OptimierungderProzessbedingungenmittels ...edoc.sub.uni-hamburg.de/haw/volltexte/2016/3419/pdf/MA_Janko_Luc… · S88 ANSI/ISA-88,bzw.DINEN61512fürchargenorientiertesArbeiten

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  • Department BiotechnologieFakultt Life Sciences

    Optimierung der Prozessbedingungen mittelsadaptiver Regelung zur Stabilisierung eines

    potentiellen Malariaimpfstoffes inFed-Batch-Prozessen mit Pichia pastoris

    Forschungs- und Transferzentrum fr Bioprozess- und Analysentechnik

    Hochschule fr Angewandte Wissenschaften Hamburg

    Master Thesis

    Janko Lucks22. Januar 2016

    1. Gutachterin Prof. Dr. Gesine Cornelissen

    2. Gutachter Prof. Dr.-Ing. Gerwald Lichtenberg

  • DanksagungDiese Arbeit wurde an dem Forschungs- und Transferzentrum fr Bioprozess- und Analysentech-nik an der Hochschule fr Angewandte Wissenschaften Hamburg unter Leitung von Frau Prof. Dr.Gesine Cornelissen und Prof. Dr.-Ing. Reiner Luttmann erstellt.

    Frau Prof. Cornelissen gilt mein Dank fr die Mglichkeit zur Erstellung dieser Arbeit, die Bereit-stellung der Gerte und Chemikalien, der bernahme des Gutachtens und fr die hilfreichen Anre-gungen und die Untersttzung whrend meiner Zeit im Labor BPA.

    Herrn Prof. Dr.-Ing. Gerwald Lichtenberg mchte ich fr die bernahme des Zweitgutachtens undfr die hilfreichen und aufschlussreichen Unterhaltungen danken.

    Roman sei fr seinen Einsatz und seine eingebrachten Ergebnisse in Form seiner Bachelorarbeitund der Untersttzung an dem Poster gedankt.

    Den Kollegen und Kolleginnen in dem Labor BPA sei ebenfalls fr das angenehme Betriebsklimaund die Untersttzung gedankt. Hier seien insbesondere Uli und Hape, sowie Jan und Roman,genannt.

    Mein herzlichster Dank geht an meine Familie und meine Freunde fr ihre stete Untersttzungund Motivation.

    Fr ihr stets offenes Ohr, ihr Verstndnis, ihre Motivation und ihre Untersttzung gilt meinallerherzlichster Dank Mayke.

    Janko Lucks,Hamburg, 22.01.2016

    II

  • InhaltsverzeichnisDanksagung II

    Abbildungsverzeichnis V

    Tabellenverzeichnis VII

    Abkrzungsverzeichnis VIII

    1 Einleitung & Zielsetzung 1

    2 Expression des rekombinanten Proteins 42.1 Auswahl der Proteine und Funktion in Plasmodium . . . . . . . . . . . . . . . 42.2 P. pastoris als Expressionsplattform des rekombinanten Proteins . . . . . . . . 6

    3 Produktion im Bioprozess 93.1 Prozessstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    3.1.1 Klassische Prozessstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93.1.2 Angepasste Prozessstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

    3.2 Bioprozesstechnik Upstream . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123.2.1 Das Fermentationssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123.2.2 Bioprozessautomatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

    3.3 Bioprozesstechnik Downstream . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    4 Modellbildung und Reglerdesign 324.1 Modellbildung mit MATLAB und Maple . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

    4.1.1 Bilanz des Flssigvolumens nach dem Dreiphasenmodell . . . . . . . . 334.1.2 Bilanz der Zellmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364.1.3 Gelstsauerstoffbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384.1.4 Bilanzierung der Methanolmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434.1.5 Modellierung des Temperaturverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . 444.1.6 Konsistenzprfung des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474.1.7 Fazit zu der Modellbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

    4.2 Reglerdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494.2.1 Bildung von Zustandsraummodellen in Maple . . . . . . . . . . . . . . 504.2.2 Reduzierung auf die dominanten Zeitkonstanten . . . . . . . . . . . . 544.2.3 Reglerdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

    III

  • Inhaltsverzeichnis

    4.2.4 Test der Regelparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584.2.5 Fazit zu dem Reglerdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

    5 Vorversuche 655.1 Kultivierungen im Schttelkolben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655.2 Kultivierungen im Bioreaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

    6 Diskussion und Fazit 69

    7 Zusammenfassung 71

    A Anhang 72A.1 Mess- und Analysemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

    A.1.1 OD-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72A.1.2 Trbungsmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73A.1.3 Analysen mit der SDS-PAGE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75A.1.4 Arbeiten zur Methanolmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

    A.2 Lsungen und Prozeduren der IMAC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81A.3 Dateien zum MATLAB-Modells des Biostat C . . . . . . . . . . . . . . . . . 81A.4 Sonstige MATLAB-Skripte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

    A.4.1 Skript zur Anpassung des Trbungssignals . . . . . . . . . . . . . . . 99A.4.2 Bestimmung des kLa-Werts mit MATLAB . . . . . . . . . . . . . . . 101

    Literatur 106

    IV

  • Abbildungsverzeichnis1.1 Eigen- und Fremdfinanzierung der Malariaabwehr der afrikanischen Regionen . 1

    2.1 Lebenszyklus der Malariaerreger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2 Vektorplasmid pPICZA des D1M1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

    3.1 Klassische Prozessstrategie mit pO2-NSt-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . 103.2 Neue Prozessstrategie mit pO2--Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123.3 Kessel des Biostat C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.4 Rezeptstruktur nach S88 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.5 Blockfliebild der Temperaturregelstrecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223.6 bergangskurven der Temperatur L nach Sprung der Stellgre . . . . . . . . 233.7 Fhrungsbertragungsverhalten der geregelten Temperierstrecke . . . . . . . . 263.8 Strunterdrckung der geregelten Temperierstrecke . . . . . . . . . . . . . . . 273.9 Vergleich des geregelten Temperiersystems mit dem realen Bioprozess . . . . . 283.10 Blockfliebild der chromatographischen Aufreinigungsstrategie . . . . . . . . . 293.11 IMAC-Chromatogramm der Kultivierung JR2515 . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    4.1 Dreiphasenmodell am makroskopischen Volumenelement . . . . . . . . . . . . 334.2 Dreiphasenmodell des Bioreaktors mit eingezeichneten Volumenstrmen . . . . 354.3 Elektrotechnisches Ersatzschaltbild des Sauerstofftransports . . . . . . . . . . 404.4 Konsistenzprfung des MATLAB-Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494.5 Darstellung eines Zustandsraummodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524.6 Bodediagramm des reduzierten und ursprnglichen Modells . . . . . . . . . . 564.7 Korrelation zwischen der spezifischen Wachstumsrate und dem instabilen Eigenwert 574.8 Statisches Verhalten des geregelten Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.9 Strverhalten des geregelten Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614.10 Einregelzeit nach sprunghafter Strung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624.11 Robustheitstest des Regelkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

    5.1 Ergebnisse der Schttelkolbenexperimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

    A.1 Darstellung von Trbungssignal und cXLturb(t) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

    V

  • Abbildungsverzeichnis

    A.2 SDS-PAGE Molekulargewichtsmarker PageRuler unstained . . . . . . . . . . . 76A.3 Vergleich der Kempe- mit der Maihak-Methanolmessung . . . . . . . . . . . . 80

    VI

  • Tabellenverzeichnis3.1 Streckenparameter fr Heiz- und Khlbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243.2 Optimale Reglerparameter nach Chien u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

    4.1 Vergleich der Eigenwerte des ursprnglichen und des reduzierten Systems . . . 554.2 Werte des stabilen Eigenwerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

    A.1 Zusammensetzung der Trenn- und Sammelgele . . . . . . . . . . . . . . . . . 75A.2 Zusammensetzung des Laufpuffers der SDS-PAGE . . . . . . . . . . . . . . . 76A.3 Lsungen fr die kolloidale Coomassiefrbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77A.4 Konstante Parameter des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91A.4 Konstante Parameter des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92A.5 Anfangswerte der Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93A.6 Zustandsmatrizen der Arbeitspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94A.6 Zustandsmatrizen der Arbeitspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95A.6 Zustandsmatrizen der Arbeitspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96A.7 Restliche Matrizen der Arbeitspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97A.7 Restliche Matrizen der Arbeitspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

    VII

  • AbkrzungsverzeichnisAMA1 Apical Membrane Antigen-1

    AOX1 Alkoholoxidase (Variante 1)

    APS Ammoniumperoxodisulfat

    BPRC Biomedical Primate Research Center

    BTM Gravimetrisch bestimmter Biotrockenmassegehalt

    CAN Controller Area Network (Feldbussystem)

    CIP Cleaning in Place

    D1 Diversity Covering -Protein 1

    D1M1 Fusionsprotein aus D1 und M1

    D-Anteil Differenzierender Anteil in einem Regler oder einer Regelstrecke

    DCU Digital Control Unit

    GVOs Gentechnisch vernderte Organismen

    I-Anteil Integrierender Anteil in einem Regler oder einer Regelstrecke

    IMAC Immobilisierte Metallionen-Affinittschromatographie

    M1 Merozoite Surface Protein-119 (Variante 1)

    MFC Mass Flow Controller

    MFCS/win Multi Fermenter Control System for Windows

    MSP119 Merozoite Surface Protein-119OD600 Optische Dichte bei 600 nm

    OPC Open Platform Communications

    SDS-PAGE Sodium Dodecyl Sulfate Polyacrylamide Gel Electrophoresis

    PAT Process Analytical Technology

    PT2 Zweifach verzgertes Proportionalsystem

    VIII

  • Abkrzungsverzeichnis

    PWM Pulsweitenmodulation

    S88 ANSI/ISA-88, bzw. DINEN61512 fr chargenorientiertes Arbeiten

    SCADA Supervisory Control and Data Acquisition

    SDS Sodium Dodecyl Sulfate

    TEMED Tetramethylethylendiamin

    TLFB Temperature Limited Fed-Batch

    Tris Tris(hydroxymethyl)-aminomethan

    VE-Wasser Vollentsalztes Wasser

    IX

  • 1 Einleitung & ZielsetzungUnter den tropischen Krankheiten ist die Malaria ein typischer Vertreter. Auf das Konto derMalaria gingen in 2014 ca. 200Millionen Krankheitsflle, davon ca. 580 000 mit tdlichemAusgang. Ungefhr 78% davon sind Kinder unter 5 Jahren. Die betroffenen Lnder sind meistwirtschaftlich schwach und knnen die Mittel fr eine wirkungsvolle Bekmpfung der Malarianicht aufbringen (World Malaria Report 2014).

    Abb. 1.1: Vergleich der Eigen- und Fremdfinanzierung der Malariaabwehr der afrikani-schen Regionen. Fr die Finanzierung der Malariabekmpfung und -behandlung sind diebetroffenen afrikanischen Regionen weitgehend auf auslndische Untersttzung angewie-sen. Darstellung aus dem World Malaria Report (2014) der World Health Organisation.

    Eine wirkungsvolle Bekmpfung der Malaria kann nur an der Basis der Krankheit stattfindenund muss, in Anbetracht der geringen Finanzmittel der betroffenen Menschen und Staaten, sehrpreisgnstig sein. Die Behandlung der Kranken ist notwendig, wrde fr sich allein aber stetsnur einer Eindmmung der Symptome darstellen, ohne das Problem urschlich zu bekmpfen.Insektizide stellen eine der Hauptverteidigungslinien gegen die Anopheles-Mcken als Endwirt imLebenszyklus der Malariaparasiten dar. Neben der Belastung der Umwelt und der Bewohner mitInsektiziden, haben die Anopheles-Mcken jedoch mit der Zeit Resistenzen gegen viele dieser In-sektizide entwickelt (Glunt u. a., 2015; World Health Organisation, 2013). Chemische Wirkstoffe

    1

  • 1 Einleitung & Zielsetzung

    zur Immunisierung der Bevlkerung werden zum einen durch die begrenzte Anwendungsdauerlimitiert, als auch an steigenden Resistenzen der Parasiten gegenber diesen Wirkstoffen (Klein,2013; World Malaria Report 2014). Zur Zeit scheint die Insektenabwehr, z. B. in Form deskonsequenten Einsatzes von insektizidbehandelten Mckennetzen oder die Insektizidbehand-lung der Innenrume (indoor residual spraying), die beste Strategie gegen die Malaria zu sein(World Malaria Report 2014). Auch diese Strategie wird jedoch durch besagte Resistenzen derAnopheles-Mcken gefhrdet (Glunt u. a., 2015).

    Zuverlssiger Schutz bei geringen Kosten mit der Eignung fr breite Bevlkerungsschichtenknnte mit einem Impfstoff gegen die Malaria erreicht werden. Der Schutz einer erfolgreichenImpfung besteht dazu lngerfristig, ohne dass die Betroffenen z. B. regelmig Medikamenteeinnehmen mssen, wie dies bei der Chemoprophylaxe der Fall ist (Helitzer-Allen u. a., 1993). Dergesundheits- und umweltschdliche Einsatz von Insektiziden knnte mit einem Impfstoff ebenfallsverringert oder langfristig sogar ausgesetzt werden. Zu den Anforderungen eines gnstigenImpfstoffes gehrt nicht zuletzt auch eine gnstige Produktion.

    Mit diesem Anforderungsprofil hat das Biomedical Primate Research Center (BPRC) (Rijs-wijk, Niederlande) die Forschung an einem Malariaimpfstoff aufgenommen. Die Malariaimpf-stoffkkandidaten aus diesen Forschungen sind artifizielle Proteine, welche von verschiedenenOberflchenproteinen des gefhrlichsten Malariaparasiten Plasmodium falciparum abgeleitetwurden (Faber, Younis u. a., 2013). Die als Pichia pastoris, oder kurz P. pastoris, bekannte Hefesoll dabei als Expressionsplattform dieser Proteine dienen. Zu den Vorteilen dieser Hefe sindu. a. dessen ausgesprochen geringen Anfoderungen an die Kultivierungsbedingungen zu nennen(Cereghino und Cregg, 2000). Aufgrund P. pastoris geringen Anforderungen an die Kulturfh-rung knnen die Anschaffungskosten fr die verfahrenstechnische Ausrstung klein gehaltenwerden.

    Um Arbeitszeit, Sterilisationszyklen und Rstzeiten kurz zu halten und die Produktkonzentrationzu erhhen, kann die Produktionsphase verlngert werden. Alternativ kann in einem zyklischenAnsatz nach einer Teilernte der Produktionsprozess quasi neu gestartet werden. Dabei bleibtein Teil der Kulturbrhe als Inokulum fr den folgenden Zyklus im Bioreaktor zurck (Borchert,2011). In beiden Fllen knnen sich Begleitprodukte mit steigender Kultivierungsdauer imMedium ansammeln. Diese knnen das Produkt durch bloe Anwesenheit verunreinigen. ImFalle einer biochemischen Aktivitt dieser Begleitprodukte ist das primre Produkt auch durchbspw. proteolytischen Abbau gefhrdet (Martens, 2010; Sinha u. a., 2003). Die Abbauprodukte

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  • 1 Einleitung & Zielsetzung

    des primren Produkts fhren dann, neben den aktiven Begleitprodukten selbst, wiederum zueinem erhhten Aufreinigungsaufwand.

    Diese Arbeit widmet sich der Ergrndung der Einflussgren auf die Freisetzung von proteolyti-schen Begleitprodukten und zielt auf die Minimierung dieses Abbaus ber die Optimierung derProzessbedingungen ab.

    3

  • 2 Expression des rekombinantenProteins in P. pastoris

    Bei der Auswahl eines Impfstoffes ist insbesondere zu bercksichtigen, dass das menschlicheImmunsystem anhand dieser Vorlage spter die realen Krankheitserreger wiedererkennen unddamit bekmpfen kann. Dieses Verhalten gehrt zu der spezifischen oder erworbenen Immu-nabwehr und basiert auf der Wiedererkennung bestimmter Strukturen der Krankheitserreger.Diese Strukturen, auch Epitope genannt, sind i. d. R. bestimmte Bereiche von Proteinen auf derOberflche der Erreger. Als Impfstoff besonders geeignete Proteine zeichnen sich folglich durchihre exponierte Lage auf dem Erreger aus. Weiterhin sollte die Struktur dieser Proteine mglichstkonserviert sein, um die erworbene Immunantwort nicht nur gegen eine Variante des Erregers zurichten und damit dem Immunsystem auch langfristig einen Angriffspunkt zu bieten. Idealerweiselassen sich diese Proteine so gut wiedererkennen, dass auch alle anderen Varianten des Erregersabgewehrt werden und geringfgige Mutationen des Erregers dessen Wiedererkennbarkeit nichtbeeintrchtigen (Campbell und Reece, 2005).

    2.1 Auswahl und Funktion der Proteine im MalariaerregerPlasmodium falciparum

    Bei der Auswahl eines Impfstoffes muss der besondere Lebenszyklus der Plasmodien bercksich-tigt werden. Der Parasit durchluft verschiedene Stadien im menschlichen Krper, in denen erspezifische Morphologien aufweist. Whrend der intrazellulren Phasen sind Plasmodien vom Im-munsystem kaum angreifbar, da dieses die Plasmodien in den krpereigenen Zellen nicht wahrneh-men kann. Plasmodien sind an zwei Stellen in ihrem Lebenszyklus innerhalb des Menschen besserangreifbar. Zum einen nach der bertragung von der Mcke, bevor sie in die Hepatozyten eindrin-gen und vor dem bergang in die Erythrozyten, vgl. Abb. 2.1.

    Ein Protein, welches den genannten Anforderungen an einen Impfstoff auch langfristig gerecht

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  • 2 Expression des rekombinanten Proteins

    wird, ist in der Gattung Plasmodium schwer zu finden. Zwei Proteine werden jedoch als hoffnungs-volle Kandidaten fr einen multivariaten Breitbandimpfstoff angesehen.

    Abb. 2.1: Lebenszyklus der Plasmodien. Whrend der intrazellulren Phasen sind dieParasiten vom Immunsystem kaum angreifbar. Die kritischen, extrazellulren, Phasen sindrot eingekreist. Frei nach Klein (2013).

    Das Oberflchenprotein AMA1 ist ein aussichtsreicher Impfstoffkandidat (Remarque u. a., 2008).Das AMA1 kommt in verschiedenen Stadien des Malariaparasitens vor und spielt vermutlicheine wichtige Rolle bei der Invasion des Erregers in die Hepatozyten, sowie die Erythrozyten desWirtsorganismus (Remarque u. a., 2008). Erschwerend bei der Entwicklung sind die Polymor-phismen des AMA1. Um diese Polymorphismen zu umgehen, haben Forscher am BPRC vondem AMA1 artifizielle Proteine abgeleitet, welche die Immunantwort durch gezielte Polymor-phismen auf die hochkonservierten Bereiche des AMA1 lenken sollen (Faber, Younis u. a., 2013).Aufgrund ihrer gewnschten Funktion werden diese Proteine als Diversity Covering-Proteinebezeichnet. Von diesen Proteinen sind drei Varianten verfgbar, welche sich nur in wenigenAminosuren unterscheiden. In dieser Arbeit wird nur die Variante mit der Nummer 1, kurz D1,verwendet.

    Ein weiterer aussichtsreicher Impfstoffkandidat ist das Merozoite Surface Protein-119 (MSP119).

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  • 2 Expression des rekombinanten Proteins

    Dieses Protein ist ein Fragment eines Oberflchenproteinkomplexes der Plasmodien und wirkt beidessen Invasion in die Erythrozyten des Wirtsorganismus mit. Des Weiteren ist dieses 19 kDaschwere Fragment MSP119 vergleichsweise schwach polymorph, was es als aussichtsreichenImpfstoffkandidaten erscheinen lsst (Mazumdar u. a., 2010). Von dem MSP119 sind zweiallelische Varianten (M1 und M2) bekannt, welche den Dimorphismus des MSP119 darstellen(Tanabe u. a., 1987). In dieser Arbeit ist nur die Variante M1 verwendet worden (Faber, Younisu. a., 2013).

    Faber, Younis u. a. (2013) haben eindrucksvoll gezeigt, dass die Verabreichung der beschrie-benen Varianten des AMA1 und des MSP119 als Fusionsproteine zahlreiche Vorteile bietenkann. Diese reichen von einer unkomplizierteren Herstellung bis zu einer verbesserten Immun-antwort. Unter den beschriebenen Konstrukten, wurde die Produktion des D1M1 fr weitereOptimierungen ausgewhlt, da dieses Fusionsprotein bei der Produktion in P. pastoris und auchnoch nach der Aufreinigung mittels Kupfer-IMAC einer proteolytischen Degradation unter-liegt.

    2.2 P. pastoris als Expressionsplattform desrekombinanten Proteins

    Bei der Wahl eines Expressionssystems ist zuerst festzulegen, ob ein prokaryotisches oder eineukaryotisches System verwendet werden soll. Prokaryontische Systeme zeichnen sich durcheinen Kompromiss aus einfacher Handhabung und genetischer Manipulation bei eingeschrnktenMglichkeiten der Proteinprozessierung aus. Das Zielprotein liegt hufig unkorrekt gefaltet imZellinneren vor, was aufwndige und verlustreiche Prozesse zur Freisetzung des Zielproteins ausden Zellen und Isolierung des freigesetzten Zielproteins aus dem Gemisch mit den zelleigenenProteinen erfordert. Eukaryontische Systeme bieten ausgeprgte Mglichkeiten zur Proteinpro-zessierung, -modifikation und -faltung und sezernieren die Proteine meist in das umgebeneMedium. Jedoch erfordern sie, wie z. B. im Falle von Sugerzellen, hohe Standards an die Medi-enzusammensetzung und die Prozessfhrung. Weiterhin wachsen diese Zellen mit vergleichsweisekleinen Wachstumsraten und niedrigen Raum-Zeit-Ausbeuten.

    Den Kompromiss zwischen diesen teuren eukaryotischen Systemen auf Basis von z. B. Sugerzel-len und den gnstigen prokaryotischen Systemen stellen Hefen dar. Hefen gehren zu den Pilzen,

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  • 2 Expression des rekombinanten Proteins

    welche wiederum Teil der Domne der Eukaryoten sind. Hefen verfgen als Eukaryoten berweiter entwickelte Mglichkeiten der Proteinprozessierung, sind aber gleichzeitig relativ einfacheOrganismen, die in ihren Anforderungen an Handhabung und Kultivierung den prokaryotischenSystemen hneln. Damit vereinen sie die Vorteile beider Systeme.

    Die weithin bekannte, eukaryotische Expressionsplattform fr rekombinante Proteine, P. pastoris,basiert auf der echten Hefe Komatagella phaffii. Fortschreitende phylogenetische Erkenntnisseber diesen Organismus fhrten zu dessen wiederholter Neueinordnung, welche diese Hefe aktuellals Komatagella phaffii bezeichnet (Kurtzman, 2009). Aufgrund der weiten Verbreitung desursprnglichen Namens P. pastoris wird dieser hier beibehalten. In dieser Arbeit wird der StammKM71H verwendet, wie er von Invitrogen (Groningen, die Niederlande) vertrieben wird. Neben derFhigkeit, zu hohen Zelldichten auf mineralischen Medien zu wachsen, zeichnet sich P. pastorisdurch dessen Methylotrophie aus. Das heit, P. pastoris ist in der Lage mit Methanol als einzigeKohlenstoff und Energiequelle zu leben. Weiterhin ist die Hyperglykosylierung von rekombinantenProteinen in P. pastoris, verglichen mit anderen Hefen, gering ausgeprgt. Die stark immunogenen-1,3-mannosidischen Bindungen kommen in P. pastoris gar nicht vor (Reinhart und Krettler,2012). P. pastoris verfgt zudem ber ein effizientes System zur Sezernierung von Proteinen,ohne jedoch viele eigene Proteine ins Medium freizusetzen (Higgins und Cregg, 1998). Werdenrekombinante Proteine mit dem -Faktor von der Bckerhefe Saccharomyces cerevisiae markiert,schleust P. pastoris diese aus dessen Zellen ins Medium aus. Der -Faktor wird dabei entfernt(Higgins und Cregg, 1998).

    Ein Expressionsvektor wird als ringfrmiges Plasmid in E. coli vermehrt, bis gengend DNA frdie Transformation von P. pastoris vorhanden ist. Dafr ist das Plasmid mit einem Replikations-ursprung ausgestattet, welcher das Signal fr die Replikation in E. coli gibt. Das Plasmid enthltweitere Bestandteile, welche im Folgenden beschrieben werden. Einen schematischen berblickber den Aufbau des Plasmids gibt Abb. 2.2.

    Der Genabschnitt, welcher das D1M1 kodiert, wird hinter dem Promotor des AOX1-Gens plat-ziert. Das AOX1-Gen codiert fr das Enzym Alkoholoxidase-1 (AOX1), welches von P. pastorisin groen Mengen fr die Verarbeitung von Methanol gebildet wird. Liegt hinter dem AOX1-Promotor anstelle der AOX1-Sequenz die Sequenz des rekombinanten Proteins, so wird diesesin groen Mengen produziert, sobald P. pastoris Methanol verarbeiten mchte. Auf diese Weisekann die Produktion des rekombinanten Proteins gezielt induziert werden. Zur Sezernierung

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  • 2 Expression des rekombinanten Proteins

    des rekombinanten Proteins wird zwischen dessen Sequenz und dem AOX1-Promotor die Se-quenz des -Faktors eingefgt. Um den erfolgreichen Einbau dieser DNA-Sequenzen in dasP. pastoris-Genom zu berprfen, ist hinter dem beschriebenen Fremdgen ein Resistenzgen ein-gebracht. Dieses Resistenzgen macht die mit dem Fremdgen transformierten P. pastoris-Zellenwiderstandsfhig gegen das Antibiotikum Zeocin. Die nicht transformierten Zellen werden aufeinem zeocinhaltigen Nhrboden gehemmt und sterben ab.

    Abb. 2.2: Konstrukt aus Zeocin-Resistenzgen Sh ble, 5AOX1-Promotor, -Faktor undder D1M1-Sequenz auf Basis des Plasmids pPICZA von Invitrogen (Groningen, dieNiederlande). Frei nach Invitrogen (2010).

    Bei der Integration des Fremdgens hinter P. pastoris AOX1-Promotor gibt es drei mglicheSzenarien. Beim ersten Szenario wird die Fremd-DNA zwischen den AOX1-Promotor und dieAOX1-Sequenz eingefgt. Die Produktion der Alkoholoxidase-1 kann also wie im Wildtyp wei-terhin stattfinden. Dieser Genotyp wird als Mut+ (Methanol utilisation Positive) bezeichnet. Imzweiten Szenario wird die AOX1-Sequenz durch die Fremd-DNA ersetzt. Bei der Aktivierung desAOX1-Promotors wird also nur noch das Fremdgen abgelesen, AOX1 kann nicht mehr produ-ziert werden. Da das Gen der Alkoholoxidase noch in einer zweiten allelischen Variante, AOX2,auftritt, kann P. pastoris noch Methanol verarbeiten. Dies geschieht jedoch deutlich langsamerals im Wildtyp, da die AOX2 in geringeren Mengen als die AOX1 produziert wird. Folglichwird dieser Genotyp als MutS (Methanol utilisation Slow) bezeichnet. Das dritte Szenario istdurch den Ersatz beider AOX-Gene durch das Fremdgen gekennzeichnet. Dadurch produziertP. pastoris keine Alkoholoxidase mehr produzieren und bentigt die Zuftterung eines weiterenSubstrats. Dieser Genotyp wird als Mut (Methanol utilisation Negative) bezeichnet und ist vongeringer praktischer Bedeutung. (Cereghino und Cregg, 2000)

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    3.1 Prozessstrategie

    Aufbauend auf den Arbeiten von Borchert (2011), Paul (2012) und Lucks (2013) wurde anfangsdie dort beschriebene Produktionsstrategie verwendet. Diese klassische Produktionsstrategiemacht sich fr die Regelung des pO2-Wertes ausschlielich die Rhrerdrehzahl NSt zunutze. Indieser Arbeit soll, zur Optimierung der Prozessbedingungen, die Strategie verfolgt werden, inder Produktionsphase die Temperatur der Flssigphase L fr die Regelung des pO2-Werts zunutzen. Innerhalb der Batch- und Fed-Batch-Phasen wird bei beiden Strategien gleich verfah-ren.

    3.1.1 Klassische Prozessstrategie

    Diese Strategie sieht vor, bei einer Startzelldichte von 0.4 g l1 (cXL0) die Batch-Phase zu be-ginnen. Mit dem vorgelegten Glycerin von 30 g l1 (cSL0) erreicht die Kultur eine Zelldichte vonca. 20 g l1 (cXL_B). In der Fed-Batch-Phase wird die Zelldichte auf cXL_FB = 30 g l1 durchNachftterung des limitierenden Substrats Glycerin ber ca. 6 h erhht. Als Soll-Wachstumsratew wird 0.1 h1 eingestellt. Die Kultur wchst folglich substratlimitiert unterhalb ihrer maxi-malen Wachstumsrate max, was die Sauerstoffversorgung bei hheren Zelldichten vereinfacht.Zustzlich verluft das Wachstum kontrollierter und der bergang in die Produktionsphase kanngenauer geplant werden.

    Die Produktionsphase beginnt mit der Zuftterung des Induktors und Sekundrsubstrats Metha-nol. ber die Pumprate und das Flssigvolumen geschtzt erfolgt eine gesteuerte Zugabe desMethanols bis eine Konzentration von ca. 80% der Soll-Konzentration cS2M vorliegt. Danachwird die Methanolregelung aktiviert, welche die Sollkonzentration einstellt. Die Glycerinzufuhrwird whrenddessen heruntergefahren. Die Anzeichen, dass die Lag-Phase beendet ist, sind derBeginn der Methanolregelung und das Wiederansteigen des Sauerstoffbedarfs. Zur Regelungdes pO2-Werts auf dessen Sollwert pO2w wird von einem PID-Regler die Rhrerdrehzahl NSterhht. Unter sonst konstanten Bedingungen ist die Rhrerdrehzahl die einzige Prozessgre,

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    welche direkt beeinflusst wird. Die Kultur zeigt ein unlimitiertes Wachstum mit konstanterWachstumsrate, was die Zellmasse mXL exponentiell ansteigen lsst. Durch Verdnnungseffektekann die gemessene Zellkonzentration cXL von der exponentiellen Zunahme abweichen. In derAbb. 3.1 ist der Verlauf einiger wichtiger Gren skizziert.

    Abb. 3.1: Klassische Prozessstrategie mit pO2-NSt-Regelung in der Produktionsphasewie in den Arbeiten von Borchert (2011), Paul (2012) und Lucks (2013). Dargestellt sindZelldichte cXL, Gelstsauerstoffpartialdruck pO2, Rhrerdrehzahl NSt, Produktkonzentrati-on cP1M, Temperatur L, spezifische Wachstumsrate , Glycerin-Zuftterrate FR1 und dieMethanolkonzentration cS2M. Frei nach Paul (2012).

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    3.1.2 Angepasste Prozessstrategie

    In der Batch- und der Fed-Batch-Phase der angepassten Prozessstrategie wird genau wie inAbschnitt 3.1.1 verfahren. Die Initialisierung der Produktionsphase findet ebenfalls analog zu derklassischen Strategie statt. Abweichend zu dieser wird der pO2-NSt-Regler jedoch beendet unddie Rhrerdrehzahl konstant gehalten. Nach Jahic u. a. (2003) soll in der angepassten Prozess-strategie die Temperatur L als Stellglied fr die pO2-Regelung dienen, was von diesen Autorenauch Temperature Limited Fed-Batch (TLFB) genannt wird. In Anlehnung an die in diesemLabor bliche Schreibweise wird in dieser Arbeit der Begriff pO2--Regelung verwendet. In derRegelung sorgt das Absenken der Temperatur, entsprechend den Gesetzen der Thermodynamik,fr eine Verlangsamung des Stoffumsatzes. Das schliet den Verbrauch von Sauerstoff undanderen Substraten durch die Kultur ein. Von einer echten Limitierung des Zellwachstums, imSinne der Substratlimitierung in der Fed-Batch-Phase, kann bei der pO2--Regelung also streng-genommen nicht gesprochen werden. Da die Zellmasse durch das Wachstum stetig zunimmt,muss der zellspezifische Sauerstoffbedarf ber die Temperaturerniedrigung soweit gesenkt wer-den, dass der Sauerstoffbedarf der gesamten Kultur konstant bleibt. Die Kultur wchst also beinherungsweise konstanter volumetrischer Sauerstoffeintragsrate QO2. Im Fliegleichgewichtgilt OUR(t) = QO2(t). Mit der Beziehung,

    OUR(t) = cXL(t) (t)yX/O, (3.1)

    folgt dann, dass sich die spezifische Wachstumsrate antiproportional zu der Zellkonzentra-tion cXL verhalten sollte. Der ungefhre Verlauf dieser Gren ist in der Abb. 3.2 visualisiert.Wenn der Sauerstoffausbeutekoeffizient yX/O als konstant angenommen wird und die volume-trische Sauerstoffeintragsrate QO2 ebenfalls konstant ist, sollte sich eine lineare Zunahme derZellkonzentration zeigen.

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    Abb. 3.2: Neue Prozessstrategie mit pO2--Regelung nach Jahic u. a. (2003). Hier wirdfr die Regelung des pO2-Wertes die Kultivierungstemperatur gesenkt. Dargestellt sindZelldichte cXL, Gelstsauerstoffpartialdruck pO2, Rhrerdrehzahl NSt, Produktkonzentrati-on cP1M, Temperatur L, spezifische Wachstumsrate , Glycerin-Zuftterrate FR1 und dieMethanolkonzentration cS2M. Eigenes Werk.

    3.2 Bioprozesstechnik Upstream

    3.2.1 Das Fermentationssystem

    Fr die Kultivierung des Produktionsorganismus wurde ein hochinstrumentierter Biostat C10-3der Firma B. Braun Biotech International eingesetzt. Das Fermentationssystem beinhaltet denin-situ sterilisierbaren Reaktorkessel, die digitale Kontrolleinheit (DCU), die Zuluft- und dieAbluftstrecke . Dazu kommen diverse Vorlagebehlter auf Waagen, um die Stoffstrme in

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    und aus dem Reaktor, sowie das Reaktorgewicht online zu erfassen und zu speichern. berverschiedene Pumpen knnen whrend des Prozesses bspw. Korrekturmittel und Substrateergnzt werden.

    Fr die Datenspeicherung und Steuerung des Systems sind die Peripheriegerte und die DCU berein CAN-Bussystem an einen Windows-PC angeschlossen. Da die Anschlussmglichkeiten desWindows-PCs nicht ausreichen, findet eine Sammlung der Anschlsse ber den CAN-KnotenCTERM der Firma esd GmbH (Hannover, Deutschland) statt. ber einen OPC-Client werdendie Daten auf dem Windows-PC von dem CAN-Knoten an das SCADA-System MFCS/winaus dem BioPAT-Softwarepaket der Sartorius AG (Gttingen, Deutschland) bertragen. ImFolgenden werden die aufgefhrten Komponenten nher erklrt.

    3.2.1.1 Der Reaktorkessel

    Der Kessel des Biostat C10-3 hat ein maximales Arbeitsvolumen von 10 l bei einem Ma-ximalvolumen von 15 l und einem Verhltnis der Hhe zu dem Durchmesser von 3:1. Diemedienberhrenden Teile sind aus der Stahlsorte 1.4435 (ugs. V4A) gefertigt. Fr alle brigenStahlteile, inklusive des Mantels, wurde der Stahl 1.4301 (ugs. V2A) verwendet. Der Kesselverfgt ber zwei Stutzenkrnze. Ein Stutzenkranz mit drei 25mm Ports ist in den Kesselkrageneingebaut. Weitere vier 25mm Ports und ein 12mm Port fr den Pt100-Temperatursensor bildenin der unteren Ebene den zweiten Stutzenkranz. Einer der 25mm Ports ist horizontal eingebautund fr die Aufnahme eines Probennahmeventils vorgesehen. Bei unsachgemer Montage derEinbauteile knnten diese vom Kesseldruck aus den Ports geschleudert werden. Daher sind alle25mm Ports als Sicherheitsstutzen ausgefhrt. Konstruktionsbedingt dichten die O-Ringe derEinbauteile in solchen Stutzen erst ab, wenn die berwurfmutter korrekt angezogen wurde.Damit wird die Druckbeaufschlagung des Kessels bei falsch montierten Einbauteilen verhindert.Ferner ist in einem 32mm Stutzen am Behlterboden ein kombiniertes Probennahme- und Ern-teventil montiert. Beide Ventile knnen mit Heidampf in-situ sterilisiert werden. Ein vertikalesSchauglas von 179 x 34mm ist in den Reaktormantel integriert.

    Im Deckel des Kessels sind vier 19mm Ports, fr den flexiblen Einbau von Sonden und dergleichen,vorhanden. Weitere ffnungen im Deckel sind fr den Zuluftanschluss, die Abluftstrecke, dieRhrwelle, das Sicherheitsventil und ein Schauglas vorgesehen. Die Rhrwelle wird mittelseiner doppelten Gleitringdichtung durch den Deckel gefhrt. Der Begasungsring wird an der

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    Abb. 3.3: Kessel des Biostat C. A: Ernteventil, B: unterer Stutzenkranz, C: Doppel-mantel, D: oberer Stutzenkranz, E: Rhrermotor.

    Unterseite des Deckels mit dem Zuluftanschluss verbunden. Im Verlauf dieser Arbeit wurdedas Schauglas aus dessen ffnung entfernt, da diese fr eine neue Fllstandssonde verwendetwerden musste.

    Die Temperierung erfolgt mittels eines wasserdurchstrmten Doppelmantels. Dafr wird derDoppelmantel des Kessels mit zwei R 3/8 Stutzen an einen geschlossenen Khlwasserkreislaufangeschlossen. Der Khlwasserkreislauf wird ber einen Plattenwrmetauscher mit dem Haus-khlwasser gekhlt oder mit einer elektrischen Heizung geheizt.

    Fr eine homogene Durchmischung und eine gute Blasenzerteilung sorgen drei hhenverstellbare6-Blatt Scheibenrhrer (Rushton-Turbinen), deren Durchmesser das 0.4fache des Kesselinnen-durchmessers betrgt, sowie vier senkrechte Strmungsbrecher an der Kesselinnenwand. DieRhrwelle wird durch den Reaktordeckel eingefhrt. Der Motor wird ber ein separates Motor-kontrollgert MCU-200 angetrieben. Der Sollwert der Rhrerdrehzahl wird ber die DCU andas Motorkontrollgert gesendet. Werte zwischen 0min1 und 1200min1 knnen als Sollwerteingestellt werden.

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    Um flexibel Korrekturmittel, Substrate oder Medienbestandteile zufhren zu knnen, ist derBioreaktor mit fnf Sterilkupplungen in den drei 22mm Ports des oberen Stutzenkranzes ausge-stattet. ber diese werden Antischaummittel, Sure, Base, Glycerin, Methanol und das Inokulumzugegeben, sowie fehlende Medienbestandteile ergnzt. Die Besonderheit der Sterilkupplungender Firma Stubli Tec-Systems GmbH (Bayreuth, Deutschland) ist dessen Eignung zur in-situSterilisation der Kuppelverbindung mit Heidampf, bevor eine offene Verbindung zwischen demReaktor und der Vorlage hergestellt wird. Dafr ist der Kuppelvorgang zweistufig ausgefhrt.In der ersten Kuppelstufe Sterilisation wird ein geschlossener Raum um die Stirnflchen derKuppelstcke erzeugt. Dieser Raum kann dann ber separate Anschlsse mit Heidampf sterili-siert werden. Nach dem Abkhlen wird in der zweiten Kuppelstufe die Verbindung zwischen dennun sterilen Kuppelstcken hergestellt, was eine vollstndig sterile Kuppelverbindung zwischenReaktorinnenraum und z. B. einem Vorlagegef erzeugt.

    3.2.1.2 Zuluft- und Abgasstrecke

    Der Gasweg durch den Bioreaktor lsst sich in Zuluftstrecke und Abluftstrecke unterteilen. Inder Zuluftstrecke wird der Durchfluss von Druckluft, und optional Stickstoff oder Sauerstoff,durch dedizierte Mass Flow Controller (MFC) geregelt. Die MFCs fr Sauerstoff und Stickstoffsind dabei in einem Gert zusammengefasst. Die Gasstrme werden zusammengefhrt und zudem Zuluftfilter geleitet. Der Zuluftfilter ist ein hydrophober Gasfilter mit 0.2 m Porenweite.Danach stellt der Zuluftanschluss im Reaktordeckel die Verbindung zwischen dem Zuluftfilterund dem Begasungsring her. Der Zuluftanschluss ist beweglich ausgefhrt und kann in denStellungen Sterilisation und Fermentation betrieben werden. In der Stellung Sterilisationist der Zuluftanschluss von dem Begasungsring getrennt, was die Begasung des Kopfraumes desReaktors ermglicht und verhindert, dass Medium in die Zuluftstrecke gedrckt werden knnte.Aus dem Begasungsring steigt das Gas als Blasen auf, wo der Stoffbergang von Sauerstoffund CO2 in bzw. aus der Flssigphase stattfindet. Weiter gelangt das Gas in den Kopfraum,von wo es in die Abluftstrecke eintritt. Diese beginnt mit dem Abluftkhler, in welchem dieFeuchtigkeit aus dem Abgas grtenteils kondensiert. Direkt nach dem Abluftkhler findeteine Schaumdetektion und eine Druckmessung statt. Um die rekombinanten Produktionsor-ganismen zurckzuhalten, wird das Gas nach der Druckmessung erneut sterilfiltriert. WeitereStationen im Abgasweg sind ein Drosselventil, eine Kondensatfalle, sowie die Sauerstoff- undCO2-Abgasanalytik.

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    3.2.1.3 Messtechnik und Sonden

    Inline-Messtechnik

    Die Trbungssonde In dieser Arbeit wurde eine Einkanal-Trbungssonde des Typs ASD25-BT-N-5 der Firma optek-Danulat GmbH (Essen, Deutschland) verwendet. Das Messprinzip dieserSonde basiert auf der Streuung und Absorption von Licht durch Inhaltsstoffe des Kulturmediums.Als Lichtquelle dient eine Hybrid-LED, welche einen definierten Wellenlngenbereich zwischen840 nm und 910 nm emittiert. Der Lichtstrahl wird durch einen Spalt in der Sonde gefhrt, welchervon der Kulturbrhe durchflossen wird. Dieser Spalt ist mit zwei Saphirfenstern gegenber demMedium abgeschlossen. So kann der Lichtstrahl aus dem Sondengehuse austreten, das Mediumwird aber am Eintritt gehindert. Die Abschwchung dieses Lichtstrahls, gemessen als Trbungder Kulturbrhe L, dient der Bestimmung der Zellkonzentration. Das Lambert-Beersche Gesetz,welches einen linearen Zusammenhang zwischen gemessener Extinktion E und der Analytkon-zentration c beschreibt, kann unter den vorliegenden Prozessbedingungen nicht angewandtwerden. Die von der Zellkonzentration erreichte Trbung ist dafr zu hoch. Die Umrechnung derTrbung in eine Zellkonzentration cXLturb erfolgt daher mit einem nichtlinearen Ansatz, welcherin Anhang, Abschnitt A.1.2 nher beschrieben ist.

    pH-Sonde Fr die Messung des pH-Werts kam eine Glaselektrode des Typs EasyFerm PlusK8 160 von Hamilton (Bonaduz, Schweiz) zum Einsatz. Diese Sonde ist speziell fr den Einsatzin Bioreaktoren konstruiert und widersteht Drcken von bis zu 6 bar und Temperaturen bis zu140. Dadurch ist die Sonde fr Dampfsterilisationen und chemische Suberungen geeignet(Cleaning in Place, CIP). Diese Widerstandsfhigkeit wird durch eine spezielle Gelfllung undeinen erhhten Innendruck der Sonde erreicht. Der erhhte Innendruck verhindert auch dieDiffusion von Medienkomponenten in das Sondeninnere. Die Sonde wurde in Standardlsungenmit pH = 4.02 0.02 und 7.00 0.02 vor dem Einbau in den Reaktor kalibriert. Die pH-Sondewurde mittels eines Adapters in einen der 25mm-Seitenports im unteren Stutzenkranz montiert.Der Messverstrker ist in die DCU integriert. Durch die Hitzeeinwirkung beim Sterilisierendes Bioreaktors kann sich die vor dem Einbau bestimmte Kalibriergerade verschieben. Umdiesen Effekt zu minimieren, kann nach der Sterilisation der pH-Wert des Reaktorinhalts offlinebestimmt und mit diesem Wert die Kalibriergerade ber eine Einpunktkalibration angepasstwerden.

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    pO2-Sonde Der Sauerstoffpartialdruck im Medium pO2 wurde mit einer membranbedecktenClark-Elektrode des Herstellers Mettler-Toledo (Gieen, Deutschland) polarografisch gemessen.Die Sonde wird in den Reaktordeckel eingesetzt, whrend der Messverstrker in die DCU integriertist. Vor jeder Fermentation wurde die pO2-Sonde zwecks Polarisierung ber Nacht (ca. 16 h) andie DCU angeschlossen. Die pO2-Sonde wurde nach Einbau unter Prozessdruck und -temperaturin VE-Wasser kalibriert. Der Nullwert wurde durch Begasung mit reinem Stickstoff und der Wertfr 100% Sttigung durch Begasung mit Druckluft erzielt. Die Kalibrierung vor der Sterilisationdient in erster Linie dem Funktionstest der Sonde. Nach der Sterilisation wurde die Kalibrierungwie beschrieben in Kulturmedium wiederholt, um den Einfluss der Sterilisation auf die Sondezu bercksichtigen.

    Das pO2-Signal zeigt ein Rauschen mit einer Standardabweichung von ca. 0.6%. Dies ist beider Auswertung des ungefilterten pO2-Signals, oder von diesem Wert abgeleiteten Gren, mitdifferenzierenden Elementen zu beachten.

    Methanolmessung Der Wert der Methanolkonzentration im Medium cS2M muss fr repro-duzierbare und zellschonende Prozessfhrung ausreichend schnell fr eine Regelung zur Ver-fgung stehen. Das kann z. B. mit einer inline Messung geschehen, wie sie die Firma BIO-TECHNOLOGIE KEMPE GmbH mit dem Alcosens-System anbietet. Fr den Biostat Cstand leider kein eigenes Alcosens-System zur Verfgung. Fr die Fermentationen JR2315,JR2415 und JR2515 wurde leihweise das Alcosens-System eines anderen Bioreaktors verwen-det.

    Das Alcosens-System zeichnet sich durch die Messung einer Alkoholkonzentration in einemdefinierten Trgergasstrom aus. Dieser Trgergasstrom wird hinter einer Teflonmembran andem Medium vorbeigefhrt. Dabei diffundiert Methanol, abhngig von dessen Konzentration imMedium cS2M und von der Temperatur L, durch die Teflonmembran in den Trgergasstrom. EinHalbleitersensor am Ende der Sonde, dessen Widerstand von der Alkoholkonzentration abhngt,erzeugt daraus ein elektrisches Signal. Dieses Signal wird vom Messverstrker linearisiert und mit-tels CAN-Bus an die SCADA-Software MFCS/win bertragen.

    In Anhang, Abschnitt ??, sind verschiedene Anstrengungen beschrieben, ein eigenes, temperatur-kompensiertes Messsystem fr die Methanolkonzentration aufzubauen.

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    Temperaturmessung Fr die Temperaturmessung ist der Biostat C mit einem Pt100-Wi-derstandsthermometer ausgestattet. Der Messverstrker ist in die DCU integriert. Der Messwertder Temperatur geht in die Temperaturkompensation zahlreicher weiterer Messgren ein, wiez. B. des pO2-Werts oder des pH-Werts.

    Online-Messtechnik

    Abgasanalytik Mit zwei Sensoren der Firma Bluesens gas sensor GmbH (Herten, Deutsch-land) werden die Stoffmengenanteile von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid im Abgas, xO2 undxCO2, gemessen. Darauf aufbauend knnen weitere Gren abgeleitet werden, wie z. B. dieSauerstoffeintragsrate QO2, die CO2-Austragsrate QCO2 oder der Respiratorische Quotient RQ.Das Messprinzip des CO2-Sensors basiert auf der Absorption von infrarotem Licht. Der Sau-erstoffsensor hingegen macht sich die konzentrationsabhngige Diffusion von Sauerstoff durchZirkoniumdioxid zunutze.

    Waagen Die Gewichte der Vorlagebehlter von Substraten und Korrekturmitteln, wie Sureund Base, werden durchWaagen erfasst. Die Waagen sind ber einen CAN-Knoten an MFCS/winauf dem Prozessrechner angeschlossen, was die Aufzeichnung der Waagensignale ermglicht.Aus diesen Waagensignalen kann dann auf den Strom z. B. eines Substrats aus dem Vorlagegefin den Bioreaktor zurckgeschlossen werden. Weiterhin wird der Bioreaktor selbst gewogen, wasRckschluss auf das Flssigvolumen im Reaktor ermglicht.

    Schaumdetektion Fr die Detektion von kritischen Schaumhhen ist der Reaktor mit ei-ner konduktiven Schaumsonde im Reaktordeckel ausgestattet. Diese wird fr die Steuerungder Zugabe von Antischaummittel verwendet. Erreicht das Schaumniveau die Sondenspitze,so wird ein Stromkreis geschlossen und die DCU beginnt mit der zyklischen Ansteuerung derPumpe des Anti-Schaum-Mittels. Die Pumpe ist in das Reaktorgrundgert mit der DCU inte-griert.

    Eine zweite Schaumsonde sitzt zwischen dem Abluftkhler und dem Abluftfilter und dientder Notabschaltung von Rhrer und Begasung, falls Schaum in die Abluftstrecke eindringt.Aufgrund ihrer Position und Aufgabe wird sie auch als high-foam-Sonde bezeichnet. So wird

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    der Abluftfilter vor der Verschmutzung mit Kulturbrhe geschtzt und der Austritt der GVOsverhindert.

    Druckmessung Der Kesseldruck wird auf der Hhe der high-foam-Sonde von einem Mano-meter angezeigt.

    Offline-Messungen Fr die offline-Analytik wurden whrend des Prozesses Proben der Kultur-brhe genommen. Von diesen Proben wurde die Optische Dichte bei 600 nm (OD600) bestimmt.Weiterhin wurden Zellen und Medium durch Zentrifugation voneinander getrennt und bis zu derAnalyse von Biotrockenmasse cXL_BTM, Gesamtproteingehalt im Medium cPtotM und Reinheitdes Zielproteins R bei -20 gelagert. Details zu der Durchfhrung dieser Analysen sind imAnhang A.1 zu finden.

    3.2.2 Bioprozessautomatisierung

    3.2.2.1 Bioprozessautomatisierung mit MFCS/win und S88

    Wie in Abschnitt 3.1 beschrieben unterteilt sich dieser Bioprozess in drei Phasen, Batch-, Fed-Batch und Produktionsphase. Dazu kommen aus praktischer Sicht noch weitere Phasen, wieSterilisation, Inokulation, Ernte oder Refresh. Diese unterschiedlichen Prozessphasen verlangennach spezifischen Einstellungen der Aktoren und zeigen voneinander abweichende Eigenschaf-ten. Um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, mssen im Verlauf des Prozesses diverseParameter angepasst werden. Weiterhin soll der bergang zwischen den Phasen definierten Kri-terien und bestmglich automatisiert erfolgen, was den Ablauf vereinfacht, den Personalaufwandverringert und die Reproduzierbarkeit erhht.

    Um diese Ziele zu erreichen verfgt die SCADA-Software MFCS/win ber ein Modul zur Er-stellung von sog. Rezepten fr die Prozessautomatisierung. Diese Rezepte entsprechen demStandard ANSI/ISA-88 (kurz S88), welcher in Deutschland auch als DIN EN 61512 bekanntist, und stellen die Vorlagen fr knftige Bioprozesse dar. Ein Prozess, in MFCS/win als Batchbezeichnet, wird dann anhand solch einer Vorlage abgearbeitet. Dem Standard S88 folgend sinddie MFCS/win-Rezepte in verschiedene Ebenen unterteilt. Ein S88-Batch besteht aus verschie-denen Operationen, welche nacheinander durchlaufen werden. Diese Operationen sind weiter

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    untergliedert in Phasen. Aufeinander folgende Phasen sind mit sog. Transitionen verknpft. DieTransitionen knnen dabei auch Verzweigungen darstellen, sodass mehrere Phasen oder Phasen-strnge gleichzeitig durchlaufen werden. Um die Einleitung oder Beendigung der Phasen automa-tisiert ablaufen zu lassen, knnen die Transitionen mit logischen Bedingungen verknpft werden.In Abb. 3.4 ist die Struktur eines S88-Rezeptes dargestellt.

    Abb. 3.4: Struktur eines S88-Rezeptes in MFCS/win nach Vo (2012)

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    3.2.2.2 Temperaturregler des Biostat C

    TemperaturregelstreckeDie Temperatur hat bei der Kultivierung von Mikroorganismen eine bedeutende Rolle. So sindnicht nur die vielfltigen biochemischen Reaktionen von der Temperatur abhngig. DiverseProzesse, wie beispielsweise das Zellwachstum, haben Temperaturoptima. Dazu kommt, dasschwankende Kultivierungstemperaturen die Reproduzierbarkeit beeintrchtigen. Die metaboli-sche Abwrme der Kultur schwankt im Verlauf des Prozesses ebenfalls und ist u. a. abhngigvom verstoffwechselten Substrat (Sivaprakasam u. a., 2011). Die in-situ Sterilisation des Reak-tors verlangt ebenfalls nach einer Erwrmung des Reaktors auf Sterilisationstemperatur und dieEinhaltung derselben.

    Zu diesem Zweck ist der Doppelmantel des Reaktorkessels mit einem Temperiersystem ver-bunden. Dieses System besteht im Wesentlichen aus einer elektrischen Heizung und einemPlattenwrmetauscher. Der Plattenwrmetauscher wird zur Wrmeabfuhr mit Khlwasser ex-tern gespeist. Das Temperierfluid ist Wasser, welches von einer Umwlzpumpe im geschlossenenKreislauf durch den Doppelmantel, die elektrische Heizung und den Plattenwrmetauscher ge-leitet wird. Der Wrmeaustausch findet zwischen dem Reaktorinhalt und dem Temperierfluiddurch die Stahloberflche des Reaktorkessels statt. Die Temperatur des Reaktorinhalts, welchedie Regelgre darstellt, L wird von dem Pt100-Thermometer erfasst und an die DCU wei-tergeleitet. In die DCU ist ein PID-Regler implementiert, welcher den gemessenen Istwert Lmit dem Sollwert Lw vergleicht und die Stellgre ausgibt. Die Parameter des PID-Reglersmssen manuell vom Benutzer in die DCU eingegeben werden. Nur der Sollwert und der Statusdes Reglers (off oder auto) knnen ber MFCS/win manipuliert werden. Die Stellgre desTemperaturreglers ist ein kontinuierliches Signal und kann Werte zwischen 100% und +100%annehmen. Die negativen Werte der Stellgre werden pulsweitenmoduliert an das Magnetven-til fr die Khlwasserspeisung des Plattenwrmetauschers weitergegeben. Die positiven Wertedurchlaufen ebenfalls eine Pulsweitenmodulation und werden innerhalb der DCU an das Halblei-terrelais der Spannungsversorgung der elektrischen Heizung ausgegeben. Diese Betriebsart wirdauch als Split-Range Regelung bezeichnet.

    StreckenidentifikationUm optimale Reglerparameter zu bestimmen, wurde das Streckenverhalten wie folgt bestimmt.Der Reaktor war mit 7 l VE-Wasser gefllt, um das typische Volumen der Kulturbrhe von ca.

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    Abb. 3.5: Blockfliebild der Temperaturregelstrecke des Biotstat C. Die Pulsweiten-modulation ist mit PWM gekennzeichnet. Khl- und Heizverhalten sind sehr verschieden.Daher gelten je nach Temperierart verschiedene Parameterstze fr die PT2-Strecke. Ei-genes Werk.

    7 l zu simulieren. Da die Kulturbrhe zum grten Teil aus Wasser besteht, sollten die Wr-mekapazitten von VE-Wasser und der Kulturbrhe so hnlich sein, dass deren Unterschiedvernachlssigt werden kann. Die Viskositt der Kulturbrhe weicht jedoch, insbesondere beihohen Zelldichten, von der des VE-Wassers ab. Ob dies das Systemverhalten signifikant beein-flusst, kann im Vornherein nicht ausgeschlossen werden. Die Kontrolle, ob dies tatschlich dasSystemverhalten signifikant verflscht, erfolgt auf Seite 28.

    Um die Streckenparameter des mit VE-Wasser gefllten Reaktors zu bestimmen, wurde dieEingangsgre sprungfrmig verndert und das Verhalten der Regelgre L aufgezeichnet. Dabeiist zu beachten, dass der Temperaturregler in der DCU nicht deaktiviert, bzw. dessen Ausgangnicht manuell festgelegt werden kann. Um die Sprungversuche ohne Umbauten zu ermglichenwurden die I- und D-Anteile des Reglers deaktiviert und die inverse Proportionalverstrkung xPauf die maximale Verstrkung von 0.1% gesetzt. Der Ausgang des Temperaturreglers wurdeauf den Wert der gewnschten Stellgre begrenzt. Dies soll den Regelalgorithmus unwirksammachen und stetig die gewnschte Stellgre ausgeben. Bei konstanter Temperatur im Bioreaktorwurde dann ein mglichst hoher bzw. niedriger Sollwert vorgegeben. Wichtig ist, dass derIstwert den eingestellten Sollwert nicht erreicht. Das Vorgehen war erfolgreich, da bei einereingestellten Stellgre von 100% das Magnetventil der Khlwasserspeisung in offener Stellungverharrte.

    Fr die Bestimmung der bergangskurven wurden z. B. Sprnge der Stellgre von +5% auf100% oder von 0% auf +5% durchgefhrt. Die bergangskurven sind in Abb. 3.6 gezeigt.

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    Abb. 3.6: bergangskurven der Temperatur der Flssigphase L nach Sprngen derEingangsgre. Variationen in der Vorlauftemperatur des Hauskhlwassers bewirken einenunruhiges Verhalten der Temperatur bei niedrigen Stellgren.

    Zu beachten sind die Unterschiede zwischen Abkhl- und Aufheizverhalten. Die Regelstreckewurde vereinfachend als zweifach verzgertes Proportionalsystem (PT2) angenommen. EinPT2-System hat den Vorteil, dass auch einfache empirische Methoden, wie die von Chien,Hrones und Reswick (1952), zur Bestimmung der Reglerparameter angewandt werden kn-nen.

    Mithilfe der Software MATLAB wurde ein dynamisches Modell der Regelstrecke numerischgelst. Die Raumtemperatur ist dabei als konstanter Versatz des gesamten Modells abgezogenworden. Die Parameter des dynamischen Modells wurden dabei nach dem Verfahren von Nelderund Mead (1965) systematisch variiert, um dessen quadratische Abweichung zu den gemessenenbergangskurven zu minimieren. Als dynamisches Modell kam dabei die Differentialgleichung

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    Tab. 3.1: Experimentell bestimmte Streckenparameter fr Heiz- und Khlbetrieb.

    Modus T1 T2 KS[h] [h] [/%]Khlen 0.2005 0.0049 0.1074Heizen 1.7989 0.0437 10.6833

    eines PT2-Systems,

    T1T2 L(t) + (T1 + T2) L(t) + L(t) = KS uL(t) (3.2)

    mitT1 := Verzgerungszeitkonstante [h]T2 := Verzgerungszeitkonstante [h]uL := Stellgre [%]KS := Statische Verstrkung [/%]L := Differenz der Flssigphasen- zur Raumtemperatur, []

    zum Einsatz, vgl. Lunze (2013). Das Aufheizen verluft dabei wesentlich langsamer als das Ab-khlen und die statische Verstrkung des Aufheizens ist viel grer, als die statische Verstrkungbeim Abkhlen, vgl. Abb. 3.6 und Tab. 3.1. In einem gngigen Bioprozess muss die Kulturbrheaufgrund des Leistungseintrags des Rhrers und der metabolischen Abwrme fr gewhnlich nurgekhlt und kaum geheizt werden. Daher wurden nur die Parameter des Abkhlverhaltens frdie Bestimmung der Reglerparameter verwendet.

    Bestimmung und Test der optimalen Reglerparameter nach der Methode von Chien,Hrones und ReswickChien u. a. (1952) haben ein Faustformelverfahren beschrieben, nach welchem die Parametereinfacher P-, PI- oder PID-Regler aus den Streckenparametern einer PT2-Strecke bestimmtwerden knnen. Dabei knnen unterschiedliche Parameterstze fr optimales Fhrungs- oderoptimales Strbertragungsverhalten, je mit oder ohne 20% berschwingen, berechnet werden.Die nach den Vorgaben von Chien u. a. (1952) bestimmten Reglerparameter sind der Tab. 3.2zu entnehmen. Die Berechnungsvorschriften knnen dem Buch von Reuter und Zacher (2008)entnommen werden.

    Diese Parameterstze wurden bezglich Fhrungs- und Strbertragungsverhalten getestet, damit beiden Effekten whrend einer gngigen Fermentation zu rechnen ist. Das Fhrungsber-

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    Tab. 3.2: Optimale Reglerparameter und deren Berechnungsvorschriften nach Chien u. a.(1952). Der hchste an der DCU einstellbare Wert fr TI ist 1000.0 s, hhere Wertewurden abgerundet. Die Proportionalverstrkung KP ist als ihr Kehrwert xP dargestellt.

    Fhrungsbertragung StrbertragungAperiodisch 20% berschwingen Aperiodisch 20% berschwingen

    xP [%] 31.4 19.8 19.8 15.7TI [s] 799.0 (1078.7) 1000.0 32.2 28.0TD [s] 7.0 6.6 5.9 5.9

    tragungsverhalten wurde durch sprunghafte Vernderung des Sollwertes L zwischen 20 und30 aufgenommen. Fr die Aufnahme des Strbertragungsverhalten wurde, im eingeregeltenZustand, ein definiertes Volumen des VE-Wassers aus dem Reaktor abgelassen und durch 16klteres oder wrmeres VE-Wasser ersetzt. Die Temperatur des VE-Wassers im Reaktor betrugdabei 20. Die Stellgre wurde auf das Intervall von 100% bis +70% beschrnkt. EinTotband wurde nicht definiert. Der sonstige Versuchsaufbau war gleich dem bei der Aufnahmedes Systemverhaltens bei Stellgrensprngen.

    In der Abb. 3.7 sind die Tests der Parameterstze auf deren Fhrungsbertragungsverhaltengezeigt. Der zweite Parametersatz stellt den Sollwert dabei schneller ein, als der Zweite. DieParameterstze fr Strunterdrckung zeigten aufklingende Schwingungen und wurden frweitere Tests nicht bercksichtigt. Auf eine Darstellung der Ergebnisse wird folglich verzich-tet.

    Aufgrund der unterschiedlichen Heiz- und Khlverhalten mssen auch die Reaktionen auf ein-gebrachte Strungen fr Abweichungen nach oben und unten gesondert betrachtet werden. InAbb. 3.8 sind die Systemantworten, nach Temperierart unterschieden, dargestellt. Der zweiteParametersatz kompensiert die Strungen schneller, whrend das berschwingen akzeptabel ist.Da der zweite Parametersatz auch die Anforderungen an das Fhrungsverhalten besser erfllt,wurde dieser fr die weiteren Experimente verwendet.

    25

  • 3 Produktion im Bioprozess

    Abb. 3.7: Verhalten der geregelten Temperierstrecke bei sprungfrmigen Vernderungendes Sollwerts. Der erste Parametersatz ( ) braucht lnger zum Einregeln, als der zweiteParametersatz (), wobei die berschwingweiten gleich sind.

    26

  • 3 Produktion im Bioprozess

    Abb. 3.8: Verhalten der geregelten Temperierstrecke nach einer sprungfrmigen Vernde-rung des Istwertes. Der erste Parametersatz ( ) braucht lnger zum Einregeln, als derzweite Parametersatz (), wobei Ersterer etwas geringere berschwingweiten aufweist.

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    Die Evaluation der mit VE-Wasser bestimmten Parameter in einem realen Prozess fand mit derKultivierung JR1715 statt. In dieser Kultivierung wurde die Temperatur whrend der Produkti-onsphase von 30 auf 22 sprungfrmig gesenkt. Dieser Abkhlungvorgang wurde mit einemdynamischen PT2-Modell der geregelten Temperierstrecke in MATLAB numerisch simuliert.Zu Vergleichszwecken erfolgte dieser Abkhlvorgang auch mit VE-Wasser Die Kurven diesesAbkhlvorgangs sind in Abb. 3.9 dargestellt.

    Abb. 3.9: Vergleich des Verhaltens des geregelten Temperiersystems in der SimulationLsim, mit VE-Wasser L H2O und im realen Bioprozess L X am Beispiel einer sprungfr-mingen Senkung des Sollwerts.

    Der Verlauf der realen Abkhlvorgnge ist sehr hnlich. Die Annahme, dass der Wrmebergangaus der Kulturbrhe vergleichbar mit dem aus VE-Wasser ist, wird damit als besttigt angesehen.Die realen Kurven zeigen im Gegensatz zu der Simulierten ein deutliches berschwingen. Dieknnte mit unterschiedlichen bergngen zwischen Heiz- und Khlbetrieb zusammenhngen. Inder Simulation erfolgt dieser bergangslos und verzgerungsfrei. Dies muss am realen System

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  • 3 Produktion im Bioprozess

    nicht unbedingt der Fall sein. In der Bedienungsanleitung des Herstellers wird erwhnt, dass dertechnisch umgesetzte Regelungsalgorithmus nur bei kleinen Abweichungen wie ein PID-Reglerarbeiten soll. Die DCU arbeitet vom klassischen PID-Algorithmus abweichend, sofern der Ab-stand vom Sollwert eine gewisse Gre berschreitet. Da diese Grenzwerte nicht bekannt sind,kann keine Aussage getroffen werden, inwiefern dadurch das Einregelverhalten beeinflusst wird.

    3.3 Bioprozesstechnik Downstream

    Verschiedene Strategien der Gewinnung des D1M1 aus der Medienphase der Kulturbrhe sindetabliert und beschrieben (Borchert, 2011; Schreiber, 2013; Paul, 2012; Paul u. a., 2014). DieAufreinigungsstrategie muss dem Verwendungszweck des aufgereinigten Proteins angepasstsein. Fr die pharmazeutische Anwendung als Impfstoff sind weitaus hhere Anforderungenzu erfllen als fr die Anwendung des Proteins in Wissenschaft und Forschung. Verfahrenmit multimodaler Chromatographie versprechen gute Reinheiten und Wiederfindungen undsind auch als Teil einer pharmazeutischen Aufreinigungsstrategie geeignet (Paul u. a., 2014).Fr wissenschaftliche Anwendungen sind Aufreinigungsstrategien mittels der ImmobilisiertenMetallionen-Affinittschromatographie (IMAC) ein einfacher und verbreiteter Ansatz, vgl. hierzudie Arbeiten von Borchert (2011), Faber (2008) und Paul (2012).

    Fr diese Arbeit fand eine relativ einfache, IMAC-basierte Aufreinigungsstrategie nach Paul(2012) Anwendung. Die Trennsule besteht aus Chelating Sepharose Fast Flow von GE He-althcare (Mnchen, Deutschland) und ist fr die Aufreinigung von D1M1 mit zweiwertigenKupferionen beladen worden. Die Strategie ist in Abb. 3.10 visualisiert und gliedert sich in dieSchritte Zellabtrennung, Konditionierung und IMAC.

    Abb. 3.10: Blockfliebild der chromatographischen Aufreinigungsstrategie, in Anlehnungan Paul (2012).

    29

  • 3 Produktion im Bioprozess

    Das Trennprinzip der IMAC basiert auf den Wechselwirkungen bestimmter Aminosuren einesProteins, wie z. B. Histidin, mit auf dem chromatografischen Trgermaterial immobilisiertenMetallionen (Porath u. a., 1975). Dafr ist die Oberflche des Trgermaterials mit Ligandenmodifiziert, welche mit den Metallionen eine Komplexbindung eingehen (Porath, 1992). DieProteine werden durch diese Wechselwirkungen der Aminosuren mit den Metallionen an dasTrgermaterial gebunden.

    Ein Lauf der IMAC-Chromatographie ist in Abb. 3.11 gezeigt. Dargestellt sind die PhasenProbenaufgabe, Waschen, Elution und Reequilibrierung. Eine Equilibrierung der Trennsule fandunmittelbar nach dem Beladen statt und war daher nicht Teil dieses chromatografischen Laufs. Inder Equilibrierung wird die kupferbeladene Trennsule mit dem verwendeten Puffersystem gesplt.Whrend der Probenaufgabe wird der konditionierte, zielproteinhaltige Fermentationsberstandber die Trennsule gegeben, und das Zielprotein dabei gebunden. Reste des berstandes undnur schwach oder ungebundene Stoffe werden mit Equilibrierungspuffer von der Sule gewaschen.Die Elution des gebundenen Proteins erfolgt durch ein konkurrierendes Substrat, welches in hoherKonzentration in den Elutionspuffer gegeben wird und das Zielprotein aus seiner Bindung an dieMetallionen verdrngt. In dieser Arbeit kam dafr Imidazol zum Einsatz. Die Bedingungen indieser IMAC sind analog zu denen in der Expanded Bed Adsorption-IMAC, welche von Schreiber(2013) beschrieben wurde.

    Die Produktfraktionen der IMAC-Lufe wurden auf deren Proteaseaktivitt untersucht. Kriteriumwar der Anteil abgebauten D1M1 in der Lsung nach Inkubation ber 16 h bei 30. Dies dienteauch dem Zweck, die Fraktion mit der niedrigsten Proteaseaktivitt zu bestimmen. Diese wurdespter als Substrat und Standardprotein fr proteolytische Analysen des Fermentationsberstandsverwendet. Der proteolytische Abbau des D1M1 findet auch noch nach der Aufreinigung mit derIMAC statt. Je nach Fraktion findet der Abbau unterschiedlich stark statt. Wenn der Abbau desD1M1 tatschlich von Proteasen katalysiert wird, scheinen diese ebenfalls an die kupferbeladeneIMAC-Trennsule zu binden und teilweise gleichzeitig mit dem D1M1 zu eluieren. Vergleichbaresberichteten auch Faber, Younis u. a. (2013).

    30

  • 3 Produktion im Bioprozess

    Abb. 3.11: Chromatogramm der Aufreinigung von ca. 2 l Fermentationsberstand derKultivierung JR2515 mittels IMAC. Die Equilibrierung vor der Probenaufgabe ist nichtgezeigt. Der hellblau markierte Bereich des Peaks reprsentiert die Produktfraktion. DerAnteil des Elutionspuffers (Buffer B) im Laufpuffer ist in dunkelgelb und die Extinktionbei 280 nm des Sulenauslaufs E280 ist in blau gezeigt.

    31

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    4.1 Modellbildung mit MATLAB

    Fermentationen sind zeitaufwndig in der Durchfhrung, was die Anzahl der Experimente ineinem gegebenen zeitlichen Rahmen einschrnkt. Die mathematische Beschreibung von Fermen-tationsprozessen ermglicht den Vergleich hnlicher Prozesse, sowie Planung und Entwurf vonneuen Strategien und Verfahren. Die Nutzung dieser mathematischen Modelle der biologischenProzesse ermglicht nicht nur die zielgerichtete Auslegung neuer Verfahren, sondern verkleinertauch den experimentellen Aufwand. Die Modellierung eines bestimmten Prozesses beinhalteteine Vielzahl an prozess- und organismusspezifischen Parametern, welche fr die numerischeBetrachtung vorliegen mssen. In der Regel mssen diese vorab experimentell bestimmt werden.Die Modellierung des Adaptionsverhaltens, sowie des Maintenancestoffwechsels der Zellen istnicht abgedeckt. Diese Einflsse werden als nicht relevant fr ein Modell zur Auslegung einerneuen Regelungsstrategie betrachtet.

    Fr das Design eines neuartigen Reglers im Rahmen dieser Arbeit kommt ebenfalls ein Modelldes Bioprozesses zum Einsatz. Aus diesem Modell knnen die dynamischen Vorgnge derFermentation am Computer numerisch nachgestellt werden. Um die notwendigen Parameter, wiez. B. organismusspezifische Kenngren, fr das Modell zu bestimmen wurden einige Vorversuchedurchgefhrt. Eine Auflistung der daraus bestimmten und verwendeten Parameter befindet sichim Anhang, Abschnitt ??. Da die Regelungsstrategie nur in der Produktionsphase eingesetztwerden soll, wird auch nur diese modelliert und simuliert.

    Das Modell setzt sich aus Differenzialgleichungen erster und zweiter Ordnung, sowie algebraischenGleichungen zusammen. Die Differentialgleichungen sind die integrierenden Bestandteile dermodellierten Regelungen, die Massenbilanzen von Schlsselkomponenten und das dynamischeModell des Temperiersystems. Die algebraischen Gleichungen dienen der Vorbereitung undBereitstellung der Parameter fr die dynamischen Gleichungen. Die Struktur der algebraischenGleichungen orientiert sich an der blichen Darstellung im biotechnologischen Umfeld. DieseGleichungen werden in der numerischen, matrixbasierten Software MATLAB programmiertund zur Laufzeit gelst. Dies wird durch die Integration des Systems aus Differentialgleichungen

    32

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    mit Anfangswerten erreicht. Im Allgemeinen ist das Modell ein nichtlineares System aus achtDifferentialgleichungen erster Ordnung, mit einem Eingang (Lw) und einem Ausgang (pO2) frdie pO2--Regelung

    4.1.1 Bilanz des Flssigvolumens nach dem Dreiphasenmodell

    Der Inhalt eines Bioreaktors lsst sich in mehrere Phasen unterteilen. Angefangen wird beider wssrigen Medienphase M. Die Zellmasse nimmt im Verlauf der Kultivierung stark zu,insbesondere bei Hochzelldichtekultivierungen. Das Volumen der Zellmasse ist dabei nicht zuvernachlssigen. Die Zellmasse wird folglich als eigene Phase, die Biofeuchtphase Z, betrachtet,welche suspendiert in der Medienphase vorliegt und Stoffaustausch betreibt. Das Gemisch vonZellmasse und Medium wird teilweise wiederum als eigene, quasi bergeordnete Phase, dieFlssigphase L, angesehen. Zur Verbesserung des Sauerstoffangebots wird Druckluft in dieFlssigphase eingeleitet. Die in der flssigen Phase dispergierte Druckluft stellt eine weiterePhase, die Gasphase G, dar. in Abb. 4.1 ist die Aufteilung dieser Phasen schematisch dargestellt.

    Abb. 4.1: Dreiphasenmodell eines Bioreaktors dargestellt durch ein makroskopischesVolumenelement. Gezeigt sind die dispergierte Gasphase G, die Medienphase M und dieBiofeuchtphase Z. Medien- und Biofeuchtphase bilden die Flssigphase L.

    Das Flssigvolumen VL ist die zu der Flssigphase gehrende physikalische Gre und wirdmittels,

    VL(t) = VM(t) + VZ(t) (4.1)

    mit

    33

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    VL := Volumen der Flssigphase L [l]VM := Volumen der Medienphase M [l]VZ := Volumen der Biofeuchtphase Z, [l]

    wie beschrieben berechnet. Das Volumen der Biofeuchtphase wird ber organismusspezifischeKonstanten aus der Biotrockenmasse in der Flssigphase mXL,

    VZ(t) =Z/X

    ZmXL(t) (4.2)

    mitZ/X := Verhltnisfaktor zwischen Biofeucht- und Biotrockenmasse [g g1]Z := Dichte der Biofeuchtmasse [g l1]mXL := Zelltrockenmasse in der Flssigphase, [g]

    mittels einer algebraischen Gleichung berechnet. Die Bestimmung des Medienvolumens er-folgt mit einer Differentialgleichung und einem Anfangswert. Dabei sind die Volumenstrme inund aus der Medienphase von Bedeutung. Die nderung des Medienvolumens VM ergibt sichnach,

    VM(t) = Fin(t) Fout(t) (4.3)

    mitFin := Volumenstrom in die Medienphase [l h-1]Fout := Volumenstrom aus der Medienphase, [l h-1]

    Die Strme in den Bioreaktor sind frei von Biomasse und werden kontrolliert. Damit ist derenSumme gleichbedeutend mit mit dem Volumenstrom in die Medienphase Fin,

    Fin(t) = FT2(t) + FR2(t) (4.4)

    mitFT2 := Volumenstrom der Ammoniaklsung [l h1]FR2 := Volumenstrom aus dem Reservoir 2 (Methanol), [l h1]

    Die Zellen verbrauchen Ammoniak aus dem Medium zur Bildung von Zellmasse und Proteinen.Dadurch sinkt der pH-Wert, was der pH-Regler durch Titration von Ammoniaklsung ausgleicht.Fr die Berechnung des Volumenstroms der Ammoniaklsung wird diese Abhngigkeit vom

    34

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    Zellwachstum genutzt. Der Vergleich der Zuwachsrate der Zellmasse mXLturb mit dem Volumen-strom der Ammoniaklsung FT2 zeigt einen proportionalen Zusammenhang der beiden Gren.Die Berechnung von FT2,

    FT2(t) = mXL(t) KT2/X (4.5)

    mitmXL := Zuwachsrate der Zelltrockenmasse in der Flssigphase [g h1]KT2/X := Proportionalittsfaktor von FT2 und mXL, [l2 g1]

    erfolgt im Modell ber den Proportionalittsfaktor KT2/X. Probennahme und Verdunstung werdenim Modell vernachlssigt. Die Aufnahme durch die Zellmasse ist der einzige Verlust der Medien-phase. Damit folgt fr den Volumenstrom aus der Medienphase Fout,

    Fout(t) = FZ(t) = mXL(t) Z/X

    Z(4.6)

    mitZ/X := Verhltnisfaktor zwischen Biofeucht- und Biotrockenmasse [g g1]Z := Dichte der Biofeuchtmasse, [g l1]

    Dabei wird davon ausgegangen, dass die Biomasse beim Wachsen genau so viel Volumenaufnimmt, wie sie selbst durch den Zuwachs zustzlich verdrngt. Das Volumen der FlssigphaseVL ndert sich folglich durch diesen Strom nicht, da dieser innerhalb dieser Phase beginnt undendet. In Abb. 4.2 sind die implementierten Volumenstrme am Dreiphasenmodell gezeigt.

    Abb. 4.2: Dreiphasenmodell des Bioreaktors mit eingezeichneten Volumenstrmen, wiesie in dem Computermodell implementiert sind.

    35

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    4.1.2 Bilanz der Zellmasse

    Die Zellmasse mXL ist die zentrale Gre in dem Modell des Bioprozesses. Sie, oder ihre erstezeitliche Ableitung, ist Bestandteil weiterer wichtiger Gren. Als klassischer Fed-Batch-Prozessist das Volumen im Verlauf der Kultivierung nicht konstant. Daher wird die Massenbilanzgegenber der Konzentrationsbilanz der Zellmasse bevorzugt angewandt. Die nderung derZellmasse mXL,

    mXL(t) = (L, cOM, t) mXL(t) (4.7)

    mit := spezifische Wachstumsrate [h1]L := Temperatur der Flssigphase []cOM := Sauerstoffkonzentration im Medium [g l1]

    beruht folglich ausschlielich auf dessen spezifischer Wachstumsrate . Die wiederum bestehtaus,

    (L, cOM, t) = max(L) cO(t)

    cO(t) + KmO(4.8)

    mitmax := maximale Wachstumsrate [h1]KmO := Sttigungskonstante des Substrats O (nach Monod) [g l1]

    als Monodkinetik fr das Substrat Sauerstoff. Aus der Monodkinetik geht hervor, dass sich diespezifische Wachstumsrate fr hohe Konzentrationen des Substrats der maximalen spezifischenWachstumsrate max annhert und die Zellen in der Folge quasi unlimitiert wachsen knnen.Bei geringen Konzentrationen des Substrats wird der hyperbolische Charakter der Monodkinetikdeutlich und die spezifische Wachstumsrate ist ebenfalls verringert. Die Monodkinetik kann nochum weitere Terme, z. B. Inhibitionsterme, erweitert werden. Zu weitergehenden Informationenwird auf die Arbeiten von Monod (1949), sowie Chmiel und Briechle (2008) verwiesen. In demhier bearbeiteten Bioprozess wird, wegen ihrer Wichtigkeit bei der pO2--Regelung, nur dieGelstsauerstoffkonzentration in der Monodkinetik bercksichtigt. Die weiteren Substrate liegenim berschuss im Medium vor, oder werden zur Prozesslaufzeit geregelt nachgefttert. Spezielldie Methanolkonzentration wird auf einem konstanten Wert geregelt, da Methanol durch seineToxizitt bei hheren Konzentrationen die Zellen inhibiert. Der Erhaltungsstoffwechsel wird

    36

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    ebenfalls nicht bercksichtigt. Die maximale spezifische Wachstumsrate max ist u. a. von derTemperatur abhngig,

    max(L, t) = K1 2L(t) + K2 L(t) + K3 (4.9)

    mitK13 := Konstanten der quadratischen Funktion [h1 20]L := Temperatur der Flssigphase []

    wobei anstelle des chemisch orientierten Ansatzes nach Arrhenius, ein quadratischer Ansatz nachRatkowsky u. a. (1982) gewhlt wurde. Ratkowsky u. a. berichten von einer unzureichenden Be-schreibung des Temperatureinflusses durch die klassische Arrheniusgleichung und schlagen einequadratische Funktion vor. Bei ausreichender Verfgbarkeit von Sauerstoff hngt die Wachs-tumsrate, Gleichung 4.8 folgend, nur von der Temperatur L ab. Dies ist Teil des zentralenZusammenhangs, auf dem die pO2--Regelung basiert.

    Da fr den verwendeten Produktionsorganismus diese Parameter nicht vorliegen und die expe-rimentelle Bestimmung aufgrund apparativer Einschrnkungen, vgl. auch die Arbeit von Grf(2015), in der zur Verfgung stehenden Zeit nicht durchgefhrt werden konnte, wurden behelfs-mig Daten von Jahic u. a. (2003) bernommen. Dessen maximale Wachstumsrate bei 30ist jedoch wesentlich hher, als die des verwendeten Organismus. Daher wurden die Werte vonJahic u. a. (2003) mit einem konstanten Faktor skaliert, sodass deren Werte bei 30 mit demeigenen Wert der spezifischen Wachstumsrate bereinstimmten. Der hierbei unterstellte, propor-tionale Zusammenhang ist jedoch sehr kritisch zu betrachten. Die experimentelle Bestimmungsollte bevorzugt werden.

    Die Zelldichte, also die Konzentration der Zelltrockenmasse in der Flssigphase, cXL,

    cXL(t) =mXL(t)VL(t)

    (4.10)

    errechnet sich im Modell aus der Zellmasse und dem Flssigvolumen. Alle anderen Konzentra-tionen werden analog bestimmt. Praktisch werden cXL und VL messtechnisch bestimmt, vgl.Abschnitt 3.2.1.3 Messtechnik und Sonden.

    37

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    4.1.3 Gelstsauerstoffbilanz

    Die Bilanz des Gelstsauerstoffs ist ausschlaggebend fr die Versorgung der Zellen mit Sauer-stoff. Die zu simulierende Regelung des pO2-Werts basiert auf dieser Bilanz. Kritisch an derSauerstoffversorgung der Zellen ist das geringe Speichervermgen des Mediums an Sauerstoff.Der bentigte Sauerstoff muss also stndig nachgefhrt werden, ansonsten ist dieser sehr schnellverbraucht und das Zellwachstum wird sauerstofflimitiert. Dies kann zahlreiche Nachteile, wieverminderte Produktbildung, schlechtere Vitalitt der Zellen oder eine erhhte Bildung vonNebenprodukten, zur Folge haben.

    Die Bilanzgleichung des Sauerstoffs basiert ebenfalls auf der Masse, was die Berechnung in einemFed-Batch-Prozess vereinfacht. Die nderung der Sauerstoffmasse im Medium mOM,

    mOM(t) = (OTR(t) OUR(t)) VL(t) (4.11)

    mitOTR := Volumetrische Sauerstofftransferrate [g l1 h1]OUR := Volumetrische Sauerstoffaufnahmerate der Mikroorganismen [g l1 h1]

    hngt von dem Zustrom aus der Gasphase in die Flssigphase OTR und dem Verbrauch durchdie Reaktion OUR, also dem Bedarf der Zellen, ab.

    4.1.3.1 Der Sauerstoffbedarf

    Der volumetrische Sauerstoffbedarf der Zellen OUR,

    OUR(t) = (t) cXL(t)yX/O(3.1)

    mityX/O := Sauerstoffabhngiger Ausbeutekoeffizient fr Zellmasse [g g1]cXL := Biotrockenmassekonzentration, Zelldichte [g l1]

    geht das Produkt aus spezifischer Wachstumsrate und die Zelldichte ein, was dem Zuwachsan Zellmasse pro Volumeneinheit entspricht. Der Sauerstoffbedarf wird daraus durch Divisionmit dem Ausbeutekoeffizienten yX/O (engl. yield coefficient) berechnet. Dieser Koeffizient ist

    38

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    das Verhltnis von gebildeter Biomasse zu der dazu bentigten Sauerstoffmenge und mussexperimentell bestimmt werden.

    4.1.3.2 Der Sauerstofftransfer

    Die volumetrische Sauerstofftransferrate OTR,

    OTR(t) = OTRopt(t) (xOGin(t)

    cOM(t)cOMmax(L)

    )(4.12)

    mitxOGin := Sauerstoffstoffmengenanteil der Zuluft vor dem Eintritt [-]OTRopt:= Maximal erreichbare Sauerstofftransferrate [g l1 h1]cOM := Sauerstoffkonzentration im Medium [g l1]cOMmax := Maximale Sauerstoffsttigungskonzentration im Medium [g l1]

    basiert auf der Differenz der Sauerstoffpartialdrcke in der Zuluft und im Medium. Nach demGesetz von Henry (1803) sind Sauerstoffpartialdruck und -konzentration im Medium proportionalzueinander. Durch die Division von cOM durch cOMmax kann der Henrykoeffizient gekrzt werden.Weiterhin reprsentieren die Sauerstoffstoffmengenanteile xO relative Sauerstoffpartialdrcke,da nach dem idealen Gasgesetz das Volumen eines Gases, bei konstantem Druck, proportionalzu dessen Stoffmenge ist.

    Der optimale Sauerstofftransfer und das elektrotechnische ErsatzschaltbildOTRopt stellt die maximal erreichbare Sauerstofftransferrate unter Prozessbedingungen dar.Dabei wird der Weg des Sauerstoffs vom Eintritt in den Bioreaktor, ber die dispergierte Gas-phase VG bis in die Medienphase bercksichtigt. Die treibenden Krfte auf diesem Weg sinddie Partialdruckdifferenzen des Sauerstoffs. Nach Luttmann (2014) lsst sich der Zusammen-hang von OTRopt ber einen Vergleich des Sauerstofftransports mit einem elektrotechnischenErsatzschaltbild herleiten, vgl. Abb. 4.3. Dabei werden die theoretisch maximalen Werte derSauerstoffstrme in die dispergierte Gasphase und in die Medienphase wie elektrische Leitwertebehandelt. Bei konstantem Druck knnen die Sauerstoffstoffmengenanteile wie elektrische Span-nungen verstanden werden. Anhand von Abb. 4.3 lsst sich dann die Gleichung fr die unter

    39

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    Abb. 4.3: Elektrotechnisches Ersatzschaltbild des Sauerstofftransports von der Zuluft biszur Medienphase nach Luttmann (2014). Die Sauerstoffstoffmengenanteile xO sind wieelektrische Spannungen, die maximalen Sauerstofftransportraten QO2max und OTRmax wieelektrische Leitwerte zu betrachten. Die Kondensatoren reprsentieren das Sauerstoffspei-chervermgen der Phasen.

    Prozessbedingungen maximale Sauerstofftransferrate OTRopt,

    OTRopt(t) =QO2max(t) OTRmax(t)QO2max(t) + OTRmax(t)

    (4.13)

    mitQO2max := Maximale volumetrische Sauerstoffangebotsrate [g l1 h1]OTRmax:= Sauerstofftransferrate bei maximaler Partialdruckdifferenz [g l1 h1]OTRopt:= Maximale Sauerstofftransferrate unter Prozessbedingungen [g l1 h1]

    als Kombination der beiden Leitwerte, entsprechend ihrer Reihenschaltung, aufstellen. Die ma-ximale volumetrische Sauerstoffangebotsrate QO2max,

    QO2max(t) =FnG(t) MO2VnM VL(t)

    (4.14)

    mitFnG := Begasungsrate unter Normbedingungen [l h1]MO2 := Molmasse von Sauerstoff [gmol1]VnM := Molares Normvolumen eines idealen Gases [l mol1]

    beschreibt die hchste Rate, mit der Sauerstoff dem Bioreaktor zugefhrt werden kann. Dieswre der Fall, wenn der Sauerstoffanteil der Zuluft xOGin gleich eins ist. Im Bioreaktor mischensich Zuluft mit dispergiertes Gas zu dem Sauerstoffanteil xOG. Von der Gasphase wird der

    40

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    Sauerstoff mit dem Leitwert OTRmax,

    OTRmax(t) = kLa(t) cOMmax(L, t) (4.15)

    mitkLa := Volumetrischer Sauerstoffbergangskoeffizient [h1]cOMmax := Maximale Sauerstoffsttigungskonzentration im Medium [g l1]

    in die Medienphase transportiert. Auch dieser theoretische Maximalwert wird unter Prozessbe-dingungen nicht erreicht, da dafr der Sauerstoffstoffmengenanteil in der Gasphase xOG, wieder der Zuluft xOGin gleich eins sein msste, whrend in der Medienphase kein Sauerstoff vor-liegt, vgl. Abb. 4.3. Wenn jedoch in der Medienphase kein Sauerstoff vorhanden ist, wrde derSauerstofftransport sofort einsetzen und dadurch Sauerstoff aus der Gasphase entfernen, wasden Sauerstoffanteil der Gasphase xOG senkt. Diese berlegung verdeutlicht, den Einfluss beiderLeitwerte auf den Sauerstofftransport. Nichtsdestotrotz helfen solche extremen Betrachtun-gen, die Herleitung von den Gleichungen 4.12 und 4.13 mit elektrotechnischem Grundwissennachzuvollziehen.

    Der volumetrische Sauerstoffbergangskoeffizient kLa spielt eine dominante Rolle im Sauerstoff-transfer. Fr die Berechnung dieses Koeffizienten wird ein Ansatz von Vant Riet (1979) verwen-det, welcher von Luttmann (2014) modifiziert wurde. Damit lsst sich der aktuelle kLa-Wert,

    kLa(t) = kLamax (NSt(t)NStmax

    )3(VL(t)VLmin

    )(4.16)

    mitkLamax := Maximaler kLa-Wert [h1]NSt := Rhrerdrehzahl [min1] := Konstante [-]

    aus der Rhrerdrehzahl und dem Flssigvolumen errechnen. Die Konstanten und kLamax mssenvorab aus experimentellen Daten bestimmt werden. Der Stoffbergangskoeffizient kL ist eine Dif-fusionsgeschwindigkeitskonstante und ist ber die Einstein-Smoluchowski-Beziehung proportio-nal mit der absoluten Temperatur verknpft. Ausgehend von ca. 303K, 30, wird eine Tempera-turdifferenz von maximal 20K nach unten erwartet, was einer Abweichung von ca. 7% entspricht.Eine Temperaturabhngigkeit des kLa-Werts wird daher vernachlssigt.

    41

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    Die klassische Prozessstrategie, vgl. Abschnitt 3.1.1, nutzt den hier erkennbaren Einfluss der Rhr-erdrehzahl NSt, um den Gelstsauerstoffpartialdruck auf dessen Sollwert zu regeln. In der Batch-und der Fed-Batch-Phase der angepassten Prozessstrategie wird analog verfahren. Fr die pO2--Regelung wird die Rhrerdrehzahl auf 36 % derMaximaldrehzahl festgesetzt.

    Der Zusammenhang zwischen maximaler Sauerstoffsttigungskonzentration und Temperaturwurde spezifisch fr die Zusammensetzung des Mediums und den Kesseldruck whrend derKultivierung bestimmt. Ein Polynom dritten Grades,

    cOMmax(L) = K3 3L(t) + K2 2L(t) + K1 L(t) + K0 (4.17)

    mitK0 3 := Konstanten der kubischen Funktion, [g l1 3 0]

    bildet die aus Literaturdaten abgeleitete Kurve nach (Weisenberger und Schumpe, 1996; Wilhelmu. a., 1977).

    Die Sauerstoffkonzentration im Medium kann nicht direkt gemessen werden. Die blichenpolarografischen Sonden messen stattdessen den Sauerstoffpartialdruck im Medium. Dieserwird als Grundlage fr die Sauerstoffmessung und -regelung standardmig in der Biotechno-logie gemessen, vgl. Abschnitt 3.2.1.3. Der von dem Messverstrker der pO2-Sonde ausgege-bene Wert entspricht dabei einem relativen Partialdruck hinsichtlich der Sauerstoffsttigungs-konzentration zum Kalibrierzeitpunkt, genannt pO2. Diese, auch als pO2-Wert bezeichneteGre,

    pO2(t) =pO2M(t)pO2cal

    = pO2M(t)pGcal xOGin cal= cO2M(t)cOMcal(L)

    , fr pG(t) = pGcal = const. (4.18)

    mitpO2 := Sauerstoffpartialdruck [bar]pO2cal := Sauerstoffpartialdruck zum Kalibrierzeitpunkt [bar]cOMcal := Sauerstoffsttiungskonzentration entspr. pO2cal [g l1]pG := Druck der Gasphase, Kesseldruck [bar]xOGin cal:= Sauerstoffstoffmengenanteil in der Zuluft zum Kalibrierzeitpunkt, [-]

    errechnet sich aus dem Quotienten des Sauerstoffpartialdrucks zum Zeitpunkt t und zum Kali-brierzeitpunkt. Bei konstantem Kesseldruck kann der pO2-Wert nach dem Henry-Gesetz auch als

    42

  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    Quotient der Sauerstoffkonzentration im Medium cOM und der Sauerstoffsttigungskonzentrationbeim Kalibrierpartialdruck cOMcal ausgedrckt werden. Daher wird fr diese Variable das Produktaus maximaler Sauerstoffsttigungskonzentration cOMmax und dem Sauerstoffstoffmengenanteilzum Kalibrierzeitpunkt xOGin cal eingesetzt. Der pO2-Wert,

    pO2(t) =pOL(t)

    pGcal xOGin cal= cO2M(t)cOMmax(L) xOGin cal

    , fr pG = pGcal = const. (4.18)

    lsst sich dann im Modell auch direkt aus den Sauerstoffkonzentrationen berechnen. Die inGleichung 4.17 implementierte Temperaturabhngigkeit fr cOMmax wird dabei auch fr dieBerechnung von cOMcal genutzt.

    4.1.4 Bilanzierung der Methanolmasse

    Um den Volumenstrom des Methanols in den Bioreaktor, und so die Verdnnungseffektebzw. die Volumenvergrerung, korrekt nachzubilden, wurde die Bilanzgleichung der Metha-nolmasse in das Modell aufgenommen. Die nderung der Methanolmasse in der MedienphasemS2M,

    mS2M(t) = FR2(t) S2 (t) mXL(t)

    yX/S2(4.19)

    mitS2 := Dichte von Methanol [g l1]FS2 := Volumenstrom von Methanol aus dem Reservoir 2 [l h1]yX/S2 := Methanolabhngiger Ausbeutekoeffizient fr Zellmasse, [g g1]

    ist abhngig von dem Zustrom aus dem Methanolreservoir R2 und dem Verbrauch durch die Zelle.Der Verbrauch durch die Zelle ist abhngig von dem Zellwachstum, dargestellt als Produkt aus und mXL, sowie dem methanolabhngigen Ausbeutekoeffizienten fr Zellmasse yX/S2, welchervereinfachend als zeitinvariant angenommen wird.

    Da die Methanolkonzentration geregelt wird, ist der Volumenstrom in den Bioreaktor variabel.Dieser Variabilitt wurde mit der Modellierung des Methanolreglers begegnet. Entsprechend der

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  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    Struktur eines PI-Reglers ist die Gleichung fr die Stellgre FR2,

    FR2(t) =(uS2I(t) +

    eS2(t)xPS2

    ) FR2max (4.20)

    mituS2I := Integralanteil der Stellgre [-]eS2 := Relative Regeldifferenz [-]xPS2 := Inverse proportionale Verstrkung [-]FR2max := Maximaler Volumenstrom aus dem Reservoir 2, [l h1]

    Der Wertebereich von FR2 wurde auf das Intervall [0; FR2max] eingeschrnkt. Der integrale Anteilder Stellgre uS2I wird ber dessen differentielle Schreibweise uS2I,

    uS2I(t) =eS2(t)

    xPS2 TIS2(4.21)

    miteS2 := Relative Regeldifferenz [-]xPS2 := Inverse proportionale Verstrkung [-]TIS2 := Integrationszeitkonstante, [h]

    als eine der dynamischen Gleichungen berechnet. Zur Vermeidung von wind-up Effekten wird derI-Anteil eingefroren, sobald dessen Wert das Intervall [0; 1] verlsst.

    4.1.5 Modellierung des Temperaturverhaltens

    Die Charakterisierung der Temperierung des Bioreaktors ist in Abschnitt 3.2.2.2 beschrieben.Das Temperierverhalten basiert auf der Temperaturregelstrecke und dem Temperaturregler inder DCU. Der Einfluss des metabolischen und mechanischen Energieeintrags wird durch ent-sprechende Korrelationen und Annahmen ebenfalls modelliert.

    4.1.5.1 Modellierung der Temperierstrecke

    Die Temperaturregelstrecke kann mit einer Differentialgleichung zweiter Ordnung beschriebenwerden, vgl. dazu Gleichung 3.2. In das Modell knnen jedoch nur Differentialgleichungen erster

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  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    Ordnung aufgenommen werden. Dafr wird die Gleichung 3.2 durch Substitution von L mit1 und von L mit 2 wie folgt umgeformt:

    1(t) = 2(t) (4.22)

    2(t) =KS u(t) 1(t) (T1 + T2) 2(t)

    T1 T2(4.23)

    mitT1 := Verzgerungszeitkonstante [h]T2 := Verzgerungszeitkonstante [h]u := Stellgre [%]KS := Statische Verstrkung, []

    Wenn die Stellgre u kleiner oder gleich null ist, werden die Parameter fr Khlbetrieb in derGleichung 4.23 verwendet, ansonsten die fr Heizbetrieb.

    4.1.5.2 Metabolischer und mechanischer Energieeintrag

    Die thermische Leistung des Rhrers und der metabolischen Wrme werden direkt in die Fls-sigphase eingetragen bzw. entstehen dort. Das erwrmt die Flssigphase quasi verzgerungsfrei.Die Gleichung 4.22 wird daher um einen Term,

    1(t) = 2(t) +QMeta(t) + PSt(t)

    hp VL(t)(4.24)

    mitPSt := Rhrleistung [kJ h1]QMeta := Metabolischer Wrmestrom [kJ h1]hp := Spezifische Wrmekapazitt [kJ kg1 K1]

    fr den metabolischen Wrmestrom und die Rhrleistung erweitert. Mit der spezifischen Wr-mekapazitt hp werden diese Leistungen in eine Temperaturnderung umgesetzt. Die Wrmeka-pazitt der Flssigphase wird als gleich der von Wasser angenommen. Die Rhrleistung ist alskonstant angenommen und geschtzt worden, da fr die experimentelle Bestimmung (Taghaviu. a., 2011), sowie fr die Estimierung aus anderen Gren (Chmiel und Briechle, 2008; Reuu. a., 1979), die vorhandenen Ressourcen nicht ausgereicht haben. Die Schtzung ist akzeptabel,da die Rhrerdrehzahl konstant gehalten wird und die Viskositt sich, in Abhngigkeit von

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  • 4 Modellbildung und Reglerdesign

    der Zellkonzentration und den Prozessbedingungen, nicht stark verndern sollte (Perley u. a.,1979).

    Der metabolische Wrmestrom hngt insbesondere von der Stoffwechselaktivitt der vitalenZellen und der Substrate des katabolischen Stoffwechsels ab. Aus der Arbeit von Jungo (2007)wurde die Gleichung fr QMeta,

    QMeta(t) = yQ/S2 mXL(t)yX/S2

    (4.25)

    mityQ/S2 := Methanolabhngiger Ausbeutekoeffizient fr Wrme [g g1]QMeta := Metabolischer Wrmestrom [kJ h1]mXL := Zuwachsrate der Zellmasse [g h1]yX/S2 := Zellmasseabhngiger Ausbeutekoeffizient fr Methanol, [g g1]

    abgeleitet. Aus der Zuwachsrate der Zellmasse mXL wird die dafr bentigte Methanolaufnah-merate berechnet. Diese wird durch den methanolabhngigen Ausbeutekoeffizienten fr WrmeyQ/S2 in einen Wrmestrom umgerechnet.

    4.1.5.3 Einfluss der Umgebungstemperatur

    Wenn die Regelung inaktiv ist, nhert sich die Temperatur in der Flssigphase, durch denWrmeaustausch mit der Umgebung ber die Reaktorauenflche, der Raumtemperatur an.Das Flssigvolumen wirkt dabei als Wrmespeicher, der seine Energie ber die thermischeLeitfhigkeit seiner Oberflche an die Umgebung, mit quasi konstanter Temperatur, abgibt.Folglich ist der Wrmestrom proportional zu der Umgebungstemperatur. Dieses Verhalten kannals PT1-System mathematisch beschrieben werden. Die Gleichung 4.24 fr die nderung derFlssigphasentemperatur wird daher um einen weiteren Term,

    1(t) = 2(t) +QMeta(t) + PSt(t)

    hp VL(t) L(t) RTT1 RT

    (4.26)

    mitRT := Raumtemperatur []T1RT := Zeitkonstante des Temperaturausgleichs mit der Umgebung, [h]

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  • 4 Modellbildung und R