukturvarianten ein- zelner Schleifen beobachtet, die als Folge von Mutatio- nen zu deuten sin& Aufschlul3reicher ist die Tatsache, dab sich solche Varianten aueh durch R6ntgen- bestrahlung erzeugen lassen. Dies hat HEss ~29] in unserem Insti tut fiir den Fall der riesigen Schleifen-

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paare des Y-Chromosoms in den Spermatozyten yon Drosophila hydei demonstriert. Eines dieser Schleifen- paare, das als ,,kompakte F~tden" bezeichnet wird, zeigt in der durch R6ntgenbestrahlung induzierten mutanten Form das Aussehen yon kurzen, hohlen Schl~tuchen, ein benachbartes Schleifenpaar, das als ,,diffuse Fiiden" bekannt ist, erscheint in einer unab- h~ngig entstandenen anderen Mutante des Y ebenfalls in kompakte Schl~tuche umgewandelt. Beide Mutan- ten sind im Y lokalisiert, beide iindern nichts an der Fertilit~tt der c?c? (was bet gr6f3eren Stiickverlusten des Y zu erwarten w~tre), und beide manifestieren sich autonom, d.h., wenn der Spermatozytenkern neben dem mutanten Y noch ein normales Y entMlt, so bildet das mutante Y die mutanten Schleifen und das normale Y die normalen Schleifen. Wie kann eine einfache r6ntgeninduzierte Mutation (also entweder eine Punktmutat ion oder ein sehr kleines ,,rearrange- ment") die Struktur einer ganzen Chromomeren- schleife yon etwa t0 ~z L~tnge einheitlich ver~indern ? Doch wohl nur dadurch, dab die Struktur nut von einem kleinen Teilbereich kontrolliert wird, der mit dem oben postulierten Transkriptions-Segment (P- Segment) identisch sein k6nnte. Wir stellen uns vor, dab das P-Segment mutiert ist und eine veriinderte Messenger-RNS produziert (ira einfachsten Fall eine verktirzte), diese wtirde sich den NP-Segmenten an- Mngen, und das dann gebildete Nukleoprotein er- hielte en bloc eine verfinderte Struktur.

Die tempor~ire Anheftung der Messenger an die zugeh6rigen NP-Sequenzen wtirde molekular als spezi- fische Basenpaarung verst~tndlich, wenn man (wie welter oben in anderem Zusammenhang schon vorge- schlagen) die NP-Segmente der Chromomeren als redundante, durch Mehrfachreplikation entstandene, partielle Sequenzhomologe des P-Segments betrach- tet (,,P-Segment-ment-ment-ment-ment . . ."). WI•T- ZERITn und MANDEL [56] haben natiirliche DNS-RNS- Hybride aus tierischen Zellkernen isoliert. Die ge- forderte Umwandlung der Messenger in eine Trans- portform wird durch die Beobachtung yon spezifisch geformten RNP-Partikeln in Puffs und Balbiani- Ringen [6, 541 wahrscheinlich gemacht. Es ist m6g- itch, dab der Umwandlungsprozef3 mit einer in-situ- Synthese yon Protein verkniipft ist; in-situ-Protein- synthese wird von GALL fiir die Lampenbiirsten- Chromosomen yon Amphibien-Oocyten als wahr- scheinlich angenommen. Im Gegensatz dazu findet man aber in den Puffs der Riesenchromosomen keinen intensiven Einbau yon Aminos~iuren, so dab bier die Entstehung der Messenger-Transportform (Informo- somen) eher als reine ,,Verpackung" in fertiges Protein verstanden werden mi~Bte. Der kritische Punkt der Hypothese ist auf jeden Fall das Postulat, dab freie Messenger-Molekiile entweder gar nicht erst aus dem Kern herauskommen oder jedenfalls in der lebenden Zelle nicht zur Translation benutzt werden, dab also die Umwandiung in die Informosomen einen notwen- digen Reaktionsschritt darstellt. Ham~is [27] hat Argumente daffir beigebracht, dab tats~chlich ein groger Tell der im Kern synthetisierten RNS rasch wieder abgebaut wird, doeh mttBte diese Frage grtind- licher untersueht werden als bisher.

Die hier zur Diskussion gestellte Hypothese besagt also, dab die Kontrolle der ,, Gen-Aktivit~tt" bereits im Chromosom auf zwei Niveaus erfolgen kann: Einmal

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374 W. B~RMAi~Iq: Operative Gliederung der Chromosomen Die Natur- wissenschaften

als unmittelbare Regulation der Transkription, zum zweiten als Regulation der 1Jberftihrung der Messenger- Molekiile in ,,Informosomen". Auf diese Weise wiirde mindestens eine weitere Dimension der Regulations- m6glichkeiten yon Gen-Aktivit~ten er6ffnet werden, insbesondere im Sinne der schon oft postulierten un- mittelbaren Interaktionen zwischen verschiedenen Chromosomenorten innerhalb des Zellkernes, So k6nnten z.B. der von LEwis [34b] gefundene ,,Trans- Vections"-Effekt (s. oben) und die yon GANs [28] be- schriebenen merkwtirdigen Wechselwirkungen zwi- schen den Mutationen zeste und white bei Drosophila als Folge einer Interferenz teilweise homologer Messen- ger bei der Anheftung an das gleiche NP-Segment verstanden werden. Normalerweise, so wird man an- nehmen dtirfen, sind die Aktivit~tt des P-Segments. und die Entfaltung der zugeh6rigen NP-Segmente eines Chromomers koordiniert. Actinomycin D, das die DNS-abMngige RNS-Synthese spezifisch hemmt, ergibt gleichzeitig eine drastische Reduktion des Puffing; naeh der Entfernung des Actinomycins setzt parallel zu dem Wiederanlaufen der RNS-Synthese auch das Puf- fingwieder ein [5/]. In bestimmten Situationen wfire es aber auch denkbar, dab die NP-Segmente ohne Akti- vierung ihres eigenen P-Segmentes aktiv werden k6n- nen und damit sozusagen ftir allgemeinere Funktionen frei werden. Dieser Gedanke ist deshalb reizvoll, weil er eine Erkl~irung Itir die Entstehung und die Existenz yon genetisch ,,inerten", heteropyknotischen bzw, heterochromatischen Chromosomenstticken in sich birgt : In diesen Bereichen w~ire die genetische Aktivi- t~it durch Inaktivierung oder v611igen Verlust der P-Segmente ganz auf die Funktionen der NP-Segmente zurtickgedr~ingt. Dieses zus~itzliche Angebot an NP- Segmenten k6nnte in bestimmten Entwicklungs- phasen erhebliehe Bedeutung erlangen, z.B. in den Furchungsstadien oder bei der Keimzellenreifung, ins- besondere wenn diese NP-Segmente noch selektive Affinit~iten zu bestimmten Messenger-Typen h~itten.

Ich brauche den iiberwiegend spekulativen Cha- rakter der vorgetragenen Hypothese nicht zu betonen. Es wtirde aber an dem Grundgedanken und auch an den Folgerungen wenig ~indern, wenn doch alle Teile des Chromomers synthetisch aktiv w~iren, solange man iiberhaupt an der Unterscheidung yon P- und NP-Seg- menten festhfilt. Auch erscheint es mir wesentlich, dab man einmal im Zusammenhang mit der Zell- differenzierung bei h6heren Organismen tiber das ein- fache feedback-Schema der Gen-Regulation hinaus- kommt und die Frage nach der langfristigen Einstel- lung der Chromosomen-Aktivit~ten sowie nach der Stabilisierung und programmierten Bereitstellung yon Messenger-Molektilen stellt.

Was die langfristige Einstellung von Chromoso- men-Aktivit~iten angeht, so gewinnt man aus zytologi- schen Daten den Eindruck, dab die sichtbare Manife- station des Chromomeren-Musters der Chromosomen, d.h. die Zusammenfaltung bestimmter DNS-Ketten- glieder, eine Folge der Anlagerung bestimmter Pro- teine (vielleicht Histone) ist und dab dies in der tieri- schen Entwicklung im Laufe der Gastrulation ge- schieht. M6glicherweise decken sich die yon der Faltung betroffenen Bereiche in den verschiedenen Zellen des Embryos nicht immer vollst~indig, well sie mit versehiedenen Proteinen besetzt werden, und es ist denkbar, dab auf diese Weise die Reaktionsweise

des Genoms - - seine Kompetenz ftir Entwicklungs- signale - - Irtihzeitig iiber mehrere Zellgenerationen hinweg fixiert wird (dies erfordert die Perpetuierung der in der Gastrulation hergestellten Protein-Konsti- tution der Chromosomen). Allerdings sind die Unter- schiede in der Chromomerengliederung verschiedener Zelltypen gering [Sa] und meist auf differentielles Puffing zurtickzufiihren. DaB die Gastrulation aber eine Phase der langfristigen Chromosomendifferenzie- rung darstellt, daran besteht aus anderen Grtinden kein Zweifel. Wir haben gefunden (s. [5c]), dab sich der Unterschied zwischen Hetero- und Eu-Chromatin in dieser Phase zuerst sichtbar manifestiert. Die differentielle Heteropyknose des einen X-Chromosoms in S~iuger-Weibchen oder des v~iterlichen Chromo- somensatzes yon Cocciden wird ebenfalls in der embryonalen Friihentwicklung irreversibel determi- niert.

In der Frage der programmierten Bereitstellung von Messenger-Molektilen, die wieder auf die Funktion der NP-Segmente zurtickftihrt, sind in letzter Zeit dureh Untersuchungen an Seeigel- und Amphibien- eiern Fortschritte gemacht worden, auf die bier nicht eingegangen werden kann (NEMER, GROSS, BROWN). Ich m6chte zum SchluB nur noch auf Daten hinweisen, die zeigen, dab der Vorgang des Puffing, als Regelungs- prozel3 verstanden, ebenfalls Ztige aufweist, in denen sich die kompliziertere operative Gliederung der Chro- mosomen h6herer Organismen zu manifestieren scheint. CI~EVER [15a, b] hat experimentell demon- striert, dab das Puffing an zwei bestimmten Chromo- somenorten yon Chironomus tentans streng mit den H~tutungen korreliert und hormongesteuert ist. W~ih- rend aber das AusmaB des Puffing an dem einen der beiden Orte direkt der Konzentration des H~tutungs- hormones folgt, hat der andere nicht nur eine h6here Reaktionsschwelle, sondern unterliegt der Kontrolle eines zweiten, unbekannten Faktors, der stets nach ungef~ihr 48 Std seine Inaktivierung verursacht, und zwar in Gegenwart des Hormons. Hier scheint also ein Antagonismus yon extrazellul~trem Induktor und intrazelluHiren Repressoren vorzuliegen, der einen einfachen Steuerungsvorgang ausschlieBt. Der Vor- gang des Puffing l~tBt sich ferner durch biologisch unspezifische Mittel (Anderungen der Ionen-Konzen- trationen) - - auch an den hormonabh~ingigen Chromo- somenorten - - beschleunigen und verst~trken; damit ist zwar die Spezifit;~tt der Hormoneffekte nicht in Frage gestellt (wie KI~OEGER t964 meint), wohl aber angedeutet, dab die Entfaltung des Chromomers yon mehreren Faktoren beeinfluBt wird, yon denen die Effektoren der RNS-Synthese nur die wichtigsten sind. In diesem Sinn sind wohl auch die erstaunlichen Befunde yon RITOSSA et al. [dT] zu verstehen; diese Autoren finden, dab die Inkubation yon Drosophila- Speicheldriisen mit Ribonuklease zur Bildung von Puffs an zahlreichen Chromosomenorten fiihrt.

AbschlieBend diirfen wir sagen, dab das Studium der Chromosomenstruktur und-funktion mit modernen Methoden schon heute Anhaltspunkte genug finden l~iBt, die es rechtfertigen, den Chromosomen h6herer Organismen eine Organisation zuzuschreiben, die die regulatorischen M6glichkeiten und damit die M6glich- keiten der Zelldifferenzierung in mehrzelligen Systemen zu vermehren scheint. Die molekularen Grundlagen dieser h6heren Organisation sind noch weitgehend unbe-

Heft ~3 I-I. URSPRUNG: K e r n p r o t e i n e u n d G e n f u n k f i o n 375 ~965 (Jg. 52)

kannt; bier bietet sich ffir die zukfinftige Molekular- biologic der Chromosomen ein weites Feld.

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Max-Planck-Institut /iir Biologic, Tiibingen Eingegangen am 4. Feb rua r t965

Kernproteine und Genfunktion*) Von HEI~RICI~ URSPRUNG, Baltimore, Maryland, USA

Einleitung Der Slogan ,,one operon - - one messenger", Ergeb-

nis brillanter genetischer Forschung [11, erm6glicht dem Entwicklungsphysiologen eine Reihe sehr pr~ziser Fragestellungen, die zur L6sung des alten Problems tier Zelldifferenzierung fiihren k6nnen. Messenger- RNS ist dos prim~ire Genprodukt. Dank dieser Er- kenntnis hat sich die wohl erstmals yon BOVERI [2] formulierte Hypothese der differentiellen Genaktivit~tt auf der molekularen Ebene direkt prtifen lassen, mit dem Ergebnis, dab verschiedene Zellsorten tatsSch~ich verschiedene messenger-Molekfile synthetisieren [3~. Dementsprechend verlaufen auch Proteinsynthesen zellspezifisch, und die resultierenden enzymatischen und strukturellen Muster erm6glichen eine weitgehende Charakterisierung der verschiedenen Zelltypen.

Differentielle Genaktivit~it ist logisch gentigend fiir die Beschreibung der Zelldifferenzierung, falls wir an- nehmen, dab die Summe der messenger-RNS-Molektile gent~gend Information enthalten, um die prim~ire, sekundXre, terti~tre, quatern/ire Struktur der Proteine und die Anordnung der Proteine und anderer Makro- molekt~le in Organelle zu spezifizieren. Diese Annahme

*) Vort rag, geha l ten auf der t03. Ve r sammlung der Gesel lschaft Deutscber Natur forseher nnd A-rzte am 9. Oktober 1964 in Weimar .

ist weder im positiven noch im negativen Sinne end- gtiltig diskutiert worden. Abet auch ohne Antwort auf diese Frage ist unsere n~chste Aufgabe schon klar umschrieben: wir mtissen jetzt die Mechanismen suchen, die zur differenziellen Genaktivit~it fiihren.

Eine solche Kontrolle der Genaktivitfit k6nnte auf verscbiedenen Stufen erfolgen: am Syntheseort der messenger-RNS selbst, oder im Laufe der komplizierten Polypeptidsynthese auf den Ribosomen, oder bet der Vereinigung der Polypeptide in Eiweil3e mit quater- n~irer Struktur, oder sugar auf der Stufe der metaboli- schen Reaktionen, die durch die Eiweii3e katalysiert werden. Am wirtschaftlichsten und wirkungssicher- sten wS_re allerdings wohl ein Mechanismus, der direkt am Syntheseort der messenger-RNS eingriffe, vor- g~ingig der enormen Vervielf~ltigung der Information, die bet der Proteinsynthese oder gar im intermedi~iren Stoffwechsel stattfindet, und unbeeinfluBt yon der Fehlerquelle metabolischer Anastomosen.

Ft~r diese Besprechung wollen wir deshalb anneh- men, die regulierenden Molektile greifen tats~tchlich an der DNS an. Ftir h6here Organismen bedeutet diese Annahme, dab die Genregulation in den Chromosomen erfolgt. Dann ist es woE1 vernt~nffig, zu erwarten, dab die regulierenden Molektile zumindest zeitweise im

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