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Horst Werner: Ordnung in Freiheit liberal Verlag Ordnung in Freiheit Horst Werner Argumente der Freiheit, Band 24 Argumente der Freiheit 24

Ordnung in Freiheit

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Dieses Buches ist eine Auseinandersetzung mit den theoretischen und organisatorischen Entwicklungen der liberalen Wirtschaftspolitik. Nach einer Problemanalyse untersucht der Autor ordoliberale Grundsätze im Rahmen marktwirtschaftlicher Ordnungs- und Prozesspolitik und nimmt auch Stellung zu den Entwicklungen des wirtschaftspolitischen Programms der FDP, die durch eine Chronologie wichtiger wirtschaftspolitischer Beschlüsse der FDP ergänzt werden. (Horst Werner, 2010)

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Ordnung in Freiheit Horst Werner

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Argumente der Freiheit

Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Band 20: Stefan Melnik und Sascha Tamm: Kleines Lesebuch der liberalen Bildungspolitik

Band 21: Elisabeth Karnatz: Internationale Lösungsansätze in der frühkindlichen Bildung

Band 22: Michael von Prollius: Kleines Lesebuch über die Verfassung der Freiheit

Band 23: Sascha Tamm: Eigentum - Grundprinzipien und Denkanstöße

ISBN 978-3-920590-37-0

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Horst Werner

Ordnung in FreiheitDas wirtschaftspolitische

Programm der FDP 1949 – 2009

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Argumente der Freiheit

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Ordnung in FreiheitDas wirtschaftspolitische Programm

der FDP 1949-2009

Horst Werner

liberal Verlag GmbH, Berlin 2009

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Impressum:1. Auflage, August 2009© 2009 liberal Verlag GmbH, Berlin

UmschlagGestaltung: altmann-druck GmbH

Satz und Druck: altmann-druck GmbH, BerlinPrinted in Germany - ISBN 978-3-920590-35-6

Titelbild: Plakat der FDP zur LTW Bayern 1954Foto: Archiv der Friedrich-Naumann-Stiftung, Signatur P1-44

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Ordnung in FreiheitDas wirtschaftspolitische Programm der FDP 1949-2009

„For god’s sake look at things for yourself.” („Machen Sie um Gottes Wil-

len die Augen selbst auf.” – Alfred North Whitehead in Vorlesungen

zur Deutung seiner Texte)

Der Autor legt Wert auf die Feststellung, dass diese Arbeit über das wirtschaftspolitische Programm der Freien Demo-kratischen Partei von 1949 bis 2009 keine wissenschaft-liche Arbeit ist; er versucht allerdings, den Regeln des wis-senschaftlichen Handwerks gerecht zu werden. Der Autor bekennt auch seine „Vorurteile über politische Themen“ (David Hume): Alle Aussagen der Arbeit sind vom Vorurteil für die Unteilbarkeit von Freiheit und Verantwortung be-stimmt, für den Vorrang von Freiheit und Verantwortung, wo Zweifel im behutsamen Wägen von konkurrierenden Werten bleiben. Seine wissenschaftliche Arbeit an anderer Stelle und seine Lebenserfahrung lassen dem Autor kaum Raum für solche Zweifel: Recht betrachtet als Einheit von Freiheit und Verantwortung und lange nachgedacht, steht Freiheit nicht im Konflikt zu anderen Werten oder Zielen wie Gerech-tigkeit und Sicherheit: Wenn es um die Freiheit und die Si-cherheit aller Menschen geht, fördert mehr Freiheit mehr Si-cherheit, und mehr Sicherheit macht die Menschen freier.

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Es besteht auch heute kein guter Grund, für mehr Sicherheit oder mehr Gerechtigkeit Freiheit zu opfern. Wer nur die Frei-heitsrechte und Sicherheitsbedürfnisse einzelner Menschen oder Interessengruppen bis hin zur Nation betrachtet, wird zu Recht auf Fälle verweisen können, wo Freiheitsrechte mit einzelnen Gerechtigkeitsvorstellungen und Sicherheitsbe-dürfnissen im Konflikt stehen können. Dann ist beim Einzel-nen, bei freiwilligen Verantwortungsgemeinschaften und ge-gen Gruppeninteressen ohne Zweifel für die Freiheit zu entscheiden. Aber für das ganze Volk, von dem nach un-serer Verfassung alle Gewalt ausgeht und bei dessen Wil-lensbildung die Parteien mitwirken, ist in beweisbaren Kon-fliktfällen politisch zu entscheiden. Erst hier greift für den Autor als Volkswirt die ewige Analogie zum Prinzip aller Rechtsprechung bei Unsicherheit: „Im Zweifel für die Frei-heit.“ Es ist ein weiter Weg, bis auch dieser Zweifel beseitigt sein könnte: bis im Sinne von Friedrich Schiller „das Volk“ so aufgeklärten guten Willens ist, dass sein „Karakter“ die Würde und Rechte aller Menschen achtet, und bis dieser gute Wille den „Karakter“ aller Völker prägt. Dafür zu ar-beiten ist Pflicht aller Parteien und trägt „öffentlichen Nut-zen“ (David Hume).

H.W., 20. Juni 2009

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Inhalt:

I. Das Problem politischer Programme ........ 9

1. Verwahrlosung der Sprache als Problem wirtschaftspolitischer Programme ...................... 15

2. Von verwahrloster Sprache und Trugschlüssen zu falscher Politik ........................ 19

II. Grundsätze liberaler Wirtschafts- politik für Teilhabe aller Bürger .............. 28

1. Teilhabe durch Charakterbildung der Bürger ...... 332. Teilhabe durch Eigenverantwortung

und Solidarität der Bürger ................................... 363. Teilhabe aller an einer globalen

Friedensordnung ................................................. 55 4. Die Arbeitsteilung zwischen Bürger und Staat ................................................. 63

III. Marktwirtschaftliche Ordnungs- und Prozesspolitik .................................. 75

1. Interdependenz von Eigentumsordnung und Wettbewerbsordnung ................................... 82

2. Privateigentum vor Staatseigentum .................... 913. Wettbewerb auf offenen Märkten ..................... 139

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4. Das Haftungsprinzip: Freiheit und Verantwortung ............................... 1645. Die Ordnung von Währung und Finanzmarkt ..................................1796. Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik ................ 2017. Bürgernahe Subsidiarität, Finanzen und Steuern ........................................ 2058. Konjunkturpolitik ............................................... 2619. Spezielle Sozialpolitik ........................................ 27610. Dauerhaftigkeit wirtschaftspolitischer

Grundsätze und Wandel: Interdependenzen ..... 292

IV. Wirtschaftspolitisches Programm und politische Praxis ........... 304

V. Blick nach vorn in Optimismus ............. 318

VI. Anhang ................................................. 326

1. Chronologie wichtiger Beschlüsse zum wirtschaftspolitischen Programm .............. 326

2. Stichwortverzeichnis: Personenregister und Sachregister ................... 347

Über den Autor .......................................................... 356

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I. Das Problem politischer Programme

Was den Versuch, die Frage der Wirtschaftsverfassungen auf einer über-parteilichen Ebene zu erörtern, so schwierig macht, ist einmal die blinde Gläubigkeit, mit der Wählermassen und soziale Gruppen geneigt sind, von Einzelpersönlichkeiten verkündete politische Glaubenssätze als unantastbar und absolute Wahrheiten hinzunehmen, und zum anderen das damit gleich-zeitig verbundene Unvermögen, diese komplexen wirtschaftlichen und sozio-logischen Zusammenhänge zu durchschauen.(Ludwig Erhard in: Die Neue Zeitung vom 23. Juni 1947)

Die Verfassung Deutschlands weist den Parteien im demo-kratischen und sozialen Bundesstaat eine Aufgabe zu, die oft vergessen, selten verstanden und offenbar nicht ausrei-chend von den politischen Parteien bewältigt worden ist. Denn einer Mehrheit der Deutschen genügten die Probleme der deutschen Einheit und aktuell der Weltwirtschaftskrise, um Zweifel daran zu begründen, ob die Wirtschafts- und So-zialverfassung von den Deutschen auch getragen wird, wenn es heute darauf ankommt. Friedrich Schiller hat für das Verhältnis von Bürger und Staat ein wichtiges Stück Kulturgeschichte Europas von der Renaissance bis zur Auf-klärung zusammengefasst: „Nur der Karakter der Bürger erschaft und erhält den Staat, und macht politische und bür-gerliche Freiheit möglich.“1

1 Friedrich Schiller, Brief an den Prinzen Friedrich Christian von Schleswig-

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Das Grundgesetz formuliert im ersten Satz von Art. 21 klar die oft vergessene Aufgabe der Parteien: „Die Parteien wir-ken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Da-mit wird nicht etwa eine zukünftige Tatsache zur Arbeit von Parteien konstatiert, sondern unmissverständlich ein Impe-rativ an die Adresse der Parteien formuliert. Diese Aufgabe der Parteien für eine Verfassung der Freiheit und ihren Er-halt ist so selbstverständlich, dass sich Formulierungen im Grundgesetz an anderer Stelle wie „können“, „dürfen“ oder „müssen“ erübrigen.

Verfassungsvätern wie Theodor Heuss, der seinen Schiller kannte und der in der Weimarer Republik die schleichenden Gefahren für die Freiheit erlebt hatte, war die Notwendig-keit von Willensbildung bzw. Charakterbildung des Volkes

Holstein-Sonderburg-Augustenburg, Jena, 13. Juli 1793, z.B. in: Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen. Mit den Augus-tenburger Briefen hrsg. Von Klaus L. Berghahn, Stuttgart 2000, S. 140. Zum Gesamtzusammenhang einer Verfassung der Freiheit für Parteien, die für sich in Anspruch nehmen, den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Programme zu stellen, vgl. Walter Hinderer, Von der Idee des Menschen - Über Friedrich Schiller, Würzburg 1998. Zur Verbindung von Mensch, Idee und Werk bei Friedrich Schiller - speziell auch zur ästhetischen Erziehung (für die Verbindung der Welt der Erscheinungen mit der Ethik) - vgl. aus erster Hand Wilhelm von Humboldt, Über Schiller und den Gang seiner Geistesentwicklung (Tegel im Mai 1830), in: Ausgewählte Schriften von Wilhelm von Humboldt, hrsg. Von Theodor Kappstein, Berlin 1917, S. 459 ff. Vgl. zum Bürger, den eine Verfassung der Freiheit und Verantwortung braucht, Wolfgang Gerhardt, Für Freiheit und Fairness, 5. Auflage, Potsdam 2008,>www.fnst-freiheit.org<, S. 3ff., 16f. und 20ff.

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im Sinne von Schiller bewusst: damit vom Volke und von der Staatsgewalt keine Gefahr für die Freiheit im demokra-tischen und sozialen Bundesstaat ausgeht. Was Schiller von der „ästhetischen Erziehung“ für die Charakterbildung der Bürger schließlich wohl mehr erhoffte als ursprünglich erwartete, wird im Grundgesetz zur Aufgabe für die poli-tischen Parteien.

Die in Zeiten der Krise nur noch schwache Zustimmung der Bürger zu Marktwirtschaft und Demokratie spricht nicht da-für, dass die Programme von SPD, CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit viel Erfolg an der „Willensbil-dung des Volkes“ mitwirken konnten. Stark ist heute aller-dings die Zustimmung zur FDP. Das geringe Vertrauen in die Marktwirtschaft in schweren Zeiten heißt nicht etwa, dass nur die demokratischen Parteien bei der Willensbildung ver-sagt hätten. Denn die Vermittlung der Programme an die Bürger steht heute vor einem mehrfachen Informations- und Kommunikationsproblem.

Programme politischer Parteien interessieren im Medienum-feld von heute nur wenige Bürger. Und selbst für diese we-nigen Bürger haben politische Programme nur relativ wenig Gewicht im gesamten Medienangebot. Die weitaus größere Medienvielfalt heute mit der Konkurrenz durch eine Fülle von Nachrichten zur Unterhaltung auf recht unterschied-lichem Anspruchsniveau kann dennoch das gesunkene Inte-resse an politischen Programmen nicht allein erklären.

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Für alle, die sich heute für die Programme der Parteien im Wettbewerb um Wertefindung und Wertevermittlung inte-ressieren – wie Parteien zur „Willensbildung des Volkes“ im Sinne der Verfassung beitragen – sind 60 Jahre wirtschafts-politisches Programm der Liberalen lehrreich. Das liegt nicht zuletzt am herausragenden Einfluss von Theodor Heuss auf das Grundgesetz und die Grundorientierung liberaler Pro-grammatik an der Idee vom Menschen, wie sie über Renais-sance und Humanismus in der Aufklärung mündete. Von sol-cher kulturellen Prägung in den anderen Parteien war damals in der SPD vor allem Carlo Schmid, in der CDU Franz Böhm und als parteiloser FDP-Anhänger Ludwig Erhard, der aber für die CDU kandidierte.

Über allem Parteienstreit der folgenden 60 Jahre haben diese kulturellen Wurzeln gemeinsamer Werteorientierung dieser Parteien auch zur politischen Stabilität in Krisen wie heute beigetragen. Im Sinne von Friedrich Schillers „ästhe-tischer Erziehung“ gehören vor allem die Programme der Parteien zu ihrem Mitwirken an der Willensbildung der Bür-ger, deren Charakter die Verfassungswirklichkeit des Ge-meinwesens auf allen Ebenen entscheidet. In den wirt-schaftspolitischen Programmen seit 1949 gelingt diese enge Verbindung von Bildung, Marktwirtschaft und Demo-kratie in einer Ordnung der Freiheit eindeutig und ohne Brü-che allerdings nur im Programm der FDP.

Die Union stand insbesondere wegen ihrer Sozialausschüs-se noch in schwieriger Auseinandersetzung mit dem Ahle-

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ner Programm von 1947, die SPD noch weit vor ihrem Go-desberger Programm.2 Dagegen stehen schon die ersten Programme der FDP zur Wirtschaftspolitik und zur Sozialpo-litik in Friedrich Schillers Tradition der Idee vom Menschen, auf die sich jede Ordnung der Freiheit gründen muss.

Dieses Bekenntnis der Liberalen zu einer Wirtschaftsord-nung, die – wie zuletzt im ersten Satz des Wahlprogramms 2009 – den Menschen in den Mittelpunkt stellt3, ist nicht das Bild, das vom Programm der Liberalen vermittelt wird. Das hat Gründe, die nicht nur darin liegen können, dass die ge-waltige Mehrheit aller konkurrierenden Parteien ein tak-tisches Interesse daran hat, der FDP das Image einer Partei zu geben, die dem ungezügelten Wirken „des Marktes“ auf Kosten von Mensch und Umwelt huldige und die „Ellenbo-gengesellschaft“ mit Egoismus, Mammonismus und „sozi-aler Kälte“ der Bürger fördere. Die häufigsten Zusammen-fassungen dieses Zerrbildes sind „Turbokapitalismus“ oder gar – gezielter auf die FDP – „Neoliberalismus“.

Nicht nur für die FDP sind die Zerrbilder gefährlich, die trotz Kenntnis des tatsächlichen wirtschaftspolitischen Pro-gramms der FDP und „der Neoliberalen“ verbreitet werden.

2 Vgl. Ludwig Erhard, Grundlagen der deutschen Wirtschaftspolitik, Refe-rat vor dem Zonenausschuss der CDU der britischen Zone, Königswinter, 25. Februar 1949, in: Gedanken aus fünf Jahrzehnten, Reden und Schriften, hrsg. Von Karl Hohmann, Düsseldorf, Wien, New York 1988, S. 186ff.3 Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stärken“: „Der Mensch steht im Mittel-punkt liberaler Politik.“ >www.fdp.de<, 1. Textseite (S. 2), 1. Satz.

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Denn wenn ein Politiker im „Neoliberalismus“ die Wurzel aller sozialen und ökologischen Übel ausmacht und sich später gleichzeitig auf den „Neo-Liberalen“ Ludwig Erhard beruft, dann scheint nicht nur Unwissenheit am Platz zu sein.

Intellektuelle Unklarheiten zum Gehalt von „Neoliberalis-mus“ sind jedenfalls nicht selbstverständlich. Denn bei aller kritischen Distanz zum Liberalismus hatte Nell-Breunig als die Autorität kirchlicher Programm-Analyse und -Bewertung schon 1951 unter dem deutschen Neoliberalismus im Kern das exakte Gegenteil von dem gewürdigt, was heute als „Neoliberalismus“ gegeißelt wird. Nell-Breuning setzt den Neoliberalismus - wie zuvor Ludwig Erhard und Wilhelm Röpke4 – sogar weitgehend und wörtlich mit dem „Sozial-Liberalismus“ gleich: „Als besonders verdienstvoll ist zu vermerken, dass die neoliberale Nationalökonomie den Menschen in der Wirtschaft wiederentdeckt und dem Ethos der Wirtschaft [...] wieder den gebührenden Platz einräumt.“5

4 Vgl. auch zu Wilhelm Röpkes Bewertung z.B. Ludwig Erhard, Franz Op-penheimer, dem Lehrer und Freund, in: Gedanken aus fünf Jahrzehnten, a.a.O., S. 861; wieder abgedruckt als Ludwig Erhards Geleitwort für Franz Oppenheimer, Erlebtes, Erreichtes. Lebenserinnerungen, Düsseldorf 1964, S. 5f.5 Vgl. Oswald von Nell-Breuning, Art. „Liberalismus“ in: Gesellschaftliche Ordnungssysteme, hrsg. von ihm und von Hermann Sacher, Freiburg 1951, S. 218f.

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1. Verwahrlosung der Sprache als Problem wirtschaftspolitischer Programme

Wenn das Denken zerfällt, dann zerfallen die Ordnungen. (Konfuzius; zitiert von Walter Eucken in „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“,S. 197.)

Von der Neugründung der Parteien nach 1945 bis ins Wahl-jahr 2009 haben politische Kampfbegriffe wie „Neoliberale“ eine wichtige Rolle bei der Denunzierung des politischen Gegners gespielt: Auf der Strecke geblieben sind dabei ne-ben politischer und intellektueller Redlichkeit klares Denken und unbestechliche Logik. Je schnelllebiger die Zeit in der Medienwelt wurde, desto mehr blieb auch die Sprachkultur auf der Strecke, von der auf das Denken zurückgeschlossen werden kann.

Die radikale Verkürzung politischer Informationen vor allem im Fernsehen hat dem Interesse an politischen Programmen mehr geschadet, als die von Friedrich Naumann angesto-ßene politische Bildung genutzt hat. Nach 200 Jahren ra-santen „zeitsparenden technologischen Fortschritts“ sollte der Zeitdruck eigentlich nicht selbstverständlich oder gar „naturgewollt“ sein, unter dem die mediale Vermittlung poli-tischer Botschaften an viele Bürger steht. Mitunter erreicht die Wirklichkeit sogar die Karikatur: „Was nicht in 14 Sekun-den gesagt ist, ist nicht gesagt.“

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Auf dem vielbeschworenen „Weg zur Informations- und Kommunikationsgesellschaft“ wird aber die radikale Verkür-zung politischer Botschaften erst recht zur Informations- und Kommunikationsbarriere.

Fraglich ist, ob es für Politiker auch klug ist zu schweigen oder ausweichend zu antworten, wenn sie z.B. zur von ihnen geplanten Steuerreform gefragt werden: „Und wie wollen Sie die bezahlen?“ Einsparlisten der Parteien sind dann Pflichtaufgabe. Und die FDP hat seit 2002 Einsparlisten zu ihrer grundlegenden Reform der Direktsteuern vorgelegt, die durchaus überzeugen könnten. Mehrheiten oder auch nur große Minderheiten von etwa 30% kann man damit al-lerdings nicht überzeugen.

Selbst Bürger mit für ihren Geldbeutel naheliegenden Grün-den zugunsten von „Steuersenkungen“ zweifeln in aller Re-gel, ob Steuerentlastung bei hoher Staatsverschuldung zweckmäßig oder auch nur politisch möglich sei: Zu „Steu-ern einfach?“ kommt meist noch ein Ja. Zu „Steuern ge-recht?“ kommt fast immer etwas wie „Unbedingt!“ Aber zu „Steuern niedrig?“ kommt auch am Infostand 2009 im Wahl-kampf fast immer das, was wir schon vom fragenden Inter-viewer kennen: „Und wie wollt ihr das bezahlen?“

Konkret bedeutet die durch mediengerechte Kürze erzwun-gene Sprachnachlässigkeit seit über 60 Jahren in der Steu-erpolitik: Die knappste Formulierung „Steuern senken“ lässt in zwei Kategorien völlig offen, wovon überhaupt die Rede

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ist. Welche „Steuern“ will man „senken“? Lohnsteuer? Mehrwertsteuern? Mineralölsteuer oder irgendeine andere Spezialakzise? Denn je nach dem, welche dieser „Steuern“ man senken will, ist das Ergebnis für den Finanzminister sehr unterschiedlich. Ersetzt man nun das Wort „Steuern“ durch „Steuerarten“, so wird der sprachlogische Unsinn schon so einfach sichtbar wie bei „Steuersystem“: Rein lo-gisch kann es weder eine „niedrige“ Steuerart noch ein „niedriges Steuersystem“ geben.

Das führt zur zweiten Kategorie von Unklarheit, die höchst einfach beseitigt werden könnte: Das einzige, was Politik wirklich unmittelbar kann, könnte auch ganz einfach gesagt werden: Man wolle die Steuersätze senken. Dann kann sich jeder Bürger schon seine eigenen Gedanken machen, ob das für den Finanzminister auf dasselbe hinauslaufe: Will man für mittlere Einkommen die drückende Lohnsteuerlast durch niedrigere Steuersätze auf das zu versteuernde Ein-kommen senken oder die Mineralölsteuer von z.B. 60 Cent auf 50 Cent pro Liter senken?

Die FDP lässt keinen Zweifel mit ihren niedrigeren Steuersätzen im Dreistufentarif der Einkommensteuer. Bei der Mineralölsteuer gilt nämlich, dass die „Steuer senken“ - z.B. von knapp 70 Cent pro Liter wieder auf knapp 64 Cent pro Liter Benzin wie bis 2003 - tatsächlich zu niedrigeren Steuereinnahmen bei der Mineralölsteuer führen würde. Das wird jedenfalls aus allen Erfahrungen mit der Praxis höherer Mineralölsteuern geschlossen, die stets zu höheren

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Steuereinnahmen geführt hatten. Darum und wegen des minimalen Erhebungsaufwands ist die Mineralölsteuererhöhung fiskalisch so ergiebig, und eine Senkung der Mineralölsteuer muss dann für die Haushaltskonsolidierung also „verantwortungslos“ erscheinen. Für eine Absenkung der Steuersätze der Einkommensteuer, für die sich die FDP einsetzt, gelten diese Erfahrungen mit der Mineralölsteuer aber nicht. Und Arbeitsplatz- und Wachstumsimpulse für höhere Steuereinnahmen sind zwar durch höhere Nettolöhne über niedrigere Steuersätze der Einkommensteuer plausibel, nicht aber durch eine niedrigere Mineralölsteuer: Denn für Wachstumsimpulse hat 2009 als Gegenkraft bereits das Sinken der Energiepreise als Folge sinkender Nachfrage in der Weltwirtschaftskrise gesorgt.6

Das heißt allgemein für den Einsatz von politischen Kampf-begriffen wie für den politischen Kampf gegen das wirt-schaftspolitische Programm der Konkurrenz: Der Zwang zur Verkürzung politischer Botschaften befördert die An-passung an das verbreitet niedrige Niveau, das Politiker in Inhalt und Sprache beim Empfänger der Botschaft erwar-ten.

Verstärkend verhindert die gemeine sprachliche Verwahrlo-sung, dass wenigstens das Wenige klar gesagt wird, das wichtig und einfach ist. Selbst in den Texten komplexer wirt-

6 Umgekehrt sind mit den ersten Wachstumserfolgen und der daraus fol-genden Nachfrage die Energiepreise wieder ordentlich gestiegen.

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schaftspolitischer Programme kann das gelingen und ist auch immer wieder gelungen. Kaum jemand hat aber die Zeit oder nimmt sich die Zeit, die Original-Texte der wirt-schaftspolitischen Programme von Parteien zu lesen. Auch dieser Verzicht ist gutes Bürgerrecht. Programm-Synopsen mit der Gegenüberstellung von Positionen der Parteien sind dann für Interessierte meist das höchste der Gefühle von „Information“. In aller Regel sind es aber Medien und Politi-ker, die über wirtschaftspolitische Programme verkürzend „informieren“.

2. Von verwahrloster Sprache und Trugschlüssen zu falscher Politik

Sie vergessen, daß man nicht Völker mit Individuen gleichsetzen kann, ohne sich jenes sehr gewöhnlichen Trugschlusses schuldig zu machen, den wir als ‚Begriffsrealismus’, als ‚fallacy of misplaced concreteness’ oder als politischen Anthropomorphismus bezeichnen.(Wilhelm Röpke (1958))

Im Gegensatz zum heute nur Wenigen bekannten Wort „Be-griffsrealismus“ erhellt das Problem die englische Formel, die Alfred North Whitehead für „Begriffsrealismus“ geprägt hat: „fallacy of misplaced concreteness“, also ein Trug-schluss der Konkretheit, wo sie nicht angebracht ist: „am

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falschen Platze“.7 Das ist ein Fallstrick, in dem sich vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik Politiker verfangen, der aber auch den sprachlichen Alltag fast aller Bürger be-herrscht.

Die Gefahr steckt vor allem in der Gewöhnung an solchen Nonsens, der zu weiteren Begriffsrealismen in fast allen Fäl-len einlädt, also auch in Fällen, wo es für die „Willensbildung des Volkes“ und für gute Wirtschaftspolitik gefährlich wird.

Für die Bewertung wirtschaftspolitischer Programme ist heute nicht nur das Beispiel des „Begriffsrealismus“ wich-tig, das seit über 60 Jahren gefährlich in der konkreten Wirt-schaftspolitik, Sozialpolitik oder Umweltpolitik ist: „Der Ne-oliberalismus beutet Mensch und Natur aus.“ Auch ein weiteres Beispiel dürfte als Hintergrund aller Bewertung wirtschaftspolitischer Programme in der Folge der Finanzkri-

7 Alfred North Whitehead, Science and the Modern World, New York 1926, Kap. III, detaillierter im Gesamtzusammenhang z.B. von John Lockes „Es-say Concerning Human Understanding“, Newtons “Scholium” und Platons „Timaios“ in: Alfred North Whitehead, Process and Reality, Macmillan 1929, 1. Teil, Kap. II, 2. Teil, Kap. III, 3. Wilhelm Röpke, einer der neoli-beralen Väter der Sozialen Marktwirtschaft, führte diese Gedanken in die wirtschaftspolitische Analyse und Therapie ein. Vgl. z.B. Die Gesellschafts-krise der Gegenwart, Erlenbach-Zürich 1941, 5. Aufl, 1948, S. 122 und 339; Internationale Ordnung, Erlenbach-Zürich 1945, S. 83 (mit expliziter Ver-bindung zu Whitehead und Gleichverwendung von „Begriffsrealismus“ und „fallacy of misplaced concreteness“), 90, 127f., 227f. und 254 (zu Friedrich von Wiesers „individualistischer Methode“ als Schutz vor Begriffsrealis-men: von der Linken typischerweise als „Methodologischer Individualis-mus“ kritisiert).

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se über 2009 hinaus wieder „Konjunktur“ haben: „Der Markt hat versagt.“ Daran haben sich über die Jahrzehnte seit Gründung der Bundesrepublik alle so gewöhnt, dass ähnlich inhaltsleer die liberale Retourkutsche mit einem Be-griffsrealismus wie selbstverständlich folgt: „Der Staat hat versagt.“

Beim gefährlich vereinfachenden „Marktversagen“ versus „Staatsversagen“ lässt sich der Zweck der sprachlichen Ab-kürzung immerhin ahnen, z.B. für die etwas längere Anfangs-geschichte der aktuellen Weltwirtschaftskrise. Für die Seite „Staatsversagen“ lässt sich die viel komplexere Geschichte so abkürzen: „Anfang der neunziger Jahre senkt die Clinton-Administration per Gesetz die Anforderungen an die Bonität bei Immobilienkäufen, speziell zum Eigenkapital. Etwa 10 Jah-re später erhöht die von der Bush-Administration durchaus nicht völlig unabhängige Federal Reserve Bank nach dem 11. September 2001 die Geldmenge so gewaltig, dass extrem viel Geld einseitig in die von Clinton zuvor ausgebauten Im-mobilienkanäle fließt. 2007/2008 fliegt der ganze Schwindel auf – wie schon so oft nach Immobilienblasen in den USA, in Japan, Spanien oder z.B. nach der New-Economy-Blase in Deutschland vor erst wenigen Jahren.“8

8 Vgl. zu den Ursachen unten, Abschnitt „Vom Merkantilismus und Pump in die Krise“. Zu den präzisen Randbedingungen und Ursachen der Finanzkrise einschließlich Bewertung der deutschen Ansätze, die Krise zu bewältigen, vgl. den Vortrag von Joachim Mitschke vor dem Rotary-Club Saarbrücken, Arbeitstitel „Finanz- und Konjunkturkrise 2009 – Ursachen und deutsche Lösunhgsbeiträge“, September 2009 (Manuskript; erscheint demnächst).

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Neu ist also nur das Ausmaß der Krise als einer Weltwirt-schaftskrise, aber nicht überraschend: wenn man aus Kri-sen nichts lernt für die Ordnung von Währungen und Kapital-märkten. Man könnte hinzufügen: „Der ganze Schwindel war längst da, fliegt nur auf und war im Bankenbereich längst bekannt – obwohl angesichts undurchsichtiger Finanzinstru-mente nicht so recht kapiert.“ Dann wird ganz ohne jeden Be-griffsrealismus deutlich, was fast jeder aus eigener Erfah-rung vermutet und was sich hinter der Polemik mit dem Begriffsrealismus „Marktversagen“ verbirgt: Nicht „der Markt“, sondern Politiker und die von Bundespräsident Köh-ler in seiner „Berliner Rede“ 2009 gerügten „Banker“ ver-sagten.

Eine der gefährlichsten Begründungen von angeblichem „Marktversagen“ ist trotz hohen Verbreitungsgrades bis hin zu Beschluss-Entwürfen für die FDP falsch: „Marktversa-gen“ wird bei „asymmetrischer Informationsverteilung zwi-schen Marktteilnehmern“ behauptet und daraus die Not-wendigkeit staatlicher „Regulierung“ abgeleitet. Diese Begründung ist heute umso brisanter, als Informationsunter-schiede seit jeher vor allem im Finanzbereich systematisch groß sein können: nicht nur tatsächliche Informationsunter-schiede, sondern erst recht eingebildete Informationsvorsprünge von selbsternannten Experten und „Analysten“.

Zu Ende gedacht würde die Rechtfertigung mit „Marktver-sagen“ wegen asymmetrischer Information bedeuten, dass der

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Staat gegen solches „Marktversagen“ praktisch alle Märkte ständig regulieren müsste. Denn mit Sicherheit ist symmetrische „Informationsverteilung zwischen Marktteilnehmern“ nur bei vollkommener Information gegeben.

Auf der anderen Seite wäre keinem Käufer und Verkäufer zu helfen, wenn z.B. dem Käufer nicht schon beim Angebot eines Salatkopfes oder Fisches kurz vor Ende eines Wochen-markts der Gedanke gekommen wäre, der Verkäufer wisse bei seinem Preisnachlass vielleicht mehr über das angebote-ne Produkt. Oder weiß vielleicht doch der Käufer mehr? Denn der Käufer weiß ja, was der Verkäufer nicht weiß: wie schnell er den Fisch verzehren werde, und der Käufer könnte sich nach dem letzten Fisch-Kauf schon kundig gemacht haben, woran man erkennt, wie lange wohl der Fisch schon tot ist?

Im Finanzsektor sind Asymmetrien bei den Informationen von Verkäufer und Käufer allerdings viel folgenschwerer; sie sind aber gerade deswegen den Marktteilnehmern als Er-fahrungstatsache meist auch bekannt, selbst wenn die Käu-fer regelmäßig nicht die Terminologie „asymmetrische Infor-mationsverteilung“ verwenden. Auf dieses Problem, das durch kriminelle Energie bei stets schwieriger Beweislage noch verschärft wird, mit Regulierungen als Symptomthera-pie zu reagieren, ist ein gefährlicher Kurzschluss.

Ein weiteres Problem für die Vermittlung wirtschaftspoli-tischer Programme ist nicht neu. Dieses Problem ist aber in

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der neuen Größenordnung von Vorläufen zur Weltwirt-schaftskrise 2009 bisher noch nicht beobachtet worden, und es trifft vor allem die Vermittlung des wirtschaftspoli-tischen Programms der FDP: Die heute in den Medien ein-flussreichsten Institutionen der wirtschaftswissenschaft-lichen Prognose sind in politisch offen bekundeten Verruf gekommen. Das hängt mit der Abkehr von Ordnungspolitik und der erneuten Betonung mathematisierender Makroöko-nomik und Ökonometrie des Zuschnitts der dominierenden angelsächsischen Fach-Zeitschriften zusammen.9 Es war aber gerade dieser Trend, den Politiker mit anfänglicher Be-geisterung auch im Zuge des Bologna-Prozesses zu neuer „Exzellenz“ begünstigt haben.10 Nach vielen „objektiven“,

9 Einen vorläufig letzten konkreten Eindruck von der Abhängigkeit deut-scher Wirtschaftswissenschaftler von Mathematisierung – zumindest im „Mathematical Appendix“ – vom internationalen Rang britischer und ame-rikanischer Wirtschaftsjournale und der damit verbundener Zitierkartelle vermittelten die Begründungen von Absagen, bevor die Suche nach einem Nachfolger für die heutige Präsidentschaft des Kieler Instituts für Welt-wirtschaft schließlich erfolgreich war. Obwohl das Kieler Institut eine der attraktivsten Wissenschaftsadressen ist und dort auch Zitierkartelle nicht fremd sind, zogen viele Spitzenwissenschaftler für ihren Karriere-Weg Ver-öffentlichungen in international renommierten Reihen der arbeitsaufwendi-gen Präsidentschaft in Kiel vor.10 Auch für die Fächer der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird zu oft übersehen, wie Ingo von Münch und Wolfgang Gerhardt deutsche Uni-versitäten beurteilten: „Wir müssen uns wirklich nicht verstecken.“ Walter Hinderer zieht daraus für den Bologna-Prozess eine beachtenswerte Kon-sequenz im ursprünglich letzten Satz seines Buches, bevor er eine Erläu-terung angefügte: „Es wäre zu hoffen, dass sich die deutsche Universität endlich auch darauf besinnen würde, ihre so lange und glanzvolle Kultur- und Bildungstradition im Hegelschen Sinne aufzuheben.“ Vgl. Walter Hinde-

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aber nicht brauchbaren Prognosen vor allem seit 2008/2009 beschränkt sich der Hohn über manche gefällige Kaffee-satz-Leserei bei den Prognosen nicht mehr nur auf deftige Worte von Finanzminister Steinbrück.

Das war zum Vorteil der FDP kein Problem in der Phase er-neut dominierender Ordnungspolitik um die Zeit von Otto Graf Lambsdorffs „Wende-Papier“ Anfang der 80er Jahre: Der ordnungspolitische Teil z.B. des Jahresgutachtens zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage interessierte den Wirtschaftsminister mehr als die Prognosen für die Me-dien, die auch damals nicht immer zutrafen. Das ist bei mit Sicherheit ungewisser Zukunft noch kein Grund zu ernst-hafter Kritik. In Verruf waren die Sachverständigen regelmä-ßig nur bei den Gewerkschaften wegen ihrer ordnungspoli-tischen Forderungen, und jede Regierung schönte an kritischen Ratschlägen des Sachverständigenrates herum, bis sie ihren Kurs einigermaßen bestätigt fand.

Für die FDP war die Lage damals einfach: Wie bei keiner anderen Partei stimmte das wirtschaftspolitische Programm der FDP mit den ordnungspolitischen Kernaussagen über-ein, die von der Elite der deutschen Wissenschaftler vertre-ten wurden: in der Fachliteratur und vor allem in populären und sehr politiknahen Veröffentlichungen. Zuvor war in der

rer, Die deutsche Exzellenzinitiative und die amerikanische Eliteuniversität, Argumente der Freiheit, Band 18, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Berlin 2007, S. 25f., 107f. und 117f.

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Gründungsphase der FDP das wohl populärste Buch F. A. Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“ (1944; deutsch erst-mals 1945). In Deutschland konnte vor allem niemand an den Breitseiten von Artikeln vorbei, die Wilhelm Röpke um seine zentrale Trilogie gefeuert hatte: „Die Gesellschaftskri-sis der Gegenwart“ (Erstauflage 1942), „Civitas Humana“ (1944) und „Internationale Ordnung“ (1945), außerdem mit „Jenseits von Angebot und Nachfrage“ (1958).11

Die enge Verbindung zwischen ordnungspolitischem Pro-gramm der FDP und wirtschaftswissenschaftlichem Sach-verstand blieb auch in der Zeit gefestigt, in der die Ord-nungspolitik vorübergehend aus der Mode kam. Dafür stand z.B. Wolfgang Stützel12 und in den Finanzwissenschaften der

11 Während in den USA Hayeks „Road to Serfdom“ sogar durch einen noch heute attraktiven Comic verbreitet wurde, hatte Wilhelm Röpke mit großen Widerständen zu kämpfen, als er die Veröffentlichung der deut-schen Übersetzung (Eva Röpke) von Hayeks Buch ermöglichte. 12 Staatssekretär a.D. Ernst Eggers berichtete auf der Sitzung des Bun-desfachausschusses Wirtschaft und Arbeit vom 20./21. März 2009, dass Wolfgang Stützel als FDP-Wirtschaftsexperte schon Mitte der 70er Jah-re das wirtschaftspolitische Programm der FDP beeinflusst habe. Nach Otto Graf Lambsdoffs „Wende-Papier“ war Wolfgang Stützel im Kronber-ger Kreis maßgeblich an den Wende-Studien zur Reform des Steuer- und Sozialsystems beteiligt. 1978 wurde Stützel Mitglied der auf dem Kieler Bundesparteitag der „Kieler Thesen 1977“ beschlossenen Programmkom-mission. Karl-Heinz Hansmeyer leitete bereits im Bundesfachausschuss Finanzen und Steuern die erste Föderalismus-Kommission der FDP, von der auch eine Abkehr von der zentralistisch geprägten Tradition der Höpker-Aschoff-Zeit ausging. Wolfgang Stützel war auch der akademische Lehrer von Joachim Mitschke, der mit seinem „Bürgergeld“-Konzept die gesamte deutsche Diskussion zur Integration von Steuer- und Sozialsystem über alle Parteigrenzen hinaus geprägt hat.

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Schmölders-Schüler Karl-Heinrich Hansmeyer, aber auch die Elite der deutschen Wirtschaftswissenschaftler bis hin zu Herbert Giersch, oder Juristen mit ökonomischem Sach-verstand wie z.B. Paul Kirchhof, die ansonsten der Union nahe standen, aber bei den wirtschafts- und steuerpoli-tischen Programmen das Programm der FDP vorzogen.

Es mag angesichts wachsender Kritik der Brauchbarkeit quantitativer Prognosen an der Schwerfälligkeit und Lang-samkeit einer verbürokratisierten Bildungs- und Wissen-schaftspolitik liegen, dass dennoch an deutschen Universi-täten Lehrstühle für ordnungspolitisch orientierte Wirtschaftspolitik zugunsten von Makroökonomik in neuen Schläuchen aufgelöst werden. Diese Mode scheint robust zu sein – trotz aller schlechten Erfahrungen mit dem poli-tischen Nährwert formalmathematisch hochgerüsteter Computer-Prognosen und erst recht nach allen fehlgeschla-genen Orakeln zur Immobilienkrise und Finanzkrise, die an-geblich der robusten Konjunktur „im Euro-Raum“ doch nicht gefährlich habe werden können. Die Hoffnung bleibt wie im-mer, wenn es ganz dicke kommt: Dann kommt auch die Zeit des Umdenkens und der Rückkehr zu den Werten markt-wirtschaftlicher Ordnungspolitik. Der Kommunikation des wahren Gehalts wirtschaftspolitischer Programme der FDP würde das gut tun.

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II. Grundsätze liberaler Wirtschaftspolitik für Teilhabe aller Bürger

„Mit die wertvollsten Leistungen der deutschen sozialen Entwicklung kamen aus dem liberalen Gedankengut [...]. Die ’Liberalen’ standen hier früher in der Front als die ’Sozialisten’ und die ’Christlichen’.“ (Theodor Heuss zu Schulze-Delitzsch und Lujo Brentano (stell-vertretend) in der Rede auf dem Gründungsparteitag der FDP in Heppenheim 1948)

Liberale waren die ersten Sozialreformer unter den demokratischen Parteien.

(Klaus von Dohnanyi bei der Verleihung der Theodor-Heuss-Medail-

le 1988 in Stuttgart)

Im Mittelpunkt aller wirtschaftspolitischen Programme der Liberalen steht die Antwort auf die Frage, welchen Zielen und Werten die Wirtschaftsordnung dienen soll. Auch wenn diese Frage nicht ausdrücklich gestellt wird, ist sie doch im-mer da und muss also beantwortet werden. Die Antwort auf die Frage, welchen Werten und Zielen jedwede Ordnung oder Politik dient, erledigt nebenbei die üblichen Bewer-tungen wie z.B.: „Der Markt ist kein Selbstzweck!“ Oder: „Die Marktwirtschaft ist kein Selbstzweck!“ Oder: „Der Fö-deralismus ist kein Selbstzweck!“ Natürlich können Mittel nie letzte Ziele („Selbstzwecke“) sein. Viel wichtiger als die-se Klarstellung ist aber auch hier der Beitrag politischer Pro-gramme zur „Willensbildung des Volkes“: Die Antworten

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der Parteien auf die Frage, welchen Werten und Zielen die von ihnen angestrebte Wirtschaftsordnung dient, erleich-tern den Wählern dreifach die Bewertung konkurrierender wirtschaftspolitischer Programme:

- Bei „Interdependenz der Ordnungen“13 bieten Ziele und Werte der angestrebten Wirtschaftsordnung das „geistig einigende Band“, das die einzelnen Teile zusammenhält. Dieses ordnungspolitische Band erleichtert die Bewer-tung, ob Programme eher aus wohlfeilen Bruchstücken zu-sammengeschrieben oder aus einem ordnungspolitischen Guss gearbeitet sind.

- An der Willensbildung des Volkes, von dem alle Gewalt ausgehen soll, können die Parteien im Dienste des ganzen Volkes mit ihren Programmen nur dann positiv mitwirken, wenn die Wähler in den konkurrierenden Programmen min-destens die Ziele und Werte wiederfinden, die sie als Bür-ger bejahen und die für sie besonders wichtig sind.

13 Was Walter Eucken in „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ im Einzel-nen als „Interdependenz der Ordnungen“ analysiert, ist nicht nur aus Allge-meinplätzen wie „Irgendwie hängt alles miteinander zusammen“ geläufiges Allgemeingut. Zumindest der wechselseitige Einfluss von politischer Ord-nung und Wirtschaftsordnung, z.B. von Demokratie und Marktwirtschaft, ist vielen Bürgern geläufig, weniger aber die Interdependenzen z.B. zwi-schen Rechtsordnung, Eigentumsordnung, Währungsverfassung, Wettbe-werbsordnung und Sozialordnung. Vgl. dazu Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Bern und Tübingen 1952, S. 13ff., 304ff., 323 und 332ff. im Gesamtzusammenhang der Kap. XVI und XVII zur „Politik der Wettbewerbsordnung“.

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- Die Antwort der Parteien auf die Frage nach ethischen Werten und Zielen, denen die Wirtschaftsordnung dienen soll, erleichtert den Bürgern die Kontrolle, ob die konkreten Programm-Angebote der Parteien zu den angekündigten Zielen und Werten passen.

Die Grundsätze liberaler Wirtschaftspolitik orientieren sich am Menschenbild der Liberalen, das Wertvorstellungen und Erfahrungen mit den Menschen verbindet. Liberale wollen nicht „den neuen Menschen“, Liberale nehmen Menschen, wie Menschen sind, aber auch wie sie in freier Selbstver-wirklichung als Einzelne sein wollen. Dabei hat die FDP schon in den Programmen ihrer regionalen Gliederungen ab 1946 klare Vorstellungen, wie die Einzelnen in der Gemeinschaft freier Bürger sein sollten, damit sie ein freiheitliches Gemein-wesen für alle gestalten und erhalten können. Die FDP sieht schon in diesen frühen Programmen einen entscheidenden Bildungsauftrag – auch für die Parteien (s.u., „Teilhabe durch Charakterbildung der Bürger“).

Zusammengefasst gehört zum liberalen Menschenbild:

- Alle Menschen streben nach einem Leben in Freiheit und Würde.

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- Ohne die Ordnung eines Rechtsstaats gibt es keine Chan-ce auf dauerhafte Freiheit und Schutz der Menschenwürde für alle.

- Die Freiheit ist in aller Regel schleichend bedroht.

- Eine dauerhafte Verfassung der Freiheit und Achtung der Menschenwürde setzt Bildung zum Bürger voraus.

- Die Bürger sagen dauerhaft nur Ja zu einer Verfassung, die Rahmenbedingungen für soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit setzt.14

Diese Wertvorstellungen und Ziele gehören zur Substanz aller Parteien, die unsere deutsche Verfassung mitgestal-tet haben. Die liberale Substanz ist im Grundgesetz als Verfassungsdatum für alles politische Handeln und für den Beitrag des Grundgesetzes zur „Willensbildung des Volkes“ verankert. Auch heute lebt über allen parteipoli-

14 Diese Wertvorstellungen und Erfahrungsregeln sind eng verbunden mit den Wurzeln des Liberalismus in der deutschen, schottischen und fran-zösischen Aufklärung. Zum schleichenden Verlust der Freiheit vgl. David Hume, Über die Pressefreiheit (1741), in: Politische und ökonomische Es-says, Hamburg 1988, Teilband 1, S. 5. Zum Charakter der Bürger als Vor-aussetzung für eine Verfassung der Freiheit vgl. Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen, Augustenburger Briefe vom 13. Juli und 11. November 1793, Stuttgart 2000, S. 140 und 152 ff. Zur Bedeu-tung materieller Voraussetzungen der Freiheit und einer klaren Abgrenzung gegenüber Sozialisten vgl. ebenda das Nachwort von Klaus L. Berghahn in memoriam Käte Homburger, S. 254 ff. Zum Gesamtthema vgl. Walter Hinderer, Die Idee des Menschen. Über Friedrich Schiller, Würzburg 2002.

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tischen Gegensätzen und Unterschieden noch genügend von dieser Gemeinsamkeit der Demokraten, um eine Ord-nung in Freiheit zu sichern. Das kann nicht überraschen, weil diese Wertvorstellungen und das damit verbundene Menschenbild zur gemeinsamen „Kultur- und Sozialent-wicklung des Abendlandes“15 gehören, die über Renais-sance und Humanismus in eine Aufklärung münden, die im-mer noch Aufgabe ist.

Die Liberalen können hier allerdings eine Pionierrolle bean-spruchen. Denn diese kulturelle und soziale Entwicklung geht von dem aus, was in besonderem Maße Erkennungs-merkmal des Liberalismus ist – von der „Entdeckung des Ich“ durch Walther von der Vogelweide. Eugen Freiherr von Philippovich hat 1905 diese Entwicklung so zusammenge-fasst: Der Liberalismus sei „das Ergebnis eines langen ge-schichtlichen Werdeganges, dessen Wurzeln in dem Verlan-gen des menschlichen Geistes liegen, autonom zu sein, die

15 So fasste Fritz Valjavec 1951 die „atmosphärische“ Grundstimmung zu-sammen, aus der sich der Liberalismus entwickelte. Zitiert in: Lore und Fritz Schatten, Die Geschichte des Liberalismus, Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.), Bonn 1981, S. 9.; im gleichen Sinne Wolfgang Gerhardt: „Dabei gibt es natürlich kein Eckdatum, an dem man den Anfang von Freiheitsbe-wegungen und Liberalismus festmachen könnte. […] Mehr noch, ebenso wie die Aufklärung ist der frühe Liberalismus eine europäische Bewegung, in der sich angelsächsische, französische und deutsche Denker gegenseitig befruchteten; mithin ist der liberale Internationalismus ein ganzes Jahrhun-dert älter als der proletarische.“ Der deutsche Liberalismus als Kraft der Freiheit, in: Wolfgang Gerhardt (Hrsg.), Die Kraft der Freiheit, Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Liberalismus, a.a.O., S. 9.

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eigene Persönlichkeit selbständig und nicht nach fremden Geboten zu entwickeln.“16

1. Teilhabe durch Charakterbildung der Bürger

Nur der Karakter der Bürger erschaft und erhält den Staat, und macht politische und bürgerliche Freiheit möglich.(Friedrich Schiller (1793))

Das aktuelle Grundsatzprogramm der FDP, die „Wiesbade-ner Grundsätze – Für die liberale Bürgergesellschaft“, will als Ziel und als Konsequenz liberaler Werte und des libe-ralen Menschenbildes die „Bürgergesellschaft“. Neben dem Vertrauen der Liberalen in den eigenverantwortlichen Bürger wird damit aber auch die Verantwortung eingefor-dert, die Bürgertugenden zu leben, ohne die „Bürgergesell-schaft“ nur nettes Wortgeklingel bliebe. Das ist der unmit-telbare Beitrag zur „Willensbildung des Volkes“ im Sinne von Friedrich Schillers Charakterbildung.

Der Titel des FDP-Grundsatzprogramms hätte ebenso „Für die liberale Teilhabegesellschaft“ lauten können. Denn die inhaltliche Mitte des FDP-Grundsatzprogramms verdeutlicht selbst in den Überschriften den engen Zusammenhang zwi-schen Bürgergesellschaft und Teilhabe der Bürger als Er-

16 Zitiert von Lore und Fritz Schatten, Die Geschichte des Liberalismus, a.a.O., S. S. 9.

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gebnis des liberalen Menschenbildes: „Freiheit ist Verant-wortung“, „Freiheit durch Teilhabe, Teilhabe durch Freiheit“, „Bürger sind Teilhaber der Gesellschaft: Die liberale Bürgergesellschaft“.17

Schon vor dem Zusammenschluss der liberalen Parteien zur FDP in Heppenheim 1948 ist dies der Ausgangspunkt des ersten liberalen Programms, dem „Programm der Demokra-tischen Partei in Süd- und Mittelbaden“ vom 20. Januar 1946. Auch das wirtschaftspolitische Programm wird hier bereits aus dem übergeordneten Werte- und Ordnungskon-zept abgeleitet: „Der Wiederaufbau unserer deutschen Le-bensordnung muß beim Einzelmenschen beginnen. [...] 1. Als Voraussetzung dafür, daß der Einzelmensch sich im pri-vaten und öffentlichen Leben auch tatsächlich gemäß sei-nem Gewissen und seinen Erkenntnissen betätigen kann, fordern wir folgende Freiheitsrechte“, darunter für die Wirt-schaftsordnung „Schutz des Privateigentums“.18

17 Wiesbadener Grundsätze – Für die liberale Bürgergesellschaft, be-schlossen auf dem 48. Ord. Bundesparteitag der F.D.P. am 24. März 1997 in Wiesbaden >www.fdp.de<, S. 9 und 16f. 18 Vgl. zu diesen und den folgenden Zitaten die von Peter Juling einge-leiteten und leicht verfügbaren Dokumente, hier S. 69, im Internet nur zu den Beschluss-Texten seit 1946: >www.fdp.de<.

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Zu diesem Badischen Programm passt nahtlos das Pro-gramm der Hamburger Liberalen von 1946 bei der Aufgabe „Bildung zum Bürger“ im Geiste von Schillers „ästhetischer Erziehung“ und als Vorgriff auf den Auftrag des Mitwirkens der Parteien bei der „Willensbildung des Volkes“ in Art. 21 GG : „Erziehung zu sozialer Gesittung ist die entscheidende Bedingung neuer Volksordnung.“19 Die Heppenheimer Pro-klamation vom 12. Dezember 1948 formuliert entsprechend den Sinn des Zusammenschlusses der liberalen Parteien zur FDP so: „Damit ist die organisatorische Grundlage ge-schaffen für die Sammlung der politischen Kräfte, die den Gedanken der Freiheit und des Persönlichkeitsrechtes zum Richtmaß aller Entscheidung erheben. Selbstverantwortung und Achtung vor der Menschenwürde aller sollen die Le-bensordnung für Volk und Welt bestimmen. Dies ist der Weg der FDP zu Freiheit, Frieden und Sicherheit für Deutsch-land in einem geeinten Europa.“20

In diesen beiden letzten Sätzen zur „Lebensordnung für Volk und Welt“ schon im ersten Absatz der Heppenheimer Proklamation wird an eine der ältesten liberalen Traditionen angeknüpft, die liberale Konzepte in den Wirtschaftswissen-schaften und das wirtschaftspolitische Programm der Libe-ralen prägen: der Mensch als Heimattreuer und Weltbürger in einer offenen Gesellschaft mit offenen Märkten. An die-

19 Programmatische Leitsätze der FDP Hamburg (1946), in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 79.20 Heppenheimer Proklamation, ebenda, S. 86.

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sen Geist erinnerte Wilhelm Röpke, der nach 1945 großen Einfluss auf die FDP nicht nur in der Wirtschaftspolitik hatte. Röpke knüpfte am Essay „Über den Begriff des Volkes“ des schwäbischen Liberalen Gustav Rümelin an. Ähnlich wie 1946 auch die Hamburger FDP, richtete Röpke die Hoff-nungen auf „einen Universalismus“, „der gleichzeitig ein Re-gionalismus ist – jeder von uns als ‚Christ und Lehnsmann’ oder, in unsere Sprache übersetzt, als ‚Weltbürger und Hei-mattreuer’ oder doch zumindest als ‚Europäer und Heimattreuer’“.21

2. Teilhabe durch Eigenverantwortung und Solidarität der Bürger

Die Kernaufgabe des Staates ist es, Freiheit für den Bürger zu sichern, indem der Staat Recht setzt und Recht durchsetzt. [...] Es muß aber auch wieder stärker ins Bewußtsein rücken, daß der Bürger mehr Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortung braucht, damit er sich wieder aktiver für den schlan-ker gewordenen Staat einsetzt, damit seine Kreativität und sein Fleiß für Innovation gewonnen wird.(F.D.P., Hildesheimer Beschluss “Weniger Staat – mehr Eigenver-antwortung” vom 26. Februar 1994.)

21 Vgl. Wilhelm Röpke, Maß und Mitte, Erlenbach-Zürich 1950, S. 242 f.; Gustav Rümelin, Über den Begriff des Volkes (1872), in: Reden und Auf-sätze, Tübingen 1875, S. 112. In den Programmatischen Leitsätzen der FDP Hamburg von 1946 ist Deutschlands Platz „unter der überstaatlichen Auto-rität eines Weltbundes freier Völker.“ (S. 77).

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Mit der Botschaft der Heppenheimer Proklamation werden im „Weg der FDP zu Freiheit, Frieden und Sicherheit für Deutschland in einem geeinten Europa“ zwei zentrale Anlie-gen der liberalen Programme zusammengefasst: „Jenseits von Angebot und Nachfrage“22, also jenseits eines engen ökonomischen Kalküls, geht es beim Bekenntnis der FDP zu marktwirtschaftlicher Wirtschaftspolitik um das, was die In-schrift am Lübecker Holstentor mit „Eintracht im Inneren, Frieden nach außen“ meint. Heute bedeutet das sozialen Frieden im Inneren und Frieden mit allen Völkern der Welt.

Dass eine gute Wirtschaftspolitik als die notwendige Vo-raussetzung eines starken Sozialstaats gilt, ist selbst in fol-gender vergröberter Form geläufig, die folglich ohne Ergän-zung angreifbar ist: „Gute Wirtschaftspolitik ist die beste Sozialpolitik.“ Auch Theodor Heuss wählte diese Formulie-rung in seiner Heppenheimer Rede, ergänzte jedoch:

„Aber wir kommen nicht mit allgemeinen Bemer-kungen über ein schweres Problem hinweg. [...] Die

22 Das ist der Titel von einem der mehrfach aufgelegten Bücher des Neo-liberalen Wilhelm Röpke, von vielen als Sozialromantik belächelt. Röpke erwartete bei der Zusendung des Buches an von Hayek keine Dankbarkeit für sein großes Engagement, Hayeks von Röpkes Frau Eva übersetztes Erfolgsbuch „Der Weg zur Knechtschaft“ gegen Verbote der Alliierten zu verbreiten, hoffte aber auf von Hayeks mäßigenden Einfluss auf den leicht erregbaren von Mises. Den sich bereits zuvor abzeichnenden Bruch un-ter den liberalen Vordenkern der Marktwirtschaft konnten Röpke und von Hayek nicht verhindern. Das wirkt noch heute in der Spaltung liberaler Bot-schafter der Marktwirtschaft im nahen geistigen Umfeld der FDP nach.

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Weckung der Selbstkräfte ist mit ein Element, um Sozialpolitik überhaupt erst möglich zu machen, und hier sei daran erinnert, daß gerade auch aus libe-ralem Denken heraus zum ersten Male bei uns im großen Stile Sozialpolitik getrieben wurde, liberales Gedankengut in unsere Sozialpolitik eingereiht wurde“.23

Das Bekenntnis zur „sozialen Marktwirtschaft“ oder „sozial verpflichteten Marktwirtschaft“ ist eine Selbstverständlich-keit in den Programmen der liberalen Landesgliederungen von 1946 über die Heppenheimer Proklamation 1948, die Bremer Plattform des 1. Bundesparteitags vom 11./12. Juni 1949 bis zum ersten umfassenden Sozialprogramm der FDP vom 5. Juli 1952 in Bonn. Die FDP bekennt sich auch aus-drücklich zu den Anliegen der „sozialen Sicherheit“ und „sozialen Gerechtigkeit“ als zusammenfassende Umschrei-bung von dem, was mit „sozial verpflichteter Marktwirt-schaft“ oder „sozialer Marktwirtschaft“ von der FDP und den neoliberalen Vätern der Marktwirtschaft in den Grün-derjahren gemeint war24:

23 Theodor Heuss, Rede auf dem Gründungsparteitag der FDP in Hep-penheim 1948, abgedruckt in: Wolfgang Mischnick, Verantwortung für die Freiheit. 40 Jahre F.D.P., Stuttgart 1989, S. 539. 24 Vgl. dazu auch den umfassenden Überblick über Gemeinsamkeiten und Differenzen der „Neoliberalen“ von Hans Jörg Hennecke, Friedrich August von Hayek – Die Tradition der Freiheit, Düsseldorf 2000.

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- „Die Leitsätze zur Kulturpolitik 1950, beschlossen auf dem 2. Bundesparteitag vom 29. April bis 1. Mai 1950 in Düs-seldorf, fassen den Gehalt der „sozialen Marktwirtschaft“ im Verständnis der FDP komplex zusammen mit höchster Aktualität im Streit um die Marktwirtschaft 2008/2009:

„Wie der geläuterte Liberalismus in der Wirtschaft jeden skrupellosen Kapitalismus zugunsten der sozi-alen Marktwirtschaft bekämpft, so verwirft er in allen Kulturbereichen jeden schrankenlosen Individualis-mus als unsittlich. Es gibt keine sittliche Freiheit ohne freiwillige Bindung. Die freie Persönlichkeit und die sittliche Gemeinschaft bedingen einander“.25

Die Aktualität dieser Klarstellung hat Otto Graf Lambsdorff im April 2009 in der Beckmann-Runde gegen David Richard Precht verdeutlicht. Precht hatte im Zusammenhang mit der Finanzkrise die übliche Verbindung von „sozialer Kälte“ und „kapitalistischem Muster“ hergestellt. Lambsdorff korrigier-te, dass die Krise „nicht auf kapitalistische, sondern auf marktwirtschaftliche Weise“ gelöst werden müsse.26 Gegen

25 Zitiert in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 194. In diesem Zitat ist die Formulierung „der geläuterte Liberalismus“ eine der damals üblichen Umschreibungen von „der Neoliberalismus“, als Abgrenzung gegen Strö-mungen unter den Liberalen, die sprachlich gegenüberstellend als „Paläoli-beralismus“ bezeichnet wurden. 26 Klaus Beckmann im Gespräch mit Caroline Mart, Richard David Precht, Baron zu Guttenberg und Otto Graf Lambsdorff, >www.DasErste.de<. Zur zweckmäßigen Unterscheidung zwischen „Marktwirtschaft“ und „Kapita-lismus“ in der politischen Diskussion vgl. Martin Bangemann, Liberale Wirt-

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die übliche Auseinandersetzung der Linken mit der FDP ist das die einzige erfolgversprechende Abgrenzung, solange die Linken politische Kontroversen auf dem Niveau der Kampfbegriffe „Kapitalismus“ und „soziale Kälte“ bestrei-ten. Denn gegen die Marktwirtschaft zieht diese „Streitkul-tur“ der Linken bei den meisten Bürgern nicht so einfach, aber sie zieht auch da: Weil die Finanzkrise das Ansehen auch der Marktwirtschaft beschädigt hat, trifft das seit 2008 besonders die FDP als „Bannerträger der Marktwirtschaft“.27 Das macht es 2009 so wichtig, den sozialen Gehalt der Marktwirtschaft und des wirtschaftspolitischen Programms der FDP in Erinnerung zu rufen.

- Das „Sozialprogramm 1952“ umreißt das Bekenntnis der FDP zur „sozial verpflichteten Marktwirtschaft“ vor den umfassenden konkreten Forderungen ähnlich: „Für die FDP steht der Mensch im Mittelpunkt allen sozialen und damit auch wirtschaftlichen Handelns. [...] Der Mensch ist nicht nur sich selbst verantwortlich. Die Freiheit seiner per-sönlichen Entscheidung findet in der Verpflichtung gegenü-ber der Gesamtheit insbesondere gegenüber den sozial Schwachen ihre Grenzen. Deshalb bekennt sich die FDP zu der sozial verpflichteten Marktwirtschaft.“28

schaftspolitik, in: Verantwortung für die Freiheit, a.a.O., S. 285ff.27 Das ist der Titel des Beitrags, den die Ludwig-Erhard-Stiftung für Otto Graf Lambsdorffs Beitrag in der Festschrift zu Ludwig Erhards 100. Ge-burtstag am 4. Februar 1997 vorgeschlagen hatte.28 Zitiert in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 113: am 9. Juni 2009 noch nicht unter >www.fdp.de< im Internet.

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- Im „Wirtschaftsprogramm 1953“ blieb es beim konkreten Inhalt der Wirtschaftsordnung, die später den Eigennamen „Soziale Marktwirtschaft“ tragen würde. Die Suche nach der rechten Bezeichnung der Wirtschaftsordnung ging aber weiter, nachdem das „Liberale Manifest“ der Ham-burger FDP noch zwischen „soziale Marktwirtschaft“ und „sozial-verpflichtete Marktwirtschaft“ geschwankt hatte und im Wahlprogramm 1953 bei gleichem Inhalt ein Ver-such mit „Marktwirtschaft“ gemacht worden war. Das „Wirtschaftsprogramm 1953“ war das erste vollständig konkrete Ordnungskonzept mit ausgefeiltem Steuerteil, die Ordnung in Freiheit bezeichnet nun als „sozialverpflich-tete Marktwirtschaft“29.

- Danach werden ohne Änderung in Grundorientierung und Konzepten auch weitere Bezeichnungen verwendet: „auf Freiheit und Leistung gegründete Gesellschaftsordnung“ („Manifest über Gesundheit, Freiheit und soziale Sicher-heit“ 1953), „freiheitliche Gesellschaftsordnung“ („Akti-onsprogramm 1957“), „freie, sozialverpflichtete Marktwirt-schaft“ („Würzburger Entschließung“ 1956), „freie Marktwirtschaft“ und „freiheitliche Wirtschaftsordnung“ („Berliner Programm“ 1957), „wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft“, „Marktwirtschaft“ und „Eine freiheit-liche Gesellschaftsordnung ist ohne freiheitliche Wirt-schaftsordnung nicht denkbar.“ So variiert der Beschluss

29 Ebenda, S. 126f. und 133.

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des 12. Bundesparteitags vom 23. - 25. März 1961 inner-halb von nur fünf Zeilen („Aufruf zur Bundestagswahl 1961“)30 den Namen für die Wirtschaftsordnung, zu der sich die FDP bekennt.

- Nachdem die FDP mit den Freiburger Thesen von 1971 als erste Partei ein Umweltprogramm vorlegte und den Umweltschutz als Verfassungsziel forderte (Art. 2 GG), wiederholte sich viel später das Durcheinander in der Na-mensgebung für die Soziale Marktwirtschaft ab dem Be-schluss des Bundeshauptausschusses vom 1. Juni 1985 in Neuss: „Ökologische Marktwirtschaft“ und „ökolo-gisch verpflichtete Marktwirtschaft“ mit explizit formu-liertem Gegensatz zur „Sozialen Marktwirtschaft“ (Hervorhe-bung im Original)31. Später wird z.B. „sozial und ökologisch verpflichtete Marktwirtschaft“(1989)32 als Kompromiss gegenüber dem Neusser Bundeshauptausschuss gefun-den, wie zuvor „Die F.D.P. garantiert eine ökologisch ver-

30 Ebenda, S. 164. 31 Vgl. Das Programm der Liberalen (1990), hrsg. von der Friedrich-Nau-mann-Stiftung, Baden-Baden 1990, S. 313f. >www.fdp.de<: bereits mit dem später so oft variierten Nonsens „Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie“. Dazu klärte Carl Christian von Weizsäcker auf: „Ökologie ist langfristige Ökonomie“. Langfristorientierung ist so sehr Gegenstand der Ökonomie, dass Keynes es für notwendig hielt, darüber die Anpas-sungsprobleme der kurzen Frist nicht zu übersehen und dabei gründlich missverstanden wurde: „In the long run, we are all dead.“32 Bundesparteitag vom 27./28. Mai 1989 in Köln, in: Das Programm der Liberalen (1990), a.a.O., S. 842, >www.fdp.de<.

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pflichtete soziale Marktwirtschaft“ (1986)33. Dann wird wieder „Ökologische Marktwirtschaft“ (1990, 1994,1996/1997,2002) verwendet; in „Karlsruher Ent-wurf“/„Wiesbadener Grundsätze“ wird unter der Über-schrift „Die Ökologische Marktwirtschaft“ wieder zum Kompromiss zurückgekehrt: „Die Liberalen treten für die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft zu einer Sozialen und Ökologischen Marktwirtschaft ein.“34

Hinter dem frühen Ringen um das rechte Wort für die Wirt-schaftsordnung, zu deren „Bannerträger“ die FDP von der Ludwig-Erhard-Stiftung erklärt wurde, steht politisch mehr als eine Sprachübung beim Kampf um ein attraktives poli-tisches Banner. Denn seit dieser Gründungszeit hat sich bei aller Vielfalt der Namensgebung nichts am Bekenntnis der FDP zur „Sozialen Marktwirtschaft“ und zur Verpflichtung der Liberalen auf die Anliegen „soziale Sicherheit und sozi-

33 Wahlplattform `87, Bundeshauptausschuss vom 13. September 1986 in Augsburg, ebenda, S. 505, >www.fdp.de<.34 Dabei waren in „Liberale Standpunkte 1978“ noch die frühere Bezeich-nungen der „Würzburger Entschließung“ 1956 und des „Berliner Programm 1957“ aufgegriffen worden: „Nach liberaler Auffassung ist die freie und soziale Marktwirtschaft am besten geeignet [...]“ (Das Programm der Li-beralen (1979), a.a.O., S. 368 – auch unterschrieben von den Kommissi-onsmitgliedern Hamm-Brücher, Matthäus, von Schöler, Schuchardt und Verheugen). „Ökologische Marktwirtschaft“ taucht immer wieder auf seit dem Bundeshauptausschuss vom 21. Juli 1990 in Bonn bzw. seit dem Wett-bewerb mit den Grünen um die Oberhoheit bei den Begriffen für das unum-strittene Ziel der Umweltvorsorge, besonders engagiert in die Programme eingebracht von Jungliberalen.

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ale Gerechtigkeit“ geändert; dieses Bekenntnis prägt auch das wirtschaftspolitische Programm der FDP von 2009.35

In der Außendarstellung der FDP erscheint aber das Be-kenntnis der FDP zur Sozialen Marktwirtschaft längst nicht so klar. Das erleichtert es allen politischen Wettbewerbern im Kampf um die Oberhoheit bei den politischen Kampfbe-griffen, der FDP bei vielen Wählern negative Bewertungen wie „soziale Kälte“ anzuhängen. Die folgenden Klarstel-lungen gegen Extrempositionen und gegen die Karikaturen, die Linke von der FDP zeichnen, verdeutlichen die wahren geistigen Wurzeln des wirtschaftspolitischen Programms der FDP. Diese Klarstellung ist nötig, weil 2009 im Gefolge der Finanzkrise ähnliche Kritik an marktwirtschaftlicher Ord-nungspolitik und angeblich fehlendem sozialen Gehalt libe-raler Politik aufkommt, wie sie von der Kapitalismus-Kritik der 68er Generation bis in die Freiburger Thesen von 1971 getragen worden ist.36

35 Vgl. zuletzt die Beschlüsse des Kölner Bundesparteitages vor der Bun-destagswahl 2005, den Beschluss des Münchener Bundesparteitages 2008 und das Wahlprogramm 2009, >www.fdp.de<.36 Es ist kein Zufall, dass sich Bündnis 90/Die Grünen seit ihrer Regie-rungsbeteiligung nach 1998 darin hervortun, der FDP „soziale Kompetenz“ abzusprechen. Regierungsbeteiligung macht Appetit nach mehr davon. Mehr davon geben die Wähler den Grünen aber nicht ohne den Nachweis wirtschaftspolitischer Kompetenz. Denn die „Grüne Wende“ machen in Wirklichkeit ganz marktwirtschaftliche Unternehmer mit ihrer Marktreakti-on auf steigende Knappheit von Energie und anderen Ressourcen.

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Dazu kommt, dass ab 1968 mit dieser Tendenz der Kapita-lismus-Kritik ausgerechnet die Soziale Marktwirtschaft Lud-wig Erhards und der FDP getroffen wurde. Von dieser Ten-denz sind auch die Kommentierungen in den drei bekanntesten Dokumentationen des FDP-Programms von 1946 bis 1979 nicht ausgenommen, die hier zugrundegelegt werden: die beiden von Heino Kaack herausgegebenen Bände zur programmatischen Entwicklung der FDP und der von Günter Verheugen herausgegebene Band „Das Pro-gramm der Liberalen“, eingeleitet und kommentiert von Pe-ter Juling, Heino Kaack und Günter Verheugen.

Auf der Gegenseite mag Bernardo Trier als Beispiel für Dar-stellungen liberaler Wirtschaftspolitik stehen, wie sie im Umfeld der FDP nicht selten sind und ähnlich schädlich sind wie auf der anderen Seite die Gebetsmühlen der Linken zur „sozialen Kälte“ der Liberalen. Bernardo Trier ist als Bei-spiel gewählt, weil ihn seine Zweifel ehren. In seinem Artikel zu Heinz Murmanns Beitrag über Ludwig Erhard fragt Ber-nardo Trier in „liberal“ zur Freude von Norbert Blüm und Heiner Geißler: „Wie liberal war die Wirtschaftspolitik von Ludwig Erhard?“. Der mutige Seelenforscher Bernardo Trier wagt dafür nach seiner Lobrede auf Brutus Erhard einen Blick ins „Innerste, Verborgenste seiner (Erhards; H.W.) Seele“ und findet Abgründe. Erhard übernehme „die Zu-ständigkeit für die Befreiung“ und wage zu fordern: „Am Erfolg müssen alle teilhaben“. Und dann ist es für Trier nur ein kleiner Schritt zum Urteil über alle, die wie die FDP im Geiste von Walter Eucken und Ludwig Erhard marktwirt-

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schaftliche Ordnungspolitik verstehen und wie die FDP in ihrem Programm „Wohlstand für alle“ wagen: „Gehen die Verteiler ans Werk, ist Freiheit gefährdet.“37

Von diesen beiden Polen direkter Kritik an der Sozialen Marktwirtschaft und damit indirekter Kritik am wirtschafts-politischen Programm der FDP weichen die folgenden Be-wertungen des Autors dieser Studie deutlich ab. Denn 40 Jahre nach den „68ern“ darf sich 2009 in der Krise der Fi-nanzmärkte nicht wiederholen, dass extreme Kritiker aktiver Wettbewerbspolitik und Sozialpolitik unter den Liberalen auch noch überflüssige Vorlagen als Belege für verzerrte Darstellungen des wirtschaftspolitischen Programms der FDP liefern, auf die Linke und Konservative warten.

Auf andere Art als die Zerrbilder der Linken von der „sozi-alen Kälte“ der FDP ist es für das Bild vom Programm der FDP ein Problem, wenn auf der Gegenseite von manchen Liberalen wie Bernardo Trier in liberalen Publikationen der Eindruck erweckt wird, in jeder Verteilungspolitik und im An-sporn zu Fleiß könne ein Anschlag auf die Freiheit stecken. Wenn dabei nicht betont wird, dass Umverteilung z.B. über Besteuerung nach steuerlicher Leistungsfähigkeit für die FDP eine Frage von Maß und Mitte ist, dann erschwert das der FDP die Widerlegung selbst offenbarer Lügen der Lin-

37 Vgl. Bernardo Trier, Wie liberal war die Wirtschaftspolitik von Ludwig Erhard?, in: liberal, Vierteljahreshefte der Friedrich-Naumann-Stiftung für Politik und Kultur, 39. Jahrgang, Heft 2/Mai 1997, S. 111.

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ken. Aussagen aus dem Umfeld der FDP werden aufgegrif-fen und aus dem Zusammenhang gerissen wie in der Krise 1982/83 oder in den Wahlkämpfen 2009. Dagegen hat die Kommunikation der Botschaft, dass die FDP z.B. für Be-steuerung nach Leistungsfähigkeit und für eine Grundsiche-rung durch das Liberale Bürgergeld eintritt, unnötig schlech-te Chancen. Das kann man infrage stellen, indem man sich mit dem wirtschaftspolitischen Programm der FDP aus-einandersetzt. Dann entsteht auch generell bei stets wich-tigen Streitfragen z.B. zum Umfang der tatsächlich unver-zichtbaren Staatsaufgaben kein Zweifel an der Position der FDP, sondern es wird deutlich bleiben, dass z.B. das Ja der FDP zu aktiver sozialer Sicherung und aktiver Wettbewerbs-politik im wirtschaftspolitischen Programm seit 1946 nie in Frage stand.

Unabhängig davon, ob es gerade um eine Zeit der Krise oder eine Zeit nachhaltig steigenden Wohlstands mit si-cheren Arbeitsplätzen geht, steht eisern die Mär von „der sozialen Kälte“ der FDP. Das angeblich „blinde Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes“ wird der FDP dage-gen eher in Krisensituationen wie 2008/2009 unterstellt, führt aber über den Umweg der Arbeitsplatz- und Vertei-lungsfolgen zu dem zurück, was Emotionen besser erhitzt: „soziale Kälte“ der FDP. Dieser Vorwurf wurde weiter ge-pflegt, nachdem es der Ludwig-Erhard-Stiftung – gewisser-maßen als Namensverwalter der Marktwirtschaft – einiger-maßen gelungen war, die neutrale Schreibweise der

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deutschen Wirtschafts- und Sozialordnung mit dem Eigen-namen „Soziale Marktwirtschaft“ durchzusetzen.

Dabei war selbst in der „FDP als Bannerträger der Markt-wirtschaft“ Folgendes nicht immer inhaltlich klar und irritiert folglich bei der wechselnden Schreibweise in den Program-men: Das „große S“ in „Soziale Marktwirtschaft“ kenn-zeichnet den Eigennamen der deutschen Wirtschaftsordnung. Diese nüchterne Sachlichkeit in der Schreibweise half aber auch nichts, wo es um politische Symbolik geht, die in der Welt politischer Kampfbegriffe zählt. Sonst hätte „die sozi-ale Marktwirtschaft“ nämlich allenfalls zu einem akade-mischen Streit darüber gereicht, ob „die Marktwirtschaft“ an sich schon „sozial“ oder „ökologisch“ sei oder ob sie durch „den Staat“ erst „sozial“, „ökologisch“ oder doch zu-mindest „sozialer“ gemacht werden müsse.38

F. A. von Hayek, der durch seine spätere Lesart „Wieselwort soziale Gerechtigkeit“ einige Verwirrung gestiftet hat, hätte diese Gefahr sehen müssen. Denn entgegen so mancher Legende hat es exakt in der Frage der Arbeitsteilung zwi-schen Bürger und Staat in der Marktwirtschaft – und ihren Konsequenzen für die soziale Ordnung – schon in der ersten

38 Vgl. zur „sozialen Kälte“ Gerhard Schwarz, Die soziale Kälte des Libera-lismus, hrsg. Vom Liberalen Institut der Friedrich Naumann-Stiftung, St. Au-gustin 1997, >www.libinst.de<. Hans D. Barbier hat in seiner Besprechung von Henneckes Hayek-Buch (a.a.O., S.49) das von Hayek zitierte Gespräch mit Ludwig Erhard zu „Soziale Marktwirtschaft“ mit einiger Skepsis be-leuchtet.

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Sitzung der Mont-Pèlerin-Gesellschaft keinen Konsens ge-geben. Dabei war Hayek auf der Seite von Wilhelm Röpke und Walter Eucken – und blieb es als Mitherausgeber des ORDO-Jahrbuchs ab 1948 – so dass sein Lehrer Ludwig von Mises nach Einschätzung von Wilhelm Röpke isoliert war.39

Für den Inhalt der wirtschaftspolitischen Programme hatten diese akademischen Tragikkomödien keine Bedeutung: Am Bekenntnis der FDP zur ordnungspolitischen Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Marktwirtschaft und zur sozi-

39 Wilhelm Röpke, Brief an Alexander Rüstow von der ersten Konferenz der Mont-Pèlerin-Gesellschaft, Genf, 24. April 1947, in: Eva Röpke (Hrsg.), Wilhelm Röpke - Briefe von 1934 - 1966, S. 96f. Ludwig von Mises reagier-te immer gereizter auf die zunehmende Isolation, indem selbst der Anlass eher nebensächlicher Organisationsfragen zur höchsten Steigerung seiner Ausbrüche genügte: „Ihr seid alle Kommunisten!“ Das war gewagt, weil es ausgerechnet auch gegen seinen Schüler von Hayek, gegen Lord Robbins und die „Chicago-Boys“ Milton Friedman und F.H. Knight gerichtet war, also gegen Neoliberale, die heute von den Sozialisten in allen Parteien außer der FDP auch gerne als „Turbokapitalisten“ bezeichnet werden. Die Neolibera-len Walter Eucken und Wilhelm Röpke werden auf der anderen Seite als Wi-derparts zu von Hayek aufgebaut, obwohl Hayek beide als seine Nachfolger in der Leitung der Mont Pèlerin Society wünschte. Zutreffend wäre am ehe-sten der Gegensatz „von Mises versus Röpke“, mit Sicherheit der Gegen-satz „von Mises versus Rüstow“ in Fragen des Sozialen und „von Mises versus Neoliberale“ in der Frage aktiver staatlicher Wettbewerbspolitik. Vgl. zur Entwicklung von der Mont Pèlerin Society über Hayeks Konsens mit Eucken und Röpke im Ja zur Ordnungspolitik, über die gemeinsamen Projekte „Focus“ und „ORDO“ bis zum noch heute nachwirkenden und in den Details oft unwürdigen Bruch in der Mont Pèlerin Society ab 1960 Hans Jörg Hennecke, S. 185, 204ff., 212ff., 259ff und 268ff.

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alen Verpflichtung im Ordnungskonzept von „Freiheit und Verantwortung“ hat sich in 60 Jahren wirtschaftspolitischem Programm nichts geändert. Wenn diese Kontinuität 1971 of-fenbar nicht einmal von Autoren der „Freiburger Thesen“ gesehen wurde, dann kann das nicht an ihren Entdecker-Ei-telkeiten gelegen haben.

So klar, wie die FDP es in ihren Programmen formuliert hat und wie die FDP wahrgenommen werden will, ist sie gerade beim Kernthema der sozialen Kraft der Freiheit und in ihrem Einsatz für soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit nie wahrgenommen worden. Denn zwischen dem Programm der FDP und den Bürgern, an deren Willensbildung die FDP mitwirkt, stehen außer den Konkurrenten der FDP auch ihre eigenen Botschafter. Gerade die Inhalte zur liberalen Sozial-ordnung werden dabei je nach Vorprägungen und Vorlieben – hier von Mises, dort z.B. von Rüstow – in großer Vielfalt der Abbildungen des liberalen Programms verbreitet – mit-unter über tolerable Grenzen der Tatsachen hinaus.

Einer Partei der Toleranz gereicht solche Vielfalt zwar zur Ehre, aber Klarheit der sozialen Botschaft der FDP ist dann beim Bürger nicht zu erwarten, dafür klammheimliche Freu-de beim politischen Gegner. Denn die politische Konkurrenz der FDP wählt aus dieser Vielfalt die Darstellungen und In-terpretationen von liberalen Ideen und vom Programm der FDP, aus denen sie am leichtesten Zerrbilder von „sozialer Kälte“ der FDP basteln kann. Meist sind die liberalen Boten

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der Programme wichtiger als der Inhalt von Programmen der FDP, weil Programme kaum gelesen werden.

Das hat gerade der oft künstlich aufgebauschte Dissens zwischen „Schulen“ um Ludwig von Mises einerseits und auf der anderen Seite den Vertretern aktiver Ordnungspoli-tik wie Walter Eucken, Wilhelm Röpke und Ludwig Erhard unterstrichen: Solcher Streit kann im akademischen Diskurs produktiv, aber auch ein Hindernis für den Erfolg bei der „Willensbildung des Volkes“ im liberalen Geiste sein. Für die FDP ist solcher Streit im politischen Bereich überflüssig wie ein Kropf, wenn im notwendigen Streit der Meinungen von Liberalen verwischt wird, wo sie eine andere Position als die FDP vertreten. Denn die Wähler können beim Auftritt von Liberalen in Wort und Schrift nicht ohne weiteres unter-scheiden, was Programm der FDP ist und was Kritik von Liberalen am Programm der FDP ist. Und zur Wahl steht die FDP mit ihrem Programm. Besonders in Fragen der Wettbe-werbsordnung und der Sozialordnung ist es wichtig zu ver-mitteln, wo die FDP tatsächlich steht.

Die FDP steht für eine aktive staatliche Gestaltung der Wettbewerbsordnung und Sozialordnung. Auch diese Posi-tionen müssen sich der offenen Kritik durch Liberale stellen. Solche Kritik ist aber fruchtbar nur dann, wenn z.B. der Streit um Steuerprogression, Negativsteuer-Konzepte oder aktive Wettbewerbspolitik offen und am konkreten Beispiel ausgetragen wird. Wenn der Streit dagegen versteckt und in apodiktischen Schlagwörtern statt an konkreten Sachfra-

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gen ausgetragen wird, können liberale Positionen, die jegli-che staatliche Wettbewerbspolitik und Sozialpolitik ableh-nen, sogar Gegenbewegungen wie z.B. auf dem Weg zu den Freiburger Thesen begünstigen. Wenn heute z.B. Rü-stows Forderungen nach „verbesserter Chancengleichheit und Startgerechtigkeit“ als „illiberale Forderungen“ und „unvereinbar mit liberalen Grundsätzen“ bewertet werden, dann geht die für jeden fruchtbaren Streit notwendige Trenn-schärfe bei liberalen Meinungen und Programm der FDP verloren. Denn die FDP fordert ebenfalls größere Chancen-gerechtigkeit in Übereinstimmung mit liberalen Grundsät-zen. Mit offenem Visier wird der Streit also ausgetragen, wenn Liberale die FDP dafür kritisieren, dass sie in ihrem Pro-gramm für größere Chancengerechtigkeit eintritt. Damit kann sich die FDP ebenso offen auseinandersetzen.

Solche Gegensätze auf der Ebene liberaler Ideen waren aller-dings nach Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“ nicht zu erwarten. Denn Hayek äußert sich dort sogar überzeugt, der Wettbewerb sei „mit einem ausgedehnten System der Sozialfürsorge vereinbar“. Und noch in seinem Vorwort zur zweiten deutsche Auflage warnte von Hayek, „das Ziel sozi-aler Gerechtigkeit“ könne durch „jene neueren Formen des Sozialismus“ gefährdet werden. Ähnlich betont von Hayek zeitgleich in seiner „Verfassung der Freiheit“, dass es auf

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die „Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit“ ankomme, wie dieses Anliegen zu bewerten sei.40

Dass von Hayek später dennoch – verächtlich klingend, aber nicht verächtlich gemeint – vom „Wieselwort ‚soziale Gerechtigkeit’“ sprechen würde, ist nicht so sehr sein Pro-blem.41 Aber zu viele Liberale haben darin versagt, das libe-rale Anliegen bzw. die liberale „Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit“ gegen falsche sozialistische Inhalte zu ver-teidigen. Im Gegenteil haben manche Liberale mit ihrer Ver-breitung vom „Wieselwort soziale Gerechtigkeit“ erst den abfälligen Ton bei „sozialer Gerechtigkeit“ eingeführt – ob-wohl viele Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“ und „Die Verfassung der Freiheit“ kannten. Weitgehend unbekannt – oder verdrängt? – war dagegen die erste Seite der

40 Vgl. F.A. von Hayek, Der Weg zur Knechtschaft, a.a.O., S. 60 und im Vorwort S. 16; ders., Die Verfassung der Freiheit (1971), 2. Aufl., Tübingen 1983, S. 149.41 Auf der Berliner Tagung der Mont-Pèlerin-Gesellschaft 1982 wurde von Hayek natürlich von jungen Kollegen auf seine spätere Charakterisierung von „sozial“ als „Wieselwort“ angesprochen: Im Eigennahmen „Soziale Marktwirtschaft“, zu dem auch Ludwig Erhard ausnahmslos gestanden habe, gehe es doch nur um eine gelungene „Verkaufsaktion“ des von ihm so geschätzten Alfred Müller-Armack für die Marktwirtschaft. Dieser Name solle es den Sozialisten nicht so leicht machen, die Marktwirtschaft als unsozial zu denunzieren. Es werde „sozial“ häufig auch gar nicht als Eigen-schaften beschreibendes Wort verwendet, sondern als Abkürzung wie z.B. in „soziale Ungerechtigkeit“, wo doch offenbar die Ungerechtigkeit nicht „sozial“ sei, sondern wo es um „Ungerechtigkeit im sozialen Bereich“ (o.ä.) gehe. Nicht anders sei es bei „sozialer Gerechtigkeit“: ein allgemein positiv belegter Begriff „Gerechtigkeit“, hier angewandt auf den sozialen Bereich.

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„Grundsätze der Wirtschaftspolitik“. Hier hatte Walter Eu-cken als Hayeks Nachfolge-Wunschkandidat und als füh-render Kopf der deutschen „Neoliberalen“ bzw. „Ordolibe-ralen“ unmissverständlich „das ordnungspolitische Problem“ formuliert: „Soziale Sicherheit und soziale Ge-rechtigkeit sind die großen Anliegen der Zeit.“42

Das Bekenntnis zu diesen Grundsätzen prägte und prägt auch heute das Programm der FDP43, und gegen so man-chen Schein wird die volle Übereinstimmung zwischen Eu-cken und von Hayek konkret auch darin deutlich, dass von Hayek Walter Eucken als seinen Nachfolger im Vorsitz der Mont-Pèlerin-Gesellschaft und als „inspirierenden Leiter“ der Ordoliberalen wünschte. Eucken starb allerdings schon 1950, und auch von Hayeks Hoffnung nach Euckens Tod ging nicht auf, „daß wenigstens Röpke die Lücke füllen kann.“44. Wilhelm Röpke wirkte immerhin sehr stark auf die FDP, nicht zuletzt auf den jungen Karl-Hermann Flach; die Übereinstimmung zwischen Röpke und Theodor Heuss in Fragen der Wirtschaftsordnung, im Menschenbild und der Verbindung von Freiheit und Eigenverantwortung war ohne-hin eine Selbstverständlichkeit.45

42 Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 1.43 Vgl. z.B. die Beschlüsse der Bundesparteitage der FDP vom Wahljahr 2005 bis zum Wahljahr 2009 im Internet: >www.fdp.de<, Bundeparteitage.44 F.A. von Hayek, Brief an Ludwig Erhard vom 30. Juni 1950, zitiert in Hans Jörg Hennecke, a.a.O., S. 269.45 Das unterstreicht neben den sozialpolitischen Reden und der Rede zur Heppenheimer Proklamation 1948 auch der vom damaligen „Kultminister

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3. Teilhabe aller an einer globalen Friedensord-nung

Sechs liberale Außenminister gab es in der Geschichte Deutschlands, drei nach dem Ersten Weltkrieg und drei nach dem letzten Weltkrieg. Die liberale Handschrift hat dem Volk und dem Staat gut getan. Besonders deutlich wird dies bei der Integration in die Völkergemeinschaft.(Walter Scheel in: „Die Kraft der Freiheit“ (2008))

Auch der enge Zusammenhang zwischen der Wirtschafts-ordnung eines Staates und seiner Fähigkeit, für das fried-liche Zusammenleben der Völker mitzuwirken, weist in den wirtschaftspolitischen Programmen der FDP dem Staat eine aktive Gestaltungsaufgabe bei der Arbeitsteilung zwischen Bürger und Staat zu:

Theodor Heuss“ und von Ministerpräsident Reinhold Maier ausdrücklich unterschriebene „Wahlaufruf der Demokratischen Volkspartei Württem-berg-Baden“ vom 14. Juni 1946 zu „Die neue Sozialordnung“ und „Die neue Wirtschaftsordnung“. Vgl. Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 74f. Auch Wilhelm Röpkes vernichtende Kritik am intellektuellen Hintergrund des „Tat-Kreises“ an die Adresse des wirtschaftspolitischen „Tat“-Publi-zisten Ferdinand Fried in der Frankfurter Zeitung vom 5., 11. und 13. Sep-tember 1931 kann Heuss nicht entgangen sein, weil damals Röpkes Pseud-onym „Ulrich Unfried“ für den Politiker und Journalisten Heuss so leicht durchschaubar sein musste wie der unmittelbare Adressat Ferdinand Fried. Vgl. Wilhelm Röpke („Ulrich Unfried“), Die Intellektuellen und der ‚Kapitalis-mus’, abgedruckt in: Wilhelm Röpke, Gegen die Brandung, hrsg. von Albert Hunold, Erlenbach-Zürich und Stuttgart 1959, S. 87ff. mit den zeitgeschicht-lichen Erläuterungen auf S. 87.

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- Der Verfassungsauftrag an die Parteien zur Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes wird im Programm der FDP Bayern 1946 bereits vorweggenommen und auf die Vertei-digung der neuen Demokratie angewandt: „Die Staatsge-walt im neuen Deutschland muß vom Volke ausgehen. Auf-gabe der Parteien ist es, darüber zu wachen, dass der Volkswille nicht verfälscht und in den Dienst neuer poli-tischer, wirtschaftlicher und kultureller Diktaturgelüste ge-zwungen wird.“46 Es wäre ein grobes Missverständnis, in der Programm-Formulierung der Aufgabe, „darüber zu wa-chen“, ein nur „negatives“ Tun zu verstehen. Das schließt nicht nur die aktive Formulierung von Artikel 21 GG, „Die Parteien wirken [...] mit“, aus: Vor allem hat sich die FDP eine aktive, „positive“ Rolle in allen Programmen seit 1946 bei der „Erziehung“ und „Bildung“ zum Bürger selbst ge-geben.

- Entsprechend steht in den Programmen der FDP bei der aktiven Rolle des Staates für soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit die Eigenverantwortung der Bürger an erster Stelle, gepaart aber mit der Staatsaufgabe, die Rahmen-ordnung der Marktwirtschaft so zu gestalten, dass Freiheit und Verantwortung, Eigenverantwortung und Solidarität, aller Bürger gelebt werden können. Klar wie im Wirt-schaftspolitischen Programm der Britischen Zone von 1948 fasst knapper die Heppenheimer Proklamation zu-sammen: „Wir bekennen uns zu dem traditionellen Ziel der

46 Vgl. Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 74.

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deutschen Sozialpolitik, dem wirtschaftlich Schwachen im Daseinskampf zu helfen“47. Klar, aber auch drastisch und höchst aktuell formulierte die FDP Hamburg 1946 in ihren Programmatischen Leitsätzen: „Zur Verteidigung der Wirt-schaftsfreiheit und des Völkerfriedens ist gegen das Herr-schaftsstreben finanzkapitalistischer oder privatmonopoli-stischer Besitzgruppen das Hoheitsrecht des Staates einzusetzen.“48

Am Zusammenhang zwischen „Völkerfrieden“ und aktiver Gestaltung der Wirtschaftsordnung lässt sich einfach erhel-len, warum alle wirtschaftspolitischen Programme der FDP gut daran getan haben, auf brotlosen Streit über die Fragen zu verzichten:

- Ist die Herstellung „negativer Freiheit“ – also nur der Ab-bau aller Hemmnisse für die Freiheit aller Bürger – nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend, oder muss als not-wendige Voraussetzung die aktive staatliche Gestaltung des Ordnungsrahmens für „positive Freiheit“ hinzutreten?

47 Ebenda, S. 87. Zur Konkretisierung im Wirtschaftspolitischen Programm der Britischen Zone: „Nur eine Wirtschaft hoher Leistung bei sparsamer Aufwendung kann unserem verarmten Volk wieder zum Aufstieg verhelfen. Dies wird allein durch die Selbstverantwortlichkeit aller in der Wirtschaft Tätigen erreicht; die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen findet ihre Gren-zen in der zur Verwirklichung dieser Forderungen notwendigen Ordnung. Dazu gehören, für die Arbeitnehmer: Freiheit des Schaffens in gesicherter Existenz.“ Ebenda, S. 81.48 Ebenda, S. 77f.

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- Wann und wie weit ist über die Gestaltung des Ordnungs-rahmens für soziale Sicherheit hinaus auch spezielle Sozi-alpolitik notwendig?

In Immanuel Kants „Vom ewigen Frieden“, auf den sich so viele mit mehr oder minder Berechtigung berufen, wird die anthropologische Grundlage seiner „Definitivartikel zum ewigen Frieden“ zum Aufruf für aktive Gestaltung der Ord-nung: „Der Friedenszustand unter Menschen, die nebenei-nander leben, ist kein Naturzustand. [...] Er muß also gestif-tet werden“.49 Wilhelm von Humboldt warnte wie kaum ein anderer schon im 19. Jahrhundert davor, „eine zu ausge-dehnte Sorgfalt des Staates“, die „positive Sorgfalt“, ge-fährde Eigenverantwortung und Freiheit der Bürger.

Humboldt betonte dennoch die „positive“ Staatsaufgabe für die Erhaltung des inneren und äußeren Friedens und der Freiheit:

„Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Früchte derselben zu genie-ßen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit. [...] Ich glau-be daher hier den ersten positiven – aber in der Folge noch genauer zu bestimmenden und einzuschränken-den – Grundsatz aufstellen zu können: daß die Erhaltung der Sicherheit sowohl gegen auswärtige Feinde als in-

49 Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, in: Karl Vorländer (Hrsg.), Imma-nuel Kant, Kleinere Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik, 2. Auflage, Leipzig 1922, S. 125.

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nerliche Zwistigkeiten den Zweck des Staates ausma-chen und seine Wirksamkeit beschäftigen muß; da ich bisher nur negativ zu bestimmen versuchte, daß er die Grenzen seiner Sorgfalt wenigstens nicht weiter aus-dehnen dürfe.“50

Für so manchen Dissens bei der Kommunikation des Pro-gramms der FDP – auch über die Frage des inneren und äußeren Friedens hinaus – steht diese Frage: Hat Humboldt mit diesem Ja zugunsten „positiver“ staatlicher Gestaltung der Ordnung bei den „innerlichen Zwistigkeiten“ soziale Zwistigkeiten bzw. Fragen des inneren „sozialen Friedens“ ausgeschlossen? Hier könnte unter Liberalen tatsächlich ein legitimer Grund für unterschiedliche Bewertungen liegen, zumal Humboldt selbst im Schlussteil seiner zuvor höchst idealisierenden Vorstellungen in der „Anwendung der Theo-rie auf die Wirklichkeit“ keine Antwort für heute gibt: Die Nützlichkeit positiver Sorgfalt des Staates bezweifelt Hum-boldt weiterhin und setzt auf „das Prinzip der Notwendigkeit“, die eben „positive“ Gestaltung des Staates auch bei „inneren Zwistigkeiten“ notwendig mache.

Damit führt Humboldt aber nur zurück zu der Frage auch an die Liberalen, welche „inneren Zwistigkeiten“ heute für Deutschland und Europa von realer Bedeutung sind und da-

50 Wilhelm von Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirk-samkeit des Staates zu bestimmen (1792), Stuttgart 1967, S. 30f., 33ff., 58f. und 203ff.

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mit „notwendig“ zu staatlicher Gestaltung der Ordnung füh-ren. Können heute nur Bürgerkriege wie zuletzt in Europa auf dem Balkan – oder partiell in Irland oder Spanien – zu den „inneren Zwistigkeiten“ gerechnet werden? Für die neolibe-ralen Väter der deutschen Marktwirtschaft war die Antwort klar: Spätestens seit den Erfahrungen des 19. Jahrhunderts gehört zu den „inneren Zwistigkeiten“ auch die soziale Frage und damit die notwendige Staatsaufgabe, ordnungspolitische Rahmenbedingungen für sozialen Frieden im Inneren zu set-zen, also für Eigenverantwortung und subsidiäre Solidarität.

In den wirtschaftspolitischen Programmen der FDP und ih-ren Vorläufern in den Ländern seit 1946 ist das Ja zu einer aktiv gestaltenden Ordnung der Rahmenbedingungen für sozialen Frieden im Inneren auch dadurch gefestigt, dass in klassischer Tradition der enge Zusammenhang zwischen in-nerer Ordnung, Außenpolitik und Außenwirtschaftspolitik beachtet wird. So verbürgen sich 1946 ausdrücklich mit ih-rem Namen „Kultminister Theodor Heuss“ und Ministerprä-sident Reinhold Maier auch dafür:

„Die neue deutsche Demokratie soll die Einheit Deutsch-lands als teures Erbe der Väter und als Unterpfand für das Glück unserer Kinder bewahren und Ehre und Freiheit un-seres Volkes wiederherstellen. Das kann sie nur, wenn das deutsche Volk sich entschieden abkehrt von der verderb-lichen Außenpolitik der Gestrigen, die Gewalt vor Recht setzte und den Raub fremden Gebietes als Kriegsziel pro-

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klamierte.“ 51 Für die Außenwirtschaftspolitik ergänzen die „Programmatischen Leitsätze der FDP Hamburg“ 1946: „Endziel ist die Wiedergeburt einer im Wettbewerb der Leistungen freien Weltwirtschaft.“52

Im Wahlaufruf von Theodor Heuss gegen das Gewalt- und Raubprinzip wird also die friedensfördernde Kraft der Frei-heit klarer als im berühmten Satz von Immanuel Kant: „Es ist der Handelsgeist, der mit dem Kriege nicht zusammen be-stehen kann, und der früher oder später sich jedes Volkes bemächtigt.“53 Kant hatte insofern recht, als tatsächlich der gute Kaufmann die besten Geschäfte dauerhaft im Frieden macht. Es gibt aber nicht nur gute Kaufleute. Der schlechte Kaufmann versucht, den Marktpreis beim Einkauf zu vermei-den. Dafür hatte der schlechte Kaufmann neben dem stets möglichen Betrug früher auch die Wahl zwischen Seeräuber oder Landräuber, wenn ihm nicht gerade ein Krieg vorüber-gehend die staatliche Lizenz zu Raub und Mord einbrachte. Solche staatlichen Lizenzen auf Kosten der Steuerzahler gab es für gute wie für schlechte Kaufleute auch auf Dauer,

51 Wahlaufruf der Demokratischen Volkspartei Württemberg-Baden 1946, abgedruckt in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 73. Die „Programmati-sche Richtlinie der FDP der Britischen Zone“ von 1946 betont deutlicher als damals die anderen FDP-Programme die föderale Ordnung als eine der Ordnungsbedingungen, die bei Immanuel Kant zum Frieden beitragen: „Die Ausführbarkeit [...] dieser Idee der Föderalität, die sich allmählich über alle Staaten erstrecken soll und so zum ewigen Frieden hinführt, läßt sich dar-stellen.“ Vgl. a.a.O., S. 133.52 Ebenda, S. 79.53 Ebenda, S. 148.

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z.B. durch die englische Ostindische Handelskompanie und die Niederländische Ostindische Handelskompanie. Anson-sten ist selbst mit Kants Verweis auf den „wechselseitigen Eigennutz“ die nur aus dem „Handelsgeist“ abgeleitete Hoff-nung angreifbar, Freihandel führe zu Frieden.

Der richtige Gedanke im wirtschaftspolitischen Programm der FDP hinter dem Beitrag offener Weltmärkte für den Frie-den ist umfassender und schon bei Adam Smith zu finden: Die Marktwirtschaft, früher oft als „Tauschwirtschaft“ be-zeichnet, löst systematisch die Raubwirtschaft ab, das Tauschprinzip löst das Gewaltprinzip ab. Es kann bei Frei-handel auch nicht mehr „Völker ohne Raum“ und „Habe-nichtse“ ohne Rohstoffe geben, so dass man fremde Regi-onen oder Staaten zu Kolonien machen oder seinem Imperium unterwerfen müsste. Gewalt, Kolonialismus und Imperialismus können überwunden werden, sobald „der Tausch“, die Bewegung von Gütern, Ideen und Menschen, frei ist.54 Unter notwendigen ordnungspolitischen Rahmen-

54 Adam Smith ist nicht nur beim Eigennutz präziser als Immanuel Kant: entgegen den massenhaften Fehldeutungen der „unsichtbaren Hand“ des Marktes, die schon alles zum Nutzen des Gemeinwesens regele, woran wir Liberale angeblich glauben. Genau genommen, ergibt sich eine Vorbe-dingung für die Ablösung des Gewaltprinzips alter Raubstaaten wie Rom durch das Tauschprinzip des Marktes schon aus der Theorie von Markt und Arbeitsteilung: Je größer der Markt, desto größer der Grad der möglichen Arbeitsteilung. Für wohlstandsfördernde Arbeitsteilung muss man also – in den Worten von Heuss – nicht „den Raub fremden Landes als Kriegsziel“ wählen, sondern konnte durch Tausch – ohne Gewalt und Krieg – über den bei Freihandel größeren Markt die wohlstandsfördernde Arbeitsteilung und

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bedingungen ist diese friedensfördernde Kraft der Markt-wirtschaft am Ende das Beste an der Marktwirtschaft.

4. Die Arbeitsteilung zwischen Bürger und Staat

Welche Krisen und Katastrophen dem modernen Staat noch bestimmt sind, läßt sich nicht absehen. Seine Stellung ist insbesondere noch dadurch gefähr-det, dass er die Grenzen seiner natürlichen Wirksamkeit bei weitem überschrit-ten hat. Er ist ein außerordentlich komplizierter, in alle Verhältnisse eingrei-fender, alles regulieren wollender und darum in jeder Hinsicht unzweckmäßig funktionierender Organismus geworden. Das wirtschaftliche Leben will er in derselben Weise beherrschen wie das geistige. Um sich in ausgedehnter Weise zu betätigen, arbeitet er mit einem Apparat, der an sich schon eine Gefahr bedeutet.(Albert Schweitzer: bereits „In den Jahren 1914 bis 1917 im Urwald Afrikas“)

In den ersten Programmen der FDP – und ihrer regionalen Vorläufer seit 1946 – steht eine neue Arbeitsteilung zwi-schen Bürger und Staat an erster Stelle.55 Das lag nicht nur

den Zugang zu allen Ressourcen sichern. Zur Überwindung des Gewalt-prinzips durch das Tauschprinzip und zur Verurteilung von Kolonialismus, Handelsmonopolen und Versklavung vgl. Adam Smith, Wealth of Nations, a.a.O., S. Bd. 1, Buch IV, Kap. I (für das Auffinden in den verschiedenen deutschsprachigen Ausgaben), S. 465 ff., speziell S. 470f.; Bd. 1, Buch I, Kap. VIII, S. 90 und Buch III, Kap. II, S. 412f. Zur „unsichtbaren Hand vgl. für eine eigene Bewertung ebenda, Buch IV, Kap. II, S. 477f. 55 Vgl. dazu alle Wahlprogramme und wirtschaftspolitischen Programme der FDP bis zum Aktionsprogramm „Ziele des Fortschritts“, beschlossen auf dem 18. Ord. Bundesparteitag vom 3. bis 5. April 1967 in Hannover, in

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nahe nach den historischen Erfahrungen mit nationalsozialis-tischer Planwirtschaft bei dominierendem Privateigentum und kommunistischer Planwirtschaft mit minimalem Privatei-gentum. Die zentrale Frage, welche hoheitlichen Kernaufga-ben des Staates für die Bürger unverzichtbar oder zumin-dest für alle Bürger wünschenswert sind, beschäftigte spätestens seit der Aufklärung alle liberalen Denker. Dazu gehörte auch die Frage, welche Aufgaben zwingend in der Planung, Entscheidung, aber auch Verantwortung der Bür-ger bleiben müssen.

Daher war für Europas geistige Elite in der Atmosphäre der Befreiung von politischer und wirtschaftlicher Bevormun-dung im 18. Jahrhundert selbstverständlich: Größtmöglicher Spielraum für Freiheit und Verantwortung der Bürger müsse die Regel jeder Verfassung der Freiheit sein. Es stellte sich nur die Frage, wo ausnahmsweise, weil zwingend geboten, der Staat Aufgaben im Interesse aller Bürger wahrnehmen müsse. Unumstritten war stets die Staatsaufgabe, Recht zu setzen: nicht etwa nur zum Schutze privaten Eigentums, sondern vorrangig zum Schutze der Freiheit aller. Das be-deutete zwangsläufig bereits rechtliche Einschränkung von Freiheit, wo sie auf Kosten der Freiheit anderer Bürger ge-hen würde. Sicherheit im Inneren und Schutz gegenüber Feinden war als Staatsaufgabe für Liberale so selbstver-ständlich, dass der Sozialist Lassalle darauf seinen Spott vom „Nachtwächterstaat“ bezog.

Peter Juling, Dokumente, a.a.O.

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Auch Sozialisten hatten nichts gegen einen Staat als guten Nachtwächter, forderten aber plakativ, dass der Staat mehr Aufgaben übernehmen müsse, vor allem zugunsten der im-mer bedeutsamer werdenden Arbeiterschaft. Theodor Heuss hat allerdings in seiner Rede zur Heppenheimer Pro-klamation daran erinnert, dass die „Liberalen“ früher an der sozialen Front gewesen seien als „die Sozialisten“ und „die Christlichen“ und hatte dabei auch nicht an harter Kritik am „Manchestertum“ gespart.

Diese Kritik am „Manchestertum“ ist zugleich ein weiterer Punkt, an dem eine wichtige Spaltung von Liberalen ihren Ursprung hat, die negativ auf die Kommunikation des wirt-schaftspolitischen Programms der FDP zurückwirkt: Un-schädlich war dabei noch der Dissens der liberalen Vorden-ker Wilhelm Röpke und F. A. von Hayek bei der Bewertung der sozialen Lage im19. Jahrhundert – angesichts ihrer Ge-meinsamkeit in unüberbietbarer Kritik am bevormundenden und jede gelebte Solidarität abtötenden Wohlfahrtsstaat. Dass aber Wilhelm Röpke – wie Theodor Heuss – an der umfassenden Proletarisierung im 19. Jahrhundert nichts be-schönigte, sondern darin eine der Ursachen für kollektivi-stische, wohlfahrtsstaatliche Reaktionen sah, passte nicht in Hayeks sehr idealisierende Vorstellung und Darstellungen des „Kapitalismus“ im 19. Jahrhundert. Auch heute erinnern manche Reaktionen auf die Finanzkrise an Schönfärberei und an das Ausblenden von offenbaren Mängeln der Ord-nungen nationaler Finanzmärkte.

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Wie immer sind das Problem für die Kommunikation des wirt-schaftspolitischen Programms der FDP nicht so sehr das Problem die Nuancen bei den historischen Akzenten der beiden Meister Hayek und Röpke zur sozialen Lage und zur Ordnung des Währungs- und Finanzsystems.56 Das Problem sind die in Schlagworten vereinfachenden Apologeten bei-der Seiten. Schädlich für die Kommunikation des Ja der Li-beralen zur Staatsaufgabe, die Sozialordnung aktiv zu ge-stalten, wurde aber schon damals das Diktat medialer Volksverdummung bei der Verbreitung von Kampfbegriffen und des Inhalts, den sie dabei den Kampfbegriffen unter-legten.

Was heute als Volksverdummung beim Einsatz des Kampf-begriffs „Neoliberalismus“ versucht wird, gelang ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der historisch völlig ungerechtfertigten Bewertung der Manchester-Bewegung so vollkommen, dass sich selbst ein Theodor Heuss und ein Wilhelm Röpke diesem Diktat beugen mussten.57 Aus dieser

56 Zu Grundfragen der Währungsordnung zwischen „Wettbewerb der Währungen“ und metrischem Geldmonopol unabhängiger und auf stabilen Geldwert verpflichteter Notenbanken veranstaltete das Liberale Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit am .23.04.2009 in Potsdam ein Internationales Kolloquium: “Free Currency – The Future of Money“.57 Das tat Theodor Heuss in seiner Heppenheimer Rede. Wilhelm Röpke musste sich hier gegen das üblich gewordene Verständnis von „Manche-sterliberalismus“ abgrenzen, um Schaden an Ludwig Erhards Wirtschafts-politik zu verhindern, die er im Gutachten „Ist die deutsche Wirtschafts-politik richtig?“ für Konrad Adenauer 1950 gegen dessen starke Skepsis

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Erfahrung haben sich, Otto Graf Lambsdorff voran, Liberale heute mit einigem Erfolg dafür eingesetzt und dazu bekannt, dass gerade im Bereich von Freiheit und sozialer Verantwor-tung die Bezeichnung „Neoliberaler“ ein Ehrenname ist – wenn man als Liberaler auch lieber auf Bindestriche oder Vorsilben bei „Liberaler“ verzichtet hätte.

Den Verzicht auf Vorsilben oder Bindestriche hätte auch Ludwig Erhard in seinem Bekenntnis zum „Neo-Liberalis-mus“ vorgezogen – am liebsten auch ohne „Ismus“. Den-noch fiel Ludwig Erhard und fällt auch heute das Bekenntnis zum „Neoliberalismus“ als Ehrennamen leicht. Denn im Ge-gensatz zu dem Gemisch aus sozialem Engagement der Manchester-Bewegung und den hässlichen Bildern nachfeu-daler industrieller Frühzeit, die mit Charles Dickens und „Manchestertum“58 verbunden werden, war und ist der deut-sche „Neoliberalismus“ ein eindeutig ethisches Konzept: im Programm und in der konkreten Wirtschaftspolitik des „Wohl-stand für alle“.

Ein Ausgangspunkt für manch diffuse Darstellung der Posi-tion der FDP zu den Staatsaufgaben im sozialen Bereich

verteidigte. 58 In der Welt der politischen Kampfbegriffe reichte „Manchestertum“ na-türlich nicht, weil es nicht zielsicher genug war. So lag als Kampfbegriff der Sozialisten in allen Parteien „Manchesterliberalismus“ nahe, gleichgül-tig, welche Parteigänger sich in der in Manchester gegründeten Bewegung sozial engagierten – wie nach Cobden in dieser Tradition auch der Sozialist Philipp Snowden.

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liegt in diesem Dissens zwischen Heuss und Röpke auf der einen Seite, von Hayek und vor allem von Mises auf der an-deren Seite. Dieser Dissens ist nicht nur für die Bewertung des sozialen Gehalts wirtschaftspolitische Programme der FDP lehrreich. Verteidiger der Freiheit und der Marktwirt-schaft können heute daraus vor allem beispielhaft lernen: Auch in der aktuellen Diskussion um die Verantwortung für die globale Finanzkrise ist Beschönigung der Tatsachen ein so schlechter Dienst für die Marktwirtschaft wie der man-gelnde Mut, auch unpopuläre Aufklärung zum sozialen Ge-halt der Marktwirtschaft zu wagen, wenn ausnahmsweise die Tatsachen der Weltwirtschaftskrise so beunruhigend sind wie in der Krise die Meinungen über die Tatsachen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die fälschlicher-weise im üblichen Abkürzungsdruck auch mit „Manchester-tum“ charakterisiert wird, waren die sozialen Tatsachen je-denfalls viel beunruhigender als Hayeks Meinung über diese Tatsachen. Denn trotz aller großen – und immer wieder zu Unrecht geleugneten – sozialen Fortschritte durch die Man-chester-Bewegung mit ihrem Einsatz für soziale Rechte der Arbeitnehmer und höhere Reallöhne durch Freihandel, spe-ziell durch Abschaffung der Kornzölle59, gab es an den sozi-

59 Detmar Doering hat den wahren Gehalt der sozialen Bewegung, die als „Manchester-Liberalismus“ diffamiert wird, mit präzisen historischen Fak-ten belegt. Selbstverständlich hat das vorbildliche soziale Engagement der Manchester-Bewegung – gemeinsam mit der organisierten Arbeitnehmer-schaft! – nicht ausschließen können, dass es die von Röpke schonungs-los kritisierten Proletarisierungserscheinungen im „Kapitalismus“ des 19.

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alen Zuständen in der Industrie des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit nichts zu beschönigen. Wie David Hume zuvor in seiner „History of England“, so hatte Adam Smith im „Wohlstand der Nationen“ an der „Lage der arbei-tenden Klasse“ schon zu Beginn der Industrialisierung nichts beschönigt, sondern zur Abwehr den damals verbotenen Zusammenschluss der Arbeiter gefordert, für den später der Liberale Schulze-Delitzsch so viel geleistet hat.

Entsprechend kritisierte Wilhelm Röpkes in einem Brief an Hayek:

„Wir mögen zwar ausrechnen, daß die Proletarier von damals mehr Fleisch und Brot genossen haben, als wir geglaubt hatten und daß im Materiellen alles halb so schlimm gewesen sei (obwohl die Hälfte mei-ner Meinung nach immer noch schlimm genug gewe-sen wäre). Indessen war es das Entscheidende, dass es Proletarier im weitesten und unerfreulichsten Sinne des Wortes gewesen sind und dass sie da-mals zum ersten Male als Massen auf der Bühne der Geschichte erscheinen [...] Vieles und nicht das Un-wichtigste von dem, was wir heute als Teil unserer

Jahrhunderts gab. Damit wollten die tatsächlichen Manchesterliberalen ja aufräumen. Vgl. Detmar Doering, Vom Manchestertum lernen heißt, .... den Freihandel zur progressiven Agenda zu erheben!, in: Der Freiheit ver-pflichtet, Band 2, a.a.O., S.270ff; ders., Mythos Manchestertum, Position Liberal des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei-heit, Potsdam 2004, kostenlos als Restexemplare zu bestellen über >www.freiheit.org<.

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Kulturkrise erkennen, hat ja damals begonnen [...].Spricht man davon nicht, so bleibt der wichtigste Teil der Auseinandersetzung unbeleuchtet.“60

In der Kontroverse zwischen Röpke und von Hayek zu den sozialen Zuständen im „Kapitalismus“ des 19. Jahrhunderts war die schonungslose Kritik von Röpke nicht nur taktisch geboten. Vor allem wäre schon in der Weltwirtschaftskrise nach 1929 der gemeinsame unverstellte Blick auf die sozialen Tatsachen die Grundlage dafür gewesen, Roosevelts wohl-fahrtsstaatlichem „New Deal“ eine überlegene liberale Al-ternative entgegenzusetzen.

So aber wurde der von Hayek wie von Röpke gemeinsam als falsche Weichenstellung in Richtung Wohlfahrtsstaat verurteilte „New Deal“ Roosevelts zu Lasten der Freiheit derart erfolgreich, dass im Februar 2009 der britische Pre-mier Brown in unheiliger Einfalt einen neuen „New Deal“ fordern durfte – diesmal sogar zur Rettung der Weltwirt-schaft und für eine gemeinsame Position der Europäischen Union auf dem internationalen Finanzgipfel ab 2. April 2009: Brown konnte dies, ohne Proteste auszulösen. Daher ist es nur folgerichtig, dass erst recht nach Barack Obamas Ver-neigung vor der New-Deal-Tradition seiner Demokraten die

60 Wilhelm Röpke, Jenseits von Angebot und Nachfrage, a.a.O., S. 332. Vgl. dazu auch S. 160ff und 262ff.

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Grünen einen „Grünen New Deal“ als Werbung für ihr Wahl-programm 2009 beschlossen haben.61

Das bedeutet aktuell für das wirtschaftspolitische Pro-gramm der FDP: Jenseits aller Fragen der vermutlichen Ef-fektivität der Stabilisierungspakete zur Eindämmung der heutigen Weltwirtschaftskrise steht die Frage: Was kann eine Weltwirtschaftsordnung leisten, wenn die Bürger gera-de eine Kulturkrise erleben oder erleiden, die im Finanzsek-tor nur besonders deutlich an die Oberfläche gekommen ist?

Wer – wie Otto Graf Lambsdorff – die Lehren von Röpkes „Jenseits von Angebot und Nachfrage“ verinnerlicht hat, der hat auf der einen Seite die Gier und die Inkompetenz von eingebildeten Finanzjongleuren und Landesbank-Zauber-lehrlingen nicht übersehen, auf der anderen Seite auch nicht die dümmlich undifferenzierten Populismen der Hatz auf „Heuschrecken“.62

61 www.gruene.de , „Kapitel 1 Anders Wirtschaften – Ein Grüner New Deal für neue Arbeit und Innovation“. 62 Vgl. Otto Graf Lambsdorff schon lange vor Ausbruch der Finanzkrise: “Eitelkeit und Raffgier“, Kolumne in: Die Welt vom 8. August 2005. Noch früher sieht Lambsdorff hinter der Finanzkrise eine viel umfassendere Kri-se des „Versorgungsstaates“: Überall wurde über die Verhältnisse gelebt. Das hörte man ähnlich in Barack Obamas Rede vor dem Kongress vom 24. Februar 2009. Lambsdorff fasst schon zu Dreikönige 2003 im Inter-view mit Hans D. Barbier zusammen: „Das System steuert in seine akute Gefährdung hinein“. Vgl. das Interview in der FAZ vom 6. Januar 2003. Ebenfalls im Geiste von Röpkes „Jenseits von Angebot und Nachfrage“

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Im wirtschaftspolitischen Programm der FDP hat die Staats-aufgabe „Gestaltung der Wettbewerbsordnung – national, in Europa und international“ – ein besonderes Gewicht als „genialstes Entmachtungsinstrument“ in Wirtschaft und Po-litik, wie es Franz Böhm formulierte.63 Dieses Bild vom Wett-bewerb als Entmachtungsinstrument ist heute selbst für Schüler von Ludwig von Mises, Böhms Kontrahenten in Fra-gen aktiver Wettbewerbspolitik, ein geflügeltes Wort ge-worden. Das zumindest lässt für mehr Gleichklang bei der Kommunikation des wirtschaftpolitischen Programms der FDP hoffen. Denn der Dissens zwischen Franz Böhm und allen anderen Neoliberalen auf der einen Seite und Ludwig

stellt sich Lambsdorff gegen Populismus, Hatz und Generalverdacht ge-gen Investoren: „Wir sollten uns hüten, eine ‚Achse böser Investoren’ unter Generalverdacht zu stellen.“, in: Wider den Protektionismus, FAZ vom 27. Oktober 2007. 63 Franz Böhm legt die Grundlagen für eine aktive Politik der Wettbe-werbsordnung bereits im ersten ORDO-Band in: „Das Reichsgericht und die Kartelle“ (1948), S. 197ff. Übereinstimmung mit Ludwig von Mises, die von Mises vielleicht übersah, bestand bei allen Neoliberalen wie hier bei Franz Böhm darin, dass erst der wettbewerbswidrige gesetzliche Rah-men – hier „das Reichsgericht“ – die Vermachtung der Märkte stabilisiert. Darüber, dass sich auch Unternehmer wettbewerbswidrig verhalten – auf Gütermärkten und auf dem Arbeitsmarkt – hat Adam Smith keinen Zweifel gelassen, sondern in extrem harten Worten solche „Verschwörung gegen das Publikum“ kritisiert: „People of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices.“ Adam Smith, Wohlstand der Nationen, a.a.O., 1. Buch, Kapitel 10, Teil 2 (Cannan Ed., S. 144; z.B. in der 8. Auflage der Recktenwald-Übersetzung S. 112).

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von Mises auf der anderen Seite hatte nur in der Frage staatlich gestaltender Wettbewerbspolitik inhaltliche Sub-stanz. Dieses Ja oder Nein zu aktiver Gestaltung der Wett-bewerbsordnung war und ist für das wirtschaftspolitische Programm der FDP eine entscheidende Frage, in der sich die Programmatik der FDP ausnahmslos mit der Position von Böhm, Röpke und Eucken deckt.64

Dagegen fehlt jede inhaltliche Substanz für einen Dissens beim wirtschaftspolitischen Programm der FDP. Ludwig von Mises verdammt zwar einerseits pauschal alle aktiv gestal-tende Politik als „Interventionismus“ – ob ordnungspoli-tische Rahmensetzung für freien Wettbewerb auf offenen Märkten, ob „marktkonforme“ Interventionen oder ob tat-sächlich die Marktfunktionen gefährdende Interventionen. Dann aber fasst er die Übereinstimmung mit seinen neolibe-ralen Freunden so zusammen: „Interventionismus heißt, daß der Staat nicht nur darin versagt, den reibungslosen Ablauf der Markwirtschaft zu garantieren, sondern daß er darüber hinaus auch noch in die verschiedenen Marktvorgänge ein-greift. Er greift in die Bildung der Preise, Löhne, Zinsen und Gewinne ein.“65

Hier allerdings besteht weitgehende Übereinstimmung mit dem Programm der FDP: Staatliche Eingriffe – von Höchst-

64 Vgl. unten, Teil „Wettbewerb auf offenen Märkten“.65 Ludwig von Mises, Vom Wert der besseren Ideen, 3. Vorlesung: Inter-ventionismus, a.a.O., S. 51.

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preisen bei Inflation über administrierte und mit Protektion bewehrte Mindestpreise in der EWG-Agrarpolitik bis zu staatlichen Mindestlöhnen z.B. über das Entsendegesetz – werden auch von der FDP als „Interventionismus“ abge-lehnt: „Interventionismus“ als Gegenteil von Ordnungspoli-tik, die versucht, den Verbrauchern so viel Kontrolle wie möglich in der „Marktwirtschaft als Basisdemokratie“ (Wolfgang Stützel) zu sichern. In der wirtschaftspolitischen Praxis stößt das Programm der FDP auf Kompromisse in Koalitionen. Hans-Jürgen Beerfeltz, Bundesgeschäftsführer der FDP, gehörte zu den ersten, die die Zustimmung der FDP zum ersten Entsendegesetz als Bruch mit der ord-nungspolitischen Tradition zugunsten eines Koalitionskom-promisses mit Bundeskanzler Kohl kommentierten. Nicht immer folgte die Praxis liberaler Politik den Grundsätzen li-beraler Programmatik.66

66 Hans-Jürgen Beerfeltz, Bundesgeschäftsführer der FDP, im Kanzler-Bungalow bei Klaus Kinkels Einladung seiner Mitarbeiter des Thomas-Deh-ler-Hauses am Tage der Entscheidung zugunsten des ersten Entsendege-setzes.

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III. Marktwirtschaftliche Ordnungs- und Prozesspolitik

„Die Gesamtordnung sollte so sein, daß sie den Menschen das Leben nach ethischen Prinzipien ermöglicht.“(Walter Eucken (1949))

Soziale Marktwirtschaft basiert auf neoliberalen Vorstellungen, die ihrerseits auf den klassischen Liberalismus zurückgehen. (Otto Schlecht als Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, Soziale Marktwirtschaft ist kein beliebiger Begriff, in: Orientierungen der Ludwig-Erhard-Stiftung, Nr. 78, Dezember 1998, S. 35.)

„Es gibt nichts, was nicht sozial wichtig wäre. Es gibt keine wirtschaftspolitische Maßnahme, die nicht zugleich auch, sei es direkt oder indirekt, soziale Auswirkungen und soziale Be-deutung hätte. Wer soziale Interessen vertreten will, sollte daher sein Augenmerk auf die Gestaltung der Gesamtord-nung richten.“67

Diese Zusammenfassung von Walter Eucken gibt den Ord-nungsgedanken der neoliberalen Gründungsväter der Markt-wirtschaft in Deutschland wieder. In diesem Sinne steht die Gestaltung einer neuen Gesamtordnung im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Programme der FDP, vor allem in den

67 Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 313, zitiert auch von Kardinal Lehmann in seiner Ludwig-Erhard-Lecture vom 13. Juni 2002 in Berlin, Notwendiger Wandel der Sozialen Marktwirtschaft, Initiative Soziale Marktwirtschaft, Köln 2002, S. 25f.

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ersten Gründungsjahren. Der große Erfolg der marktwirt-schaftlichen Ordnung in der Amtszeit von Bundeswirt-schaftsminister Erhard erleichterte FDP-Programmen Erfolg durch Wiederholung des Bekenntnisses zur marktwirt-schaftlichen Ordnung und ihres freiheitlichen und sozialen Gehalts, ergänzt durch die europäische Dimension 1966:

„Die Freie Demokratische Partei bekennt sich vorbe-haltlos zur Marktwirtschaft. Nur die Marktwirtschaft schafft auf die Dauer die Voraussetzungen für eine so-zial gesunde freiheitliche Ordnung der Gesellschaft. Um die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft zu er-halten, fordert die FDP, daß 1. die in der Bundesrepu-blik Deutschland bewährte Marktwirtschaft auch in der EWG zur Grundlage der Wirtschaftspolitik wird; [...]“68

In der Weltwirtschaftskrise 2009 sprechen nicht nur die her-vorragenden Umfrage-Ergebnisse der FDP für eine noch im-mer ausreichende Festigung des Vertrauens vieler Bürger in die Marktwirtschaft. Dafür spricht auch die Ruhe der Bürger angesichts der Hektik, die von der regierungsamtlichen „Konjunkturpolitik“ verbreitet wird. Noch ist das Vertrauen vieler Bürger nicht gebrochen, dass sogar in einer politisch geschwächten Marktwirtschaft der größte realwirtschaft-liche und finanzielle Schock überwunden wird, den es nach

68 Nürnberger Entschließungen 1966, beschlossen auf dem 17. Bundes-parteitag der FDP vom 6. und 7. Juni 1966 in Nürnberg, 1. Satz, abgedruckt in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 177, >www.fdp.de<.

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1929 oder zumindest nach 1945 gegeben hat. Dennoch überbieten sich alle Parteien außer der FDP in ihren Behaup-tungen von „Marktversagen“ derart, dass hochoffizielle Be-kenntnisse von Parteioberen zur Sozialen Marktwirtschaft hohl und nach beliebigem Inhalt klingen: bis hin zum offizi-ellen Neuverständnis des Finanzministeriums im Gesetzes-text als „Enteignungsbehörde“.

Es wird sich 2009 zeigen, ob der Langfrist-Erfolg von 60 Jahren Soziale Marktwirtschaft und der Wirtschaftspolitik der Liberalen von Ludwig Erhard über Karl Schiller bis zu Otto Graf Lambsdorff im Bewusstsein der Deutschen stark genug verankert ist. Wenn der Langfrist-Erfolg der Markt-wirtschaft zählt, dann prägt das Vertrauen von Zeitzeugen wie Thomas Dehler und Karl Schiller in marktwirtschaftliche Ordnungspolitik die „Willensbildung des Volkes“ und nicht die1948 für viele Intellektuelle typische Bewertung von Lud-wig Erhards Politik der Marktwirtschaft durch die Zeitzeugin Marion Gräfin Dönhoff: „Wenn Deutschland nicht schon eh ruiniert wäre, dieser Mann mit seinem absurden Plan, alle Bewirtschaftung aufzuheben, würde es gewiss fertig brin-gen. Gott schütze uns davor [...] Das wäre nach Hitler und der Zerstückelung Deutschlands die dritte Katastrophe.“69

69 Zitiert von Gerhard Schwarz in seiner Besprechung von Gerd Haber-mann (Hrsg.), Vision und Tat. Ein Ludwig-Erhard-Brevier, Thun 2000, in: Neue Zürcher Zeitung vom 9. Juni 2000.

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1948 wusste man noch – und wer besser als Marion Gräfin Dönhoff – was „Katastrophen“ sind. Nach nicht einmal zehn Jahren Gewöhnung an den Erfolg von „Wohlstand für alle“ bis 1966 wurden Krisen weitaus geringeren Ausmaßes als 2009 bereits als Katastrophe mit letzten politischen Konse-quenzen betrachtet: Die erste Konjunkturkrise mit damals un-vorstellbar vielen Arbeitslosen - maximal 500000, aber nur in einem Monat, trug 1966 nach seinem phänomenalen Wahlsieg nicht nur zum Sturz von Bundeskanzler Erhard bei; danach kamen vor allem die „68er“.

Seitdem sank für rund zehn Jahre auch die Bedeutung der Ordnungspolitik zugunsten der makroökonomischen Steue-rung70 der Wirtschaftsprozesse und zugunsten nicht präven-tiver Sozialpolitik.71 Die Illusion von „Machbarkeit“ natio-

70 Zur Ortsbestimmung unserer Gegenwart gehört es daher auch, dass an der Universität zu Köln die ordnungspolitisch orientierten Lehrstühle für Wirtschaftspolitik – in der unmittelbaren Nachfolge von Gründungsvätern wie Eucken, Röpke und Müller-Armack – zugunsten makroökonomischer Forschungszentren umzuwandeln. Vgl. Christian Watrin und Hans Willgero-dt, Das Fach Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, Brief vom Febru-ar 2009; außerdem zur prinzipiellen Frage, die hinter den Schwerpunkten wissenschaftlicher Beratung der Politik steht, Hans Willgerodt, Von der Wertfreiheit zur Wertlosigkeit wissenschaftlicher Wirtschaftspolitik, Manu-skript vom Februar 2009.71 Zum Unterschied zwischen präventiver Sozialpolitik durch Ordnungs-politik und spezieller Sozialpolitik, Walter Eucken: „Durch die allgemeine Ordnungspolitik muß versucht werden, die Entstehung sozialer Fragen zu verhindern. Entstehen sie doch, so ist zuerst zu prüfen, ob es nicht um Sekundärwirkungen irgendwelcher auf ganz anderem Gebiete liegender Maßnahmen handelt. Daß auch bei der besten Ordnungspolitik soziale

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naler Wirtschaftspolitik ist seitdem Legende, von der noch im Februar 2009 Franz Müntefering berichtet: Helmut Schmidt habe auf seiner Geburtstagsfeier nicht nur wieder-holt „Ihr habt ja alle keine Ahnung“, sondern auch daran er-innert, dass damals nationale Wirtschaftspolitik noch mög-lich gewesen sei, nicht aber heute angesichts der „Globalisierung“.72

Von der ersten wirklichen Belastungsprobe an scheiterte al-lerdings die Prozesspolitik staatlicher „Globalsteuerung“ mit „Konzertierter Aktion“ bei der Bekämpfung der Arbeitslo-sigkeit mit immer kostspieligeren Konjunkturprogrammen. Seitdem galt nach Ludwig Erhards schlechtestem Monats-wert von 500.000 Arbeitslosen ganz neue Bescheidenheit: Bei zwei Millionen Arbeitslosen wurde eine Million Arbeits-lose als politischer Erfolg angestrebt, bei den darauf fol-genden drei Millionen Arbeitslosen waren zwei Millionen Ar-beitslose die „magische“ Zielsetzung usw. Geblieben sind von dieser Politik hohe Staatsschulden, weil man nicht Keynes oder einfach der Bibel mit den sieben fetten und sieben mageren Jahren Josephs in Ägypten folgte, sondern den Keynesianern: Hier wiederholt sich das übliche Problem

Hilfsmaßnahmen nötig sein werden, wird niemanden verwundern, der in menschlichen Ordnungszusammenhängen zu denken gewohnt ist“. Grund-sätze der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 313. 72 Vgl. die Aschermittwochsrede 2009 von Franz Müntefering, Phoenix vom 25. Februar 2009.

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mit den Apologeten also auch beim Unterschied zwischen Keynes und Keynesianern.73

Die wundersame Mär von Schiller und Strauss als Konjunk-turwogen glättende „Plisch und Plum“ hält den Tatsachen nicht stand. Denn für Schiller und Strauß war damals in Deutschland nicht mehr zu leisten, als die deutsche Volks-wirtschaft wieder an die um Deutschland herum brummende Hochkonjunktur anzukoppeln – was über die Mechanismen des Ausgleichs der Zahlungsbilanz und direkte Konjunkturü-bertragung wohl auch ohne die „Macher“ ähnlich schnell gelungen wäre: nicht ganz so schnell, dafür aber wahr-scheinlich ohne die gewaltigen Folgekosten von immer grö-ßeren und immer erfolgloseren Nachfrage-Paketen bei ent-sprechend steigender Staatsverschuldung.74

Parallel zur wachsenden Skepsis in die Tauglichkeit der Glo-balsteuerung – lange bevor um 1990 das Wort „Globalisie-rung“ nebenbei auch als Entschuldigung für politisches Ver-sagen Karriere machte – stieg in den 70er Jahren die Akzeptanz ordnungspolitischer Kausaltherapie erneut. Sol-che Brüche gab es im wirtschaftspolitischen Programm der FDP nicht, wenn sich auch der Ton etwas an den aktuellen

73 Vgl. zum Unterschied zwischen Keynes und Keynesianern - auch Joan Robinsons und Harry G. Johnsons Arbeiten erfassend – Axel Leijonhufvud, On Keynesian Economics and the Economics of Keynes, New York 1968. 74 Vgl. zu den Arbeitslosezahlen zur Zeit von Ludwig Erhard z.B. Norbert Walter, Erhards Beschäftigungsprogramm, in: Norbert Walter (Hrsg.), Was würde Erhard heute tun?, Stuttgart 1986, insbesondere S. 24ff.

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Moden der wirtschaftspolitischen Lehrstühle und der Sach-verständigen des keynesianischen „Mainstreams“ orien-tierte.

Eine erneut klare ordnungspolitische Schwerpunktsetzung beginnt in der FDP inhaltlich mit den Kieler Thesen von 1977 und gipfelt in Otto Graf Lambsdorffs „Wende-Papier“, das sich das FDP-Präsidium schon vier Tage später am 13. Sep-tember 1982 zu eigen machte. Erleichtert wurde das durch die ordnungspolitische Kontinuität im wirtschaftspolitischen Programm der FDP.75

75 Vgl. zu „Grundsätze liberaler Wirtschaftspolitik“ von 1972 und den „Kieler Thesen 1977 – Wirtschaft im sozialen Rechtsstaat“ (mit dem ko-alitionsgerechten Bekenntnis zum „sozialen Liberalismus“ im ersten Satz, aber auch mit „Die Gestaltung des Ordnungsrahmens“ weit vor „Konjunk-turpolitik durch Globalsteuerung“ wegen „These 10: Es gibt Grenzen der ‚Machbarkeit’“). Günter Verheugen (Hrsg.), Das Programm der Liberalen. Zehn Jahre Programmarbeit der F.D.P., Schriften der Friedrich-Naumann-Stiftung, Baden-Baden 1979, S. 174ff., 288, 292 und 293f.

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1. Interdependenz von Eigentumsordnung und Wettbewerbsordnung

Privateigentum erwies sich als notwendig, um - zusammen mit den anderen Prinzipien - eine Wettbewerbsordnung zu konstituieren. Daß die Wettbewerbsordnung sich nicht nur wirtschaftlich auswirkt, sondern in der Interdependenz der Ordnungen überaus wirksam ist und z.B. auf die Gesellschaftsordnung und die Rechtsordnung eine starke Rückwirkung ausübt, wissen wir.(Walter Eucken (1949))76

Der Aufbau der folgenden wirtschaftspolitischen Programme orientiert sich an Walter Euckens Verfassungsgrundsätzen und speziellen Politikbereichen einer marktwirtschaftlichen Ordnung. An den Sprachgebrauch über 50 Jahre später sind bei gleichem Inhalt einzelne Formulierungen angepasst, wie z.B. „nachhaltige Wirtschaftspolitik“ statt der schon damals missverständlichen Formulierung „Konstanz der Wirtschafts-politik“. Vereinfacht durch neue Systematik werden auch die Verfassungsgrundsätze (die „konstituierenden Prinzipien“) der angestrebten Wettbewerbsordnung: Euckens aufs Engste zusammenhängende Prinzipien „Offene Märkte“, „Vertrags-freiheit“ und „Haftung“ werden für das wirtschaftspolitische Programm der FDP zusammengefasst und der „Wettbe-werbsordnung“ zugeordnet – in ihren Interdependenzen mit der Eigentumsordnung, der Verfassung für Geld, Währung

76 Grundsätze der Wirtschaftspolitik (postum), a.a.O., S. 290.

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und Finanzmärkte sowie der Nachhaltigkeit und Langfristori-entierung der Politik.

Verbunden werden alle interdependenten Prinzipien auch durch „Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik“. Nicht perfekt, aber so gut wie möglich müssen alle Prinzipien einer markt-wirtschaftlichen Ordnung „nachhaltig“ angestrebt werden – und eben nicht nur bis zu Willy Brandts „Tellerrand“ einer Wahlperiode. Die erhebliche Verletzung nur eines dieser Prinzipien entwertet auch die Annäherungen an die anderen Prinzipien. Die Wirtschaftspolitik muss also langfristorien-tiert und verlässlich sein, darf keine Schwäche bei der Durchsetzung auch nur eines Grundsatzes zulassen, weil sonst Vertrauen in die Wirtschaftspolitik verloren ginge.

Das heißt aber nicht, dass bei unvollkommener Durchset-zung ihrer Grundsätze bereits die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft für die Bürger gefährdet sein muss. Eucken zitiert gegen jeden Perfektionsschwindel Immanuel Kant bei der Ergänzung „selbst der besten Ordnungspolitik“ durch Sozialpolitik in einer Welt unvollkommener Menschen: „Die-se Aufgabe ist daher die schwerste unter allen; ja ihre voll-kommene Auflösung ist unmöglich: aus so krummem Holz als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Ge-rades gezimmert werden. Und nur die Annäherung an diese Idee ist uns von der Natur auferlegt.“77

77 Zitiert fast wörtlich in „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“, a.a.O., S. 313. Zu den Verfassungsgrundsätzen der „Wettbewerbsordnung“ (=

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Die Eskalation der Krise – von „Wir haben über unsere Ver-hältnisse gelebt“78, über den Auslöser „Immobilienkrise“ bis zur globalen Finanzkrise und Weltwirtschaftskrise – ist aktu-eller Anschauungsunterricht für die Interdependenz der Grundsätze einer funktionsfähigen Marktwirtschaft und zu-gleich auch für die Interdependenz zwischen Wirtschafts-ordnung und Staatsordnung. Die Interdependenz wird in die-ser Krise vor allem durch wiederholte Verletzung marktwirtschaftlicher Grundsätze deutlich.

Es entspricht aller Erfahrung in allen Wissenschaften, dass es schwer fällt, Systeme und ihre Funktionsbedingungen zu begreifen, solange sie reibungslos funktionieren. Hier macht das System der Marktwirtschaft keine Ausnahme – und schon gar nicht bei Euckens Verfassungselement „Wäh-rungsordnung“. In den Worten von F. A. Lutz zu den Funkti-onsbedingungen der Goldwährung gesprochen79: Wenn die Maschine aber erst einmal kaputt ist oder stottert, dann be-

Marktwirtschaft) vgl. ebenda, 4. Buch. 78 Mit dieser biblisch einfachen Einsicht fasste Präsident Obama in seiner ersten Rede vor beiden Häusern des Kongresses den Nährboden für die aktuelle Weltwirtschaftskrise staatstragend zusammen. In seiner zweiten Pressekonferenz vom 25. März 2009 verweist er bei der Verteidigung sei-nes Rekord-Defizits im Haushaltsentwurf von 1 Billion Dollar in üblicher po-litischer Tradition nur auf die Defizite der Vorgängerregierungen. Gerechnet wird allerdings mit einem Defizit von 1,75 Billionen Dollar (jeweils „Billio-nen“ im Sinne des deutschen Wortes). 79 Vgl. F.A. Lutz, Das Grundproblem der Geldverfassung, in: Ders. (Hrsg.), Geld und Währung, Tübingen 1962, S. 28ff.

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greift man sie und ihre Funktionsbedingungen sogar besser als in der sehr plastischen Erläuterung der Dampfmaschine in der „Feuerzangenbowle“.

Das bedeutet für die Funktionsstörungen des marktwirt-schaftlichen Lenkungssystems vor dem Hintergrund der In-terdependenzen heute: Von den Grundsätzen der Markt-wirtschaft dürfte am nachhaltigsten das Prinzip „Haftung“ (s.u., Abschnitt „Das Haftungsprinzip“) verletzt sein. Im Fal-le von Fehlentscheidungen der Politiker hat wohl niemand mit ein wenig politischer Erfahrung erwartet, dass Politiker für die wirtschaftlichen Folgen ihrer Entscheidung haften. Das fängt damit an, dass sich wirtschaftliche Folgen nicht leicht auf ihre politischen Ursachen zurückverfolgen lassen und dass meist mehrere Faktoren zusammenkommen müs-sen, damit die „Maschine nicht mehr richtig funktioniert“.

So wird heute meist nicht einmal thematisiert, dass die Clin-ton-Administration bei hohem Schuldenstand und niedrigen Sparquoten der Bürger die ohnehin relativ laschen amerika-nischen Bonitätsanforderungen an Immobilienkäufer Anfang der 90er Jahre weiter herabgesetzt hat. Am Ende der gut gemeinten, aber unsozialen Wohltat konnten sehr viele Käu-fer mangels Masse nicht haften; die Forderungen der Gläu-biger wurden wertlos. Bei gegebenen politischen Strö-mungen in Medien wurde politische Verantwortung nur bei Alan Greenspan festgemacht, der nach den Terroranschlä-gen des 11. September 2001 massiv die Geldversorgung erhöhte, um damals eine Wirtschaftskrise zu verhindern.

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Entgegen vielen Erwartungen überwanden die USA die wirt-schaftlichen Folgen des Schocks der Terror-Anschläge rela-tiv schnell – zur Freude deutscher Exporteure und der rot-grünen Bundesregierung. Denn damals „lahmte die deutsche Binnenkonjunktur“ wieder einmal. Also war damals von Fehl-entscheidung oder gar Haftung der ohnehin politisch nicht voll unabhängigen Federal Reserve Bank für ihre Geldmen-gen-Expansion nicht die Rede. Damals wurde die massive Geldversorgung nicht einmal als Fehlentscheidung der Bush-Administration angeprangert, obwohl es sonst bei kei-nem Thema ein geeigneteres Objekt für die Ablenkung von eigenem Versagen gab als Präsident Bush. Dieses be-währte Bush-Verfahren klappt dafür heute in der Finanzkrise mit dem Verweis auf die Schuld an der Krise in den USA bei starken Einbrüchen deutscher Exporte umso besser.

Das Problem mangelnder rechtlicher Haftbarkeit von Politi-kern für Fehlentscheidungen mit der Folge wirtschaftlicher Verluste gehört heute zu den in allen Parteien am ehesten akzeptierten Gründen, die gegen den Staat als Eigentümer oder gar Betreiber von Unternehmen sprechen. Das Pro-blem liegt in den westlichen Demokratien bei Dominanz pri-vaten Eigentums also darin, dass ein hohes Maß an Gewer-befreiheit jenseits der Schwelle echter mittelständischer Unternehmen nicht durch wirksame Sanktionierung von Fehlentscheidungen, durch Haftung von Managern der Großunternehmen balanciert wird. Dafür sind Politiker ver-antwortlich, nicht „der Markt“.

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Der Einforderung des Haftungsprinzips in wirtschaftspoli-tischen Programmen waren daher von Anfang an enge Gren-zen gesetzt, sobald es um Konkretisierung des Bekenntnisses zum Haftungsprinzip ging. In den Kieler Thesen von 1977 wird das Haftungsprinzip erstmals im ordnungspolitischen Kontext angesprochen (s.u., Teil 3 zur Wettbewerbsordnung); im Wahl-programm 2009 vom 17. Mai 2009 steht das Haftungsprinzip wieder in der Mitte der Lösungsvorschläge zur Krisenpräventi-on (Wahlprogramm >www.fdp.de<, S. 10ff.).

In der Bundesrepublik Deutschland war seit ihrer Gründung das Haftungsprinzip für Großunternehmen nie so stark, dass es durch die Androhung wirksamer Sanktionen gegen unternehmerische Fehlentscheidungen präventiv hätte wir-ken können. Damit unterlag auch fast der gesamte Finanzbe-reich von Banken und Versicherungen von vornherein nicht einem wirksamen Haftungsprinzip: allein schon von der poli-tisch bedeutsamen Unternehmensgröße her, mit entspre-chend vielen Arbeitsplätzen, zusätzlich aber durch die Bedeu-tung des Finanzsektors für die Versorgung der gesamten Volkswirtschaft mit Liquidität, Anlagemöglichkeiten für Er-sparnis und Krediten für Haushalte und Unternehmen.

Vor allem die Pleite des Bankhauses Herstatt und – in aktu-ellen Worten von 2009 – das „Verbrennen von Steuergel-dern“ durch staatliche Landesbanken 1973/1974 – hatten zu Forderungen geführt, wie sie z.B. im FDP-Bundestagswahl-programm 1990 zusammengefasst wurden: „Die Macht der

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Banken und Versicherungen begrenzen“. Schon 1979 hatte Otto Graf Lambsdorff sogar auf einem Bankentag vor allen anderen notwendigen Maßnahmen für Transparenz und ef-fektivere Kontrolle zur Prävention auch mehr Wettbewerb im Finanzsektor gefordert. So etwas galt bis vor kurzem als marktwirtschaftlicher „Purismus“, zumal ja deutsche Banken angeblich gar nicht groß genug sein können, um als „Global Player“ im globalen Wettbewerb mithalten zu können.80 Zu Ende gedacht wurde dieser Trend zur Enttäuschung alter und neuer Sozialisten nicht: Warum dann nicht besser gleich eine einzige Großbank für die Welt oder höchstens drei Banken im neuen Trizonesien: eine Großbank für Asien, eine für Amerika und eine für Europa?81

80 Vgl. gegen solche Tendenzen das Bundestagswahlprogramm 1990, beschlossen auf dem 41. Ord. Bundesparteitag vom 29.-30. September 1990 in Nürnberg, >www.fdp.de<, S.41; Bundestagswahlprogramm 1994, beschlossen auf dem 45. Ord. Bundesparteitag vom 3.-5. Juni 1994 in Rostock, >www.fdp.de<, S. 9ff. und 31f.; Koalitionsvereinbarung vom 11. November 1994, S. 13ff. und 21f.; Otto Graf Lambsdorff, Rede vor dem Deutschen Bundestag, Plenarprotokoll 13/39 vom 19. Mai 1995, S. 03093; aktuell das Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stärken.“, >www.fdp.de< S. 10f.; kritisch zu konsequenter Wettbewerbspolitik bei Banken und Versi-cherungen schon in der Finanzkrise der 70er Jahre: Rudolf Herlt, Kein Feld für Puristen, Die Zeit Nr. 15 vom 6. April 1979.81 Gegen mögliche Einwände bei „zu Ende gedacht“: Ein enges Oligopol mit all seinen ordnungspolitisch unerwünschten Wirkungen ist auch dann gegeben, wenn wie heute trotz einer großen Zahl von Banken oder Versi-cherungen mit dem Anschein „vielzahligen Wettbewerbs“ eine kleine Zahl von Großunternehmen die Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt be-stimmt.

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Im Bereich des Produzierenden Gewerbes kam zur Vorliebe für Großunternehmen aus technologisch-betriebswirtschaft-lichen Gründen der von „Wirtschaft“ und „Politik“ geteilte Wunsch, Unternehmenszusammenschlüsse zu erleichtern, weil angeblich nur große „Global Player“ international wett-bewerbsfähig seien. Es irritiert Politiker dabei nicht, wie we-nig diese Behauptung dazu passt, dass alle Parteien die FDP in ihrem Verweis auf die im Mittelstand geschaffenen Arbeitsplätze und Lehrstellen imitieren. Speziell in der deut-schen Auto-Branche kam durch Jahrzehnte erfolgreicher Unternehmenspolitik auch starkes internes Wachstum der Unternehmen hinzu, so dass ungefähr jeder sechste Ar-beitsplatz direkt oder indirekt vom Autoverkauf abhängt. Dieses volkswirtschaftliche Gewicht wird spätestens zum Problem für Opel als einer nationalen „Schlüsselindustrie“, wenn die Überkapazitäten der Automobilindustrie in Europa auf bis zu 20% geschätzt werden und 2009 für den „Export-weltmeister“ der internationale Handel so stark einbricht wie nie zuvor nach dem Zweiten Weltkrieg.

Was immer wirtschaftspolitische Programme der FDP for-dern würden: Von wirksamer Haftung kann bei deutschen Großunternehmen regelmäßig nicht die Rede sein. Im Ge-genteil: Kanzler Schröders „Rettungsaktion“ für die „Schlüssel“-Baufirma Holzmann war nur ein besonders ein-drucksvolles Beispiel für die seit seiner Bonner Vorlesung „Die deutsche Volkswirtschaft“ von 1961 und danach in Köln unterrichtete Regel von Hans Willgerodt: Sind tausend mittelständische Unternehmen mit durchschnittlich 20 Be-

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schäftigten gefährdet, dann kommt der Konkursrichter; sind aber ebenfalls 20 000 Arbeitsplätze in einem Großunterneh-men gefährdet, dann kommt mindestens der Ministerpräsi-dent, oft auch der Bischof – und heute der Kanzler und Kanzlerkandidat.

Interdependenz der Prinzipien der Marktwirtschaft bedeutet bei solchen Asymmetrien in der Wirksamkeit des Haftungs-prinzips eine permanente Wettbewerbsverzerrung zu La-sten des Mittelstands. Das gilt vor allem beim Tragen der Anpassungslast weltwirtschaftlicher und technologischer Datenänderungen und beim Zugang zum Kapitalmarkt ein-schließlich Risikoprämie. Denn Kreditgeber wissen aus die-ser Erfahrung, dass das Konkursrisiko von Großunterneh-men durch staatliche Hilfen weitaus geringer ist als bei mittelständischen Unternehmen, obwohl dort der Unterneh-mer häufig sogar mit seinem privaten Vermögen haftet. Das Vermögen von Mittelständlern ist aber im Konkursfalle durch Rettungsversuche ohne „Staat“ meist weitgehend auf-gebraucht. Auch das wissen Banken aus Erfahrung.

Defizite beim Haftungsprinzip führen also zu Defiziten der Wettbewerbsordnung insgesamt. Defizite der Wettbe-werbsordnung führen wiederum zu Defiziten beim Schutz privaten Eigentums im Mittelstand. Spätestens wenn „der Staat“ zur Rettung von Großunternehmen „Geld in die Hand nimmt“, geht das zu Lasten der Eigentumsrechte von Steu-erzahlern. Werden Steuermittel allerdings für die Funktions-fähigkeit des Geld- und Kapitalmarkts eingesetzt, dann steht

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diesem Eigentumsverlust der Steuerzahler immerhin der zu Recht erwartete, regelmäßig größere Nutzen eines funkti-onsfähigen Finanzmarktes gegenüber, unter dem Strich also ein regelmäßig positiver Saldo.

2. Privateigentum vor Staatseigentum

Private property is the most important guarantee of freedom. (Friedrich A. Hayek)82

In der liberalen Tradition der Aufklärung war das Bekenntnis der FDP zum Vorrang privaten Eigentums schon seit den ersten Programmen der regionalen Vorläufer eine Selbst-verständlichkeit. Für die LDP in der Berliner „Stadtverord-netenversammlung“ und für die Liberalen in den Ländern war der Widerstand gegen Verstaatlichung ein Alleinstel-lungsmerkmal gegenüber Sozialdemokraten und Christde-mokraten – bei Enthaltung der Kommunisten.83

82 Zitiert als erstes Kapitelkopf-Zitat zu Kapitel I, in: Anne Chandima Dedi-gama, Hernando de Soto, International Property Right Index, 2009 Report, liberal Report des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Potsdam 2009, >www.freiheit.org< S. 11. 83 Vgl. Otto Graf Lambsdorff, Die F.D.P. als Bannerträger der Marktwirt-schaft, a.a.O., S. 587f., auf der Grundlage der vorbereitenden RIAS-Dis-kussion vom 20. Dezember 1946 zur Abstimmung über das Gesetz zwei Monate später in der Stadtverordnetenversammlung vom Februar 1947 (geschlossene Ablehnung der Liberalen, Ja von SPD, SED und CDU). Das Ja galt auch für die Übertragung des „Berliner Modells“ in der Einleitung des Beschlusses, abschließend betont von der SPD „als Anregung [...] für

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Es bedurfte in der Tradition des liberalen Ja zum Vorrang privaten Eigentum also nicht erst der Freiburger Thesen von 1971, um aufzuklären, dass privates Eigentum der Freiheit und Eigenverantwortung dient, also dem liberalen Men-schenbild entspricht. 1946 war das für die Landesparteien der Liberalen eine Selbstverständlichkeit ihrer „bürger-lichen“ Tradition, die bis heute auf engste mit den kulturellen Idealen der Aufklärung verbunden ist. Auch im Wahlpro-gramm 2009, „Die Mitte stärken“, knüpft die FDP an diese „bürgerliche“ Tradition an.

Verbreitete Zerrbilder von der Programmatik der FDP haben ihren Ausgangspunkt im Zeitgeist der Abwertung von „bür-gerlich“ durch Abtrennung von der Aufklärung mit ihrer Idee des Bürgers, der die Verfassung schafft und erhält. So be-hauptet Peter Juling unter der Überschrift „Der Weg zu den Freiburger Thesen des sozialen Liberalismus“, in der FDP hätten sich „Ansätze der Wandlung von einer bürgerlichen zu einer bewußt liberalen Partei“ erst zeigen müssen. Und in den Freiburger Thesen „interpretierte sie endlich den demo-kratischen und sozialen Liberalismus“. Derart extrem war von manchen „68ern“ das Wort „bürgerlich“ in Misskredit gebracht worden. Erst mit dem Zustandekommen der Frei-burger Thesen sei es nach Peter Juling zur „eindeutigen und

gleichgeartete Maßnahmen“ auf die Länder „des Reichs“. Der Beschluss wurde nie umgesetzt, obwohl „Verstaatlichung“ in der politischen Werbung durch das wohlklingendere Wort „Vergesellschaftung“ ersetzt wurde: mit viel Pestalozzi. Die Liberalen fielen darauf nicht herein.

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unzweifelhaften Entwicklung der F.D.P. zum Liberalismus“ gekommen. In der FDP sei das Wort ‚Liberalismus’ „nun nicht mehr verpönt“ gewesen“.

Diesen angeblichen Wandel „zum modernen, auch sozialen Liberalismus“ belegt Juling am Beispiel der Haltung zum pri-vaten Eigentum so, als sei Folgendes im Jahre 1971 eine verblüffend neue Idee für die FDP gewesen: „Nicht die Frei-heit hat im Eigentum, sondern das Eigentum findet in der Freiheit seine Begründung und Begrenzung.“ Liberalismus heute heißt entsprechend den ersten vier grundlegenden Thesen des Freiburger Programms: Parteinahme für Men-schenwürde durch Selbstbestimmung, Parteinahme für Fortschritt und Vernunft, Demokratisierung der Gesell-schaft, Reform des Kapitalismus.84

Für die Vorsicht, die bei der Bewertung von FDP-Program-men in aller Sekundärliteratur – auch in dieser Studie – stets geboten ist, könnte dieses Beispiel Peter Julings hilfreich sein: Peter Juling stellt diese Bewertungen in der Einführung zu denselben Dokumenten voran, in denen das exakte Ge-genteil seiner Bewertung wörtlich dokumentiert wird; zum Teil widerspricht er sogar ausdrücklich seiner eigenen Be-wertung zum sozialen Gehalt liberaler Politik.

84 Vgl. Peter Juling, Einführung in die Dokumente zu „Programmatische Entwicklung der FDP 1946 bis 1996“, S. 59ff.

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Liberale Politik, die von sozialem Engagement getragen wur-de, ist eben nicht erst in den Freiburger Thesen formuliert worden, sondern unter anderem bereits im Bekenntnis des 3. Ordentlichen Bundesparteitages vom 21. bis 23. Septem-ber 1951 zur „sozialverpflichteten Marktwirtschaft“. Dieses Bekenntnis wurde im Sozialprogramm 1952 konkretisiert – einschließlich „Innerbetriebliche Mitwirkung“ und „Mitbe-stimmung in allen sozialen Fragen“, Mitarbeiterbeteiligung und breiter Streuung des Vermögens.85

Der Rat von Whitehead, vorangestellt auf der ersten Seite, bewährt sich hier für den Leser besonders: „Machen Sie um Gottes Willen die Augen selbst auf!“ Denn für die eigen-ständige Bewertung der wirtschafts- und gesellschaftspoli-tischen Programme der FDP von 1946 bis 1979 durch Aus-einandersetzung mit den Programm-Texten sind die am leichtesten zugänglichen Buch-Quellen ausgerechnet die hier verwendeten beiden Bände, die Heino Kaack herausge-geben hat: der erste mit Peter Julings bewertender Einfüh-rung, der zweite mit Heino Kaacks Kommentierung und Be-wertung.

Die Dokumente zur Programmatik der FDP von 1969 bis 1979 hat Günter Verheugen eingeleitet und bewertet. In der uneingeschränkten Einseitigkeit dieser Autoren gegen „bür-

85 Vgl. Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 114ff. und oben, außerdem Ju-lings äußerst positive Bewertung der Sozialbeschlüsse von 1951/1952 und des darauf aufbauenden Wirtschaftsprogramms 1953 auf 5 Seiten.

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gerlichen Liberalismus“ und für „demokratischen und sozi-alen Liberalismus“ von 1968 bis zu den Freiburger Thesen 1971 liegt ein Problem der FDP bis heute – allerdings nicht mehr technischer Natur: Fast alle Programm-Texte sind in-zwischen digitalisiert und ohne Juling-, Kaack- oder Verheu-gen-Bewertungen über das Internet-Portal der FDP verfüg-bar (>www.fdp.de<).

Für die Radikal-Kritik am „Kapitalismus“ in den Freiburger Thesen, wie man sie 2009 so radikal nur selten von Oskar Lafontaine und schon gar nicht von Gregor Gysi oder von Günter Verheugen nach seinem Übertritt in die SPD hört, bemühte z.B. Günter Verheugen 1979 alle großen Namen der FDP. Dabei wusste Verheugen, dass Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, Werner Maihofer und Ralf Dahrendorf die-se Kritik nicht teilten; sie hatten auch damals keine Probleme mit einer „bürgerlichen“ FDP. Aber in der Phase der Annähe-rung an die SPD aus guten deutschland- und außenpolitischen Koalitionsgründen war es wohl nicht „zielführend“, diese Ra-dikal-Kritik mit der ansonsten gebotenen Deutlichkeit und Dif-ferenzierung zurückzuweisen. Zu solcher Kritik hätte z.B. der Hinweis auf das äußerst konkrete Wahlversprechen in der „Nürnberger Wahlplattform 1969“ gehört: „Jegliche Maß-nahme, die das Ziel hat, private Vermögen umzuverteilen, wird entschieden abgelehnt.“86 Kritik gab es dagegen aus an-

86 Günter Verheugen fasst diesen Prozess von 1969 bis 1971 dennoch so zusammen: “Mit den Freiburger Thesen von 1971 hat sich die F.D.P. auch in ihrem Programm zu dem bekannt, was sie unter der Führung von Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher, unter dem Einfluß von Karl-Hermann

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derem Grund 1982: voll moralischer Empörung über das Ende der Koalition mit der SPD z.B. von Hildegard Hamm-Brücher, Ingrid Matthäus-Meier oder Günter Verheugen.

Von den Freiburger Thesen in ihrem Ur-Konzept wurde aller-dings nicht einmal die paritätische Mitbestimmung beschlos-sen; von den positiven Ansätzen zur Bildungspolitik und Umweltvorsorge wurde dagegen vieles sogar umgesetzt, in der Bildungspolitik allerdings ohne den erhofften Erfolg. Zu den Problemen, die auf die Deutschen in den 70er Jahren zukamen – dauerhafte Massenarbeitslosigkeit, Bankenkrise und Terrorismus – hatten die Freiburger Thesen nicht einmal die dazu passenden Fragen, geschweige denn liberale Lö-sungsangebote.

Nicht diese fehlenden Fragen und Antworten zu den drän-genden Problemen der Bürger, sondern den frischen Geist einer freieren Gesellschaft in den Freiburger Thesen hat also Guido Westerwelle 1997 in seiner Wiesbadener Rede zum neuen Grundsatzprogramm der FDP gemeint, als er –

Flach, Ralf Dahrendorf und Werner Maihofer seit 1968 geworden war: zur Partei des demokratischen und sozialen Liberalismus.“ Günter Verheugen (Hrsg.), Das Programm der Liberalen, Baden-Baden 1979, S. 7. Direkt auf die Einführung von Verheugen folgt als erstes Dokument die „Nürnberger Wahlplattform 1969“ mit dem zitierten und anderen Wahlversprechen ein-schließlich konkreter Vorschläge für breite Streuung des Vermögens ohne Zwang, gegen das Depot-Stimmrecht der Banken und für aktive Wettbe-werbspolitik zur Begrenzung von Marktmacht statt Umverteilung, außer-dem eine Politik für Arbeitsplätze und für ein gerechtes Steuersystem. Vgl. ebenda, S. 23ff.

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auch zur Würde des Augenblicks – am Ende seiner Rede aus Karl-Hermann Flachs Freiburger Rede zitierte: „Ich sage Ihnen eines voraus: Wenn die freie Gesellschaft in diesem Lande erhalten bleibt, dann wird die Lösung ihrer Probleme ungefähr in der Richtung unserer Thesen erfolgen.“87 Zu hof-fen ist, dass statt dessen die Lösung der Probleme unserer freien Gesellschaft von 2009 im Geiste der Wiesbadener Grundsätze von 1997 schon befriedigend gelöst sein wer-den, bevor sich die FDP 2012 ein neues Grundsatzpro-gramm geben wird.88

Karl-Hermann Flach ist in dieser Phase wirtschaftspoli-tischer Programmatik der FDP der einzige Große unter den von Verheugen angeführten Kronzeugen für einen moder-nen „sozialen Liberalismus“, der tatsächlich die Eigentums-ordnung der Marktwirtschaft grundlegend ändern wollte und der sich dazu in seiner höchst populären und für Zitate gern ausgeschlachteten Streitschrift „Noch eine Chance für die Liberalen“ ausdrücklich bekannte: Verstaatlichung durch sanften Zwang. Aus dem mit Abstand längsten Kapitel „Li-

87 Zitiert in der Einbringungsrede des Generalsekretärs Guido Westerwel-le auf dem 48. Ord. Bundsparteitag am 24. Mai 1997 in Wiesbaden, in: Gui-do Westerwelle (Hrsg.), Von der Gefälligkeitspolitik zur Verantwortungsge-sellschaft – Wiesbadener Grundsätze für die liberale Bürgergesellschaft, Düsseldorf und München 1997, S. 248f. 88 Der auf dem Bundesparteitag vom 15. bis 17. Mai 2009 beantragte Beschluss der FDP/DVP Baden-Württemberg für ein neues Grundsatz-programm 2012 und die Einsetzung einer Programm-Kommission wurde auf dem Bundesparteitag vom 15.-17. Mai 2009 in München beschlossen >www.fdp.de<.

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beralismus und Kapitalismus“ – nach Flachs nicht zufälliger Einstimmung in „Kleiner liberaler Katechismus“ – können Li-berale nach 1971 nur mit äußerster Behutsamkeit zitieren, schon gar nicht die Häme gegen Unternehmer voll beeindru-ckender Karikaturen.89

Schon das erste liberale Programm, das in Peter Julings Do-kumenten abgedruckt wird, lässt keine Zweifel daran auf-kommen, dass der Schutz des Privateigentums für die FDP in der Tradition des Liberalismus eine Freiheitsfrage ist: „Als Voraussetzung dafür, daß der Einzelmensch sich im privaten und öffentlichen Leben auch tatsächlich gemäß seinem Ge-wissen und seinen Erkenntnissen betätigen kann, fordern wir folgende Freiheitsrechte: [...] 5) Schutz des Privateigen-tums [...].“90

Theodor Heuss und Reinhold Maier verbürgen sich im „Wahlaufruf der DVP Württemberg-Baden“ 1946 ausdrück-lich im gleichen Sinne zum Privateigentum als Freiheitsrecht, abgeleitet aus den Rechten aller Menschen: „Unser Be-kenntnis zu den Menschenrechten umschließt die Achtung vor der Freiheit des Menschen und vor der Heiligkeit des Menschenlebens, die Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht

89 Vgl. Karl-Hermann Flach, Noch eine Chance für die Liberalen – eine Streitschrift, Frankfurt am Main 1971 (Neuauflage 1977: zu den „Kieler The-sen“?), S. 12ff. und 20ff. 90 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 69.

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auf Privateigentum und auf freie Entfaltungsmöglichkeit.“91 (s.o.).

Das „Programm der FDP Bayern“ vom 26. März 1946 for-muliert zur Frage von Enteignungen dagegen durchaus inter-pretierbar: „Erhaltung des durch redliche Arbeit erworbenen Privateigentums“92, ähnlich in „Programmatische Leitsätze der FDP Hamburg“ vom August 1946, die Ausnahmen vor-sehen: „Die Freie Demokratische Partei hält darum an der Privatwirtschaft als regelmäßiger Betriebsform fest.“ Die Begründung, die „darum“ vorausgeht, setzt auf „freie Selbstverantwortlichkeit, Entschlussfähigkeit und Leistungs-bereitschaft jedes einzelnen.“93

Die Beschränkung des Schutzes vor Enteignung auf „durch redliche Arbeit erworbenes Privateigentum“ darf heute nicht missverstanden werden. Damals war klar, dass es insbe-sondere um die willkürliche und gewalttätige Enteignung von Deutschen jüdischen Glaubens oder christlichen Glaubens mit jüdischer Herkunft im Nationalsozialismus ging. Schon damals konnte nicht übersehen werden, wie der oft scham-los unredliche Erwerb auch durch „ganz einfache Men-schen“ zu Privateigentum geführt hatte. Die zweite Frage,

91 Ebenda, wenige Seiten später im angefügten Dokument auf S. 74; im gleichen Sinne die Programmatischen Leitsätze der FDP Hamburg vom August 1946: „Der Schutz des persönlichen Eigentums gehört zu den un-veräußerlichen Freiheitsrechten im demokratischen Staat.“ Ebenda, S. 78. 92 Abgedruckt in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 73.93 Ebenda, S. 77.

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ob Privateigentum an Produktionsmitteln nur „regelmäßige Betriebsform“ sein solle, beantwortet eindeutig und konkret mit Randbedingungen zunächst das „Programm der Demo-kratischen Partei Rheinland-Pfalz“ im Beschluss des Lan-desparteitags vom 19./29. April 1947 in Bad Kreuznach:

„Entgegen den sozialistischen Tendenzen zur Ver-staatlichung der Wirtschaft bekennt sich die Demo-kratische Partei auch auf wirtschaftlichem Gebiet zum Gedanken der freien Entfaltung der Persönlich-keit. Sie tritt deshalb ein für das Recht des privaten Eigentums und das Erbrecht, für die freie Initiative des Unternehmers und für die freie Wirtschaft über-haupt, soweit nicht das höhere Wohl der Gemein-schaft, das Gebot der sozialen Gerechtigkeit oder die besondere zeitliche Notlage eine zeitweise Len-kung erfordern.“94

Das sind präzise die Grundsätze und Prüfkriterien, die auch heute in der Weltwirtschaftskrise bei der Frage von Staats-hilfe („zeitweise Lenkung“, nicht „Enteignung“) in Fällen von „Notlagen“ für Arbeitsplätze und Unternehmen anzuwen-den sind. Das „Wirtschaftsprogramm der FDP der Bri-tischen Zone“ vom Januar 1948 begründet die kompromiss-lose Haltung der FDP so:

94 Ebenda, S. 81.

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„6. Sozialisierung Die freie Entfaltung aller schaffen-den Kräfte ist Aufgabe und Voraussetzung jeder ge-sunden Wirtschaft. Die Sozialisierung – gleich wel-cher Form – einschließlich ihres Schrittmachers – der sogenannten Gemeinwirtschaft – verhindert diese Entfaltung. [...] Wir lehnen deshalb aus wirtschaft-lichen und sozialen Gründen die Sozialisierung kom-promisslos ab.“(Hervorhebung im Original).95

Bei der Schluss-Abstimmung über die beiden Enteignungs-artikel 14 und 15 des Grundgesetzes im Plenum des Parla-mentarischen Rates hatte die FDP-Fraktion beide Artikel ab-gelehnt. Der Alternativ-Antrag der FDP zur Festlegung der angemessenen Entschädigung auf dem Rechtswege wurde von der SPD und Teilen der CDU/CSU abgelehnt und schei-terte an dieser Mehrheit. Die Interpretation der FDP für ihre dennoch erfolgte Zustimmung zum Grundgesetz insgesamt auf dem 1. Bundesparteitag vom 11. und 12. Juni 1949 in Bremen ist auch in der Enteignungsdiskussion von 2009 hilf-reich: zumindest bei den ordnungspolitischen Motiven von Enteignungsforderungen und in der Standhaftigkeit der FDP:

„Die Enteignungs- und Sozialisierungsbestimmungen des Grundgesetztes decken sich weitgehend mit den analogen Bestimmungen der Weimarer Verfassung und der neuen Länderverfassungen, verleihen dem Eigen-

95 Vgl. ebenda, S. 83.

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tum sogar einen weitergehenden Schutz. Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung kennt das Grundgesetz keine sog. ‚sozialen Lebensordnungen’ und stellt keine pro-grammatischen Sozialisierungsgrundsätze auf. Ob von der Sozialisierungsmöglichkeit des Artikels 15 in Zu-kunft Gebrauch gemacht wird, ist eine Sache der poli-tischen Entscheidung des Volkes. Es wird sich darüber schlüssig werden müssen, ob es chiliastischen sozialis-tischen Versprechen Vertrauen oder ob es seine Ge-sellschafts- und Wirtschaftsordnung nach liberalen Grundsätzen regeln will. Die Freie Demokratische Par-tei würde das Gesetz, nach dem sie angetreten ist, auf-geben, wenn sie sich nicht mit allen Mitteln dafür einset-zen würde, dass von der Möglichkeit des Artikels 15 des Grundgesetzes kein Gebrauch gemacht wird.“96

Diese Nagelprobe der „Bremer Plattform 1949“ des 1. Bun-desparteitags der FDP wiederholt sich 60 Jahre später auf

96 Bremer Plattform 1949, Beschlüsse des 1. Bundesparteitages am 11. und 12. Juni 1949 in Bremen, in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 93f. Zur Vorgeschichte des Nein der FDP zur Sozialisierung vgl. Friedrich Hen-ning (damals Archivar der F.D.P. bei Bundesgeschäftsführer Fritz Fliszar), F.D.P. – Die Liberalen, Porträt einer Partei, München 1982, S. 141ff. Auch dieses „Porträt“ der FDP reiht sich in die vielen Darstellungen ein, die im Zeitgeist vor Otto Graf Lambsdorffs Wende alle soziale Tradition der FDP vor den Freiburger Thesen leugneten – und damit z.B. auch Theodor Heuss verleugneten; s. dazu oben die eindeutig gegenteilige Bewertung von Theodor Heuss in seiner Rede „Unsere deutsche Mission“ zum Heppen-heimer Gründungsparteitag der FDP 1948 in: Wolfgang Mischnik (Hrsg.), Verantwortung für die Freiheit. 40 Jahre F.D.P., Stuttgart 1989, S. 538ff.

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dem 60. Bundesparteitag 2009 in Hannover. Im Wahlpro-gramm 2009 fordert die FDP als Antwort auf Enteignungen und Enteignungsabsichten der Großen Koalition:

„Die FDP ist die einzige Partei, die ernsthaft und glaub-haft wieder aus der Staatswirtschaft aussteigen will. Die massive Staatsbeteiligung, vor allem im Finanzsek-tor, kann nur durch die krisenhafte Ausnahmesituation der Weltwirtschaft begründet werden. Sobald sich die wirtschaftlichen Bedingungen wieder verbessert ha-ben, muss mit dem Ausstieg des Staates bei Wirt-schaftsunternehmen und Finanzinstituten begonnen werden. Nur mit einem durchdachten Ausstiegsszena-rio kann der Rückzug des Staates geordnet und zügig vollzogen werden. Daher sollte die Regierung einen Re-Privatisierungsrat einsetzen. Der Re-Privatisie-rungsrat entwirft eine Zeitablaufplanung, die Flexibili-tätspuffer enthalten sollte und somit die Lage an den Kapitalmärkten berücksichtigen kann. Als Zeithorizont sollten fünf bis zehn Jahre angesetzt werden.“97

Die FDP lässt bei dieser Forderung nach Re-Privatisierung aber keinen Zweifel zu in der Frage der Verantwortung für die Finanzkrise, die Deutschlands Marktwirtschaft derart in

97 Vgl. >www.fdp.de<, S. 10f. Bei der „Ausnahmesituation der Weltwirt-schaft“, die vorübergehende Enteignungen rechtfertige, ist natürlich die Ausnahmesituation der Vertrauenskrise auf dem Interbanken- und Kapital-markt gemeint.

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Verruf gebracht hat. Unmittelbar an diesen Absatz schließt die FDP an:

„Unabhängig davon kann mangelhafte Politik persön-liches Fehlverhalten Einzelner nicht entschuldigen. Wer als Manager im Finanzmarkt unverantwort-liche Risiken eingegangen ist, muss zur Rechen-schaft gezogen werden und persönlich wie finanziell die Konsequenzen tragen. [....] Die FDP fordert mehr Verantwortung durch Haftung. Für die Mana-gerhaftung in deutschen Aktiengesellschaften gilt heute bereits ein im internationalen Vergleich sehr scharfes Haftungsrecht. Die Betroffenen haften be-reits bei leichter Fahrlässigkeit mit ihrem gesamten Privatvermögen für Schäden in unbegrenzter Höhe. Schadenersatzansprüche müssen zukünftig von den Aufsichtsräten auch geltend gemacht werden. Die FDP fordert Verschärfungen des materiellen Rechts, wenn diese Ansprüche künftig nicht konsequent gel-tend gemacht werden.“ (Hervorhebungen im Original).98

Ein Volk von Teilhabern und Eigentümern statt VolkseigentumAuf dem Kapitalmarkt ist es nach den großen Rückschlägen durch die New-Economy-Pleiten wichtig, dass die Krise auf den Finanzmärkten nach der ge-platzten amerikanischen Immobilienblase nicht erneut das Vertrauen der Sparer

98 Ebenda, S. 11f. (zu den Quellen im Internet: >www.fdp.de<).

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in ihre Vermögensanlage erschüttert. [...] Das ist zugleich Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Märkte in der Sozialen Marktwirtschaft, ohne die Ideen und Fleiß der Bürger den Wohlstand nicht schaffen können, der zu ihrer Leistung und einer Ordnung der Freiheit passt.(Jürgen Morlok zu Beginn der Finanzkrise bereits im Oktober 2007)99

Bis hin zur Forderung, das „Mitbestimmungsrecht der Ar-beitnehmer“ weiterzuentwickeln, lässt schon 1946 der Wahlaufruf von Theodor Heuss und Reinhold Maier keinen Zweifel daran, dass es den Liberalen beim „Recht auf Pri-vateigentum“ nicht um ein Klassenrecht des „Besitzbürger-tums“ geht. Denn damit wird bis heute ein Zerrbild der Libe-ralen gezeichnet. Der Generation von Theodor Heuss war die Wahrheit in den Karikaturen des 19. Jahrhundert noch bewusst: dass für die Ärmsten der Schutz ihrer Eigentums-rechte praktisch auf das Recht am Schlafplatz unter der Brü-cke beschränkt sei. So gehört der Schutz des persönlichen Eigentums schon 1946 auch für die FDP Hamburg „zu den unveräußerlichen Freiheitsrechten“, und die Hamburger FDP geht im wirtschaftspolitischen Teil dieser „Programma-tischen Leitsätze“ so weit, dass sie als ersten Satz voran-stellt: „Die Freie Demokratische Partei ist eine Partei der Arbeit.“100

99 Vorwort zur zweiten Auflage von Otto Graf Lambsdorff, Mehr Beteili-gungskapital – mehr Marktwirtschaft, a.a.O., S. 8.100 Ebenda, S. 77. (zu den Quellen im Internet: >www.fdp.de<).Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 77. Das Sozialprogramm 1951/1952 der FDP fordert zur „Verwirklichung und Sicherung der sozialen Grundrechte“ auch das Recht „auf Eigentum“. Vgl. ebenda, S. 113. Zu den Hamburger

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Die breite Streuung privaten Eigentums und Vermögens, die zum Kernbestandteil der liberalen Vision vom Bürger als Teilhaber der Gesellschaft und Wirtschaft gehört101, wird ausdrücklich bereits im Sozialprogramm 1952 gefordert und begründet: Über den Beteiligungsgedanken im „verfeinerten Leistungslohn“ hinaus gilt für die FDP bei der „Partnerschaft als Leistungsgemeinschaft“: „Darüber hinaus bejaht die FDP die auf den Leistungslohn gegründete Beteiligung der Arbeitenden am gemeinsam erarbeiteten Betriebsertrag. Sie will damit die soziale Wandlung unseres Gesellschafts-aufbaues vorantreiben.“

Bei den Formen der Ertragsbeteiligung werden bereits alle Grundtypen einschließlich der Kapitalbeteiligung am eige-nen Betrieb aufgelistet, wie sie nach dem Aufruf von Bun-despräsident Köhler zum Jahreswechsel 2005/2006 wieder intensiver diskutiert wurden. Das Sozialprogramm 1952 stellt die Ertragsbeteiligung auch in den umfassenderen Rahmen der Freiheit und „Selbstverantwortung“, „des Wil-lens zur Selbsthilfe“: „Den Weg dazu sieht die FDP in der

„Programmatischen Leitsätzen“ vgl. ebenda, S. 114ff. (zu den Quellen im Internet: >www.fdp.de<).101 Vgl. dazu Teil III des FDP-Grundsatzprogramms „Wiesbadener Grund-sätze – Für die liberale Bürgergesellschaft“, a.a.O., S. 16ff., verfügbar auch über die Online-Bibliothek der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, >www.fdp.de< und >www.freiheit.org<.

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Bildung von Kleineigentum auf möglichst breiter Basis und in den verschiedensten Formen“.102

Die Bedeutung breiter Streuung des Vermögens für eine freiheitliche Teilhabegesellschaft bleibt ein Leitgedanke in der gesamten wirtschafts- und sozialpolitischen Program-matik vom Sozialprogramm 1951/1952 bis heute. Nach all-gemeineren Bekenntnissen zur breiten Streuung von Eigen-tum als notwendiges Element einer freiheitlichen Eigentumsordnung in den wirtschaftspolitischen Program-men danach wird vor allem der Beschluss des 20. Ord. Bun-desparteitages vom 25. Juni 1969 in Nürnberg konkret. Kurz vor den Freiburger Thesen von 1971 wird neben mehr Teilhabe durch „neue Formen direkter Demokratie“ die Teil-habe durch freiwillige Vermögensbildung und breite Streu-ung des Vermögens ein Schwerpunkt:

„Der Weg hierzu beginnt mit einer allgemeinen Spar-förderung, die jedoch beim Ausbau des Grundstocks eines Vermögens in frei gewählter Anlageform – Kontensparen, Wertpapiersparen, Bausparen oder Versicherungen – unterstützt. Hierfür muss die staat-liche Förderung bei den einzelnen Sparformen gleich sein. Die Sparförderung aus öffentlichen Mitteln muß in einem angemessenen Verhältnis zur Eigenleistung stehen; dabei sind die Bezieher niedriger Einkommen auch nach Maßgabe ihres Familienstandes beson-

102 Sozialprogramm 1952, a.a.O., S. 116f.

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ders zu berücksichtigen. Jegliche Maßnahme, die zum Ziel hat, private Vermögen umzuverteilen, wird entschieden abgelehnt.“

Im Interesse der Kleinaktionäre werden außerdem die Aufhebung der „Doppelbesteuerung des Aktiengewinns“ und die Einschränkung der Macht der Banken durch Än-derung des Depot-Stimmrechts zugunsten von Kleinakti-onären gefordert. 103

Von den Freiburger Thesen zu den Wiesbadener Grundsätzen Beim Weg zu einer breiteren Streuung des Eigentums und Vermögens gibt es allerdings einen bedeutsamen program-matischen Bruch – wenn auch ohne praktische Folgen – durch die Freiburger Thesen von 1971 zu Eigentum, Beteili-gungskapital und Erbrecht: Im Gegensatz zu allen FDP-Programmen zuvor und danach wird der Grundsatz der Freiwilligkeit zugunsten einer „Abgabepflicht“ von Beteili-gungen im Rahmen der überbetrieblichen Vermögensbil-dung in detaillierter, gesetzestextnaher Form gefordert: mit starker Betonung von Umverteilung im Dienst der Freiheits-rechte aller Bürger.104 In den Wiesbadener Grundsätzen von

103 Vgl. Praktische Politik für Deutschland – Das Konzept der F.D.P., a.a.O., S. 200 und 204, >www.fdp.de<.104 Vgl. Freiburger Thesen 1971, in: Günter Verheugen (Hrsg.), Das Pro-gramm der Liberalen, a.a.O., S. 70-78. Ausgenommen vom Zwang werden kleine und mittlere Unternehmen: „ihr Spielraum für eine freiwillige, inner-betriebliche Beteiligungsform soll voll erhalten bleiben.“ (S. 71).

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1997 als neuem Grundsatzprogramm werden die Grundsät-ze der Wahlfreiheit und Freiwilligkeit ausdrücklich bekräftigt: „Voraussetzung für eine wirksame Beteiligung am Produk-tivvermögen sind die Freiwilligkeit der Vereinbarung in den Betrieben und die Wahlfreiheit der Anlageform.“105

Das Ergebnis für Vermögensbildung und Beteiligungskapital nach 35 Jahren spricht deutlich gegen den Zwang zur über-betrieblichen Beteiligung für Großunternehmen. Es erfüllt al-lerdings auch nicht die Hoffnung auf große Fortschritte bei der innerbetrieblichen Vermögensbildung in den rund 97% Unternehmen, die statistisch den kleinen und mittleren Un-ternehmen zugerechnet werden: Trotz beispielhafter Erfolge vieler mittelständischer Unternehmen bei der Bildung von Beteiligungskapital ihrer Mitarbeiter ist die Vermögensbil-dung in kleinen und mittleren Unternehmen insgesamt schwächer als die freiwillig gebliebene Vermögensbildung in Großunternehmen.106 Denn zu einer Abgabepflicht für Betei-ligungen kam es politisch nicht, und selbst die Forderung nach Abgabepflicht und überbetrieblicher Vermögensbil-dung in der Form der Freiburger Thesen verschwand sanft aus den Programmen der FDP.

105 Wiesbadener Grundsätze – Für die liberale Bürgergesellschaft, a.a.aO., >www.fdp.de<, S. 25. 106 Vgl. dazu die Statistiken der Deutschen Bundesbank und die Unter-suchungsergebnisse in: Otto Graf Lambsdorff, Mehr Beteiligungskapital – mehr Marktwirtschaft, a.a.O. mit der Kritik am „Sozialbericht 1970“ und an den falschen Zusammenfassungen des Krelle-Gutachtens (S. 33ff.).

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Die FDP war noch 1969 mit einer „Nürnberger Wahlplattform“ in den Wahlkampf gegangen, die im „Weg“ zu einer möglichst breiten Vermögensstreuung auf Freiwilligkeit und nichtdiskrimi-nierende staatliche Förderung der Vermögensbildung setzte. Unmissverständlich wurde auch der Umverteilung eine Grenze bei den Wegen zur Vermögensbildung gezogen: „Jegliche Maßnahme, die das Ziel hat, private Vermögen umzuverteilen, wird entschieden abgelehnt. Dagegen wird die weitere Privati-sierung wirtschaftlicher Vermögen der öffentlichen Hand gefordert.“107

Im „Wahlaufruf 1972“ wird zwar ausdrücklich die Verwirkli-chung der Forderungen der Freiburger Thesen „im Bereich der Eigentumsordnung, des Bodenrechts, der Vermögensbildung“ als Ziel der kommenden Legislaturperiode formuliert, bereits in „Grundsätze liberaler Wirtschaftspolitik 1972“ steht aber nichts zur Eigentumsordnung oder speziell zur Vermögensbil-dung108. Im Wahlprogramm 1976 wird im 24. Punkt faktisch die Rückkehr zu Freiwilligkeit und zum Schwerpunkt auf innerbe-triebliche Vermögensbildung über die private Vermögensbil-dung hinaus vollzogen, obwohl im ersten Satz noch am Ziel

107 Nürnberger Wahlplattform 1969, in: Günter Verheugen, Das Pro-gramm der Liberalen, a.a.O., S. 23. An dieser Stelle sollte sich angesichts der Wende in den Freiburger Thesen ausnahmsweise nicht ohne Bruch bewähren, was dazu in der „Einleitung“ von „Das Programm der Libera-len“ beansprucht wird: „Für Liberale ist Programmtreue der entscheidende Maßstab.“ (S. 5).108 Vgl. ebenda, S. 164 und 174-176.

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festgehalten wird, „die in den Freiburger Thesen niedergelegte überbetriebliche Vermögensbildung weiterzuverfolgen.“109

Besonders deutlich wird die wieder erreichte Geschlossenheit der FDP im Einsatz für Freiwilligkeit, Nichtdiskriminierung von An-lageformen und betriebliche Mitarbeiterbeteiligung in „Eine Stra-tegie der Freiheit“ von Günter Verheugen, obwohl er als Vorsit-zender der Jungdemokraten in Nordrhein-Westfalen in besonderem Maße mit den Freiburger Thesen verbunden war. Der Zeitzeuge Jürgen Morlok leitet Verheugens Strategie als da-maliger Generalsekretär der FDP so ein: „Schon Verheugen stellte 1982 kurz vor seinem Übertritt in die SPD seine Forde-rungen in der Tradition des Sozialprogramms der FDP von 1952 unter die heute wieder so aktuelle Überschrift „Eine Strategie für den Frieden: Der liberale Königsweg zu mehr Selbstbestimmung in Wirtschaft und Gesellschaft heißt Vermögensbildung. Gemeint ist hier kein staatlich gefördertes Zwangssparen, sondern die di-rekte Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital und am Ertrag ihres Unternehmens.“110

Im Gesamtrahmen liberaler Programmatik zur Eigentumsordnung war also der in den Freiburger Thesen angestrebte Weg des Zwangs zur Abgabe für überbetriebliche Mitarbeiterbeteiligungen

109 Vgl. ebenda, S. 244.110 Günter Verheugen, zitiert in: Jürgen Morlok, Über Freiheit, Eigentum und die Zukunft der Demokratie, Positionspapier des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Potsdam 2009, S. 25. Vgl. dazu auch ders., Anstöße für eine Renaissance liberaler Vermögenspolitik, in: liberal, Heft 4, April 1982, S. 273 ff.

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nicht nur eine Ausnahme von den Grundsätzen der Freiwilligkeit und Nähe der Bürger zum Gegenstand ihrer Teilhabe. Der Weg der Zwangsabgabe passte auch nicht zum Grundverständnis li-beraler Ordnungspolitik, durch Änderung der rechtlichen Rah-menbedingungen und Wettbewerbsregeln an den Ursachen von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen anzu-setzen. Die in den FDP-Programmen als wichtigste erkannte Ur-sache dieser und anderer Fehlentwicklungen in der Marktwirt-schaft war Machtkonzentration, vor allem durch Fusionen bzw. Unternehmenskonzentration: Machtkonzentrationen also, die heute meist als zwingend angepriesen werden, um als „Global Player im Wettbewerb mithalten“ zu können.

Das Problem der Machtkonzentration ist das Thema bereits im Wahlaufruf von Theodor Heuss und Reinhold Mayer vom 14. Juni 1946, eine Lösung aber fehlt: “Der Mittelstand in Hand-werk, Handel und Gewerbe stand jahrzehntelang in Gefahr, Opfer des Großbetriebes zu werden.“111 Die wohl am radi-kalsten formulierte ordnungspolitische Lösung wird bereits in den „Programmatischen Leitsätzen der FDP Hamburg“ vom August 1946 gefordert:

„Zur Verteidigung der Wirtschaftsfreiheit und des Völ-kerfriedens ist gegen das Herrschaftsstreben finanzkapi-talistischer oder privatmonopolistischer Besitzgruppen das Hoheitsrecht des Staates einzusetzen. Die Verstaat-lichung bietet hierbei keine Lösung: sie bewirkt vielmehr

111 Abgedruckt in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 75.

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die tatsächliche Autonomie vergesellschafteter Wirt-schaftszweige in den Händen einer herrschsüchtigen Bürokratie. Dagegen vermag eine organisatorische Zer-legung von Kartellen und Konzernen, die nicht einem überwiegenden Rationalisierungszweck ihre Zusammen-fassung verdanken, mit der Verhinderung eines neuen Feudalkapitalismus die Entfaltung wagnisbereiter Per-sönlichkeitskräfte zu vermehren.“112

Ähnlich wird im Liberalen Manifest 1952 zur „sozialen Markt-wirtschaft“ gefordert: „Wettbewerb bedeutet nicht Freiheit für wirtschaftliches Raubrittertum. Gesetzliche Maßnahmen ste-hen nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen der Marktwirt-schaft.“ Gefordert wird, „dass bereits die Versuche wirtschaft-licher Zusammenschlüsse gegen die Interessen der Freiheit anderer, gegen die „Allgemeinheit“ und gegen „gleiche Wett-bewerbsvoraussetzungen“ „wirksam bekämpft werden.“ müssten 113

In den Wirkungen von Defekten der Wettbewerbsordnung auf den sozialen Bereich der Verteilung zeigt sich wiederum die „Interdependenz der Ordnungen“. Beim Weg zwangs-weiser Umverteilung von Beteiligungsrechten in den Frei-

112 Ebenda, S. 77f. Vgl. zu den sozialen Folgen und der Gefahr für die Freiheit durch Vermachtung auch Franz Böhm, Das Reichsgericht und die Kartelle, in: ORDO-Jahrbuch, Band 1 (1948), a.a.O., S. 211ff.; zum Kontext mit dem Ordnungsrahmen insgesamt – auch methodisch im Sinne von Mon-tesquieus „Vom Geist der Gesetze“ bei den Bezügen vgl. im selben Band Walter Eucken, S. 65f., 83ff.113 Vgl. Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 126.

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burger Thesen wird – wenn überhaupt – diese Interdepen-denz nicht hinreichend beachtet. Wäre diese Interdependenz gesehen worden, hätten sich die Freiburger Thesen auf die Wettbewerbsordnung konzentrieren müssen. Dann hätte der programmatische Verzicht auf Freiwilligkeit der Mitarbei-terbeteiligung nicht bezahlt werden müssen.

Diesem Preis einer Zwangsabgabe stand nicht einmal ein Nutzen für den Gedanken der Mitarbeiterbeteiligung gegen-über, auf längere Sicht auch nicht für die FDP. Wettbewerbs- und Mittelstandspolitik wäre also die Antwort auf das Pro-blem der Eigentumsordnung gewesen – wie in den Programmen der FDP vor und nach den Freiburger Thesen. 1971 zählte aber eine andere Interdependenz, die in der Po-litik viel häufiger verbreitet ist als die Interdependenz, die Eucken, Erhard oder Lambsdorff meinen: Es zählte damals für die FDP die Interdependenz von Außenpolitik und Ge-sellschaftspolitik, zu der auch die Fragen der Mitarbeiterbe-teiligung, Mitbestimmung und Erbschaftsteuer gehören. Für die gute Sache einer neuen Ostpolitik und Europapolitik brauchte die FDP damals die SPD, weil sich die Mehrheit der Union dafür zu lange verweigerte. Der neuen Außenpo-litik folgte eine neue Gesellschaftspolitik, die gut zum Koali-tionspartner SPD passte und von Walter Scheel so gedeu-tet wurde: „Die Veränderung der Außenpolitik war die Voraussetzung für die Freiburger Thesen zur Gesellschaftspolitik.“114

114 Walter Scheel, Für eine Gesellschafts- und Außenpolitik der Toleranz

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Der kurze – und in der politischen Umsetzung erfolglose – programmatische Versuch der Freiburger Thesen mit zwangsweiser Umverteilung bei der überbetrieblichen Mit-arbeiterbeteiligung könnte ordnungspolitisch allenfalls als diskutable, deswegen aber noch nicht richtige Politik des Zweitbesten eingeordnet werden. Denn die bestmögliche Politik konsequenter Wettbewerbspolitik wurde politisch nicht versucht. Tatsächlich hatte sich das Problem der Kon-zentration wirtschaftlicher Macht vor den Freiburger Thesen sogar verschärft; auf der anderen Seite waren die Fort-schritte bei der breiten Streuung von Vermögen beschei-den, speziell beim Produktivvermögen, aber es gab Fort-schritte bis Anfang der 70er Jahre. Nicht zwangsweise Umverteilung, sondern Wettbewerbspolitik wäre also die richtige ordnungspolitische Antwort gewesen.

Konzentration wirtschaftlicher Macht bedeutet im Sozialen, dass Gewinne nicht mehr systematisch „sozialisiert“ wer-den und dass sich vom Wettbewerb geschützte Großunter-nehmen relativ großzügige Mitarbeiterbeteiligungen erlau-ben können, nicht aber annähernd in diesem Maße die mittelständischen Unternehmen im umso schärferen Wett-bewerb. Dieser Preis der Unternehmenskonzentration für die Freiheit, für den sozialen Ausgleich und für eine mittel-

und Vernunft, in: Karl-Hermann Flach, Werner Maihofer, Walter Scheel, Die Freiburger Thesen der Liberalen, Reinbek 1972, S. 27; zitiert auch in Peter Juling, Einführung in die Dokumente, a.a.O., S. 45 und 87.

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ständische Kultur der Selbständigkeit wurde erst recht über-sehen, als die meisten Politiker nach Fusionen für mehr in-ternationale Wettbewerbsfähigkeit115 riefen. Das hat zu Interessenvertretern wie dem früheren BDI-Präsidenten Fritz Berg gepasst, der die harte Wettbewerbspolitik Lud-wig Erhards und der „Neoliberalen“ als „Interventionismus“ attackiert hatte.116

115 Damit wird die Bedeutung internationaler Wettbewerbsfähigkeit nicht verkannt. Aber gerade im Produzierenden Gewerbe, zunehmend auch bei Dienstleistungen, beweisen mittelständische Betriebe internationale Wett-bewerbsfähigkeit in vielen Bereichen, wenn auch nicht in Branchen wie der Schwerindustrie oder Automobilindustrie mit ihren immer wiederkeh-renden Problemen von Überkapazitäten: in jedem Staat gehegt, möglichst eingezäunt, deswegen aber noch nicht gut gepflegt. Betrachtet man auch in diesen Branchen die Input-Output-Struktur nach der Herkunft der zur Produktion des Endprodukts nötigen Güter nach Inland/Ausland, nach In-novationspotential und nach Unternehmensgrößenstruktur, dann erscheint so manche populistische Rede zum Schutz heimischer Arbeitsplätze in „Schlüsselindustrien“ schlicht lächerlich.116 Es ist ein Problem bei der Vermittlung liberaler Ordnung des Wett-bewerbs, dass sich in der Kritik an den „Neoliberalen“ und der „sozialen Marktwirtschaft“ ausgerechnet Vertreter von Spezialinteressen wie der BDI-Präsident Fritz Berg mit Ludwig von Mises, dem großen Vertreter einer liberalen Wirtschaftspolitik gegen staatliche Begünstigung von Son-derinteressen, trafen. Von den großen Wirtschaftsverbänden stand schon damals der DIHT auf der Seite der FDP und Ludwig Erhards, damals aber nicht der BDI. Zur Charakterisierung von Fritz Berg als Exponenten einer Politik gegen die Ordnung des Wettbewerbs und für Interventionismus vgl. den Offenen Brief Ludwig Erhards an den BDI-Präsidenten Fritz Berg vom 10. Juli 1952.

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So, wie die Freiburger Thesen zwar bei der Mitarbeiterbetei-ligung in der Kontinuität des liberalen Teilhabe-Gedankens stehen, bei dem Weg dahin aber mit der FDP-Tradition der Freiwilligkeit und der ordnungspolitisch besten liberalen Lö-sung brechen, kann dabei auch die gesamte Haltung zur „Ei-gentumsordnung“ charakterisiert werden: Die Freiburger Thesen greifen zunächst in ihrem Eigenverständnis sehr hoch – und wohl daneben: „Wir stehen heute am Anfang der zweiten Phase einer von der bürgerlichen Revolution ausge-henden Reformbewegung auch in der Gesellschaft, wie sie nicht zuletzt in den tiefgreifenden und nachhaltigen Bewußt-seinsveränderungen der weltweiten Jugendrevolte sich an-kündigt.“

Diese Größenordnung einer „zweiten Phase“ nach der er-sten Phase „bürgerlicher Revolution“ ab Mirabeau mag man je nach Geschmack noch so oder so bewerten, einschließ-lich der Wege zu mehr Mitarbeiterbeteiligung und ihrer zen-tralen Stellung in dieser „bürgerlichen Revolution“. Auch für den Bezug zur „weltweiten Jugendrevolte“ konnte man nur drei Jahre nach 1968 vielleicht noch Verständnis aufbrin-gen. Die Orientierung an „nachhaltigen Bewußtseinsverän-derungen“ im Sinne der Bewegung, die später als „Genera-tion der 68er“ oder „Apos“ bezeichnet werden sollte, war aber wohl schon 1971 gewagt; sie wurde jedenfalls als Ori-entierung für liberales Selbstverständnis schon damals von vielen Liberalen nicht geteilt, heute ohnehin nicht.117

117 Besonders deutlich wurde Guido Westerwelle in seinem vielbeachte-

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Zumindest an der Programmatik der FDP seit ihrer Grün-dung greifen die Freiburger Thesen vorbei, wenn die neue Gesellschaftspolitik mit „ihren praktischen Konsequenzen für die Eigentumsordnung (1. Teil), für die Vermögensbeteili-gung (2. Teil), für die Mitbestimmung (3. Teil)“ so angekün-digt wird: „Wie auf dem Felde der Bildungspolitik tritt der Soziale Liberalismus auch auf dem der Gesellschaftspolitik ein für die Ergänzung der bisherigen liberalen Freiheitsrechte und Menschenrechte durch soziale Teilhaberechte und Mitbestimmungsrechte“.118

Die in den Freiburger Thesen gewählte Sprache, aber auch der Inhalt der Wege zu einer „Reform des Kapitalismus“ bei Teilhabe, Mitbestimmung und Erbrecht könnten auch weni-ger positiv gedeutet werden. Denn das Lob der hohen Lei-stungsfähigkeit des „Kapitalismus“ für den Wohlstand ist bekannt aus dem Kommunistischen Manifest von 1848119 –wie die anschließende „Aber“-Kritik. Die Liberalen der Zeit vor dem neuen „sozialen Liberalismus“ der Freiburger The-

ten Buch „Neuland“, Kapitel „Über Apos und Opas“: „Die 70er sind inzwi-schen so lange her, so endgültig vorbei, so hanebüchen unmodern, dass sich ein Revival lohnt. Diese Zeit ist so unendlich weit von der entfernt, in der wir leben, dass es rührend nostalgisch, geradezu ‚kultig’ wirkt, sich mit den Moden und Manieren dieser vergangenen Epoche zu schmücken.“ Das wirtschaftspolitische Programm der FDP hat das sonst nie getan. Vgl. zum Zitat Guido Westerwelle, Neuland, München 1999, S. 33. 118 Freiburger Thesen, a.a.O., S. 44. 119 Manifest der Kommunistischen Partei, veröffentlicht im Februar 1848 in London, S. 4ff.

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sen zu bezichtigen, sie vertrauten auf „den Selbstlauf der privaten Wirtschaft“120, ist dabei der gebetsmühlenartig wie-derholte Vorwurf der „Sozialisten in allen Parteien“ an die Adresse der FDP. Dieser Vorwurf ist zugleich ein Zeichen für grobe Missverständnisse zum Gehalt marktwirtschaft-licher Ordnungspolitik in den Programmen der FDP vor den Freiburger Thesen, nicht nur bei der politischen Konkurrenz der FDP: In keinem Programm der FDP – ob in den allgemei-nen Teilen oder in speziellen wirtschaftspolitischen Pro-grammen seit 1946 – wird der „Selbstlauf der privaten Wirt-schaft“ auch nur für diskutabel gehalten.

Im Gegenteil: Erst im notwendigen Ordnungsrahmen für „den Markt“ – und das heißt immer: in den Spielregeln für die Bürger – kann so viel soziale Sicherheit und soziale Ge-rechtigkeit für alle Bürger erreicht werden, wie dies in einer Welt mit unvollkommenen Menschen möglich ist. Auch ex-plizit wird bereits in den Programmen der FDP vor den Frei-burger Thesen das Ziel „soziale Sicherheit und soziale Ge-rechtigkeit“ angestrebt: bei neoliberalen Wissenschaftlern wie Walter Eucken hervorgehoben als das „große Anliegen der Zeit“. Zu dieser Programmtradition der FDP findet man nichts in den Freiburger Thesen, verblüffenderweise aber Anklänge ausgerechnet an die problematische Position des Utilitarismus an zentraler Stelle, wo „private Wirtschaft und liberale Gesellschaft“ „dem größten Glück der größten

120 Freiburger Thesen, a.a.O, S. 51f.

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Zahl“ Benthams zu dienen hätten. Das sei ein altes Postulat „des Liberalismus“.121

Ein klares Bekenntnis zur sozialen Tradition der FDP vor den Freiburger Thesen wäre um so leichter gefallen, weil die großen Anliegen „soziale Sicherheit und soziale Gerechtig-keit“ damals von Liberalen noch verteidigt wurden gegen die Sinnentleerung der Sozialisten, verteidigt auch durch F.A. von Hayek. Nach rund 30 Jahren zwischen Sinnentlee-rung und neuer sozialistischer Sinngebung von „sozialer Ge-rechtigkeit“ als staatliche Umverteilung wurde es vom glei-chen von Hayek als „Wieselwort“122 zur Distanzierung freigegeben, statt seinen ursprünglich liberalen Gehalt zu verteidigen.

121 Ebenda, S. 54. Falsch ist jedenfalls die Behauptung, das Bentham-Zitat sei ein altes Postulat „des Liberalismus“. Zur Kritik der Neoliberalen am Utilitarismus und den falschen Etikettierungen vgl. Wilhelm Röpke, Brief an Oswald von Nell-Breuning mit Einladung zu einer Radio-Diskussion vom 22. Dezember 1954, a.a.O., S. 136f.122 Hayek dachte bei „Wieselwort“ daran, dass etwas „wieselt“, also kaum zu packen ist. Wenn Hayek entgegen seiner Position in „Der Weg zur Knechtschaft“ und „Die Verfassung der Freiheit“ in späteren Jahren selbst an der Sinnverschiebung von „soziale Gerechtigkeit“ teilhat, mag das an Formulierungen liegen, die für ein ausgewähltes Publikum attraktiv waren. Vgl. als Überblick zu diesen Fragen der Wirtschaftsordnung Hans Jörg Hennecke, Friedrich August von Hayek, a.a.O., S. 222ff.; Wilhelm Röpke, Brief an Alexander Rüstow zur ersten Sitzung der Mont-Pèlerin-Gesellschaft vom 24. April 1947, a.a.O., S. 96. Vgl. dazu auch die Zusam-menfassung von einem der prominentesten Gefolgsleute von Ludwig von Mises: Hans-Hermann Hoppe, Einführung: Ludwig von Mises und der Libe-ralismus, a.a.O., S. 28f. und 33f.

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Die starke Betonung von staatlicher Umverteilung in den Freiburger Thesen – über die Progression im Steuersystem und die Steuer-Zuschüsse an die Sozialversicherungen hi-naus – wird als notwendige Bedingung einer liberalen Ge-sellschaftsordnung gesehen. Das erschwerte der FDP die ordnungspolitische Verteidigung ihres Ziels „soziale Sicher-heit und soziale Gerechtigkeit“. Denn mit „Umverteilung“ wurde „sozial“ zum Wieselwort mit einem Inhalt, den die FDP nicht meinte. In den Programmen der FDP ist „sozial“ jedenfalls nie ein „Wieselwort“ gewesen, sondern hatte den konkreten sozialen Gehalt, den der Neoliberale Walter Eu-cken den „großen Anliegen der Zeit“ um 1949 gegeben hat-te.

Mehr noch als die härter zugreifende Besteuerung von Erb-schaften – mit Freibeträgen, einem Staffelsatz bis 22% und darüber einem Proportionalsatz von 75%123 – und mehr als das Modell der paritätischen Mitbestimmung, durch Kom-promiss (Leitender Angestellter) entschärft, ist es aber der Ton in Teilen der Freiburger Thesen, der von der sonstigen Programmatik der FDP abweicht:

„Die Tendenzen zur Akkumulation des privaten Kapi-tals, wie sie etwa in der Verzinsung des Geldes, aber auch in der Wertsteigerung des Bodens sichtbar werden, sind einem über Gewinnstreben und Markt-

123 Vgl. ebenda, S. 79ff.

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nachfrage gesteuerten Wirtschaftssystem ebenso eigentümlich, wie die Tendenzen zur Konzentration des privaten Eigentums an den Produktionsmitteln. Sie sind die Kehrseite der durch eben diese Mecha-nismen gesicherten Leistungsfähigkeit eines solchen Systems.“124

Bei so viel Berufung auf die liberale Aufklärung wie in der Einleitung der Freiburger Thesen125 verblüfft hier die be-hauptete Zwangsläufigkeit von Konzentration privaten Eigen-tums, von Vermachtung als der Marktwirtschaft „eigentüm-lich“: als ihre „Kehrseite“, mit Herrschaft „des Kapitals“ über die Menschen. Auch für die Bewertung von Inhalt und Sprache konkurrierender Partei-Programme z.B. in den Wahlkämpfen 2009 ist dabei die allzu fein geratene Abgren-zung der Freiburger Thesen von sozialistischen Positionen bei den Grundsätzen betrieblicher Mitbestimmung beispiel-haft: ein Unterschied ist kaum zu erkennen.

In der Erläuterung zu These 1 werden die „klassenkämpfe-rischen Thesen von Ausbeutung und Verknechtung der Lohnabhängigen“ zwar entschieden zurückgewiesen. In These 1 heißt es aber: „Verfügungsmacht über Sachen und Herrschaftsgewalt über Menschen bedürfen der Kontrolle durch Mitbestimmung, die der Entfremdung und der Fremd-

124 Freiburger Thesen, a.a.O., S. 52. 125 Vgl. ebenda, S. 43ff.

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bestimmung demokratisch entgegenwirkt.“126 Vielen Libe-ralen genügte diese feinsinnige Unterscheidung vom Voka-bular der Sozialisten offenbar nicht. Denn solche Formulierungen finden sich in keinem der FDP-Programme vor und nach den Freiburger Thesen.127

Marktwirtschaftliche Eigentumsordnung als Al-leinstellung 2009Das Alleinstellungsmerkmal in Fragen der Eigentumsord-nung, die Ablehnung von Verstaatlichungen, ging der FDP bis 2008 zum Glück für die Bürger vorübergehend verloren, ist aber seitdem wieder aktueller denn je. Denn auch alle anderen Parteien außer der Linken entfernten sich bis vor der Finanzkrise vom Ziel der Verstaatlichung von „Schlüs-selindustrien“. Nach dem Verpulvern von Steuergeldern für immer wirkungslosere „Konjunkturprogramme“ ab1966 wurde sogar die Privatisierung in der SPD populär, wenn auch nicht aus ordnungspolitischer Überzeugung. Vielmehr erschien Privatisierung als Notlösung, weil die Verschuldung in Kommunen, Ländern und Bund stetig stieg und weil hö-here Steuersätze nicht einmal mit den üblichen Robin-Hood-

126 Ebenda, S. 86.127 Noch im unmittelbar den Freiburger Thesen vorangehenden Wahlpro-gramm, der „Nürnberger Wahlplattform 1969“, unterscheidet sich nicht nur die Sprache zur Eigentumsordnung deutlich, sondern auch der zentrale Inhalt zur Umverteilung. Zur liberalen Vermögenspolitik wird dort überdeut-lich festgelegt: „Jegliche Maßnahme, die das Ziel hat, private Vermögen umzuverteilen, wird entschieden abgelehnt.“ (Nürnberger Wahlplattform 1969, ebenda, S. 23).

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Argumenten gegen „die Reichen“ an die Wähler zu bringen waren.

Erst mit den Wahlerfolgen der Linken wurden im Vorfeld des neuen Grundsatzprogramms der SPD Verstaatlichungen wieder populärer, wenn auch weitgehend vom Juso- und ATTAC-Flügel der Partei vertreten. In den vorbildlich breit angelegten und sehr gut besetzten Vorfeld-Diskussionen des neuen SPD-Grundsatzprogramms mit der Basis zeich-nete sich eine klare Mehrheit aber nur gegen Privatisie-rungen z.B. bei Gefängnissen ab, also im Bereich einer Auf-gabe, in der Staatsverantwortung in allen Parteien unumstritten ist: Ähnlich wie bei der Landesverteidigung geht es nur da-rum, wie viel vom wirtschaftlichen Betreiben der Gefäng-nisse kostensparend Privaten übertragen werden sollte. So blieb gegen Privatisierungen das immerhin betriebswirt-schaftlich diskutable Argument „Kein Verschleudern von Ta-felsilber!“ Denn es gibt auch rentable Staatsunternehmen und Staatsbeteiligungen, vor allem wenn sie gegenüber pri-vaten Konkurrenten privilegiert sind.

Die Logik komparativer Vorteile128, angewandt auf die Ar-beitsteilung zwischen Bürger und Staat, lässt aber selbst

128 Die Theorie der komparativen (= relativen) Vorteile wurde zunächst in der Außenwirtschaft entwickelt. David Ricardo machte sie durch das simple Portugal-England-Beispiel vertraut: Selbst das in beiden Produktio-nen – Tuch und Wein – bei den Produktionskosten unterlegene England kann mit Erfolg bei Freihandel mit Portugal konkurrieren. Es muss sich auf die Produktion spezialisieren, in der seine Unterlegenheit relativ („kompa-

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vom betriebswirtschaftlichen Argument gewinnbringenden Staatseigentums nur das Körnchen Wahrheit, das erst unter dem Mikroskop sichtbar wird. Übertragen auf die Staatsauf-gaben, entspricht die Logik komparativer Vorteile folgendem praktischen Beispiel: Der Oberamtsmann Welsch sei dem privaten Gärtner Schmitz als Gärtner überlegen, erst recht aber als Leiter eines Ordnungsamts: als „Produzent von In-nerer Sicherheit“. Selbst dann ist es für Welsch und Schmitz – und damit für alle Bürger – gewinnbringender, wenn der Oberamtsmann Welsch sich auf seine staatliche Hoheits-funktion spezialisiert und Schmitz auf die Gärtnerei: nicht ohne Hoffnung, dass er im vielzahligen Wettbewerb gerade in der Gärtnerei seine Gärtnertalente so verbessern kann oder muss, dass er den Oberamtsmann Welsch sogar als Gärtner übertreffen wird: auch absolut gesehen, nicht nur „komparativ“.

Ordnungspolitisch ist ohnehin klar, dass die Gärtnerei eben-so wie das Monopoly-Spiel mit Gaswerken, Bahnhöfen oder z.B. der „Schlossallee“ nicht Staatsaufgabe ist. Das gilt erst recht, solange der Staat nicht einmal seiner Rolle als „Nacht-

rativ“) gering ist, in Ricardos Zahlenbeispiel also Spezialisierung auf die Tuch-Produktion. Die Logik, die hinter der relativen Betrachtungsweise der Theorie der komparativen Vorteile steckt, war schon Adam Smith bei sei-nem Beispiel vom Handel zwischen England und Polen im „Wohlstand der Nationen“ geläufig. Nicht mit einem expliziten Modell, sondern mit der all-täglichen Hafen-Szene einer Anlandung polnischen Getreides verdeutlicht Adam Smith den relativen Vorteil Polens in der Getreideproduktion Vgl. Wealth of Nations (1776), a.a.O., 1. Band, 1. Buch, 1. Kapitel „Division of Labor”, S. 10; deutsche Recktenwald-Ausgabe 1999, S. 11.

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wächterstaat“ hinreichend gerecht wird, von der Sicherung der Freiheitsrechte und Teilhabe aller Bürger mit Chancen auf ein Leben in Freiheit und Eigenverantwortung ganz zu schweigen.129

Das Nein der FDP auch 2009 gegen Verstaatlichung als Lö-sung von Branchen-Problemen bedeutet ordnungspolitisch nicht, dass der Staat in diesem Bereich keine Aufgabe hät-te. So ist z.B. der Ordnungsrahmen eines leistungsfähigen Insolvenzrechts zugleich Präventionskonzept durch seine Sanktionen und eine Lösung durch Eigentumsübergang ohne zu hohe Anpassungskosten bei den Arbeitsplätzen im Falle, dass Prävention die Insolvenz nicht verhinderte. Vor allem ist die Institution und praktische Durchsetzung des ordnungspolitischen Haftungsprinzips eine bestmögliche Prävention gegen Konzentration und gegen das Aufstauen von Anpassungsdruck: Funktionsfähiger Wettbewerb ist durch den ständigen Zwang zur Umstellung auf neue Markt-bedingungen zwar äußerst unangenehm für die Wettbewer-ber, vermeidet aber systematisch Krisen wie die aktuelle Weltwirtschaftskrise und ihre gesellschaftlichen und wirt-schaftlichen Folgen.

129 Vgl. den Beschluss des Bundeshauptausschusses „Weniger Staat – mehr Eigenverantwortung. Für eine neue Arbeitsteilung zwischen Bürger und Staat“ vom 26. Februar 1994 in Hildesheim, S. 3ff., verfügbar in der Online-Bibliothek der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit >www.freiheit.org<.

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Wenn sich heute trotz lockender staatlicher „Schutz-schirme“ bei einem guten, aber verbesserungsfähigen deut-schen Insolvenzrecht kein neuer privater Eigentümer findet, der Chancen für unternehmerischen Erfolg sieht, dann ist auch nicht zu erwarten, dass der Staat als Eigentümer Erfolg haben kann: ohne dauerhafte Subventionierung auf Kosten der Arbeitsplätze in den konkurrierenden Unternehmen.130 Das gilt besonders im Falle von Branchenproblemen. Denn die falschen Produktionspaletten und Fusionen sind nicht durch die globale Finanzkrise entstanden. In ihrer tatsäch-lichen Größenordnung sind die Kosten unternehmerischer Fehlentscheidungen von Managern und Aufsichtsräten nur früher als ohne Finanzkrise aufgedeckt worden. Durch den daraus folgenden Nachfrage-Einbruch der Weltwirtschafts-krise wurden zusätzlich Arbeitsplätze gefährdet: zunächst in Branchen mit falscher Modellpolitik nicht nur bei Opel und mit strukturelle Überkapazitäten weltweit, dann über Domi-

130 Politisch – und das heißt vor allem in Wahljahren wie 2009 – bestä-tigt sich, was Gottfried Haberler zu den volkswirtschaftlich „von keinem Standpunkt aus haltbaren“ Argumenten für Staatshilfe speziell zum staatli-chen Zollschutz als Erfahrungssatz festhielt, der auch für den Grenzfall der Staatshilfe durch Verstaatlichung gilt: „Auf den Laien und den ‚Praktiker’ macht es immer großen Eindruck, wenn ihm die erfreuliche Wirkung von Zöl-len durch den Hinweis auf die Produktionssteigerung in den zollgeschützten Wirtschaftszweigen ad oculos demonstriert wird.“ Vgl. Der internationale Handel (1933), Reprint, Heidelberg, New York 1970, S. 179; zum Zahlungs-bilanzzusammenhang vgl. F.W. Meyer, Der Ausgleich der Zahlungsbilanz, Jena 1938: besser als fast jedes Lehrbuch; Hans Willgerodt, Kapitalbilanz und Devisenströme, in: Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, Festgabe für Alfred Müller-Armack, hrsg. von Franz Greiß und Fritz W. Meyer, Berlin 1961, S. 459ff.

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no-Effekte in fast allen Bereichen. Damit stieg die Arbeitslo-senquote in der OECD mit fast 10% auf den höchsten Stand seit den 70er Jahren. Das führte damals zur erfolgreichen Wende für marktwirtschaftliche Erneuerung zunächst in Neuseeland, den USA, Großbritannien, der Bundesrepu-blik, Kanada und Australien.

Beim Nein der FDP zur Verstaatlichung als Problemlösung machen selbstverständlich auch die Freiburger Thesen keine Ausnahme. Denn auch bei den später wie zuvor verworfenen Lösungsvorschlägen zur Reform der Eigentumsordnung durch staatlichen Zwang war das Ziel der Freiburger Thesen stets die Stärkung der Freiheit aller Bürger. Das bleibt Fixpunkt aller Programme der FDP zum privaten Eigentum als ein Frei-heitsrecht, das verpflichtet. Die Abkehr von Verstaatlichung, zum Teil verborgen unter dem gefälligeren Namen einer Ent-eignung durch „Vergesellschaftung“, gelingt der CDU nach dem Ahlener Programm (1947), der SPD durch die Wende zur Marktwirtschaft mit ihrem Godesberger Programm. Die-se Konvergenz in Fragen des Schutzes von privatem Eigen-tum hat nach 1949 weitere deutliche Positionierungen der FDP erübrigt.

Alles war gesagt im Beschluss „Bremer Plattform 1949“ des 1. Bundesparteitags vom 11. und 12. Juni 1949: „Die Freie Demokratische Partei würde das Gesetz, nach dem sie angetreten ist, aufgeben, wenn sie sich nicht mit allen Mitteln dafür einsetzen würde, dass von der Möglichkeit des Artikels 15 des Grundgesetzes (Enteignung; H.W.) kein

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Gebrauch gemacht wird.“ Entsprechend klar machte der Bundesvorsitzende Guido Westerwelle im ZDF-Interview vom 8. März 2009, dass Enteignung auch kein taugliches Mittel zur Sicherung von Arbeitsplätzen ist, als er zu Enteig-nungsplänen der CDU zusammenfasste: „Das schmerzt.“131

Bei den großen programmatischen Weichenstellungen der FDP wird zum wirtschaftspolitischen Programm oft der Drei-klang „Freiburger Thesen 1971 – Kieler Thesen 1977 – Wen-de-Beschluss des FDP-Präsidiums 1982“ genannt.132 So-weit die „Kieler Thesen – Wirtschaft im sozialen Rechtsstaat“ eine erneute Kursbestimmung der FDP in der Ordnungspo-litik sind, gilt das eindeutig für die Eigentumsordnung: Beim Schutz privater Eigentumsrechte wird dauerhaft bis heute auf die Verschärfung der Erbschaftsteuer ebenso verzichtet wie auf eine Ausweitung paritätischer Mitbestimmung und Zwangsabgaben für überbetriebliche Mitarbeiterbeteiligung.

Stattdessen werden Freiwilligkeit bei der möglichst breiten Streuung von Vermögen und Produktivkapital angestrebt wie in allen Wirtschaftsprogrammen zuvor: Das Wachstum privater Vermögen und des Volksvermögens hat aber Vor-rang vor der Verteilung des Vermögens. In These 8 zum „Verteilungsausgleich“ klingt es noch kryptisch: „Vermö-

131 Bremer Plattform 1949, abgedruckt in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 94. 132 So auch im Band zu 60 Jahren FDP unter dem Titel „Die Kraft der Frei-heit“, hrsg. von Wolfgang Gerhardt, Interview mit Otto Graf Lambsdorff, a.a.O., S. 86ff.

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genspolitik [...] kann langfristig der Ergänzung der Vertei-lungspolitik um eine kostenneutrale Komponente dienen. Sie ist daher ein wichtiger Bestandteil liberaler Wirtschafts-politik.“ Von Pflichtabgaben und Einspeisung erhöhter Erb-schaftsteuer in überbetriebliche Mitarbeiterbeteiligung ist aber nicht mehr die Rede.

Das Gegenteil steht – nach Textseiten weit entfernt, aber inhaltlich nahe, konkret und nicht mehr kryptisch – im sechs-ten Abschnitt „Einkommens- und Vermögensverteilung aus liberaler Sicht“:

- These 1 betont die Leistungsbezogenheit und Gleichheit der „Chance [...], Leistung zu erbringen“.

- These 2 setzt gegen jede Verzerrung einer leistungsge-rechten Verteilung wieder auf die beste Politik offener Wettbewerbsmärkte statt auf staatlichen Zwang.

- These 3 rückt von der unkritischen Übernahme vertei-lungspolitischer Behauptungen wie im „Sozialbericht 1970“ in den Freiburger Thesen ab und fordert „eine umfassende und detaillierte Darstellung der vorhandenen Einkommens- und Vermögensverteilung und deren Veränderung als Grundlage der Verteilungspolitik.“

- These 4 fasst die ungebrochene Kontinuität liberaler „Ver-mögensbildung als Aufgabe“ zusammen: „Freiheit braucht Eigentum. Eigentum schafft Freiheit. [...] Erst durch breite

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Vermögensbildung wird freie Eigentumsordnung men-schenwürdig und glaubhaft.“

- In These 5 wird gegen Pflichtabgaben für überbetriebliche Mitarbeiterbeteiligung am Produktivvermögen „individu-elles Sparen“ ohne Diskriminierung der Anlageform be-tont: „Liberale Verteilungspolitik fördert die individuelle Anlage von Sparmitteln in Produktivvermögen.“ Als Mittel werden nur die Beseitigung steuerlicher Hemmnisse und der Schutz von Kleinaktionären bei Fusionen angeführt.

- In These 6 wird die Stärkung von Risikokapital durch Spar-kapital und dabei die Gleichbehandlung der Anlageformen gefordert: „[...] auch müssen Wettbewerbsverzerrungen zwischen den unterschiedlichen Anlagemöglichkeiten ab-gebaut werden.“133

Das Problem der unbefriedigenden Bildung und Streuung von Vermögen einschließlich Produktivvermögen nach 1970 bleibt nicht nur ein Problem für das Anliegen einer freiheit-lichen Teilhabe-Gesellschaft, wie sie in den FDP-Program-

133 Vgl. Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., S. 293 und 306f., in Kurzform wiederholt in „Liberale Standpunkte 1978“ als Ergebnis der in Kiel eingesetzten Kommission, in der nun auch offiziell neben höchstran-gigen Führungspersönlichkeiten der FDP Wolfgang Stützel Kommissions-mitglied war: die direkte personelle Verbindung zu Otto Graf Lambsdorffs „Wende“ von 1982 als Gründungsmitglied des dafür geschaffenen „Kron-berger Kreises“ für konkrete Wende-Konzepte in allen Politikbereichen, Stützel vor allem für Steuer- und Sozialpolitik.

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men von Anfang an angestrebt wird. Die Folgen der Welt-wirtschaftskrise werden die Kapitalbildung und möglichst breite Streuung von Vermögen durch Vermögensverluste noch stärker zurückwerfen, als sich dies das letzte Mal nach dem New-Economy-Schwindel Anfang der 2000er Jahre in den Vermögensstatistiken der Deutschen Bundesbank nie-derschlug: nun nach der Finanzkrise, ausgelöst durch die geplatzte Immobilien-Blase in den USA.134 Heute besteht gegen diesen Trend aber auch eine Chance, dass Unterneh-men freiwillig ihren Mitarbeitern mehr Beteiligungskapital anbieten, z.B. über Entgeltumwandlung – oder freiwillig aus der Not der Krise heraus wie im Falle des Familienunterneh-mens Schaeffler nach der Übernahme von Continental im-merhin erwogen.135

Auch wenn aus Krisen so wenig gelernt wird wie aus der Bibel zu Josephs fetten und mageren Jahren in Ägypten, dürften Enteignungen im Gegensatz zum Problem der Teil-

134 Vgl. Otto Graf Lambsdorff, Mehr Beteiligungskapital - mehr Marktwirt-schaft, a.a.O., S. 24ff.; dazu auch die Vorworte von Jürgen Morlok zu den beiden Auflagen S. 5ff. 135 Hans-Ulrich Jörges regt darüber hinaus an, Unternehmen mit Steuer-mitteln nur unter der Bedingung zu helfen, dass sie Beteiligungstitel an ihre Mitarbeiter abgeben. Spätestens bei der Konkretisierung dürfte sich auch dieser mittelbare Zwang zur Mitarbeiterbeteiligung als problematisch erwei-sen. Jörges ordnet den Gedanken der Mitarbeiterbeteiligung als Element der Sozialen Marktwirtschaft korrekt auch Ludwig Erhard zu. S. 29ff., vgl. Hans-Ulrich Jörges, Kapital für alle! Stern vom 5. März 2009. Zum Problem der Machtkonzentration in der Industrie vgl. Jan B. Rittaler, Industriekon-zentration und Macht, in: liberal, Heft 4/November 1986, 29ff.

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habe aller Bürger nur Episode bleiben. Selbst die Linke gibt sich wie 1946 relativ zur SPD und Teilen der Union bei Ent-eignungen bzw. Verstaatlichungen recht zurückhaltend, wenn auch nicht mehr ganz so zurückhaltend wie in der kleineren Finanzkrise Anfang der 2000er Jahre. 2005 ant-wortete das WASG-Vorstandsmitglied Klaus Ernst auf die Frage zur Haltung der Linken in Sachen „Sozialisierung von Betrieben“ zwar ausweichend, dafür aber voll zum Kernpro-blem der Eigentumsordnung von Demokratie und Marktwirt-schaft: „Der Gedanke über Kapitalismus überwindende Projekte ist sicher nicht falsch. Gegenwärtig hilft er nicht weiter.“

Die umfassendste Positionierung der FDP zur liberalen Ei-gentumsordnung nach den Freiburger Thesen – und mit aus-drücklichem Bezug zu den Zielen der Freiburger Thesen –fasst das Programm der FDP zur Bundestagswahl 1994 unter der Überschrift „Mehr Freiheit durch Eigentum“ zu-sammen:

„Die F.D.P. bekennt sich zum Schutz und zur För-derung privaten Eigentums als Grundlage einer libe-ralen Gesellschaftsordnung. Das Recht auf Eigentum gehört zu den klassischen Menschen- und Freiheits-rechten. Persönliches Eigentum ist unabdingbare Vo-raussetzung für die Sicherung und Gestaltung der Freiheit. Es schafft den notwendigen Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Betätigung unabhän-giger Persönlichkeiten. Die Feststellung der Freibur-

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ger Thesen, daß Freiheit Eigentum braucht und Ei-gentum Freiheit schafft, ist universell gültig.

Die F.D.P. sieht in der Möglichkeit, privates Eigentum zu erwerben, eine zentrale Freiheitsfrage. Sie setzt sich dafür ein, allen Bürgern den Erwerb und den Schutz von Eigentum in all seinen Formen: Haus- und Grundbesitz, unternehmerisches Eigentum, Kapital-vermögen und geistiges Eigentum, so leicht wie mög-lich zu machen. Wir wollen kein ‚Volkseigentum’, kei-ne Kapitalkonzentration in den Händen weniger Banken, Konzerne und Gewerkschaften, sondern ein breit gestreutes Eigentum. Die Garantie des Eigen-tums muß für den Menschen verläßlich sein. Ihre zu-kunftsgerichtete Funktion liegt darin, dem Bürger Rechtssicherheit bei den verfassungsmäßig ge-schützten Gütern zu verschaffen und das Vertrauen auf das gesetzlich ausgeformte Eigentum zu schüt-zen. Nur dann wird der einzelne bereit sein, in sein Eigentum zum eigenen Nutzen und damit auch zum Nutzen der Allgemeinheit zu investieren. Die Stär-kung des Eigentums ist in vielen Bereichen unserer gesellschaftlichen Ordnung dringend geboten, um die Freiheitschancen der Menschen auch in Zukunft zu sichern. Die Forderung gilt vor allem für die Bür-ger in den ostdeutschen Ländern, in denen aufgrund der Benachteiligungen während des eigentumsfeind-lichen Regimes des Sozialismus besondere Förde-

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rungen jetzt und zukünftig notwendig sind [...]“. (Her-vorhebung im Original).136

Speziell zur Teilhabe durch Mitarbeiterbeteiligung bestimmt das aktuelle Grundsatzprogramm der FDP die Position der FDP unter den Überschriften „Bürger sind Teilhaber der Wirtschaft: Die Soziale Marktwirtschaft“ und „Arbeitneh-mer als Teilhaber des Betriebes“, ausgehend vom Men-schenbild mit verbindendem „Wir“:

„Arbeit macht einen wesentlichen Teil des Lebens und unserer Identität aus. Wer Teilhabe der Arbeit-nehmer ausschließlich als Mitbestimmung durch Funktionäre versteht, wird der Zukunft nicht gerecht. Mitarbeiter sollen zu Mitunternehmern werden. Dem Recht auf Privateigentum unserer marktwirtschaft-lichen Grundordnung wird durch die geringe Eigen-tumsquote in der Realität in vielen Bereichen nicht entsprochen. Insbesondere bei der Beteiligung am Produktivvermögen liegen Zukunftschancen brach. Die große Schere zwischen Brutto- und Nettolohn verhindert Eigentumserwerb und private Eigenvor-sorge. Geringes Eigenkapital gefährdet Betriebe,

136 >www.fdp.de< S. 24. Die Programme der FDP ab Juni 1990 liegen nicht mehr in der Buchform der beiden Kaack-Bände und der beiden Bände „Das Programm der Liberalen“ von 1979 und 1990 vor, sind aber überwie-gend in der Online-Bibliothek über die Homepage der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und über die Homepage der FDP verfügbar: >www.freiheit.org< und >www.fdp.de<.

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und flächendeckende Tarifverträge nehmen den Spielraum für eine betriebliche Lohnfindung. Mitar-beiterbeteiligungen am Produktivvermögen können dagegen Bündnisse für Arbeit in den Betrieben sein. [...]

Voraussetzung für eine wirksame Beteiligung am Produktivvermögen sind die Freiwilligkeit der Verein-barung in den Betrieben und die Wahlfreiheit der An-lageform. Gesetzlicher Zwang oder Zwang durch Flä-chentarifvereinbarungen für Mitarbeiterbeteiligungen werden den unterschiedlichen Möglichkeiten der ein-zelnen Betriebe nicht gerecht, Darum sind in den Flä-chentarifverträgen grundsätzlich Öffnungsklauseln für Mitarbeiterbeteiligungen, die Teile des Tariflohns ersetzen können, vorzusehen. „Ob ‚Sparlohn statt Barlohn’, Gewinnbeteiligung oder Investivlöhne – die jeweiligen Formen der Mitarbeiterbeteiligung sollen Vereinbarungen zwischen Geschäftsführung und Be-legschaft überlassen bleiben. [...] Bestehende, er-folgreiche Modelle der Mitarbeiterbeteiligung bei Be-trieben unterschiedlicher Größe weisen den Weg in eine liberale Wirtschaftsordnung von Teilhabern.“137

137 Wiesbadener Grundsätze - Für die liberale Bürgergesellschaft, a.a.O. (im Internet: >www.fdp.de<), S. 24ff. Zu Beispielen für die Vielfalt maß-geschneiderter, erfolgreicher Modelle vgl. Otto Graf Lambsdorff, Mehr Beteiligungskapital, a.a.O., S. 36ff.; zu den Staatsaufgaben bei der Ver-mögensbildung und breiten Streuung – und zu dem, was der Staat lassen muss – vgl. S. 49ff.

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Entsprechend fasst der Beschluss „Freiheit, Fairness, Chan-cen“ von 2007 in der Phase der Arbeit an konkreten Teilha-be-Konzepten knapp zusammen: „Die freiwillige Beteiligung von Mitarbeitern an der Gewinnentwicklung ihres Unterneh-mens ist auszubauen. Sie stärkt ihre Identifikation mit dem Unternehmen. Gewinnbeteiligungen, die in Form der be-trieblichen Altersvorsorge ausgestaltet werden, sollen da-her über die Regeln der Entgeltumwandlung gefördert wer-den. Dadurch wird die notwendige betriebliche Altersvorsorge weiter ausgebaut, ohne die sozialen Siche-rungssysteme zu belasten.“ In diesem Sinne fordert die FDP auch im Entwurf des Wahlprogramms 2009 mit Schwer-punkt auf die Altersvorsorge den Teilhabe-Gedanken.138

In der Weltwirtschaftskrise 2009 ist die Eigentumsordnung mit „Vorrang für das Private“ in Deutschland bedroht. Damit diese Bedrohung nicht zur Gefahr für die Freiheit wird, muss die FDP erneut die Standhaftigkeit beweisen, die bei den Wahlen in Hessen, Bayern und bei der Europawahl mit Stim-men honoriert wurde, nun auch bei der Bundestagswahl 2009. Denn die FDP steht in ihrer programmatischen Tradi-tion am klarsten für eine freiheitliche Eigentumsordnung und Sicherung von Arbeitsplätzen ohne Enteignungen für die Bür-ger. Für die Garantie einer freiheitlichen Eigentumsordnung

138 Freiheit, Fairness, Chancen, Beschluss des 58. Ord. Bundespartei-tages vom 15.-17. Juni 2007 in Stuttgart, >www.fdp.de<, S. 10f. Zum Wahl-programm 2009 „Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm der Freien De-mokratischen Partei“, >www.fdp.de<, S. 16f.

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sprechen aber vor allem die Garantien, die Montesquieu in seiner Ordnungstheorie der „Bezüge“ bzw. Interdepen-denzen von Recht bzw. Gesetzen zum gesamten Ordnungs-rahmen im „Geist der Gesetze“ durchdekliniert. 139

Plastisch eingekleidet in die CNN-Karikatur vom „Rock Oba-ma“ heißt das, was Walter Eucken in der Nachfolge von Mon-tesquieu zu den Rahmenbedingungen einer freiheitlichen Ei-gentumsordnung fordert: Wenn ausgerechnet in den USA und Großbritannien, für die Linken die Prototypen von übelstem „Neoliberalismus“, anscheinend mit so lockerer Hand vorü-bergehend verstaatlicht wird, dann heißt das bei Beachtung der „rechtlichen und sozialen Organisation“140 in den USA im Vergleich zu Deutschland: Gemäß Montesquieus „Bezügen“ bewahrt vor Schlimmem die Eigentumskultur der Bürger in den USA, so dass Obama wie ein Fels erscheinen kann, an dem die dümmlich-frechsten Forderungen von Sonderinte-ressen wie z.B. von AIG zerschellen.141 Unter Montesquieus

139 Vgl. zur Rolle der „Bezüge“ („rapports“) in der Ordnungstheorie, ange-wandt vor allem von Walter Eucken, Montesqieu, Vom Geist der Gesetze (1748), als Methode über das gesamte Jahrtausendwerk, a.a.O.; hilfreich ist dabei auch die Einleitung des Übersetzers der Reclam-Ausgabe Kurt Weigand, S. 7ff.140 Vgl. dazu Walter Euckens „Die Daten“ in: Die Grundlagen der National-ökonomie (1939), 8. Auflage, Berlin, Heidelberg, New York 1955, S. 136f., 156, 166ff. und 220f. mit dem Beispiel eines Vergleichs von Traditionen in den USA und Deutschland. 141 Vgl. CNN vom 10. März 2009. Steuergelder der amerikanischen Staatsbürger wurden übrigens in Milliarden-Höhe von der Versicherung AIG vertragsgemäß an die Deutsche Bank weitergeleitet. Bei den wahl-

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„Bezügen“, die spezifisch für Deutschlands politische Kultur gelten, wird man sich in der Frage der Eigentumsordnung da-gegen auf die FDP verlassen müssen.

3. Wettbewerb auf offenen Märkten

Auf dem Weg über den Wettbewerb wird – im besten Sinne des Wortes – eine Sozialisierung des Fortschritts und des Gewinns bewirkt und dazu noch das persönliche Leistungsstreben wachgehalten. (Ludwig Erhard, Wohlstand für alle (1957))

Das wirtschaftspolitische Programm der FDP folgt bei den Rahmenbedingungen für eine privatwirtschaftliche Eigen-tumsordnung den Ordnungszusammenhängen der Markt-wirtschaft: Geldwertstabilität muss nicht nur die Funktions-fähigkeit marktwirtschaftlicher Lenkung über das Preissystem absichern, sondern speziell auch den Wert pri-vaten und öffentlichen Vermögens erhalten helfen. Offene Wettbewerbsmärkte der Freiheit und Haftung müssen pri-mär die Funktionsfähigkeit des Preissystems für Innovation und sparsamen Umgang mit knappen Ressourcen sichern; sie schützen aber zugleich vor Machtkonzentration, die auf Kosten breiter Streuung des Vermögens geht. Wettbe-werbsmärkte fördern „Vermögen für alle“ auch durch die

kampftypischen Statements zu General Motors – Opel wird das ausge-blendet, Mindestanforderung: Steuergelder für Subventionen müssten schollenfest im Inland bleiben. Das mag für die kurze Frist politisch klug sein – wenn auch praktisch unmöglich – bleibt aber nur dann klug, wenn der so bereiteten Stimmung keine protektionistischen Taten folgen.

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„gesellschaftliche Aneignung privater Leistungserfolge als Grundelement der wettbewerblichen Marktwirtschaft“.142

Besonders wichtig ist die Interdependenz der marktwirt-schaftlichen Prinzipien zwischen privatem Eigentum und Wettbewerb auf offenen Märkten. Die Wettbewerbsord-nung braucht Privateigentum, sichert zusammen mit der Geldverfassung privates Eigentum aber auch gegen Ver-machtung und Konzentration von Eigentum und Vermögen. Walter Eucken fasst die von Karl Marx und den Sozialisten in allen Partein übersehenen Bezüge von Wettbewerbsord-nung, Währungsverfassung und Eigentumsordnung so zu-sammen:

„Die wesentliche Frage ist, ob sich Marktformen und Geldsysteme realisieren lassen, in denen ‚Ausbeu-tung’ unmöglich ist, die mithin nicht zur Vermachtung führen, und in denen der Gesamtprozeß ins Gleich-gewicht gebracht wird. Anders ausgedrückt: wie kann Privateigentum zu einem ökonomisch und sozial brauchbaren In-strument des Ordnungsaufbaus werden? ... Nur im Rahmen der Wettbewerbsordnung gilt der vielgenannte Satz, dass Privateigentum nicht nur dem Eigentümer, son-dern auch dem Nichteigentümer Nutzen bringe.“ (Hervorhebung durch Eucken; H.W.)143

142 Hans Willgerodt, Die gesellschaftliche Aneignung privater Leistungs-erfolge, a.a.O., S. 687ff.143 Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 273f. Vordenkern der Freiburger Thesen scheint nicht – oder nicht mehr (Karl-

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Das heißt im Gesamtzusammenhang des FDP-Programms einer Ordnung in Freiheit: Freiheit braucht privates Eigentum in den Grenzen, die Wettbewerb auf offenen Märkten, das Haftungsprinzip und der Anstand setzen. Es gehört daher zur traurigen Wahrheit für die FDP, dass ausgerechnet ein so großer Liberaler und Intellektueller wie Karl-Hermann Flach in Fragen der Eigentumsordnung einen negativen Ein-fluss auf die Freiburger Thesen von 1971 haben konnte, der fruchtbar hätte sein können: bei Beachtung der Interdepen-denz der Prinzipien „Privateigentum“ und „Wettbewerb“. Flachs große Leistungen für die Freiheit und für die FDP, aber auch das Bemühen um den „lieben Parteifrieden“ er-klären, warum heute aus den Freiburger Thesen und von Flach meist sorgsam nur zitiert wird, was zur Umweltvorsor-

Hermann Flach) – bewusst gewesen zu sein, dass diese ordnungspoli-tische Aufgabenstellung im Geiste der liberalen Klassiker bereits alle „bür-gerlichen“ Programme der FDP vor den Freiburger Thesen ausdrücklich bestimmt hatte. In den Freiburger Thesen wird aber im Gegensatz zu den Programmen vor und nach den Freiburger Thesen bei der Eigentumsord-nung die Marktmacht offenbar als politisch unabänderliches Datum hinge-nommen, als sei Vermachtung tatsächlich zwangsläufig mit „Kapitalismus“ verbunden. Nur dann macht es zumindest formallogisch Sinn, für Frei-heitsrechte aller Bürger an zwangsweise Umverteilung des konzentrierten Produktivitätsvermögens zu denken: statt – wie von der FDP zuvor und danach – aktive Wettbewerbspolitik gegen Marktmacht und Konzentration zu fordern. Den von der FDP stolz mitgestalteten Härtungen des Kartellge-setzes traute man 1971 offenbar nichts gegen deterministisch angehauchte Zwangsläufigkeitslehren zu, wie man sie sonst bei Sozialisten findet, aber auch im Wiener Umfeld von Schumpeters Gedanken der Selbstzerstörung des „Kapitalismus“. Ordnungspolitik kam jedenfalls zu kurz.

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ge und zur Bildung die Freiburger Thesen und die FDP ziert – oder der frische Geist neuen Aufbruchs und liberaler Standfestigkeit in schwerer See 1971, 1982, 1897 und 2009.

Guido Westerwelle hat präzise angesprochen, worum es den Bürgern 1997 noch immer ging, als er Karl-Hermann Flachs Rede vom Freiburger Bundesparteitag 1971 zitierte: Die Lösung der Probleme werde ungefähr in der Richtung der Freiburger Thesen erfolgen. Das habe 1997 „nichts an Aktualität eingebüßt. Reformen sind angesichts der großen Arbeitslosigkeit, eines unfinanzierbar gewordenen Staates, brüchig gewordener sozialer Sicherungssysteme, offen-sichtlich dringlich.“144 Zu diesen Problemen der Bürger stehen weder Fragen noch Lösungen in den Freiburger Thesen. Da-rum ist es die Aktualität der Wiesbadener Grundsätze der FDP145, an der alle wirtschaftspolitischen Programme der

144 Guido Westerwelle, Was heißt heute liberal?, in: Von der Gefälligkeits-politik zur Verantwortungsgesellschaft, a.a.O., S. 11. Westerwelle geht ei-nige Seiten später auch auf die wegweisenden Forderungen der Freiburger Thesen zur Umweltvorsorge ein und verdeutlicht dabei, was liberale Stand-festigkeit beim Bohren dicker Bretter bedeutet: Das Schnellboot FDP kön-ne beim Verbot der staatlichen Netto-Neuverschuldung „sicherlich nicht die verfassungsändernde Mehrheit im Deutschen Bundestag herbeiführen. Aber sie konnte dies auch 1971 nicht, als sie in den Freiburger Thesen gefordert hatte, den Umweltschutz als Staatsziel ins Grundgesetz aufzu-nehmen. Diese Mehrheit zu erreichen hat fast 25 Jahre gedauert.“ (S. 15). 145 Auf dem 60. Ord. Bundesparteitag 2009 in Hannover beschloss die FDP für 2012 ein neues Grundsatzprogramm „in der Fortschreibung der Wiesbadener Grundsätze“, das also die Wiesbadener Grundsätze auf neue Herausforderungen anwenden soll (>www.fdp.de<, FDP-Grundsatzpro-gramm 2012).

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FDP bei ihrer Lösung für Arbeitsuchende, Steuerzahler, wirtschaftlich Schwache und für kommende Generationen zu messen sind.

Chancen und Probleme einer Wirtschaftspolitik der Wettbe-werbsordnung sind schon am 49. Geburtstag von Ludwig Erhard von der FDP der Britischen Zone zusammengefasst in „Programmatische Leitlinien“ vom 4. Februar 1946 in Syke:

„Persönliche Initiative und freier Wettbewerb stei-gern die wirtschaftliche Leistung, und persönliches Eigentum ist eine wesentliche Grundlage gesunder Wirtschaft. Andererseits darf jedoch die Freiheit der Wirtschaft nicht unsozial mißbraucht werden und nicht zur Übermacht der Überstarken führen. Das Recht und die Möglichkeit der Kleinen, sich neben den Großen zu behaupten, muß ebenso gesichert sein wie das Recht derer, die ihr Leben nicht in Selb-ständigkeit, sondern als Mitarbeiter in großen und kleinen Betrieben verbringen.“146

Eine erste Antwort auf dieses Problem gibt das wirtschafts-politische Programm der FDP Hamburg in „Programma-tische Leitsätze“ vom August 1946 recht drastisch und mit einer weltwirtschaftlichen Perspektive, die Weitblick aus li-beraler Tradition beweist: „Zur Verteidigung der Wirtschafts-

146 Vgl, Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 71.

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freiheit und des Völkerfriedens“ wird nicht „Verstaatlichung“, sondern die „organisatorische Zerlegung von Kartellen und Konzernen“ gefordert. Deutschland sei „verpflichtet zu ebenso anstrengenden wie wagemutigen Bemühungen um eine neue Verknüpfung zwischenstaatlicher Wirtschaftsbe-ziehungen. Ihr Endziel ist die Wiedergeburt einer im Wettbe-werb der Leistungen freien Weltwirtschaft.“147

Mit der Übergabe des von einem Sachverständigen-Aus-schuss verfassten „Josten-Entwurfs“ zum Schutz des Wettbewerbs an Ludwig Erhard am 5. Juli 1949 ist der Grundstein für die deutsche Wettbewerbspolitik nach dem Kriege und für das Bundeskartellamt und später die Mono-polkommission gelegt.148 Nach der Konzentration des ersten Bundesparteitages vom 11. und 12. Juni 1949 in Bremen auf Ostdeutschland und die Integration von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen sind es „Das Liberale Manifest“ von 1952 und das „Wirtschaftsprogramm 1953“, die eine aktive Wett-bewerbsordnung in den Gesamtrahmen der Eigentumsord-

147 Vgl. ebenda, S. 77ff. und oben, S. 77f. und 79. 148 „Entwurf zu einem Gesetz zur Sicherung des Leistungswettbewerbs und zu einem Gesetz über das Monopolamt mit Stellungnahme des Sach-verständigen-Ausschusses und Minderheitsgutachten“. Vgl. als kritischen Überblick von den Anfänge der Wettbewerbspolitik bis zur vor allem von Wolfgang Kartte beeinflussten „neuen Wettbewerbspolitik“ der Regierung Brandt Erich Hoppmann, „Neue Wettbewerbspolitik“ – Vom Wettbewerb zur staatlichen Mikrosteuerung, Bernhard Pfister zum 70. Geburtstag ge-widmet, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik. Band 184, Heft 4-5, September 1970, S. 397ff.

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nung, Währungs- und Finanzmarktverfassung, Steuer- und Mittelstandspolitik stellen.149

Das bleibt so in allen Wahlprogrammen der FDP und in den Grundsatzprogrammen; nur in den Freiburger Thesen spielt die Wettbewerbspolitik keine Rolle. Umso kräftiger wird die Not-wendigkeit konsequenter Wettbewerbspolitik einschließlich Fu-sionskontrolle ein Jahr später in der Europapolitik hervorgeho-ben.150 Nach dem politischen Erfolg der Novellierungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen („Kartellge-setz“) unter Ludwig Erhard vom 3. Januar 1966 und die sozial-liberale Koalition vom 3. August 1973 steht die Wettbewerbs-politik wieder im Mittelpunkt des wirtschaftspolitischen Programms im Wahlprogramm 1976 unter der Überschrift „IV. Eine freie Gesellschaft braucht eine Wirtschaftsordnung, die der Freiheit des einzelnen, der Chancengleichheit und der sozi-alen Sicherheit aller dient.“ Der ordnungspolitische Gesamtzu-sammenhang ist wieder hergestellt. 151

Im Detail hat die FDP, nun unter der Abkürzung „F.D.P.“, die Weichen für eine konsequente Politik der Wettbewerbsord-nung bereits 1969 im Nürnberger Beschluss des 20. Ord. Bundesparteitages „Praktische Politik für Deutschland – Das Konzept der F.D.P.“ gestellt. Die Hauptsätze von Kapi-tel III „Wirtschaftspolitik des Fortschritts“:

149 Vgl. ebenda, S. 126f. und 133ff.150 Vgl. Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., Thesen des Bundes-vorstandes für eine liberale Europapolitik 1972, S. 161f.151 Vgl. ebenda, S. 247ff.

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„Ein freiheitlicher Staat braucht eine freiheitliche Wirtschaftsordnung. Wie in der politischen, so müs-sen auch in der wirtschaftlichen Ordnung die fort-schreitende Entwicklung des Ganzen und die Teilnah-me des einzelnen gewährleistet sein. Dies leistet nur die Marktwirtschaft. [...] Ein wirksamer Wettbewerb kontrolliert und begrenzt die wirtschaftspolitische Macht.“152

Mit der Kapitel-Überschrift knüpfte die FDP in einer Zeit großer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verände-rungen bewusst an einer der traditionellen Bezeichnungen für liberale Parteien als „Fortschrittspartei“ an, wie dies bei flämischen und niederländischen Liberalen im Parteinamen erhalten blieb, im Deutschen Reich seit 1861 als „Deutsche Fortschrittspartei“, danach neben „Deutsche Freisinnige Partei“ (1884) gleicher Fortschrittsorientierung und nach 1910 „Fortschrittliche Volkspartei“ als Zusammenschluss von „Freisinnige Volkspartei“, „Freisinnige Vereinigung“ und „Deutsche Volkspartei“.153 In diesen Namensgebungen, Aufspaltungen und Vereinigungen wird auch die enge Ver-bindung zwischen Freisinn und Fortschritt deutlich, die in die Zeit nach Bob Dylans „The Times they are A-Changin’“

152 Nürnberger Wahlplattform 1969, ebenda, S. 25.153 Vgl. zum Stammbaum deutscher liberaler Parteien von 1849 bis zur Wiedervereinigung 1990 Jürgen Frölich, Geschichte und Entwicklung des Liberalismus in Deutschland, Heft 2, Sankt Augustin 1990, S.29.

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passte, das auch das G 20-Treffen vom 2. April 2009 in Lon-don musikalisch begleitete.

Im Einzelnen fordert die F.D.P. „eine Abkehr von der bishe-rigen Politik der staatlichen Konzentrationsförderung; eine Verschärfung der Missbrauchsaufsicht über marktbeherr-schende Unternehmen; eine vorbeugende Fusionskontrolle, um gesellschaftlich unerwünschte, betriebswirtschaftlich nicht erforderliche Konzentrationen zu verhindern. Die F.D.P. will eine Wirtschaftsordnung, in der auf allen Märkten lei-stungsfähige Unternehmen unabhängig voneinander und in ausreichender Zahl als Anbieter oder Nachfrager auftreten.“154

Dieses wettbewerbspolitische Programm der FDP von 1969 ist im Zusammenhang der Veränderungen durch den für Waren, Arbeitskräfte und einen Teil der Dienstleistungen155 1969 bereits weitgehend liberalisierten Gemeinsamen Markt der EWG zu sehen. Das gilt ebenso für den ver-schärften internationalen Wettbewerb vor allem nach den Liberalisierungen der Kennedy-Runde von 1963 und für die flankierende Liberalisierung des internationalen Kapital- und Zahlungsverkehrs. Dann wird bei der zentralen Programm-Forderung einer „Abkehr von der bisherigen Politik staatli-

154 Nürnberger Wahlplattform 1969, in: Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., S. 2.155 Banken, Versicherungen, Energie, Verkehr, Information und Kommu-nikation gehören zu den Bereichen, in denen auch heute der Binnenmarkt nicht „vollendet“ ist.

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cher Konzentrationsförderung“ und der dazu passenden „vorbeugenden Fusionskontrolle“ der Sprengsatz deut-licher, der zwischen den nebeneinander stehenden Aussa-gen einerseits gegen „gesellschaftlich unerwünschte“, ande-rerseits aber für „betriebswirtschaftlich [...] erforderliche Konzentration“ liegt.

Das wirtschaftspolitische Programm der FDP wird daher in Zukunft noch mehr gefordert sein, der staatlichen Begünsti-gung von Unternehmenskonzentration gegen solche Forde-rungen Einhalt zu gebieten, so schmackhaft die Forderungen mit Hinweisen auf Zukunft, Europa und externe Effekte für Innovation auch angerichtet werden mögen. Die Gefahr ei-ner neuen Welle von Konzentrationsforderungen ist gerade in Krisen gegeben: Konzentration im „europäischen Wett-bewerb“ wie seit dem größeren Markt der EWG, „im inter-nationalen Wettbewerb“ oder seit 1990 unter neuem Na-men „im globalen Wettbewerb“ der „globalisierten Weltwirtschaft“.

Auch solche Staatshilfe für Großunternehmen hat eine be-sonders lange Geschichte, wenn es – im Sprachgebrauch von heute – um „Zukunftsmärkte“ geht. Im wirtschaftspoli-tischen Programm der FDP ist zwar auch häufig von Zukunft die Rede, auf unmittelbare Forderungen nach Staatshilfe durch Subvention oder Protektion für „Zukunftsmärkte“ oder „Zukunftsinvestitionen“ wird aber verzichtet. Umso überraschender ist es, dass 2009 im Programm der FDP zur Europawahl recht unbefangen von „Marktversagen“ ge-

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sprochen wird: „Staatliches Eingreifen muss sich daher auf Fälle von Marktversagen beschränken. Pläne einer europä-ischen ‚Wirtschaftsregierung’ mit Verstaatlichung ganzer Branchen lehnen wir strikt ab.“156

Trotz der Härtung der Ablehnung solcher Pläne durch „strikt“ ist zu hoffen, dass solche Passagen im Europa-Pro-gramm offenbar nur sprachlich missglückt sind: Würden denn auch „Pläne einer europäischen ‚Wirtschaftsregie-rung’ ohne Verstaatlichung ganzer Branchen“ strikt abgelehnt? Wie sähe es mit der strikten Ablehnung einer europäischen ‚Wirtschaftsregierung’ mit Verstaatlichung von Teilen einer Branche aus? Es fehlt im Programm nicht an Bekenntnissen zu den „Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft“. Im sozial-politischen Teil wird jedoch unmittelbar angeschlossen: „Wir müssen aber bedenken, dass sich unter dem Dach der EU 27 Systeme zusammenfinden, die auf verschiedenen Traditi-onen und Lebenswirklichkeiten basieren.“157 Dieses „aber“ ließe Deutungen in völlig verschiedener Richtung zu, wenn das wirtschaftspolitische Programm der FDP Verletzungen der ordnungspolitischen Grundsätze nicht ausschließt.

Im Bereich von „Forschung und Innovation“ ist Wachsam-keit in der Wettbewerbspolitik besonders gefordert, wenn es im europäischen Kontext angesichts französischer indus-

156 Ein Europa der Freiheit für die Welt des 21. Jahrhunderts, a.a.O., >www.fdp.de<, S. 22.157 Ebenda, S. 30.

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triepolitischer Traditionen vor allem um die „Weltspitze“ geht. Gerade dann stört es, wenn ausgerechnet dieser wichtige Teil des Europa-Programms mit einem der Sätze beginnt, der bei so viel Nachsprechen wohl nicht mehr auf-gehalten werden kann, nachdem ein Werbe-Texter das Bild vom Wissen als “Rohstoff“ nun einmal in die Welt gesetzt hat: „In einer globalisierten Welt wird das Wissen immer mehr zum entscheidenden Rohstoff.“158

Ausgerechnet „Wissen“, das vor der letzten Stufe von „Weisheit“ gegen Ende einer langen Kette von geistigen Wertschöpfungen steht, zum „Rohstoff“ zu erklären, würde als sprachliche Beliebigkeit zu politischer Beliebigkeit pas-sen, die gefährlich wäre: Staatliche Förderung von Techno-logien mit oder ohne „Lissabon-Strategie“ kann zu einem neuen Feld ausufernder Staatshilfe werden. Das wäre wett-bewerbspolitisch und gesellschaftspolitisch als Einladung zum nationalen und europäischen Subventionswettbewerb um die „Weltspitze“ ein Irrweg. Die Kriterien, die im Europa-Programm an die Förderung gestellt werden, sind – bei aller Ablehnung von „Denkblockaden und ideologischer Fixie-rung“ – jedenfalls nicht hart: Neue Technologien „müssen in wettbewerblichen Verfahren unter transparenten Rahmen-bedingungen gefördert werden.“159

158 Vgl. ebenda, S. 28.159 Vgl. ebenda.

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Die Versuchung zu Staatshilfen, die mit „Marktversagen“ wegen „externer Effekte“ begründet werden, ist bei neuen Technologien und „Zukunftsmärkten“ im Kampf um die „Weltspitze“ schon immer groß gewesen. Umso problema-tischer ist gerade für diesen Bereich die recht leichtfertige Anerkennung von Subventionen im Falle von „Marktversa-gen“ bei externen Effekten im Beschluss des Hannoveraner Bundesparteitages 2009 zur Sozialen Marktwirtschaft im 21.Jahrhundert.160 Denn es haben sich zum Teil nur neue In-strumente für „Zukunftsmärkte“ dazugesellt – wie im 20. Jahrhundert die Staatshilfe durch Ausnahme-Bewilli-gung von Fusionen, seitdem es aktive Wettbewerbspolitik gegen Marktmacht gibt. Die Zukunft lag zuvor schon einmal in der Tuch-Industrie, für die England spanische Wollschafe und Europa chinesische Seidenraupen einschmuggelte, später der Frachthandel Hollands, den England mit Navigati-onsakte und drei Seekriegen den Holländern erheblich ab-jagte. Dafür hatte sogar Adam Smith einen rechtfertigenden Grund im „externen Effekt“ zugunsten einer starken britischen Flotte akzeptiert: „As defence, however, is of much more importance than opulence, the act of navigation is, perhaps, the wisest of all commercial regulations in England.“161

160 Vgl. >www.fdp.de<, S. 3 und oben.161 Adam Smith, The Wealth of Nations, a.a.O., Band 1, Buch IV, Kapitel II. Restraints on Particular Imports, S. 487.

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Adam Smith erhellte in allen anderen Fällen aber den für die Steuerzahler so kostspieligen Zusammenhang zwischen dem Nutzen für das Unternehmen und dem Segen für das ganze Volk gegen die ewig jungen Behauptungen mit wech-selnden Namen: Was gut ist für die Ostindische Handels-kompanie, ist gut für England, egal was Flotte und Land-Truppen zum Geleitschutz der Kompanie kosten.162 Bekannter wurde ein späteres Beispiel, das heute sonder-bar aufstößt: „Was gut ist für General Motors, ist gut für Amerika.“ Ob die Automobilindustrie auch heute noch ein „Zukunftsmarkt“ ist, bezweifeln manche – nicht ohne zumin-dest diskutable Begründung. „Zukunftsmarkt“ hin oder her: Das macht nichts, weil die Automobilindustrie nun in jedem Falle „Schlüsselindustrie“ in allen Staaten mit Automobilin-dustrie ist: „Was gut ist für Opel, ist gut für Deutschland“.

In der aktuell wohl wichtigsten Frage für die Überwindung der Weltwirtschaftskrise schien die Bedeutung global of-fener Wettbewerbsmärkte in den ersten politischen Stel-lungnahmen zur Vorbereitung des G 20-Gipfels vom 2. April 2009 immerhin voll erkannt: Der Kardinalfehler der Welt-wirtschaftskrise der dreißiger Jahre, der Rückfall in Protek-tion zur Sicherung heimischer Arbeitsplätze mit all seinen katastrophalen wirtschaftlichen und politischen Folgen für den Weltfrieden, müsse verhindert werden. Noch vor der

162 Vgl. ebenda, Band 1, Buch IV, Kapitel I; Band 2, Buch IV, Kapitel VIII. Für einen Überblick über diesen “Merkantilismus” vgl. im erneut aktuellen Kontext der Weltwirtschaftskrise Horst Werner, Adam Smith zur Reform der Weltwirtschaftsordnung, a.a.O., insbesondere Teil I, 1. und 2., Teil II, 4.

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Einsicht in die komplexen ordnungspolitischen Zusammen-hänge lassen seitdem viele politische Stellungnahmen in den USA und Europa aber Zweifel aufkommen, ob wenig-stens der simple Zusammenhang zwischen den beiden Sei-ten der Zahlungsbilanz hinreichend verinnerlicht worden ist.

Der Wettbewerb auf offenen Märkten ist auch dadurch ge-fährdet, dass in der gegenwärtigen Finanzkrise Politiker während ihrer Reden an das nationale Publikum auf die pro-tektionistischen Tendenzen in ihren Partner-Staaten verwei-sen. Am Wachstums- und Stabilitätsplan der Obama-Admi-nistration wurde z.B. der „Buy American“-Teil auch von EU-Ratspräsident Topolanek und Kommissionspräsident Barroso am 25. März 2009 kritisiert. Vor allem französische, aber auch deutsche „Konjunkturpakete“ und Rettungspläne für Opel werden den Bürgern jedoch mit ganz ähnlichen Tö-nen schmackhaft gemacht.

Das spüren im Super-Wahljahr 2009 beim Einsatz deutscher Politiker für Bochum, Eisenach, Kaiserslautern und Rüssels-heim sogar innerhalb der Europäischen Union die „Opelia-ner“ in Antwerpen und Ellesmere Port bei Vauxhall/Opel und in Trollhättan die schwedischen Kollegen von General Motors bei Saab. Präsident Sarkozy musste immerhin seine Ankündigung einer Staatshilfe nur für die französische Auto-mobil-Industrie zurückziehen, weil sie nicht nur gegen alle ökonomische Vernunft verstieß, sondern explizit auch ge-gen die EG-Verträge zum Binnenmarkt. Mit scharfen Tönen gegen die Autoproduktion in der Tschechischen Republik

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darf Sarkozy französische Wähler und Produzenten aber be-ruhigen.

Dabei erinnert für Wettbewerb auf offenen Märkten die ja-panische Handelsbilanz als Teil der Leistungsbilanz in der Zahlungsbilanz für Februar 2009 besonders anschaulich da-ran, dass auch die Zahlungsbilanz zwei Seiten hat, selbst-verständlich auch bei den Devisenzuflüssen aus Exporten und den Devisenabflüssen für Importe: Dass die japanischen Exporte gegenüber dem Vorjahres-Februar 2009 um 43% zurückgegangen sind, in die USA und nach Europa sogar um rund 54%, mag dort manche Wettbewerber sogar freu-en. Spätestens volkswirtschaftlich zählt aber auch die Pas-sivseite der japanischen Handelsbilanz: Auch die japa-nischen Importe sind gegenüber dem Vorjahres-Februar um eben diese 43% zurückgegangen. Und für die USA, Europa und die anderen Handelspartners sind weniger japanische Importe nun einmal sinkende Exporte mit allen Konse-quenzen auch für Arbeitsplätze in den USA und Europa.

So stramm bis zu gleicher Höhe des Export- und parallelen Import-Einbruchs in Japan ist der Handelsbilanz-Zusammen-hang über die Mechanismen des Ausgleichs der Zahlungs-bilanz in der kurzen Frist zwar nicht, aber der Zusammen-hang ist stramm genug, um Politiker von allzu dummer nationaler Stimmungsmache abzuhalten. Es ist auch kein Trost, angesichts ebenso gefährlicher Panikmache daran zu erinnern, was meist vergessen ist: 1980 war der Einbruch bei Exporten und Importen – wie in vielen anderen Ländern

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ähnlich – sogar noch höher als Anfang 2009. Damals haben die Liberalisierungen in allen wichtigen Industrieländern – in Deutschland nach der Lambsdorff-Wende von 1982 – er-heblich dazu beigetragen, dass die damalige Krise durch er-folgreiche Reformen von Neuseeland bis Deutschland so gründlich in Vergessenheit geraten ist.

Voraussetzung für solche Erfolge wie bei der Überwindung der Krise Anfang der 80er Jahre ist neben wiedergewon-nenem Vertrauen in die Wirtschaftspolitik163 auch der Ver-zicht auf den internationalen politischen Wettbewerb um die schärfsten nationalen Töne für parfümierten oder gemeinen Protektionismus.164 Denn es wäre nicht das erste Mal, dass den protektionistischen Worten protektionistische Taten fol-gen, weil später selbst bessere Einsicht und bester poli-tischer Wille die Geister von Protektionsspiralen nicht mehr bändigen kann, die dumme Worte und ein bisschen ver-schleierter Protektionismus am Anfang gerufen haben. Das hat in den dreißiger Jahren auch die Sozialistin Joan Robin-

163 Vertrauen in die Wirtschaftspolitik wiedergewinnen war ein Kernpunkt von Otto Graf Lambsdorffs „Wende-Papier“ vom 9. September 1982. Ver-trauen gewinnt man auch durch ökonomische Kompetenz. Im Lambsdorff-Papier beginnt der Beweis von Kompetenz bei der Erfassung des Problems und endet mit Lösungsvorschlägen, die dem Problem gerecht werden, jen-seits aller Details zumindest der Kategorie nach. 164 Vgl. zu diesen turbulenten Zeiten der Weltwirtschaftsordnung bis zum Übergang zu flexiblen Wechselkursen als Instrumente der außenwirtschaft-lichen Absicherung Rolf Hasse, Horst Werner, Hans Willgerodt, Außenwirt-schaftliche Absicherung zwischen Markt und Interventionismus, Schriften zur Wirtschaftspolitik, Band 7, Frankfurt am Main 1975.

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son mit ihrer Kritik an solcher „beggar my neighbour-policy“ (Joan Robinson) nicht nur ihren Parteifreunden und nicht nur für wahre „Solidarität der internationalen Arbeiterklasse“ einzutrichtern versucht.

Es gibt daher kaum ein Feld der Wirtschaftspolitik, auf dem das Programm der FDP seit ihrer Gründung – und bei ihren regionalen Vorläufern seit 1946 – so konsequent gewesen ist wie auf dem Feld des Wettbewerbs auf offenen Märkten: in Deutschland, in Europa und weltweit. Das gilt nicht nur im Einsatz für die unmittelbaren Liberalisierungen, also für die Freiheit der Bewegung von Ideen, Menschen, Waren und Dienstleistungen, sondern auch für die damit stets verbun-denen Zahlungsströme und die Freiheit der Kapitalbewe-gungen im Rahmen einer Welthandelsordnung, Währungs-ordnung und Finanzordnung.

Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftspolitischen Program-matik und den geistigen Wurzeln der Liberalen in der Frei-handelsbewegung überrascht allerdings die Sprachlosigkeit der FDP-Programmatik zu Beginn der sozialliberalen Koaliti-on – oder überrascht eben nicht: Im Weltwährungssystem eskaliert 1971 die Protektion mit Devisenkontrollen, so dass Karl Schiller als Superminister für Wirtschaft und Finanzen nach erfolglosen Protesten gegen diese Eskalation und ohne die Rückendeckung von Bundeskanzler Brandt und Bundesbank-Präsident Klasen 1972 seinen Rücktritt erklärt. Dennoch gehen die Freiburger Thesen als neues Grund-

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satzprogramm der FDP auf Wettbewerbsfragen oder gar die Weltwirtschaftsordnung nicht ein.

Das galt zuvor ebenso für die Beschlüsse des Bonner Bun-desparteitages 1970. Die in dieser Phase besonders wich-tigen Beschlüsse zur Entwicklungspolitik werden der Ar-beitsgruppe Entwicklungspolitik der FDP-Bundestagsfraktion (!) überlassen, die im Oktober 1972 die „Thesen zur Ent-wicklungspolitik 1972“ beschließt: ohne jeden Bezug zur konkreten aktuellen Welt um Deutschland herum. Diese sehr allgemein gehaltenen Thesen gehen auf die aktuellen Gefahren der in allen Industrieländern eskalierenden Protek-tion für die Entwicklungsländer mit keinem Wort ein.

Provozierend in diesen Thesen der Fraktion zur Entwick-lungspolitik ist auch die Ruhe, die in einer solchen Zeit schon gar nicht Pflicht einer Partei sein darf. Immerhin wird die pro-grammatische Verantwortung zumindest wieder an die Par-tei zurückgegeben, die an der Willensbildung des Volkes mitwirkt. Der Herausgeber von „Das Programm der Libe-ralen (1979)“, Generalsekretär Günter Verheugen, merkt an: „Diese Thesen werden seit Frühjahr 1975 im Bundes-fachausschuß für Außen-, Deutschland- und Europapolitik der FDP auf dem Hintergrund der weltpolitischen und welt-wirtschaftlichen Veränderungen weiterentwickelt.“165

165 Vgl. zu den angeführten Programmen einschließlich Zitat Günter Ver-heugen (Hrsg.), Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., S. 33ff., 43ff. und 157f.

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Dagegen gehen die „Thesen des Bundesvorstands für eine liberale Europapolitik“ 1972 nach Karl Schillers Rücktritt als Bundeswirtschaftsminister auch im europapolitischen Zu-sammenhang auf den zum Thema gehörenden weltwirt-schaftlichen Zusammenhang ein: „Weltweite Wirtschafts-verhandlungen werden die kommenden Jahre beherrschen. Dabei geht es darum, den Rückfall in Autarkiedenken und Protektionismus ebenso zu vermeiden wie die Abschließung neuer regionaler Blöcke.“166

Ähnlich wie bei den Namen für die Soziale Marktwirtschaft Deutschlands schillern in den Programmen der FDP auch die Bezeichnungen für „Wettbewerb“ oder „Wettbewerbs-politik“. Zum Teil liegt das an Änderungen der Moden in der wissenschaftlichen Wettbewerbspolitik, zum anderen Teil an kennzeichnender Selbstvergewisserung mit schmückenden Attributen – oder auch an einer allgemeinen sprachlichen Unsitte, restlos überzogen vor allem in Programmen aller

166 Durch die Auswahl dieses konsequent liberalen Auszugs soll nicht der falsche Eindruck entstehen, dieses weitblickende Plädoyer für eine Reform der Weltwirtschaftsordnung präge diese Thesen zur Europapolitik durch-gehend. Denn zur Abschließung des alten „regionalen Blocks“ EWG und speziell zur EG-Agrarpolitik sind die Liberalisierungsforderungen der The-sen höchst behutsam. Auch vor einer EG-Industriepolitik für die „notwen-digen industriellen Strukturveränderungen“ besteht keinerlei Scheu, da sie ja mit „marktkonformen Mitteln“ erleichtert werden solle. Was alles damit an nicht marktkonformen Mitteln gemeint sein könnte, illustriert vor allem der praktische Gehalt der anspruchsvollen Bezeichnung „EG-Agrarmarkt“. Vgl. ebenda, S. 160ff.

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Parteien: die Unsitte, Eigenschaftswörter an klare Haupt-wörter zu kleben, ohne jeden Mehrwert für die Aussage, weil inhaltsleer.

So wird im ersten Satz der Beschlüsse des Hamburger Bun-desparteitages 1974 zur „Wettbewerbspolitik“ hervorgeho-ben, „einer wirksamen Wettbewerbspolitik“ komme „eine entscheidende Bedeutung in ordnungspolitischer und kon-junkturpolitischer Hinsicht zu.“167 Der Leser wäre sich auch ohne das Adjektiv „wirksam“ sicher genug gewesen, dass einer unwirksamen Wettbewerbspolitik keine „entschei-dende Bedeutung“ zukommen werde. Ähnlich ist es mit der späteren Bezeichnung „funktionsfähiger Wettbewerb“, ent-lehnt dem neuen Sprachgebrauch der wissenschaftlichen Wettbewerbspolitik und üblich in Kartellamt und Monopol-kommission, seit den Kieler Thesen 1977 häufig abgekürzt als „funktionierender Wettbewerb“. 168

In den Wahlprogrammen von 1990 nach Einsetzung der von Juergen B. Donges geleiteten „Deregulierungskommissi-on“ bis 2002 und in den Wiesbadener Grundsätzen von 1997 begnügt sich die FDP wieder mit dem schlichten und präzisen „Wettbewerb“169. Erstmals in „Erste Ergebnisse

167 Ähnlich fordern auch die „Grundsätze liberaler Wirtschaftspolitik 1972“ „wirksamen Wettbewerb“. Vgl. Günter Verheugen (Hrsg.), a.a.O., S. 174 und 203; in „Perspektiven liberaler Deutschlandpolitik 1975“, ebenda, S. 248.168 Vgl. Ebenda, S. 291f.169 Vgl. die Wahlprogramme, danach die Wiesbadener Grundsätze in der

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der Programm-Kommission Chancen der Freiheit“ heißt es wieder „funktionsfähiger Wettbewerb“170 wie im Wahlpro-gramm 2009. Dort wird in der Präambel als Ziel jedoch „fairer Wettbewerb“ gefordert: sprachlich und in der Sache durchaus inhaltsvoll, allerdings von anderen Parteien und Nichtregierungsorganisationen als attraktive Worthülle oft missbraucht und im Stile von Orwells „1984“ verwendet für Beschränkungen vor allem des internationalen Wettbewerbs.171

Seit dem Yom-Kippur-Krieg 1973 und den anschließenden Ölpreis-Krisen ging es in der speziellen wettbewerbspoli-tischen Programmatik stets um die Energiemärkte, seit den Finanzkrisen von 1973/1974 um die „Macht von Banken und Versicherungen“, seit der Fortführung der Liberalisierungs-ideen des GATT in eine WTO um die Weiterentwicklung die-ser Welthandelsorganisation zu einer Weltwettbewerbsord-nung. Danach taucht die Forderung nach „mehr Wettbewerb“ am häufigsten in der Bildungspolitik, bei der Gesundheitsre-form und vor allem in der Föderalismusreform auf.

Durch die Weltwirtschaftskrise im Gefolge der Finanzkrise von 2008/2009 ist das wichtigste Projekt der Wettbewerbs-

zeitlichen Abfolge: >www.fdp.de<, Das liberale Deutschland (1990), S. 34 ff.; Liberal denken. Leistung wählen. (1994), S. 9 ff., 18, 28 und 31 f.; Es ist Ihre Wahl (1998), S. 14; Bürgerprogramm 2002, S. 14 f.; Wiesbadener Grundsätze - Für die liberale Bürgergesellschaft, >www.fdp.de<, S. 11f. 170 Vgl. das „Wechsellexikon“ der FDP 2005, >www.fdp.de<, 1.1, S. 6.171 Vgl. „Die Mitte stärken“, a.a.O., >www.fdp.de<, S. 10 und S. 4 der Präambel.

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politik in den Hintergrund geraten: Statt der Weiterentwick-lung der WTO zu einer globalen Wettbewerbsordnung gilt es nun aktuell, protektionistische Reaktionen auf die Krise zu verhindern. Denn nach 1929 war es erst die Eskalation von handelspolitischer Protektion, die in die Weltwirtschafts-krise mit all ihren politischen Folgen führte.172 Außenwirt-schaftliche Protektion wurde erkennbar mehr und mehr zu dem, was sie dürftig versteckt schon immer war, seit die Griechen gegen den Handel mit „Barbaren“ polemisierten oder z.B. die Engländer Zuchtschafe gegen das spanische Exportverbot einschmuggelten, um anschließend mit Zöllen den Aufbau der englischen Tuch- und Bekleidungsindustrie zu schützen.

Darum muss der Gefahr einer Wiederaufrüstung mit Zöllen (als „tarifären“ Handelshemmnissen) und mit „nichttarifä-ren“ Handelshemmnissen im Rahmen der WTO mit multila-teralen Liberalisierungen der Doha-Runde begegnet wer-den.173 Der Londoner G 20-Gipfel Anfang April 2009 hat immerhin eine protektionistische Stimmung erst gar nicht aufkommen lassen.

172 Vgl. als Überblick über diese Zeit Wilhelm Röpke, International Econo-mic Disintegration, London 1942.173 Vgl. dazu Wolf-Dieter Zumpfort, The Crisis of the WTO, Vortrag auf dem Kolloquium „Global Freedom? – The Future of International Gover-nance“ des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei-heit vom 9.–11. November 2007, Occasional Paper 41, zu beziehen über >www.freiheit.org<, Liberales Institut, Publikationen.

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„Industriepolitik“, von traditionellen Instrumenten wie „Kauft deutsche Zitronen!“174 über Bevorzugung „inländischer An-bieter“ bei Ausschreibungen – bereits bekannt in jedem Ge-meinderat – und Subventionen bis zu Mengen- und Wert-kontingenten wurden z.B. unter dem Namen „strategische Handelspolitik“ in Wirklichkeit mehr und mehr zu einem Pro-blem, das durch globale Kooperation in der Wettbewerbs-politik zu lösen war. Das war der Hintergrund dafür, dass die FDP im Programm zur Bundestagswahl 1994 die Weiterent-wicklung der WTO zu einer globalen Wettbewerbsordnung forderte.175 Im Wahlprogramm 2009 hält die FDP auch an der Langfristorientierung ihrer Wettbewerbspolitik trotz der Konzentration auf die aktuelle Krise fest und fordert dazu auch die EU auf:

174 Kurt Tucholsky persiflierte in zwei Gedichten („Autarkie“ und „Europa“) die Protektionspolitik mit ähnlicher Schärfe, wie dies im Reichstag Eugen Richter als Führer der Liberalen getan hatte. Vgl. Kurt Tucholsky („Theobald Tiger“), Die Weltbühne vom 11. August 1931, Nr. 32, S. 31 mit „Autarkie“; Die Weltbühne vom 12. Januar 1932, Nr. 2, S. 73, in: Ders., Gesammelte Schriften 1907 - 1933, Gedichte und Lieder 1931 - 1932, >www.textlog.de<. Alexander Graf Lambsdorff hat Tucholskys „Europa“ als Abschluss des Europa-Programms 2009 ausgewählt (>www.fdp.de<, S. 64f.). 175 Vgl. >www.fdp.de<, S. 31f.; Wolfgang Gerhardt, Die WTO als Kern-stück einer internationalen Wettbewerbsordnung, in: Lüder Gerken und Otto Graf Lambsdorff (Hrsg.), Ordnungspolitik in der Weltwirtschaft, Ba-den-Baden 2001, S. 49ff.; Henning Klodt, Wege zu einer globalen Wettbe-werbsordnung, Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.), Argumente der Freiheit, Band 10, 1. Auflage, Sankt Augustin 2003; Juergen B. Donges u.a. (Kronberger Kreis), Globalisierter Wettbewerb, Schriften-reihe der Stiftung Marktwirtschaft und Politik (damals „Frankfurter Institut“, heute in Berlin), Bad Homburg 1998.

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„Als exportorientierte Volkswirtschaft ist Deutsch-land auf offene, freie und faire Märkte und Wettbe-werb angewiesen. Die EU muss sich im Rahmen der WTO auf den Erhalt des multilateralen Welthandels-systems einsetzen. Die FDP fordert eine unverzüg-liche Wiederaufnahme der WTO-Verhandlungen. Um die Verhandlungen wiederzubeleben, schlägt die FDP vor, den WTO-Generalsekretär als Schlichter einzusetzen. Zur Sicherung freier und fairer Märkte will die FDP ein unabhängiges Europäisches Kartell-amt und internationale Wettbewerbsregeln unter dem Dach der WTO.“176

Diese Forderung der FDP spannt präzise den Bogen von der nationalen wettbewerbspolitischen Verantwortung über das Europäische Kartellamt zu den Spielregeln einer globa-len Wettbewerbsordnung unter dem Dach der WTO. Die Bekenntnisse der Regierenden auf internationalen Gipfeln und danach gegenüber den heimischen Interessenten zum Freihandel sind seit den Erfahrungen der Protektionseskala-

176 Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm der Freien Demokratischen Partei, Programm zur Bundestagswahl 2009, >www.fdp.de<, S. 15. Im Pro-gramm der FDP zur Europawahl 2009 dominiert dagegen die Konzentra-tion auf fairen Wettbewerb im „Binnenmarkt“, der trotz der Ankündigung „Binnenmarkt 1992“ noch immer nicht „vollendet“ ist, wohl aber praktisch vollständig schon vor 1992 bei „Waren“ vollendet war, also im „Produzie-renden Gewerbe“, das heißt ohne „Dienstleistungen“ bzw. nicht für alle „Güter“.

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tion nach 1929 eine notwendige Selbstverständlichkeit. Für Freihandel, der Wohlfahrt und Frieden weltweit fördert, ist das zu wenig. Über den Tellerrand der aktuellen Krisenbe-wältigung hinaus muss die Weiterentwicklung der WTO zum Kern einer globalen Wettbewerbsordnung vorangetrieben werden: als Strategie der Prävention, zusammen mit der multilateralen Liberalisierung des Welthandels.

4. Das Haftungsprinzip: Freiheit und Verantwortung

Ziel jeder Regulierung am Finanzmarkt muss ein funktionsfähiger Wettbewerb sein. Die Marktteilnehmer müssen Vertrauen in das System haben können […] Wir brauchen nicht mehr, sondern bessere Regelungen für den Finanzmarkt. […] Unabhängig davon kann mangelhafte Politik persönliches Fehlverhalten Einzelner nicht entschuldigen. Wer als Manager im Finanzmarkt unverantwortliche Risiken eingegangen ist, muss zur Rechenschaft gezogen werden und persönlich wie finanziell die Konsequenzen tragen.(Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stärken. Deutschlandprogramm der Freien Demokratischen Partei“ vom 15.-17. Mai 2009.)

Manches muss laut und ganz einfach gesagt werden. Sonst ist es nicht gesagt. Diese Erfahrung gilt auch für die Kern-punkte in den Programmen politischer Parteien, die beson-ders weit von politischer Umsetzung für die Bürger entfernt sind. Denn manche Kernpunkte sind so wichtig, dass sie in guten Zeiten vergessen und in schlechten Zeiten verdrängt werden. In der politischen Praxis kann die Verletzung sol-

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cher Kernpunkte oder Grundsätze so sehr Alltag werden, dass Politiker erst in der Not mit konsequenten Reformen reagieren, wenn die Rückkehr zu Vernunft und Verantwor-tung teuer geworden ist. Das Haftungsprinzip im Wirt-schaftsrecht ist das zentrale Prinzip der Marktwirtschaft, das aus guten und schlechten Gründen selbst in den wirt-schaftspolitischen Programmen der FDP lange Zeit nicht das Gewicht hatte, das ihm in Walter Euckens „konstituie-renden Prinzipien“ der Marktwirtschaft zukommt.

Das Haftungsprinzip gegen Marktmacht, Kapi-talvernichtung und KrisenUmso stärker wird in der Weltwirtschaftskrise 2009 be-wusst und erstaunt manche Beobachter, in welchem Maße die Verletzung des Haftungsprinzips in der Phase der Mega-Fusionen und Vermachtung zunächst auf Kosten des unter-nehmerischen Mittelstands geht, heute auf Kosten aller Bür-ger. Dass das Haftungsprinzip in den ersten gut 20 Jahren wirtschaftspolitischer Programme der FDP kaum eine Rolle spielte – auch nicht unter dem verwandten Wort „Verant-wortung“ –, hat den bestmöglichen Grund darin, dass es bis dahin kein großes Problem der Haftung gab. Von wenigen, umso betrüblicheren Einzelfällen abgesehen, war es eine Selbstverständlichkeit, dass Verträge eingehalten wurden. In Verträgen tragen beide Partner Verantwortung, und Ver-antwortung heißt in den meisten Fällen auch Haftung, wenn Verträge nicht eingehalten werden.

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Die vorindustrielle Selbstverständlichkeit „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen“ hatte als Haftungs-grundlage vor 60 Jahren noch Raum, der für Konsumenten durch Geschäftsbedingungen zunächst nicht allzu eingeengt war. Das änderte sich zunehmend. Darum ist denn Walter Eucken die Haftung als „konstituierendes Prinzip“ der Marktwirtschaft die notwendige Ergänzung des konstituie-renden Prinzips „Vertragsfreiheit“: Vertragsfreiheit darf nicht bedeuten, dass Haftung in Verträgen – oder ohne for-malen Vertrag – beliebig beschränkt werden kann. Es geht also beim Haftungsprinzip und der Gewerbefreiheit um ei-nen speziellen Anwendungsfall der Einheit von „Freiheit und Verantwortung“.

Während für Verbraucher von Konsumgütern durch viele höchstinstanzliche Urteile dem Haftungsprinzip wieder mehr Geltung verschafft wurde, unterstreicht die aktuelle Finanz-krise, wie wenig das Haftungsprinzip in einer Welt von Me-gafusionen bei Banken und Versicherungen verwirklicht ist. Hans Otto Lenel hat daran bei der Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz erinnert.177

Von möglichst „universaler Haftung“ konnte spätestens seit den deutschen Finanzkrisen von 1973/74 bis zur New-Eco-nomy-Blase von 2001 in Deutschland nur beim größten Teil

177 „Allianz schluckt Dresdner Bank“: Ein kräftiger Schritt von der Markt- zur Machtwirtschaft, Orientierungen der Ludwig-Erhard-Stiftung, Heft 89, Sept. 2001, S.15ff.

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mittelständischer Unternehmer die Rede sein, meist Eigen-tümer-Unternehmer. Bei Managern von Großunternehmen nähert sich der Grad ihrer effektiven Haftung der weitgehend fehlenden Haftung von Politikern für Fehlentscheidungen.

Die aktuelle Diskussion um den fehlenden Anstand bei ver-tragsgemäßen Boni lenkt heute vom weitaus größeren Pro-blem der Diskriminierung des Mittelstands bei unzuläng-licher Haftung in Großunternehmen nur ab.

Die FDP hat die Frage von Haftung und Verantwortung in ihrem ersten vollständigen wirtschaftspolitischen Programm 1953 nur allgemein aufgegriffen: „Jeder in der sozialen Marktwirtschaft steht unter dem Zwang, seine Anstren-gungen und Leistungen nicht nur für sich selbst, sondern zugleich auch zugunsten seiner Mitmenschen zu vollbrin-gen.“ Umfangreich wird in diesem „Wirtschaftsprogramm 1953“ eine harte Wettbewerbspolitik gegen Marktmacht gefordert. Euckens Zusammenhang zwischen Verletzungen des Haftungsprinzips und der Förderung von Konzentration und Marktmacht wird im Wirtschaftsprogramm 1953 aber nicht gesehen. Speziell wird gefordert: „Sicherung eines lauteren Leistungswettbewerbs im Handel, insbesondere unter Ausschluß derjenigen, denen die persönliche Zuver-lässigkeit und die sachlich-fachliche Eignung fehlen“.178

178 Vgl. Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 134 und 137.

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Das Haftungsprinzip fehlt trotz ständig lauter werdenden Forderungen nach härterer und präventiver Wettbewerbs-politik gegen Marktmacht auch in den FDP-Programmen bis zu den „Freiburger Thesen“ von 1971. In den Freiburger Thesen wird wiederum die weiter gestiegene Marktmacht in aller Deutlichkeit kritisiert, nun fehlt aber nicht nur das Haf-tungsprinzip, sondern sogar die Wettbewerbspolitik insge-samt.179 Das war in der „Nürnberger Wahlplattform 1969“ noch völlig anders. Die FDP forderte vor der Wahl deutlich und konkret wie nie zuvor eine „Abkehr von einseitiger Kon-zentrationsförderung“, hervorgehoben sogar als Rand-Über-schrift; außerdem: „eine Verschärfung der Missbrauchs-aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen; eine vorbeugende Fusionskontrolle, um gesellschaftspolitisch unerwünschte, betriebswirtschaftlich nicht erforderliche Konzentrationen zu verhindern.“180

Die Aufweichung durch „betriebswirtschaftlich nicht erfor-derliche Konzentrationen“ wurde im anschließenden Gene-ralsatz wenigstens etwas durch einen Grundsatz geheilt: „Die F.D.P. will eine Wirtschaftsordnung, in der auf allen Märkten leistungsfähige Unternehmen unabhängig vonei-nander und in ausreichender Zahl als Anbieter oder Nachfra-ger auftreten.“181 Erst in den Kieler Thesen 1977 „Wirtschaft

179 Vgl. Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., S. 43ff.180 Ebenda, S. 26.181 Ebenda.

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im sozialen Rechtsstaat“ wird in These 4 der Zusammen-hang zwischen Wettbewerb und Haftung explizit hergestellt:

„Der Sanktionsmechanismus des Marktes zwingt, dass Unternehmen, die an den Verbraucherwün-schen vorbeiproduzieren, Verluste erleiden und aus dem Markt ausscheiden müssen. Es sind die Bin-dung von Gewinnchance und Verlustrisiko an die Be-friedigung der Verbraucherbedürfnisse und an die Koppelung von Eigentum und Haftung, die ein freies Unternehmertum und privates Eigentum an Produkti-onsmitteln legitimieren. Der funktionierende Wettbe-werb im Markt ist ein nichtautoritäres System der Kontrolle wirtschaftlicher Macht.“182

In den Kieler Thesen von 1977 wurde damit der ordnungs-politische Zusammenhang zwischen Privateigentum, Haf-tung und Wettbewerbsordnung hervorgehoben. Konkrete Konsequenzen für wirksame Haftung wurden aber nicht ge-zogen. Diese Konsequenzen zieht 22 Jahre später ganz konkret das Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stärken“:

„Wer als Manager im Finanzmarkt unverantwort-liche Risiken eingegangen ist, muss zur Rechen-schaft gezogen werden und persönlich wie finanziell die Konsequenzen tragen. Wir brauchen einen Ver-haltenskodex für Führungskräfte, der in Übereinstim-

182 Vgl. Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., S. 291.

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mung mit unseren gesellschaftlichen Werten und Normen steht und der Vorbildsfunktion der Füh-rungspositionen gerecht wird.“183

Noch allgemeiner fordert die FDP im Wahlprogramm 2009 die Umsetzung des Haftungsprinzips für alle Manager in Ak-tiengesellschaften ein:

„Die FDP fordert mehr Verantwortung durch Haf-tung. Für die Manager in deutschen Aktiengesell-schaften gilt bereits heute ein im internationalen Ver-gleich sehr scharfes Haftungsrecht. Die Betroffenen haften bereits bei leichter Fahrlässigkeit mit ihrem gesamten Privatvermögen für Schäden in unbe-grenzter Höhe. Schadensersatzansprüche müssen zukünftig von den Aufsichtsräten auch geltend ge-macht werden. Die FDP fordert Verschärfungen des materiellen Rechts, wenn diese Ansprüche künftig nicht konsequent geltend gemacht werden.

Doch auch die Haftung für entstandene Verluste ge-hört untrennbar zur Sozialen Marktwirtschaft. Es kann nicht sein, dass es Unternehmen gibt, deren Ei-gentümer auf eine Rettung durch den Staat vertrau-en und deshalb besonders hohe Risiken eingehen können. Deshalb will die FDP, dass das bestehende Insolvenzrecht mit seinen Möglichkeiten, zu denen

183 Die Mitte stärken, a.a.O., S. 10.

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ausdrücklich auch die Fortsetzung eines Unterneh-mens zählt, angewandt wird. Bei international tätigen Großbanken löst eine Insolvenz aber derzeit oft eine unkontrollierbare Kettenreaktion aus. Wir brauchen daher künftig Regeln, die diese Begleitschäden be-schränken, ohne die Eigentümer zu entlasten. Daran wird die FDP in Regierungsverantwortung arbei ten.“ (alle Hervorhebungen im Original).184

Das Haftungsprinzip in der UmweltvorsorgeDem allgemeinen Haftungsprinzip entspricht im Bereich der Umweltvorsorge das „Verursacherprinzip“. Das „Ökolo-gische Programm der Freien Demokratischen Partei für die 90er Jahre“ formuliert das Verursacherprinzip im vorsor-genden und nachsorgenden Umweltschutz so:

„Wer die Umwelt in Anspruch nimmt, ist dafür ver-antwortlich, dass die Belastung so gering wie mög-lich bleibt. Für Maßnahmen zur Vermeidung, Ver-minderung oder zumindest Beseitigung von Umweltbelastungen trägt der Nutznießer der Um-welt als Verursacher die erforderlichen Kosten. Dieses Verursacherprinzip ist ein wirksamerer An-reiz, den Umweltschutz voranzubringen, als allzu viele staatliche Reglementierungen und bewirkt,

184 Ebenda, S. 11.

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dass sich unsere soziale Marktwirtschaft zu einer ökologischen Marktwirtschaft weiterentwickelt.“185

Der Text des Bonner Beschlusses wendet den Grundge-danken des Verursacherprinzips im Wirtschaftsrecht auf die Umweltvorsorge an: „Wer den Nutzen hat, der soll auch den Schaden tragen.“. Das allein ist schon ein Hinweis da-rauf, wie unbegründet in aller Regel aufgebauschte Gegen-sätze zwischen „Ökologie“ und „Ökonomie“ sind.

Falsch bleibt aber vor allem die in Reden und Programmen so oft strapazierte Vorstellung, zur „Aussöhnung von Öko-logie und Ökonomie“ müsse die „soziale Marktwirtschaft“ erst zu einer „ökologischen Marktwirtschaft“186 veredelt werden – auch wenn so etwas von hochrangigen FDP-Poli-tikern in ihre Reden übernommen wurde. Das galt vor allem für die Jahre, in denen Jungdemokraten, später Junge Libe-rale und auch viele „Rechtsstaatsliberale“ versuchten, mit „Ökologie“ ihre Hausmacht in der Partei gegen „Wirt-schaftsliberale“ auch mit programmatischen Überschriften und Herrschaft über die Begriffe zu festigen.

Bei solchen Profilierungen ist es in allen Parteien durchaus vernünftig für jeden, der politisch gestalten will, seinen Ein-fluss auch in der eigenen Partei zu stärken. Dazu taugt aber

185 Beschluss des Bundeshauptausschusses vom 21. Juli 1990 in Bonn, in: Das Programm der Liberalen (1990), a.a.O., S. 941186 Vgl. ebenda und in fast allen Programmen später.

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nicht jedes Mittel. So ist der behauptete Gegensatz von Ökologie und Ökonomie frei von jedem Verständnis für Marktwirtschaft, Ökonomie und Ökologie. Solche Thesen passen besser zu den Grünen von gestern als zu den Libe-ralen von heute. Ähnlich problematisch ist die Neigung, den Eigennamen der Marktwirtschaft in Deutschland durch Pro-gramme ständig ändern zu wollen. Für jeden, der von Markt-wirtschaft redet und für die deutsche Wirtschaftsverfas-sung den Namen „Soziale Marktwirtschaft“ anzuwenden weiß, musste nicht erst Carl Christian von Weizsäcker 1984 darüber aufklären, was auch sein Bruder und Ökologe Ernst Ulrich weiß: „Ökologie ist langfristige Ökonomie.“187

Wer das begriffen hat, erfasst auch das Problem aller Um-weltvorsorge, die regelmäßig Reparaturnotwendigkeit an geschädigter Umwelt minimieren hilft: Es ist neben Defekten der Eigentumsordnung das betriebswirtschaftliche Kurzfrist-denken von Politikern, Produktionsinteressenten und Ver-brauchern, das der Langfristorientierung marktwirtschaft-licher Ordnungspolitik entgegensetzt ist. Das macht marktwirtschaftlichen Umweltschutz so schwierig, wenn von Sonderinteressen abhängig gebliebene Politiker nicht

187 Carl Christian von Weizsäcker, Nur hohe Preise, nicht Verbote schüt-zen knappe Güter, in: Die Wende. Eine Bestandsaufnahme der deutschen Wirtschaftspolitik, Wolfram Engels, Armin Gutowski, Walter Hamm, Wern-hard Möschel, Wolfgang Stützel, Carl Christian von Weizsäcker, Hans Will-gerodt („Kronberger Kreis“) (Hrsg.), Bad Homburg 1984, vergriffen und wieder abgedruckt in: Mehr Mut zum Markt, Handlungsaufforderungen, Kronberger Kreis (Hrsg,), Band 1, Stuttgart 1984, S. 26.

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den Mut zu unbequemer Langfristorientierung aufbringen. Denn erst bei Langfristorientierung kann das Verursacher-prinzip im Umweltschutz mit Gewinn für die Menschen und ihre Umwelt angewandt werden. Ansonsten liegt der be-hauptete Gegensatz von Ökologie und Ökonomie für Libe-rale auf dem inhaltlich so nahen wie niedrigen Niveau des lange Zeit behaupteten Gegensatzes „Rechtsstaatslibe-rale“ versus „Wirtschaftsliberale“: Auch dieser Nonsens ist kein Beitrag beim Auftrag der Parteien, an der Willensbil-dung des Volkes mitzuwirken.

Diese Aufklärung von Carl Christian von Weizsäcker zum wahren Verhältnis zwischen „Ökologie“ und „Ökonomie“ steht im Mittelpunkt des ökologischen Teils der Kronberger Kreis-Studie für Otto Graf Lambsdorffs Wende von 1982.188 Für das weitere wirtschaftspolitische Programm der FDP ist diese Aufklärung prägend. 1994 wurde dies auf dem Rosto-cker Bundesparteitag besonders deutlich, als ein umfang-reiches ökologisches Programm beschlossen wurde. Der Dissens in der Frage des Verhältnisses von ökonomischer zu ökologischer Effizienz nach dem „Ökologischen Pro-gramm“ von 1990 war auch in den Landesverbänden und in den zuständigen Fachgremien immer wieder deutlich gewor-den. Darum wurde am Vormittag vor der Beschlussfassung

188 Die Überschriften der ersten Studien des Kronberger Kreises wie z.B. „Die Wende“, „Mehr Mut zum Markt“ oder „Mehr Markt im Arbeitsrecht“ verdeutlichen das ebenso wie die Gründungsgeschichte des Kronberger Kreises als ordnungspolitischer Beraterkreis von Lambsdorffs Wende. Vgl. ebenda, S. 9 und 26ff.

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eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe vor allem aus Vertretern der zu-ständigen Fachgremien gebildet, um in der Endredaktion für die Beschlussvorlage Einigung auf einen gemeinsamen Pro-grammtext zu erreichen.

Diese Einigung gelang unerwartet schnell und fast mühelos; sie wurde auch problemlos von der von Klaus von Lindeiner geleiteten Antragskommission übernommen. Im Text wurde auf jeglichen Hinweis zu Gegensätzen und daraus folgenden Notwendigkeiten einer „Versöhnung von Ökonomie und Ökologie“ verzichtet; die Marktwirtschaft solle aber „ökolo-gisch orientiert“ sein. Zugunsten des unter der Überschrift konsequent marktwirtschaftlichen Inhalts des neuen Ökolo-gischen Programms wurde nicht darüber gestritten, ob da-rüber die inzwischen üblich gewordene Überschrift „Ökolo-gische Marktwirtschaft“ stehen solle.

Dieser Text wurde vor der Beschlussfassung jedoch ohne vorherige Absprache per Antrag um einen Satz ergänzt: zu-gunsten eines nationalen Alleingangs bei einer CO2-/Ener-giesteuer: „Sollte eine EU-weite Einführung nicht binnen zwei Jahren möglich sein, so muß eine CO2-/Energiesteuer national eingeführt werden bei anderweitiger und zumindest gleichwertiger Entlastung von Wirtschaft und Bürgern.“189 Das Abstimmungsergebnis war so knapp, dass dreimal ge-zählt werden musste, bis die gerade amtierende Parteitags-

189 Vgl. Liberal denken. Leistung wählen., Das Programm der F.D.P. zur Bundestagswahl 1994,> www.fdp.de<, S. 35.

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präsidentin eine Mehrheit von zwei oder drei Stimmen für diesen Zusatz feststellte und Otto Graf Lambsdorff den Bundesparteitag fast verlassen hätte. Die zwei Jahre bis zum beschlossenen nationalen Alleingang sind dann aller-dings vergangen: ohne nationale CO2-/Energiesteuer 1996 und auch ohne Anmahnung, diesen Teil des Beschlusses politisch umzusetzen.

So blieb es in dem Bereich des Ökologischen Programms, in dem sich insbesondere bei den Steuern Zuständigkeiten der Fachgremien und Arbeitskreise der Fraktion überschnit-ten, bei der Zustimmung beider Seiten vor allem zu diesen Eckpunkten, die seit dem Bundestags-Wahlprogramm 1994 unumstritten sind:

- „Für die dauerhafte Sicherung der natürlichen Lebens-grundlagen ist die Marktwirtschaft unverzichtbare Grund-lage. Unter den Rahmenbedingungen einer liberalen Wirt-schaftsordnung mit Wettbewerb auf offenen Märkten, funktionsfähiger Eigentumsordnung und dem Verursacher-prinzip zwingt die Marktwirtschaft zum sparsamen Um-gang mit knappen Ressourcen. Dann sichert die Markt-wirtschaft auch hohe Wettbewerbsfähigkeit bei umweltgerechtem Wirtschaften. Überlastung der Bürger und der Wirtschaft durch Überregulierung auch in der Um-weltpolitik, zu hohe Steuern und Sozialabgaben bei einer Staatsquote von über 50 Prozent hemmen heute Beweg-lichkeit, Kreativität und Tatkraft – auch für wirkungsvollere Umweltvorsorge.“

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- „Die ökologische Orientierung der Marktwirtschaft setzt zusätzliche Innovationsimpulse frei. Diese müssen so-wohl zur konsequenten Verbesserung des Umweltschutzes als auch zur ökonomischen Stärkung des Standortes Deutschland genutzt werden.“

- Einseitigkeit, Purismus und Unbeweglichkeit sind im Um-weltschutz nicht weniger schädlich als in der Wirtschafts-politik. – Daher setzen die Liberalen bei der Umweltvorsor-ge auf eine möglichst breite Palette marktwirtschaftlicher Instrumente von handelbaren Lizenzen über Kompensati-onslösungen, Verbraucherinformationen bis zur ökolo-gischen Weiterentwicklung des Steuersystems. Damit verzichten Liberale zwar nicht auf das Ordnungsrecht. Es muß aber konsequent entrümpelt werden und als Basis für die ökologische Orientierung der Sozialen Marktwirtschaft neu gestaltet werden.“

- „Erster Zweck eines leistungsfähigen Steuersystems bleibt es, die für den Bürger unverzichtbaren, vielfältigen Aufgaben des Staates zu finanzieren. Die ökologische Weiterentwicklung des Steuersystems muß daher in ein ordnungspolitisches Gesamtkonzept zur Vereinfachung des Steuersystems und zur steuerlichen Netto-Entlastung der Bürger eingebettet werden. Nur damit gewinnen wir die Bürger für verantwortungsbewusste Mitarbeit bei der

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Umweltvorsorge und stärken die Leistungsfähigkeit des Standortes Deutschland.“190

Im Rostocker Wahlprogramm 1994 war also klargestellt: „Ökologische Marktwirtschaft“ ist nur die Kurzform des In-halts „ökologische Orientierung der Sozialen Marktwirt-schaft“ und eben keine Abschaffung des Eigennamens der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung Deutschlands „So-ziale Marktwirtschaft“. Danach bleibt „Ökologische Markt-wirtschaft“ die Überschrift der Ökologischen Programme im Grundsatzprogramm (Karlsruher Entwurf 1996, Wiesba-dener Grundsätze 1997) und in den Wahlprogrammen 1998 und 2002.

2005 wird in „Die Chancen der Freiheit“ der Titel dieser Studie zum wirtschaftspolitischen Programm der FDP fast wörtlich mit Carl Christian von Weizsäckers Klarstellung verknüpft: „Eine Ordnung in Freiheit ist der beste Beitrag zum sparsamen Umgang mit knappen Ressourcen.“ „Öko-logie ist langfristige Ökonomie.“191. Im Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stärken“ sind die ökologischen Orientierungen unmittelbar in die jeweiligen Themen eingearbeitet. (alle Hervorhebungen im Original; H.W.)192

190 Ebenda, >www.fdp.de<, S. 33ff.191 Im „Wechsellexikon“, >www.fdp.de<, 1.1, S. 19.192 Vgl. >www.fdp.de< die Überschriften in allen angeführten Programmen bis 2002 und zum Wahlprogramm 2009.

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5. Die Ordnung von Währung und Finanzmarkt

Wir haben doch nicht vor 20 Jahren für die deutsche Einheit gekämpft, um jetzt im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise zu erleben, wie Sozialismus und Kommunismus durch die Hintertür wieder was zu sagen haben.

(Guido Westerwelle am 7. März 2009 193)

2009 geht es nicht nur um die Bewältigung der aktuellen Vertrauenskrise auf dem Geld- und Kapitalmarkt, speziell auf dem Interbanken-Markt. Es geht heute auch um eine Vertrauenskrise der Marktwirtschaft. Und für den Erfolg marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik in Deutschland hat bei den Deutschen in Ost und West wie im Ausland kein an-deres Symbol so überzeugend gestanden wie die Deutsche Mark.

So mustergültig wie die Deutsche Mark ist die „Finanz-marktkultur“ in Deutschland nicht. Nach aktueller Einschät-zung der EU-Kommission vom 19. Mai 2009 gilt eher das Gegenteil: Der deutsche Finanzmarkt ist so überreguliert wie ineffektiv reguliert – anders formuliert: Das Problem des deutschen Finanzmarkts passt zu den Finanzmärkten aller wichtigen Industriestaaten: zu viel Regulierung, zu we-nig Ordnung. Der feine Unterschied zwischen „Regulie-

193 Im Interview mit Mario Dobovisek, Deutschlandfunk vom 7. März 2009, >www.dradio.de<.

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rung“ und „Ordnung“ entscheidet über die „Finanzmarktkul-tur“: national, in Europa und global.

Heute bestimmt im Gefolge von Jahrzehnten ungelöster Probleme aller Art die Diskussion um den Gesamtkomplex der Ordnung von Währung und Finanzmarkt die politische Tagesordnung: Es geht vor allem um ungelöste Transparenz- und Kontrollprobleme bei unternehmerischer Verantwor-tung und Haftung, außerdem um hohe öffentliche Verschul-dung noch bevor nach dem Platzen der größten Immobilienblase der letzten Jahrzehnte weltweit Stabilisie-rungsprogramme mit weiteren Schulden finanziert werden. Das umreißt knapp die aktuelle Krise des Finanzsystems.

Zwar scheint es so, als habe die Weltwirtschaftskrise ihren Ausgangspunkt im realen Immobilienbereich genommen, wenn man den Einbruch der Häuserpreise in Florida, Mis-souri, Peking, Flandern, Spanien oder Irland betrachtet. Der Einbruch der Immobilienpreise ist aber nur ein wiederholtes Symptom des Zusammenspiels vieler Ursachen, die sich weltweit in den Worten von Präsident Obama bei seiner er-sten Rede vor beiden Häusern des Kongresses so bündeln lassen: „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt.“ Natür-lich bedeuten solche Formulierungen an die Adresse derer, die es angeht, nie, dass rund eine Milliarde Hungernde welt-weit „über ihre Verhältnisse gelebt“ hätten. Was Obama nach Jahrzehnten des „Jammerns auf hohem Niveau“ an die richtige Adresse richtete, lässt sich allerdings mit man-cher politischer Anstrengung dennoch missverstehen.

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Die Folgen für das globale Finanzsystem sollen zunächst ganz plastisch illustriert werden, um die Unterschiede zum Ordnungsproblem vor 60 Jahren herauszustellen: Kleine Häuser, riesige Villen mit und ohne Kitsch in Spanien oder den USA konnten – wenn überhaupt – oft nur zur Hälfte oder einem Drittel des erwarteten Preises verkauft werden, den der Eigentümer an den Gläubiger „Bank“ zu zahlen wohl vorhatte, nun aber nicht zahlen kann. Und in der Boom-Stadt Peking stehen neue Büro-Wolkenkratzer ohne Mieter oder Käufer leer, so dass ihr realer Wert entsprechend sinkt bzw. die Renovierungskosten entsprechend steigen könnten, bis sogar der Abriss billiger wäre. So wurden For-derungen von Gläubigern, meist Banken, wertlos, und weil diese Forderungen ebenso wenig in Banken herumliegen, wie Geld nicht in der Schweiz, in Liechtenstein oder Luxem-burg „liegt“, kommt jeder in Probleme, der viel von solchen Forderungen und auch von anderen verbrieften „Giftpapie-ren“ hält, in der Spitze dabei Landesbanken mit einem Anteil von bis zu Zweidritteln solcher Papiere.

Bis hin zum Erfolg der Europäischen Zentralbank bei der Stabilität des Geldwertes und bis zu regelmäßig gut funkti-onierenden Kapitalmärkten wurden bereits 1946 program-matische Weichen für die Ordnung von Währung und Fi-nanzmärkten gestellt. In den folgenden Wirtschaftsprogrammen der FDP wiederholte sich diese Grundorientierung: Die FDP war von Anfang an und blieb Verteidigerin einer unabhängigen und auf Wahrung der

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Geldwertstabilität verpflichteten Zentralbank: von der „Bank der deutschen Länder“ über die Deutsche Bundes-bank bis zur Europäischen Zentralbank. Das Wahlpro-gramm 2009 „Die Mitte stärken“ setzt diese Tradition fort mit der „Konzentration der Finanzaufsicht bei der unabhän-gigen Bundesbank“ und der Forderung, mittelfristig eine EU-weite Bankenaufsicht „bei der EZB anzusiedeln und in den EU-Verträgen abzusichern“.194

Vom Merkantilismus und Pump in die KriseBei der üblichen Suche nach „Schuldigen“ werden auch in der aktuellen Krise die Langläufer „Marktversagen“ und „Staatsversagen“ verdächtigt, auch wenn bei der Vermei-dung künftiger Finanzkrisen alle Parteien eine effektivere Fi-nanzaufsicht fordern. Bevor in den wirtschaftspolitischen Programmen der Parteien bei den Ursachen der Finanzkrise allzu oberflächlich mit den Begriffsrealismen „Marktversa-gen“ und „Staatsversagen“ gegeneinander geworfen wird, sollte für ein eigenständiges Urteil Folgendes überdacht werden: Das Publikum von Politikern über Journalisten bis hin zu Managern hatte Präsident Obamas Worten „Wir ha-ben über unsere Verhältnisse gelebt“ betroffen zugehört. Für nachhaltige Besserung wurde aber meist überhört, was Obama damit gesagt hatte: In einer Marktwirtschaft ohne Politik für Sonderinteressen entscheiden letztlich die Konsu-

194 Vgl. dazu den Abschnitt “Kreditpolitik” der “Bremer Plattform 1949”, beschlossen auf dem 1. Bundesparteitag der FDP am 11. und 12. Juni 1949 in Bremen, ebenda, S. 100; Wahlprogramm 2009, Die Mitte stärken, >www.fdp.de<, S. 10f.

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menten, was wann wo mit welchen Technologien produziert wird.

Ohne Politik für Sonderinteressen wären also letztlich die Konsumenten auch für die schlechten Ergebnisse mitverant-wortlich, die „Schuldige“ und „Unschuldige“ treffen. Mehr oder minder haben fast alle – mit oder ohne entsprechend hohe Eigenleistung – zuvor auch den wachsenden Wohl-stand genossen, als die Ergebnisse der Marktwirtschaft über Jahrzehnte in aller Regel für die meisten Menschen befriedigend waren, nicht aber für einen wachsenden Anteil von Armen bis in die Mittelschichten hinein und in vielen Ent-wicklungsländern. Präsident Obama in der Krise heute wie Ludwig Erhard vor den vielen Krisen nach seiner Amtszeit haben in ihrer Deutung der Ursachen solcher Krisen nur den Schluss aus den zentralen Sätzen zur Marktwirtschaft als einer „Markt-Demokratie“ gezogen, in der die Entschei-dungen der Bürger die Produktion von Gütern lenken sollen:

„Der Konsum allein ist Ziel und Zweck einer jeden Produktion, daher sollte man die Interessen der Pro-duzenten eigentlich nur soweit beachten, wie es er-forderlich sein mag, um das Wohl der Konsumenten zu fördern. Diese Maxime leuchtet unmittelbar ein, so dass es töricht wäre, sie noch beweisen zu wol-len. In der merkantilistischen Wirtschaftsordnung aber wird das Wohl der Verbraucher beinahe ständig dem Interesse der Produzenten geopfert, und man betrachtet offenbar die Produktion und nicht den

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Konsum als letztes Ziel und Objekt alles Wirtschaf-tens und Handelns.“

Nach detaillierter Darstellung, wie solche Politik im Sonder-interesse inländischer Produzenten zu Protektion führt, die dem eigenen und anderen Völkern schadet, fasst Adam Smith zusammen:

„Es kann nach alledem nicht schwer fallen, zu erken-nen, wer letztlich die Urheber dieses ganzen Han-dels- oder Merkantilsystems gewesen sind. Ganz si-cher können es nicht die Konsumenten gewesen sein, denn deren Interesse hatte man völlig vernach-lässigt. Dagegen ist man sorgfältig auf den Vorteil der Produzenten bedacht gewesen, wobei sich unse-re Kaufleute und Manufakturbesitzer besonders her-vorgetan haben. [...] Ihnen ist nicht nur das Wohl des Verbrauchers, sondern weit mehr noch das Interesse anderer Gruppen von Produzenten geopfert worden.“195

Vor allem dieser letzte Satz des Kapitels „Schlussbemer-kungen zum Merkantilismus“ ist in der aktuellen Krise 2009 höchst aktuell. Am vorläufigen Ende dieser Gemengelage von unternehmerischer und politischer Verantwortung steht ein deutsches Finanzministerium, das sich selbst als „Ent-

195 Wealth of Nations, Band 2, IV. Buch, Kapitel VIII, letzte zwei Seiten: wie z.B. auch in der deutschen Recktenwald-Übersetzung, a.a.,O., S. 558f.

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eignungsbehörde“ bezeichnet196, nachdem der ganze Schwindel aufgeflogen ist, dessen Ursachen aus falscher Politik auf Pump und hemdsärmligem Durchsetzen von Son-derinteressen schon Adam Smith beleuchtet hatte.

Bei der Mitverantwortung der Konsumenten ist es in der politischen Demokratie und der „Basisdemokratie der Marktwirtschaft“ heute mehrfach anders, als Adam Smith das für seine Zeit richtig sah: Im 18. Jahrhundert ist Armut für fast alle so groß, dass Hunger kurz nach der Erstausga-be des „Wohlstand der Nationen“ sogar den Sturm auf die Bastille auslösen sollte. Heute kann fast jeder Konsument in Deutschland mit historisch relativ hoher Kaufkraft seine Konsum-Wünsche zu Konsum-Entscheidungen auch auf Kredit machen. Das wird spätestens dann zum Problem, wenn die Raten für den Konsumkredit nicht mehr bezahlt werden können, weil mit dem Arbeitsplatz das Arbeitsein-kommen verloren geht. Befreit sind heute in Deutschland die Bürger als Konsumenten selbst in der Krise zwar vom

196 „Enteignung“ ist offenbar als Drohung gemeint gewesen, um Eigentü-mer zu bewegen, ihre Anteile an der Hypo Real Estate zu verkaufen. Der gewünschte Staatseinfluss auf die Geschäfte der HRE während der Bewäl-tigung der Finanzkrise hätte von vornherein auch ohne Enteignung über die erforderliche Aktienmehrheit erreicht werden können. Auch das ist zwar eine „Verstaatlichung“, der provisorische Charakter als einer Krisenlösung für die Schlüsselbank im Bereich des Hypothekengeschäfts wäre aber ohne eine Enteignung weitaus überzeugender gewesen. Langfristig darf nicht un-terschätzt werden, welche Bedeutung der Ton hat, mit dem Politiker gar in Gesetzen mit den Bürgern sprechen, auch wenn – oder gerade wenn – die Bürger Ausländer sind.

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Hunger alter Art; aber in ihrer Rolle als Produzenten sitzen sie mit den anderen Vertretern von Sonderinteressen im selben Produzenten-Boot. Ihre Rufe werden in der Demo-kratie vor allem in Wahljahren über Parteigrenzen in Bund und Ländern hinaus viel eher gehört als die Rufe der Unter-nehmer-Seite, die ihre schwergewichtigen Rufer in den Be-trieben und in Demonstrationen hat. Wirtschaftspolitik im volkswirtschaftlichen Interesse aller Arbeitsplätze, wie sie zum Programm der FDP passt, hat es dann schwer, weil die Vertreter von Sonderinteressen Druck auf die Parlamente machen.

Wenn Paul Kirchhof in seinem unten angeführten Zitat zur wachsenden Steuer- und Schuldenlast auf die völlig ver-kehrte Rolle der Parlamente bei der Kontrolle der Staatsaus-gaben und der dafür notwendigen Steuerbelastung ver-weist, dann liegen hier wichtige Ursachen. Neoliberale wie Wilhelm Röpke haben über diese Erfahrungen hinaus vor einer allgemeinen Kulturkrise und Gesellschaftskrise bereits vor über 70 Jahren gewarnt. Es ging den Neoliberalen um die Verteidigung einer Kultur des Mittelstands und der Selbstverantwortung, die zeitweise als „bürgerlich“ nicht in Ehren stand. Wilhelm Röpke hielt dagegen – schon in „Die Gesellschaftskrisis der Gegenwart“ von 1942, aber enger auf die Probleme heute bezogen in „Jenseits von Angebot und Nachfrage“ von 1958:

„In Wahrheit kann die Marktwirtschaft – und mit ihr die gesellschaftliche und politische Freiheit – nur als

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Stück einer bürgerlichen Gesamtordnung und in ih-rem Schutze gedeihen. Das soll heißen, dass sie eine Gesellschaft voraussetzt, in der bestimmte grundlegende Dinge respektiert werden und dem ganzen Gewebe der gesellschaftlichen Beziehungen Farbe geben: individuelle Anstrengung und Verant-wortung, unantastbare Normen und Werte, im Eigen-tum verankerte Unabhängigkeit, Wägen und Wagen, Rechnen und Sparen, selbstverantwortliche Lebens-planung, rechte Einbettung in die Gemeinschaft, Fa-miliensinn, Sinn für Überlieferung und die Verbun-denheit der Generationen bei offenem Blick für Gegenwart und Zukunft, rechte Spannung zwischen Individuum und Gesellschaft, feste moralische Bin-dung, Respekt vor der Unantastbarkeit des Geld-wertes, der Mut, es mit dem eigenen Leben und sei-nen Unsicherheiten männlich auf eigene Faust aufzunehmen, der Sinn für die natürliche Ordnung der Dinge und eine unerschütterliche Rangordnung der Werte. Wer darüber die Nase rümpft und dahin-ter ‚Restauration’ und ‚Reaktion’ wittert, ist ernsthaft zu fragen, für welche Wertordnung und Leitbilder er denn im Kampfe mit dem Kommunismus in die Schranken zu treten gedenke, ohne bei ihm selbst Anleihen zu machen.“197

197 a.a.O., S. 154f.

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Dieses Plädoyer im Geiste Schillers für eine Verfassung der Freiheit, die nur vom Charakter der Bürger geschaffen und erhalten werden könne, klingt aktuell wie der Auftakt zu einem Dialog zwischen Wilhelm Röpke und Oskar Lafon-taine klingen würde. Bei einem solchen Dialog könnte es durchaus dazu kommen, dass Lafontaine trotz seiner früheren Polemik gegen „Sekundärtugenden“ Röpke bei dessen Anmahnung von Tugenden sogar recht geben dürf-te: Es könnte ja heute linker Polemik gegen den „Kapitalis-mus“ helfen. Und Lafontaine kritisiert wie jeder Politiker in allen Parteien das skandalöse Verhalten von Einzelnen der vorgeblichen „Wirtschaftselite“ zu Recht, wenn auch mit sei-nen Motiven. Denn „Marktwirtschaft“ ist nur die Kurzformel für die Menschen, die in dieser Wirtschaftsordnung produ-zieren und verbrauchen. Dazu gehören selbstverständlich, wie Lafontaine auch, manche Banker, die durch Skandale die Marktwirtschaft in Verruf bringen.

Wenn es Lafontaine also gelingt, fehlenden Anstand, Zo-ckerei und Großmannsucht Einzelner als zwangsläufiges Re-sultat des „Kapitalismus“ zu verkaufen, dann bringt er indi-rekt doch die Marktwirtschaft in Verruf. Denn statt von „Marktwirtschaft“ sprechen viele Linken eingängiger und vorverurteilend meist vom „Kapitalismus“. In Deutschland, Ost wie West, wird „Kapitalismus“ – historisch bedingt und in Schulen zu oft so gelehrt198 – meist negativ bewertet.

198 Vgl. dazu die Beispiele in Gary Merrett, Marktwirtschaft in Schulbü-chern, Position Liberal des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stif-

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Wenn es den Linken also nur oft genug gelingt, nicht Hegel, sondern Röpke „auf den Kopf zu stellen“, bleibt von der ein-gängigen Kapitalismus-Schelte genügend an der Marktwirt-schaft hängen.

Das hat Methode: Was bei Röpke in seiner Aufreihung von Tugenden regelmäßige Voraussetzung einer marktwirtschaft-lichen Ordnung ist, wird von Lafontaine als Gegenteil sol-cher Tugenden zur zwangsläufigen Folge des „Kapitalismus“ er-klärt. Auf diesen Trick sind im Deutschland der späten 60er Jahre schon viele hereingefallen, auch Liberale in der F.D.P. 40 Jahre später muss sich das nicht wiederholen.

Erhard Lange hat den Einfluss des gegen alles „Bürgerli-che“ gerichteten Zeitgeistes in seinem Beitrag „Theodor Heuss und die Entstehung des Grundgesetzes“ zusammen-gefasst. Schon damals wird selbst Theodor Heuss bürgerli-che Restauration und Reaktion vorgeworfen. Am Ende die-ser Entwicklung konnte für die Freiburger Thesen auch damit geworben werden, dass die FDP „von der bürgerlichen zur liberalen Partei“ gewandelt werde.199 Eine solche Entwick-lung hatte Wilhelm Röpke vorausgesagt – im Zitat aus „Jen-seits von Angebot und Nachfrage“ oben, aber eindrucksvoll in den ordnungspolitischen Gesamtzusammenhang gestellt: Nasen würden gerümpft werden, und das Plädoyer für eine

tung, Potsdam 2008, >www.libinst.de<, S. 11ff.199 Vgl. bereits im Titel Peter Juling, Die Wandlung der F.D.P. von der bür-gerlichen zur liberalen Partei, in Ders. (Hrsg.), Politik für die 80er Jahre, a.a.O., S. 259ff.

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Rückkehr der Werte werde als „Restauration“ und „Reakti-on“ diskreditiert werden. Dieser Vorwurf wäre Theodor Heuss in den siebziger Jahren von Parteifreunden wahr-scheinlich auch dann noch gemacht worden, wenn er nicht für die bürgerlichen Tugenden eines sparsamen, sturm-festen schwäbischen Patrioten gestanden hätte, sondern wie Röpke sturmfester, sparsamer Niedersachse gewesen wäre. Im Zeitgeist von 68er Studenten wurde über solche „spießigen“ Tugenden tatsächlich die Nase gerümpft und überall „Restauration“ gewittert.

Nach 1971 beginnt sich dieser Zeitgeist zu ändern, nicht je-doch die Neigung vieler Bürger zu Kurzfrist-Denken. Hinter den programmatischen Forderungen der FDP nach einer „Rückkehr der Werte“ steht dagegen die Klammer, die Frei-heit und Eigenverantwortung zusammenhält: Die Konsu-menten in der „Basisdemokratie der Marktwirtschaft“ – ob Manager, Börsen-Yuppies, Mittelständler, Journalisten, Poli-tiker und auch viele „ganz einfache Menschen“ – sind zwar in ihren Entscheidungen von Werbung, aber eben auch von sich selbst zu Konsum verführt worden, den sie oft nicht durch ihre Leistung bezahlen können.

Andere Bürger haben dennoch gespart, trotz aller War-nungen von Keynesianern vor volkswirtschaftlichen „Si-ckerverluste durch Sparen“. Diese Sparer haben für spä-teren Konsum und für das gegenwärtige gutbürgerliche Gefühl von eigenverantwortlicher Vorsorge gespart. Der Verlust großer Teile ihrer Ersparnis ist heute ähnlich wie

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nach der New-Economy-Blase200 ein herber Rückschlag für private Alterssicherung und für das Vertrauen in die Siche-rungsfunktion der marktwirtschaftlichen Ordnung: Zu viele Sparer sind zu oft von Lügen bis hin zu krimineller Energie in höchst riskante Anlagen für ihre Ersparnis verleitet worden; die staatlichen Aufsichtsbehörden haben trotz extremer Re-gulierungsdichte auf dem Finanzmarkt versagt. 201

Viel mehr und viel häufiger haben Menschen aber ganz ein-fach gekauft, was sie sich nicht leisten können: ein zu großes Auto, ein zu großes Haus, zu viel elektronische Berieselung. Man lernt von den USA eben nicht durch Häme über den Kreditkarten-Rausch und die niedrige Sparquote in den USA. Denn auch das ist der deutsche Normalfall in fast 60 Jahren: Ludwig Erhards „Maßhalte-Appelle“ wurden und werden fast immer belächelt, nur ausnahmsweise in Krisen deutete sich eine Ahnung von Maß und Mitte in der persön-lichen Lebensführung an.

Die inzwischen relativ robusten Ergebnisse der Abwrack-Prämie in der Krise 2009 zeigen, dass nun ein Umdenken z.B. in Richtung kleinerer Autos eindeutig ist. Verstärkt wer-

200 Vgl. dazu die Statistiken der Deutschen Bundesbank in Otto Graf Lambsdorff, Mehr Beteiligungskapital – mehr Marktwirtschaft, a.a.O., S. 25ff. und die Tabellen im Anhang, S. 66ff.201 Vgl. Susanne Maria Schmidt, Olaf Steglich, Aus gegebenem Anlass – oder warum die Ordnungspolitik das einzige Mittel für die Finanzmärkte ist, Position Liberal 77 des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Potsdam 2009, >www.libinst.de<.

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den kleinere Autos nicht nur deswegen gekauft, weil der prozentual größere Anreiz von 2500 Euro bei Kleinwagen liegt. „Nur fliegen ist schöner“ aus der Werbung der 70er Jahre und mindestens „177 PS“ aus der Autowerbung von 2008 sind in der Krise etwas aus der Mode gekommen. Noch deutlicher als Indiz für Zweifler an dieser Beobachtung ist bei einem anderen „Liebling“ der Deutschen der unge-brochene Anstieg von preiswerterem Bier mit Kastenprei-sen um 6 Euro auf einen Marktanteil von rund 25%. Zweifel sind jedoch stets angebracht, ob nachhaltig wirkt, was als Einsicht aus der Not geboren wurde. Kurzfristig bedeutet Umdenken der Konsumenten in der Produktion Umstel-lungsprobleme mit Anpassungskosten vor allem für Arbeits-plätze.

Späte Einsicht mit noch späterem Umdenken kommt teuer: Die Umstellung auf Maßhalten erst in der Not führt volks-wirtschaftlich zu weitaus höheren Anpassungskosten als die Umstellung auf Maßhalten im Wohlstand. Zur volkswirt-schaftlich günstigeren Umstellungszeit ist allerdings nicht nur in der Politik, sondern auch bei den Bürgern, die sich ihre Politiker wählen, der notwendige „Leidensdruck“ noch nicht erreicht. Denn in den „fetten Jahren“ ist banalerweise keine Not und daher auch kein „Leidensdruck“.

Es sind eben nicht nur Kämmerer in Kommunen und Finanz-minister in Ländern und Bund, die Lehren aus der Bibel von Joseph in Ägypten nicht beherzigt haben, sondern zu viele „einfache Menschen“, die aus verständlichen Konsum-Wün-

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schen zu oft riskante Konsum-Entscheidungen gemacht ha-ben: Dieses Verhalten wurde um so gefährlicher, seit Ar-beitsplätze nicht mehr sicher sind, vor allem seit über 30 Jahren, nachdem zuvor bis Mitte der 70er Jahre „45 Jahre Arbeit in Vollzeit-Beschäftigung“ nicht selten gewesen war. Das aber dürfte wahrscheinlich eine historische Einmaligkeit der Ludwig-Erhard-Generation sein, in der zumindest fast alle Männer 45 Jahre lang einen „Arbeitsplatz“ hatten. Oft wurden aber auch die 45 Jahre Vollzeit-Arbeit für die Rente nur einschließlich angerechneter Zeiten von Kriegsdienst und Gefangenschaft erreicht.

Das ist der Hintergrund von rund 15 Jahren besorgter poli-tischer Mienen zur „lahmenden deutschen Binnenkonjunk-tur“ nach dem „Vereinigungsboom“, während die gute „Ex-port-Konjunktur“ in der üblichen Naivität von Kurzfrist-Denken beruhigte, stets in der Hoffnung, der Binnen-Konsum werde sich wieder beleben.202 Zumindest hätte man aber bei der wunderbaren deutschen „Export-Konjunktur“ nach dem

202 Auch über diese zeitliche Dimension aller Bewertungen hatte sich Chamfort Gedanken gemacht, die nicht nur bei der Bewertung von Ab-wrackprämien hilfreich sein können: „Darin liegt das Unglück der Mensch-heit im gesellschaftlichen Zustand: Obwohl man in Moral und Politik sa-gen kann, das Übel sei, was schadet, kann man nicht sagen, das Gute sei, was nützt; denn was einen Augenblick von Nutzen, kann lange oder für immer zum Schaden sein.“ Zur wirtschaftspolitischen Kunst gehört bei aller notwendigen Langfristorientierung der Wirtschaftspolitik dennoch das Notwendige zur Entschärfung von Anpassungskrisen der kurzen Frist so zu tun, dass über die gesamte lange Frist Schaden aus dem Nutzen in der kurzen Frist der Krisenbekämpfung abgewendet wird.

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Ende des deutschen Vereinigungsbooms wenigstens darü-ber beunruhigt sein müssen: Fast 20 Jahre lang beruhte die durchaus nicht lahmende Binnenkonjunktur der USA trotz al-ler großen Arbeitsplatz- und Einkommenserfolge nach Ronald Reagans Reformen ab 1982 in hohem Maße auf pri-vatem Pump und – nach kurzen Haushalts-Überschüssen – auf später noch gewaltiger steigenden Haushaltsdefiziten vor allem für Rüstungsaufträge, höher sogar als während der Reagan-Administration. Vor allem waren aber in Deutsch-land nicht genügend Arbeitsplätze mit den guten Einkom-men geschaffen worden, die allein solide Grundlage für eine kräftigere „Binnenkonjunktur“ gewesen wären.

Dass ein Boom-Land wie China auch einmal auf Wachs-tumsraten von „nur“ 9% abstürzen könnte, bevor noch sei-ne Boom-Ruinen offenbar sind, wurde ebenfalls ausgeblen-det, ebenso, dass Spaniens „Konjunktur“ – und damit ebenfalls ein Markt für deutsche Exporte – seit dem Olym-pia-Boom von 1992 vom Aufblasen und Platzen ständiger Immoblien-Blasen begleitet war. Im „Vereinigungsboom“ Deutschlands stieg der Anteil der Wertschöpfung durch die Bauindustrie in Ostdeutschland zeitweise bis auf 17%. Das kann in einer Volkswirtschaft nicht Dauerzustand sein und war es auch nicht: mit allen Anpassungsproblemen für Ar-beitsplätze in der Bauindustrie z.B. auch im spitzenverschul-deten Berlin als Größtbaustelle. Auch die Möglichkeit, dass im Falle einer Krise gerade kleinere Staaten wie Irland und Island oder auch osteuropäische Transformationsländer als Zielorte deutscher Exporte besonders hart getroffen wer-

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den können, wurde eigenartigerweise erst gesehen oder ausgesprochen, als auch die Analytiker schon mitten in ihrer Prognose-Krise standen. Das Problem von Ländern wie Is-land wurde dagegen bei der Werbung für den Euro sehr wohl gesehen und war 2009 Teil des Europa-Wahlkampfs.

Falsch gesetzte ordnungspolitische Rahmenbedingungen der Marktwirtschaft spielten bei den tieferen Ursachen der Finanzkrise die entscheidende Rolle. Die Weltwirtschafts-krise hätte so extreme Dimensionen nicht erreichen kön-nen, wenn es nicht längst zu einem Verlust von Werten und Anstand bei denen gekommen wäre, die als Elite Vorbild sein müssen. Das hat jeder Informierte, der es wissen wollte, gewusst – spätestens seit der Pleite des privaten Bankhauses Herstatt und des Rückgriffs von Landesbanken auf den Steuerzahler nach ihren Fehlspekulationen 1973/1974 (s.o.). Es hat seitdem bis zur aktuellen Finanzkri-se auch nicht an Kongressen, Anhörungen, Ethik-Seminaren und politischen Initiativen gefehlt, mit mehr Transparenz, Kontrollen und härteren Haftungsregeln die Krisen-Präventi-on zu verbessern. Das alles hat offenbar nicht gereicht.203

203 Vor sechs Jahren hat John Plender, als langjähriger Kolumnist der Fi-nancial Times, nahe an den Zeitenwenden der Praxis auf den Finanzmärk-ten, die Veränderungen in der Haltung zu Grundwerten zum Ausgangspunkt seiner Reform-Empfehlungen gemacht. Damals interessierten gerade die Finanzkrisen weit weg in Südostasien und Argentinien. Dabei war die jüng-ste Krise auf den deutschen Kapitalmärkten nach der New-Economy-Blase noch lange nicht verdaut. Was immer die wenigen Reformen bei den Regu-lierungen der internationalen Finanzmärkte verbessert haben mögen: Der „Weg zurück zu den Wertvorstellungen von Transparenz und Verantwort-

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Die Zentralbank: unabhängig und verpflichtet auf stabilen GeldwertDie unabhängige Bundesbank hat eine entscheidende Aufgabe. Wir haben als Liberale diese Unabhängigkeit der Bundesbank immer für einen Garanten ei-ner soliden Wirtschafts- und Währungspolitik in unserem Lande gehalten. Hätte sie diese Position nicht, die Gefahr, sich vom süßen Gift bequemer Schein-Lösungen einschläfern zu lassen, wäre groß. Die Angriffe auf die Po-litik der Bundesbank, wie wir sie aus den Reihen unseres Koalitionspartners vernehmen, erscheinen uns deshalb nicht geeignet, das für die wirtschaftliche Entwicklung notwendige Vertrauen zu festigen - eher das Gegenteil.(Hans-Dietrich Genscher (1981))204

Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm 2009 auch eine neue Rolle der Bundesbank über ihre Aufgabe hinaus, unab-hängig wie die Europäische Zentralbank im System der Eu-ropäischen Zentralbanken den Geldwert zu sichern. Für ef-fektivere Krisen-Prävention auf den Finanzmärkten soll die

lichkeit“ wurde nicht beschritten. Also führte der Weg recht geradlinig in die Finanzkrise seit 2007. Vgl. die Besprechung von Plenders „Going off the Rails. Global Capital and the Crisis of Legitimacy“, New York 2003, von Sascha Tamm: Wider die Mär vom Systemversagen, Handelsblatt vom 16. Juli 2003.204 In der Krise Anfang der 80er Jahre schrieb Hans-Dietrich Genscher einen „Brief an die Mandats- und Funktionsträger der FDP“ (20. August 1981; fdk, Ausgabe 130), in dem er in der damaligen „Bewährungsprobe der Marktwirtschaft“ konsequent auf marktwirtschaftliche Lösungen setz-te und dabei auch die üblichen Angriffe auf die Deutsche Bundesbank zu-rückwies. Abgedruckt in: Wolfgang Mischnik (Hrsg.), Verantwortung für die Freiheit – 40 Jahre F.D.P., a.a.O., S. 626.

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Finanzaufsicht unter der Aufsicht der Deutschen Bundes-bank konzentriert werden, mittelfristig auch europaweit un-ter der Aufsicht der Europäischen Zentralbank.205 Hinter die-ser Forderung der FDP steht zunächst vor allem das Vertrauen, das sich die Deutsche Bundesbank in rund 60 Jahren erworben hat.

Dieses Vertrauen in die Deutsche Bundesbank als Hüter der geldwertstabilen D-Mark wurde auch dadurch nicht nen-nenswert gestört, dass die Bundesbank 1972 auf festen Wechselkursen bei importierter Inflation und Kapitalver-kehrskontrollen nach § 23 Außenwirtschaftsgesetz be-harrte. In der Amtszeit von Bundesbankpräsident Klasen trug diese von Verteidigungsminister Helmut Schmidt unter-stützte Position zum Rücktritt von Wirtschafts- und Finanz-minister Karl Schiller nach dem 29. Juni 1972 bei – und da-mit über seinen Nachfolger als „Superminister“ indirekt auch zur späteren Kanzlerschaft von Helmut Schmidt. Bei anhaltend importierter Inflation hob Helmut Schmidt nach Karl Schillers Rücktritt die wirkungslosen Kapitalverkehrs-kontrollen zugunsten flexiblerer Wechselkurse auf.206

205 Die Mitte stärken., a.a.O., >www.fdp.de<, S. 10.206 Vgl. zu den Einzelheiten Hans Tietmeyer, Herausforderung Euro, Mün-chen und Wien 2005, Kapitel 6 „Die Währungsschlange: Ein Konstrukt mit vielen Misserfolgen; Hans Willgerodt, Alexander Domsch, Rolf Hasse, Volker Merx, Wege und Irrwege zur europäischen Währungsunion, auf der Grundlage eines Gutachtens des Bundesministeriums für Wirtschaft unter dem Titel „Konzept einer europäischen Konjunktur- und Währungspolitik“, Freiburg 1972, 2. Teil und S. 310ff.; Horst Werner, Die Kontrolle internatio-naler Kapitalbewegungen, auf der Grundlage des Gutachtens von 1974 für

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Trotz der traditionellen Unterstützung der Deutschen Bun-desbank ist es jedenfalls nicht selbstverständlich, dass die FDP in ihren Programmen 1972 zu diesen Entwicklungen, die den Geldwert der D-Mark und das internationale Wäh-rungssystem bewegten wie nie zuvor nach Bretton Woods 1944, nichts Kritisches an die Adresse der Deutschen Bun-desbank sagte. Die FDP reagierte darauf allenfalls sehr indi-rekt mit Verweisen auf eine spätere Europäische Wirt-schafts- und Währungsunion. In den „Thesen des Bundesvorstandes für eine liberale Europapolitik“ 1972 wur-de sogar mit Blick auf eine europäische Lösung die These aufgestellt, „daß die Gefahren der Inflation und Stagnation sich nicht mehr mit den Mitteln der nationalen Politik allein bewältigen lassen.“207 Immerhin hatte sich die FDP noch in der „Nürnberger Wahlplattform“ vom 25. Juni 1969 klar zu flexiblen Wechselkursen im Dienste der außenwirtschaft-lichen Absicherung gegen importierte Inflation bekannt:

„Vollbeschäftigung ist auf die Dauer nur auf der Basis einer stabilen Wirtschafts- und Währungspolitik mög-lich. Voraussetzung hierfür ist unter anderem eine au-ßenwirtschaftliche Absicherung gegen den Inflations-import. Nur durch eine gleitende Anpassung des Wechselkurses an die Kaufkraftentwicklung der an-

das Bundesministerium für Wirtschaft, Köln 1976.207 Günter Verheugen (Hrsg.), Das Programm der Liberalen, a.a.O., S. 160.

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deren Währungen können ruckartige Aufwertungen vermieden werden.“208

Diese Klarstellung in der Nürnberger Wahlplattform von 1969 widerspricht nicht nur der These von der Unmöglich-keit nationaler Stabilitätspolitik. Diese These von 1972 ist auch in folgendem konkreten Sinne empirisch widerlegt: Nach dem Übergang zu flexibleren Wechselkursen wurde die noch heute beliebte These durch unterschiedlich große Erfolge für Geldwertstabilität in Deutschland widerlegt, im späteren Europäischen Währungssystem (EWS) selbst in Frankreich. Die wiederholten Spannungen im EWS mit stän-digem Streit, wer wann und wieviel aufwerten oder abwer-ten solle, führten danach über flexiblere Wechselkurse ohne Rückfall in die Zeit eskalierender Kapitalverkehrskontrollen zu politischen Fortschritten auf dem Wege über die Europä-ische Währungsunion zum Euro.

Im Wahlaufruf 1972 „Vorfahrt für Vernunft“ ist die FDP auch koalitionspolitisch vernünftig genug, sich in ihren Forde-rungen zu beschränken auf „eine liberale Wirtschaftspolitik, die im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung mehr Stabilität und Wettbewerb sichert“.209 Selbst in „Grundsätze liberaler Wirtschaftspolitik“ von 1972 wird nicht in der sonst üblichen Klarheit auf die währungspolitische Frage der au-ßenwirtschaftlichen Absicherung für Stabilität des Geld-

208 Ebenda, S. 27.209 Vgl. Ebenda, S. 163ff.

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wertes geantwortet, sondern verwiesen auf „die Neuord-nung des Weltwährungssystems und die Abstimmung der Konjunkturpolitik innerhalb der EWG“.210 Klar bekennt sich dagegen der spätere Bundesminister für Wirtschaft Hans Friderichs zur Wechselkursflexibilität.211

Mit dem Euro haben sich diese Probleme für den Euro-Raum erledigt. Es geht heute darum, die Europäische Zentralbank wie die Deutsche Bundesbank im „System der Europä-ischen Zentralbanken“ in ihrer Unabhängigkeit und Ver-pflichtung aus die Wahrung der Geldwertstabilität zu unter-stützen. Das bleibt für die FDP selbstverständlich. Eine entscheidende Rolle der Europäischen Zentralbank bei der Finanzaufsicht ist in der aktuellen Finanzkrise nicht zu erwar-ten, schon gar nicht eine „globale Finanzaufsicht“. Das bleibt aktuell auch im FDP-Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stär-ken“ Aufgabe nationaler Finanzaufsicht, aber künftig kon-zentriert unter dem Dach der Deutschen Bundesbank212, ge-treu dem Grundsatz, der auch in Zeiten der „Globalisierung“ gilt: „Stability begins at home.“

210 Ebenda, S. 176. Die dort konkret gemachten Vorschläge für „eine su-pranationale Währungsbank“, mit der „die Überschwemmung mit Devisen“ verhindert werden sollte, blieben zum Glück etwas unklar.211 Vgl. Hans Friderichs, Mut zum Markt, a.a.O., S. 96ff.212 Vgl. Die Mitte stärken, a.a.O., >www.fdp.de<, S. 10f.

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6. Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik

Im globalen Rahmen brauchen wir eine effektive Zusammenarbeit zur nach-haltigen Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen.(F.D.P., Liberal denken. Leistung wählen. Das Programm zur Bun-destagswahl 1994, beschlossen auf dem 45. Ord. Bundesparteitag in Rostock, >www.fdp.de<, S. 39.)

Im Sprachgebrauch der marktwirtschaftlichen Ordnungspo-litik fehlt anfangs der Begriff der „Nachhaltigkeit“ („sustaina-bility“) bzw. „nachhaltiges Wachstum“ (englisch z.B. „sustai-nable growth“), obwohl die Sache der Langfristorientierung, der Dauerhaftigkeit, der Kalkulierbarkeit, der Verlässlichkeit oder Geradlinigkeit der Politik charakteristisch für markt-wirtschaftliche Ordnungspolitik ist. Man kann – wie jüngst wieder Otto Graf Lambsdorff im Beckmann-Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg – „Langfristorien-tierung“ noch am ehesten halbwegs mit „Ordnungspolitik“ gleichsetzen. Denn „Langfristorientierung“ hebt Ordnungs-politik am stärksten gegen die Kurzatmigkeit und den orien-tierungslosen Aktionismus einer von Wahltermin zu Wahl-termin schielenden Politik ab.

Bei „Konstanz der Wirtschaftspolitik“ als „konstituierendes Prinzip“ der Marktwirtschaft geht es in der Sache allerdings um „Nachhaltigkeit“. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ in diesem Sinne hat seinen Ursprung in der Forstwirtschaft. Weil man in der Forstwirtschaft ähnlich wie im Bergbau sehr weite

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Zeithorizonte haben muss, ging z.B. über Walter Euckens forstwirtschaftliche Beispiele der Gedanke der Nachhaltig-keit in die Kapitaltheorie ein; im Englischen wurde „sustaina-ble“ vor allem in der Wachstumstheorie verwendet, die zu-mindest in der Neoklassik enge Verbindungen zur Kapitaltheorie hat.

Bei „Nachhaltigkeit“ spielt immer das Zeitmoment eine Rol-le, wenn Walter Eucken in den „konstituierenden Prinzipien“ der Marktwirtschaft mit dem Begriff „Konstanz der Wirt-schaftspolitik“ einen bestimmten Stil der Wirtschaftspolitik fordert. Wörtlich genommen, macht der Begriff „Konstanz“ in einer Welt ständigen Wandels keinen Sinn: Selbst bei der Rechtsordnung wäre „Beständigkeit“ dem Begriff „Kon-stanz“ überlegen, da sogar Verfassungen bis auf ihre „Ewig-keitsartikel“ nicht „konstant“ sind. Und bei den „Ewigkeits-artikeln“ darf nie vergessen werden, dass es im Diesseits menschlicher Gesellschaften nichts Ewiges geben kann. Erst recht kann keine „Konstanz der Wirtschaftspolitik“ beim ständigen „Fluss der Gesetzgebung“ sein, wie Ludwig Lachmann es in einem ORDO-Titel zusammengefasst hat: „The Flow of Legislation and the Permanence of the Legal Order“.213

Erfordert aber der Zwang einer Überschrift oder Maxime das Äußerste an Knappheit, dann könnten “Dauerhaftig-keit“, „Kalkulierbarkeit“, „Verlässlichkeit oder Geradlinig-

213 ORDO, Band 30 (1979), S. 69ff.

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keit“ unter „Langfristorientierung“ statt unter „Konstanz der Wirtschaftspolitik“ sinnvoll zusammengefasst werden. Für „Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik“ im wirtschaftspoli-tischen Programm der FDP spricht heute aber das doppelte Gewicht der Probleme:

- Das Generationenproblem hat hohen Rang angesichts ho-her kumulierter Staatsverschuldung und großer Defizite der staatlichen Infrastruktur im weitesten Sinne, also ein-schließlich des materiellen Zustands von Schulen und Uni-versitäten und des Bildungsniveaus.214 In diesem Sinne ist „Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik“ bei den Staatsfi-nanzen bereits im „Programm der demokratischen Partei in Süd- und Mittelbaden“ vom 20. Januar 1946 verankert.

- Nachhaltigkeit bzw. Langfristorientierung und Planungssi-cherheit schaffende Politik ist mit „Konstanz der Wirt-schaftspolitik“ auch gemeint, wenn zur Vermeidung starker Schwankungen auf den Vorrang ordnungspolitischer Sta-bilisatoren statt auf einer „Konjunkturpolitik der Experi-mente“ gesetzt wird (s.u., Konjunkturpolitik).

- Die Probleme der Umweltvorsorge nehmen angesichts steigender Umweltbelastungen zu. Das ist auch in den weiteren Jahren des Aufholens von Milliarden Menschen

214 Auch dieses Problem der Nachhaltigkeit in der Bildungspolitik wird bereits in der „Nürnberger Wahlplattform“ vom 25. Juni 1969 umfassend aufgegriffen. Vgl. Günter Verheugen (Hrsg.), Das Programm der Liberalen, a.a.O., S. 19-22. (>www.fdp.de<).

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beim Wohlstand zu erwarten. Noch ist nicht absehbar, wann diese Umweltfolgen wie früher durch entsprechend effektivere Technologien und Einsparungen kompensiert werden können.

Im Bereich der Umweltvorsorge setzte sich die FDP als er-ste Partei in den „Freiburger Thesen“ für Nachhaltigkeit ein: in der Sache, aber ebenfalls noch ohne den Begriff „Nach-haltigkeit“. Dabei stehen die Freiburger Thesen in ihrem vierten Teil „Umweltpolitik“ konsequent zu marktwirtschaft-lichen Lösungsansätzen und verzichten auch darauf, den „Kapitalismus“ für Raubbau an der Umwelt verantwortlich zu machen. Der Unterschied zur Positionierung der Freibur-ger Thesen in der Frage der „Eigentumsordnung“ ist unü-bersehbar:

„Die soziale Marktwirtschaft hat wirksame Mittel und Möglichkeiten, die Umweltkrise zu bekämpfen. Leitgedanke ist dabei der Schutz der Würde des Menschen. Das heißt: Zu den unabdingbaren Men-schenrechten gehört das Recht auf eine Umwelt in bestem Zustand. [...] In der Marktwirtschaft werden grundsätzlich alle Kosten den Produkten und Ver-fahren zugerechnet, die sie verursachen. Dies gilt auch für die Verursacher von Kosten einer Umweltbelastung.“215

215 Ebenda, S. 106 und 111. Langfristorientierung und Vorrang für Prä-vention werden vor allem in der abschließenden Erläuterung auf S. 112f.

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Langfristorientierung, Prävention statt Umwelt-Reparaturbe-trieb, Offenheit für technologischen Fortschritt und Nachhal-tigkeit sind seit den Freiburger Thesen von 1971 die Merk-male liberaler Umweltpolitik bis heute. Das sind dieselben Merkmale marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik, flankiert durch staatliches Ordnungsrecht, die für das wirtschaftspoli-tische Programm der Liberalen seit 1946 stehen.

7. Bürgernahe Subsidiarität, Finanzen und Steuern

Die nötige Einheit im Bundesstaat erfordert im Interesse aller Bürger po-litische Gestaltungskraft und bundesstaatliche Solidarität, nicht aber Vereinheitlichung und „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse“ – schon gar nicht durch Auszehrung von Länderkompetenzen im Wege des Tausches von Zuständigkeiten gegen Mitspracherechte oder fast vollständige Ausschöpfung der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund. Deshalb darf Einheit bzw. Integration im Bundesstaat nicht mit Uniformierung durch den Bundesgesetzgeber verwechselt werden.(Otto Graf Lambsdorff (Vorsitzender), Föderalismuskommission der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, 4. Föderalismus-Mani-fest vom 15. Januar 2002 „Für einen reformfähigen Bundesstaat: Landtage stärken, Bundesrat erneuern“)216

deutlich (im Internet über >www.fdp.de<).216 Verfügbar im Internet über >www.freiheit.org<, wieder abgedruckt in: Hubertus Müller-Groeling, Reform des Föderalismus, Kleine Festgabe für Otto Graf Lambsdorff, 3. Auflage, Berlin 2004, S. 95f.

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Integration von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen In der Gründungsphase der Bundesrepublik und der FDP wurde das Subsidiaritätsprinzip im Dienst der gesellschaft-lichen Integration in den FDP-Programmen besonders in der Eingliederung von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen deutlich. Programme, die es Heimatvertriebenen und Flücht-lingen erleichtern sollten, in der neuen Heimat eine Existenz aufzubauen, waren bei der Mehrheit der Deutschen damals nicht populär. Denn trotz aller politischen Bekenntnisse der demokratischen Parteien zu einem Deutschen Reich in den Grenzen von 1937 befürchteten die nicht Vertriebenen für sich persönlich die Kosten dieser deutschen Einheit.

Mehr noch als bei vielen Politikern prägte Nullsummenspiel-Denken die Reaktion auf den Zustrom von Millionen Deut-schen aus Pommern, Ostpreußen, Schlesien und dem Su-detenland, später aus der DDR: Der Gewinn des einen sei der Verlust des anderen. Jede Reichsmark oder Mark für einen Heimatvertrieben oder Flüchtling ist eine Mark weni-ger für uns; jeder Arbeitsplatz für einen „von drüben“ ist ein Arbeitsplatz weniger für uns.217 Um so mutiger war es, dass

217 Nullsummenspiel-Denken ist so verbreitet und daher gefährlich für Frei-heit, Frieden und Wohlstand aller, weil sich in vielen alltäglichen Einzelfällen für die Menschen bestätigt, dass der Vorteil des einen für den anderen ein Nachteil ist („Le profit de l’un est dommage de l’un autre“). Zum Problem für Freiheit, Frieden und Wohlstand aller Bürger wird Nullsummenspiel-Denken durch die viel allgemeinere Neigung des Menschen, Beobachtungen von

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die FDP im Beschluss ihres ersten Bundesparteitages, der „Bremer Plattform 1949“, im Rahmen eines umfassenden Gesamtprogramms zu Wahlrecht, Flaggenfrage, Kulturpoli-tik, Beamtentum, Elternrecht, Sozialpolitik, Geld und Kredit, Steuerreform, Demontage, Enteignung, Entnazifizierung und Nachrichtenmonopol dennoch knapp die Hälfte des Pro-gramms speziell den Ostdeutschen und der Minderheit der Heimatvertriebenen widmete.218

Integration in einer bürgernahen föderalen OrdnungNach der Integration von Heimatvertriebenen und Flüchtlin-gen blieb von der Gründung der Bundesrepublik 1949 bis heute die politische Integrationsaufgabe in Deutschland eine föderale Ordnung, die zu einem gerechten Steuer- und Transfersystem passt und mit einer föderalen Verfassung Europas harmoniert. Stefan Oeter hat das Gesamtproblem im Titel seines Standardwerks zum deutschen Föderalismus mit den beiden Lösungsansätzen umrissen: „Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaatsrecht“.219 Das ent-spricht auf der Ebene der Ziele der bekannten Formulierung

einzelnen Ereignissen unreflektiert zu verallgemeinern. 218 Vgl. Bremer Plattform 1949, Beschluss des 1. Bundesparteitags der FDP vom 11. und 12. Juni 1949 in Bremen, in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 87ff.219 Jus Publicum 33, Tübingen 1998. Stefan Oeter war Mitglied der vierten und fünften Föderalismus-Kommission der Friedrich-Naumann-Stiftung.

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für „Föderalismus: national und international“220: „Einheit in Vielfalt“ oder „Vielfalt in Einheit.“

In den Programmen der regionalen Gliederungen vor Grün-dung der FDP 1948 und in den Jahren danach erscheint die Forderung nach einem von unten nach oben aufgebauten Föderativstaat mit starken Gemeinden unumstritten, obwohl die auf einen starken Zentralstaat gerichteten Kräfte um Höpker-Aschoff und Hugo Preuß sehr stark blieben. Erst ge-gen Mitte der 90er Jahre beginnt die FDP wieder klar Posi-tion für eine nach dem Subsidiaritätsprinzip aufgebaute fö-derale Ordnung zu beziehen. Der seit 1848 unter Liberalen besonders starke Gedanke der politischen Einheit Deutsch-lands spielte dabei eine große Rolle und drängte nicht nur Schillers Idee von der kulturellen Einheit221 in den Hinter-grund, sondern auch den Wert kultureller Vielfalt in einer föderalen Ordnung.

Anlass für die konsequente Orientierung am Subsidiaritäts-prinzip bot insbesondere die von Oskar Lafontaine beson-ders wirksam eingesetzte Blockade der Regierung Kohl im

220 Nach „Deutschland als Föderativstaat“ in der Neuen Zürcher Zeitung vom 16. November 1945 war das der programmatische Titel von Wilhelm Röpkes Fortsetzungsartikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 24. und 27. Mai 1949. 221 Vgl. zum Vorrang und zum Konflikt von politischer oder kultureller Ein-heit die Positionen liberaler Klassiker in Walter Hinderer, Die deutsche Ex-zellenzinitiative und die amerikanische Eliteuniversität, Argumente der Frei-heit des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung, Sankt Augustin 2007, Abschnitt “Funktion des Bildungskonzepts im ‚Kulturstaat’“, S. 42ff.

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Bundesrat. Das verhinderte vor allem eine grundlegende Steuerreform, die die FDP zwischen 1990 und 1996 entwi-ckelt hatte und die sich in den „Petersberger Steuervor-schlägen“ im Konsens von Union und FDP niedergeschla-gen hatte. Die Blockade aller wichtigen bundespolitischen Gesetzesvorhaben im Bundesrat hat jedenfalls die Erfolgs-aussichten der christlich-liberalen Koalition bei der verlo-renen Bundestagswahl 1998 nicht verbessert; die FDP konnte mit dem Thema „Neuer Föderalismus“ in ihrem Wahlprogramm 1998 zunächst keine Aufmerksamkeit errei-chen, obwohl sie die politische Handlungsfähigkeit für Ar-beitsplätze in den Mittelpunkt stellte.222 Das ist gemeint, als sich später die bekannten Sprachbilder zur Föderalismusre-form verbreiteten: „Mutter aller Reformen“ in Anlehnung an die „Mutter aller Glocken“ im „Raubzug der Wikinger“ oder z.B. „Reform für Reformfähigkeit“, um die Bedeutung für politische Handlungsfähigkeit in Gemeinden, Ländern und Bund hervorzuheben.

Als nach 1945 alles neu beginnen musste, waren Reformen in diesem Sinne kein Thema, weil es um eine neue Ordnung

222 Vgl. Es ist Ihre Wahl. Das Wahlprogramm der Liberalen zur Bundes-tagswahl 1998, >www.fdp.de<, S. 65f. In der Friedrich-Naumann-Stiftung waren es vor allem die Leiter des Liberalen Instituts, Gerhart Raichle und Detmar Doering, die die von Otto Graf Lambsdorff geleitete Föderalismus-Kommission der Friedrich-Naumann-Stiftung von 1997 bis 2002 organisier-ten und begleiteten, damit auch die programmatische Entwicklung der FDP befruchteten und so die Position der FDP für einen bürgernahen Bundes-staat in einem bürgernahen Europa stärkten.

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insgesamt ging. Zu dieser marktwirtschaftlichen Ordnung und dem Menschenbild, das dieser Ordnung zugrunde lag, passte ein möglichst bürgernaher Bundesstaat, ähnlich der Schweiz. Schon im ersten, sehr kurzen „Programm der De-mokratischen Partei in Süd- und Mittelbaden“ vom 20. Ja-nuar 1946 ist die Richtung auf Dezentralität vorgegeben: „Wir verlangen die Wiederherstellung der vollen Selbstver-waltung der Gemeinden, Kommunalverbände und Berufsor-ganisationen auf demokratischer Grundlage.“

Konkretisiert wird die Vorstellung vom künftigen Bundes-staat, der damals noch „neues Reich“ hieß, in „Programma-tische Richtlinien der FDP der Britischen Zone vom 4. Fe-bruar 1946 in Syke:

„Das neue Reich soll in organischer Neugliederung als Ganzes einen Staat bilden. Dieser Staat soll auf breiter Grundlage von unten nach oben aufgebaut werden; in freier Selbstverwaltung sollen unten die Gemeinden, darüber die Kreise, im größeren Bereich die Länder ihre eigenen Angelegenheiten selbst re-geln. Die Grenzen dieser Selbständigkeit bestimmt das Reich. Das Reich allein führt und bestimmt die Politik.“

Bei Theodor Heuss und Reinhold Maier im Wahlaufruf der Demokratischen Volkspartei Württemberg-Baden vom 14. Juni 1946 wird der ethische Bogen des Subsidiaritätsprin-zips von der Familie bis zum Bundesstaat gespannt:

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„Familie und Schule, Staat und Kirche müssen zu-sammenwirken, um an die Stelle von Machtanbe-tung, nationalistischer Überheblichkeit und Rassen-wahn wieder die ewiggültigen Gesetze der christlich-abendländischen Kultur zu setzen. Die christliche Sittenlehre, dem Tageskampf der Politik entzogen, soll Richtschnur unseres nationalen Le-bens sein. [...] Die neue Verfassung unseres Staates muß nach den Erfahrungen der jüngsten Geschichte auf die Zentralisierung der Befugnisse weitgehend verzichten. So wie selbstverantwortliche Gemeinden und Kreise sich in ein Land eingliedern, sollen die Länder sich einfügen in ein Deutschland, das allen Eigensüchteleien zum Trotz in seiner Einheit zu er-neuern und zu bewahren ist.“223

Das „Programm der FDP Bayern“ vom 28. März 1946 be-tont den Unterschied zwischen solchen „Eigensüchteleien“ und einem föderalen Bundesstaat deutlich: „Wir Freien De-mokraten bekämpfen; 1. Separatismus und Partikularismus in jeder Form, jeden völkischen Eigendünkel. [...]“ In „Pro-grammatische Leitsätze der FDP Hamburg vom August 1948 werden zusätzlich zu diesen Grundsätzen der anderen Gliederungen die alte Ländergliederung und die alten Haupt-

223 Vgl. zu allen Zitaten von 1946 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., hier S.74.

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städte infrage gestellt und unmittelbar vor der „Erziehung zur staatsbürgerlichen Haltung“ zusammengefasst:

„Zur Festigung des Volkszusammenhangs soll sich einstmals wieder über dem organisch neu gegliederten Unterbau der Gemeinden und Länder eine vom Volks-ganzen unmittelbar abgeleitete Staatsregierung erhe-ben. Sie muß die für eine einheitliche Staatsführung und den Zusammenhalt des Reiches notwendigen Be-fugnisse erhalten. Die Eigenart der deutschen Stämme ist dabei zu achten und zu erhalten.“224

Auf dem ersten Bundesparteitag der FDP werden in der „Bremer Plattform“ vom 11. und 12. Juni 1949 nicht nur die-se Grundsätze eines föderalen Bundesstaats bestätigt, son-dern auch unmittelbar das bis heute aktuelle Problem des Finanzausgleichs angesprochen, ebenfalls ein zentraler Rechnungshof, „der aber nicht eine Einrichtung des Bundes zu sein braucht“.225 Im Lübecker Wahlprogramm vom 28. Juni 1953 ergänzt die FDP ihre Forderungen: „Umwandlung des Bundesrates in eine echte zweite Kammer (Senat), de-ren Mitglieder nicht an Weisungen gebunden sind.“ Im spe-ziellen „Wirtschaftsprogramm“ wird die klare Trennung der Finanzkompetenz von Gemeinden, Ländern und Bund zwar

224 Zum Programm der FDP Bayern ebenda, S. 73; zu „Programmatische Leitsätze der FDP Hamburg S. 76, zur föderalen Ordnung im Programm der Demokratischen Partei Rheinland-Pfalz vom 19./20. April 1947 S. 80 (auch in >www.fdp.de<).225 Ebenda, S. 96.

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beibehalten, nun aber „mit dem Ziel der stärkeren Verlage-rung der Steuerquellen auf Bund und Gemeinden.“ Präzi-siert und begründet wird die Forderung nach einer „bundes-einheitlichen Finanzverwaltung“:

„Alle wesentlichen Steuern sind durch sie (die Fi-nanzverwaltung; H.W.) nach einheitlichen Veranla-gungsgrundsätzen einzuziehen. Nur durch eine bun-deseinheitliche Finanzverwaltung mit einer gleichmäßig ausgeübten Verwaltungspraxis und einem einheitlichen Beamtenkörper ist ein wesentlich höheres Steueraufkommen im Rahmen der jetzigen Gesetzgebung oder das gleiche Steueraufkommen bei entsprechend niedrigeren Steuersätzen zu erzielen.“226

Weil im privaten Alltag wie in der Politik kaum etwas so um-stritten ist wie die unmittelbare, zumindest sichtbar erschei-nende Aufteilung von Geld, wird im „Berliner Programm“ vom 26. Januar 1957 salomonisch auf die Zukunft verwiesen, zu-gleich realitätsnah und an der langen Frist orientiert: „Das geltende System der Finanzverfassung betrachtet die FDP nicht als unantastbar. Die Aufteilung des Steueraufkom-mens auf Bund, Länder und Gemeinden muß dauernd der Vielfalt der Entwicklungen angepasst werden mit dem Ziel, wirtschaftlich lebensfähige Verwaltungen zu erhalten.“

226 Ebenda, S. 135f.

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Im letzten Teilsatz wird ein anderer Meinungsstreit in der FDP zumindest berührt: die Frage der Länder-Neugliede-rung, hier mit der Tendenz, durch Finanzausgleich Länder „zu erhalten“, in anderen Programmen aber durch Neuglie-derung in ähnlich wirtschaftsstarke (o.ä.) Länder zu fusionie-ren, fast schon dramatisch gefordert in „Ziele des Fort-schritts“, das der 18. Bundesparteitag vom 3. bis 5. April 1967 in Hannover „billigte“: „Die gegenwärtige Gliederung des Bundesgebietes in elf Länder muß endlich überprüft werden mit dem Ziel, ausgeglichene und leistungsfähige Bundesländer zu schaffen, wo dies auf Grund der Besat-zungsgeographie von 1945 bis 1947 heute noch nicht ge-schehen ist.“227

Interessant an dieser Formulierung ist vor allem der fehlende Hinweis auf das in Artikel 29, Absatz 2-7 Grundgesetz ver-ankerte Verfahren für Volksbegehren und Volksentscheide als zwingende Voraussetzung für Länderneugliederungen. Dafür wird ein Teil der in Artikel 29, Absatz 1 angeführten notwendigen, aber nicht hinreichenden Voraussetzungen als „Verfassungsbefehl“ hervorgehoben: Die „wirtschaftliche Zweckmäßigkeit“, wird im letzten Satz von Absatz 1 konkre-tisiert: „Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufga-ben erfüllen können.

227 Ebenda, S. 182.

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„Darum fordert die FDP: dass endlich der Verfas-sungsbefehl des Art. 29 GG verwirklicht und ein Ge-setzesentwurf eingebracht wird mit dem Ziel, - Bun-desländer zu schaffen, die unter Berücksichtigung der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen oblie-genden Aufgaben wirksam erfüllen können.“.228

An den Formulierungen dieses Aktionsprogramms „Ziele des Fortschritts“ verwundert bei einer freiheitlichen und de-mokratischen Partei zunächst der „gebilligte“ „Verfassungs-befehl“ – der so nicht einmal im Grundgesetz steht. Denn das Grundgesetz gibt durch das Instrument des „Volksent-scheids“ dem Grundsatz von Artikel 20 Absatz 2 konkretes und maximales Gewicht, wie es bereits Reinhold Maier und Theodor Heuss im „Wahlaufruf der Demokratischen Partei Württemberg-Baden am 14. Juni 1946 gefordert hatten229: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“

Mit der Charakterisierung der Ländergrenzen „auf Grund der Besatzungsgeographie“ soll der föderalen Sachfrage auch eine emotionales Gewicht gegeben werden: Der Un-terschied ist gering zu den noch immer aktuellen Erklä-rungen fast aller Probleme in Afrika mit der Willkür von Grenzziehungen durch die Kolonialgewalt. Damit lenken Re-gierungen von ihrer Verantwortung für Unfreiheit und Hun-

228 Ebenda.229 Vgl. ebenda, S. 74.

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ger in der Dritten Welt ab. Nicht überzeugend sind im Streit um die föderale Ordnung heute auch manche Argumente für größere Bundesländer. Die Frage einer Neugliederung des Bundesgebiets ist vor allem durch Vorstöße der FDP/DVP Baden-Württemberg auch heute aktuell. Forderungen der FDP in der Zeit nach diesem „Aktionsprogramm“ beschrän-ken sich auf eine Erleichterung des Verfahrens für die Volks-entscheide bei Länder-Neugliederungen.230

Über all diesen Positionierungen zur Reform des deutschen Föderalismus steht allerdings, was wohl am deutlichsten als Bundesstaatsverständnis der FDP und als bürgernahe poli-tische Verantwortung im ersten Grundsatzprogramm der FDP, dem Berliner Programm vom 26. Januar 1957, zum Ausdruck kommt:

„Unser demokratischer Staat wird sich auf Dauer nur behaupten können, wenn jeder Bürger ihn als den seinen begreift, nicht nur die Befriedigung seiner Ein-zelinteressen von ihm fordert, sondern sich verant-wortlich für die Gesamtentwicklung weiß und sich verpflichtet fühlt, aktiv am politischen Geschehen teilzunehmen. [...] Die Eindämmung der Gesetzesflut ist zudem die Voraussetzung für die Überwindung der Bürokratie. Wir fordern die Stärkung der überlie-

230 Vgl. die Beschlüsse der FDP zur Föderalismusreform einschließlich „Wechsellexikon“ 2005 in >www.fdp.de< und >www.freiheit.org< bis hin zu den aktuellen Positionierungen in der Föderalismusreform II.

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ferten Gemeindeselbstverwaltung, die ihre Aufgaben lebens- und ortsnah erfüllt. Wir fordern die Überwin-dung eines überspitzten Föderalismus und verlangen statt dessen, dass die Verantwortung unter Aus-schaltung von Überschneidungen zwischen Bund und Länderverwaltung zweckmäßig abgegrenzt wird.“231

Ähnlich nahe am bürgernahen Föderalismus der Schweiz und an Schillers Erziehung zum verfassungstragenden „Ka-rakter des Volkes“ durch bürgernahe Demokratie wie im „Berliner Programm“ ist die FDP erst wieder 40 Jahre spä-ter in der Forderung nach „fußläufiger Demokratie“ des ak-tuellen Grundsatzprogramms: der „Wiesbadener Grundsät-ze – Für die liberale Bürgergesellschaft vom 24. Mai 1997.232 Die knappe Zusammenfassung „Privat vor Staat“ macht in diesem föderalen Zusammenhang nicht immer deutlich, um was es geht. In der stets schwierigen Frage, welcher föde-ralen Verantwortungsebene von Gemeinden, Ländern und Bund volle Aufgabenverantwortung und Einnahmenkompe-tenz übertragen werden soll, gibt es eine Lösung, die fast allen Kompetenzstreit überflüssig macht und die so genial einfach ist wie sparsamer Umgang mit Ressourcen für Um-weltvorsorge: Je mehr Verantwortung an die Bürger – an die „Privaten“ – in ihrem überschaubaren Lebensbereich zu-

231 Berliner Programm, beschlossen vom 8. Bundesparteitag am 26. Janu-ar 1957, in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 146, >www.fdp.de<.232 >www.fdp.de<, S. 21f.

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rückgegeben wird, um so weniger Kompetenzgerangel zwi-schen Gemeinden, Ländern, Bund und Europa.

Für die Europäische Union ist es 2009 eine höchst fragwür-dige Ehrung, dass bereits 80% der Gesetze „in Brüssel ge-macht werden“. Die Stärkung des Europäischen Parlaments ist eine Antwort darauf; die größere Bürgernähe politischer Entscheidungen ist die wichtigere Antwort, wenn man das Subsidiaritätsprinzip auch in seinem ethischen Kern verstan-den hat und ernst nimmt.

Seit den Wiesbadener Grundsätzen von 1997 wurden entsprechend im Bundesfachausschuss Wirtschafts-, Fi-nanz- und Steuerpolitik, parallel dazu in der von Otto Graf Lambsdorff geleiteten Föderalismuskommission der Friedrich-Naumann-Stiftung, bis Ende 2002 die program-matischen Grundlagen der FDP-Position in der Föderalis-musreform I und II bis heute gelegt, im Wahlprogramm 1998 mit den Eckpunkten:

•  Handlungsfähiger,  weil  schlanker  Bundesstaat  mit  mehr Autonomie der Bundesländer,

•  „Dezentralisierung  und  klare  Kompetenzverteilung  zwi-schen Bund, Ländern und Gemeinden“,

•  „Wettbewerbsföderalismus“,•  Verschlankung von Parlamenten und Ministerialbürokratie,•  Verfassungsschranken  gegen  Staatsverschuldung  und 

Steuerlast,

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•  „Klare  Trennung  bei  Steuerhoheit  sowie  Finanzierungen zwischen Bund d Ländern“,

•  „Reform des Länderfinanzausgleichs“ und•  Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.233

Steuern: einfach, gerecht niedrigWillst lustig leben,Geh mit zwei Säcken,einen zum Geben,einen um einzustecken,Da gleichst Du Prinzen,Plünderst und beglückst Provinzen.(Goethe, Sprüchwörtlich (1840))

Das Steuerreform-Programm der FDP hat vor allem seit 1994 in der öffentlichen Diskussion ein weitaus größeres Gewicht, als der Steuerpolitik in einem schlüssigen wirt-schaftspolitischen Gesamtkonzept zukäme. Das wird auch in der Stellung der Steuerpolitik im Aufbau dieses Teils der

233 Es ist ihre Wahl., Das Wahlprogramm der Liberalen zur Bundestagswahl 1998, www.fdp.de , S. 63 und 65f. Eine Übersicht über die beiden Födera-lismusreformen bieten Bundestag und Bundesrat auf ihren Homepages mit allen Dokumenten und den öffentlichen Sitzungsprotokollen z.B. über www.bundesrat.de . vgl. dazu auch die Beiträge von Charles Beat Blankart, Ernst Burgbacher, Klaus von Dohnanyi, Roman Herzog, Alexander Graf Lambs-dorff und Roland Vaubel in: Jürgen Morlok (Hrsg.), Der Freiheit verpflichtet, Band 2, a.a.O.; außerdem den Beitrag von Johanna Hey „Steuerwettbe-werb in Deutschland“, in: Paul Kirchhof, Otto Graf Lambsdorff, Andreas Pinkwart (Hrsg.), Perspektiven eines modernen Steuerrechts, Festschrift für Hermann Otto Solms, a.a.O., S. 35ff.

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Studie streng nach Euckens ordnungspolitischen Prinzipien der Marktwirtschaft deutlich. Denn für die FDP gilt, was auch dem ordnungspolitischen Zusammenhang der Politik-bereiche in der Marktwirtschaft entspricht: „Erster Zweck eines leistungsfähigen Steuersystems bleibt es, die für den Bürger unverzichtbaren, vielfältigen Aufgaben des Staates zu finanzieren.“234 Dieser erste Zweck des Steuersystems als notwendige Vorraussetzung der Staatstätigkeit ist so wichtig wie selbstverständlich. Darum müsste das Steuer-system eigentlich völlig uninteressant für ein von medialer Unterhaltung verwöhntes Publikum sein.

Es gibt einen schlechten Grund dafür, dass das Gewicht der Steuerpolitik in der öffentlichen Diskussion heute den-noch so hoch ist: Unverzichtbare Staatsaufgaben wie z.B. im Bildungsbereich werden unzulänglich finanziert, weniger dringliche oder überflüssige bis schädliche Staatstätigkeit im Bereich von Dauersubventionen für Produzenten-Son-derinteressen wurden – und werden zum Teil immer noch – mit hohen Staatsausgaben finanziert. Paradebeispiel ist die deutsche Steinkohle, was zu FDP-Slogans vom Typ „Bildung statt Kohle“ geführt hat.235 Außerdem ist seit rund 60 Jahren das deutsche Steuersystem in dem konkreten

234 Liberal denken. Leistung wählen., Das Programm der F.D.P. zur Bun-destagswahl 1994, www.fdp.de , S. 34.235 Die Grünen übernehmen diese Wortspiel der FDP in ihrem Wahlpro-gramm 2009 mit „Bildung statt Beton“, betonen aber ansonsten neue grüne Autofreundlichkeit. Vgl. >www.gruene.de<, Kapitel 4, Bildung statt Beton: bessere Schulen, bessere Hochschulen, bessere Ausbildung.

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Sinne nicht „leistungsfähig“, dass es zu kompliziert ist, da-her für viele Bürger undurchschaubar und ungerecht. Die-ser klägliche Zustand der deutschen Steuern, der mit „Sy-stem“ wenig zu tun hat, interessiert die Bürger.

Der gute Grund für ein sehr hohes Interesse der Bürger an der Steuerpolitik ist die Leistung der FDP für eine grundle-gende Reform des deutschen Steuer- und Transfersystems. Das wird von Wählern durchaus anerkannt: Bei der wirt-schaftspolitischen „Kompetenz“ ergeben Meinungsumfra-gen regelmäßig sehr gute Kompetenzwerte für die FDP in der Steuerpolitik. Voraussetzung für gute Bewertungen der FDP-Steuerpolitik war – über die ausgezeichnete Arbeit in den FDP-Fachgremien hinaus – die Zusammenfassung guter Ar-beit in griffigen Namen wie „FDP-Stufentarif“ und „Bürger-geld der FDP“. Dazu hat aber auch die „maximale Reduktion der Vermittlung komplexer Systeme“ in einer Person beige-tragen, hier in der Person von Hermann Otto Solms, speziell auch in Bezeichnungen wie „Solms-Tarif“. Doppelt gelungen ist auch die knappste Umschreibung des Kerninhalts von Steuern, wie sie nach liberaler Fasson sein müssen:

- Zusammengefasst wird das Steuerkonzept der FDP durch „Steuern: niedrig, einfach, gerecht“ seit 1996 für die Steuerprogrammatik der FDP heute, wörtlich seit 1953, in der Sache aber schon seit dem 1. Bundesparteitag der FDP 1949 in Bremen.

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- Für den Bundestagswahlkampf 2009 wurde „niedrig, ein-fach, gerecht“ wörtlich von der Union übernommen. Das ist beachtlich, nachdem schon der SPD-Fraktionsführer Peter Struck in einem „Sommerloch“ immerhin lobende Worte für den „Dreistufentarif“ der FDP gefunden hatte. Wirtschaftsminister Clement hatte auch das Bürgergeld der FDP für eine Überlegung wert gehalten: schon vor dem Bürgergeld-Prüfauftrag der von Bodo Hombach gelei-teten „Benchmarking“-Arbeitsgruppe der Regierung Schröder.236

Für Verfechter eines grundlegend vereinfachten Steuersy-stems, das durch Vereinfachung gerechter wird, mag es nach rund 15 Jahren langweilig sein, wenn gegen die Steu-erreform-Vorschläge der FDP stets wiederholt wird: „nicht finanzierbar“ (s. dazu unten Teil „IV. Wirtschaftspolitisches Programm und politische Praxis“). Für die Medien hat diese Behauptung „nicht finanzierbar“ aus schillernden Gründen

236 Das FDP-Bürgergeldsystem gehörte zu den Prüfaufträgen - mit da-für zu berufender Expertenkommission – der Koalitionsvereinbarung, die Helmut Kohl, Theo Waigel und Klaus Kinkel am 14. November 1994 ab-schlossen (S. 24); Bundespräsident Roman Herzog warb kurz nach seinem Amtseintritt auf dem DIHT-Kongress am 18. Oktober 1994 in Hagen für sol-che Kombi-Einkommen „in Form einer Negativsteuer“ mehr Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich zu schaffen und so gefährliche soziale Spannungen abzuwenden (in: Reden und Interviews vom 1, Juli 1994 – 30. Juni 1995, Band 1/1, Bonn 1995, S. 148f.). Zum aktuellen Liberalen Bürgergeld vgl. Steffen Hentrich, Gerecht, solidarisch und aktivierend: Bürgergeld und ver-einfachtes Steuersystem, Liberales Institut. 2009.

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allerdings nie Langeweile erzeugt. Dieses traditionelle Tot-schlag-Argument gegen fast jede Innovation ist für die Steu-erpolitik der FDP dennoch förderlich gewesen: Nach über 10 Jahren Reformstau bei den großen Reformen des deut-schen Steuer- und Sozialsystems bleibt durch diese Totalkri-tik das Interesse der Bürger an dem Teil wirtschaftspoli-tischer Kompetenz erhalten, der für die FDP die höchste Wertschätzung bringt.

Das Programm der FDP zu Finanzen und Steuern ist in ihren regionalen Gliederungen vor der Gründung 1948 zunächst vom Problem der Kriegslasten geprägt. Im Programm der Demokratischen Partei in Süd- und Mittelbaden vom 20. Ja-nuar 1946 wird entsprechend zur Frage eines Lastenaus-gleichs eine Balance versucht: zwischen Schutz der „durch Sparsamkeit und ehrliche Arbeit erworbenen“ Eigentums-rechte und der klaren Einsicht, „dass große Opfer gebracht werden müssen zur Wiederherstellung eines geordneten Haushalts in Staat und Gemeinden, besonders auch zu Gunsten derer, die ihr ganzes Hab und Gut verloren haben“. Daran schließt das Programm der FDP Bayern vom 28. März 1946 mit der ersten Forderung nach gerechten Steu-ern an: „Gerechte Verteilung der Kriegslasten und Steu-ern“, die in Ludwig Erhards „Lastenausgleich“ von 1952 mündeten.237

237 Vgl. zu allen Zitaten von 1946 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 69 und 73.

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In den Programmatischen Leitsätzen der FDP Hamburg vom August 1946 wird erstmals konkret über die Finanzierung der notwendigen Staatsaufgaben eine maßvolle Umvertei-lung im Steuer- und Abgabensystem gefordert:

„Steuern und öffentliche Abgaben, vor allem auf Be-sitz und Erbe, auf Einkommen und Aufwand, sollen nicht bloß die ungeheuer angeschwollenen Verpflich-tungen von Staat. Ländern und Gemeinden decken; sie müssen auch aufreizende Unterschiede in Besitz und Einkommen ausgleichen. Konfiskatorische Über-höhung der Steuerlast zerstört die in Notzeiten an sich schon gefährdete Wirtschaftsmoral und lähmt die Antriebe zu Leistung und Sparsamkeit.“238

Den Weg zur Steuerentlastung der Bürger durch weniger Staatsaufgaben für geringere Staatsausgaben weist erst-mals das Wirtschaftsprogramm der FDP der Britischen Zone vom 10. Januar 1948:

„Wir treten ein für eine gerechte Besteuerung aller Staatsbürger. Die ungeheure wirtschaftliche Bela-stung, welche die Kriegsfolgen dem deutschen Volk noch für lange Zeit auferlegen wird, zwingt dazu, die Aufgaben des Staates auf ein Mindestmaß zu be-schränken. Hierzu ist ein rigoroser Abbau der staatli-chen und kommunalen Aufgaben notwendig. Die

238 Ebenda, S. 78.

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Verwaltung muß so sparsam arbeiten, dass ausrei-chende Mittel für die Erfüllung der sozialen und kultu-rellen Mittel verfügbar sind. Nur so kann die steuer-liche Belastung in Grenzen gehalten werden. Die Steuern müssen sozial gerecht sein und genügend Anreiz für wirtschaftliche Leistung lassen.“239

Auf dieser Grundlage wird bereits auf dem 1. Bundespartei-tag am 11. und 12. Juni 1949 in der „Bremer Plattform“ eine Steuerreform beschlossen, die jenseits aller zeitbedingten Details Grundzüge der Steuerreform-Konzepte der FDP von heute erkennen lässt: „Eine allgemeine Absenkung der Steuertarife“ wird mit der Wiederherstellung der Steuermo-ral, mit Rechtsstaatlichkeit und Leistungsorientierung be-gründet. Das Steuersystem solle die Kapitalbildung fördern. Für alle Unternehmensformen müsse die Steuer vom Ertrag die gleiche sein, um „auf diese Weise gleiche Wettbewerbs-verhältnisse“ herzustellen. Das „kameralistisch-fiskalisch ausgerichtete Steuersystem“ und die Haushaltspolitik müssten so geändert werden, dass Verschärfungen von Wirtschaftsschwankungen vermieden werden (später „anti-zyklische Fiskalpolitik“ genannt).240

239 Ebenda, S. 84f.240 Vgl. ebenda, S. 95. Daran knüpft auch „Das Liberale Manifest“ von 1952 an, ebenda, S. 124.. Das Wahlprogramm 1953, beschlossen auf dem außerordentlichen Bundesparteitag vom 28. Juni 1953 in Lübeck ergänzt diese Forderungen der Steuerreform um die föderale Komponente: „Eine den verschiedenen Aufgabenbereichen entsprechende Aufteilung der Steuern auf Bund, Länder und Gemeinden.“ Außerdem: „Senkung der

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Im „Wirtschaftsprogramm 1953“, wie das Wahlprogramm 1953 auf dem außerordentlichen Bundesparteitag vom 28. März 1953 in Lübeck beschlossen, werden die Grundsätze für eine Steuerreform bestätigt und die Details für eine „Volkswirtschaftlich orientierte Steuerreform“ formuliert. Bereits hier werden die Markenzeichen liberaler Steuerre-formen bis zu den Konzepten für Stufentarife von 1996 bis 2009 wörtlich vorgegeben: einfach, gerecht, mit niedrigen Steuersätzen für mehr Leistung, die mehr Arbeitsplätze, da-mit höhere Einkommen und höhere Steuereinnahmen schaff-ten. Jeder Steuerpflichtige solle „seine Steuerangelegen-heiten selbst“ erledigen können, „Abbau der Lohn- und Einkommensteuerprogression und eine Senkung der Steu-ertarife unter besonderer Berücksichtigung der kleinen und mittleren Einkommen“.241

Erst in der dreistufigen Steuerreform nach 1987 wurden di-ese Ziele der Richtung nach umgesetzt. Vorlage war von Seiten der FDP „Der marktwirtschaftliche Steuerkurs 1987“ – „Vorschläge der F.D.P. für eine einfache, faire, leistungs- und wachstumsfreundliche Besteuerung von Bürgern und Unternehmen“. Konkret umgesetzt wurde der linear-pro-gressive Tarif, bildlich: die Abschaffung des „Mittelstands-bauchs“ der nichtlinearen Progression zuvor, die mittlere

Staatsausgaben durch die Errichtung einer bundeseigenen Finanzverwal-tung.“ Vgl. ebenda, S. 131.241 Ebenda, S. 135.

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Einkommen leistungswidrig und auch negativ für die Steuer-einnahmen belastete: „Damit wird ein Teil des Problems der heimlichen Steuererhöhungen aufgefangen.“242 Abgeschafft sind gemäß diesem Programm inzwischen auch die betrieb-liche Vermögensteuer, die Gesellschafts- und Börsenum-satzsteuer; ein Ersatz für die Gewerbesteuer als Vorausset-zung für ein einfacheres Steuersystem steht dagegen noch aus. In die Zukunft, die erst das Bundesverfassungsgericht 1992 dem Gesetzgeber auferlegen sollte, griff die Forde-rung in Teil II: „Die F.D.P. fordert: I. Steuerfreiheit minde-stens des Existenzminimums“ (Hervorhebung im Original).243

Die dreistufige Steuerreform ab 1987 zeigte erstmals unter ähnlichen Bedingungen wie in den meisten entwickelten In-dustrieländern, dass auch in Deutschland eine Absenkung der Steuersätze zu höheren Steuereinnahmen führen kann, wenn dafür die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen stimmen. Das war nach der Wende von 1982/1983 der Fall: mit dem Strategiewechsel in Richtung auf stärker „ange-botsorientierte Wirtschaftspolitik“ in Otto Graf Lambsdorffs Wende-Papier – trotz fehlender Reformen des Sozialsy-stems, die dazu im Wende-Papier gefordert worden waren. Dennoch wurden 1985 – von der Lage der öffentlichen Haushalte her bis zur Absenkung der Abgabenquote auf

242 Friedrich-Naumann-Stiftung (Hrsg.), Das Programm der Liberalen, a.a.O., S. 428.243 Ebenda, S. 427.

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rund 45% - die Voraussetzungen für die Wiedervereinigung Deutschlands im Westen entscheidend verbessert: bei kräf-tigem Wachstum, netto fast 3 Millionen zusätzlichen Ar-beitsplätzen bis 1990, bei wiedergewonnener Geldwertsta-bilität und Senkung der Abgabenquote auf unter 46%.

Ein neues Steuer- und TransfersystemWer konsequent eine leistungsorientierte Bürgergesellschaft mit mehr Eigenver-antwortung und Wettbewerb will, der braucht in einer solchen offenen Bür-gergesellschaft auch bessere Absicherung gegen Risiken und Solidarität. Eine wohlhabende Gesellschaft, die ihren Wohlstand der marktwirtschaftlichen Ordnung und dem Fleiß ihrer Bürger verdankt, kann diese Sicherheit durch ein Bürgergeldsystem schaffen.(Otto Graf Lambsdorff (1994))244

Mit dem Wahlprogramm 1994 „Liberal denken. Leistung wählen.“ beginnt die FDP nach den Steuerprogrammen von 1953 und 1986 den Weg zum Steuerreform-Konzept, das mit den beiden „Berliner Entwürfen“ von 2003 und 2005 in Form eines Gesetzestextes vorliegt: „Die neue Einkommen-steuer – Niedrig, einfach und gerecht“ von 2003 und umfas-

244 Otto Graf Lambsdorff, Bürgergeld schafft Anreize für reguläre Er-werbsarbeit, Handelsblatt vom 3./4. Juni 1994. Irmgard Schwaetzer hatte zuvor das Ergebnis der von ihr geleiteten Arbeitsgruppe „Soziale Siche-rungssysteme“ zusammengefasst: „Soziale Sicherheit erhalten – eine grundlegende Reform beginnen“, Die Liberale Depesche, Nr. 10, Oktober 1993, S. 27f.

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sender 2005: „Liberale Reform der Direkten Steuern“.245 Das Wahlprogramm 1994 eröffnet darüber hinaus den Weg zu der Gesamtreform des Steuer- und Transfersystems, das die FDP nach der Bundestagswahl 2009 politisch erneut umsetzen will. 1994 hieß das:

„Langfristige Perspektive für die Reformschritte ist ein einfaches und durchschaubares System von Steuern und staatlichen Sozialleistungen, das vom Bürger als gerecht empfunden wird und das für Inve-storen attraktiv ist durch insgesamt geringere Bela-stung und durch niedrigere Informationskosten bei der Beurteilung der Standortqualität. Alle steuer-lichen Regelungen sollen in einem einheitlichen Ge-setzbuch zusammengefasst werden. Vision für Ver-einfachung und Transparenz ist ein System, das sich auf eine Einkommensteuer, eine Erbschaftsteuer, eine Mehrwertsteuer und auf Energiesteuern be-schränken würde.“246

245 Vgl. Hermann Otto Solms (Hrsg), Die neue Einkommensteuer – Nied-rig, einfach und gerecht; Liberale Reform der Direkten Steuern, Berlin im September 2003 und im August 2005. Die Beiträge in der von Paul Kirchhof, Otto Graf Lambsdorff und Andreas Pinkwart herausgegebenen Festschrift für Hermann Otto Solms (a.a.O.) erläutern nicht nur schwierige Fragen einer grundlegenden Reform des deutschen Direktsteuer-Systems, sondern ergänzen um Reformschritte, wie sie im Bundesfachausschuss Fi-nanzen und Steuern z.B. auch für die Gesetzgebung zur Mehrwertsteuer vorbereitet werden. 246 Liberal denken. Leistung wählen., a..a.O, >www.fdp.de<, S. 10.

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Von der Seite des Steuersystems her ist es vor allem der Be-schluss „Liberale Politik zur Steuervereinfachung“ des Bre-mer Bundesparteitags 1979, der in Abschnitt IV. den Weg zum liberalen „Bürgergeld“ als „Negativsteuer“ öffnet:

„Das unkoordinierte Nebeneinander von steuer-rechtlichen Regelungen auf der einen Seite und von unterschiedlichen Transfer- und Subventionslei-stungen des Staates auf der anderen Seite belastet zunehmend das Verhältnis des Bürgers zum Staat. Es macht das Steuersystem unüberschaubar und führt zu leistungshemmenden Verzerrungen bei der staatlichen Einkommensübertragung. Deshalb for-dert die FDP eine gründliche Durchforstung und Ver-einfachung des Steuer- und Transfersystems.“247

Damit ist bereits knapp zusammengefasst, was bis heute das „Bürgergeldsystem“ der FDP ausmacht und was Joa-chim Mitschke im Titel seiner Monographie von 1985 als Ziel vorgab: eine „Steuer- und Transferordnung aus einem Guß“. Warum es dennoch nun schon 30 Jahre nach dem Bremer Bundesparteitag 1979 dauert, bis dieses Konzept als Gesetzesentwurf der FDP Chancen auf politische Um-setzung in der Legislaturperiode nach den Bundestags-wahlen 2009 hat, dürfte außer den in Deutschland üblichen Gründen für verschleppte Reformen auch spezielle Gründe haben.

247 Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., S. 541f., >www.fdp.de<.

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Zunächst war es ein Durchbruch, dass das Bundesverfas-sungsgericht dem Kläger Joachim Mitschke in seiner Klage zum steuerfreien Existenzminimum folgte. Joachim Mitsch-ke faxte vor Veröffentlichung am 25. September 1992 seine Text-Auszüge der Entscheidung von einer Saarbrücker BP-Tankstelle, und der Vorsitzende des Bundesfachaus-schusses Finanzen und Steuern Hermann Rind schloss aus den Leitsätzen und den Auszügen zur Begründung, dass mit dieser Entscheidung eine politische Voraussetzung zur Durch-setzung eines neuen Steuer- und Transfersystem geschaf-fen war. Im Herbst 1992 nahm die Arbeitsgruppe zum Bür-gergeld in der von Irmgard Schwaetzer geleiteten FDP-Kommission zur Reform der sozialen Sicherung das Thema auf und erarbeitete den Entwurf für ein Bürgergeld-system. Das Bürgergeldsystem wurde zunächst auf dem außerordentlichen Bundesparteitag 1993 in Magdeburg, dann als Teil des Wahlprogramms 1994 in Rostock be-schlossen.248

248 Vgl. Liberal denken. Leistung wählen., a.a.O., >www.fdp.de<, S. 15 und 81ff.; der Stufentarif als Grundkonzept zur Ablösung des linear-progessiven Tarifs der dreistufigen Steuerreform ab 1987 wurde 1996 beschlossen, die Details und die Einordnung in das Reformkonzept insgesamt im Wahl-programm 1998 „Es ist Ihre Wahl“, >www.fdp.de<, S. 7ff. Vgl. dazu auch den Vortrag von Hermann Otto Solms vor dem Institut Finanzen und Steu-ern „Neues Denken in der Finanz- und Steuerpolitik“, in: IFSt-Schrift 343 (1996), S. 10ff.

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Mit dem Dreistufentarif der FDP von 1996 als Ausgangs-punkt für die Reform der Direktsteuern war die Grundlage für die Integration von Steuer- und Sozialsystem gemäß dem Bürgergeld-Beschluss im Wahlprogramm 1994249 geschaf-fen. In der von Irmgard Schwaetzers und danach von Gisela Frick geleiteten Arbeitsgruppe „Bürgergeld“ waren zwi-schen 1992 und 1996 Kernelemente für ein „einfaches und durchschaubares System der Steuern und Sozialleistun-gen“ herausgearbeitet worden, parallel dazu im Bundes-fachausschuss Finanzen und Steuern, ab 1996 im zusam-mengelegten Bundesfachausschuss Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik, die Grundlagen einer Reform der Einkommen-steuer.

Die Pinkwart-Kommission von 2004/2005 formulierte auf dieser Grundlage das Liberale Bürgergeld mit den Stellgrö-ßen für Arbeitsnachfrage der Betriebe und mit Arbeitsanrei-zen im Rahmen eines Grundsicherungskonzepts vom 25. Januar 2005, beschlossen auf dem 56. Ord. Bundespartei-tag vom 5.-7. Juni 2005.250 Auf dem Bundesparteitag 2008

249 Vgl. ebenda, S. 15 und 82ff. Joachim Mitschke hat an allen Bürger-geld-Kommissionen der FDP einschließlich Pinkwart-Kommission von 2004/2005 mitgewirkt. Dem Bremer Beschluss von 1979 und Mitschkes Monographie „Steuer- und Transferordnung aus einem Guß“, Baden-Baden 1985, ist die Überschrift im Wahlprogramm 2009 „Ein neues Steuer- und Transfersystem für Deutschland“ entlehnt (>www.fdp.de<, S. 5).250 Im Wahlprogramm „Arbeit hat Vorfahrt. Deutschlandprogramm 2005“, >www.fdp.de<, Bundesparteitage, Grundsatzbeschlüsse, S. 7 und 10ff.; das detaillierte Konzept in „Das Liberale Bürgergeld: aktivierend, einfach und gerecht“ der Kommission Bürgergeld/Negative Einkommensteuer

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in München beschloss die FDP, diese beiden Elemente ihrer Steuerpolitik, „Stufentarif“ und „Bürgergeld“ zu einer „Steuer- und Transferordnung aus einem Guss“ zusammen-fügen. An dieses Konzept kann man durchaus denken, wenn Bundespräsident Horst Köhler wenige Monate nach dem Bürgergeld-Beschluss des Kölner Bundesparteitages vom 7. Mai 2005 (>www.fdp.de<) in der Tradition seines Amts-vorgängers Roman Herzog oder ähnlich wie Klaus von Dohnanyi am 8. Dezember 2005 eine „Negativsteuer“ an-regt:

„ [...] und in den Vereinigten Staaten kennt man seit 30 Jahren ein Modell der negativen Einkommensteu-er. Vorgedacht ist schon vieles, und denkbare Lö-sungsansätze liegen auf dem Tisch. Jetzt stehen Ent-scheidungen an. Dabei sollten wir darauf achten, dass wir nicht zu kurz springen. Wir brauchen Mut zu neuen Wegen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es auch in Deutschland gelingen kann und gelingen wird, mehr Wachstumsdynamik mit sozialem Fort-schritt zu verbinden.“251

(„Pinkwart-Kommission“) ebenda.251 Vgl. Horst Köhler, Sozialpolitik im 21. Jahrhundert, Grußwort beim Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge vom 2. Dezember 2005 in Berlin, in: Ders., Reden und Interviews, Band 2, Berlin 2006, S. 164f. Für einen Überblick über die Entwicklung der liberalen Programmatik zum Bürgergeld vgl. Horst Werner, Bürgergeld: Ein integriertes Steuer- und Transfer-System, a.a.O., aktuali-siert in Stichwort Liberal „Bürgergeld“ des Liberalen Instituts 2006; >www.libinst.de<.

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Das war zunächst vom Herbst 1992 bis zur Koalitionsverein-barung vom November 1994 für den Weg von der Program-matik einer Partei bis zur Chance der politischen Umsetzung eines Bürgergeldsystems ein beachtliches Tempo. Nach dem Prüfauftrag für ein Bürgergeld in der Koalitionsverein-barung von 1994 bis zur Bundestagswahl 2009 dauerte es danach aber fast schon „normal“ lang bis zu einer erneuten Chance für das Reformprojekt, das im FDP-Grundsatzpro-gramm, den Wiesbadener Grundsätzen, „Kernstück des li-beralen Sozialstaats“ ist. Sichtbare Gründe liegen in der zu-nehmenden Reform-Unfähigkeit gegen Ende der Kohl-Regierung. Der „Reformstau“ wurde zur wichtigen Vo-raussetzung für eine rot-grüne Regierung der „neuen Mitte“ ab 1998 und die Verschiebung realistischer Chancen für die Umsetzung des FDP-Bürgergelds zunächst bis zur Bundes-tagswahl 2005, nun für die Legislaturperiode nach der Bun-destagswahl 2009.

Die weniger sichtbaren Gründe liegen aber schon in der Re-gierungskommission „Alternative Steuer-Transfer-Systeme“ von 1994 der Kohl-Regierung252. Diese Gründe passen aber mehr in einen Krimi als in eine Studie zum wirtschaftspoli-tischen Programm der FDP. Jedenfalls schied das Kommis-sionsmitglied Joachim Mitschke als unabhängiger Experte

252 Vgl. Probleme einer Integration von Einkommensbesteuerung und steuerfinanzierten Sozialleistungen, Gutachten der Experten-Kommission „Alternative Steuer-Transfer-Systeme“, BMF, Schriftenreihe Heft 59, Bonn 1996.

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unter Protest aus der Kommission aus, und Dieter Julius Cronenberg als Vertreter der Unternehmer-Seite in der Kommission stimmte gegen das Gutachten vom 17. Mai 1996, das ein vorläufiges Ende für ein neues Steuer- und Transfersystem bedeutete. Der Regierung Kohl hat auch dieses Scheitern eines zentralen Reformkonzepts der Koali-tionsvereinbarung für Arbeitsplätze im sozialen Brennpunkt der Niedriglohn-Arbeitslosigkeit keine guten Dienste gelei-stet; es trug dazu bei, vor der Bundestagswahl öffentlich über die „Nachkohlzeit“253 nachzudenken.

Die FDP hat die Zeit des Reformstaus ab Ende der Regie-rung Kohl bis zur „Agenda 2010“ der Regierung Schröder für die Weiterentwicklung ihrer Reform der Direktsteuern genutzt, so dass ihr Gesamtkonzept der Integration von Steuern und steuerfinanzierten Sozialleistungen 2009 steht. Wenn ein solches „neues Steuer- und Transfersystem für Deutschland“254 nach 2009 politisch umgesetzt würde, wäre das ein großer Schritt in Richtung auf die Renaissance deut-scher Ordnungspolitik, die Otto Graf Lambsdorff 1992 in der Streitschrift „Mut statt Mißmut“ meinte, als er forderte: „Deutschland muß wieder die Nummer 1 in marktwirtschaft-licher Ordnungspolitik werden.“255 Denn in den Vereinigten Staaten ist eine so grundlegende Reform trotz der Versuche von zwei Präsidenten nach den Initiativen von Milton Fried-

253 Das ist die Überschrift des Kapitels in Guido Westerwelles „Neuland“ (Düsseldorf und München 1998, Neuauflage München 1999, S. 251). 254 Wahlprogramm 2009, Die Mitte stärken, a.a.O., >www.fdp.de<, S. 6.255 Vgl. Mut statt Missmut, >www.fdp.de<, S. 8.

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man mit Vorlagen für den Kongress nicht gelungen. Immer-hin gelang mit dem „Earned Income Tax Credit“, einem Steuergutschrift-Konzept, die Umsetzung eines zentralen Gedankens der Bürgergeld-Idee, mehr Arbeitsplätze für ein-fache Arbeit im Niedriglohnbereich zu schaffen. In Deutsch-land stellte Joachim Mitschke 2001 ein ähnliches Steuergut-schriften-Konzept im Rahmen eines Überblicks über „Politische Optionen der Bürgergeld-Konzeption“ vor.256 Ähnliche „schlanke“ Versionen des Bürgergeld- bzw. Nega-tivsteuer-Konzepts wurden z.B. umfassend in Großbritan-nien mit dem „Working Families Tax Credit“ ab Oktober 1999 umgesetzt 257; in Österreich nur in kleinen Schritten, in der Schweiz sind Negativsteuer-Konzepte noch in der Dis-kussion.258

256 Gutachten für das Liberale Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Potsdam 2001, S. 17ff.257 Vgl. Pat Strickland, Working Families Tax Credit and Family Credit, Social Policy Section, House of Commons Library, Research Paper 98/46 vom 9. April 1998.258 Vgl. z.B. für Österreich die weitergehenden Vorschläge von Joachim Mitschke, Grundsicherungsmodelle – Ziele, Gestaltung, Wirkungen und Finanzbedarf. Eine Fundamentalanalyse mit besonderem Bezug auf die Steuer- und Sozialordnung sowie den Arbeitsmarkt der Republik Öster-reich, Baden-Baden 2000; zum laufenden Stand der Umsetzung vgl. z.B. >www.oe24.at<; zur Diskussion in der Schweiz vgl. Tobias Müller u.a., Ver-schiedene Reformvorschläge für die soziale Sicherheit in der Schweiz und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen, Abteilung Ökonometrie der Universität Genf, Forschungsprogramm, finanziert vom Schweizerischen Nationalfons, Juni 2004, >www.sozialstaat.ch<.

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Die größte Barriere neben dem politischen Widerstand deutscher Gewerkschaften gegen Bürgergeld-Kombi-Ein-kommen ist der fachliche Streit um die Kosten der Einfüh-rung eines integrierten Steuer- und Transfersystems. Unter den Rahmenbedingungen zu Beginn der Formulierung des FDP-Bürgergeld-Konzepts hat Michael Hüther in seinem Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stiftung die Finanzierbar-keit eines Bürgergelds in dem konkreten Sinne bestätigt, dass je nach Wahl der Stellgrößen im Bürgergeld-Konzept eine finanzierungsneutrale Umsetzung oder eine Umsetzung mit geringem Finanzierungsbedarf möglich ist. 259

Inzwischen hat sich Dauer-Arbeitslosigkeit im Niedriglohn-bereich derartig verfestigt, dass es schwerer und damit teurer wird, für Arbeitslose im Bereich geringer Qualifikati-onen Brücken in die Arbeitswelt zu bauen. Das gilt auch für das Liberale Bürgergeld, das dadurch aber nur umso dring-licher wird. Jede Alternative würde beim grundrechtfesten Mindesteinkommen des soziokulturellen Existenzminimums noch teurer. Dahinter steckt aber mehr als reines Nutzen-Kosten-Kalkül einer Prüfung von Alternativen der Grundsi-cherung und der Hilfe in Arbeit. Für Liberale ist Dauer-Ar-beitslosigkeit mit all ihren Folgen unvereinbar mit einem Menschenbild vom Leben in Freiheit und größtmöglicher Ei-genverantwortung. Erst nach diesem Menschenbild kommt eine immer wichtiger werdende Sicht im Interesse der Frei-

259 Vgl. Michael Hüther, Das Bürgergeld: doch finanzierbar!, Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stiftung von 1997.

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heitsrechte aller Bürger: Wie lange hält eine freie Gesell-schaft den Zustand von Dauerarbeitslosigkeit gerade im Niedriglohnbereich aus? Wie so oft: Diese Frage ist wichtig, entzieht sich aber jedem Versuch ehrlicher Quantifizierung bei der Antwort zu den wahrscheinlichen Folgen.

Allenfalls quantifizierbar ist die Größenordnung des Finan-zierungsaufwands von Alternativen einer Grundsicherung mit Brücke in die Arbeitswelt ohne Transfers oder zumin-dest mit sinkender Transferhöhe, sei es durch Sozialhilfe oder Bürgergeld-Zuschüsse. Klar ist dabei so viel: Bei dem berechneten Finanzierungsaufwand für eine Reform des Steuer- und Transfersystems durch das Liberale Bürgergeld wird selten beachtet, wie teuer die unsystematische Sub-ventionierung von Niedriglohn-Arbeitsplätzen heute ist. Wie viel teurer allein die Finanzierung von Dauer-Arbeitslosigkeit und zerrütteten Familien ist, lässt sich zumindest von den Mindestkosten her einigermaßen zuverlässig schätzen. Hö-her sind erst recht die Kosten, die über das Schicksal der betroffenen Menschen hinaus die Gesellschaft belasten, wenn Kinder und Jugendliche ohne Ausbildung und Erzie-hung in solchen Familien aufwachsen.

Mitnahme-Effekte des Liberalen Bürgergelds sind ein be-rechtigter Einwand auf der Kostenseite und bei der Ziel-genauigkeit sozialer Hilfe. Aber Mitnahme-Effekte hat jedes staatliche Leistungsangebot, und Joachim Mitschke hat Wege und Bürokratiekosten bei der Begrenzung von Mit-nahme-Effekten aufgezeigt. Der trotz Eindämmung von Mit-

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nahme-Effekten verbleibende Finanzierungsbedarf allein ist kein Grund, an dem die Umsetzung des FDP-Reformkon-zepts eines integrierten Steuer- und Transfersystems schei-tern müsste. Nach über 30 Jahren Einübung von Mitnahmen sozialer Hilfen durch Arbeitnehmer und Betriebe im ungeord-neten deutschen Sozialsystem ist dafür vor allem die poli-tische Unfähigkeit zur Reform verantwortlich. Unter dem Strich: Zumindest für das Konzept eines integrierten Steuer- und Transfersystems von Joachim Mitschke liegen bereits Finanzierungsberechnungen vor. Dieses Mitschke-Konzept mit etwas anderen Parametern als das FDP-Steuerkonzept und das Bürgergeld der Pinkwart-Kommission sind immer-hin annähernd finanzierungsneutral.260

260 Vgl. zum Mitschke-Konzept seinen Gesetzestextentwurf: Joachim Mit-schke, Erneuerung des deutschen Einkommensteuerrechts, Gesetzestext-entwurf und Begründung, Köln 2004; zur Finanzierungsrechnung Clemens Fuest und Mitarbeiter, Aufkommens-, Beschäftigungs- und Wachstumswir-kungen einer Reform des Steuer- und Transfersystems nach dem Bürger-geld-Vorschlag von Joachim Mitschke, Finanzwirtschaftliches Forschungs-institut an der Universität zu Köln, FiFo-Bericht Nr. 8 vom September 2006. Zum „schlanken“ Mitschke-Konzept einer Bürgergeldversion in Form eines „Kombi-Lohns“ für Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich, also ohne vollstän-dige Integration für ein “Steuer- und Transfersystem aus einem Guß“ und ohne Bürgergeld-Grundsicherung für alle vgl. Clemens Fuest, Joachim Mit-schke, Andreas Peichl, Thilo Schäfer, Wider die Arbeitslosigkeit der beruf-lich Geringqualifizierten: Entwurf eines Kombilohn-Verfahrens für den Nied-riglohnsektor, Finanzwirtschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, FiFo-CPE Discussion Paper 07-1 Köln 2007 (auf der Grundlage von Mitschkes Konzept einer Steuer-Gutschrift in: Politische Optionen der Bürgergeld-Konzeption, a.a.O.

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Verfassungsschranken gegen Steuerlast und StaatsverschuldungDie Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts ging davon aus, dass die Angemessenheit und Gleichmäßigkeit der Steuerlast dadurch gewährleistet werde, dass das Parlament, also Steuerpflichtige, über die Steuerlast entschieden. Jeder Abgeordnete werde schon mit Blick auf seine eigene Steuerbelastung dafür sorgen, dass das Steuerrecht die Übermaßgrenze nicht überschreitet. Inzwischen wissen wir, dass die Gesellschaft an den Finanzstaat so hohe Leistungserwartungen gerichtet hat, dass der Abgeordnet in Reaktion auf diese Erwartungen der Menschen und seiner Wähler sich weniger als Garant geringer staatlicher Abgabenerwartung versteht, sondern mehr als Vordenker staatlicher Leistungsprogramme handelt und damit einen Beitrag zur stetigen Erhöhung der Abgabenlast leistet.(Paul Kirchhof (1996))261

Die FDP hat nicht nur in ihrem Steuerprogramm und in ihrem ordnungspolitischen Grundverständnis in 60 Jahren wirt-schaftspolitischem Programm neben die Forderung nach Steuerentlastung die Forderung nach soliden Staatsfinanzen ohne Überlastung künftiger Generationen gestellt. In der Welt der Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit politischer Kampfbegriffe und fachlicher Ignoranz wird diese Verbin-dung von Steuerentlastung der Bürger und Verfassungs-schranken gegen Staatsverschuldung gern lächerlich ge-macht. Worum es der FDP geht, wurde erstmals im

261 Paul Kirchhof, Rechtliche Grenzen der Steuerlast und Staatsverschul-dung, a.a.O.

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Hildesheimer Beschluss vor der Landtagswahl 1994 in Nie-dersachsen zusammengefasst:

„Bei einer Staatsquote von über 50% wird der Bür-ger überlastet, vor allem auf Kosten der jungen Ge-neration. Für viel zuviel Geld erhält der Bürger zu we-nig Gegenwert staatlicher Dienstleistung. Damit muß Schluß sein. Strikte Überprüfung aller Staatsaufga-ben heißt: Der Bürger muß seine Ansprüche an den Staat überprüfen; der Bürger hat aber Anspruch da-rauf, dass der Staat sorgfältig mit dem Geld der Bür-ger umgeht. Das gilt immer, aber erst recht bei hoher Staatsverschuldung.262

Seit dem Karlsruher Entwurf von 1996 für das neue Grund-satzprogramm „Wiesbadener Grundsätze - Für die liberale Bürgergesellschaft“ von 1997 bleibt bis zum Wahlprogramm 2009 die Forderung nach einem grundsätzlichen Verbot der Netto-Neuverschuldung Programm – jenseits aller Details zum Zeitrahmen für den Abbau des bereits angehäuften „Schuldenbergs“:

„2. Der bescheidene Staat Die Staatsverschuldung nimmt den künftigen Generationen ihre Freiheit und Chancen. Wer die Staatsverschuldung dauerhaft ab-bauen will, muß die Neuverschuldung im Grundge-

262 Weniger Staat – mehr Eigenverantwortung, Beschluss des Bundes-hauptausschusses der FDP vom 26. Februar 1994 >www.fdp.de<, S. 1f.

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setz verbieten. Innerhalb von zehn Jahren müssen in einem verbindlichen Stufenplan auf allen staatlichen Ebenen ausgeglichene Haushalte erreicht werden. Danach dürfen die Ausgaben die Einnahmen nicht mehr übersteigen. Kredite dürfen nicht als Einnah-men gezählt werden. Artikel 115 des Grundgesetzes ist entsprechend zu ändern.“263

Die aktuelle Weltwirtschaftskrise zeigt die Grenzen für ei-nen „verbindlichen Stufenplan“ zum Abbau des Schulden-berges und für einen soliden Neubeginn auf. Insofern ist der Großen Koalition der aktuelle Anstieg der Staatsverschuldung nach allerdings nur mäßigen Konsolidierungserfolgen der vorangegangenen Wachstumsphase prinzipiell nicht vorzu-werfen. Dieses Problem erinnert aber auch daran, wie wich-tig es war, dass die FDP das Verschuldungsverbot aus-drücklich als „grundsätzliches Verschuldungsverbot“ und nicht als totales Verschuldungsverbot in die Föderalismusre-form einbrachte, bevor es sich schließlich alle Parteien als „Verschuldungsbremse“ zu eigen machten, die von den Grünen in ihrem Wahlprogramm 2009 allerdings kräftig ge-lockert wird. Von Bündnis 90/Die Grünen wird „eine flexible und mit der Konjunktur atmende Schuldenbremse im Grundgesetz“ gefor-dert.264

263 >www.fdp.de<, S. 51.264 >www.gruene.de<, Kapitel 1, S. 18.

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Denn die Fachgremien der FDP hatten bei ihrem Einsatz für ein grundsätzliches Verschuldungsverbot z.B. neben der „St. Galler Schuldenbremse“ die über 200jährige Diskussi-on um ein „Balanced Budget Amendment“ der amerika-nischen Verfassung von 1776 beachtet: mit Thomas Jeffer-sons Forderung nach Unterscheidung zwischen Regelfall des Verschuldungsverbots und dem ex ante streng zu bestim-menden Ausnahmefall – der Ausnahmefall des Krieges in Jeffer-sons Brief an John Taylor mit seiner Forderung nach einem Schuldenverbot vom 26. November 1798.265 Die analoge Frage heute: Ist die Weltwirtschaftskrise 2009 ein ähnlicher Ausnahmefall wie die Deutsche Einheit, der vorüberge-hende, mittelfristig wieder abzubauende Staatsverschul-dung beim grundsätzlichen Verschuldungsverbot rechtfertigt?266

Ein Europa der dezentralen Vielfalt in Einheit Das Grundgesetz ist durch ausdrückliche Bestimmung des Art. 23 europarechtsoffen, bindet aber auch bei der Mitwirkung der Europäischen Union an Strukturen des deutschen Verfassungsrechts.(Paul Kirchhof (1996))

265 Thomas Jefferson to John Taylor, Monticello, 26. November 1998, in: Ders., Political Writings, hrsg. Von Joyce Appleby und Terence Ball, Cam-bridge Mass. 1998, S. 369ff. 266 Das bereits von Bundestag und Bundesrat mit verfassungsändernder Mehrheit Ende Mai/Anfang Juni 2009 beschlossene Verschuldungsverbot gibt keine Antwort auf diese Frage für die Schuldenbremsen im Bund und in den Ländern. Es dürfte sich daher als unzureichend erweisen, obwohl die eingeschlagene Richtung der Schuldenbremse stimmt.

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Die großen Linien der liberalen Politik insgesamt im Deutsch-land der Nachkriegszeit werden in ihren Bezügen zum wirt-schaftspolitischen Programm der FDP wohl am deutlichsten in der Interdependenz von wirtschaftlicher Integration, föde-raler Ordnung, Deutschlandpolitik, Europapolitik und Frie-denspolitik. Diese Interdependenz beginnt mit der Konzen-tration auf die Frage der Integration von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, führt über das Ziel der deutschen Wieder-vereinigung im Rahmen der europäischen Integration zur Einbettung der Politik in das Streben nach einer europä-ischen Friedensordnung in einem Europa der Einheit in Viel-falt.

Die Vision eines in Freiheit geeinten Deutschland und einer europäischen Friedensordnung des ersten Bundespartei-tages der FDP vom 11. und 12. Juni 1949 ist nach 1989 Wirklichkeit geworden. Seitdem rückt die Frage der föde-ralen Ordnung Deutschlands und Europas in den Mittel-punkt. Im Jahr 2009 wird diese Frage nach der Ordnung Europas im Programm der FDP hervorgehoben: 80% der deutschen Gesetze werden auf der Ebene der Europäischen Union beschlossen. In der Gesetzgebung ist die EU weiter-hin am weitesten von der „fußläufigen Demokratie“267 der Gemeinde entfernt. Und – verglichen mit den Parlamenten demokratischer Nationalstaaten – ist die Stellung des EU-Parlaments von der Europawahl bis zu seinen Kompetenzen

267 Wiesbadener Grundsätze für die liberale Bürgergesellschaft, a.a.O., S. 21 (>www.fdp.de<)

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– „noch ausbaufähig“, um es vorsichtig bis euphemistisch zu formulieren. Das Europa-Wahlprogramm 2009 der FDP for-dert daher in der Tradition der FDP-Programme seit 1975 die Stärkung des Europäischen Parlaments und eine föde-rale Ordnung der Europäischen Union.268

Am Anfang dieses Weges stand im Beschluss des ersten FDP-Bundesparteitages von 1949 die „Feierliche Entschlie-ßung: Ostzone“:

„Die Freie Demokratische Partei ist von der starken Zuversicht durchdrungen, dass der Tag kommen wird, an dem alle Deutschen, vom kommunistischen Terror befreit, in einem demokratischen Rechtsstaat vereint sein werden, der jedem von ihnen die persön-liche Freiheit im Schutz sicheren Rechts gewährlei-stet. Diesen werdenden deutschen Rechtsstaat, auf den hin mit der Verabschiedung des Bonner Grund-gesetzes ein großer Schritt getan wurde, zu einem festen Baustein eines auf Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit begründeten Bundes der europä-ischen Völker im Rahmen der Weltorganisation der freien Völker zu machen, ist der Sinn der politischen

268 Ein Europa der Freiheit für die Welt des 21. Jahrhunderts, Programm der Freien Demokratischen Partei zur Wahl des Europäischen Parlaments 2009 vom 17. Januar 2009 (>www.fdp.de<). Zur Stärkung des Europä-ischen Parlaments vgl. Günter Verheugen (Hrsg.), Das Programm der Li-beralen (1979), a.a.O., Leitlinien liberaler Europapolitik, Beschluss des 26. Ord. Bundesparteitages vom 27.-29. Oktober 1975 in Mainz, S. 212ff.

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Arbeit der Freien Demokratischen Partei in dieser Zeit.“269

Im „Aufruf zur Nationalen Sammlung – Das Deutsche Pro-gramm 1952“ stehen Deutschlandpolitik und Ja zu Europa noch relativ lose direkt hintereinander:

„Ziel deutscher Außenpolitik muß es sein, in freier Entscheidung mit friedlichen Mitteln, unserem Volk die Lebensmöglichkeit zu sichern und die Einheit un-seres Vaterlands wiederherzustellen. Wir bekennen uns zu einem freien und vereinten Europa, das aus eigener Kraft sein Schicksal bestimmt sowie zum Frieden der Welt beiträgt, und werden zu seinen Gunsten als gleichberechtigte Partner auf Souveräni-tätsrechte verzichten, die wir heute noch beanspru-chen müssen.“270

Das FDP-Wahlprogramm 1953 erinnert klarer an den engen Zusammenhang zwischen deutscher Einheit und Ja zu Euro-pa bereits bei den Vorläuferprogrammen der Liberalen ab 1946:

„Seit 1946 fordert die FDP als Ziel deutscher Außen-politik die Eingliederung eines freien in rechtsstaatli-

269 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 88 (Beschluss verfügbar nun auch im Internet: >www.fdp.de<).270 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 121f. >www.fdp.de<.

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cher Ordnung wiedervereinten Deutschland in die Gemeinschaft aller freien Völker Europas. Sie bejaht daher den Europäischen Wirtschaftsrat, die Montan-union, die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die Europäische Politische Gemeinschaft als Schritte zu einem geeinten Europa. Ihm sollen auch die jetzt noch abseits stehenden oder unterdrückten Völker angehören.“271

Damals war fester Bestandteil dieser Außenpolitik, was spä-ter im Interesse der Aussöhnung für eine europäische Frie-densordnung – auch zur Wiedergewinnung der deutschen Einheit – aufgegeben werden musste: Ein Friedensvertrag müsse „von der Wiederherstellung der Grenzen des deut-schen Staatsgebiets von 1937 ausgehen. Die Regelung der Ostgrenzenfrage darf niemals zu einer Anerkennung der Oder-Neiße-Linie führen. [...] Alle Vertriebenen haben das unabdingbare Recht auf Rückkehr in ihre Heimat.“272

Im „Berliner Programm 1957“ sind bereits vorsichtige An-deutungen für notwendige Kurskorrekturen enthalten, vor allem in der „Aufgabe, durch eine aktive und konstruktive Politik das Verhältnis Deutschlands zu den osteuropäischen Völkern friedlich zu regeln.“273 Von kriegerischen Aktivitäten der Bundesrepublik oder von einem Verzicht Polens auf die

271 Ebenda, S. 129. >www.fdp.de<.272 Ebenda.273 Ebenda, S. 153f.

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ihm im Westen als Ausgleich für Gebietsverluste an die So-wjetunion zugestandenen deutschen Ostgebiete ging nie-mand aus. Also konnte unter dieser Aufgabe nur das Signal von Gesprächsbereitschaft der Liberalen gedeutet werden, im Interesse einer europäischen Friedensordnung ehrlich auf Gebietsansprüche gegenüber Polen zu verzichten. Den-noch forderte die FDP wenige Zeilen später die „friedliche Wiedervereinigung mit Mitteldeutschland und den ostdeut-schen Gebieten in einem Deutschen Reich“ – aber etwas vorsichtiger als früher nun nur als „oberstes Ziel“, dem alle Anstrengungen „dienen“ müssten.274

Der Wahlaufruf „Aktionsprogramm 1957“ im gleichen Jahr wird bei den Prioritäten deutscher Politik deutlicher: „1. Schafft endlich Deutschlands Einheit! Erst Deutschland – dann Europa“. In der Substanz passt das zum Nein der FDP zu den Römischen Verträgen, zumal mit der EWG das FDP-Ziel einer umfassenderen wirtschaftlichen Einheit Europas praktisch bis zum Konzept de Europäischen Wirtschafts-raums der 80er Jahre aufgegeben war: Die Folge war die wirtschaftliche Spaltung in eine EWG (Europäische Wirt-schaftsgemeinschaft) als Teil der Europäischen Gemein-schaften einerseits und der EFTA (European Free Trade Area) andererseits.

Die Forderung „1. Schafft endlich Deutschlands Einheit!“ enthielt trotz der anspruchsvollen Überschrift in der Sub-

274 Ebenda, S. 153f.

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stanz bereits die Grundelemente der späteren Deutschland- und Europapolitik: Wandel durch Annäherung z. B. durch Reiseerleichterung, „[...] um eine menschliche Entfremdung zu verhüten“, weiterhin eine „Politik der Entspannung“ und Verhandlungen, die nicht mehr offen auf dem Ziel eines Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 beharrten.275 Dem entsprach der umfassende „Grundriss eines Deut-schen Friedensvertrages (Deutschlandvertrag) 1959“, be-schlossen von der Bundestagsfraktion am 27. Januar 1959, gebilligt vom 10. Bundesparteitag vom 21. bis 23. Mai 1959 in Berlin.276

In der „Stellungnahme zur Agrarpolitik 1964“ ist die FDP bereits mitten im Alltag der Europapolitik mit Gemeinsamem Markt, „Mansholt-Plan“ und auf dem Wege zum Europä-ischen Agrarmarkt: nicht europäisch, nicht nur „Agrar“ und schon gar nicht „Markt“. Noch einmal taucht aber in den „Nürnberger Entschließungen“ vom 6. und 7. Juni 1966 kurz nach dem Tode von Wilhelm Röpke das Ziel auf, das die FDP, Ludwig Erhard und Wilhelm Röpke gegen Konrad Adenauers Präferenz für hohe Intensität der Integration ei-ner relativ kleinen Wirtschaftsgemeinschaft verband:

„Die Freie Demokratische Partei bekennt sich zu ei-ner Politik, die der Festigung des Friedens, der Ver-ständigung mit allen Völkern in Ost und West und der

275 Ebenda, S. 165.276 Ebenda, S. 155 und 158ff.

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Überwindung der deutschen Teilung dient. Aus die-sem Grund setzt sich die FDP dafür ein, [...] den Aus-bau der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft der Sechs zu einer zunächst alle westeuropäischen Staaten umfassenden wirtschaftlichen Gemeinschaft zu betreiben und diese Gemeinschaft für eine spä-tere engere Zusammenarbeit mit den Staaten Ost- und Südeuropas offenzuhalten.“ 277

Zur inneren Ordnung der EWG fordert die FDP in „Ziele des Fortschritts“, dem Aktionsprogramm vom 5. April 1967: Marktwirtschaft als Grundlage der Wirtschaftspolitik auch in der EWG, „schrittweise Auflockerung der dirigistischen und protektionistischen Struktur der EWG [...] insbesondere für den Agrarsektor, den Verkehrssektor und für den Handel gegenüber Drittländern.“ „Eine gemeinschaftliche Wirt-schaftspolitik“ solle erst verwirklicht werden, wenn über Ziele und Mittel „eine ordnungspolitisch hinreichende Über-einkunft erzielt worden ist.“ In diese ordnungspolitischen Voraussetzungen fügen sich die FDP-Forderungen nach Freiheit der Bewegungen von Waren, Dienstleistungen und Kapital nicht nur innerhalb der EWG ein: Abbau aller zwi-schenstaatlichen Hemmnisse „auf der Grundlage der Ge-genseitigkeit“. Es fehlt auch nicht der Anschluss an die „Nürnberger Entschließungen“ gegen eine wirtschaftliche Spaltung des freien Europa: „Die Öffnung der EWG für den Beitritt Großbritanniens und der übrigen Efta-Staaten und

277 Ebenda, S. 177.

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die Verwirklichung der Kennedy-Runde dienen dieser Ziel-setzung.“ 278

Der Weg zur „Vollendung des Binnenmarkts 1992 “ folgte mit dem Abbau der letzten Kapitalverkehrskontrollen und weiterer nichttarifärer Handelshemmnisse innerhalb der Eu-ropäischen Gemeinschaften den Liberalisierungsforde-rungen in den wirtschaftspolitischen Programmen der FDP auch nach 1967. Auf dem Weg zu den „Vier Freiheiten“ – der freien Bewegung von Menschen, Gütern (Waren und Dienstleistungen), Ideen und Kapital – wurde allerdings der „Binnenmarkt“ bei den wichtigen Dienstleistungen wie In-formation, Kommunikation, Verkehr, Energie, Umwelt-dienste, Banken und Versicherungen weder 1992 noch bis 2009 „vollendet“; das „Entsendegesetz“ brachte faktisch sogar Rückschritte im so wichtigen Integrationsbereich der freien Bewegung von Arbeitskräften in der Europäischen Union.

Das Programm der FDP zur Europawahl 2009 „Ein Europa der Freiheit für die Welt des 21. Jahrhunderts“ vom 17. Ja-nuar 2009 versucht Antworten auf 14 Fragen der Bürger, etwa die Hälfte davon zu eng miteinander verknüpften wirt-schafts- und sozialpolitischen Fragen.279 In der Präambel for-

278 Vgl. ebenda, S. 191.279 Beschluss des Europaparteitags vom 17. Januar 2009 in Berlin (>www.fdp.de<).

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muliert die FDP ihre ordnungspolitische Forderung für die Europäische Union:

„Die FDP ist die einzige Partei in Deutschland, die die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft konse-quent beachtet. Nur Wettbewerb schafft Fortschritt – geistigen und materiellen. Die FDP im Europäischen Parlament wird deshalb darauf achten, dass der freie Wettbewerb in marktwirtschaftlichem Ordnungsrah-men auch in der EU von morgen zur Geltung kommt. Wir wissen, dass die EU Wohlstand schafft, wenn sie den Binnenmarkt weiterentwickelt.“280

Der ehrliche, realistische Befund der FDP zur „Vollendung des Binnenmarktes“ in diesem Programm „für die Welt des 21. Jahrhunderts“ hebt sich sehr positiv ab von den Wun-dern, die sich andere Ende der achtziger Jahre von der „Vollendung des Binnenmarktes 1992“ versprochen hat-ten281: Vollendung am 31.12. 00Uhr 1992, also faktisch am 1.

280 Ebenda, S. 2 (1. Textseite).281 Vgl. insbesondere die Bände-Sammlungen hinter dem Cecchini-Be-richt von 1988 und den Padoa-Schioppa-Bericht zur Vollendung des Bin-nenmarktes mit erwarteten zusätzlichen 1,8 Millionen Arbeitsplätzen und Kosteneinsparungen von 200 Mrd. ECU (der Recheneinheit auf dem Wege zur Währungsunion). Die Diskussion in allen Medien endete, als Glasnost, Perestroika und Deutsche Einheit die Welt im 20. Jahrhundert auch für die Integration des ganzen Europa so gründlich veränderten, dass es im schwierigen Umstellungsprozess statt zu großen Arbeitsplatz-Gewinnen und Wohlstands-Steigerungen zu rund 30 Millionen Arbeitslosen und realen Einkommensverlusten in der EU kam. Vgl. Als eine knappe Zusammenfas-

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Januar 1993 – oder doch erst am ersten Arbeitstag danach? Mit der Weltwirtschaftskrise 2009 und ihrer Bewältigung danach ist die Nagelprobe gegeben, was die FDP zusam-men mit den anderen liberalen Parteien im Europaparlament für die Verwirklichung von Wettbewerb auf offenen Märkten in einer marktwirtschaftlichen Ordnung Europas leisten wird.

Die FDP hat bereits in den Programmen ihrer regionalen Gliederungen vor der Gründung 1948 keinen Zweifel an ak-tivem Einsatz für ein geeintes Europa gelassen. In einer jün-geren Buchbesprechung von 2006 wird das von Hans-Hein-rich Jansen in Zweifel gezogen. Mechthild Winkings Münsteraner Dissertation komme nach Jansen das Ver-dienst zu, mit dem Gerücht aufgeräumt zu haben, im „Be-reich der Einigung Europas“ sei die FDP „an allen maßgeb-lichen Entscheidungen der bundesdeutschen Außenpolitik maßgeblich beteiligt“ gewesen, „und zwei von denen, die zu den Hauptverbreitern des oben genannten Gerüchts gehö-ren, die ehemaligen Parteivorsitzenden Genscher und Graf Lambsdorff, sollten es eigentlich aus eigener Erinnerung besser wissen.“282

sung der Erwartungen Paolo Cecchini, Micael Catinat, Alexis Jacquemin, Europa‘92. Cecchini-Bericht. Der Vorteil des Binnenmarkts, Baden-Baden 1993.282 Vgl. Hans-Heinrich Jansen, Buchbesprechung der Dissertation von Mechthild Winking: Liberale Außenpolitik zwischen Profilierung und Anpas-sung beispielhaft dargestellt an der Abstimmung der FDP zu den Römischen Verträgen 1957, Münster 2004, in: Friedrich-Naumann-Stiftung, Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung, 18. Jahrgang 2006, Baden-Baden 2006, S. 383f; Peter Jeutter, EWG: kein Weg zu Europa, a.a.O.; Peter Juling, Kurze

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Weniger höflich, dafür aber klar, entspricht diese Behaup-tung dem Vorwurf der Lüge. Das überrascht im Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 2006, zumal die Tatsache des Nein der FDP zu den Römischen Verträgen – unter dem Ti-tel „EWG - Kein Weg nach Europa“ – in der Dissertation von Peter Jeutter mit ausführlichen Begründungen über den Ti-tel hinaus spätestens seit 1986 bekannt ist, wie es der Titel bereits klarstellt: „Kein Weg nach Europa“. Selten gibt be-reits der Buch-Titel eine so klare Antwort auf die Frage der Motive der FDP: Es ging der FDP auch bei ihrem Nein um das geeinte Europa. Die FDP hat im Interesse des geeinten Europa gegen die Römischen Verträge gestimmt, und nur der Jungdemokrat Walter Scheel hat sich damals mit guten Gründen engagiert für ein Ja der FDP zu den Römischen Verträgen 1957 eingesetzt.

Vom Vorwurf gegen Hans-Dietrich Genscher, Otto Graf Lambsdorff und die jungen Liberalen, die angeblich einem Gerücht nachlaufen, bleibt also nichts an Substanz. Der Vorwurf wäre vermieden worden, wenn man – gewisserma-ßen aus dem eigenen Hause der Stiftung für die Freiheit – Jeutters Dissertation in Form der späteren Buch-Veröffent-lichung von 1986 herangezogen hätte. Jeutters Dissertation wird von Jansen aber nicht einmal erwähnt. Wenn es um so massive Vorwürfe geht, ist solides Handwerk erst recht ge-fordert. Schlimmer in Jansens Besprechung ist vor allem

Geschichte des politischen Liberalismus in Deutschland, a.a.O., S. 60.

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das Verschweigen, dass es für die FDP beste Gründe gab, gerade im Interesse der Einheit Europas die Gefahr einer Spaltung in einen EWG-Block der „Sechser-Gemeinschaft“ und in einen EFTA-Block der anderen Staaten des freien Eu-ropa zu vermeiden.

Auch ein Nein zur Gefahr einer Spaltung Europas, die sich immerhin über 30 Jahre nach den Römischen Verträgen bis zum „Europäischen Wirtschaftsraum“ von EG und Rest-EF-TA tatsächlich bewahrheiten sollte, kann sehr wohl ein kon-struktiver außenpolitischer Beitrag für Europa sein. Wie Ludwig Erhard hat die FDP nach dem Ja der überwälti-genden Mehrheit für die Römischen Verträge diesen Eini-gungsweg der kleineren Gemeinschaft konstruktiv unter-stützt. Ebenso hätte die FDP den von ihr 1957 bevorzugten Weg über ein größeres, bürgernäheres Europa aktiv voran-getrieben, nicht nur beschränkt auf die Bundesrepublik, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten wie in den Rö-mischen Verträgen.

2009 kann die FDP in diesem Sinne endlich die Einheit des großen Europa der 27 Staaten vorantreiben und tut dies auch im Geiste des Subsidiaritätsprinzips für ein bürgerna-hes Europa.283 Was bleibt also übrig von Jansens Vorwurf an die Adresse von Genscher, Lambsdorff und allen, die ih-nen darin folgen, dass es ein Gerücht sei, die FDP sei auch

283 Vgl. dazu das Wahlprogramm 2009 „Die Mitte stärken“, >www.fdp.de<, S. 78ff.

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an allen Entscheidungen für Europa maßgeblich beteiligt ge-wesen? Es wäre zumindest ein seltsames, ist aber leider kein seltenes Demokratie- und Europa-Verständnis, nur ein Ja als Beteiligung zu interpretieren: was immer zur Entschei-dung anstünde. Mit diesem Verfahren würde man ausge-rechnet Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff immerhin zu „Europa-Skeptikern“ erklären, wenn man den indirekten Vorwurf der Lüge zurücknähme.

Die Entscheidung war für die FDP bei den Römischen Ver-trägen über die Deutschland-Frage hinaus viel komplizierter, als dies in Jansens Behauptung von vorrangig parteitak-tischen Überlegungen erscheint: Die Frage blieb bis über die Osterweiterung der Europäischen Union hinaus schwie-rig: Ist auf dem Weg zu einem geeinten Europa die inten-sivere Zusammenarbeit relativ weniger Staaten förderlicher, oder ist es besser, möglichst viele Mitglieder bei weniger intensiver Integration mitzunehmen? Dabei sollte für Libe-rale auch der Zusammenhang zwischen hoher Intensität der Integration und dem Grad der Zentralisierung von politischen Entscheidungen nicht gleichgültig sein. Darum war der FDP in ihren europapolitischen Programmen stets wichtig, dass ein geeintes Europa nach dem Subsidiaritätsprinzip bürger-nah gestaltet werden müsse: in Übereinstimmung mit dem Programm der FDP zum Föderalismus in Deutschland: bür-gernaher Föderalismus in Deutschland und in Europa.

Die Gefahr von Fehldeutungen der Position der FDP für ein geeintes Europa wie in der Buchbesprechung von Jansen

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kann allerdings auch ein Grund dafür sein, dass sich die FDP vor allem in ihren wirtschaftspolitischen Programmen in Einzelfragen manchmal mit Kritik an europäischem Zentralis-mus zurückhält, um nicht als „Europa-Skeptiker“ angepran-gert zu werden. Solche Vorwürfe sind innerhalb der Libe-ralen nicht selten. Davon getroffen wurde z.B. auch die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, als sie auf Män-gel im „Vertrag für eine Verfassung für Europa“ in der Fas-sung von Thessaloniki hinwies284, die für Liberale keine Peti-tesse waren.

Die FDP griff diese Kritik positiv auf; unabhängig davon teilte z.B. auch die Deutsche Bundesbank die Kritikpunkte zur Währungsordnung. Vor allem war der Vertrag für die un-befragten Bürger, die nach Schiller die Verfassung erhalten sollen, allein vom Umfang her kaum zu lesen - und vor allem keine „Verfassung“ im staatsrechtlichen Sinne, auch wenn Giscard d’Estaing den Vertrag in Rom bereits vor der Ratifi-zierung „Verfassung von Rom“ nannte. Nun haben wir einen „Vertrag von Lissabon“ bzw. „Reform-Vertrag“, wo mit mehr Ehrlichkeit in der Politik für Europas Einheit auch eine Ver-fassung für Europa möglich gewesen wäre – wenn auch nicht im staatsrechtlichen Sinne.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Lis-sabon-Vertrag vom 30. Juni 2009 kann daher keinen über-raschen, der die Entscheidung des Bundesverfassungsge-

284 Vgl. z.B. >www.eur-lex.europa.eu<.

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richts zum Maastricht-Vertrag von 1993 gelesen hat, erst recht auch Beiträge z.B. der Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier und Udo di Fabio zu Subsidiarität, Zen-tralismus und Gleichmacherei in der Europäischen Union. Die Entscheidung zum Lissabon-Vertrag ist ein klares Ja zu Europa, aber nicht zu einem beliebigen Europa.

Wiederholt wird die Klarstellung einer Selbstverständlich-keit der Maastricht-Entscheidung: Die Europäische Union ist kein Bundesstaat, sondern ein „Staatenverbund“, und das deutsche Grundgesetz sieht auch keinen Europäischen Bundesstaat vor. Herr der Gesetzgebung in Deutschland bleiben in wichtigen Fragen Bundestag und Bundesrat; die Kontrolle auf Verfassungskonformität – auch bei Übertra-gung von Kompetenzen an Organe der Europäischen Union – bleibt beim Bundesverfassungsgericht. Bundestag und Bundesrat sind auf strikte Einhaltung des Subsidiaritätsprin-zips gegen schleichenden Zentralismus verpflichtet. All das ist konform mit dem Lissabon-Vertrag, und daher ist auch der Lissabon-Vertrag mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das in Vielfalt und in gemeinsam vertretenen Werten geein-te Europa ist eine so gute Sache für die Welt, dass es für Fortschritte im Einigungsprozess nicht auf politische Schön-färberei angewiesen ist. Ehrlichkeit ist auch die beste Politik, um noch mehr Bürger für Europa zu gewinnen, wo die Euro-päische Union nicht als Geldgeber ohnehin begehrt ist. Nach den Versprechungen des bis heute nicht „vollendeten Binnenmarktes 1992“ waren es die Tricks, die gegen die

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gemeinsame Entscheidung von Bundestag und Bundesrat zur Interpretation der Maastricht-Kriterien in Italien und vor allem in Deutschland angewandt wurden. Es sollte der An-schein erweckt werden, die beiden Verschuldungskriterien des Maastricht-Vertrags wären von Deutschland erfüllt ge-wesen, als das von Bundeskanzler Kohl durchgesetzte Da-tum für die Einführung des Euro anstand. Das passte zu den werbenden Informationsblättern der Bundesregierung mit der in jedem Lexikon erkennbaren Fehlinformation, auch im Deutschen Reich Bismarcks sei die Währungseinheit der politischen Einheit vorangegangen.

Geschrieben und geredet wurde damals fast nur vom Krite-rium für die laufende Staatsverschuldung in Artikel 104 EG-Vertrag, das tatsächlich den nötigen Spielraum für die Erfül-lung des Kriteriums lässt, wenn ein Land geringfügig über der 3%-Marke liegt. Dennoch wurde selbst vor aller Öffent-lichkeit versucht, die Schuldenquote für die laufende Ver-schuldung z.B. mit Neubewertungen von Devisenreserven zu drücken. Das Kriterium für den angesammelten Schul-denberg, die „kumulierte Staatsverschuldung“, in Artikel 104 EG-Vertrag wurde weggeschwiegen. Denn nach dem Wortlaut von Artikel 104 ist dieses Kriterium eindeutig nicht erfüllt, wenn sich ein Staat von einer relativ niedrigen Schul-denquote über die 60%-Marke hinaus verschuldet. Griechen-land massiv und Deutschland zunächst geringfügig haben das geschafft, und dass die Deutsche Einheit auch Haus-haltsbelastungen bedeuten würde, hatte man schon seit 1989 gewusst. Nach Einführung des Euro lag diese Schul-

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denquote mit Ausnahme eines einzigen Jahres der außeror-dentlichen Lizenzversteigerungen des Bundes weiterhin über 60% und stieg sogar bis 2008.

Das hat für die gute Sache des Euro nur schädlich gewirkt, und es ist vor allem Verdienst von Deutscher Bundesbank und Europäischer Zentralbank, dass der Euro dennoch das gehalten hat, was sich die FDP in ihrem Ja zum Euro ver-sprochen hat: Geldwertstabilität und ein Stabilitätsanker auch in der Weltwirtschaftskrise.285

285 Zu den Enscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vgl. >www.bundesverfassungsgericht.de<; außerdem Hans-Jürgen Papier (damals Vorsitzender des 1. Senats und Präsident des Bundesverfassungsge-richts), Das Subsidiaritätsprinzip als Bremse gegen schleichenden Zentra-lismus?, Vortrag an der Universität Tübingen von 2006, Tele-Akademie des SWR vom 28. Oktober 2007, >www.swr.de<:. Vgl. zum Subsidiaritätsprin-zip, aber umfassend im kulturellen Gesamtkonzept einer freiheitlichen Ge-sellschaft Udo di Fabio, Die Kultur der Freiheit, München 2005, Kapitel IX bis XI. Zur Rolle von Bundestag und Bundesrat in einer föderalen Ordnung Europas vgl. Föderalismuskommission der Friedrich-Naumann-Stiftung, Für einen reformfähigen Bundesstaat: Landtage stärken, Bundesrat erneuern, a.a.O., S. 95 und 97f. >www.freiheit.org<; Thomas Fischer, Föderalismus als Gestaltungsprinzip für Europa, in: Udo Margedant (Hrsg.), Föderalis-musreform: Föderalismus in Europa II, Konrad-Adenauer-Stiftung, St. Augu-stin 2002: zum Subsidiaritätsprinzip im Zusammenhang mit dem Anliegen einer Verfassung für Europa vgl. Horst Werner, Verfassung für Europa?, St. Galler Tagblatt vom 26. Juni 1990.

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8. KonjunkturpolitikIm Zeitalter der experimentierenden Konjunkturpolitik wurde konjunkturpolitisch nicht etwa ein Versuch gemacht, Marktformen und Geldordnungen zu reformieren und durch Konstanz der Wirtschaftspolitik die Investitionstätigkeit anzuregen. Die Konjunkturpolitik der Experimente versuchte vielmehr durch unmittelbare Eingriffe in den Wirtschaftsprozeß selbst Depressionen zu überwinden und zu vermeiden.(Walter Eucken(1949),Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Bern und Tübingen 1952 (postum), S. 310f.)286

Bis zu den „Nürnberger Entschließungen 1966“ hat die FDP kein explizites, konkretes Konjunkturprogramm. Noch im „Aufruf zur Bundestagswahl 1961“ und in den Programmen bis 1966 geht es ausschließlich um Ordnungspolitik. Typisch für die Programme zwischen der Heppenheimer Proklamation von 1948 und aller Programme vor den Nürnberger Entschließungen ist das Wahlprogramm 1953: Bei Gelegenheit von konkreten Forderungen zur Lösung damals aktueller Probleme von der Beseitigung der Relikte

286 In dem von Karen Horn rezensierten Buch von Friedrun Quaas, Soziale Marktwirtschaft. Wirklichkeit und Verfremdung eines Konzepts, Bern 2000 behauptet die Autorin des Buches nicht nur grundsätzliche Gegensätze zwi-schen Müller-Armack und seinen neoliberalen bzw. ordoliberalen Mitstrei-tern, die ich als Student und langjähriger Mitarbeiter von Müller-Armack so nicht bestätigen kann – ähnlich, wie das Müller-Armacks neoliberaler Chef Ludwig Erhard nie tat. Speziell zur Konjunkturpolitik liest die Buch-Autorin Euckens „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ falsch. Denn Eucken ging es bei seiner Kritik an „experimentierender Konjunkturpolitik“ (s.o., Kopf-Zitat) um einen bestimmten Stil der Konjunkturpolitik. Er hätte sonst die Konjunk-turpolitik nicht in seine „regulierenden Prinzipien“ der „Wettbewerbsord-nung“ aufgenommen.

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nationalsozialistischer Zwangswirtschaft bis zu Forderungen nach Steuerentlastung und solider Haushaltspolitik wird das Bekenntnis zur Marktwirtschaft als freiheitliche Wirtschaftsordnung und Voraussetzung für eine freiheitliche Gesellschaftsordnung mit unterschiedlichen Worten wiederholt: „Wohlstand für alle ist nur möglich in einer auf Freiheit der Person, dem Privateigentum und dem lauteren Leistungswettbewerb aufgebauten Wirtschaftsverfassung. Deshalb bekennt sich die FDP zur Fortführung der von ihr seit 1948 vertretenen erfolgreichen Politik der Marktwirtschaft.“287

Dieser Vorrang von marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik lag weniger daran, dass die FDP wie keine andere Partei dem wirtschaftspolitischen Kompass der neoliberalen Gründungsväter der deutschen Marktwirtschaft folgte. Der von Ludwig Erhard politisch verantwortlich durchgesetzte Kurs war bis 1966 vor allem bei der Arbeitsplatz-Bilanz so erfolgreich, dass die Zahl der Beschäftigten 1966 mit 21,765 Millionen bei nur 161.000 Arbeitslosen einen Höhepunkt erreichte, der erst 1970 übertroffen wurde. Probleme der Konjunkturpolitik spielten praktisch keine Rolle.

In knapp 20 Jahren waren netto rund 8 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden. Die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik hatte es nach dem Kriege mit der Bewälti-gung von Anpassungskrisen zu tun, nicht mit dem regelmä-

287 Beschluss des außerordentlichen Bundesparteitags am 28. Juni 1953 in Lübeck, abgedruckt in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 129.

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ßigen, aber seit Ende des 19. Jahrhunderts oft heftiger wer-denden Auf und Ab der Wirtschaftstätigkeit einer ansonsten konsolidierten Volkswirtschaft, das man mit „Konjunktur“ bezeichnet.288 Nach dem Krieg war die Umstellung von der Zwangsbewirtschaftung des Nationalsozialismus einschließ-lich Kriegswirtschaft auf die Marktwirtschaft zu leisten, Mil-lionen Heimatvertriebene und zunehmend auch Flüchtlinge aus der DDR waren in Gesellschaft und Wirtschaft zu inte-grieren, heute nur noch aus Entwicklungsländern bekannter Hunger war zu stillen, und das zerstörte Deutschland war nach dem Verlust Schlesiens, Ostpreußens, Pommerns und des Sudetenlandes wieder aufzubauen. Das war eine „Kri-se“, die allerdings mit der Bezeichnung „Krise“ in manchen frühen Konjunkturtheorien nichts zu tun hat.

Als die Not dieser Phase und die damals hohe Arbeitslosig-keit von bis zu 1,5 Millionen Arbeitslosen 1950/51 in eine Phase der Vollbeschäftigung ab 1959 und der „Überbe-schäftigung“ von 1960 bis 1966 in „Wohlstand für alle“ ge-wendet wurde, gab es schwierige Anpassungskrisen, die damals noch korrekt unterschieden wurden von den seit über 50 Jahren systematisch beobachteten und seit über 30 Jahren gut analysierten Konjunkturen. An den Konjunkturen

288 Dem Sozialisten Ferdinand Lassalle verdanken wir die Verbindung des sprachlich ins Deutsche transformierten Begriffs „Konjunktur“ aus Lassal-les Übersetzung „Conjunctio“ des Heraklit in seiner Polemik gegen den Li-beralen Schulze-Delitzsch „Herr Bastiat-Schulze v. Delitzsch“: „Conjunctio rerum omnium (Verknüpfung, Verbindung des Seienden) [...]“ Zitiert von Wilhelm Röpke, Die Konjunktur, Jena 1922, S. 1.

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interessierte die Politik damals wie heute die Rezession mehr als die Boom-Phase, es sei denn, eine Überhitzung der Konjunktur fällt allzu heftig aus, so dass danach eine um so tiefere Rezession befürchtet wird.

Nach Ludwig Erhards Arbeitsplatzerfolgen erschien daher der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Jahresmittel 1967 auf 459.000 Arbeitslose bzw. einer Arbeitslosenquote von 2,1% als Versagen der Beschäftigungspolitik. Denn als gefährlich starke Schwankung konnte der kurzfristige Anstieg der Ar-beitslosenquote von 0,7% auf 2,1% auch aus damaliger In-terpretation von Konjunkturen jedenfalls nicht bewertet wer-den. Und auch nach den damaligen Definitionen von Vollbeschäftigung war die Arbeitslosenquote nicht hoch; sie lag sogar deutlich unterhalb einer Arbeitslosenquote von 3,5%, bis zu der ein Beschäftigungsstand von der Labour Party als „Vollbeschäftigung“ definiert wurde (also unter-halb der nach dem Labour-Politiker benannten „Beveridge-Schwelle“). Noch am 19. September 1965 hatte Bundes-kanzler Ludwig Erhard bei einer Arbeitslosenquote – wie auch im Folgejahr 1966 – von 0,7% als Wahlkampflokomoti-ve für die CDU mit 47.6% ein Ergebnis erzielt, das die CDU nie wieder erreichen würde – ohne dass dies stark auf Ko-sten der FDP gegangen wäre, deren Stimmanteil nur auf 9,5% zurückging.289

289 1961 hatte die FDP zwar sogar mit 12,8% ihr bis heute bestes Er-gebnis bei einer Bundestagswahl erreicht. Dazu trug allerdings auch die Ausnahmesituation bei, dass die CDU zuvor bei der Bundestagswahl 1957 mit 50,2% die absolute Mehrheit erreicht hatte. Mit Ludwig Erhards 1965

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Bei einem so geringen Beschäftigungseinbruch lag es selbst vor dem Erfolgshintergrund der 10 Jahre zuvor nicht nahe, die Stabilisierung der Wirtschaftstätigkeit auf hohem Niveau mit Instrumenten zusätzlich zu den ordnungspolitischen Stabi-lisatoren zu versuchen. In Ländern mit viel stärkeren Kon-junkturschwankungen wie vor allem den Vereinigten Staaten war allerdings ein Instrumentenkasten zusammengestellt worden, der voll zum vorherrschenden keynesianischen Zeitgeist passte.

Schon in der Phase des Anstiegs der Arbeitslosigkeit zum Höhepunkt der Arbeitslosenzahl 1967 reagierte die FDP im Herbst 1966 mit der Ergänzung ihres Kapitels „Zur Haus-halts- und Finanzpolitik“ in den Nürnberger Entschließungen 1966:

„Die Freie Demokratische Partei bekennt sich zu ei-ner Haushalts- und Finanzpolitik, in deren Mittelpunkt die Stabilerhaltung der Währung steht. Dieser Ziel-setzung sind sämtliche haushalts- und finanzpoli-tischen Entscheidungen unterzuordnen. Sie tritt da-

erreichten 47,6% war die CDU nicht mehr weit von einer erneuten abso-luten Mehrheit auf Kosten der FDP entfernt. Was ein wirklich schlechtes Wahlergebnis ist, erfuhr die FDP erst bei der Bundestagswahl 1969 mit 5,8%. Die Orientierung hin zum künftigen Koalitionspartner SPD hatte sich für die SPD mit erstmals über 40% der Stimmen ausgezahlt (42.7%), die CDU hielt sich mit 46,1% relativ gut, und die Splitterparteien erhöhten ihren Stimmanteil von 3,6% auf 5,5%.

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her dafür ein, [...] – im Zuge der Finanzreform die Voraussetzungen für eine übereinstimmend konjunk-turgerechte Haushaltsgebarung von Bund, Ländern und Gemeinden und damit für eine weitsichtige Sta-bilitätspolitik zu schaffen; [...].290

Das ist in Reinkultur Konjunkturpolitik im ordnungspoli-tischen Sinne Walter Euckens und im Sinne von Ludwig Er-hards gewolltem „Stabilitätsgesetz“, aus dem nach langen Auseinandersetzungen ein „Stabilitäts- und Wachstumsge-setz“ wurde: Vorrang hat eindeutig die Stabilität des Geld-wertes; eingebettet ist die Konjunkturpolitik in eine Reform der Finanzordnung unter der strengen Randbedingung einer wirksamen Begrenzung der Staatsverschuldung – und ohne eine „Politik des billigen Geldes“. Bei genereller Langfristo-rientierung der Wirtschaftspolitik wird auf mittelfristige Fi-nanzplanung gesetzt. Auch die Klugheit von Joseph in Ägyp-ten vor den sieben mageren Jahren war noch bewusst – und damit auch alles, was im konjunkturpolitischen Kontext rich-tig an Keynes ist. Der Unterschied zu der von Walter Eucken kritisierten „Konjunkturpolitik der Experimente“ konnte deutlicher nicht ausfallen als in den Nürnberger Entschlie-ßungen der FDP von 1966.

290 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 178.

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Gegen Flucht vor Verantwortung in den Schein von ObjektivitätZur hohen Zeit der „Konjunkturpolitik der Experimente“, des großen Aktionismus mit „Konzertierter Aktion“, „Global-steuerung“ und mit viel „Konjunkturpolitik“ gehört das Vor-täuschen von Objektivität durch quantitative Prognosen: „Konjunkturpolitik“ durfte sogar im Titel der Ausschreibung eines Forschungsauftrags nicht fehlen, in dem es inhaltlich um den besten Weg zur Europäischen Währungsunion ge-hen sollte.291 Das politische Problem solcher Schein-Objek-tivität quantitativer Prognosen ist weniger die regelmäßig schlechte Treffer-Quote solcher Prognosen. Karl-Heinz Pa-qué hat in der Sitzung des Bundesfachausschusses Wirt-schaft vom 21. März 2009 am Beispiel der aktuellen Finanz-krise verdeutlicht, wie Schein-Objektivität das Verstecken von politischen Entscheidungsträgern hinter Gutachten för-dert und in Flucht vor politischer Verantwortung münden kann.

Dieses Problem hat bereits das Aktionsprogramm „Ziele des Fortschritts“ vom 5. April 1967 gesehen, als es mitten in der Rezession1966/67 den Stabilitätskurs bestätigte. In der Skepsis gegenüber „quantifizierten Zielvoraussagen“ ist das Aktionsprogramm von 1967 auch in der Krise 2009

291 Das war der Fall bei der Ausschreibung eines Gutachtens „Konzept einer europäischen Konjunktur- und Währungspolitik“ für das Bundesmini-sterium für Wirtschaft, das als Buch dann den treffenden Titel „Wege und Irrwege zur europäischen Währungsunion“ erhielt (a.a.O.).

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höchst aktuell, auch wenn die aktuelle Krise am allerwenig-sten mit volkswirtschaftlichen Konjunkturschwankungen zu tun hat:

„Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung muß strikt die Grenzen staatlicher Tätigkeit einhalten. Der Staat darf keine Ziele für die Produktion, für die Inve-stitionen oder andere Daten im privatwirtschaftlichen Sektor setzen. Die Privatwirtschaft muß allein für ihre Unternehmenspolitik verantwortlich sein. Quan-tifizierte Zielvoraussagen des Staates im Bereich der Währungs-, Wirtschafts- und Konjunkturpolitik füh-ren zu Fehlplanungen in der Privatwirtschaft, da sie nicht das nötige Maß an Sicherheit und Zuverlässig-keit besitzen. Die Unsicherheit der wirtschaftlichen Entwicklung und das in jeder freiheitlichen Wirt-schaftsordnung konstitutiv unzureichende Instrumen-tarium zur Verwirklichung quantitativer Voraussagen verbieten eine Perfektion in der staatlichen Wäh-rungs-, Wirtschafts- und Konjunkturpolitik. Die FDP lehnt daher auch die Feststellung eines volkswirt-schaftlichen Ungleichgewichts im vorgesehenen Jahreswirtschaftsbericht ab. Jede volkswirtschaft-liche Entwicklung verläuft ungleichgewichtig. Die Feststellung des Ungleichgewichts führt zu einem

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Ankündigungseffekt, der nur unerwünschte volks-wirtschaftliche Konsequenzen haben kann.“292

Das ist im Kern ein Plädoyer für den Vorrang von Ordnungs-politik. Wäre die FDP konsequent auf diesem Kurs „Ord-nungspolitik mit Konjunkturpolitik ohne Anmaßung von Per-fektion“ geblieben, wäre Deutschland zumindest bei einer nachhaltig soliden und generationengerechten Haushaltspo-litik „ordnungspolitische Nummer 1“ geblieben oder gewor-den, wie Otto Graf Lambsdorff es nach dem Scheitern der vielen wirtschaftspolitischen Experimente des „Keynesia-nismus ohne Keynes“ 1992 in „Mut statt Mißmut“ einfor-derte.

Eine heute besonders wichtige Kernbotschaft des FDP-Ak-tionsprogramms von 1967 kann wie bei Alfred North White-head auch so zusammengefasst werden: „Exaktheit ist ein Schwindel.“293 Auf keinem Gebiet gilt diese Warnung auf den Spuren Immanuel Kants heute so sehr wie bei den „quantifizierten Voraussagen“, mit denen das FDP-Aktions-programm in seltener Deutlichkeit der Sprache abrechnet. Die quantitativen Voraussagen der Konjunkturforscher la-gen in der Weltwirtschaftskrise so völlig daneben und ha-

292 FDP-Aktionsprogramm „Ziele des Fortschritts“, beschlossen auf dem 18. Ord. Bundesparteitag vom 3. bis 5. April 1967 in Hannover, in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 188.293 Alfred North Whitehead: ein Thema seines gesamten Werks, zitiert vom Übersetzer Hans Günter Holl in: Alfred North Whitehead, Prozess und Realität (Process and Reality, 1929), Frankfurt am Main 1979, S. 636.

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ben in einem Maße in die Irre geführt, dass sie alle schlim-men Befürchtungen der FDP von 1967 in den Jahren 2008/2009 übertrafen, natürlich nicht zum ersten Mal, aber noch nie so weit entfernt von der Welt, wie sie wohl ist und wie sie jedenfalls ex post in den Statistiken abgebildet wird.

In den Worten des FDP-Aktionsprogramms 1967 bedeutet diese Änderung von Art. 115 GG durch die Große Koalition unter anderem, dass ein gesamtwirtschaftliches Gleichge-wicht nie vorliegt. Wie kann es dann „gestört“ werden? Wie soll die erfolgreiche „Abwehr“ eines Phantoms gelingen? Spätestens nach dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen ab 1971 konnte ohnehin niemand beantworten, was bei festen Wechselkursen mit Ach und Krach noch zu beant-worten war: Was überhaupt ist ein „außenwirtschaftliches Gleichgewicht“?294

Fest stand dagegen ohne Zweifel in jeder Partei, dass das gesamtwirtschaftliche Ziel „hoher Beschäftigungsstand“295,

294 Die Ziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts werden mit Er-läuterung des Zusammenhangs zum „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ vom 8. Juni 1967 (also rund 2 Mo-nate nach diesem FDP-Aktionsprogramm) genannt im Anhang der jähr-lichen Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (in: „Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-wicklung“, § 2), veröffentlicht auch im Internet, z.B. im aktuellen Jahres-gutachten „Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken“ vom 12. November 2008 (>www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de<).295 Vgl. ebenda.

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das bei Ludwig Erhards höchster Arbeitslosenquote von 2,1% Anlass zu Konjunkturprogrammen gab, ab 1975 mit 4,7% sogar nach der Beveridge-Definition einer Schwelle zu Unterbeschäftigung von 3,5% (s.o.) ununterbrochen ver-letzt war. Von „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaft-lichen Gleichgewichts“ konnte also ab 1975 bei niemals vor-handenem Gleichgewicht folglich nie die Rede sein: Diese „Störung“ war ab 1975 permanent – und das ausgerechnet beim wichtigsten gesamtwirtschaftlichen Ziel aller Parteien. Die von der FDP befürchteten „volkswirtschaftlichen Kon-sequenzen“ waren die anhaltend hohe laufende Staatsver-schuldung und der entsprechend wachsende „Schulden-berg“ kumulierter Staatsverschuldung. Korrigiert wurde diese Tendenz danach nur in den “fetten Jahren“ nach der Lambsdorff-Wende von 1985 bis 1989: durch eine bei mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätzen sinkende Verschul-dungsquote und Staatsquote. Im Aufschwung von 2007/An-fang 2008 erwiesen sich ähnlich positive Wirtschaftszahlen nach dem Platzen vieler Blasen als zu kurzes Strohfeuer und zum Teil international gepumpt. Schon zuvor war nämlich meist übersehen worden, dass der „bei schwacher Binnen-konjunktur“ so wohltuend „konjunkturstabilisierende“ Au-ßenbeitrag des „Exportweltmeisters“ zu erheblichem Teil ebenfalls auf privatem und öffentlichem Pump vor allem in den USA beruhte.

Die Staatsverschuldung ist seitdem eine solche Belastung für den politischen Gestaltungsspielraum heute und erst

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recht für kommende Generationen geworden, dass sich ein grundsätzliches Verbot der staatlichen Netto-Neuverschul-dung politisch mit verfassungsändernder Mehrheit durch-setzen lässt. Noch 1996, als die FDP mit dieser Forderung ihres Entwurfs des neuen Grundsatzprogramms in die Öf-fentlichkeit ging, war ein prinzipielles Verschuldungsverbot fast ausnahmslos als unrealistisch und nicht zeitgemäß belä-chelt worden (s.o.) – ähnlich wie die präzisen Warnungen im FDP-Aktionsprogramm von 1967. An diesen Warnungen der FDP ist die Zeit der „Macher“ nach Anfangserfolgen296 vor-beimarschiert: mit Verletzung gleich aller hinreichend ope-rablen gesamtwirtschaftlichen Ziele: hohe Arbeitslosigkeit, Verlust der Geldwertstabilität, schwaches Wachstum – was immer ab den 70er Jahren mit dem „außenwirtschaftlichen Gleichgewicht“ geschehen sein mag.

Das eröffnet die Frage, ob die FDP auch dann aus der Re-gierung von Bundeskanzler Ludwig Erhard 1966 ausge-schieden wäre, wenn sie die erst im Aktionsprogramm 1967 erkannten Folgen der anschließenden Großen Koalition für die Verfassung Deutschlands früher hätte ahnen können: Seit der Großen Koalition nach Ludwig Erhard hat sich die Verfassung Deutschlands im wörtlichen und im übertra-genen Sinne auch als Folge der Grundgesetzänderungen verschlechtert: mit der Öffnung aller Hähne für wachsende Staatsverschuldung im geänderten Artikel 115 und mit der

296 Vgl. dazu Norbert Walter, Was würde Erhard heute tun?, a.a.O., S. 38ff. mit Tabelle 3.

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Deformation des deutschen Föderalismus zum „koopera-tiven Föderalismus“ organisierter politischer Unverantwort-lichkeit. Diese Verfassungsänderungen verdarben auch die „Verfassung“ der Deutschen im Sinne des Sea Shanties „Haul Away Joe“297: Mehr und mehr Millionen Menschen fielen in ein Leben ohne Arbeit, in Dauerarbeitslosigkeit ohne Perspektive. Schicksal zum Teil schon in der dritten Generation der Kinder wurden Bildungs- und Erziehungs-probleme mit ihrem Beitrag zu neuer Gewalt, Überlastung künftiger Generationen und wachsender Ferne zu einem Le-ben in Freiheit und Eigenverantwortung.

Krisen und KonjunkturenDie wirtschaftspolitischen Programme der FDP machen noch den fundamentalen Unterschied zwischen „struktu-rellen“ und „konjunkturellen“ Problemen, zunächst auch zwischen dem damit teilverwandten Fachbegriffen „Krisen“ und „Konjunkturen“. Das gehört zum Elementarwissen eines Wirtschaftsstudenten, nicht aber zum Sprachge-brauch der Großen Koalition bei nichts Geringerem als der Bewältigung der Weltwirtschaftskrise: Die Große Koalition reagiert auf das falsch verstandene Problem der Krise mit einem „Konjunkturpaket“. Nach einigem Überlegen – wie anfangs fast wörtlich Finanzminister Steinbrück –, ob die

297 Gemeint sind die doppeldeutigen Zeilen des Shanties zum Ende der französischen Verfassung mit der Revolution und der Enthauptung von Lud-wig XVI: „King Louis got his head cut off, which spoilt his constitution.“

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Amerikaner nicht besser den ganzen Mist selber aufräumen sollten, den sie da angerichtet hätten, folgt nicht etwa ein „Wachstumspaket“ oder „Stabilitätspaket“, sondern ein „Konjunkturpaket 2“. Der falsche Name auf dem Paket schließt natürlich nicht aus, dass im Paket auch Richtiges ist.

Die Deutschen haben bisher zwei große Krisen gemeistert: die Anpassungskrise nach dem Krieg und die Anpassungs-probleme der Vereinigung einer heruntergekommenen, im-merhin aber gerade nach sieben Jahren „Wende“ wieder aufgefrischten Marktwirtschaft der Bundesrepublik mit der auf den Hund gekommenen Planwirtschaft der DDR 1989. Neben dem gerade beschleunigten globalen Wandel und in-tensiveren Wettbewerb waren es ideologische Gründe, die weniger Chancen auf wettbewerbsfähige Arbeitsplätze in Ostdeutschland ließen als z.B. noch vor 1972: Die Vereini-gung begann rund 17 Jahre, nachdem auch noch fast alle Reste eines unternehmerischen Mittelstandes in der DDR einer Ideologie geopfert worden waren. Das wurde sogar von Chefideologen in der Sowjetunion kritisiert.

Wenn die Politik heute nicht die Fehler macht, die man von einem „Konjunkturpaket“ als Antwort auf eine Weltwirt-schaftskrise erwartet hätte, und wenn die Enteignungsbe-hörde im Finanzministerium darauf verzichtet, in ein „Kon-junkturpaket 3“ noch einige Enteignungen einzupacken, dann werden die Deutschen auch diese Krise schneller be-wältigen als dies noch im Mai 2009 befürchtet wurde. Ende Juni 2009 überraschten CDU-Politiker und vor allem Wolf-

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gang Franz als Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit Forderungen nach „Steuererhöhungen“. Dieses neue Risiko für eine schnelle Überwindung der Krise wurde herbeigere-det, obwohl die Steuerentlastungen der „Konjunkturpakete“ noch längst nicht Wachstum und Arbeitsplätze gesichert ha-ben. Die in allen Medien verbreitete Einschätzung: Einspa-rungen dürften zur Konsolidierung nicht ausreichen. „Dann aber sind Steuererhöhungen unausweichlich.“298

Zusammengefasst: Wenn also die Bundesregierung heute auf den Schock der Weltwirtschaftskrise ausgerechnet mit „Konjunkturpaketen“ reagiert, so als gehe es um ein Auf und Ab der Volkswirtschaft, dann hat das wohl weniger mit Keynesianismus zu tun. Es dürfte sich wahrscheinlich nur um einen harmloseren sprachlichen Fehlgriff handeln als bei der Selbsteinschätzung des Bundesfinanzministeriums als „Enteignungsbehörde“ – schon zu einer Zeit, als eine akti-enrechtliche Lösung ohne Enteignung durchaus möglich war und 2009 noch möglich ist.

298 Wolfgang Franz im ZDF-Morgenmagazin vom29. Juni 2009 (>www.zdf.de<). Die Sicherheit, mit der Steuererhöhungen als „unausweichlich“ behauptet werden, überrascht zumindest dann, wenn man sie vor dem Hintergrund der katastrophal falschen Wachstumsprognosen vor und zu Beginn der Weltwirtschaftskrise bewertet. Denn nichts spricht dafür, dass die Entwicklung der künftigen Wachstumsraten ein Jahr später besser pro-gnostiziert wird.

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Die Begriffsverwirrung bei der „Konjunktur“ 2009 unter-streicht eine Veränderung in den Schwerpunkten deutscher Wirtschaftspolitik in der in den Medien offenbarten fach-lichen Kompetenz seit den 60er Jahren: Nach der großen Zeit der Konjunkturpolitik von 1966 bis in die 70er Jahre spielte „Konjunkturpolitik“, die diesen Namen zu Recht trägt, auch in den wirtschaftspolitischen Programmen der FDP keine große Rolle. Denn es dominierte, was die großen Probleme der Zeit forderten: Politik zur Bewältigung der Kri-se Anfang der 80er Jahre mit der bis heute immer noch höchsten Arbeitslosenquote in den USA und fast allen In-dustrieländern, dann nach den „fetten Jahren“ der Lambs-dorff-Wende die Bewältigung der Deutschen Einheit und nun die Bewältigung der Weltwirtschaftskrise: keine The-men für „Konjunkturpolitik“, sondern Themen der Ord-nungspolitik.

9. Spezielle Sozialpolitik

Sozial darf sich eine Wirtschaftspolitik immer dann nennen, wenn und solange die soziale Zielsetzung oberstes Gebot bleibt und wenn ihre Ordnungselemente und Triebkräfte einen besseren Erfolg als andere Wirtschaftssysteme erwarten lassen.(Ludwig Erhard (1959))

Der Platz der speziellen Sozialpolitik, kurz und üblich „Sozial-politik“ genannt, ist auch in umfangreicheren Programmen wie Programmen der FDP zu Bundestagswahlen meist ein

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isolierter sozialpolitischer Teil. In konsequent ordnungspoli-tisch orientierten Programmen wie dem FDP-Grundsatzpro-gramm „Wiesbadener Grundsätze – Für die liberale Bürger-gesellschaft“ von 1997 oder den Wahlprogrammen 1998, 2005 und 2009 gibt es dagegen solche Trennungslinien nicht. „Sozial“ orientiert ist dann das ganze Programm: aus einem ordnungspolitischen Guss. Denn trennende Abgren-zungen gemäß wechselnder ministerialer Zuständigkeit und gemäß arbeitstechnisch brav folgendem Zuschnitt von Ar-beitskreisen der Bundestagsfraktionen können auch bei so-zialen Anliegen allenfalls per Zufall einigermaßen sachge-recht sein. Regelfall marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik ist in den Programmen der FDP soziale Politik durch Gestal-tung des Ordnungsrahmens vor allem für Arbeitsplätze und Wettbewerb als Entdeckungsverfahren für Innovation und Wachstum des Verteilbaren.

Die Unterscheidung zwischen „Sozialpolitik“ insgesamt und „spezieller Sozialpolitik“ im engeren Sinne ist in einer markt-wirtschaftlichen Ordnung besonders wichtig: Zum einen geht es in der Marktwirtschaft darum, dass der Ordnungs-rahmen mit seinen Spielregeln für die Menschen als Einzel-ne und in Organisationen so gestaltet wird, dass die Ord-nung selbst „sozial“ wirkt. Zum anderen geht es in der Marktwirtschaft darum, dass bereits der Wettbewerb in dem Sinne sozial wirkt, dass er zur Verteilung von Leistungs-gewinnen beiträgt – zur „Sozialisierung“ von Gewinnen „im besten Sinne“, wie es Ludwig Erhard und Hans Willgerodt formulierten.

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Diese sozialen Funktionen der Marktwirtschaft sind es, die z.B. F. A. von Hayek meinte, als er bezweifelte, welchen Sinn es denn habe, von „Sozialer Marktwirtschaft“ zu spre-chen, wo die Marktwirtschaft an sich doch schon „sozial“ sei. Andere Neoliberale wie vor allem Walter Eucken haben diese sozialen Wirkungen einer marktwirtschaftlichen Ord-nung herausgearbeitet, dabei aber erkannt, dass selbst die beste Ordnung nicht alle Probleme sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit lösen kann. Hier grenzt Walter Eucken wie die FDP die marktwirtschaftliche Ordnungspolitik als präventive Politik von der „Sozialpolitik“ ab, die bei Eucken zu den „re-gulierenden Prinzipien“ gehört „Durch die allgemeine Ord-nungspolitik muß versucht werden, die Entstehung sozialer Fragen zu verhindern. Entstehen sie doch, so ist zuerst zu prüfen, ob es sich nicht um Sekundärwirkungen irgendwel-cher auf ganz anderem Gebiet liegender Maßnahmen handelt.“299

Die politische Korrektur von Maßnahmen mit unerwünschten sozialen Folgen ist als Kausaltherapie Teil der Ordnungspo-litik. Wenn auch diese ordnungspolitische Korrektur nicht zum sozialen Ziel führt, seien selbst „bei der besten Ord-nungspolitik soziale Hilfsmaßnahmen nötig“, wie sie auch für Notker Wolf in einer Ordnung nötig sind, die in Menschen die Kraft zu einem Leben in Freiheit und Eigenverantwortung

299 Vgl. Grundsätze der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 312ff.

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erhält und stärkt.300 Die Marktwirtschaft bedarf dann nur weniger Elemente der „speziellen Sozialpolitik“301, um die soziale Ordnung zu erreichen, die den Wertvorstellungen ei-ner Gesellschaft freier, eigenverantwortlicher Bürger ent-spricht und die von den Bürgern erhalten wird.

Zu den ordnungspolitischen Korrekturen von Ordnungs-mängeln bei der Prävention gegen die Entstehung sozialer Probleme oder z.B. von Mängeln der Wettbewerbsverfas-sung gehört zunächst die Reform des Steuersystems: der Beitrag der Besteuerung zu einer Einkommens- und Vermö-gensverteilung, die nachhaltig eine Balance zwischen poli-tisch gewünschter Umverteilung und ausreichenden Anrei-zen dafür schafft, dass sich Leistung lohnt. Denn sonst werden die Güter und Einkommen nicht in dem Umfang ge-schaffen, dass sozialer Ausgleich auf hohem Niveau über-haupt erst möglich wird; sonst wirkt unsozial, was an Um-verteilung politisch gut gemeint war.302

300 Ebenda, S. 313.301 Vgl. ebenda, S. 318ff.302 Vgl. Hans Willgerodt, Soziale Politik: Gutgemeint und unsozial, Vor-trag der ersten Thomas Dehler Lecture im Bonner Thomas-Dehler-Haus 1992, a.a.O., S. 63; Otto Graf Lambsdorff, Der Verteilungsstaat und die fal-sche Sozialpolitik, in: Ders., Mut statt Mißmut, a.a.O., S. 11ff. Zu Otto Graf Lambsdorffs Wende von 1982/83 hat Wolfgang Stützel die Fehlentwick-lungen durch falsche Sozialpolitik in den 35 Jahren vor 1984 zusammen-gefasst und die konstruktive Antwort der FDP ab den Kieler Thesen 1977 auf die Jahre nach der Wende gegeben: Grundkonzeption einer Modernen Sozialen Marktwirtschaft, in: liberal, Heft 4/84, S. 93ff.

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Wenn innerhalb des Steuersystems gemäß steuerlicher Lei-stungsfähigkeit belastet werden soll, dann bedeutet das bei steuerfreiem Existenzminimum, dass ein integriertes Steu-er- und Transfersystem erforderlich ist: Einkommen unter-halb des steuerfreien Existenzminimums müssen bis zur Höhe des Existenzminimums durch eine „Negativsteuer“ aufgestockt werden. Sonst müsste dieser soziale Ausgleich außerhalb des Steuersystems geleistet werden, wo eine maß-volle Umverteilung gemäß dem Grundsatz steuerlicher Lei-stungsfähigkeit z. B. in den gesetzlichen Systemen sozialer Sicherung systematisch nicht gewährleistet ist. In seiner Funktion des sozialen Ausgleichs ist dies im Programm der FDP seit 1993 das „Bürgergeld“ als eine Grundsicherung.

Alle weitere soziale Politik besteht als „spezielle Sozialpolitik“ bzw. „regulierendes Prinzip“ insbesondere in den staatlichen Systemen sozialer Sicherung über steuerfinanzierte Systeme der Sozialhilfe und als gesetzliche „beitragsfinanzierte“303 Pflichtsysteme: die gesetzliche Rentenversicherung, die Pflicht zur Mindestsicherung für die Altersvorsorge über die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung hinaus, die ge-setzliche Krankenversicherung und die gesetzliche Pflegever-sicherung, ebenfalls mit Pflicht zu einer Mindestsicherung für privat Versicherte.

303 Rein beitragsfinanziert war selbst die kapitalgedeckte Alterssicherung seit Bismarck nicht, sondern ergänzt durch steuerfinanzierte Reichszu-schüsse. Heute wird die gesetzliche Rentenversicherung aber bereits zu etwa einem Drittel über Steuern finanziert.

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Ein wichtiger und zugleich heftig umstrittener Bereich der „speziellen Sozialpolitik“ auf dem Arbeitsmarkt ist die staat-liche Einkommenspolitik, wie sie heute wieder in Form von gesetzlichen Mindestlöhnen auch im Bundestagswahlpro-gramm von Bündnis 90/Die Grünen gefordert wird, präziser formuliert: Die Grünen fordern hier einen gesetzlichen Min-destlohnsatz von 7,50 Euro pro Stunde, also einen Mindest-preis für Arbeit und eben kein Mindesteinkommen, das viele Grüne der Basis in Konkurrenz zum Bürgergeld der FDP durch eine „bedingungslose Grundsicherung“ garantieren wollen.304

Die FDP lehnt in der ordnungspolitischen Tradition aller gei-stigen Väter der Marktwirtschaft seit ihrer Gründung gera-de solche Eingriffe in die Preisbildung auf dem wichtigsten Markt jeder Volkswirtschaft ab: Gesetzliche Mindestlöhne

304 In ihrem Programm zur Bundestagswahl 2009 hat sich die Führung der Grünen gegen Forderungen der Basis nach einer „bedingungslosen Grundsicherung“ mit einem Kompromiss durchgesetzt: „Die grüne Grund-sicherung“ ist nicht bedingungslos: „Die Zahlung einer sozialen Sicherung soll weiterhin an die Bereitschaft geknüpft werden, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. […] Die Frage nach der Gegenleistung darf nicht durch Zwang, sondern muss durch faire Spielregeln und positive Anreize gelöst werden. […] Wir wollen die Zumutbarkeitsregeln beim Arbeitslosengeld II entschärfen.“ Ähnliche Anforderungen der FDP für eine Gegenleistung zur solidarischen Hilfe der Steuerzahler rückten die Grünen in ihrem Wahlpro-gramm 1994 noch in die Nähe von Zwangsarbeit. Auch das mag die heute sehr vorsichtig formulierte Einforderung einer Gegenleistung erklären. Vgl. Die grüne Grundsicherung, Bundestagswahlprogramm 2009, >www.grue-ne.de<, Kapitel 3, S. 5f.

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sind überflüssig, weil es mit dem verfassungsrechtlich gesi-cherten soziokulturellen Existenzminimum bereits ein Min-desteinkommen gibt; auch das Bürgergeld der FDP sichert ein Mindesteinkommen. Außerdem bringt ein gesetzlicher Min-destlohnsatz nur dann ein ausreichendes Mindesteinkommen, wenn ein Arbeiter genügend viele Stunden beschäftigt ist. Bei Mindestlohnsätzen, die über dem Stundenlohn liegen, den Betriebe zu zahlen in der Lage sind, sichert der Min-destlohnsatz nicht das Mindesteinkommen, sondern bedeu-tet oft Kurzarbeit mit Aufstockung durch Sozialhilfe oder Ar-beitslosigkeit bei voller Sozialhilfe.

Diese Probleme stellten sich unmittelbar nach dem Krieg nicht. Daher wurde im ersten Programm der Demokra-tischen Partei in Süd- und Mittelbaden vom 26. Januar 1946 die soziale Funktion einer marktwirtschaftlichen Ordnung mit stabilem Geldwert hervorgehoben – wie beim „Primat der Währungspolitik“ unter den „konstituierenden Prinzipien der Wettbewerbsordnung“305:

„Die DEMOKRATISCHE PARTEI legt größten Wert auf die Schaffung einer gesunden, den Belangen der gesamten Wirtschaft dienenden Währung. Vollbe-trieb der Wirtschaft und Erhaltung der Kaufkraftbe-ständigkeit des Geldes sind unerlässliche Vorausset-zungen für die Bildung eines allgemeinen Wohlstandes, für die Lösung der sozialen Frage und

305 Grundsätze der Wirtschaftspolitik, a.a.O., S. 255ff.

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damit zur Erhaltung des Friedens in der Welt.“ (Her-vorhebung im Original).

Die konkret geforderte Ergänzung dieser Ordnungspolitik - in den Worten von Ludwig Erhard – für „Wohlstand für alle“ durch „spezielle Sozialpolitik“ beschränkt sich unmittelbar nach dem Krieg darauf, dass „den Kriegsversehrten, Kriegs-gefangenen und den wirklichen Opfern der vergangenen Diktatur größtmögliche Unterstützung des Staates und sozi-ale Hilfe zuteil wird. 306

Bereits in „Programmatische Richtlinien der FDP der Bri-tischen Zone“ vom 4. Februar 1946 beantwortet die FDP Wilhelm von Humboldts Frage nach Fällen von notwendiger „positiver“ Freiheit und Staatstätigkeit bei Gefährdung des Friedens auch für den Fall des sozialen Friedens im Geiste von Friedrich Schillers „Idee vom Menschen“.

„Zu den Rechten des freien Bürgers gehört nicht zu-letzt das Recht auf eine wirksame und folgerichtige Sozialpolitik, die bei gerechtem sozialen Ausgleich das Menschenrecht auf Arbeit und auf Schutz der Alten, Schwachen und Kranken sichert und insbe-sondere auch für die Kriegshinterbliebenen und Kriegsversehrten in würdiger und ausreichender Weise sorgt. Die Gewerkschaften sollen zu verant-wortlichen Organisationen des Staates ausgebaut

306 Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 70.

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werden, die den Schutz der Arbeit gewährleisten. Ziel solcher Sozialpolitik ist die Verhinderung materi-eller Not, die Erhaltung der Menschenwürde und der persönlichen Freiheit und die Sicherung des sozialen Friedens.“307

Das ist in der Programmatik der FDP die erste Zusammen-fassung neoliberaler Sozialpolitik, die bis heute das wirt-schafts- und sozialpolitische Programm der FDP bestimmt. Das klare Ja der FDP zu dem, was manche Liberale kritisch als „positive Freiheit“ beäugen, ist im Programm der FDP nie in Zweifel gezogen worden. In den Freiburger Thesen von 1971 wird dennoch so argumentiert, als habe es diesen sozialen Gehalt liberaler Programmatik vor den Freiburger Thesen nicht gegeben. Ähnlich wird heute von der Linken und den Grünen der soziale Gehalt liberaler Ordnungspolitik und spezieller Sozialpolitik bis heute in Abrede gestellt – ob-wohl die Grünen immer häufiger das Wort „Wirtschaftsord-nung“ oder „Ordnungspolitik“ verwenden.308

Dagegen wissen Sozialdemokraten wie Klaus von Dohnanyi um die soziale Leistung des Liberalismus, die nach dem Krieg von der FDP fortgeführt wurde. Die erneuten Tiraden von Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Programm zur Bun-

307 Ebenda.308 So z.B. auf der ersten Seite des wirtschaftspolitischen Programms der Grünen zur Bundestagswahl 2009: „Wir wollen eine soziale und öko-logische Wirtschaftsordnung.“ >www.gruene.de<, Kapitel 1 „Anders Wirt-schaften – Ein Grüner New Deal für neue Arbeit und Innovation“.

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destagswahl 2009 gegen den Neoliberalismus lassen dage-gen Zweifel auch an grüner Bildungspolitik aufkommen. Die aktuelle Krise wird zum „Ergebnis des Scheiterns der neoli-beralen Ideologie“ erklärt; die Grünen polemisieren gegen die „Klientelpartei FDP, die zum Auffangbecken all derer wird, die trotz Krise weiter dem Neoliberalismus huldigen wollen“. Unklar bleibt dabei, ob bei dieser Kritik der Grünen stets klar ist, wofür der deutsche „Neoliberalismus“ histo-risch und auch heute in der FDP steht. Da Gregor Gysi auch Bündnis 90/Die Grünen als neoliberale Fraktion einordnet, könnte es andererseits auch sein, dass die Grünen im Wett-bewerb mit der FDP ein solches „Auffangbecken“ sein möchten: wenig wahrscheinlich. 309

Im „Sozialprogramm 1952“ konkretisiert die FDP ihre sozi-alpolitischen Forderungen und ergänzt sie um die Bildungs-politik für „Freiheit der Person“: „Zur Sicherung der freien Entfaltung der Persönlichkeit und zur Schaffung von glei-chen Aufstiegsmöglichkeiten für alle darf der Erwerb von Bildung und Wissen nicht das Vorrecht materiellen Besitzes sein.“ Speziell fordert die FDP für soziale Chancen der Be-dürftigen: „Angemessene Lern- und Unterrichtsbeihilfen auf allen Stufen der allgemeinen und Berufsausbildung zur För-derung begabter Kinder bedürftiger Eltern.“310

309 Vgl. den Beschluss der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen vor der Präambel des Wahlprogramms (am 1. Mai 2009 vorläu-fig) „Aufruf zur Bundestagswahl“, >www.gruene.de<, S. 1f.310 Sozialprogramm 1952, beschlossen vom Bundeshauptausschuss am 5. Juli 1952 in Bonn, in: Peter Juling, Dokumente, a.a.O., S. 113, >www.fdp.de<.

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Vor dem Übergang zur umlagefinanzierten Rente 1957 for-dert die FDP „Schaffung echter Selbstverwaltung in der So-zialversicherung“ „in relativ kleinen Körperschaften, die den Gedanken der Gegenseitigkeitshilfe auf genossenschaft-licher Basis pflegen“. Für die „schutzbedürftigen Personen-gruppen“ müsse bei Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter usw.“ „die freie Wahl unter den nach der Reichsversicherungsord-nung (RVO) bestehenden und bewährten Versicherungsträ-gern zugestanden werden. Ebenso muß diesen Sozialversi-cherten das Recht der freien Wahl unter den Ärzten, Zahnärzten usw., denen sie ihr persönliches Vertrauen ent-gegenbringen, gesichert sein.“311

Entgegen der klaren Präferenz für Kapitaldeckung in der Al-terssicherung, die die FDP mit Ludwig Erhard, Wilhelm Röp-ke und Hans Willgerodt teilt, gehen vor der Umstellung auf die umlagefinanzierte Rente 1957 die Würzburger Entschlie-ßung 1956, das Berliner Programm 1957 und das Aktions-programm vom 5. Juni 1957 nicht auf die kontrovers disku-tierte Frage des künftigen Rentensystems ein – allenfalls

311 Vgl. Manifest über Gesundheit, Freiheit und soziale Sicherheit, be-schlossen auf dem außerordentlichen Bundesparteitag am 28. Juni 1953 in Lübeck, ebenda, S. 141. Zum Übergang von der Bismarckschen kapitalge-deckten Alterssicherung mit Reichszuschuss zur umlagefinanzierten Ren-tenversicherung mit Bundeszuschuss und den Folgen für künftige Genera-tionen, die entgegen Adenauers klassischem Satz doch nicht immer Kinder kriegen, vgl. Wolfram Engels, Der Kapitalismus und seine Krisen, a.a.O., S. 15ff.

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sehr vage im Berliner Programm zur „Vorsorge gegen Krankheit und Sicherung des Lebensabends.“ Im Grund-satzprogramm, dem Berliner Programm vom 26. Januar 1957, wird zunächst die Grundidee liberaler Sozialpolitik auch bei der Staatstätigkeit für „positive Freiheit“ sehr kon-kret wiederholt:

„Die Freie Demokratische Partei erstrebt auf allen Lebensgebieten die Sicherung der Freiheit des Men-schen zu verantwortlichem Handeln. […] Freiheit der Persönlichkeit und Wahrung der Menschenwürde sind die Grundsätze, nach denen das Zusammenle-ben der Menschen gestaltet werden muß. Freiheit bedeutet für uns, frei zu sein von Zwang, Not und Furcht, bedeutet das Recht zur ungehinderten Entfal-tung der Persönlichkeit und zur verantwortungs-vollen, auf eigenem Urteil beruhenden Bestimmung unseres Schicksals. Wahre Freiheit kann nie Schran-kenlosigkeit sein. Sie findet ihre Grenze in der Frei-heit des Nächsten, der selbstverständlichen Ver-pflichtung gegenüber der Gemeinschaft und in der Bindung an die Sittengesetze.“312

Im Bereich spezieller Sozialpolitik fordert die FDP für „Vorsorge gegen Krankheit und Sicherung des Le-bensabends“:

312 Berliner Programm, a.a.O., S. 145f.

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- Die Sozialversicherungsreform solle „eine stärkere Selbst-verwaltung der Sozialversicherungsträger“ möglich ma-chen, wie dies die FDP bereits im System sozialer Siche-rung zuvor gefordert hat.

- „Vereinfachung des gesamten deutschen Sozialrechts und seine Zusammenfassung in einem einzigen Sozialgesetz-buch, das für jeden Menschen verständlich ist und zur Ent-wirrung unseres undurchdringlichen Rentendschungels beiträgt“.

- Die Renten- und Krankenversicherung soll als Pflichtversi-cherung „all diejenigen erfassen, die nicht aus eigener Kraft Vorsorge für Alter, Krankheit und vorzeitige Arbeits-unfähigkeit treffen können.“

- „Förderung der privaten und freiwilligen Altersvorsorge. Das gleiche gilt für eine zur Rentenversicherung zusätz-liche Altersversicherung. Durch Beseitigung der durch die Währungsumstellung entstandenen Härten ist das Vertrau-en in die private Vorsorge und Sparkapitalbildung wiederherzustellen.“313

Mit dieser Forderung des Berliner Programms 1957 geht die FDP indirekt auf die Frage der Kapitaldeckung des bishe-rigen Rentensystems nach der Kapitalvernichtung durch Krieg und Währungsumstellung ein. Im Reichstag hatten

313 Vgl. ebenda, S. 149.

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sich Eugen Richter und Ludwig Bamberger noch klar für „Capitaldeckung“ in der Alterssicherung ausgesprochen. Seit 1957 setzt die FDP auf den Aufbau von Elementen der Kapitaldeckung zur Ergänzung der umlagefinanzierten Ren-te, wie dies später vor allem im Wahlprogramm 1994 her-vorgehoben wird und in die Forderung des Wahlprogramms 1998 eingeht.

Bei der Grundentscheidung für Kapitaldeckung oder Umla-geverfahren in der gesetzlichen Pflegeversicherung hat die FDP ihre klare Position zugunsten einer kapitalgedeckten Pflegeversicherung gegen Helmut Kohls Drohung mit dem Ende der Koalition nicht durchgesetzt und fordert ähnlich wie bei der Altersvorsorge die „ergänzende Eigenvorsorge in Form von Kapitaldeckung“. 314

Die F.D.P. fordert unter „Generationengerechte und verläss-liche Alterssicherung“ „den schrittweisen Übergang zu ei-ner Mischform aus umlagefinanzierter und kapitalgedeckter Alterssicherung. Damit soll zukünftig durch die gesetzliche Rentenversicherung eine beitragsfinanzierte Altersgrundsi-cherung finanziert werden, die durch eine kapitalgedeckte Altersvorsorge ergänzt wird. So werde für fast alle Bürger eine individuelle Entscheidung über den Umfang der Siche-rung des Lebensstandards im Alter möglich.“315

314 Vgl. Es ist Ihre Wahl. Das Wahlprogramm der Liberalen zur Bundes-tagswahl 1998, >www.fdp.de<, S. 42.315 Ebenda, S. 37f. Zur Geschichte der deutschen Alterssicherung und zur Rentenpolitik der FDP vgl. Wolfram Engels, die Krisen des Kapitalis-

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Die grundsätzliche Entscheidung der FDP für eine „Pflicht zur Mindestversicherung“ in der Alters- und Krankenversi-cherung statt „Pflichtversicherung“ bzw. wertend „Zwangs-versicherung“ in der Krankenversicherung und Altersvor-sorge war im Vorstand der FDP bereits gefallen, als die FDP im Wahlprogramm 2002 bei der „Riester-Rente“ der rot-grü-nen Regierung von 2001 den Ansatz unterstützte: Mit 4% des Bruttolohnes sollte durch „Pflicht zur Versicherung“ die kapitalgedeckte Altersvorsorge ausgebaut werden.316

Eine „Pflicht zur Versicherung“ bei der Krankenversiche-rung für alle Bürger hat die FDP auf dem 55. Ord. Bundes-parteitag vom 5. und 6. Juni 2004 in Dresden beschlossen. Dieser Beschluss ist für die FDP und in der inhaltlichen Sub-stanz eine echte Bürgerversicherung. Die Alternative der Grünen einer „Grünen Bürgerversicherung“ bezeichnete die FDP im politischen Kampf um die Oberhoheit bei strate-gischen Begriffen als „Etikettenschwindel“ und als Weg in die „Einheitszwangsversicherung“. Mit der Pflicht zur Min-destsicherung für alle Bürger, die auch für sozial Schwache durch ein steuerfinanziertes Versicherungsgeld und später

mus, a.a.O., S. 21ff.; Gisela Babel, Die Gesundbeter, Rentendebatten in Deutschland. Mit einem Vorwort von Otto Graf Lambsdorff, hrsg. Vom Li-beralen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung in der Reihe „Argumente der Freiheit“, Band 7, 2. Auflage, Sankt Augustin 2003. >www.freiheit.org<.316 Bürgerprogramm 2002, Programm der FDP zur Bundestagswahl 2002, beschlossen auf dem 53. Ord. Bundesparteitag vom 10. bis 12. Mai 2002 in Mannheim, >www.fdp.de<, S. 13f.

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über das Bürgergeldsystem der FDP bezahlbar sein muss, will die FDP die Vielklassengesellschaft des heutigen Ge-sundheitssystems überwinden.

Kernelemente der FDP-Bürgerversicherung sind „Eine Pflicht zur Versicherung für medizinisch notwendige Leistungen“ mit Altersrückstellungen und „Freie Wahl des Versicherungsschutzes für alle Bürger“, dagegen „Kontra-hierungszwang für jedes Versicherungsunternehmen“, „Wahlfreiheit und Wettbewerb“, in der inhaltlichen Substanz also eine echte Bürgerversicherung, die durch steuerfinan-zierte Transfers für alle Bürger bezahlbar sein muss.“317 Das sieht die politische Konkurrenz der Grünen völlig anders: zwar nicht unmittelbar im Programm zur Bundestagswahl 2009, dafür aber im Wahlaufruf zur Bundestagswahl 2009: Die FDP wolle „mit der Privatisierung des Gesundheitssy-stems die Zwei-Klassen-Medizin besiegeln“.318 Nach sechs Jahren Kontroverse über den rechten Weg zur Reform des Gesundheitssystems erwarten Patienten und Ärzte späte-

317 Private Krankenversicherung mit sozialer Absicherung für alle – die auf Wettbewerb begründete liberale Alternative, >www.fdp.de<. Vgl. dazu Horst Werner, Wahlfreiheit und Wettbewerb im Gesundheitswesen, Positi-onspapier der Friedrich-Naumann-Stiftung, Sankt Augustin 2003; die Aktu-alisierung unter gleichem Titel in „Stichwort liberal“ des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Potsdam 2006, >www.libinst.de<.318 Bündnis 90/Die Grünen, Aufruf zur Bundestagswahl: Ökologische und solidarische Wege aus der Krise – mit starken Gründen für einen gesell-schaftlichen Aufbruch!, Beschluss (vorläufig am 10. Mai 2009) der 30. Or-dentlichen Bundesdelegiertenkonferenz vom 9. Mai 2009 in Berlin, S. 2.

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stens in der nächsten Legislaturperiode klare politische Ent-scheidungen zur Reform der Krankenversicherung.

10. Dauerhaftigkeit wirtschaftspolitischer Grundsätze und Wandel: Interdependenzen

Politik für eine lernende Gesellschaft setzt voraus, was auch die Föderalismus-Reform endlich beflügeln würde: Politiker müssen den Mut aufbringen, die Freiheit zum Leitmotiv ihres Handelns zu machen. Die Politik muss gerade junge Menschen wieder für Freiheit begeistern können.(Otto Graf Lambsdorff (2005))319

In der Gründungsphase wird das Programm der FDP in einem so hohen Maße von Auseinandersetzungen um Idee und Tradition des Liberalismus geprägt, wie das wohl nur beim völligen Neubeginn einer Partei möglich ist. Umso überraschender ist es, wieso diese intensive Diskussion um die Werte und Grundsätze des Liberalismus im Vorlauf zu den Freiburger Thesen verdrängt werden konnte. Leitbild bleibt für die FDP die liberale Idee vom Menschen, und die FDP setzt darum auf die soziale Kraft der Freiheit als Aus-gangspunkt aller wirtschaftspolitischen Grundsätze der FDP. Nach 1945 waren es die Anliegen der Menschen nach

319 Otto Graf Lambsdorff, Der Freiheit verpflichtet, Band 1, Reden und Aufsätze 1995 – 2006, hrsg. von Jürgen Morlok, Stuttgart 2006, S. 136.

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dem „zweiten Dreißigjährigen Krieg“320, auf die die FDP ihre wirtschaftspolitischen Grundsätze anzuwenden hatte.

Mit den Problemen haben sich danach die konkreten wirt-schaftspolitischen Programme geändert. Unverändert geht es aber immer darum, den Bürgern die Freiheit einzuräumen und von ihnen die Verantwortung einzufordern, damit die Probleme von den Bürgern selbst gelöst werden können. Denn es ist eine so häufige wie irreführende Vorstellung, „die Politik“ löse Probleme. Die Politik kann jedoch die Rah-menordnung mit ihren Spielregeln so gestalten, dass es die Bürger leichter oder schwerer haben, ihre Freiheit verant-wortlich bei der Bewältigung von Problemen einzusetzen. Das alles gehört zu der „lernenden Gesellschaft“, die Otto Graf Lambsdorff im Kopf-Zitat der Politik als Aufgabe stellt.

Frieden, Freiheit und Sicherheit gehören immer zu den An-liegen der Menschen, die Art der Bedrohung dieser Anlie-gen ändert sich aber. Vorrangiges Problem für Freiheit und Sicherheit ist im Westen seit rund 40 Jahren die zunehmend verfestigte Arbeitslosigkeit. In Ostdeutschland war dagegen die Arbeitslosigkeit so gut versteckt wie der Verlust der Freiheit offenbar war. Versteckte Arbeitslosigkeit bedeutete in der DDR zwar geringeren Wohlstand, aber auch das gute Gefühl der Bürger, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben.

320 So fasst Ralf Dahrendorf ähnlich wie de Gaulle 1941 die Zeit vom Vor-lauf des 1. Weltkrieges bis zum Ende des 2. Weltkrieges zusammen. Vgl. The Modern Social Conflict. An Essay on the Politics of Liberty, London 1988, S. 16, 30, 73ff., 92ff., 116 und 196.

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Nach der deutschen Einheit führten die großen Anpassungs-probleme der Umstellung einer Planwirtschaft im planlosen Sturzflug auf verschärften globalen Wettbewerb und ra-santen technologischen Wandel zu hoher Arbeitslosigkeit, die mit der sozialen Sicherheit auch Freiheit zu einem selbst-bestimmten Leben nahm.

Weil anders als nach dem Zweiten Weltkrieg die Deutschen in Ost und West nach der deutschen Einheit noch viel zu verlieren hatten, waren die Probleme für die Bürger eher schwieriger zu lösen als in der Zeit, in der es nur aufwärts gehen konnte – trotz durchschnittlich gestiegenem Wohl-stand. Zur Sorge um die soziale Sicherheit in Ost und West kamen globale Gefährdungen der Sicherheit durch Armut und unberechenbare, über die modernen Medien allgegen-wärtige Gewalt. Diese Erfahrungen scheinen vielen Bürgern die alte These zu bestätigen, dass Freiheit und Sicherheit doch nicht miteinander vereinbar seien.

Die vermeintliche Unvereinbarkeit von Freiheit und Sicher-heit macht es vielen Bürgern nicht leichter, ihre Probleme selbst zu lösen. Politiker geraten dann zunehmend in Versu-chung, das richtige Verlangen der Bürger nach Sicherheit mit Einschränkungen der Freiheit zu beantworten. Auf wirt-schaftspolitischem Gebiet ist die Sicherheit des Arbeits-platzes das naheliegende Anliegen, das jeden Bürger in Ost und West bewegt. Das wirtschaftspolitische Programm der FDP gibt keine bequeme Antwort auf das verbreitete Anlie-gen, jeden Arbeitsplatz zu sichern. Denn das ist unmöglich.

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An für ihre Argumentation geeigneter Stelle gestehen das auch alle Politiker in den Medien ein: vor allem seitdem Wirt-schaftsminister zu Guttenberg und die FDP mit mehr Ehr-lichkeit in der Politik für Arbeitsplätze zumindest in den Um-fragen erfolgreich erscheinen, beide sogar bei der Europa-Wahl und der Bundestagswahl.

Darum sollte es im Interesse von Langfristorientierung für Po-litiker auch leicht sein, z.B. einzugestehen, dass es nicht da-rum geht, z.B. „die Arbeitsplätze von Opel zu sichern“. Es muss vielmehr darum gehen, dass jeder Bürger eine Chance auf einen Arbeitsplatz hat, der seinen Fähigkeiten gerecht wird. Der Wechsel von einem in den anderen Arbeitsplatz muss schnell möglich sein. Solange der neue Arbeitsplatz nicht da ist, müssen die Systeme sozialer Sicherheit gewähr-leisten, dass die Einbindung in die Arbeitswelt erst gar nicht verloren geht. Das ist in Deutschland schon lange nicht mehr gelungen, auch wenn es in der zweiten Hälfte der 80er Jahre beachtliche Arbeitsplatz-Erfolge gab. Seitdem beschränkten sich die Arbeitsplatz-Erfolge auf etwas mehr als ein Jahr bis Mitte 2008. Diese schwache Erfolgsbilanz kennt jeder Politi-ker, und dennoch wird ohne Rücksicht auf die Arbeitsplätze insgesamt versprochen, die Politik werde die Arbeitsplätze in Großunternehmen retten.321

321 Seit den Umfrage-Erfolgen von Wirtschaftsminister zu Guttenberg und der FDP, die solche Versprechen klar ablehnen, mehrten sich Klarstellun-gen anderer Politiker wie vor allem von Kanzlerkandidat Frank Steinmeier. Steinmeier wollte sein Versprechen nur auf das Versprechen seiner An-strengungen für Arbeitsplätze bei Opel und Karstadt verstanden wissen.

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Wandel in wirtschaftspolitischen Programmen ist gut, wenn das Programm gewandelten Problemen der Bürger in der „lernenden Gesellschaft“ folgt. Im politischen Wettbewerb ist die Profilierung gegenüber den konkurrierenden Parteien zwar selbstverständlich und dient der „Willensbildung der Bürger“, darf aber nicht zur Hauptsache werden. Nach 1945 war in den Programmen der explizite Blick auf die politische Konkurrenz so nachrangig wie nie wieder danach. Die FDP hat ausdrücklich nur Gegensätze zu allen anderen Parteien herausgestellt, wo es um die Idee der Freiheit und um den dazu passenden Werkzeugkasten „Marktwirtschaft“ ging, besonders bei den Patentwerkzeugen „Eigentumsordnung“, „stabile D-Mark“ und „Wettbewerbsordnung“, eingepackt in „Nachhaltigkeit der Wirtschaftspolitik“.

Auf diesem Gebiet der Ordnungspolitik war die FDP für die Bürger so erfolgreich, dass sich die großen Parteien CDU/CSU und SPD in Richtung auf das wirtschaftspolitische Pro-gramm der FDP bewegten. Wichtigsten Anteil daran hatte Ludwig Erhard, der nie verleugnete, wie sein Vater Liberaler zu sein und der daher auch nie in die CDU eintrat.

Das aber war nie die Frage. Denn Einsatz für mehr Arbeitsplätze ist selbst-verständliche Aufgabe für jeden Politiker. Und diesen Einsatz sprechen fast alle Bürger trotz verbreiteter Unzufriedenheit den Politikern auch gar nicht ab; sie haben nur Zweifel am rechten und ehrlichen Weg heraus aus der Krise.

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Ludwig Erhards so wichtiger Anteil daran, dass sich in den großen Volksparteien eine Mehrheit für die Marktwirtschaft durchsetzen konnte, wurde wiederum dadurch entschei-dend gefördert, dass er als Liberaler die „Wahlkampf-Loko-motive“ der Union war – zur geteilten Freude des damals weniger populären Konrad Adenauer. Konrad Adenauer war dennoch gegenüber Ludwig Erhards wirtschaftspolitischen Grundsätzen fast so skeptisch, wie er Erhards Eignung zum Kanzler aus schillernden Gründen bezweifelte. Darum wur-de für die Durchsetzung der Marktwirtschaft in der Union Konrad Adenauers Vertrauen in Wilhelm Röpke so wichtig: Für Bundeskanzler Adenauer zählten vor allen wirtschafts-politischen Details Röpkes Charakterfestigkeit und aus-nahmslose Konsequenz im Kampf gegen die Nationalsozia-listen.

Ihre klare ordnungspolitische Profilierung für die Marktwirt-schaft hat die FDP in ihren wirtschaftspolitischen Program-men beibehalten. Neue politische Konstellationen bei Regie-rungsbeteiligung in unterschiedlichen Koalitionen oder in der Opposition haben aber zumindest auch den Ton bestimmt, der die Musik der wirtschaftspolitischen Programme be-stimmte. Das führt heute zu dem naheliegenden Vorwurf an die Adresse der FDP, aus der Oppositionsrolle lasse sich mit breiter Brust in der Wirtschaftspolitik auch das einfor-dern, was man in der Regierungsverantwortung bei mehr Mut gegenüber dem großen Koalitionspartner vielleicht doch hätte durchsetzen können.

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Das kann so sein und ist wahrscheinlich manchmal so. Aber für ein eigenständiges Urteil bei der Bewertung von Diskre-panzen zwischen wirtschaftspolitischem Programm und po-litischer Praxis sind auch bei der FDP Interdependenzen be-sonderer Art zu beachten. Im negativen Grenzfalle führen solche Interdependenzen zu dem, was z.B. als „Kuhhandel“ geläufig ist: verstanden offenbar als minder schwere poli-tische Sünde im Vergleich z.B. zu „Rosstäuscherei“. In der Regierungsverantwortung und im politischen Kampf um Re-gierungsbeteiligung kann Interdependenz aller Politikbe-reiche zum allgemeinen Guten führen, wie Interdependenzen zum speziellen Handicap für wirtschaftspolitische Pro-gramme der FDP ausschlagen können.

Gut an der Interdependenz der Ordnungen, die sich auch in den wirtschaftspolitischen Programmen der FDP nieder-schlägt, ist die nach 1945 durchgängige Erfahrung, dass Ideen und übergeordnete Werte die Welt mehr regieren als „die Wirtschaft“ oder „das Geld“, wie das gar sprichwört-lich behauptet wird. Das unterstreichen die beiden großen „Wenden“ der FDP von 1969 und 1982; die Kieler Thesen von 1977 waren dagegen eher die wichtigste Einleitung der Wende von 1982:

- 1969 war es die von Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher angestrebte Deutschland- und Ostpolitik, für die es eine Mehrheit nur mit der SPD gab. Gesamtrahmen die-ser neuen Außenpolitik war die Friedensordnung, die alle

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Liberalen anstrebten, nicht aber alle auf dem Wege einer neuen Deutschland- und Ostpolitik.

- 1982 waren es erneut Probleme der Friedensordnung im Kalten Krieg im Gefolge der Farewell-Enthüllungen322 bis hin zur Stationierung von SS 20-Raketen und zur Antwort des Westens auf diese neue Bedrohung mit der Stationie-rung von Pershing II-Raketen und Cruise Missiles. Später folgte Ronald Reagans Raketenabwehr-System, das die sowjetische Rüstungstechnologie und ökonomische Kapa-zität restlos überforderte.323 Otto Graf Lambsdorff und Hans-Dietrich Genscher wussten, bevor es auf dem Köl-ner Bundesparteitag der SPD für alle offenbar wurde, dass

322 „Farewell“ wurde der Doppelagent Wladimir Wetrow genannt. Er deckte für den Westen auf, wie marode und abhängig von westlichem Know How auch die sowjetische Rüstung und Bewaffnung war. Das hatte schon 1982/83 für das Ende der sozialliberalen Koalition in der Auseinanderset-zung um die Nachrüstung politische Bedeutung. Am wichtigsten war der Hintergrund der Farewell-Informationen für den Zusammenbruch des Kom-munismus in Europa und als Hintergrund der wissenden und wegweisenden Forderung von Ronald Reagan „Tear Down This Wall“ am 12. Juni 1987 vor dem Brandenburger Tor. 323 Hans-Dietrich Genscher fasste in einem ZDF-Interview die Lage 1982 zusammen, ohne dass damals jemand ahnte, wie sich mit seiner Außen-politik und dem sich abzeichnenden wirtschaftlichen Zusammenbruch der Sowjetunion eine Chance für die deutsche Einheit auftun sollte, ungeahnt sogar bei Ronald Reagans Forderung „Tear down this wall!“ Genscher: „Entscheidend war für die sowjetische Führung die Fähigkeit des Westens, Pershing II und Cruise Missiles zu stationieren. Das zeigte, dass der We-sten immer in der Lage sein würde, politisch die Kraft haben würde, auf so-wjetische Herausforderungen zu antworten, und das führte zu einer Verän-derung der sowjetischen Politik.“ (s.o., Arte und ZDF vom 14. März 2009).

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Kanzler Helmut Schmidt 1982 in der SPD mit seinem Ja zur „Nachrüstung“ des Westens fast völlig isoliert war.

Was Bundeskanzler Schmidt und die FDP zur Sicherung des Friedens wollten, war für die FDP mit dem Koalitionspartner SPD nicht durchsetzbar, wohl aber mit der Union – und in Übereinklang mit allen Partnern in den Europäischen Gemein-schaften und der NATO. In der alltäglichen Wirtschaftspolitik gab es zwischen Helmut Schmidt und Otto Graf Lambsdorff ohnehin keinen zu großen Dissens, auch keine unüberbrück-baren Gegensätze zur Mehrheit in der SPD-Führung. Die üb-liche sozialistische Rhetorik der Jungsozialisten gegen die Marktwirtschaft schon vor Partnerschaften mit ATTAC lang-weilte eher, als dass linke Rhetorik eine Koalitionskrise hätte auslösen können. Es gab jedoch erhebliche Zweifel in der FDP und bei Ordnungspolitikern außerhalb der FDP, ob mit der SPD – aber auch mit der Union – die notwendig anstehen-den grundlegenden Reformen der deutschen Wirtschafts- und Sozialordnung umgesetzt werden könnten.

Für die konkrete Wirtschaftspolitik der FDP hatte die 1969 außenpolitisch begründete Hinwendung zur SPD keine Be-deutung. Das lässt sich jedoch zum Programm selbst bei noch so viel Nachsicht und Loyalität vom wirtschaftspolitischen Teil der Freiburger Thesen nicht im gleichen Maße sagen. Es schmälert auch nicht die große gesellschaftspolitische Be-deutung des Aufbruchs durch die Freiburger Thesen von 1971, dass die nur knapp gescheiterte rein paritätische Mit-bestimmung, die Pflichtabgabe für Mitarbeiterbeteiligungen

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und die ebenfalls angestrebte Verschärfung bei der Erb-schaft- und Schenkungsteuer im Gegensatz zu allen Pro-grammen der FDP vor und nach den Freiburger Thesen standen, in der Konsequenz für die Umverteilung sogar im direkten Gegensatz zum Wahlprogramm 1969, mit dem die FDP in eine Koalition mit der SPD ging.324

Bei der Wende vom September 1982 war trotz der Gemein-samkeit mit der Wende von 1969 im übergeordneten Ziel der Friedenspolitik ansonsten fast alles anders:

- Der große Koalitionspartner passte sich programmatisch an das wirtschaftspolitische Programm des Wende-Pa-piers von Otto Graf Lambsdorff an, das Auslöser für den Koalitionswechsel wurde. Hilfreich waren dabei die Öko-nomen des Kronberger Kreises mit ihren Studien zur Wen-de nach 1982. Außer Wolfgang Stützel (FDP) und Armin Gutowski standen alle der Union nahe und ließen schon mit den Titeln der ersten Studien „Mehr Mut zum Markt“ und „Die Wende“ keinen Zweifel am Kurs der marktwirt-

324 Darstellungen der FDP-Programmatik aus der Zeit der sozialliberalen Koalition wie z.B. durch Heino Kaack gehen auf diese Fragen der Eigen-tumsordnung nicht ein - aus nachvollziehbaren, damit aber noch nicht gu-ten Gründen. Bekannt ist Walter Scheels Zusammenfassung „Die Verän-derung der Außenpolitik war die Voraussetzung für die Freiburger Thesen zur Gesellschaftspolitik.“ Auch in den Programm-Einführungen dieser Zeit wird das entscheidende und tatsächlich nachhaltig wirkende politische Mo-tiv der FDP hervorgehoben - der Neubeginn in der Friedenspolitik - wie auch bei Kaack: „Die entscheidendste Veränderung vollzog die F.D.P. in der Deutschlandpolitik.“

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schaftlichen Erneuerung. Für eine Annäherung der FDP in umgekehrter Richtung an die Union gibt es im wirtschafts-politischen Programm der FDP keinerlei Hinweis. Der Un-terschied zu 1969 lag bei den Reformen im sozialen Be-reich: Während die Ziele der Friedenspolitik nach 1969 und nach 1982 weitgehend erreicht wurden, gelang es nur zu einem geringen Teil, die im Wende-Papier von der FDP ge-forderten grundlegenden Reformen des deutschen Sozial-systems politisch umzusetzen. Mehr Reformen wussten Unionspolitiker um Norbert Blüm bis zur Abwahl der christ-lich-liberalen Koalition 1998 zu verhindern.

Dennoch waren die auf 1982 folgenden sieben Jahre bis zur deutschen Einheit wirtschaftlich ähnlich erfolgreich wie die sieben besten zusammenhängenden Jahre zu Ludwig Er-hards Zeiten. Von der übergeordnet angestrebten „geistig-moralischen Wende“ war immerhin die Befreiung der Köpfe für neues Vertrauen in die Wirtschaftspolitik und damit auch für eine optimistische Grundhaltung zwar gelungen. In Hans-Jürgen Beerfeltz’ „Kulturkampf“ für eine marktwirtschaft-liche Ordnung der Freiheit steht die FDP nach dem Hoch der Deutschen Einheit und dem Wiedervereinigungsboom noch 2009. Denn auf dieses Hoch folgten Enttäuschungen. Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit nach den Arbeitsplatz-Erfol-gen der Lambsdorff-Wende wurde der Marktwirtschaft an-gelastet, nicht etwa der Politik des Reformstaus ab 1993 unmittelbar nach dem Vereinigungsboom. Also bleibt der Einsatz für die marktwirtschaftliche Daueraufgabe wie jede Aufklärung; Erfolg hat schon, wer unbeirrt weitermacht.

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Auch die deutlich unterschiedliche Bewertung der beiden Koalitionswechsel in Kategorien politischer Moral scheint für den Nachrang der Wirtschaftspolitik zu sprechen, sogar im Verhältnis zur Koalitionsfrage: Keine hörbare moralische Entrüstung folgte nach der Wahl von 1969 dem Vergleich zwischen den Eingriffen in die privaten Eigentumsrechte im Wirtschaftsteil der Freiburger Thesen auf der einen Seite und auf der anderen Seite der klaren Festlegung gegenüber den Wählern in der Nürnberger Wahlplattform 1969 (s.o.): „Jegliche Maßnahme, die das Ziel hat, private Vermögen umzuverteilen, wird entschieden abgelehnt. Dagegen wird die weitere Privatisierung wirtschaftlicher Vermögen der öf-fentlichen Hand gefordert.“325.

In diesem letzten Vergleich der beiden Kurswechsel 1969 und 1982 taucht die Kategorie „Moral“ gleich doppelt auf, so dass Kritiker auch von „Doppelmoral“ sprachen: Mora-lische Entrüstung löst nur der Koalitionswechsel 1982 vor Ende der Legislaturperiode aus. Unter den Führungspersön-lichkeiten der FDP, die nach der Wende von 1982 nicht aus der FDP austraten, fand Hildegard Hamm-Brücher deutliche Worte: Am Koalitionswechsel entgegen der Wahlaussage zugunsten der SPD hafte das Odium der Verletzung des Ver-fassungsanstands, der Koalitionswechsel verstoße gegen die Moral.326

325 Günter Verheugen (Hrsg.), Das Programm der Liberalen (1979), a.a.O., S. 23.326 Vgl. Fritz Stern, Five Germanys I have known, New York 2006, S. 412. Fritz Stern bewertet die Liberalen, die anderer Meinung waren, indirekt

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IV. Wirtschaftspolitisches Programm und politische Praxis

Wenn nämlich je eine Theorie die Zeichen der Zeit richtig zu deuten wusste und einer ihren Erkenntnissen gemäßen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik neue Impulse gab, dann waren es die Männer, die heute als Neo- oder Ordoliberale gelten. Sie haben der Wirtschaftspolitik immer mehr gesellschaftspolitische Akzente verliehen“.(Ludwig Erhard (1961))

Die Weltwirtschaftskrise erlaubt 2009 den Bürgern in Deutschland einen so klaren Vergleich zwischen Program-men der Parteien und politischer Praxis, wie dies nur selten in der Geschichte politischer Parteien möglich war. Denn dieses Jahr 2009 war ein Super-Wahljahr mit Kommunal-wahlen, Landtagswahlen, Bundestagswahl und Europawahl. Insofern können nicht einmal die Wahlen im Deutschen Reich in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre mithalten. Vor allem im Zusammenhang mit der Gefahr für Arbeitsplät-ze bei Opel und seinen Zulieferern ist mit dem faktischen

durch das Lob, das er hier unmittelbar mit dem Namen verbindet: “Hilde-gard Hamm-Brücher, a true liberal, [...]“ Allerdings scheint damit nur klar, was Fritz Stern meint, denn er kennt zwar fünf Deutschlands, versteht aber als Amerikaner unter „true liberal“ wohl nicht unbedingt dasselbe, was in Deutschland mit „wahren Liberalen“ gemeint ist. Fritz Stern passt die ganze Wende von 1982 nicht, und er verhehlt seine Sympathien ebenso wenig wie manche Wende-Kritiker in Deutschland: „my basic sympathy was with the Social Democrats, for historic reasons and because of my belief in progres-sive liberalism.“ (ebenda, S. 413).

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Ende der Großen Koalition ein Wettstreit um den wirkungs-vollsten Populismus ausgebrochen.

Es scheint im Wahljahr 2009 um den Titel „Deutschland zu-erst!“ zu gehen. Seitdem rotiert eine kunterbunte Mischung von Vernunftbegabten aus allen Parteien gegen den neuen Geist von Protektion in ihren Gräbern: Kurt Tucholsky ne-ben David Hume, Bertrand Russell neben John Stuart Mill, Rabindranath Tagore neben Wilhelm Röpke, Popper neben von Mises, Hayek mit Myrdal neben Cobden, Friedrich Schiller neben Ludwig Erhard, Goethe neben Bernard Shaw, Adam Smith neben Albert Schweitzer oder Walter Eucken neben Frédéric Bastiat, Lord Snowden und Shaftesbury.

Es werden vor allem ausgerechnet die Grundsatzprogramme und übergeordneten Werte von Parteien dort an die Wand gespielt, wo die drängenden Probleme der Menschen auf bedrohten Arbeitsplätzen am nächsten sind, bei Opel im größten Land der Kommunalwahlen Nordrhein-Westfalen vor der Bundestagswahl 2009 für Bochum und in Hessen für Rüsselsheim. Hessen hat immerhin zwei Landtagswahlen hinter sich, bei denen der Populismus nach der ersten Wahl nur äußerst knapp über die eigenen Füße am Erfolg vorbei gestolpert ist.

In den konkreten wirtschaftspolitischen Spezialprogrammen aller Parteien steht nichts dazu – kann nichts dazu stehen –, was „der Staat“ konkret z.B. in einer Lage wie der von Opel im hessischen Rüsselsheim machen muss: bei weltweiten

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Überkapazitäten der gesamten Branche und in einem Kon-zernverbund mit einer Konzernmutter, die von der größten Automobilfirma der Welt auf einen Börsenwert abgestürzt ist, so dass der Kauf von General Motors nach Börsenwert April 2009 scheinbar kein Problem für einen Lotto-Gewinner gewesen wäre.

Nach dem G 20-Gipfel vom 2. April 2009 scheint allerdings wenigstens das Klima verbessert: für an Opel interessierte Investoren und für ehrliche Verhandlungsarbeit mit General Motors und der US-Administration. Daran gemessen, wa-ren heute die Einwände gegen FIAT als potentiellen Investor bei Opel maßvoll. Hoffnungsvoll stimmt, dass auch gegen den kanadisch-österreichischen Magna-Konzern als potenti-ellem Investor keine protektionistischen Bedenken oder Heuschrecken-Verdächtigungen gestreut werden.

Wie sieht es bei der FDP im Vergleich zwischen Programm und politischer Praxis aus? Das Programm der Liberalen legt die Messlatten in allen wichtigen Belangen sehr hoch: In der Aufklärung zur „Willensbildung des Volkes“, im Kampf für Vernunft und in der wirtschaftspolitischen Kompetenz macht im Programm der FDP keine Partei etwas vor. Das hat die große Mehrzahl der deutschen Spitzen-Wirtschaftswis-senschaftler schon immer so gesehen, auch wenn sie der Union bis hin zum Parteibuch näher standen.

Auf der anderen Seite ist für den Vergleich von Programm und wirtschaftspolitischer Praxis der FDP nicht nur die Lage

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der FDP als Koalitionspartner in Nordrhein-Westfalen, Ba-den-Württemberg, Bayern und Hessen ein Problem. Denn schon im Vorlauf der Europawahl 2009 konzentrierten sich alle politischen Gegner der FDP auf eine entscheidende Fra-ge der Glaubwürdigkeit der FDP durch Vergleich von wirt-schaftspolitischem Programm zur Steuerreform und Chan-cen der politischen Umsetzung ab 2010. Erst recht hat der eigenartige Vorlauf des noch eigenartiger beschlossenen Wahlprogramms der CDU am 29. Juni 2009 verdeutlicht, wie sehr auch manche Kontroversen in der Union viel Ver-trauen in eine Steuerreform bei Rückkehr zu soliden Staats-finanzen kosten.

In jüngster Zeit steht beispielhaft für den Kontrast zwischen wirtschaftspolitischem Programm der FDP und Meinungen über die Tatsachen dieses Programms die Bundestagsde-batte, die zur Debatte über die Forderung der FDP nach Steuerentlastung der Bürger wurde. Im Bundestag hat Chri-stine Scheel die Gelegenheit der Diskussion um die Reform der Erbschaftsteuer schon am 7. Mai 2009 genutzt, um der FDP jedwede Glaubwürdigkeit in der Finanz- und Steuerpo-litik abzusprechen. Wie nicht anders zu erwarten, ist es das Standard-Argument gegen jede Innovation: „unfinanzier-bar“, nun attraktiv zugespitzt auf die Frage: Wie passe denn die von der FDP geforderte Steuerentlastung zum Verschul-dungsverbot der FDP aus der Föderalismusreform? An die-sem Widerspruch in den Forderungen der FDP erkenne man doch, dass der FDP sowieso nicht vertraut werden könne.

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Also erübrigte es sich in der Bundestagsdebatte zur Reform der Erbschaftsteuer für die Grünen auch, auf die Sachargu-mente der vom Vorsitzenden des Bundestags-Haushalts-ausschusses Fricke vorgetragenen Föderalismus-Argu-mente zugunsten von Landesgesetzgebung für die Ländersteuer „Erbschaftsteuer“ näher einzugehen; das sei alles nur Tarnung für die in Wirklichkeit von der FDP ge-plante Abschaffung der Erbschaftsteuer. Im übrigen genügte Christine Scheel der Hinweis auf einen weiteren angeb-lichen Widerspruch: zwischen dem FDP-Programm für Bü-rokratie-Abbau und der zu erwartenden Praxis einer Flut von Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den 16 deut-schen Bundesländern als Folge der Gesetzgebungskompe-tenz der Länder für die Erbschaftsteuer, die gemäß Grund-gesetz unbestritten Ländersteuer ist.327

Das Problem bei der Bewertung wirtschaftspolitischer Pro-gramme speziell in Wahlkampf-Phasen sind insbesondere soziale Themen. Denn hier nähert sich der emotionale Ge-halt zu Recht der hohen Bedeutung sozialer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit den Themen, bei denen der große

327 Live übertragen von Phoenix, am 7. Mai 2009, >www.phoenix.de<. Bür-ger, die politischen Spaß verstehen, werden bei solchen Argumenten nicht gleich den Widerspruch beklagen, sondern klaglos belächeln: Wenn die FDP tatsächlich die Erbschaftsteuer abschaffen wolle, dürfte sich jedenfalls Christine Scheels Problem der vielen Abkommen zur Doppelbesteuerung zwischen den 16 Bundesländern nicht stellen: ohne Erbschaftsteuer keine Bürokratie wegen der Doppelbesteuerungsabkommen zur Erbschaftsteuer.

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Sozialist Shaw vor politischem Aufheizen der Emotionen ge-warnt und für Sachlichkeit und Vernunft plädiert hatte. Nicht zufällig hatte dabei Shaw an die Adresse seiner sozialis-tischen Freunde auch die Warnung vor moralisierender Überheblichkeit und Anmaßung von Alleinvertretung in Fra-gen der Moral gerichtet.

Auch darum ist die Erbschaftsteuer-Debatte vom 7. Mai 2009 vor allem zwischen Carl-Ludwig Thiele, Christine Scheel und Otto Fricke am Ende auch heilsam gegen die Gefahr von Politikerverdruss und gut für Hoffnung auf etwas positive „Willensbildung des Volkes“ sogar im Wahlkampf. Denn in der genannten Reihenfolge sind diese Bundes-tagsabgeordneten rund 15 Jahre Vorsitzende des Haus-haltsausschusses des Bundestages gewesen; Fricke ist zurzeit Vorsitzender dieses traditionell vornehmsten Parla-mentsausschusses.

Bei dieser Diskussion unter Fachleuten ist es allerdings dann doch so, wie es interessierte Bürger zu Recht auch bei Diskussionen im Haushaltsausschuss des Bundestages er-warten und wie Bürger es bei den öffentlichen Anhörungen des Bundestages mit externen Sachverständigen auch un-mittelbar erleben können: Es gibt zwar auch deutliche Unter-schiede zwischen den Parteien in der Gewichtung von Zie-len und Werten, aber oft viel krassere Gegensätze in der Frage, welche Instrumente besser geeignet sind, politische Ziele zum Wohle der Bürger umzusetzen. Dennoch bleibt der Stil der Auseinandersetzung in Parlamentsausschüssen

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in aller Regel so sachlich, wie dies lebenserfahrene Bürger für Fälle erwarten, in denen sich die Vertreter der Parteien vor dem anschließenden gemeinsamen Abendessen nicht öffentlich mit beeindruckender Gebärde an ihr Publikum wenden („coram publicum“: „an die Herzen ihres Publi-kums“). Es bleibt also bei Whitehead: Die Bürger müssen selbst Augen und Ohren aufmachen und kritische Fragen an Info-Ständen der Parteien oder über die Internet-Angebote aller Parteien stellen.328

Am Beispiel des behaupteten Widerspruchs zwischen der Forderung nach Steuerentlastung für den Mittelstand und der Forderung nach einem grundsätzlichen Verschuldungs-verbot im Programm der FDP lässt sich besonders gut ver-anschaulichen, was kritisches Nachhaken der Bürger bei Wahlversprechen der Parteien erleichtern kann: Entschei-dend für die Chancen, die Staatsverschuldung wieder zu-rückzuführen, ist es, wie schnell die Bürger dafür sorgen, dass die deutsche Volkswirtschaft wieder kräftig wächst. In der Weltwirtschaftskrise gilt das für alle Staaten, allen voran aber die USA, die von etwa 1992 bis 2007 in besonderem Maße für die gute „Exportkonjunktur“ Deutschlands und Europas gesorgt hatten.

328 Eine hervorragende Gelegenheit dazu bieten die Info-Stände der FDP Mitte Juli 2009 zum Tag der Steuerzahler. Dieser Tag wurde von Günter Schmölders und dem Bund der Steuerzahler ins Leben gerufen. Er soll da-ran erinnern, dass viele Bürger heute sogar mehr als das halbe Jahr bei ho-hen Steuern und gesetzlichen Lohnzusatzkosten „für den Staat“ arbeiten (>www.fdp.de<).

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In dieser Lage will sich keine Partei eine „Brüning-Politik“ des eng geschnallten Gürtels vorwerfen lassen. Ähnlich wie in der von Wilhelm Röpke als Ausnahmesituation gekenn-zeichneten volkswirtschaftlichen Kreislaufkrise nach dem Schock der Finanzkrise von 1929329 stellt sich heute die Fra-ge nach dem besten Weg, die Kaufkraft, die „effektive Nachfrage“ bei den Keynesianern, wieder zu stärken. Und hier misstraut die FDP aller staatlich überlegenen Weisheit und handwerklichen Steuerungskunst beim Einsatz des Geldes zur Ankurbelung des volkswirtschaftlichen Kreis-laufs. Dieser Grund für die von der FDP geforderte Steuer-entlastung wird heute bei so mancher Kritik an Steuerentla-stungen übersehen. Wenn diese Kritik heute auf fruchtbaren Boden fällt, dann liegt das nicht zuletzt daran, dass die Ge-fälligkeitspolitik aller Regierungen in den „fetten Jahren“ versäumt hat, genügend in Bildung und Infrastruktur zu inve-stieren. Das muss nun in erneut „mageren Jahren“ mit Steuermitteln nachgeholt werden und provoziert erst recht Standard-Fragen wie z.B. „Und wie wollt ihr die Steuerentla-stung finanzieren?“

Am Einsatz von genügend Steuergeldern der Bürger für mehr Lehrkräfte und Schulen in einem Zustand, der Deutsch-land als Kulturstaat nicht blamiert, darf also kein Zweifel be-stehen. Genügend Steuergelder fließen aber nur, wenn die

329 Vgl. dazu Wilhelm Röpkes Beiträge zur Konjunkturpolitik, speziell als Volkswirt in der „Brauns-Kommisssion“.

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Bürger sie erwirtschaften. Und da erst stellt sich die Frage, ob regelmäßig eher die Bürger oder Politiker das Geld in die Kanäle lenken, die höchste volkswirtschaftliche Wertschöp-fung für alle versprechen. Selbst wenn Politiker so weise und geschickt wären, wie Adam Smith sie wahrscheinlich mit seinem Lob nur veräppeln will, wird sich stets wiederho-len, was auch 2009 zu beobachten ist: Die Lautstärke wohl-organisierter Sonderinteressen würde selbst den besten Regierungsplan zur Steuerung der „effektiven Nachfrage“ zur ungerechten Verteilung von Steuergeldern zugunsten all derer machen, die am lautesten schreien und die das größte Erpressungspotential haben.

Bei der Forderung nach Staatshilfe sitzen Manager und Ge-werkschaften heute relativ sicher in einem Boot: in aller Regel vor allem auf Kosten des unternehmerischen Mittelstands. Diese Erfahrung hat schon Eugen Richter, der Führer der Liberalen im Reichstag, gemacht; sie entspricht allen Erfah-rungen mit der „optimalen Zollstruktur“, die auf geduldigem Papier entworfen werden kann, dann aber von der relativen Stärke der Lobbyisten alles andere als volkswirtschaftlich „optimal“ entschieden wird. Bei der FDP kommt zu dieser Skepsis gegenüber der überlegenen Weisheit und Kunst von Politikern im Einsatz von Steuergeldern die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips: Das Geld ist in den Händen der Bürger in aller Regel besser aufgehoben, wenn genügend in die Infrastruktur, vor allem in Bildung, investiert wird, für die Bürger hohe Steuern zahlen.

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Bereits Adam Smith hat das Subsidiaritätsprinzip auf Fragen der Ethik und der Wirtschaft angewendet: Bei Informations-kosten kann am zuverlässigsten richtig entscheiden, wer möglichst dicht am Problem ist, das es zu lösen gilt.330 Das sind die Bürger, oft auch in freiwilligen Verantwortungsge-meinschaften, danach die Gemeinden, die aber in der föde-ralen Verfassung Deutschland kaum autonome Gestal-tungsmöglichkeiten haben. Also ist es gegen alle Polemik der Grünen zum angeblichen Widerspruch zwischen Ver-schuldungsverbot und Steuerentlastung zumindest als „Bür-gerrechtspartei“ eine Überlegung wert: Jenseits der not-wendigen Investitionen vor allem in Bildung und jenseits der wirklich unabdingbaren Staatshilfen in einer Weltwirtschafts-krise sollte möglichst viel Geld für Kauf-Entscheidungen bei den Bürgern belassen bleiben. Das wird durch niedrigere Steuersätze für mittlere Einkommen erreicht. Regelmäßig fließt dieses Geld über mittelständische Unternehmen in

330 Vgl. dazu die Passagen zur „unsichtbaren Hand“ bei Informationsko-sten in „Theorie der ethischen Gefühle“ und in „Wohlstand der Nationen“, a.a.O., Band 1, Buch IV, Kapitel II, für juristische und auch sonst logische Interpretation hilfreich ist auch hier „die Stellung im Gesetz“: Kapitel II ist überschrieben: Of Restraints upon the Importation from Foreign Countries of such Goods as can be Produced at Home, S. 477ff.; entsprechend im generellen, im psychologischen, im ästhetischen und informationstheore-tischen Zusammenhang – wie in der aktuellen Kosmologie –Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle, a.a.O., 4. Teil, überschrieben: Über den Ein-fluß der Nützlichkeit auf das Gefühl der Billigkeit, 2. Kapitel: Von der Schön-heit, welche den Anschein der Nützlichkeit den Charakteren und Handlun-gen der Menschen verleiht ...“, S. 315ff.

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den volkswirtschaftlichen Kreislauf: für Investitionen, mehr Arbeitsplätze und dadurch auch höhere Steuereinnahmen.

Die Entscheidung zugunsten von Vertrauen in die Bürger hat in der FDP Tradition. Aber die Bürger müssen auch durch die Steuerpolitik so gestellt werden, dass sie das Wachstum der Volkswirtschaft wieder ankurbeln können. Alles andere an politischen Sprüchen zur staatlichen „Konjunkturpolitik“ 2009 schwankt zwischen Begriffsrealismus, Anmaßung von Wissen und Ahnungslosigkeit oder Beliebigkeit bei der Wortwahl in einer der schwersten Krisen seit 1929. Zu über-legen ist in dieser Lage für die Politik wie immer nur „Maß und Mitte“ beim Einsatz wirtschaftspolitischer Instrumente, vor allem aber der bestmögliche Zeitpunkt für die Absen-kung des Steuertarifs zugunsten höherer Staatseinnahmen, außerdem der bestmögliche Zeitpunkt für erneute Konsoli-dierung der Staatsfinanzen auch über die Ausgabenseite.

Gegen die immer wieder verbreitete These, erst müsse „die Konjunktur wieder anspringen“, bevor man über Steuerent-lastung der Bürger wieder nachdenken dürfe, steht die Ge-fahr, dass es dann erst gar nicht zu neuem Wachstum und mehr Arbeitsplätzen kommt. Das wäre ähnlich wie bei je-dem Feuerwehr-Einsatz, der erst dann beginnt, wenn das Haus fast abgebrannt ist. Wenn die Steuerentlastung zu spät kommt, kann die Staatsverschuldung durch ebenso monströse wie wirkungsarme „Konjunkturprogramme“ mit staatlicher Wirtschaftslenkung derart angestiegen sein, dass der Politik kaum noch Handlungsalternativen bleiben.

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Das ist gewissermaßen die Kurzgeschichte fast aller ge-scheiterten „Globalsteuerungen“ seit 1969. Dagegen war jede Senkung der Steuersätze von der dreistufigen Steuer-reform ab 1997 bis zur massiven Absenkung der Steuersät-ze durch die rot-grüne Regierung im Rahmen der „Agenda 2010“ ein Erfolg.

Ob nach einem Erfolg von Steuerentlastung der Bürger für neues Wachstum der Trick der Großen Koalition noch ein-mal gelingt, bei robustem Wachstum zur Konsolidierung der Staatsfinanzen mit einer Mehrwertsteuer- oder Mineralöl-steuer-Erhöhung auch höhere Staatseinnahmen und gerin-gere Ausgaben für die Sozialsysteme zu erreichen, ist höchst zweifelhaft, jedenfalls nicht so sicher, wie dies man-cher Ministerpräsident, Sachverständige oder Journalist schon als „unausweichliche“ Tatsache hinstellt. Denn bei der Mineralölsteuer diktieren die Ölförderländer und die Konjunkturlage die Spielräume für Erhöhungen der Mineral-ölsteuer. Und bei strammem Wachstum, das für diese Stra-tegie ja angenommen werden muss, bieten Erfahrungswerte nur hohe Weltmarktpreise für Mineralöl. Wer wollte dann noch mit Steuererhöhung draufsatteln, ohne das Wachstum abzuwürgen?

Bei der Frage einer Wiederholung des erfolgreichen Mehr-wertsteuer-Tricks der Großen Koalition ist zu beachten, dass nach 2005 die Ausgangslage weltwirtschaftlich weitaus besser war, als sie dies ab 2010 angesichts der schärfsten Weltwirtschaftskrise seit Anfang der 30er Jahre sein dürfte:

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Was nach 2005 fast lehrbuchgemäß klappte, muss unter völlig verschiedenen weltwirtschaftlichen Rahmenbedin-gungen 2010 noch lange nicht klappen. Denn nach dem Le-sen der ersten Lehrbuch-Seiten beginnt erst die richtige Ar-beit, und die bedeutet wie immer für die Erfolgsaussichten von späteren Steuererhöhungen: „It depends.“ Es hängt von den Rahmenbedingungen in einem Zeitfenster des wie-der erreichten belastbaren Wachstums ab, dessen Eintreten heute kein Sachverständiger seriös voraussagen kann.

Kein Sachverständiger kann heute seriös voraussagen, wie die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu Beginn dieses Zeitfensters für höhere Steuersätze sein werden und wie sich diese Rahmenbedingungen in der Umsetzungspha-se entwickeln werden. Und es würde angesichts dieser un-widerlegbaren Ungewissheiten auch nichts helfen, dass Sachverständige auf Knopfdruck natürlich unzählige Szena-rios aus dem Computer spucken könnten, mit denen sie die Politiker ratlos zurücklassen.

Dabei reicht die Fachkompetenz in vielen Medien mitunter nur so weit, dass wegen der zeitlichen Nähe beider Veröf-fentlichungen in jedem Jahr das Herbstgutachten der füh-renden Konjunkturforschungsinstitute mit dem Gutachten des Sachverständigenrates verwechselt wird. Die im Früh-jahrs- und Herbstgutachten präsentierenden wirtschaftswis-senschaftlichen Institute konzentrieren sich allerdings ge-mäß politischem Auftrag des Geldgebers tatsächlich auf Prognosen, während der Sachverständigenrat sich immer

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so verstanden wissen wollte, dass seine Hauptaufgabe ord-nungs- und prozesspolitische Beratung der Bundesregie-rung ist: ob der Geldgeber diesen Rat mag oder eben auch nicht, ob Regierung oder Opposition. Weil die ordnungspo-litische Bewertung des Sachverständigenrates die Regie-rung selten ziert, sprechen auch Regierungsvertreter bei der Vorlage des Jahresgutachtens lieber über Zahlen und treffen damit zugleich das vorrangige Interesse von Medien.

Die Beteiligung der FDP an Regierungen, die ordnungspoli-tische Lehrstühle im „Bologna-Prozess“ der Gleichschal-tung abschaffen oder in makroökonomische Neukonstrukti-onen umwidmen, tut weh. Denn noch hat kein Liberaler die Erwartung gewagt, durch mehr Vielfalt von noch mehr Kaf-feesatz-Leserei mendele sich schließlich – mit oder ohne Chaos-Fraktalen – ein zielführendes volks- und weltwirt-schaftliches Prognose-System heraus. Auch haben noch nicht – und werden hoffentlich nie – ausgerechnet Liberale in zuerst trostlosen, am Ende aber doch hoffnungsvollen Zy-nismus folgenden Typs verfallen: Noch mehr staatliche Fi-nanzierung von Vorgaukelei objektiver, „wissenschaftlicher“ Prognose mit angeblich hinreichend zuverlässiger Genauig-keit werde zu so viel Gelächter oder Desinteresse des Pu-blikums führen, dass am Ende Vernunft, Bescheidenheit und ehrliches Handwerk in Wissenschaft und Politik wieder eine bessere Chance bekommen.

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V. Blick nach vorn in OptimismusDie einzig wertvolle Weltanschauung ist die optimistisch-ethische. Ihre Erneuerung liegt uns ob. [...] Der Kulturgesinnung uns verantwortlich füh-lend, blicken wir über Völker und Staaten auf die Menschheit hinaus. Wer sich ethischer Welt- und Lebensbejahung ergeben hat, dem ist die Zukunft des Menschen und der Menschheit Gegenstand der Sorge und des Hoffens. Von diesem Sorgen und Hoffen frei zu werden ist Armut; ihm ausgeliefert zu sein, ist Reichtum. So ist es unser Trost in schwerer Zeit, daß wir, ohne zu wissen, was wir noch von besserer Zukunft erleben können, nur im Vertrauen auf die Macht des Geistes, einer kommenden Kulturmenschheit die Wege bahnen.(Albert Schweitzer, „in den Jahren 1914 bis 1917 im Urwald Afri-kas“)

Die bisherige Diskussion des wirtschaftspolitischen Pro-gramms der FDP in den Bundesfachausschüssen Finanzen und Steuern sowie im Bundesfachausschuss Wirtschaft und Arbeit und im Bundesvorstand der FDP macht optimi-stisch: Jenseits aller Details zur Bewältigung der Weltwirt-schaftskrise ist unumstritten, was diese Diskussionen prägt und was der FDP-Bundesgeschäftsführer Hans-Jürgen Beerfeltz unter der Überschrift „Rückkehr der Werte“ zu-sammengefasst hat. In diesem Sinne haben auch der Bun-desvorsitzende Guido Westerwelle, Hermann Otto Solms, Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff, Otto Graf Lambsdorff und Wolfgang Gerhardt, der Vorsitzende der Friedrich-Nau-mann-Stiftung für die Freiheit, in der Öffentlichkeit Position bezogen, orientiert an Albert Schweitzers Aufforderung zur

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Erneuerung einer „optimistisch-ethischen Weltanschauung“, am 24. März 2009 erneut Bundespräsident Köhler in seiner diesjährigen „Berliner Rede“.331

Wenn das Problem in den letzten 40 Jahren nur die vielzi-tierte Mäkelei Oskar Lafontaines an den „Sekundärtu-genden“ gewesen wäre, dann könnte man schnell zur Ta-gesordnung übergehen. Wirksamer bis heute dürften die Nachwehen der 68er Jahre sein, wo sich der „Marsch durch die Institutionen“ ehemaliger und aktueller Vertreter der „Linken“ sich eben nicht nur auf Schulen und Universitäten und bestimme Rechtsberufe beschränkte, auch nicht auf Karrieren vom Straßenkämpfer zum Außenminister, der sich ohne nennenswerte Ausbildung bis zum Princeton-Lehrauf-trag hochparlierte. Fast wie nach einer der üblichen Normal-verteilungen führten manche linken Wege auch in die Institu-tion „Finanzsektor“.

Das Schlechtreden und Schlechtleben von Werten und Tu-genden war in der 68er Generation so dominierend, dass es damals schon einiges an Selbstbewusstsein und Mut for-derte, gegen den Strom derer zu schwimmen. Damals wur-den Tugenden jeglicher Art auch in Teilen der FDP mit dem Etikett „spießig“ und „bürgerlich“ verworfen. Es wäre bei so lange und stolz getragener Verhöhnung von Werten ein mit-telgroßes Wunder, wenn der Generation der 68er ausge-

331 Berliner Rede von Bundespräsident Horst Köhler vom 24. März 2009 (>www.bundespraesident.de<).

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rechnet im Finanzsektor in kurzer Frist mit Ethik-Seminaren Anstand hätte eingetrichtert werden können.

Zur „Rückkehr der Werte“ gehört nach dem Verfall von Denken in Ordnungen bei Wissenschaftlern und Politikern auch Achtung vor dem Recht in der deutschen Demokratie, die auf einer freiheitlichen Verfassung ruht. Unsere Demo-kratie wird zudem von einem Bundesverfassungsgericht streng in den Grenzen dieser Verfassung der Freiheit ge-schützt gegen Tendenzen zur Gefälligkeitsdemokratie, Dis-kriminierung und Unterdrückung von Minderheiten durch demokratische Mehrheiten. Unter diesen Bedingungen kann Achtung vor dem Recht nicht missverstanden werden.

In Deutschlands Verfassung kann „Ordnung in Freiheit“ auch nicht mit „Law and Order“ als eins der Schlagworte der 68er verwechselt werden, wenn Friedrich Schillers „Ka-rakter“ des Volkes die Verfassung trägt, ohne die bürgerli-che und politische Freiheit nicht möglich ist. Dann darf sich auch der Freie – gerade der Freie – nicht über das Recht erheben, wie das der Jurist Theodor Storm in jugendlichem Leichtsinn und verständlichem Aufbegehren gegen die dä-nische Besetzung für sich mit einem alten Spruch in An-spruch nahm – im Mittelalter noch gemeint als beißende Kri-tik an den Ungerechtigkeiten der Feudalgesellschaft: „Der eine fragt, was kommt hernach, der andere ob’s ist auch recht, und also unterscheidet der Freie (im Mittelalter: „der Herre“) sich vom Knecht.“

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Der von Rainer Brüderle schon viele Jahre vor der aktuellen Finanzkrise gegeißelte „Neo-Feudalismus“332 trägt dieses zynische Gesicht des Verlusts von Werten: Die Achtung vor Recht und Gewissen sei etwas für das dumme Volk; der neofeudal Neureiche frage nur, ob sein Rechtsbruch oder sein fehlender Anstand geahndet wird. Diese Haltung taugt nicht einmal für die Organisation einer Räuberbande, die ohne Achtung vor ihren Regeln und ohne entsprechend har-te Sanktionen zerfällt. Schon gar nicht lässt sich ohne Ach-tung vor der Würde des Menschen, ohne darauf fußendes Recht, ohne freiheitliche Spielregeln und ohne Anstand die Marktwirtschaft und eine Gesellschaft der Freien gestalten und erhalten.

Vor der Wahl des Bundespräsidenten schien es angesichts der engen Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversamm-lung beruhigend für eine neue Kultur der Freiheit, auch von der Kandidatin Gesine Schwan in einem ihrer Wahlkampf-Auftritte zu hören, dass es heute in der Weltwirtschaftskrise zuallererst um eine Kulturkrise gehe. Diese Erklärung erin-nerte an Wilhelm Röpkes „Gesellschaftskrisis der Gegen-

332 Rainer Brüderle in fast jeder Sitzung des Bundesfachausschusses Wirtschaft und Arbeit in seiner Kritik an der Stil- und Anstandslosigkeit mancher Politiker und Manager. Mit diesem „Neo-Feudalismus“ meint Brü-derle nicht dasselbe wie Karl-Hermann Flach, als er im Zusammenhang mit der ungleichen Verteilung des Vermögens davor warnte, dass auch hoch-industrialisierte Gesellschaften „mit hohem Lebensstandard der Mehrheit und einem System sozialer Sicherung“ in der Gefahr schwebten, „südame-rikanische Feudalverhältnisse zu bekommen, allerdings auf weit höherem Niveau.“ (Noch eine Chance für die Liberalen, a.a.O., S. 26).

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wart“, seine „Civitas Humana“ und „Jenseits von Angebot und Nachfrage“. Das hob sich wohltuend ab von der Über-fütterung mit Krisen- oder gar „Konjunktur“-Erklärungen echter Experten und vor allem von der aufgeplusterten Selbstgewissheit mancher selbsternannter oder von Medi-en beförderter „Experten“.

Beunruhigend war dagegen in diesem Wahlkampf, der ja gar nicht habe sein können, ein offener Angriff von Gesine Schwan auf Bundespräsident Köhler. Dieser Angriff war von Medien nicht ohne Anlass so dargestellt worden, als habe Gesine Schwan den Bundespräsidenten für die soziale Kri-se in Deutschland 2009 mitverantwortlich gemacht. In einem Interview mit Phoenix vom Wahltag am 23. Mai 2009 korri-gierte Gesine Schwan den Fragenden: Sie sei falsch zitiert worden; sie habe Bundespräsident Köhler nicht verantwort-lich gemacht, er habe das nur zugelassen. Wenn eine solche Antwort nur Fortsetzung des Wahlkampfs nach der Präsi-dentenwahl war, wäre das politische Normalität, die man be-dauern mag oder nicht. „Politisch, sehr politisch“ hätte Schillers Werther dann bewertet. Aber Anlass zur Sorge um eine neue Streitkultur in Deutschland hätte eine so durch-sichtig fadenscheinige Antwort nicht geben müssen.

Eine politische Antwort solchen Typs von der Rektorin einer hoch angesehenen Europa-Universität lässt dennoch be-fürchten, dass die Kulturkrise jedenfalls tiefer sitzt und wei-ter um sich gegriffen hat, als dies nach der frühen Erklärung Gesine Schwans zur Kulturkrise mit den Anklängen an Wil-

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helm Röpke und Albert Schweitzer erschien. Das aber wur-de erst im gesamten Ablauf der Präsidentenwahl-Übertra-gung auf Phoenix, dem herausragenden Sender für politische Bildung, deutlich. Denn wie ein roter Faden zieht sich durch die Gegenüberstellung der beiden Kandidaten bis in die In-terviews nach der Wahl der Kampfbegriff „Neoliberalis-mus“: auf dem Höhepunkt der Ignoranz sogar in unmittel-barer Verknüpfung mit „liberalen Rezepten“.

Auch hier beginnt die Kulturkrise im Kleinen um 13.00 Uhr harmlos mit einer herzerfrischend klugen Bewertung von Gregor Gysi, die – aus seiner Sicht – jedenfalls inhaltlich konsistent ist: „Wir sind die einzige nicht neoliberale Frakti-on im Deutschen Bundestag.“ Mit diesem intellektuellen Ni-veau kann schon der Interviewer von Dieter Hundt nicht mit-halten. Der Interviewer erspart dem Befragten erst einmal im üblich gewordenen Stil eine Antwort mit seiner eigenen Antwort: „Horst Köhler war anfangs Marktradikaler.“ Wie Hundt denn die Wandlung Köhlers zum Sozialen bewerte, bleibt im Kern die Unterstellung in der Frage des Intervie-wer, Horst Köhler habe sich erst einmal „zum Sozialen“ wandeln müssen.

Dieter Hundt, als Unternehmer Mitglied der 13. Bundesver-sammlung zur Wahl des Bundespräsidenten, antwortete souverän mit einer Verteidigung des Bundespräsidenten. Gegen Ende der Übertragung kommt es zum Gipfel-Inter-view mit dem Politikwissenschafts-Experten Falter, der die Phoenix-Übertragung wissenschaftlich begleitete. Sein

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Kommentar trug durchaus nicht zur „Willensbildung des Volkes“ bei: Jürgen Falter lobt nach der kurzen Rede des wiedergewählten Bundespräsidenten im selben Stil der ver-hüllten Unterstellung Horst Köhlers „Wandel vom marktlibe-ralen Reformer“ zu einem, der das Soziale in den Vorder-grund stelle. Jürgen Falter hat auch eine zielgenaue Adresse für seine Unterstellung: Horst Köhler habe gelernt, dass man „mit liberalen, mit neoliberalen Rezepten“ allein nicht weiterkomme.

Für Optimismus sprach am 23. Mai 2009, dem Tag der Wahl des Bundespräsidenten, ein bunter Strauß von Gründen: Hans Maier hat in einem der spannendsten Abstiegskämpfe Borussia Mönchengladbach am letzten Tag in der Bundesli-ga halten können. Für die Bürger bleibt außer Horst Köhlers angerufener Segen Gottes für Deutschland die zum Segen gehörende Ergänzung: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“ Diese Aufforderung ist hier nicht etwa für den Bereich sozi-aler Hilfe gemeint, sondern im Sinne von Immanuel Kant ge-meint ist hier die von Wolfgang Gerhardt so gern zitierte Aufforderung: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ und Whiteheads „Machen Sie gefälligst die Augen selbst auf!“

Whiteheads Aufforderung ist übrigens nicht gröber formu-liert als das, was Immanuel Kant zum erforderlichen Mut un-mittelbar im Anschluss an diesen berühmten Satz ergänzt und was hier nicht verschwiegen werden darf: “Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der

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Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Lei-tung freigesprochen (naturaliter majorennes), dennoch ger-ne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist bequem, unmündig zu sein.“333

333 Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1783), a.a.O., S. 9.

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VI. Anhang

1. Chronologie wichtiger Beschlüsse zum wirt-schaftspolitischen Programm der FDP von 1946 – 2009 334

Datum/Ort Beschluss Kerninhalte5. 7. 1945 Aufruf

der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands

Privateigentum, Gewerbe-freiheit, Freiheit, demokratischer Rechts-staat, „sittliche Bildung“

20. 1. 1946 Freiburg

Programm der Demokra-tischen Partei in Süd- und Mittelbaden

Mensch als Ausgangs-punkt, Privateigentum, Mittelstand, politische Aufklärung, Währung, Föderalismus, Europa

334 Die Spaltenbezeichnung „Beschlüsse“ orientiert sich an der formalen Logik bzw. Mengenlehre: Alle angeführten Programme, Leitsätze, Wahl-aufrufe oder z.B. Plattformen sind „Beschlüsse“. Vgl. dazu die Literatur-Hinweise zum Programm der FDP im Internet. Es werden nur Beschlüsse angeführt, die am 10. Juni 2009 im Internet über >www.fdp.de< für die Leser leicht verfügbar sind. Ausnahme ist der RIAS-Mitschnitt vom Februar 1947 des Beschlusses der Berliner LDP gegen Sozialisierung in Berlin und im „Reich“: auf Audio-Kasstte des Autors. Zum zeitgeschichtlichen Hinter-grund vgl. >www.diss.fu-berlin.de<. Die FDP ist in ihrer Liebe zur Freiheit zwar nicht lässig in Fragen der Moral (s. Whitehead), aber manchmal im Umgang mit der Datierung ihrer Beschlüsse nicht nur in den Wirren der Nachkriegszeit, sondern ab und zu bis in die Gegenwart. Wo bei vertret-barem Aufwand möglich, wurden die Angaben zu den Beschlüssen ergänzt.

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Page 330: Ordnung in Freiheit

329

20.-2

4. 1

1. 1

952

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Page 331: Ordnung in Freiheit

330

28. 6

. 195

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Page 332: Ordnung in Freiheit

331

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21. 4

. 195

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Die

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. 195

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atis

ieru

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(S. 1

52),

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polit

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S. 1

54)

Page 333: Ordnung in Freiheit

332

5. 6

. 195

7 H

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S. 1

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„Die

Ord

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von

W

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28./

29. 3

. 195

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Ord

. Bun

desp

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tspa

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Deu

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nhei

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ling,

S. 1

58ff

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28./

29. 1

. 196

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. Bun

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5. 3

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dest

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961,

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Julin

g, S

. 168

ff.

Page 334: Ordnung in Freiheit

333

23.-2

5. 3

. 196

1 Fr

ankf

urt a

.M.

12. O

rd. B

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paltu

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chen

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den

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Julin

g, S

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n M

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d, „

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vent

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Ges

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polit

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ntw

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hilfe

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s-po

litik

, „B

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hkei

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3. 1

961

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Page 335: Ordnung in Freiheit

334

6./7

. 6. 1

966

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Page 336: Ordnung in Freiheit

335

29.-3

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23ff

.)

Page 337: Ordnung in Freiheit

336

23.-2

5. 1

0. 1

972

Frei

burg

/i.B

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-2. 1

0. 1

974

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(V

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, S. 2

29, 2

43ff

.)

Page 338: Ordnung in Freiheit

337

20. 1

1. 1

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1. 1

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en, S

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, S

. 385

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, S.

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7. 6

. 197

9 B

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. Ord

. Bun

desp

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en, S

. 1ff.

)

Page 339: Ordnung in Freiheit

338

7. 6

. 198

0 Fr

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980

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2. 1

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29.-3

1. 5

. 198

1 K

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erh.

, S. 8

5ff.)

24. 1

0. 1

981

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1. 1

982

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55ff.

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. 3. 1

982

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en“

(Ver

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en, S

. 17

4ff.)

Page 340: Ordnung in Freiheit

339

9. 9

. 198

2 B

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983

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./19

. 2. 1

983

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. Ord

. Bun

desp

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erhe

ugen

, S.

214f

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-3. 6

. 198

4 M

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. Ord

. Bun

desp

arte

itag

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h., S

. 235

ff.)

23./

24. 2

. 198

5 S

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rück

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. Ord

. Bun

desp

arte

itag

„Lib

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ne

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en, S

. 300

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1. 6

. 198

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n U

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, S. 3

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Mar

ktw

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“ (S

. 31

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rech

ts“,

Sub

vent

ions

abba

u,

Der

egul

ieru

ng (

S. 3

23ff

.)

Page 341: Ordnung in Freiheit

340

23.-2

5. 5

. 198

6 H

anno

ver

37. O

rd. B

unde

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g „D

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arkt

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mar

ktw

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haft

liche

Ste

uerk

urs

1987

“: „

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, G

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, Ges

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Ver

heug

en,

S. 4

23ff

.), „

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Bür

gerg

eld

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32),

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Arb

eits

mar

kt, S

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tänd

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it er

leic

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grar

polit

ik (

S. 4

32ff

.)13

. 9. 1

986

Aug

sbur

gB

unde

shau

ptau

ssch

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Wah

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ehr

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. mit

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n W

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rn g

roße

Er

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e er

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t:“, „

Bes

teue

rung

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, fai

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istu

ngs-

und

wac

hs-

tum

sfre

undl

ich

gest

alte

n“ (

Ver

heug

en, S

. 499

). 5.

/6. 9

. 198

7 K

iel

38. O

rd. B

unde

spar

teita

gS

taat

shaf

tung

srec

ht, „

Einf

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atsz

ielb

estim

mun

g ‚U

mw

elts

chut

z‘ im

Gru

ndge

setz

“ (V

erhe

ugen

, 613

, 616

f.)12

. 12.

198

7 M

annh

eim

Bun

desp

arte

itag

„Sic

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es in

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ns“

(Ver

heug

en, S

. 628

ff.)

24./

25. 1

0. 1

987

Bad

en-B

aden

Bun

desh

aupt

auss

chus

s„L

iber

ales

Akt

ions

prog

ram

m E

urop

a“, „

Leitl

inie

n lib

eral

er K

omm

unal

-po

litik

“ (V

erhe

ugen

, S. 6

31ff

.)7.

/8. 1

0. 1

988

Wie

sbad

en39

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

Wie

sbad

ener

Erk

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ng„F

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“, „

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und

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“, „

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ung

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ntsc

heid

ende

Zuk

unft

sinv

estit

ion“

, „D

ie

zune

hmen

de In

tern

atio

nalis

ieru

ng“

(ab

1990

bei

alle

n „G

loba

lisie

-ru

ng“)

, „B

ildun

gspo

litis

ches

Pro

gram

m“

mit

„Föd

erat

ive

Gru

ndor

d-nu

ng“

(Ver

heug

en, S

. 718

ff.)

1988

Bun

desv

orst

and

„Gew

erbe

steu

erre

form

“, „

Ste

uerr

efor

m 1

990“

(V

erhe

ugen

, S. 8

14ff

.);

25. 2

. 198

9 S

aarb

rück

enB

unde

shau

ptau

s-sc

huss

: F.

D.P

.-Lei

tsät

ze z

ur

Euro

paw

ahl

„Den

gem

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opäi

sche

n B

inne

nmar

kt v

olle

nden

“, „

Daz

u ge

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auc

h di

e B

esei

tigun

g de

r so

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polit

isch

en H

inde

rnis

se, d

ie d

ie

Frei

zügi

gkei

t von

Arb

eitn

ehm

ern.

..beh

inde

rn.“

(V

erhe

ugen

, S. 8

6;

spät

er a

ber

„Ent

send

eges

etz“

;

Page 342: Ordnung in Freiheit

341

27./

28. 5

. 198

9 K

öln

40. O

rd. B

unde

spar

teita

g„H

andl

ungs

prin

zipi

en li

bera

ler

Soz

ialp

oliti

k“: B

ürge

rgel

d (V

erhe

ugen

, S

. 841

ff.)

2. 1

2. 1

989

Cel

leB

unde

shau

ptau

ssch

uss

„Deu

tsch

land

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„D

urch

grei

fend

e R

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men

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sen

auch

das

W

irtsc

haft

ssys

tem

um

fass

en.“

(V

erhe

ugen

, S. 8

79ff.

):

21. 7

. 199

0 B

onn

Bun

desh

aupt

auss

chus

s„Ö

kolo

gisc

hes

Pro

gram

m d

er F

reie

n D

emok

ratis

chen

Par

tei f

ür d

ie

90er

Jah

re“

(Ver

h., S

. 939

ff.)

11. 1

990

Nür

nber

g41

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

Pro

gram

m z

u de

n B

unde

s-ta

gsw

ahle

n am

2.

Dez

embe

r 19

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„3.

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und

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ratis

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ehr

Mar

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Arb

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“, „

Mitb

estim

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g un

d M

itbet

eilig

ung“

, „D

ie M

acht

der

Ban

ken

und

Ver

sich

erun

gen

begr

enze

n“, „

Meh

r M

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im W

ohnu

ngsm

arkt

“,

„Sen

kung

der

Ste

uers

ätze

“ au

f ein

heitl

iche

Sät

ze: S

pitz

enst

euer

satz

Ei

nkom

men

steu

er v

on 5

3% a

uf 4

6%, K

örpe

rsch

afts

teue

r vo

n 50

% a

uf

46%

, Abs

chaf

fung

von

bet

riebl

iche

r V

erm

ögen

steu

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nd G

ewer

be-

steu

er, H

albi

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g de

s Er

bsch

afts

teue

rsat

zes

beim

Bet

riebs

verm

ö-ge

n“1.

-3. 1

1. 1

991

Suh

l42

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

„Soz

iale

Cha

ncen

dur

ch li

bera

le M

arkt

wirt

scha

ft“:

ers

tes

gesa

mt-

deut

sche

s P

rogr

amm

der

FD

P: „

Leis

tung

sprin

zip,

soz

iale

Sic

herh

eit

und

Hilf

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chw

ache

n“, „

Das

Ste

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yste

m m

uß K

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zur

V

orso

rge

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lten“

, „Er

haltu

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er G

eldw

erts

tabi

lität

, „Ta

rifpo

litik

meh

r Fl

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ilitä

t und

Inve

stiv

lohn

“, „

Libe

rale

Wet

tbew

erbs

polit

ik“,

„L

iber

ale

Str

ateg

ie A

ufsc

hwun

g O

st“,

„Li

bera

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irtsc

haft

spol

itik,

R

echt

ssta

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nd F

reih

eit g

ehör

en z

usam

men

“2.

/3. 1

0. 1

992

Bre

men

43. O

rd. B

unde

spar

teita

gS

teue

rpol

itik,

Auf

bau

Ost

(B

esch

lüss

e nu

r üb

er A

rchi

ve v

erfü

gbar

)

20. 8

. 199

2 M

ünst

erei

fel

Ott

o G

raf L

ambs

dorf

f „M

ut

stat

t Mis

smut

- Fü

r ei

n lib

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chla

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Von

der

FD

P a

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im In

tern

et a

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rund

satz

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hne

form

aler

Bes

chlu

ss z

u se

in: „

Deu

tsch

land

muß

wie

der

ordn

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poli-

tisch

e N

umm

er 1

wer

den.

“ U

mfa

ssen

des

Ref

orm

konz

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ür W

irt-

scha

ft u

nd S

ozia

les

10 J

ahre

nac

h La

mbs

dorf

fs „

Wen

de-P

apie

r“

Page 343: Ordnung in Freiheit

342

11.-1

3. 6

. 199

3 M

ünst

er44

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

(Bes

chlü

sse

nur

über

Arc

hive

ver

fügb

ar)

1993

M

agde

burg

Bun

desh

aupt

auss

chus

sEn

twur

f des

Wah

lpro

gram

ms

1994

: zur

Dis

kuss

ion

an a

lle M

itglie

der

als

48-S

eite

n-B

eila

ge „

Libe

ral d

enke

n. L

eist

ung

wäh

len.

“26

. 2. 1

994

Hild

eshe

imB

unde

shau

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ssch

uss

„Wen

iger

Sta

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meh

r Ei

genv

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twor

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Arb

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ng z

wis

chen

Bür

ger

und

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erna

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ben

des

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ates

, S

ubsi

diar

ität,

„Wen

iger

Ges

etze

, bes

sere

Ges

etze

“, S

taat

squo

te

lang

fris

tig „

im B

erei

ch v

on 3

0%“,

zun

ächs

t wie

der

auf „

rund

45%

“ w

ie

nach

der

Lam

bsdo

rff-W

ende

, „Ei

n ei

nfac

hes

und

durc

hsch

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Ste

uer-

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Tran

sfer

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em (

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-Bür

gerg

eld)

, Priv

atis

ieru

ng,

Ver

wal

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sref

orm

, „D

er S

taat

, zu

dem

der

Bür

ger

Ja s

agt“

1994

R

osto

ck45

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

Wah

lpro

gram

m 1

994

„Lib

eral

den

ken.

Lei

stun

g w

ähle

n.“

„Mar

ktw

irtsc

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liche

Ern

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ung

für

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land

“, „

Für

Arb

eits

plät

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, soz

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Sic

herh

eit u

nd U

mw

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orso

rge

muß

Deu

tsch

land

im

inte

rnat

iona

len

Sta

ndor

twet

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erb

wie

der

bew

eglic

her

auf d

ie

Her

ausf

orde

rung

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es w

eltw

irtsc

haft

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n un

d te

chno

logi

sche

n W

ettb

ewer

bs a

ntw

orte

n.“

„Die

Lei

stun

gsel

ite d

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acha

rbei

ter.

Han

dwer

ker,

Frei

en B

eruf

e, F

ühru

ngsk

räft

e un

d U

nter

nehm

er m

uß im

In

tere

sse

wet

tbew

erbs

fähi

ger

Arb

eits

plät

ze in

Ost

deut

schl

and

beso

nder

s ge

förd

ert w

erde

n“ (

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), „M

arkt

wirt

scha

ftlic

he S

teue

rpol

i-tik

“ fü

r ei

n ei

nfac

hes,

ger

echt

es S

teue

rsys

tem

, Ein

kom

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steu

er ü

ber

den

gesa

mte

n Ta

rif s

enke

n, S

pitz

enst

euer

satz

unt

er 4

5%, „

Gew

icht

s-ve

rsch

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ng v

on d

irekt

en S

teue

rn a

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erbr

auch

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ern“

, Det

ails

des

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P-B

ürge

rgel

ds (

„Neg

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steu

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Inte

grat

ion

von

Ste

uer-

und

Tran

sfer

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em),

„Lan

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n un

d öf

fent

lich-

rech

tlich

e V

ersi

che-

rung

en s

olle

n pr

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isie

rt w

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hand

enen

und

kün

ftig

en

Sub

vent

ione

n m

üsse

n au

f höc

hste

ns fü

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ahre

bef

riste

t und

deg

res-

siv

gew

ährt

wer

den.

“, „

Ver

antw

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ng fü

r di

e La

ngze

itarb

eits

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gkei

t tr

agen

die

Tar

ifpar

tner

.“, „

strik

te U

mse

tzun

g de

s Lo

hnan

stan

dsge

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ts“,

„W

elth

ande

lsor

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satio

n (W

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ls K

erns

tück

ein

er in

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atio

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len

Wet

tbew

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ordn

ung“

, Neu

ordn

ung

der

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ng m

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p, „

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chaf

fung

der

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nsch

afts

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aben

un

d de

ren

Mis

chfin

anzi

erun

g

Page 344: Ordnung in Freiheit

343

9.-1

1. 6

. 199

5 M

ainz

46. O

rd. B

unde

spar

teita

gW

olfg

ang

Ger

hard

t wird

Bun

desv

orsi

tzen

der

der

FDP

(B

esch

lüss

e nu

r üb

er A

rchi

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erfü

gbar

)19

96

Kar

lsru

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. Ord

. Bun

desp

arte

itag

„Kar

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her

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Für

di

e lib

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ürge

rges

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Gru

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tzpr

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s)

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istu

fent

arif

Der

Ent

wur

f wur

de a

n ru

nd 3

500

Adr

essa

ten

aus

Wis

sens

chaf

t, K

ultu

r, W

irtsc

haft

und

Med

ien

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andt

und

wur

de d

urch

weg

seh

r po

sitiv

be

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tet,

aus

ethi

sche

r S

icht

bei

spie

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t von

Pro

fess

or F

urge

r (M

ünst

er).

Inha

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imm

t der

Kar

lsru

her

Entw

urf w

eitg

ehen

d m

it de

n W

iesb

aden

er G

rund

sätz

en v

on 1

997

über

ein.

Dre

istu

fent

arif

mit

steu

erfr

eiem

Exi

sten

zmin

imum

, 15%

, 25%

, 35%

24. 5

. 199

7 W

iesb

aden

48. O

rd. B

unde

spar

teita

g ak

tuel

les

Gru

ndsa

tzpr

o-gr

amm

der

FD

P „

Wie

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r G

rund

sätz

e - f

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ie

liber

ale

Bür

gerg

esel

lsch

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„Fre

ihei

t dur

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eilh

abe,

Tei

lhab

e du

rch

Frei

heit“

, „W

erte

findu

ng in

der

B

ürge

rges

ells

chaf

t“, „

Im Z

wei

fel f

ür ..

. Eig

enin

itiat

ive.

.., S

elbs

torg

ani-

satio

n un

d M

itein

ande

r ...

die

Gem

eind

e (‚

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äufig

e D

emok

ratie

’)“;

„A

rbei

tneh

mer

als

Tei

lhab

er d

es B

etrie

bes“

, „D

er li

bera

le S

ozia

lsta

at“:

„D

as B

ürge

rgel

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t des

halb

das

Ker

nstü

ck d

es li

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len

Soz

ials

taat

s.“,

„Tei

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e du

rch

Bild

ung

und

Aus

bild

ung“

, „D

er b

esch

ei-

dene

Sta

at“:

Ver

fass

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schr

anke

n be

i Ste

uerla

st u

nd S

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sver

-sc

huld

ung“

(pr

inzi

piel

les

Ver

schu

ldun

gsve

rbot

), „D

as P

rinzi

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eran

twor

tung

für

die

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sten

Gen

erat

ione

n“: „

Die

öko

logi

sche

M

arkt

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scha

ft“,

Gre

nzen

für

Abg

aben

last

, „m

ater

iell

ausg

eglic

hene

H

aush

alte

“, „

Priv

atis

ieru

ngsg

ebot

“, „

Der

neu

e G

ener

atio

nenv

ertr

ag“

26.-2

8. 6

. 199

8 Le

ipzi

g 49

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

Wah

lpro

gram

m 1

998

„Es

ist

Ihre

Wah

l“

„Arb

eits

plät

ze fü

r D

euts

chla

nd“:

„D

euts

chla

nd b

rauc

ht e

in g

eist

iges

K

lima

des

Auf

bruc

hs“,

„D

. ...

brau

cht m

arkt

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scha

ftlic

he E

rneu

erun

g fü

r A

rbei

tspl

ätze

“, „

D. b

rauc

ht L

eist

ung,

Fle

xibi

lität

und

Inno

vatio

n“,

„Gro

ße S

teue

rref

orm

mit

Stu

fent

arif

für

gere

chte

re u

nd n

iedr

iger

e S

teue

rn“,

„N

eue

Off

ensi

ve fü

r P

rivat

isie

rung

“, „

Mut

zu

meh

r W

ettb

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erb“

, „N

eue

Ans

töße

zur

Ver

mög

ensb

ildun

g“, „

Arb

eits

rech

tlich

e V

orsc

hrift

en d

urch

fors

ten“

, „B

ürge

rgel

d-A

nrei

ze (

‚Kom

bi- E

inko

m-

men

’) fü

r ei

nfac

he A

rbei

t“, „

Inno

vatio

n fü

r A

rbei

tspl

ätze

“, „

Exis

tenz

-gr

ündu

ngen

/Ven

ture

Cap

ital“

, „In

nova

tion

und

Glo

balis

ieru

ng in

der

A

usbi

ldun

g“, F

ür e

ine

unte

rneh

mer

isch

e La

ndw

irtsc

haft

Page 345: Ordnung in Freiheit

344

28.-3

0. 5

. 199

9 B

rem

en50

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

(Bes

chlü

sse

nur

über

Arc

hive

ver

fügb

ar)

16./

17. 6

. 200

0 N

ürnb

erg

51. O

rd. B

unde

spar

teita

g „M

ehr

Dem

okra

tie w

agen

– V

om P

arte

iens

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zur

Bür

gerd

emok

ratie

“,

Gru

ndsä

tze

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aler

Soz

ialp

oliti

k (im

Inte

rnet

zur

Zei

t nic

ht v

erfü

gbar

)4.

-6. 5

. 200

1 D

üsse

ldor

f52

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

„Mitt

elst

and

stär

ken

– B

etrie

bsve

rfas

sung

sges

etz

liber

al r

efor

mie

-re

n!“

mit

Det

ails

zum

libe

rale

n K

onze

pt fü

r M

itarb

eite

rbet

eilig

ung

(S.

5f.)

2002

M

annh

eim

53. O

rd. B

unde

spar

teita

g „B

ürge

rpro

gram

m 2

005“

„Arb

eits

plät

ze s

chaf

fen

stat

t Arb

eits

losi

gkei

t ver

wal

ten“

, „B

ürge

rgel

d-A

nrei

ze fü

r ne

ue A

rbei

tspl

ätze

“, „

Entm

onop

olis

ieru

ngs-

und

Wet

tbe-

wer

bsof

fens

ive“

, „S

chla

nker

Sta

at –

sta

rker

Sta

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„S

ubve

ntio

nen

nur

degr

essi

v un

d au

f fün

f Jah

re b

efris

tet“

, „D

ie S

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squo

te m

uss

mitt

elfr

istig

auf

ein

Drit

tel d

es S

ozia

lpro

dukt

s ge

senk

t wer

den

(s.o

., „W

enig

er S

taat

– m

ehr

Eige

nver

antw

ortu

ng“

(26.

2. 1

994)

, „S

tufe

nta-

rif m

it S

teue

rsät

zen

von

15%

, 25%

und

...35

%“,

„B

ürok

ratie

kost

en-

TÜV

“, „

Der

Lan

dwirt

mus

s w

iede

r zu

m U

nter

nehm

er w

erde

n“,

„Nac

hhal

tigke

it“, „

Pol

itik

für

ein

inno

vativ

es D

euts

chla

nd“

(Bild

ungs

-po

litik

für

Cha

ncen

glei

chhe

it), „

Inte

grat

ion

behi

nder

ter

Men

sche

n in

w

eite

rfüh

rend

e S

chul

en“,

„In

tern

atio

nalis

ieru

ng d

es B

eruf

es“,

„W

ettb

ewer

bsfä

hige

Hoc

hsch

ulen

“, „

Fors

chun

g im

Wet

tbew

erb“

, „P

oliti

k fü

r ei

ne V

eran

twor

tung

sgem

eins

chaf

t“

16.-1

8. 5

. 200

3 B

rem

en54

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

„Bre

mer

Erk

läru

ng“

zur

Pol

itik

für

Arb

eits

plät

ze, „

Für

eine

eur

opäi

sche

V

erfa

ssun

g de

r Fr

eihe

it“, „

Libe

rale

Gem

eind

efina

nzre

form

“ 5.

/6. 5

. 200

4 D

resd

en55

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

„Lei

tsät

ze fü

r di

e fr

eie

und

faire

Ges

ells

chaf

t“

„Priv

ater

Kra

nken

vers

iche

rung

ssch

utz

mit

sozi

aler

Abs

iche

rung

für

alle

“, „

Wah

lfrei

heit

stat

t Zw

angs

vers

iche

rung

im G

esun

dhei

tsw

esen

“,

„Arb

eits

plät

ze s

chaf

fen,

Mac

htka

rtel

le a

ufbr

eche

n!“

5.-7

. 5. 2

005

Köl

n56

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

„Das

Lib

eral

e B

ürge

rgel

d: a

ktiv

iere

nd, e

infa

ch u

nd g

erec

ht“

Page 346: Ordnung in Freiheit

345

13./

14. 5

. 200

6 R

osto

ck57

. Ord

. Bun

desp

arte

itag

„Ene

rgie

bra

ucht

Wet

tbew

erb

– En

ergi

epol

itisc

hes

Gru

ndsa

tzpr

o-gr

amm

der

FD

P“,

„In

nova

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und

Lebe

nsqu

alitä

t dur

ch M

arkt

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-sc

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n U

mw

elts

chut

z –

Gru

ndsä

tze

und

Sch

wer

punk

te li

bera

ler

Um

wel

tpol

itik“

15.-1

7. 6

. 200

7 S

tutt

gart

58. O

rd. B

unde

spar

teita

g „F

reih

eit,

Fairn

ess,

C

hanc

en“

„I. F

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eit u

nd V

eran

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tung

. Gru

ndsä

tze

liber

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Soz

ialp

oliti

k.

Jede

r ha

t das

Rec

ht a

uf e

in m

ensc

henw

ürdi

ges

Lebe

n. J

eder

hat

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R

echt

auf

so

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Fre

ihei

t wie

mög

lich.

Bei

des

brau

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uch

eine

m

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Gru

ndla

ge. F

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eit b

rauc

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ie M

öglic

hkei

t, si

e au

ch le

ben

zu k

önne

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afür

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ötig

en d

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ensc

hen

sozi

ale

Sic

herh

eit.“

(S

.1),

„Ver

antw

ortu

ng v

erst

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eral

e al

s di

e S

chw

este

r de

r Fr

eihe

it; s

ie

ist m

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r un

tren

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ver

bund

en.“

, „Li

bera

le S

ozia

lpol

itik

folg

t dem

G

rund

satz

der

Sub

sidi

aritä

t: D

er S

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sol

l nur

dor

t ein

grei

fen,

wo

indi

vidu

elle

ode

r ge

mei

nsch

aftli

che

Sel

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ilfe

nich

t gre

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“ „A

uch

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alb

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ute

Soz

ialp

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k m

it ei

ner

gute

n B

ildun

gspo

litik

“,

„Der

Sta

at d

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ieje

nige

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cht ü

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orde

rn, d

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it ih

ren

Ste

uern

und

B

eitr

ägen

für

die

sozi

ale

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herh

eit i

n D

euts

chla

nd a

ufko

mm

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ie z

u U

nrec

ht v

erge

ssen

e M

itte,

die

uns

ere

Ges

ells

chaf

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Page 348: Ordnung in Freiheit

347

AAdenauer, Konrad 66, 296, 297

BBabel, Gisela 290Bamberger, Ludwig 28Bangemann, Martin 39Barroso, José Miguel 153Bastiat, Frédéric 263, 305Barbier, Hans D. 48, 71Beckmann, Klaus 39Beerfeltz, Jürgen 74, 302, 318Bentham, Jeremy 120Berg, Fritz 116Berghahn, Klaus L. 10, 31Berndt, Rolf 356Beveridge Lord William Henry 263,

269Bismarck, Otto von 259, 280, 283Blankart, Charles Beat 219Blüm, Norbert 45, 302Böhm, Franz 12, 72, 113Brandt, Willy 83, 156Brentano, Lujo 28Brown, Gordon 70Brüderle, Rainer 318, 321Burgbacher, Ernst 219Bush, George W. 86

CCarlyle, Thomas 347

Catinat, Michael 253Cecchini, Paolo 253Chamfort, Nicolas-Sebastien de 194Cobden, Richard 67, 305Cronenberg, Dieter-Julius 235

DDahrendorf, Sir Ralf 95, 292Dedigama, Anne Chandima 91Dehler, Thomas 77, 329, 330Dönhoff, Gräfin Marion 77Doering, Detmar 68, 209Döring, Walter 331Dohnanyi, Klaus von 28, 219, 233, 284Domsch, Alexander 197Donges, Juergen B. 159, 162Dubovisek, Mario 179Dylan, Bob 146

E Eggers, Ernst 26Engels, Wolfram 173, 286, 289d’Estaing, Valéry Giscard 257Erhard, Ludwig 9, 10, 12, 13, 14, 44,

45, 50, 54, 66, 77, 78, 80, 114, 116, 132, 144, 189, 191, 223, 261, 262, 264, 266, 272, 276, 277, 286, 296, 297, 304,305, 333

Eucken, Walter 15, 29, 44, 49, 50, 53, 72, 75, 78, 82, 83, 84, 113, 114, 122, 139, 203, 261, 266, 278, 305

Stichwortverzeichnis

„Ein Register ohne Buch hat mir manchmal genützt, ein Buch ohne Register nie.“(Thomas Carlyle).

Personenregister

Page 349: Ordnung in Freiheit

348

FFabio, Udo di 258, 260Falter, Jürgen W. 323, 324Fischer, Josef 319Fischer, Thomas 260Flach, Karl Hermann 96, 97, 98, 115,

140, 141, 142, 321, 331, 332, 336Fliszar, Fritz 102Furger, Franz A.F. 343Franz, Wolfgang 274, 275Fricke, Otto 308, 309Friderichs, Hans 200Fried, Ferdinand 54Friedhoff, Paul K. 318Friedman, Milton 49, 235, 236Frölich, Jürgen 146Fuest, Clemens 239

GGeißler, Heiner 45Genscher, Hans-Dietrich 95, 96, 196,

253, 254, 256, 298, 299, 335Gerhardt, Wolfgang 10, 24, 32, 129,

318, 324, 343, 356Gerken, Lüder 162Giersch, Herbert 27Goethe, Johann Wolfgang von 219,

305Greenspan, Alan 85Greiß, Franz 127Gutowski, Armin 174, 301Guttenberg, Baron Karl-Theodor zu 39,

201, 295Gysi, Gregor 95, 285, 323

HHaberler, Gottfried von 127Habermann, Gerd 77Hamm, Walter 173

Hamm-Brücher, Hildegard 43, 96, 303, 304, 333, 335

Hansmeyer, Karl-Heinrich 26, 27Hasse, Rolf 155, 197Hayek, F.A. von 26, 37, 48, 49, 53, 54,

65, 69, 70, 91, 120, 278, 305Hennecke, Hans-Jörg 38, 48, 49, 54,

120Henning, Friedrich 102Hentrich, Steffen 222Herlt, Rudolf 88Herzog, Roman 219, 222, 233Heuß (Heuss) Theodor 10, 12, 28, 37,

38, 54, 60, 64, 65, 66, 98, 102, 105, 109, 190, 210, 215, 327

Hinderer, Walter 10, 24, 25, 31, 208, 334

Hey, Johanna 219Höpker-Aschoff, Hermann 26Hohmann, Karl 13Holl, Hans Günter 269Hombach, Bodo 222Homburger, Käthe 31Hoppe, Hans-Hermann 120Hoppmann, Erich 144Horn, Karen 261Hüther, Michael 237Humboldt, Wilhelm von 10, 58, 59, 283Hume, David 5, 6, 31, 62, 69, 305Hundt, Dieter 323Hunold, Albert 54

JJacquemin, Alexis 253Jansen, Hans-Heinrich 253, 254, 256Jefferson, Thomas 243Jeutter, Peter 254, 255Jörges, Hans-Ulrich 132Johnson, Harry G. 80

Page 350: Ordnung in Freiheit

349

Juling, Peter 34, 45, 92, 93, 94, 190, 253, 254

KKaack, Heino 45, 94, 301Kant, Immanuel 57, 58, 60, 83, 269,

324, 325Kappstein, Theodor 10Kartte, Wolfgang 144Keynes, John Maynard 42, 79, 80,

266, 269Kinkel, Klaus 74, 222Kirchhof, Paul 27, 187, 219, 229, 240Klasen, Karl 156Klodt, Henning 162Knight, Frank H. 49Köhler, Horst 22, 106, 233, 319, 322,

323, 324Kohl, Helmut 74, 208, 222, 234f., 259,

289Konfuzius 15

LLachmann, Ludwig 202Lafontaine, Oskar 95, 188, 208, 319Lambsdorff , Alexander Graf 162, 219Lambsdorff, Otto Graf 25, 26, 39, 40,

66, 71, 77, 88, 91, 102, 109, 114, 128, 130, 131, 135, 162, 173, 191, 201, 205, 209, 218, 219, 227, 228, 229, 235, 254, 256, 269, 271, 276, 279, 290, 292, 293, 299, 300, 301, 303, 319, 339, 341, 356, 357

Lange, Erhard 189Lassalle, Ferdinand 64, 263Lehmann, Kardinal Karl 65Lenel, Hans Otto 166Leijonhufvud, Axel 80Lindeiner, Klaus von 175Locke, John 20

Losberg, Hans-Werner 356Lutz, F.A. 84

MMaier, Hans 324Maier, Reinhold 54, 60, 98, 111, 209,

326, 328, 330Maihofer, Werner 95, 96, 115, 334Margedant, Udo 260Mart, Caroline 39Matthäus, Ingrid 43, 96Mende, Erich 335Merrett, Gary 188Merx, Volker 197Meyer, F.W. 127Mill, John Stuart 305Mirabeau 117Mischnick, Wolfgang 38, 102, 196,

335Mises, Ludwig Edler von 37, 48, 49,

50, 67, 72, 73, 116, 120, 305Mitschke, Joachim 21, 27, 230, 231,

232, 234, 236, 238, 239Möschel, Wernhard 173Montesquieu, Charles-Louis de 113,

138, Morlok, Jürgen 104f., 109, 111, 219,

292, 337Müller, Tobias 236Müller-Armack, Alfred 53, 78, 261Müller-Gröling, Hubertus 205Münch, Ingo von 24Müntefering, Franz 79Murmann, Heinz 45Myrdal, Gunnar 305

NNaumann, Friedrich 15Nell-Breuning, Oswald von 14, 121Newton, Sir Isaac 20

Page 351: Ordnung in Freiheit

350

OObama, Barack 70, 71, 84, 138, 180,

182Oeter, Stefan 207Oppenheimer, Franz 14Orwell, George 160

PPapier, Hans-Jürgen 258, 260Paqué, Karl-Heinz 267Peichl, Andreas 239Pfister, Bernhard 144Philippovich, Eugen Freiherr von 32Pinkwart, Andreas 219, 229, 239Platon 20, Plender, John 195Popper, Sir Karl Raimund 305Precht, Richard David 39Preuß, Hugo 208

QQuaas, Friedrun 261

RRaichle, Gerhart 209Reagan, Ronald 194, 299Ricardo, David 124Richter, Eugen 162, 289, 312Rind, Hermann 231Rittaler, Jan B. 132Robbins, Lord Lionel 49Robinson, Joan 80, 155, 156Röpke, Eva 26, 37, 49Röpke, Wilhelm 14, 19, 20, 26, 36, 37,

48, 49, 50, 54, 65, 66, 67, 69, 70, 72, 78, 120, 161, 187, 189, 190, 208, 263, 286, 297, 305, 311, 321, 322f.

Roosevelt, Franklin D. 70Rümelin, Gustav 36Rüstow, Alexander 48, 49, 50, 51, 120

Russell, Bertrand 306

SSacher, Hermann 14Sarcozy, Nicolas 153Schäfer, Thilo 239Schatten, Lore und Fritz 32, 33Scheel, Christine 307, 308, 309Scheel, Walter 55, 95, 96, 114, 115,

254, 298, 301, 333Schiller, Friedrich von 6, 9, 10, 11, 13,

31, 33, 35, 188, 209, 217, 257, 283, 305, 320, 322, 331, 334

Schiller, Karl 77, 80, 156, 158, 197Schlecht, Otto 75Schmid, Carlo 12, Schmidt, Helmut 79, 197, 300Schmidt, Susanne Maria 191Schmölders, Günter 310Schöler, Andreas von 43Schröder, Gerhard 89, 235Schuchardt, Helga 43Schulze-Delitzsch, Hermann 28, 69,

263Schumpeter, Alois 141Schwaetzer, Irmgard 228, 231Schwan, Gesine 321, 322Schwarz, Gerhard 48, 77Schweitzer, Albert 63, 305, 318, 323Shaftesbury, 3. Earl Anthony Ashley-

Cooper 305Shaw, Bernard 305, 308Smith, Adam 62, 69, 72, 125, 151, 152,

183, 184, 185, 305, 312, 313Snowden, 1. Viscount Philip 67, 305Solms, Hermann Otto 221, 229, 231,

318Soto, Hernando de 91Steglich, Olaf 192Steinbrück, Peer 273, 275

Page 352: Ordnung in Freiheit

351

Steinmeier, Frank 295Stern, Fritz, 303, 304Storm, Theodor 320Strauß, Franz-Josef 80Srickland, Pat 236Stützel, Wolfgang 26, 74, 131, 173,

279, 301, 337, 338

TTagore, Rabindranath 305Tamm, Sascha 196Taylor, John 243Thiele, Carl-Ludwig 309Tietmeyer, Hans 197Topolánek, Mirek 153Trier, Bernardo 45, 46Tucholski, Kurt 162, 305

VValjavec, Fritz 32Vaubel, Roland 219Verheugen, Günter 43, 45, 95, 96, 97,

109Vorländer, Karl 58

W Waigel, Theo 222Walter, Norbert 80, 272Walther von der Vogelweide 32Watrin, Christian 78Weigand, Kurt 138Weizsäcker, Carl-Christian von 42,

173, 174, 178Weizsäcker, Ernst Ulrich von 173Werner, Horst 152, 155, 197, 233, 260,

289, 291Westerwelle, Guido 97, 117, 118, 141,

179, 318Wetrow, Wladimir 298

Whitehead, Alfred North 5, 19, 20, 94, 269, 310, 324

Wieser, Friedrich von 20 Willgerodt, Hans 78, 89, 127, 140, 155,

173, 197, 277, 279, 286, 356Winking, Mechthild 253Wolf, Abtprimas Notker 278

ZZumpfort, Wolf-Dietrich 161

Sachregister

AAblehnung zumutbarerArbeit siehe BürgergeldAktie, Aktiengesellschaft- Kleine siehe Teilhabe/VermögenAltersvorsorge 137, 191, 285ff.Anrechnung von- eigenem Verdienstsiehe Bürgergeld- eigener Altersvorsorgesiehe Bürgergeld Anstand 9ff., 186f., 191, 195, 321f.Arbeitsplätze 79f., 126ff., 198f.,228ff.,

236ff., 233, 262ff., 270f., 275f., 293ff., 304f., 313f., 327ff.

Arbeitsteilung- in der Weltwirtschaft siehe

Weltwirtschaftsordnung- zwischen Bürger und Staat 48, 55ff.,

63ff.Aufgaben des Staatessiehe StaatsaufgabenAufklärung 9, 12, 32, 63, 325

Page 353: Ordnung in Freiheit

352

BBankenaufsicht siehe FinanzkriseBedarfsgemeinschaft und „bedingungsloses Grundeinkommen“ siehe BürgergeldBedürftigkeitsprüfungsiehe BürgergeldBegriffsrealismus 19ff., 314Beteiligungskapital 104ff., 108ff., 129ff.siehe auch TeilhabeBildung 9ff., 30, 35, 118, 160, 208, 213,

220, 284ff., 311ff., 323, 326ff.Bürgergeld 46f., 222, 228ff., 233ff.,

279ff., 337ff.Bürgergesellschaft 217Bürokratie 238

CChancen 144, 178, 306- durch Zuverdienst siehe BürgergeldCharakter („Karakter“) 6, 10, 186ff.,

212, 216f.

EEigentum 34, 82ff., 91ff., 106ff., 122ff.,

133ff., 326ff.Eigenverantwortung 36ff., 53, 106f.,

126, 186, 190, 207ff., 279, 324Emissionshandel siehe Umweltvorsor-

geEnteignung 99ff., 126ff., 132, 137ff.Entwicklungspolitik sieheWeltwirtschaftsordnungErbschaftsteuer 307ff., 341Ethik 12ff., 303, 312, 318ff., 326ff.Europa 243ff., 251ff., 326ff.- Wettbewerbsrecht 145ff., 252f.,

333ff.

- Verfassung 244, 256ff., 339ff.- Zentralbank (EZB) 179, 181f., 260,

336ff.Existenzminimum, steuerfreies 227,

280ff., 340ff.

F fair siehe Steuern:einfach, niedrig, gerechtFinanzamt als Verrechnungsstellesiehe BürgergeldFinanzkrise 20ff., 39f., 84ff., 103f., 127,

160f., 179ff., 195ff., 310Finanzaufsicht siehe FinanzkriseFinanzautonomie der Ländersiehe FöderalismusFinanzausgleich siehe FöderalismusFinanzverfassung siehe FöderalismusFleiß 36, 46, 228, 324f.Föderalismus 35f., 160, 205,

207ff.,255f., 260, 326ff.Freihandel 60ff., 68, 156ff., 250f.Freiheit, Ordnung in:das ganze Buch- und Gerechtigkeit 5f.- und Sicherheit 5f.- und Verantwortung 5f.Frieden 6, 35, 37, 55ff., 293, 298ff.,

301, 327ff.

GGATT (General Agreementon Tariffs and Trade) sieheWeltwirtschaftsordnungGeldwertstabilität sieheWährungsverfassungGemeinden siehe FöderalismusGenerationengerechtigkeitsiehe Langfristorientierung undNachhaltigkeit)

Page 354: Ordnung in Freiheit

353

Gesundheitspolitik 160, 280, 286ff., 332ff.

Grundfreibetrag siehe Steuern:niedrig, einfach, gerechtGrundsicherung siehe Bürgergeld

HHaftung siehe auch Verantwortung 82,

84ff., 90, 103f., 126, 139ff., 164ff., 171ff., 180, 195, 334, 337, 346,

Humanismus 12, 31

IInformation 15ff., 22f., 147, 251, 313Innovation 36, 148ff., 177, 223, 284,

343Insolvenzrecht 126f., 170f.Integration- soziale siehe soziale Sicherheit- europäische 243ff.- von Steuern und Transfers siehe Bürgergeld

JJournalisten 182, 190

KKarakter siehe Charakter Klimaschutz siehe UmweltvorsorgeKommunikation 15ff., 46Konnexitätsprinzip siehe Föderalismuskomparative Vorteile 124ff.Kompetenzverteilung sieheFöderalismusKonjunktur 27, 76, 78ff., 193f., 203,

242, 261ff., 268f.,273ff., 322Krankenversicherungsiehe Gesundheitspolitik

LLangfristorientierung 83, 162, 173f.,

193, 201ff., 204f., 295Langzeitarbeitslosigkeit sieheBürgergeldLeistung 36ff., 140, 143f., 147, 178,

224f., 230f., 241, 262, 277, 337, 341ff.

MManager 86ff., 127, 170ff.Manchestertum 67ff.„Marktversagen“ siehe„Staatsversagen“ undStaatsaufgabenMarktwirtschaft 11ff., 37ff., 301ff.Mensch als Mittelpunkt liberaler Politik 30, 34ff., 40, 204,

237ff., 326ff.Menschenwürde 5f., 30f., 119, 237,

283f., 285ff., 326ff.Mindestlöhne siehe BürgergeldMindesteinkommensiehe BürgergeldMitbestimmung siehe TeilhabeMittelstand 89f., 92, 105ff., 108f., 115f.,

143ff., 183f. 186f., 274, 312f., 326ff.- Eigenkapital 104ff.- Kultur 187- Anstand 187

NNachhaltigkeit 83, 202ff., 269, 296,

344Negativsteuer („negative Einkommensteuer“) sieheBürgergeldNeoliberalismus 13f., 38f., 53,

66ff.,75f., 138, 285f., 324f.

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Netto-Neuverschuldung sieheVerschuldungsverbot, prinzipiellesNew Deal 70f.NiedriglohnbereichSiehe BürgergeldNotlagen- soziale siehe Bürgergeld- bei Staatsverschuldung siehe

Verschuldungsverbot, prinzipielles

OÖkologie und Ökonomie 173ff.„Ökologische Weiterentwicklungder Marktwirtschaft“ 42ff.Ordnung/Ordnungspolitik 5f., 15, 24ff.,

45f., 75ff.- der Weltwirtschaft siehe WeltwirtschaftsordnungOrdoliberalismus 13f., 53f.

PPflegeversicherung 290f.Pflicht zur Versicherung 277ff.Prävention- gegen Arbeitslosigkeitsiehe Bürgergeld- im Gesundheitssystem sieheGesundheitspolitik„Preisstabilität“ korrekt„Geldwertstabilität“ siehe WährungsverfassungPreisniveaustabilität= GeldwertstabilitätPrivateigentum siehe EigentumProduktivkapital siehe Teilhabe und VermögenProtektionismus sieheFreihandel

RRente, Rentenversicherungsiehe Altersvorsorge

SSchonvermögensiehe Steuern und BürgergeldSelbständigkeit siehe Eigenverantwor-

tungSolidarität 36ff., 65f., 205ff., 228ff.,soziale Gerechtigkeit 5f., 43ff., 52f.,

56, 120ff., 226, 279, 309, 328ff.Soziale Marktwirtschaft:das ganze Buchsoziale Sicherheit 5f., 43ff., 50, 56,

120ff., 229, 279, 294ff., 309Sozialhilfe in besonderen Lebenslagensiehe BürgergeldSozialleistungen- steuerfinanzierte/beitragsfinanziertesiehe BürgergeldSozialpolitik 37, 46f., 277ff.Staatsaufgaben 48, 55ff, 63ff.Staatsversagen 8ff., 19ff., 152, 183ff.Staatsverschuldung sieheVerschuldungsverbot, prinzipielles Steuern: niedrig, einfach, gerecht 16ff.,

178f., 214, 219ff., 225ff., 228ff., 307ff., 328ff.

Subjekthilfe vor ObjekthilfeSiehe Bürgergeld Subsidiarität siehe Eigenverantwortung, Solidarität und Föderalismus

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TTeilhabe 104ff.- durch Bildung 33ff.- durch Bürgergeld siehe Bürgergeld- am Arbeitsplatz, 94, 104ff.- am Produktivkapital, Vermögen 94,

104ff.Transparenz- bei föderaler Verantwortung siehe Föderalismus- im Sozialsystem siehe BürgergeldTugenden siehe Werte

UUmlageverfahren siehe AltersvorsorgeUmweltvorsorge/Umweltschutz 143,

172ff., 204ff., 336ff.Unternehmer siehe Mittelstand

VVerantwortung siehe auch Haftung 5f.,

268, 294Verfassung 9f., 12, 31f., 55, 258ff,

273f.. 321, 326ff.Verfassungsschranken gegenSteuerlast und Staatsverschuldungsiehe VerschuldungsverbotVerschuldungsverbot, prinzipielles 16,

79ff., 142, 186, 219, 240ff., 259ff., 268, 271ff., 310ff., 343, 346

Vermögen, breite Streuung 104ff.., 134ff. siehe auch Teilhabe

Verstaatlichung siehe EnteignungVersteigerung von Zertifikaten

siehe Umweltvorsorge

WWährungsverfassung 141, 148, 180ff.,

197ff., 260, 282f., 327ff.Weltwirtschaftskrise 9, 76f., 243, 276f.Weltwirtschaftsordnung 152ff., 161,

164f., 328ff.Werte 5, 12ff., 30ff, 187ff., 191, 196,

209, 211, 219, 293, 299, 306, 310, 320ff., 327ff.

Wettbewerb 46f., 51f., 72ff., 82ff., 112ff., 127f., 140ff., 144ff., 157ff., 166ff., 263, 297, 328ff.

Wettbewerbsföderalismus 219Wettbewerb im Gesundheitssystem

291ff.Wirtschaftsordnung siehe Ordnung in

FreiheitWürde 6, 30, 284, 288, 327ff.

Z Zentralismus siehe FöderalismusZertifikatshandel siehe Umweltvorsor-

geZumutbare Arbeit, Ablehnung siehe

BürgergeldZuverdienst-Chancen siehe Bürgergeld

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Über den Autor

Horst Werner wurde am 2. Februar 1943 in Prag geboren. Mit seinem Klassenkameraden Hans-Werner Losberg 1961 bei den Jungdemokraten in Dormagen eingetreten, plante er als Chefredakteur der „Hansekogge“ mit Losberg eine liberale Revolution in Südamerika. Weil beide aber stattdessen zur Ma-rine gingen, wurde daraus nichts. Die Folgen in Südamerika sind erst recht nach den letzten Wahlen unübersehbar.

Nach dem Studium der Wirtschaftlichen Staatswissenschaften mit Schwerpunkt Außenwirtschafts- und Währungspolitik so-wie Jura promovierte er als Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Willgerodt zum Dr. rer. pol. 1990 holte ihn der Bun-desvorsitzende Otto Graf Lambsdorff als Referenten für Wirt-schaft und Soziales in die Bundesgeschäftsstelle. In der Fried-rich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitete Horst Werner ab 2000 erneut für Otto Graf Lambsdorff, Wolfgang Gerhardt und seinen früheren FDP-Bundesgeschäftsführer Rolf Berndt.

Bis zur Verabschiedung im Jahre 2008 war Horst Werner Ge-schäftsführer des Bundesfachausschusses Wirtschaft, bzw. „Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik“ und „Wirtschaft und Arbeit“, von 1990 bis 1992 auch des Bundesfachausschusses Soziales, außerdem Mitglied im Bundesfachausschuss Finan-zen und Steuern sowie im Bundesfachausschuss Landwirt-schaft. Zu seinen Veröffentlichungen gehören Gutachten für das Bundeswirtschaftministerium und den DIHT, Beiträge im ORDO-Jahrbuch, der Zeitschrift für Wirtschaftspolitik und in Festschriften, zuletzt 2007 mit „Vom Freihandel zur Ordnungs-politik“ in der Festschrift zum 80. Geburtstag von Otto Graf Lambsdorff.

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Argumente der Freiheit

Herausgegeben vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Band 20: Stefan Melnik und Sascha Tamm: Kleines Lesebuch der liberalen Bildungspolitik

Band 21: Elisabeth Karnatz: Internationale Lösungsansätze in der frühkindlichen Bildung

Band 22: Michael von Prollius: Kleines Lesebuch über die Verfassung der Freiheit

Band 23: Sascha Tamm: Eigentum - Grundprinzipien und Denkanstöße

ISBN 978-3-920590-37-0